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Dtsch. Ent. Z., N. F. 24, Heft IV-V, Seite 373 --380 (1977) Uber Rhynchopacha spiraeae Staudinger, 1871 in Mitteleuropa (Lepidoptera, Gelechiidae) Von JAN PATOCKA Mit 33 Abbildungen im Text 1. Einleitung 1976 gelang es mir, im Naturschutzgebiet ,,Das Slovakische Paradies" in der Ost- slowakei die Gelechiide Rhynchopacha (= Epithrctis) spiraea(> aus Raupen an Spiraea media in mehreren Stucken zu ziehen. Weitere zwei Raupen (und davon eine verkruppelte Imago) fand ich an der gleichen Niihrpflanze in der Nlhe der Stadt Zvolen in der Mittel- slowakei. Herr Dr. J. D. BRADLEY von British Museum (Nat. Hist.) hat mein Material bereitwillig determiniert. Herr Doz. Dr. HANNEMANN vom Museum fur Naturkunde der HUMBOLDT- Universitat in Berlin (DDR) stellte rnir das Praparat der d Genitalien eines in diesem Museum befindlichen, von Dr. SATTLER festgelegten Lectotypus zur Verfugung, mit dem das Material von der Slowakei verglichen werden konnte. Den beiden Herren danke ich fur die wertvolle Hilfe. Es ist rnir nicht gelungen, Angaben uber das bisherige Vorkommen dieser Art in Mittel- europa in der zuganglichen Literatur zu finden. Es ist wohl wahrscheinlich (vgl. SATTLER, 1968), da13 seit den klassischen Funden bei Sarepta (Sudosten der europaischen UdSSR) durch €3. CHRISTOPH, nach denen STAUDINCER die Art in der Berl. ent. Z. 14: 302-303 be- schrieben hat, diese Spezies kaum mehr gesammelt wurde. Die Kopie der Urbeschreibung hat mir Dr. G. PETE~SEN bereitwillig beschafft, wofur ich ihm ebenfalls auch hier herzlich danke. PAVLOVSKIJ, STAKELBERC et al. (1955) erwiihnen diese Art von der europiiischen UdSSR ebenfah nicht. Mehrere bekannte rnitteleuropaische Lepidopterologen (Dr. Goz- MANY, Dr. HANNEMANN, Dr. KASY, Dr. KLIMESCH) haben mir mitgeteilt, dalj sie uber das Vorkommen dieser Art in Mitteleuropa keine Angaben besitzen. Da dieselbe von mir in der Slowakei relativ haufig und in zwei voneinander mehr als 100 km entfernten Gebieten an mehreren Lokalitiiten gefunden wurde, scheint sie in Mitteleuropa bodenstandig zu sein. lhre Entdeckung an weiteren geeigneten Lokalitlten ist zu erwarten. Da diese Art in den Handbuchern und Bestimmungswerken der Schmetterlingsfauna Mitteleuropas nicht erwahnt und allgemein wenig bekannt ist, werden hier ihre Beschrei- bung und Unterscheidungsmerkmale gegenuber den ahnlichsten Arten der Gattung Rhyrzcho- pacha STAUDINGER, 1971 gegeben. Die Raupe, Puppe, Bionomieund Okotope von R. spiraeae sind - soweit ich wei13 -- bisher unbekannt, und auch in der Originalbeschreibung STAUDINGERS fehlen diesbezugliche Angaben. Soweit rnir Material und Angaben daruber zur Verfiigung standen, werden sie an dieser Stelle gegeben. 2. Beschreibung der Imago, Puppe und Raupe a) die Imago (Fig. 1) Spannweite 13-16 mm. JJ etwas kleiner als die 99. Vorderflugel relativ breit, spitz, dunkel braunlich grau bis eisengrau, vergrollert hellgrau, dicht braunlich schwarzgrau '5 Dwts'hc tntomolagt\~iie Leil~clir~lt, N I 24 tlcll IV V, 1977

Über Rhynchopacha spiraeae Staudinger, 1871 in Mitteleuropa (Lepidoptera, Gelechiidae)

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Page 1: Über Rhynchopacha spiraeae Staudinger, 1871 in Mitteleuropa (Lepidoptera, Gelechiidae)

Dtsch. Ent. Z., N. F. 24, Heft IV-V, Seite 373 --380 (1977)

Uber Rhynchopacha spiraeae Staudinger, 1871 in Mitteleuropa (Lepidoptera, Gelechiidae)

Von

JAN PATOCKA

Mit 33 Abbildungen im Text

1. Einleitung 1976 gelang es mir, im Naturschutzgebiet ,,Das Slovakische Paradies" in der Ost-

slowakei die Gelechiide Rhynchopacha (= Epithrctis) spiraea(> aus Raupen an Spiraea media in mehreren Stucken zu ziehen. Weitere zwei Raupen (und davon eine verkruppelte Imago) fand ich an der gleichen Niihrpflanze in der Nlhe der Stadt Zvolen in der Mittel- slowakei.

Herr Dr. J. D. BRADLEY von British Museum (Nat. Hist.) hat mein Material bereitwillig determiniert. Herr Doz. Dr. HANNEMANN vom Museum fur Naturkunde der HUMBOLDT- Universitat in Berlin (DDR) stellte rnir das Praparat der d Genitalien eines in diesem Museum befindlichen, von Dr. SATTLER festgelegten Lectotypus zur Verfugung, mit dem das Material von der Slowakei verglichen werden konnte. Den beiden Herren danke ich fur die wertvolle Hilfe.

Es ist rnir nicht gelungen, Angaben uber das bisherige Vorkommen dieser Art in Mittel- europa in der zuganglichen Literatur zu finden. Es ist wohl wahrscheinlich (vgl. SATTLER, 1968), da13 seit den klassischen Funden bei Sarepta (Sudosten der europaischen UdSSR) durch € 3 . CHRISTOPH, nach denen STAUDINCER die Art in der Berl. ent. Z. 14: 302-303 be- schrieben hat, diese Spezies kaum mehr gesammelt wurde. Die Kopie der Urbeschreibung hat mir Dr. G. PETE~SEN bereitwillig beschafft, wofur ich ihm ebenfalls auch hier herzlich danke. PAVLOVSKIJ, STAKELBERC et al. (1955) erwiihnen diese Art von der europiiischen UdSSR ebenfah nicht. Mehrere bekannte rnitteleuropaische Lepidopterologen (Dr. Goz- MANY, Dr. HANNEMANN, Dr. KASY, Dr. KLIMESCH) haben mir mitgeteilt, dalj sie uber das Vorkommen dieser Art in Mitteleuropa keine Angaben besitzen. Da dieselbe von mir in der Slowakei relativ haufig und in zwei voneinander mehr als 100 km entfernten Gebieten an mehreren Lokalitiiten gefunden wurde, scheint sie in Mitteleuropa bodenstandig zu sein. lhre Entdeckung an weiteren geeigneten Lokalitlten ist zu erwarten.

Da diese Art in den Handbuchern und Bestimmungswerken der Schmetterlingsfauna Mitteleuropas nicht erwahnt und allgemein wenig bekannt ist, werden hier ihