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1965 C. Grundmann, V. Mini, J. M . Dean und H.-D. Frommeld 191 Uber Nitriloxyde, IV1) Dic y an-di-N-ox y d 223) von Christoph Grundmann *I, Vinicio Mini, Judith M. Dean und Hans-Dieter Frommeld Aus dem Mellon Institut, Pittsburgh/Pa., U.S.A. Eingegangen am 15. Marz 1965 Das von W. Strinkopf beobachtete thermische Zerfallsprodukt von Dichlordioxim (1) wird als Dicyan-di-N-oxyd (2) erkannt, unter dessen mesomeren Formen 2b iiberwiegt. Krist. monomeres 2 ist bei -78" weitgehend haltbar, zersetzt sich bei -45" i. Vak. plotzlich ohne Explosion unter Aussendung weiBen Lichtes, detoniert bei Raumtemperatur und polymerisiert in Losung zum Polyfuroxan 8. Die Dampfe von 2 reizen die Atmungsorgane. 2 laRt sich gravi- metrisch als Dibromdioxim und titrimetrisch nach Reaktion rnit Triphenylphosphin als Di- cyan bestimmen. - Halogenwasserstoffsauren (auRer Fluorwasserstoff) werden von 2 elektro- phi1 zu den Dihalogendioximen addiert. Mit je 2 Molaquivv. NaOH, Ba(0H)z und Cu(1I)- acetat entstehen die entsprechenden Salze von aci-Nitro-acethydroxamsaure (13) ; Reaktion von 2 mit Alkoxyl-Ionen fiihrt zu den Estern von 13. Mit Ammoniak entsteht am 2 Oxalyl- diamid-dioxim (14); rnit Anilin, Cyclohexylamin und Diathylamin bilden sich in nucleophiler Reaktion substituierte Amidoxime (15-17). 1.2-Diamine reagieren rnit 2 zu 1.4-Diazinen (18, 19) ; tertiare Amine liefern unbestandige innere Salze trisubstit. Amidoxime (z. B. 20a), die sich in einigen Fallen als Halogenide quartarer Oxaldiamidinium-dioxime (20 b) fassen lassen und die auch aus den tert. Aminen und 1 entstehen. Phenylhydrazin reduziert 2 teils zu Dicyan, teils wird es zu Oxalyl-bis-phenylhydrazid-dioxim (22a) addiert, das RingschluR zu 22 b erleidet. Mit Sulfid-Ionen reagiert 2 zu Dithio-oxaldihydroxamsaure (23) und Tetra- oximino-1.4-dithian (24), mit Cyanid-Ionen zu Dicyandioxim (26). Mit khylenen bzw. Ace- tylenen geht 2 1.3-dipolare Additionen zu cis- und trans-3.3'-Bi-A2-isoxazolinylen (z. B. 34a und 34b) bzw. zu 3.3'-Bi-isoxazolylen (29-31) ein, welch leztere zu Furoxanen (28, 32) weiterreagieren. Entsprechende Ringschlusse werden bei der Reaktion von 2 rnit Dienen (z. B. zu 37-39) beobachtet. Darstellung und Eigenschaften Im Jahre 191 1 haben Steinkopj und Jiirgens4) beobachtet, daB sich Dichlorglyoxim (Dichlordioxim, Oxaldihydroxamsiure-dichlorid, 1) beim Behandeln mit NazC03- *) Herrn Prof. Dr. Karl Freudenberg zum 80. Geburtstag gewidmet. 1) 3. Mitteilung: C. Grundmann und H.-D. Frommeld, J. org. Chemistry 30, 2077 (1965). 2) Auszugsweise vorgetragen im Chemischen Kolloquium der Institute fur Organische Che- 3) Vorlaufige Mitt. : C. Grundmann, Angew. Chem. 75, 450 (1963). 4) W. Steinkopf und B. Jiirgens, J. prakt. Chem. [2] 83, 453 (191 I), und zwar S. 460. mie der Universitaten Heidelberg und Miinchen am 25. bzw. 26. Marz 1963.

Über Nitriloxyde, IV. Dicyan-di-N-oxyd

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1965 C. Grundmann, V. Mini, J. M . Dean und H.-D. Frommeld 191

Uber Nitriloxyde, IV1)

Dic y an-di-N-ox y d 223)

von Christoph Grundmann *I, Vinicio Mini, Judith M . Dean und Hans-Dieter Frommeld

Aus dem Mellon Institut, Pittsburgh/Pa., U.S.A.

Eingegangen am 15. Marz 1965

Das von W. Strinkopf beobachtete thermische Zerfallsprodukt von Dichlordioxim (1) wird als Dicyan-di-N-oxyd (2) erkannt, unter dessen mesomeren Formen 2b iiberwiegt. Krist. monomeres 2 ist bei -78" weitgehend haltbar, zersetzt sich bei -45" i. Vak. plotzlich ohne Explosion unter Aussendung weiBen Lichtes, detoniert bei Raumtemperatur und polymerisiert in Losung zum Polyfuroxan 8. Die Dampfe von 2 reizen die Atmungsorgane. 2 laRt sich gravi- metrisch als Dibromdioxim und titrimetrisch nach Reaktion rnit Triphenylphosphin als Di- cyan bestimmen. - Halogenwasserstoffsauren (auRer Fluorwasserstoff) werden von 2 elektro- phi1 zu den Dihalogendioximen addiert. Mit je 2 Molaquivv. NaOH, Ba(0H)z und Cu(1I)- acetat entstehen die entsprechenden Salze von aci-Nitro-acethydroxamsaure (13) ; Reaktion von 2 mit Alkoxyl-Ionen fiihrt zu den Estern von 13. Mit Ammoniak entsteht a m 2 Oxalyl- diamid-dioxim (14); rnit Anilin, Cyclohexylamin und Diathylamin bilden sich in nucleophiler Reaktion substituierte Amidoxime (15-17). 1.2-Diamine reagieren rnit 2 zu 1.4-Diazinen (18, 19) ; tertiare Amine liefern unbestandige innere Salze trisubstit. Amidoxime (z. B. 20a), die sich in einigen Fallen als Halogenide quartarer Oxaldiamidinium-dioxime (20 b) fassen lassen und die auch aus den tert. Aminen und 1 entstehen. Phenylhydrazin reduziert 2 teils zu Dicyan, teils wird es zu Oxalyl-bis-phenylhydrazid-dioxim (22a) addiert, das RingschluR zu 22 b erleidet. Mit Sulfid-Ionen reagiert 2 zu Dithio-oxaldihydroxamsaure (23) und Tetra- oximino-1.4-dithian (24), mit Cyanid-Ionen zu Dicyandioxim (26). Mit khylenen bzw. Ace- tylenen geht 2 1.3-dipolare Additionen zu cis- und trans-3.3'-Bi-A2-isoxazolinylen (z. B. 34a und 34b) bzw. zu 3.3'-Bi-isoxazolylen (29-31) ein, welch leztere zu Furoxanen (28, 32) weiterreagieren. Entsprechende Ringschlusse werden bei der Reaktion von 2 rnit Dienen (z. B. zu 37-39) beobachtet.

Darstellung und Eigenschaften Im Jahre 191 1 haben Steinkopj und Jiirgens4) beobachtet, daB sich Dichlorglyoxim

(Dichlordioxim, Oxaldihydroxamsiure-dichlorid, 1) beim Behandeln mit NazC03-

* ) Herrn Prof. Dr. Karl Freudenberg zum 80. Geburtstag gewidmet. 1 ) 3. Mitteilung: C. Grundmann und H.-D. Frommeld, J. org. Chemistry 30, 2077 (1965). 2) Auszugsweise vorgetragen im Chemischen Kolloquium der Institute fur Organische Che-

3) Vorlaufige Mitt. : C. Grundmann, Angew. Chem. 75, 450 (1963). 4) W. Steinkopf und B. Jiirgens, J. prakt. Chem. [2] 83, 453 (191 I), und zwar S. 460.

mie der Universitaten Heidelberg und Miinchen am 25. bzw. 26. Marz 1963.

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Losung oder bei starkem Erhitzen unter Entwicklung eines intensiv Nitriloxyd-artigen Geruches zersetzt.

Die Angaben iiber die Alkali-Empfindlichkeit von 1 sind nicht ohne Widerspruch: Stein- kopfund Jiirgenss) bemerkten, daR nach dem Behandeln von 1 mit 2 Moll. NaOH unveran- dertes Ausgangsmaterial wiedergewonnen wurde, woraus sie auf die (alkalistabile) anti- Konfiguration von 1 schlossen. Ungnade und Mitarbeiters) iibernahmen diese Angabe und nahmen das UV-Spektrum von 1 in 0.1 n NaOH auf, wobei sie nur eine langsame zeitliche Abnahme der Intensitat beobachteten. Diese Befunde stehen im strikten Gegensatz zu den hier mitgeteilten Ergebnissen.

Fiihrt man die Reaktion von 1 rnit verd. NazCO3-Losung in Gegenwart eines rnit Wasser nicht mischbaren, inerten Losungsmittels (z. B. Ather, Methylenchlorid oder Toluol) bei 0" aus, so kann man bei raschem Arbeiten in Ausbeuten bis zu 60 % d. Th. das von Steinkopf4) beobachtete Zersetzungsprodukt in Form einer bis zu 5-proz. Losung erhalten, die bei tiefer Temperatur langere Zeit haltbar ist. Dieser reaktions- fahigen Verbindung muD auf Grund der folgenden Umsetzungen die Konstitution des Dicyan-di-N-oxyds (2), O c N =C-C =N+O, des einfachsten bifunktionellen Nitril- oxyds, zugeschrieben werden:

1) Konzentrierte Chlor- oder Bromwasserstoffsaure fiihrt 2 quantitativ in die ent- sprechenden Dihalogendioxime iiber 7 ) .

O-NSC-CaN+O + 2 H-Hal - HON=C-C=NOH (A) I I

Hal Hal

2) Mit Triphenylphosphin reagiert 2 quantitativ zu Dicyan und Triphenylphos- phinoxyds).

O+NS-CEN+O + 2 P ( C S H ~ ) ~ NaC-C=N + 2 OP(CcH5)3 (B)

3) Mit Anilin bildet sich Oxalyl-dianilid-dioxim 7 ) .

@-NGC-CZN+O + 2 C6H5NH2 H~CG-NH-C-C-HN-CGHS ( c ) HOik ikOH

5 ) Zit.4), dort S. 462. 6 ) H. E. Uizgnade, C . Fritz und L. W. Kissinger, Tetrahedron [London] 19, Suppl. I, 235

(1963), und zwar S. 239. 7) H . Wieland, Ber. dtsch. chem. Ges. 40, 1667 (1907), und zwar S. 1669, gibt an, daR Ben-

zonitriloxyd weder rnit konz. Salzsaure noch rnit Anilin reagiere. Wie wir gefunden haben, ist das ein Irrtum; alle Nitriloxyde lagern leicht im Sinne von (A) und (C) Halogenwasser- stoffsauren oder Amine an: Lit.3); s. auch G . Zinner und H . Giinther, Angew. Chem. 76, 440 (1964).

8) C. Grundmann, Chem. Ber. 97, 575 (1964), sowie Lit.3).

1965 Uber Nitriloxyde, IV 193

4) Phenylacetylen lagert sich in einer 1.3-dipolaren Cycloaddition zu 5.Y-Phenyl- 3.3'-bi-isoxazolyl an.

Die Maglichkeit des Auftretens von Dicyan-di-N-oxyd als kurzlebiges Zwischenprodukt bei der Reaktion von Dichlordioxim (1) mit Acetylen-Grignardverbindungen zu 3.3'-Bi-is- oxazolylen (4) ist schon von Quilico9) in Betracht gezogen, aber zugunsten des ebenfalls hypo- thetischen Zwischenprodukts 3 verworfen worden. Versuche9.lo), 2 aus 1 mit Pyridin freizu- setzen, scheiterten, da sich ein quartares Salz bildet, das keine Tendenz zum Zerfall in 2 und Pyridin-hydrochlorid zeigt

H0N.C- =NOH + 2 R-CIC-Mg-Br 1 klZ1

A / \ s-$-$-ti %-ik N + 2 R-C=CH R-C N N, C-R

0' 2 0 HO' 3 OH

Auch bei der Bildung von 3.3'-Bi-isoxazolyl (5) aus Acetylen und konz. Salpetersaure bzw. nitrosen Gasen, die bis zu einer Ausbeute von 65 % d. Th. verlaufen kann, ist das Auftreten von 2 nach folgendem Reaktionsschema in Betracht gezogen worden 11) :

CiHz + 2 NO + 2 NO2 - HON=C-Y=NOH I OaN NO2

Versuche zum direkten Nachweis von 2 sind jedoch von keinem der genannten Autoren unter- nommen worden.

Frisch bereitete Losungen von 2 in unpolaren Losungsmitteln sind nahezu farblos und klar. Sie lassen sich ohne wesentliche Abnahme des Gehalts an monomerem 2 bei Temperaturen unterhalb -40" Iangere Zeit aufbewahren und zersetzen sich bei -20" innerhalb von 3 Tagen nur zu einigen x. Bei 0" liegt die Halbwertszeit einer 1-proz. Losung von 2 in Methylenchlorid bei etwa 2 Stunden. Dampft man eine etwa 1-proz.

9) A . Quilicu, G . Caudiuno und A . Ricca, Gazz. chim. ital. 87, 638 (1957). 10) A . Quilico und G . Sragno D'Alronrres, Gazz. chim. ital. 80, 140 (1950). 1 1 ) R. Cramer und W. R. McClellan, J. org. Chemistry 26, 2976 (1961).

Liebigs Ann. Chem. Bd. 687 13

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Losung von 2 in Methylenchlorid i . Hochvak. bei -78" ein, so bleiben farblose Kristalle zuruck, die offenbar das monomere 2 sind und bei dieser Temperatur wenig- stens einige Stunden unverandert bleiben. Im Vakuirm bei -45" zersetzt sich das feste 2 nach wenigen Miniiten plotzfich unter Emission eines blendend weipen Lichtblitzes, ohne dal3 eine eigentliche Explosion eintritt. Werden Losungen von 2 in Ather oder Methylenchlorid bei 0 bis -5" i. Vak. eingedampft, so tritt - wahrend der groRte Teil der Polymerisation anheimfallt - schlieRlich eine Zersetzung in ruhigerer Form ein, die von einem intensiven blauen Leuchten begleitet ist. Bringt man Kristalle von 2 unter Atmospharendruck auf Raumtemperatur, so detonieren sie nach wenigen Augen- blicken mit groBer Brisanz und pfirsichblutenroter Flamnie. Die geringe Fluchtigkeit von 2 im Vergleich zum Dicyan (Sdp. -34.4"), die sich dadurch verrat, daR es aus Losungen in Methylenchlorid (Sdp. 40") durch Abdampfen zu isolieren ist, durfte ein Ausdruck der stark polaren Natur dieser Verbindung sein.

Dicyan-di-N-oxyd (2) besitzt einen charakteristischen, ungemein stechenden Geruch, zugleich an Brom und monomeren Formaldehyd erinnernd. Das Einatmen der Dampfe erzeugt unangenehme, lang anhaltende Reizungen des Nasen-Rachenraums und der oberen Luftwege, wobei die individuelle Empfindlichkeit verschieden zu sein scheint und mit ofterer Exposition zunimmt.

Losungen von 2 zeigen ein sehr einfaches IR-Spektrum (Abb. I ) : Zwei scharfe Banden bei 2190 und 1235 cni-1, von denen die erstere der C =N-, die letztere der N -0-stretching-Schwingung zuzuordnen ist. Wie im Dicyan ist die C-C-Schwingung

2 P 100

= 80

M) Y

OJ .G - 440 0 \i 20

0 400036003200280024002000 1800 1600 14M) 1200 loo0 8W 6SOcm-*

[Imm Abbildung 1 . IR-Spektrum von Dicyan-di-N-oxyd (2) in CC14, 5 Min. nach der Darstellung

inaktiv. Da die Spektren nur in CC14 oder Petrolather aufgenommen werden konnten, ist das Vorhandensein schwacherer Banden in den Regionen der Losungsmittelab- sorption (vornehmlich im Gebiet zwischen 700 und 750 cm-1) nicht auszuschliel3en. CS2 kommt wegen der bekannten Reaktionsfahigkeit von C = S-Bindungen mit Nitriloxyden 12) als Losungsmittel nicht in Betracht. Aromatische Nitriloxyde zeigen dieselberi beiden Banden bei einer etwas hoheren Frequenz (ca. 2295 und 1370 cm-1) 13).

12) R . Huisgen, W . Mack und E. Anneser, Angew. Chem. 73, 656 (1961) 13) R . H . Wiley und 8. J . Wakefield, J. org. Chemistry 25, 546 (1960).

1965 uber Nitriloxyde, IV 195

ioi5 30 cm-' 40.103

I I I

50

Abbildung 2 UV-Spektrum von

Dicyan-di-N-oxyd (2) in Hexan bei 0" - 5 Min. bzw.

--- 40 Min. nach der Darstellung

2.0

1143/6521 400 350 300 250my; )0

Bei Raumtemperatur farben sich die Losungen von 2 bald rosa und scheiden poly- mere Umwandlungsprodukte als orange- bis ziegelroten, feinpulverigen, amorphen Niederschlag ab. Elementaranalyse und Molekulargewichtsbestimmung deuten auf ein niedermolekulares Polymeres, (CzNzOz), (n = 5 -8) hin; der Kettenabbruch erfolgt offenbar durch Anlagerung von Wasser, das schwer vollstandig aus den Losungen von 2 zu entfernen ist. Beim Erhitzen auf dem Spate1 verbrennen diese Polymeren mit glanzender, pfirsichblutenroter Lichterscheinung; beim Erhitzen im Rohrchen ver- puffen sie rnit scharfem Knall. Das IR-Spektrum zeigt neben einer schwachen Ab- sorption k i 33OOcm-1 (OH) nur eine breite Bande rnit einem Maximum bei ca. 1610 cm-1 und einer Schulter bei 1300 cm-1 (wahrscheinlich C-N- oder N-O- stretching).

In ihren Eigenschaften erinnern die Polymeren an die von Wielandl4) aus Methyl-, Athyl- oder Benzyl-nitrolsaure durch Behandlung rnit NazCO3-Losung erhaltenen polymeren

14) H. Wieland, Ber. dtsch. chem. Ges. 42, 803 (1909).

13*

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Nitriloxyde, die urspriinglich als s-Triazin-tris-N-oxyde (6) angesehen wurden, eine Formu- lierung, die nach unseren heutigen Kenntnissen uber s-Triazine nicht mehr haltbar ist. Spe- r o d s ) hat eine polare Struktur (7)vorgeschlagen, die den physikalischen und chemischen Eigen- schaften besser gerecht wird. Fur die polymeren Dicyan-di-N-oxyde steht noch die eines Poly- furoxans (8) zur Diskussion. Eine 7 entsprechende Struktur fuhrt zu einem dreidimensional vernetzten Polymeren, von dem man schon bei relativ geringem Polymerisationsgrad vollige Unloslichkeit erwarten mu8, was im Widerspruch zu den Eigenschaften unserer Polymeren steht.

n

6 ' 7 8

In Ubereinstimmung rnit der Polyfuroxan-Struktur 8 sind die Polymeren von 2 in verd. Alkalien loslich, geben eine schwach rote Reaktion auf Hydroxamsauren rnit FeC13 und werden von Triphenylphosphin teilweise ihres Sauerstoffs beraubtg). Ferner deutet die Farbe auf ein langeres, ungesattigtes konjugiertes System hin, wie es in 8, nicht aber in 7 enthalten ist. Aus diesen Grunden mochten wir vorlaufig der Formel 8 als Ausdruck des allgemeinen Bauprinzips dieser Polymeren den Vorzug geben.

Die analytische Bestimmung von 2 geschieht am bequemsten durch Umsetzung rnit Bromwasserstoffsaure nach Gleichung (A) zu dem in Sauerstoff-freien Losungs- mitteln nahezu unloslichen Dibromdioxim (S. 192), das gravimetrisch bestimmt wird. MaBanalytisch kann 2 auf Grund der Reaktion rnit Triphenylphosphin (Gleichung B, S. 192) bestimmt werden, wozu entweder das gebildete Dicyan argentometrisch oder das uberschussige Triphenylphosphin jodometrisch titriert wird:

Die angegebenen Methoden liefern iibereinstimmende Resultate, erlauben jedoch in gealterten Losungen von 2 keine exakte Unterscheidung zwischen dem Monorneren und polymeren Umwandlungsprodukten. Diese werden bei der gravimetrischen Be- stimmung ebenso wie bei der Reduktion mit Triphenylphosphin wenigstens z. T. mit erfal3t. Es ist deshalb noch nicht in befriedigender Weise gelungen, die Kinetik der Polymerisation von 2 zu verfolgen.

Die gebeniiber anderen einfachen aliphatischen Nitriloxyden, z. B. Acetonitril- oxyd 16) auffallig erhohte Bestandigkeit verdiinnter Losungen von 2 mag ihren Grund

15) G . Speroni, Sitzungsber. 14. Internat. KongreD fur reine und angew. Chemie, Zurich 1955,

16) G. Zinner und H . Giinther, Angew. Chem. 76, 440 (1964). Ref. Nr. 52, S. 30.

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in der Moglichkeit einer gewissen Resonanzstabilisierung im Sinne der mesomeren Grenzstrukturen 2a-c haben:

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 O-N=C-C=N-8 - Fj-N=C-CzN-O ct O-N=C-C=N=O

2a 2b 2c

Eine weitere mogliche Struktur ware die des Dinitrosoacetylens (9), die mit dem 1R-Spek- trum von 2 vertraglich ist und durch chemische Reaktionen u priuri nicht ausgeschlossen werden konnte, da Verbindungen dieses Typs bis vor kurzem unbekannt waren. Inzwischen 17)

sind jedoch monosubstituierte Nitrosoacetylene [lo, R = n-C4H9 und (CH&C] beschrieben worden, die tief blau und von 2 in ihren IR- und UV-Spektren sowie ihren chemischen Re- aktionen vollig verschieden sind.

9 O=N-CzC-N=O R-C-C-NO 10

Wenn man heute wieder dazu neigt, die Knallsaure - zumindest in freier Form-nach dem Vorschlag von WielundI*) als Formonitriloxyd, HC = N+O, aufzufassen, so stande 2 zu ihr in derselben Beziehung wie das Dicyan zur Blausaure und ware als ,,Fulminogen" zu bezeichnen. Dieser Name erscheint im Hinblick auf die beschriebenen Eigenschaften fur 2 besonders passend. Entsprechend der bekannten Spaltung von Dicyan durch Alkali in Cyanid und Cyanat ware hier die Bildung von Fulminat und dem noch unbekannten Oxofulminat zu erwarten:

0-N-C-C-N-0 + 2 OH@ * CNO" + OCNO" + HzO (E)

Trotz zahlreicher Bemuhungen hat sich jedoch eine Spaltung nach obigem Schema nicht nachweisen lassen. Auch beim Behandeln der Losungen von 2 rnit Silbernitrat, Silberoxyd oder Quecksilberoxyd entstand keine Spur von Fulminat. uber den vermutlichen Verlauf der Reaktion von 2 mit Alkalien siehe S. 198.

Additionsreaktionen rnit gesattigten Verbindungen

In seinen klassischen Arbeiten iiber Nitriloxyde gibt Wielandl9) an, da13 Benzo- nitriloxyd nicht mit Halogenen, HCI, Anilin und Phenylhydrazin reagiere. Bereits zu Beginn dieser Untersuchungen fanden wir3), daR sich Dicyan-di-N-oxyd (2) in dieser I-Iinsicht ganz anders verhalt. Unterdessen wurde festgestellt 20), da13 - mit Ausnahme der mangelnden Reaktionsbereitschaft gegeniiber Halogenen - die Angaben von H . Wielund auf einem Irrtum beruhen. Generell reagieren aliphatische und aroma-

17) E. Robson und J. M . Tedder, Proc. chem. Soc. [London] 1963, 13. 18) H . Wielund und Mitarbeiter, Liebigs Ann.Chem. 444,7 (1925); R . Hwisgen, Angew. Chem.

19) H . Wieland71, dort S . 1669. 20) 20a) C. Grundmann und J . M . Dean, Angew. Chem. 76, 682 (1964); C. Crundmann und

75, 604 (1963), und zwar S. 612.

H.-D. Frommeld, unveroffentlicht. - *0b) G . Zinner und H . Giinther, vgl. Lit.7).

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tische Nitriloxyde leicht rnit Halogenwasserstoffen und Aminen; 2 nimmt also rnit den im folgenden beschriebenen Reaktionen keine Sonderstellung ein.

Auf die glatte Addition von HCZ bzw. HBv an 2 (S. 192), die zu Dichlor-dioxim (1) bzw. Dibrom-dioxim fuhrt, 1aDt sich eine quantitative Bestimmungsmethode fur 2 grunden. Mit Jodwasserstoff entsteht das entsprechende Dijod-dioxim, jedoch eignet sich diese Reaktion wegen der Zersetzlichkeit des Reaktionsproduktes weniger zur Bestimmung von 2. Fluorwasserstoff addiert sich hingegen nicht an 2 infolge der ge- ringen Nucleophilie des Fluorid-Ions.

Dicyan-di-N-oxyd (2) wird von Alkalien langsam aus organischer Losung extrahiert ; die gelben Ausziige enthalten eine sehr zersetzliche Verbindung, deren Isolierung in annahernd reinem Zustand als Natriumsalz durch Anwendung von athanol. NaOH gelingt. Mit Bariumhydroxid entsteht aus 2 direkt ein unlosliches Bariumsalz, rnit Kupfer(II) -acetat wird aus der waDrig-alkalischen Losung ein unlosliches Kupfersalz gefallt. Diese Sake entsprechen in ihrer Zusammensetzung der Addition von 2 Mol- aquivalenten Metallhydroxid an l Mol. 2. Mit athanol. Natronlauge wird je I Mol. NaOH und NaOC2H5 addiert. Die den Salzen zugrunde liegende Saure ist jedoch, wie die Zusammensetzung der Salze und ihre Eigenschaften zeigen, mit keinerzder drei bekannten 21-23), vermutlich stereoisomeren Oxaldihydroxamsauren (11) iden- tisch.

Die Anlagerung des OH-Ions verlauft offenbar nicht uber die Grenzstruktur 2a (Reaktion F); vielmehr muR man annehmen, daR die Grenzstrukturen 2b oder 2c rnit alternierender Ladungsverteilung bevorzugt sind, und daJ3 der primare Angriff des OH-Ions am positivierten Stickstoff erfolgt (G). Das Zwischenprodukt 12a erleidet eine prototrope Ladungsverschiebung zu 12 b, das die mi-Form des Nitro-aceto-

2a 11

13: R = H bzw. CzHs 12b 21) H. Lossen, Liebigs Ann. Chem. 150, 314 (1869); A . Huntzsch, Ber. dtsch. chem. Ges. 27,

22) W. Lossen, Ber. dtsch. chem. Ges. 27, 1105 (1894). 23) V. Puoloni, Gazz. chim. ital. 37 11, 87 (1907).

799 (1894).

1965 Uber Nitriloxyde, IV 199

nitriloxyds darstellt. SchlieDlich lagert die Nitriloxydgruppe in normaler Weise 24)

Hydroxyl- bzw. Alkoxyl-Ion an. Das Endprodukt ist somit das Salz der aci-Nitro- acethydroxamsaure (13) bzw. ihres Athylesters.

Als Abkommling der Nitroessigsaure ist 13 sehr labil; beim Eindampfen der waD- rigen Losungen findet sich aller Kohlenstoff in Form von Carbonat wieder. Frisch bereitete waDr. Losungen des Dinatriumsalzes von 13 (R = C2H5) geben eine starke Hydroxamsaure-Reaktion mit FeCI3. Nach dem Ansauern verschwindet diese Re- aktion bald, wahrend sich C02 und wenig N20 entwickeln. Aus der sauren Losung la 13t sich aber keine definierte Verbindung isolieren. Beini Abrauchen des Dinatrium- salzes mit konz. Salzsaure bleibt nahezu in der berechneten Menge ein Gemisch von NaCl und Hydroxylammoniumchlorid zuriick, das nur noch Spuren organischer Ver- unreinigungen enthalt. Da es uns bisher nicht gelungen ist, 13 in Form bestandiger Derivate, etwa durch Acylierung oder Veratherung, zu charakterisieren, kann der im Schema (G) vorgeschlagene Reaktionsmechanismus nur als wahrscheinlich an- gesehen werden.

Im Gegensatz zur Einwirkung von anorganischen Basen verlauft die Reaktion von 2 mit Ammoniak und seinen organischen Derivaten glatt und iibersichtlich. 2 reagiert hier ausschlieDlich in der 1.3-dipolaren Grenzform 2a. Ammoniak liefert in schlechter Ausbeute ein Oxalyl-diamid-dioxim (14), das mit dem schon beschriebenen Praparat25) nicht identisch, wahrscheinlich also ein Stereoisomeres ist. Als Hauptprodukt ent- stehen polymere Verbindungen, da Ammoniak gegeniiber 2 offenbar als di- bzw. trifunktionelle Verbindung reagieren kann, oder das zunachst gebildete 14 weiteres 2 zu addieren vermag26). Mit Anilin, Cyclohexylamin oder Diathylamin werden mit z. T. ausgezeichneten Ausbeuten die substituierten Amidoxime Oxalyl-dianilid-dioxim (15), Oxalyl-dicyclohexylamid-dioxim (16) und Oxalyl-bis-diathylamid-dioxim (17) er- halten. 17 ist verschieden von einem von Wielund27) in wenig durchsichtiger Reaktion aus Dibromfuroxan und Diathylamin erhaltenen Produkt ; vermutlich handelt es sich auch hier um ein Stereoisomeres. Bifunktionelle, aliphatische oder aromatische Amine reagieren mit 2 zu Kettenpolymeren26). Eine Ausnahme machen 1.2-Diamine, bei denen RingschluDreaktionen zu 1.4-Diazinen auftreten. So wurden aus Wthylendiamin 2.3-Dioximino-piperazin (18) und aus o-Phenylendiamin 2.3-Dioximino-l.2.3.4- tetrahydro-chinoxalin (19) erhalten. Auch tertiare Amine addieren sich an 2 zu sehr unbestandigen inneren Salzen trisubstituierter Amidoxime (20a), die sich aber in manchen Fallen als Halogenide quartarer Oxalyl-diamidinium-dioxime (20 b) stabili-

24) Diese Reaktionsstufe ist in verschiedenen Fallen an stabilen aromatischen Nitriloxyden, bei denen die bei 2 eintretenden Komplikationen ausgeschlossen sind, sehr glatt verwirk- licht worden: vgl. LitYa).

2 5 ) E. Fischer, Ber. dtsch. chem. Ges. 22, 1930 (1889). 26) Uber die aus Dicyan-di-N-oxyd und bifunktionellen Addenden im allgemeinen entstehen-

27) H . Wieland, Ber. dtsch. chem. Ges. 42, 4192 (1909). den Polymeren wird noch berichtet werden.

200 C. Grundmann, V. Mini, J. M . Dean und H.-D. Frommeld Bd. 687

sieren lassen. Addukte des Typs 20b sind vielfach auch direkt aus den betreffenden tertiaren Aminen und Dichlordioxim darstellbar 28). Aus Tri-n-butylamin, Pyridin oder Chinolin und 2 sind so gut charakterisierte, bestandige Hydrochloride erhalten worden.

__c [ @ I 1 I I @ 3 20b 20a DO-N N-O@ HON NOH

0 0

II II RsN-C-C-NR3 + 2 HC1 R~N-C-C-NRB 2 C1'

Als besonders starkes Nucleophil reagiert Phenylhydrazin mit 2 bereits bei -20 bis -40" sehr schnell. Die Reaktion ist aber dadurch kompliziert, daR selbst bei diesen tiefen Temperaturen Phenylhydrazin als Reduktionsmittel wirkt und einen Teil von 2 in Dicyan uberfiihrt, das mit Phenylhydrazin zu dem bekannten Oxaldiimidsaure-bis- phenylhydrazid (21) reagiert. Wahrend dieses bei 0" zum einzig isolierbaren Reaktions- produkt wird, erhalt man bei -20 bis -40" auch erhebliche Mengen des normalen Additionsproduktes, Oxalyl-bis-phenylhydrazid-dioxim (22a), und das durch spon- tane Dehydratisierung daraus hervorgegangene Bis-phenylhydrazino-furazan (22 b).

+ 2 C&,-NH-NHZ 2 O+NZC-C=N-O * NZC-CrN - CsHS-NH-NH-~-~-NH-NH-CsH!

HN NH

21 + 2 c ,n , -NH-Nn2

22 a 22b

Schwefelwasserstoff reagiert als solcher nicht mit 2, wohl aber das Sulfid-Zon. Es entstehen nebeneinander Dithio-oxaldihydroxamsaure (23) und Tetraoximino-1.4- dithian (24). Letztere Verbindung wird auch durch Addition eines weiteren Molekiils 2 an bereits isoliertes 23 erhalten. DaR das Reaktionsprodukt die symmetrische Struktur 24 hat, wird durch die Darstellung von Tetraacetoximino-1 .Cdithian (25),

28) A . Quilico und Mitarbeiterg). Ein analoges quartares Salz aus Benzhydroxamsaurechlorid und Pyridin erhielten H. Wieland und A . Hochtlen, Liebigs Ann. Chem. 505, 237 (1933), und zwar S. 247.

1965 Uber Nitriloxyde, IV 20 1

dessen vier CH3-Gruppen ein identisches NMR-Signal (bei T = 7.72) geben, bewiesen. Die Anlagerungsprodukte 23 und 24 entstehen in geringen Ausbeuten; die durch die direkte Bildung von 24 aus 2 erwiesene Fahigkeit des Sulfid-Ions, bifunktionell zu reagieren, fuhrt in der Hauptsache zu hohermolekularen Kettenpolymeren 26).

O+N=C-C~N+O + 2 ~ 2 0 - OO-N=C-C=N-O@ 9 @k A@ 1+2 HON=C-C=NOH

23 Hk kH RON NOR

HON=C -C=NOH R o N X s L o R 26 NL AN

2 4 : R = H 25: R = CH,CO

Wahrend 2 rnit freier Blausaure nicht reagiert, vereinigt es sich auRerst leicht mit Cyanid-Zonen unter Bildung von Dioximino-succinodinitril (Dicyandioxim, 26), iden- tisch rnit der von Wislicenus29) aus Succinodinitril durch Nitrosieren erhaltenen Verbindung.

Die Tatsache, daR 2 nicht rnit meRbarer Geschwindigkeit mit HCN, dahingegen auRerst rasch rnit CNQ reagiert, erklart sich widersprechende Angaben iiber die Reaktion von Di- chlordioxim (1) mit Alkalicyaniden : Ungnade und Mitarbeiters) konnten aus 1 mit Alkali- cyaniden kein organisches Cyanid erhalten, vermutlich weil sie zu vorgelegtem 1 nur 2 Moll. Alkalicyanid zusetzten. Hierbei wirkt das Alkalicyanid lediglich als Base und setzt 2 aus 1 unter gleichzeitiger Bildung von Blausaure frei (Reaktion H). Hingegen hat Longo30) aus 1 und KCN 26 leicht darstellen konnen, indem er zu vorgelegter KCN-Losung (ein wenig mehr als 2 Moll.) eine Losung von 1 zusetzte. Das gebildete 2 findet so Cyanid-Ionen vor, mit denen es zum Dianion von 26 zusammentritt (Reaktion J).

HON=C-C=NOH + 2 KCN ----) O-NEC-CXN-O+ 2 KC1 + 2 HCN (H) 1 61 L 1

~+NGC-C=N-O + 2 CN@ -+ @O-N=C-C=N-O~ (J) 2 NC!! 6 N

Tn eigenen Versuchen haben wir uns davon iiberzeugt, daR aus 1 und 2 Moll. KCN etwa 50% d. Th. an 26 entstehen, wahrend rnit 4 Moll. KCN mehr als 90% d. Th. davon erhalten werden.

Analog ist die glatte Bildung von Cyandioxim aus amphi-Chlordioxim31) nicht aus der be- sonderen sterischen Konfiguration des Oximss), sondern durch die Tatsache zu erklaren, daR etwa 4 Moll. KCN auf 1 Mol. amphi-Chlordioxim angewandt wurden.

29) W. Wislicenus und R. Griitzner, Ber. dtsch. chem. Ges. 42, 1930 (1909), und zwar S. 1938. 3 0 ) G . Longo, Gazz. chim. ital. 61, 575 (1931), und zwar S. 581. 31) H. Wielund, Z. Kitnsato und F. Fromm, Liebigs Ann. Chem. 475, 54 (1929), und zwar S. 73.

202 C. Grundmann, V. Mini, J. M. Dean und H.-D. Frommeld Bd. 687

Von den in diesem Kapitel behandelten Additionsreaktionen des Dicyan-di-N- oxyds (2) sind die Anlagerungen von Halogenwasserstoffen wohl als primarer elektrophiler AngvifS des Protons auf den Elektronen-reichen Sauerstoff von 2b zu deuten. Die Reaktion rnit OH-Ionen nimmt eine Sonderstellung ein (S. 198), wahrend sich alle iibrigen Reaktionen zwanglos als nucleophile Additionen an die positiv ge- ladenen C-Atome von 2b auffassen lassen.

Additionsreaktionen rnit ungesattigten Verbindungen Seinen Charakter als bifunktionelles Nitriloxyd demonstriert das Dicyan-di-N-oxyd

(2) am klarsten durch die Leichtigkeit, mit der es 1.3-dipolare Cyclondditionen im Sinne von Huisgen32) eingeht. Diese sind zugleich das iiberzeugendste Argument gegen eine Formulierung als Dinitroso-acetylen (9, S. 197). Entsprechend den theoretischen Vorstellungen verlaufen diese Additionen rnit Athylenen wie folgt zu 3.3’-Bi-A2- isoxazolinylen :

R’ R’

R’-R4 = organische Reste oder H

Die Reaktion fiihrt mit Acetylenen (R3 und R4 = Elektronenpaare) zu 3.3‘-Bi-isoxa- zolylen. Sie verlauft langsmer als die von Athylenen33). Dies fiihrt dazu, da13 man rnit Phenylacetylen neben etwa 80 % des zu erwartenden 5.5’-Diphenyl-3.3’-bi-isoxazolyls (29) noch 15 ”/, d. Th. an 3.4-Bis-[5-phenyl-isoxazolyl-(3)]-furoxan (28) erhalt. 28 ent- steht durch die Dimerisation des Zwischenproduktes der Addition von nur 1 Mol. Phe- nylacetylen an 2, den1 5-Phenyl-isoxazol-nitriloxyd-(3) (27), die offenbar in der RG-Ge- schwindigkeit rnit der weiteren Addition von Phenylacetylen an 27 konkurrieren kann.

Dimerisation 1 + C,H,-CaCH

28 29

Mit Diphenylacetylen reagiert 2 so langsam, daI3 die Polymerisationsreaktionen bei weitem den Vorrang haben ; das Additionsprodukt 4.4‘.5.5’-Tetraphenyl-3.3’-bi-isoxa-

32) Zusammenfassende Darstellung bei R . Huisgen, Angew. Chem. 75, 604, 742 (1963). 33) Zur quantitativen Messung des Unterschiedes der Reaktionsgeschwindigkeit von Benzo-

nitriloxyd mit doppelt und dreifach ungesattigten Systemen vgl. R . Huisgen, Angew. Chem. 75, 742 (1963).

1965 Uber Nitriloxyde, IV 203

zolyl(30) konnte nicht isoliert werden; in etwa 5-prOZ. Ausbeute erhalt man nur das 28 entsprechende 3.4’-Bis-[4.5-diphenyl-isoxazolyl-(3)]-furoxan (32). Mit Diphenyl- diacetylen war iiberhaupt keine Reaktion mehr zu erzwingen, wahrend Acetylendi- carbonsauredimethylester glatt das erwartete 4.4’.5.5’-Tetracarbomethoxy-3.3’-bi- isoxazolyl (31) lieferte.

32

Diese Befunde sind insofern interessant, als sie gegen die in Reaktion (K), S. 202, dargestellte vereinfachte Auffassung sprechen, nach der die Addition von 2 an un- gesattigte Systeme uber die mesomere Grenzstruktur 2a als eine doppelte Vierzentren- reaktion verlauft. Wegen des Auftretens gleichsinniger Ladungen an benachbarten C-Atomen ist es wahrscheinlich, d a R diese Struktur weniger bevorzugt ist als etwa Zb, die zunachst zu halbseitigen Addukten vom Typ 27 fiihren sollte. In dem (hypo- thetischen) Zwischenprodukt

33a 33b 3 3c

kann dann eine Ladungsverschiebung zur 1.3-dipolaren Form 33 b eintreten, die ent- weder mit 33 a zum Furoxan unter Ladungsausgleich zusammentritt, oder die Furoxan- Bildung findet - nach dem Vorschlag von Huisgen34) - iiber eine Carben-artige Grenzform (33c) statt.

Am Modell laBt sich voraussagen, daB die Anlagerung von 2 an monosubstituierte Athylene zu zwei raumisomeren Bi-isoxazolinylen, einer cis- und einer trans-Form, fiih- ren muR, die am Beispiel des Systems Dicyan-di-N-oxyd/Styvol im Verhaltnis 1 : 1 leicht zu isolieren sind (34a und 34b). Beide Isomere werden mit Chromsaure zum bekann- ten 5.5’-Diphenyl-3.3’-bi-isoxazolyl(29) dehydriert. Welches der beiden Isomeren die cis- und welches die trans-Form darstellt, konnte noch nicht entschieden werden.

HzY-$-$-f: HZ H27-$;;-7H2 “-7.2 N.OOC-H H-CWN N WH C-CsH5 H 5 c 6 sH5 H 5 c 6

34a: &-Form 34b: trans-Form

Nach Quilico und Mitarbeitern35) wird bei der Addition von Nitriloxyden an cis- trans-isomere ffthylene die sterische Konfiguration des Addenden gewahrt, jedoch 34) R. Huisgen, Angew. Chem. 75, 742 (1963), und zwar S. 751. 35) A . Quilico, G. Stagno D’Alcontres und P . Griinanger, Gazz. chim. ital. 80, 479 (1950);

A . Quilico und P. Grunanger, ebenda 82, 140 (1952).

204 C. Grundmann, V. Mini, J. M. Dean und H.-D. Frommeld Bd. 687

mu13 2 auch mit einem sterisch einheitlichen, symmetrisch substituierten Athylen verschiedene Raumisomere liefern. Modellbetrachtungen lehren, da13 aus cis- und trans-Olefinen je eine meso- und eine dl-Form des tetrasubstituierten Bi-isoxazo- linyls zu erwarten ist. Aus 2 und Maleinsaureanhydrid wurde in quantitativer Ausbeute das 4.5.4.5’-Tetracarboxy-bi-A~~~’-isoxazolinyl-(3.3’)-dianhydrid (35) als ein Ge- misch von Stereoisomeren erhalten, dessen Auftrennung in Form der entsprechenden Tetracarbonsauren aber nicht befriedigend gelang. Am Beispiel der Addition von trans-Stilben an 2 konnten jedoch die beiden isomeren 4.4’.5.5‘-Tetraphenyl-bi-A2- isoxazolinyle-(3.3‘) (36a und 36b) getrennt werden; eine konfigurative Zuordnung war noch nicht moglich, da auch diese Isoxazoline basischer Eigenschaften ermangeln, die eine Aufspaltung eines der Isomeren in optische Antipoden ermoglichen wurden.

O H H O

\$-(!&,N N, ,C-C O H 0

@C -c-c-c-c -c, II II I ,o

35

Ebenso wie bei aromatischen Nitriloxyden36) verlauft auch bei 2 die Anlagerung von Cyclohexen so langsam, da13 nur Polymerisationsprodukte von 2 erhalten wur- den37). Unerwarteterweise ist diese Reaktionstragheit beim Cyclohexadien-(1.4) fiir eine der beiden Doppelbindungen aufgehoben; man erhalt ziemlich glatt das Bi- [3a.4.7.7a-tetrahydro-l.2-benzisoxazolyl]-(3.3’) (37). Cyclopentadien hingegen liefert das analoge Addukt, Bi-(3a.6a-dihydro-4Hcyclopent[d]isoxazolyl)-(3.3’) (38), nur, wenn es in gro13em UberschuR gegenuber 2 angewandt wird; bei der Reaktion aqui- molekularer Mengen entstehen ausschlie13lich polymere Additionsprodukte 26).

37 38 39

36) N . Barbnlescu, P. Crunanger, M . R. Langella und A . Quilico, Tetrahedron Letters [London] 1961, 89.

37) Durch Anwendung der von R. Huisgen und Mitarbeitern, Angew. Chem. 73, 656 (1961), vorgeschlagenen Arheitsweise, wobei das Nitriloxyd bei tiefer Temperatur und niedriger Stationarkotizentration laufend in Gegenwart des Addenden erzeugt wird, werden sich vermutlich auch diese Reaktionen verwirklichen lassen.

1965 Uber Nitriloxyde, IV 205

Auch aliphatische Diene konnen unter diesen Bedingungen teilweise zu monomeren Addukten umgesetzt werden. So entsteht aus 2 niit einem UberschuR an Butadien- (1.3) das 5.5'-Divinyl-bi-~2-isoxazolinyl-(3.3') (39).

Mit ungesattigten Bindungen zwischen Kohlenstoff und Sauerstoff, Schwefel oder Stickstoff reagiert Dicyan-di-N-oxyd (2) so langsam, daR die Polymerisation uber- wiegt. Das steht im Gegensatz zu monofunktionellen aliphatischen und aromatischen Nitriloxyden, die 1.3-dipolare Cycloadditionen leicht eingehen38). Negative Ergeb- nisse wurden rnit Benzaldehyd, Acetessigsaureathylester, CS2, Cyanameisensaure- athylester, Benzonitril oder HCN erhalten37).

Die vorliegende Arbeit wurde teilweise unterstiitzt durch den U. S . Public Health Service (Research Grant CA 07272-01 und -02 des National Cancer Institute, Bethesda/Maryland), wofur wir unseren Dank aussprechen mochten.

Beschreibung der Versuche Die Schmelzpunkte sind mit dem Mikroschmelzpunktsapparat von Fisher-Johns bestimmt

worden. Die Mikroanalysen wurden von den Galbraith Laboratories, Knoxville/Tenn., aus- gefuhrt.

Reaktion von Dichlordioxim mit Alkali: a) Zu 157 mg (1 mMol) Dichlordioxim (1) gibt man bei 20" genau 20 ccm 0.1 n NuOH. 1 lost sich sofort rnit gelber Farbe und der Geruch von Dicyan-di-N-oxyd (2) ist wahrnehmbar (pH FZ 5). Nach 20 Min. gibt man genau 20 ccm 0.1 n HCI zu und extrahaiert 3mal mit je 15 ccm Ather. Aus den vereinigten kherextrakten werden nach dem Abdampfen nur 29 mg gelber, harziger Ruckstand erhalten, aus dem kein 1 mehr zu isolieren war.

Fuhrt man denselben Versuch mit 157 mg 1, aber nur ZOccm 0.1 n NaOH aus, so kann man aus dem Riickstand des Atherextraktes (103 mg) durch Sublimation bei 105-135"/0.1 Torr 69 mg (ber. 78.5 mg) 1 zuruckgewinnen.

b) AuBer durch Alkalihydroxyd wird 1 mit gleicher Leichtigkeit durch NaZC03, NaHC03, Natriumacetat, NaCN und Na2F2 unter Entwicklung von 2 zersetzt. - Im nicht-waBrigen System kann die Zersetzung von 1 zu 2 auch rnit Natriumamid- oder Natriumhydrid-Suspen- sionen in geeigneten organischen Losungsmitteln (z. B. CH2C12) durchgefuhrt werden, jedoch bietet diese Arbeitsweise keine praparativen Vorteile.

Dringend ist duvor zu warnen, groBere Mengen 1 mit Alkali ohne oder in Gegenwart un- genugender Mengen Losungsmittel zur Reaktion zu bringen, da dabei auch bei 0" schwere Explosionen auftreten konnen.

Dicyan-di-N-oxyd (2). - a) Darstellung in Losung: In einem 250-ccm-Scheidetrichter, der in einem Eis/Wasserbad schwimmt, wird eine Suspension von 3.14 g (0.02 Mol) Dichlordioxim (1) in 100ccm Methylenchlorid oder Toluol auf 0" abgekiihlt. Man gibt dann 100ccm I n

38) R . Huisgen und W. Mack, Tetrahedron Letters [London] 1961, 583; R. Huisgen, W. Mack und E. Anneser, Angew. Chem. 73, 656 (1961); Tetrahedron Letters [London] 1961, 587; T. Mukaiyama und T. Hoshino, J. Amer. chem. SOC. 82, 5339 (1960).

286 C. Grundmann, V. Mini, J. M . Dean und H.-D. Frommeld Bd. 687

NqCO3-Losung, die ebenfalls auf 0" vorgekiihlt ist, zu, schiittelt 60 Sek. gut durch, laRt im Eisbad nicht langer als 1-2 Min. absitzen und trennt die organische Phase - unbeschadet einer geringen emulgierten Zwischenschicht - in einem auf -78" vorgekiihlten und rnit einigen Gramm wasserfreiem NaZS04 beschickten Kolben ab, der sofort rnit einem CaC12- Rohr verschlossen wird. Bei scbnellem Arbeiten erhalt man so eine fast farblose, bis hochstens schwach rosafarbene Losung von 2, die nach 1 stdg. Trocknen bei -78" bei derselben Tem- peratur rasch durch ein Faltenfilter in einen auf -78" vorgekiihlten Kolben filtriert wird. Beim Filtrieren mu13 ein teilweises Verdampfen von leicht fliichtigen Losungsmitteln (Ather, Methylenchlorid) durch Abdecken des Trichters unbedingt vermieden werden, da es sonst zu einer gefahrlichen Konzentration von 2 in den oberen Partien des Filters rnit anschlienender Entflammung oder Explosion kommen kann! Der Gehalt des Filtrates an 2 liegt je nacb der Schnelligkeit des Arbeitens und dem verwendeten Losungsmittel (in Methylenchlorid wurden stets die hochsten Ausbeuten erhalten) zwischen 0.84 und 1.08 gjl00 ccm (50-64 % d. Th.). Man kann Losungen mit bis zu einem Gehalt von etwa 5 % an 2 herstellen, doch sinkt dabei die Ausbeute stark ab, und wegen der erhohten Zersetzungsgeschwindigkeit ist es schwierig, farblose klare Losungen zu erhalten.

Losungsmittel: Fur die Darstellung von 2 sind auch noch Chloroform, CCl4 und Xylol gut brauchbar. Benzol und Cyclohexan haben zu hohe Erstarrungspunkte. Ather und Athylacetat haben den Nachteil, daD sie 1 sehr gut losen; es ist dann nicht moglich, den Endpunkt der Umsetzung mit dem Alkali zu erkennen, und man erhalt leicht Losungen von 2, die noch 1 enthalten konnen. Bei Ather besteht auRerdem die Gefahr der Selbstentziindung beim Fil- trieren. Ligroin oder Petrolather sind - falls frei von Olefinen - gut geeignet, geben aber geringere Ausbeuten an 2 wegen der ungiinstigeren Verteilungskoeffizienten.

Aufbewahrung: Fertige Losungen von 2 kann man unter FeuchtigkeitsausschluD bei - 78" anscheinend unbegrenzte Zeit aufbewahren; wegen der potentiellen Explosionsgefahr emp- fiehlt es sich jedoch, in einem Ansatz nicht mehr als 0.05 Mol 1 auf einmal zu verarbeiten.

Reaktion mit HBr: 2 ist wenig fliichtig mit Atherdampfen; nach schneller Abdestillation von 50 ccm einer ca. I-proz. ather. Losung in vorgelegte ather. HBr-Losung konnten im Destillat nur 6 % des eingesetzten 2 als Dibromdioxim nachgewiesen werden, wahrend der Rest beim Konzentrieren der Losung in heftiger Reaktion polymerisierte.

b) Isolierungc Der folgende Versuch sollte nur hinter einem explosionsfesten Schutzschild durchgefiihrt werden. Einen 100-ccm-Schliffrundkolben (mit Tropftrichter versehen und durch ein kurzes, weites Verbindungsstiick rnit einer in fliissigem Stickstoff gekiihlten Falle verbun- den) kiihlt man in einem COz/Trichlorathylen-Bad auf -78". Dann gibt man schnell 50 ccm einer bei -78" gehaltenen Losung von ca. 0.5 g 2 in Methylenchlorid in den Kolben und evakuiert auf 10-2 Torr. Im Laufe von etwa 3.5 Stdn. destilliert das Losungsmittel (und ein Teil von 2) in die Vorlage, wahrend farblose bis gelbliche Kristallkrusten von 2 zuriick- bleiben. Gibt man durch den Tropftrichter 50 ccm Methylenchlorid von -78" zu, wobei sich die Kristalle wieder auflosen, so ergibt diese Losung, rnit HBr umgesetzt (s. S. 207), aus- schliel3lich Dibromdioxim in der zu erwartenden Menge. Dadurch ist bewiesen, daR die Kristalle kein niedermolekulares Polymerisationsprodukt, sondern tatsachlich monomeres 2 sind. Dieses scheint bei -78" wenigstens einige Stunden i. Hochvak. unverandert haltbar zu sein.

1965 Ober Nitriloxyde, 1V 207

Zersetzung: Ersetzt man das Bad von -78" durch ein solches von -45", so beginnen sich die Kristalle nach wenigen Minuten zu braunen, bis plotzlich Zersetzung uuter Lichterscheinung eintritt. Danach finden sich in allen Teilen der Apparatur rotbraune, pulvrige Umwandlungs- produkte von 2 (manchmal ist in den oberen Teilen der Kiihlfalle noch festes, unzersetztes 2 vorhanden), die sich beim Auseinandernehmen der Apparatur gelegentlich spontan entziinden oder explosiv zersetzen. Es empfiehlt sich daher, die ganze Apparatur durch Einsenken in fliissigen Stickstoff zu kuhlen, durch den Tropftrichter vollstandig mit -78" kaltem Methylen- chlorid zu fullen und dann erst dasVakuum aufzuheben. LaDt man nun imVerlaufvon 24Stdn. allmahlich auf Raumtemperatur kommen, so kann danach die Apparatur gefahrlos zerlegt und gereinigt werden.

Polymeres Dicyun-di-N-oxyd. - a) Eine nach a) (S. 205) bereitete Losung von 0.76 g 2 in 80 ccm Toluol wird bei Raumtemperatur 60 Stdn. stehengelassen. Da das als feines, schar- lachrotes Pulver abgeschiedene Polymere schwer filtrierbar ist, wird das Losungsmittel bei 35 -40" (Wasserbad) im Wasserstrahlvakuum abdestilliert und der Ruckstand in 25 ccm Aceton gelost. Nach Abdampfen des Acetons i. Vak. bleibt das Polymere als roter Lack zuriick, der beim Aufnehmen mit 20 ccm Toluol in glanzende, burgunderrote, aber amorphe Blattchen zerfallt, die gut filtrierbar sind. Man wascht mit Toluol nach, bis dieses farblos ablauft und trocknet i. Vak. iiber P205. Das so dargestellte Praparat (905 mg) enthalt noch Toluol und entspricht etwa der Formel (ClN202)7*2 H20.2 C7H8.

C28H2oN14016 (808.6) Ber. C 41.59 H 2.49 N 24.26 Gef. 42.55,42.35 2.18, 2.34 24.24,24.08

MoL-Gew. 780, 790 (osmometrisch in Aceton)

Das frisch bereitete, noch losungsmittelhaltige Polymere ist nicht schlagempfindlich, deto- niert jedoch bei Erhitzen im Rohrchen. Beim VeIsuch, das Losungsmittel bei 80"/10-2 Torr zu entfernen, -wurde die Apparatur nach 10 Min. durch eine Explosion zertriimmert.

b) Aus einer CHzCl2-Losung von 2, die analog aufgearbeitet, aber zum SchluB mit Benzol 24 Stdn. digeriert worden war, wurde ein Benzol-haltiges Polymeres der ungefahren Zusam- mensetzung (C~N202)g. 2 H2O. C6H6 erhalten.

C22H10N16018 (786.4) Ber. c 33.50 H 1.28 N 28.50 Gef. 34.06, 34.25 1.35, 1.29 28.66, 28.49

Mo1.-Gew. 840, 850 (osmometrisch in Aceton)

NMR-Spektrum: Die Aufnahme vom Toluol-haltigen Polymeren in Dimethylsulfoxyd-D6 zeigt, dab das Losungsmittel nur physikalisch absorbiert und nicht (etwa durch radikalischen Angriff) chemisch in das Polymere eingebaut ist. Das fur die Methyl-Protonen erhaltene Signal ist nicht aufgespalten und liegt genau an der gleichen Stelle wie dasjenige von reinem Toluol.

Analytische Bestimmung von Dicyan-di-N-oxyd. - a) Gravimetrisch als Dibromdioxim: In einen mit Schliffstopfen versehenen 50-ccm-Erlenmeyerkolben bringt man 2 ccm einer etwa 32-proz. Losung von HBr in Eisessig, pipettiert 25 ccm einer auf -78" gekiihlten Methylen- chloridlosung von 2 ein, verschlieBt den Kolben und schiittelt gut um, wobei Dibromdioxim als weiBes, krist., gut filtrierbares Pulver ausfallt. Nach 15 min. Stehenlassen im Eisbad filtriert man, wascht den Niederschlag mehrmals mit wenig eiskaltem CHzClz und trocknet

208 C. Grundmann, V. Mini, J. M. Dean und H.-D. Frommeld Bd. 687

i. Vak. Ausbeute 794 mg Dibromdioxim, entspr. 271 mg (64.5 "/, d. Th.) 2. - Eine Parallel- bestimmung ergab 64.0% d. Th.; in einer Toluollosung wurden 61 % d. Th. an 2 gefunden. Die Eigenschaften des erhaltenen Dibromdioxims sind in Tab. 1 (S. 211) enthalten.

Die Mutterlauge enthalt noch geringe Mengen weniger reines Dibromdioxim, die durch Verdampfen isoliert werden konnen, die obigen Werte aber um < 1 % erhohen.

In gleicher Weise konnen Losungen von 2 in Chloroform, CC14 oder Ligroin analysiert werden; bei Verwendung atherischer Losungen von 2 ist es wegen der nicht zu vernachlassi- genden Loslichkeit von Dibromdioxim in diesem Losungsmittel notwendig, nach beendeter Reaktion i. Vak. einzudampfen, den Ruckstand mit 25 ccm Methylenchlorid aufzunehmen und wie oben weiter zu verfahren.

b) Jodometrisch nach Reaktion mit Triphenylghosphin: 5.241 1 g Triphenylphosphin (ana- lytisch rein) werden in einem 250-ccm-MeBkolben in Methylenchlorid gelost. Man pipettiert 25 ccm dieser Losung in einen 250-ccm-Erlenmeyerkolben rnit Schliffstopfen, gibt dann genau 10 ccm bei -78" gehaltene, ca. 0.5-proz. L6sung yon 2 in Methylenchlorid hinzu, verschlieBt den Kolben und schiittelt gut um. Nach 5 Min. setzt man 50 ccm 0.1 n Jod-Losung sowie 10 ccm 2 n NaOH zu und halt unter ofterem Umschutteln 20 Min. bei Raumtemperatur. Nach dem Ansauern rnit 15 ccm 2n HzS04 wird rnit 0.1 n NazS203 gegen Starke titriert. Im Blindversuch verbrauchten 25 ccm der obigen Triphenylphosphin-Losung 39.3 ccm 0.1 n Jod, nach Reaktion rnit 2 10.5 ccm. Das durch Reaktion mit 2 verbrauchte Triphenylphos- phin entspricht somit 18.8 ccm 0.1 n Jod. Daraus ergibt sich ein Gehalt von 39.5 mg 2 ( 1 ccm 0.1 n Jod = 2.100 mg 2). Nach Methode a) wurden 40.0 mg 2 gefunden.

c) Argentometrisch als Dicyun: Zu dem wie unter b) dargestellten Reaktionsgemisch von 2 und Triphenylghosphin in Methylenchlorid fugt man 50 ccmeiskaltes 1 n NH40H und schuttelt unter Eiskiihlung 10 Min. gut durch. Das in der waI3r. Phase befindliche Cyanid-Ion wird nach Zusatz eines Tropfens KJ-Losung nun rnit 0.1 n AgN03 nach Liebig-DenigCs bis zur bleibenden Trubung titriert: Verbrauch 2.35 ccm, entspr. 39.4 mg 2 (1 ccm O.ln AgN03 =

16.8 mg 2), was in guter Ubereinstimmung mit den nach den Methoden a) und b) erhaltenen Werten steht.

In einem Kontrollversuch wurde die ammoniakalische Losung quantitativ von der organi- schen Phase getrennt und das darin enthaltene Cyanat-Ion nach Wallis39) als Harnstoff be- stimmt. Erhalten wurden 28.0 mg Harnstoff (entspr. 39.2 mg 2), der durch Vergleich rnit einem authent. Praparat identifiziert wurde.

Addition von gesattigten Verbindungen an Dicyan-di-N-oxyd (Tab. 1. S. 21 1)

Addition von Halogenwasserstoff: Analog der Reaktion rnit HBr (S. 207) kann 2 rnit Chlorwasserstoff umgesetzt werden. Bei der Verwendung unpolarer Losungsmittel kristal- lisiert der groBte Teil an gebildetem Dichlordioxim (1) direkt aus (Eigenschaften in Tab. 1, S. 21 1 ) . Indessen ist die Loslichkeit von 1 in den meisten organischen Losungsmitteln groB genug, um diese Reaktion weniger geeignet zur quantitativen Bestimmung von 2 zu machen.

Jodwassertof (48-proz. waI3r. Losung) wurde rnit einer CHZC12-LGsung von 2 umgesetzt. Das entstandene Dijoddioxim (Eigenschaften und Analyse in Tab. 1, S. 21 1 ) ist in den meisten

39) T. Wallis, Liebigs Ann. Chem. 345, 353 (1906), und zwar S. 361.

1965 Uber Nitriloxyde, IV 209

organischen Losungsmitteln noch weniger loslich als 1 oder die entspr. Dibromverbindung. - Diese Additionen verlaufen bereits bei -20" fast momentan.

Reaktion von Dicyan-di-N-oxyd rnit Alkalien: a) 50 ccm einer bei -78" gehaltenen Losung von 2 (450 mg) in Methylenchlorid gibt man zu 5 ccm einer 10-proz. Losung von NaOH in absol. Athanol. Die Mischung farbt sich sofort dunkel-rotbraun, und der Geruchvon 2 ver- schwindet fast momentan. Nach kurzer Zeit hellt sich die Losung auf, und es scheidet sich ein orangegelber, zunachst siruposer, bald aber erstarrender Niederschlag ab. Nach 20 Min. filtriert man ab und wascht mit Toluol. Zur Reinigung wird das extrem hygroskopische Natriumsalz von 2 uber Nacht unter FeuchtigkeitsausschluB mit 20 ccm absol. khan01 digeriert, abfiltriert, rnit k h a n o l gewaschen und uber P205 bei -78"/0.1 Torr bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. Die Analyse des so erhaltenen gelben, mikrokristallinen Pulvers entspricht an- nahernd einem Di-natriumsalz des aci-Nitro-acethydroxamsaure-0-athylesters (13, R = CzH5).

Na2C4HsN204 ((192.1) Ber. C 25.01 H 3.15 N 15.27 Na 23.94 Gef. 23.50 2.54 14.01 23.24

Eine weitere Reinigung durch Umkristallisieren war nicht moglich, da kein Losungsmittel gefunden werden konnte, in dem das Salz ohne Zersetzung loslich ist.

b) Schuttelt man eine frisch bereitete ather. Losung von 2 bei 0" rnit einem UberschuB gesattigter, waBr. Bariumhydroxid-Losung, so fallt bald ein gelblicher Niederschlag aus, der nach dem Absaugen durch Waschen rnit Wasser, k h a n o l und Ather gereinigt und lufttrocken analysiert wird. Das Ergebnis spricht fur ein basisches Bariumsalz von 13 (R = H) rnit der Zusammensetzung C2H2N204. (BaOH)2.2 H20. Ba2C2HsN208 (462.8) Ber. Ba 59.36 N 6.05 H20 7.79 Gef. Ba 59.04 N 5.81 H20 7.75

Dasselbe Bariumsalz erhalt man auch durch Behandeln einer ather. Losung von Dichlordi- oxim (1) mit einem UberschuB an wLOr. Bariumhydroxid-Losung.

c) Schuttelt man eine Losung von 2 in Ather oder CHzClz mit 2n KOH bei O"solange, bis der Geruch von 2 verschwunden ist, neutralisiert die abgetrennte waBr. Phase rnit 2n Essig- saure und gibt einen UberschuR an gesattigter Kngfer(lI)-acetat-Losung zu, so erhalt man einen blaugrunen, nicht eindeutig krist. Niederschlag des Kupfersalzes von 13 (R = H). Es wird abfiltriert, mit Wasser, khan01 und Ather gewaschen und i. Vak. uber konz. Schwefel- saure getrocknet.

CuC~H2N204 (181.6) Ber. Cu 35.07 Gef. Cu 35.01

Versuche zur Zerlegung des Bariumsalzes mit Schwefelsaure oder des Kupfersalzes mit H2S fuhrten nicht den zu bekanntenz123) bestandigen, krist. Oxaldihydroxamsauren, sondern zu gelblichen Olen, die sich unter Gasentswicklung rasch weiter veranderten. Das Vorliegen der dritten bekannten Oxaldihydroxamsaure22), die sich nicht in freier Form isolieren laat, ist dadurch ausgeschlossen, daB das Kupfer- und das Bariumsalz dieser Saure bereits bei 50" heftig explodieren, wahrend die hier beschriebenen Salze auch nach scharfem Trocknen erst bei wesentlich hoherer Temperatur zu gelindem Verpuffen gebracht werden konnen.

Addition von Aminen. - Allgemeine Vorschrift: Die Umsetzungen wurden so ausgefuhrt, daB zu einer frisch bereiteten, eiskalten Losung von 2 (etwa 0.01 m) in CH2C12, Ather oder Toluol 0.22 Mol Amin zugegeben wurden. Wenn nach einigen Stunden das Addukt nicht spontan auskristallisierte, wurde das Losungsmittel i. Vak. abgedampft und der Ruckstand, wie in Tab. 1 (S. 21 1) angegeben, umkristallisiert.

Liebigs Ann. Chem. Bd. 687 14

210 C. Grundnzunn, V. Mini, J. M. Dean und H.-D. Frommeld Bd. 687

1) Ammoniak wurde in Form einer gesattigten athanol. Losung rnit 2 umgesetzt. Nach 24stdg. Aufbewahren bei -4" hatten sich 140 mg krist. Oxalyl-diamid-dioxim (14), vermischt mit etwas harzigen Nebenprodukten, abgeschieden (Reinigung und Daten in Tab. I , S. 211). Die Mutterlauge ergab nach dem Abtreiben des Losungsmittels nur harzige Polykonden- sationsprodukte von 2 + Ammoniak.

2) Das aus k'thylendiamin und 2 erhaltene Rohprodukt (1.37 g) wurde zur Befreiung von polymerem Material in 20 ccm Eisessig gelost, mit 20 ccm Ather versetzt und der amorphe, flockige gelbe Niederschlag abfiltriert. Auf Zugabe von weiteren 40 ccm Ather zum Filtrat kristallisierten 0.19 g rohes 2.3-Diuximino-piperazin (18) allmahlich aus. Reinigung und Daten in Tab. 1 (S. 211).

3) Substituierte Amidoxime. - Aus Anilin, Cyclohexylamin, Diathylamin bzw. o-Phenylen- diamin und 2 wurden die in Tab. 1 (S. 21 1) verzeichneten Verbindungen 15-17 bzw. 19erhalten.

4) Die aus Pyridin, Chinolin oder Tri-n-butylamin und 2 gebildeten salzartigen Addukte 20a kristallisieren nicht aus. Vorsichtiges Eindampfen der Losungen i. Vak. bei Raumtemperatur fiihrte zu hellgelben bis orangefarbenen, festen krist. Ruckstanden, die sich beim Erwarmen oder beim Losen in Wasser unter Auftreten des Geruchs vom zugrundeliegenden Amin schnell zersetzten. Leitet man in die unzersetzten Losungen jedoch trockenes HCI-Gas ein, so fallen die Hydrochloride 20b kristallin aus. - Das Addukt aus 2 und Pyridin ist schon beschrieben 2 8 ) .

1.2-Dichinolinium-dioxim-dihydrochlorid (20 b, R3 = C9H7N). - Dargestellt aus 2 und Chinolin. Es kristallisiert aus 50-proz. wal3r. Methanol auf Zusatz von konz. Salzsaure in kleinen Prismen; Schmp. 240-245" (Zers.).

C20H16C12N402 Ber. C 57.84 H 3.88 N 13.49 Gef. C 57.82 H 4.04 N 13.35

Dihydrochlorid des 1.2-Bis-tri-n-butyl-amidiniumdioxim-dichlorids [20 b, R3 = (n-CqH9)3 + 2 HCl]. - Es wird aus 2 bzw. 1 und Tri-n-butylamin nach dem Umkristallisieren aus vie1 Athylacetat in schonen, diinnen Nadeln vom Schmp. 164-165" erhalten.

C ~ ~ H ~ ~ C I ~ N ~ O Z (600.6) Ber. C 51.99 H 9.73 C123.61 N 9.33 Gef. 52.57 9.65 23.52 9.47

Reakfion yon Dicyan-di-N-oxyd rnit Phenylhydrazin: Zu einer hei -78" gehaltenen Losung von 1.01 g 2 in 100 ccm Methylenchlorid gibt man 2.6 g frisch dest. Phenylhydrazin und laBt 20 Min. bei -20 bis -25" stehen. Der Geruch von 2 ist dann vollkommen verschwunden, und aus der hellroten Reaktionsmischung haben sich gelbliche Kristalle abgeschieden, die nach weiteren 3 Stdn. bei 0" abfiltriert und rnit CH2C12 gewaschen werden (1.56 9). Durch kurzes Digerieren rnit 25 ccm kaltem Methanol werden aus dieser Fraktion 0.70 g reines Oxalyl-bis-phenylhydrazid-dioxim (22a) erhalten. Die Mutterlauge wird i. Vak. eingedampft und der harzige Ruckstand in 10 ccm Benzol aufgenommen. Nach 12stdg. Stehenlassen haben sich 0.77 g eines Gemischs von wenig 21 + 22b abgeschieden, das in 15 ccm Methanol gelost und 24 Stdn. bei - 15" aufbewahrt wird. Das auskristallisierte analysenreine Oxal- diimidsaure-bis-phenylhydrazid (21; 51 mg, vgl. Tab. 1, S. 211) wird abfiltriert und aus dem Filtrat durch Zusatz der gleichen Menge Wasser reines Bis-phenylhydruzino-furazan (22 b, 0.3 1 g ; vgl. Tab. 1) ausgefallt. Weitere Mengen lassen sich durch Konzentrieren der Mutterlauge gewinnen.

1965 uber Nitriloxvde. IV 211

Phenyl- hydrazin <

Addition y o n SuSfid-Ionen und von 23: a) Eine Losung von ca. 0.45 g 2 in 50 ccm cC14 wird bei 0" mit einer waRr. Losung von 2.4 g Nu2.S. 9 H 2 0 1 Stde. lang lebhaft verruhrt. Man trennt dann die organische Phase, die nichts mehr enthalt, ab, sauert die wal3r. Losung mit 2n H2S04 an und extrahiert 3 ma1 mit je 50 ccm Ather. Die vereinigten kherextrakte werden auf 30 ccm eingeengt und mit 15 ccm Ligroin versetzt, wobei 170 mg Tetrnoximino-1.4-di- fhinn (24; vgl. Tab. 1 ) ausfallen. - Aus dem Filtrat von 24 scheiden sich innerhalb 4 Tagen

Tabelle 1. Additionsprodukte von Dicyan-di-N-oxyd (2) mit gesattigten Verbindungen

c 21 221 -222" Blattchen C14Hi6N6 62.67 6.01 31.32 (S. 210) [2%1 (CH30H) (268.3)d 62.43 6.19 31.30

22a 165-166" Platten C14H16N602 55.99 5.37 27.98 (S. 210) [23 %] (CH30H) (300.3)h) 56.13 5.44 28.55

22 b 125 - 126" Blattchen Ci4Hi4N60 59.58 5.00 29.78 , (S. 210) [25 %] (CHsOH/H20) (282.3) 59.47 5.06 30.05

212 C. Grundmann, V. Mini, J. M. Dean und H.-D. Frommeld Bd. 687

bei Raumtemperatur 210 mg Dithio-oxaldihydroxamsaure (23; Tab. 1 ) in groBen, gelben Kristallen ab.

b) Eine Losung von 250 mg 23 (voranstehend) in 10 ccm Ather wird bei 0" mit ca. 0.45 g 2 in 50 ccm k h e r versetzt. Nach 3stdg. Stehenlassen bei 0" wird stark eingeengt und das gebildete 24 (285 mg) mit Petrolather gefallt. Identifizierung mit dem nach a) erhaltenen Produkt.

Tetraacetoximino-1.4-dithian (25). - 130 mg 24 (voranstehend) werden in 5 ccm Pyridin + 5 ccm Acetanhydrid48 Stdn. bei Raumtemperatur aufbewahrt. Das Losungsmittel wird i. Vak. abdestilliert und der Sirup zur Kristallisation rnit Petrolather verrieben. Die abfiltrierten Kristalle von 25 (220 mg, 98 %) werden mehrmals aus Chloroform/Ather (1 : 10) umkristalli- siert; derbe Prismen vom Schmp. 227-228" (Zers.).

C12H12N408S2 (404.4) Ber. C 35.64 H 2.99 N 13.86 S 15.86 Gef. 35.68 3.00 13.65 15.75 MoL-Gew. 400 (osmometr.)

Addition von Cyanid-Ionen: Zu einer eiskalten Losung von 0.45 g 2 in 50 ccm Methylen- chlorid gibt man 1.2 g Kaliumcyanid in 10 ccm Wasser und schiittelt im Scheidetrichter kraftig durch. Nach 3 Min. ist der Geruch von 2 verschwunden. Man trennt die waRr. Phase ab und bringt mit 2n H2SO4 auf pH 6, wobei das Monokaliumsalz des Dicyandioxims (26) auskri- stallisiert (0.45 8). Aus wenig Wasser umkristallisiert, erhalt man die Verbindung in langen, diinnen Prismen.

KC4HN404 (176.2) Ber. C 27.26 H 0.57 N 31.80 K 22.19 Gef. 27.11 0.82 31.60 22.00

Der Rest an Reaktionsprodukt (0.26 g) wird der Mutterlauge nach dem Ansauern auf uLH 1 als fjeie Siiure 26 durch Ather entzoen. Daten in Tab. 1 .

Addition von ungeslttigten Verbindungen an Dicyan-di-N-oxyd (Tab. 2, S. 2 13)

Allgemeine Vorschrift: Losungen von ca. 0.5 g 2 in 50 ccm MethylenchIorid, CCl4, Toluol oder Ather wurden bei -78" rnit der ber. Menge ungesattigter Verbindung (2 Mol/Mol) ver- setzt. Feste Addenden wurden vorher in dem entsprechenden organischen Losungsmittel gelost. Von bifunktionellen Dienen wurde (um die Bildung von Polymeren zuriickzudringen) ein 20 facher molarer UberschuB angewandt ; Butadien-(1.3) wurde in Chloroform um- gesetzt. - Man lieB das Gemisch langsam auf 0" kommen und hielt es bei dieser Temperatur, bis der Geruch von 2 nicht mehr wahrnehmbar war. Nach dem Verdampfen des Losungs- mittels wurde der Ruckstand, wie in Tab. 2 angegeben, bis zu konstantem Schmelzpunkt umkristallisiert. Da aus Olefinen stets ein Gemisch raumisomerer Produkte entsteht, liefert diese Art der Aufarbeitung nur das schwerer losliche Zsomere. Die Schmelzpunkte der Roh- addukte gaben in jedem Fall einen Hinweis auf das Vorliegen der zu erwartenden Gemische.

cis- und trans-5.5'-Diphenyl-bi-A2-isoxazolinyl-(3.3') (34a bzw. 34b). - Das aus Styrol und 2 erhaltene Rohprodukt (1.41 g) wird aus 13 ccm Eisessig umkristallisiert, wobei das hoher- schmelzende Isomere 34a bei RaumtempeIatur in kurzen Nadeln auskristallisiert (0.68 g, Schmp. 168-173"). Nochmaliges Umkristallisieien aus 6 ccm Eisessig ergibt das in Tab. 2 (S. 21 3) beschriebene Produkt. Aus der ersten Eisessigmutterlauge wird der Rest an gelostem Material durch schrittweisen Zusatz von Wasser fraktioniert gefallt. Die unterhalb 100"

1965 ube r Nitriloxyde, IV 213

schmelzenden Fraktionen (0.69 g) werden vereinigt und 2 ma1 aus Ligroin umkristallisiert, wobei das niedrigei schmelzende Isomere 34b rein erhalten wird (vgl. Tab. 2).

cis- und frans-4.4'.5.5'-Tetrarophenyl-bi-d~-isuxazulin~l (36a bzw. 36 b). - Aus trans-Srilben und 2 wurde ein Rohprodukt (2.59 g) erhalten, das mit 50 ccm Ligroin (70-95") ausgekocht wurde. Der unlosliche Ruckstand (0.35 g) bestand aus dem reinen, hoherschmelzenden Iso- meren 36a (vgl. Tabelle 2). Die Ligroinextrakte lieferten bei lingerem Stehenlassen (Raumtemperatur) 1.43 geines Gemisches beider Isomeren. Durch Umkristallisieren aus 60ccm Eisessig wurden daraus 0.25 g des niedrigei schmelzenden lsomeren 36b erhalten (Schmp. 170- 175"), das nach zweimaligem Umlosen aus 10 bzw. 5 ccm Eisessig rein erhalten wurde. Ausbeute 0.1 I g; Daten in Tab. 2.

5.5'-Diphenyl-3.3'-bi-isuxazulyl (29) und 3.4-Bis-[5-phenyl-isuxazoly/-(3)J-furoxan (28). - Das aus Phenylucetylen und 2 erhaltene Gemisch (2.30 g) wird mit Petrolather gewaschen und

Tabelle 2. Additionsprodukte von Dicyan-di-N-oxyd (2) an ungesattigte Verbindungen

Reakt.- Schmp. Kristalle Bruttoformel C H N Addend Produkt [Ausbeutel (aus Lsam.) (Mol.-Gew.) (oben Ber.. unten Gef.)

199" Nadeln C I SH 12N202 ( S . 213) [80"/;;] (Eisessig) (288.3) { 1: 188" Prismen GoH12N404 (S. 213) [80%] (C2HsOH/C6Ho) (372.3)a)

Diphenyl- 32 204" Prismen C3zHzoN404 acetylen (S. 2 14) [5 "/;;I (Eisessig) (524.5) b)

Phenyl- acetylen

167 - 168" Nadeln C I ~ H I Z N Z O I ~ Acetylen-dicar- 3,

(S. 214) [58%] (CH30H) (368.3) bonsaure-di- methylester

Styrol

34a 174-175" Tafeln CI sH 16N202

34b 96-97" Nadeln Ci8H16N202

(S. 212) [97%] (Eisessig) (292.3)

(292.3) I (S. 2 12) [97 :4] (Ligroin)

Maleinsdure- 35 267 -270°C) Prismen CinH4Nz08 anhydrid (S. 214) [78%] (AczO) (280.2)

36a 243-244" Blattchen C3oHz4N~Oz

36b 174" Nadeln C3nHz4N202

31 176°C) Prismen Ci4H 16N202

38 231 -232'~) Prismen CI 2H 12N202

Cyclohexa-

Cyclopenta- dien (S. 214) [57%]d) (Eisessig) (216.3)

Buta- 39 I 1 8 " ~ ) Blattchen CinHi2NzOz diew(1.3) (S. 214) [63%]e) (Ligroin) (192.2)

(S. 2 13) [97 %] (Eisessig) (444.5)

(S. 213) [97%] (Eisessig) (444.5)

(244.3)

I trans-Stil ben

dien-(1.4) (S. 214) [60%] (CH30H)

74.97 4.20 9.72 74.98 4.30 9.83

64.52 3.25 15.05 64.63 3.16 14.91

73.27 3.84 10.68 73.02 4.00 10.52

45.65 3.28 7.60 45.82 3.26 7.52

73.96 5.52 9.59 73.51 5.46 9.33 73.96 5.52 9.59 73.44 5.57 9.38

42.87 1.44 10.00 42.79 1.52 10.11

81.06 5.44 6.30 81.20 5.29

81.06 5.44 80.89 5.44

68.83 6.60 68.68 6.52

6.41

6.30 6.21

1.47 1.53

66.66 5.60 12.96 66.95 5.70 12.96

62.49 6.29 14.58 62.55 6.39 14.44

a) Mol.-Gew. Gef. 378. - b) Mol.-Gew. Gef. 500. - c) Das Rohprodukt ist ein Gemisch von Stereoisomeren, der Schmp. (Zers.) bezieht sich auf das rein isolierte, schwerer 16sliche Isomere. - d) Daneben werden 37% d. Th. an polymerem Kondensotionsprodukt erhalten. - e) Daneben 36% d. Th. polymeres Kondensationsprodukt.

214 M . Regitz und D. Stadler Bd. 687

a m besten durch Vakuumsublimation getrennt: Unterhalb I Tor r geht bei 170" (Bad) nahezu nur 29 uber ( I .86 g), wahrend das Furoxan 28 im Ruckstand bleibt (0.33 9). Sublimat und Ruckstand liefern nach je einmaligem Umkristallisieren (vgl. Tab. 2, S. 213) die reinen Sub- stanzen.

Bi-(3~1.6o-dihydro-4 H-cyclopent/d lisoxazol.vl)-(3.3') (38) bzw. 5.5'-Divinyl-bi-.~2-isoxazo- liny1-(3.3') (39). - Die aus 2 und Cyclopentadien bzw. Butadien-(I.3) erhaltenen Monomeren 38 bzw. 39 trennt man von den gleichzeitig entstandenen hohermolekularen Polykonden- sationsprodukten a m besten durch Vakuumsublimation (100- 120"/2 Torr) a b und kristalli- siert dann urn, wie in Tab. 2 angegeben ist.

Recrktionsprcidukte von 2 nzit Diphenylucerylen, Acetylendicarbonsaiiredimethylester, Malein- suurermhjdrid bzw. Cyrlohexcrdieti-( 1.4). ~ Sie werden nach der allgemeinen Vorschrift (S. 212) dargestellt. Die Eigenschaften der erhaltenen Verbindungen 32, 31, 35 bzw. 37 enthalt Tab. 2. [43/651

Reaktionen aktiver Methylenverbindungen mit Aziden, Vl l l1 )

uber a .a'-Azo-P-dicarbonylverbindungen bzw . deren Tautomere Ein Beitrag zur aliphatischen Azokupplung2)

von Manfred Regitz und Dieter Stadler

Aus dem lnstitut fur Organische Chemie der Universitat des Saarlandes, Saarbriicken

Eingegangen a m 12. Februar 1965

Die Umsetzung trans-fixierter P-Dicarbonylverbindungen mit 0.5 Mol Tosylazid/Mol liefert a.a'-Azo-P-dicarbonylverbindungen bzw. deren Tautomere (3a ~ c, 6, 10, 13, 18, 23a und 23b). Dabei reagieren die aus Tosylazid und den P-Dicarbonylverbindungen entstehenden x-Diazo-Derivate unmittelbar mit weiterer P-Dicarbonylverbindung im Sinne einer Azo- kupplung. Fur einige, hierbei als Zwischenprodukte auftretende a-Diazo-P-diketone (2b und 2c, 9, 17 und 21 a) werden verbesserte oder neue Darstellungen durch Diazogruppen-Uber- tragung angegeben. Die katalytische Hydrierung der aa'-Azo-P-dicarbonylverbindungen in Eisessig/Acetanhydrid liefert a-Acetylamino-P-dicarbonylverbindungen (4a- c, 7, 11, 15, 24a und 24b), die somit leicht zuglnglich sind.

Als charakteristische Eigenschaft aromatischer Diazoniumsalze wird die Azo- kupplung mit CH-aktiven Verbindungen angesehen. uber eine analoge Reaktion aliphatischer Diazoverbindungen ist aber bisher nu r wenig bekannt.

I ) 7. Mitteilung: M. Regitz und D. Sttrdler, Angew. Chem. 76, 920 (1964); Angew. Chem.,

2) Aus der Diploniarbeit D. Stadler, Univ. Saarbrucken 1964; erganzt durch Versuche von internat. Edit. 3, 748 (1964).

M . Regitz.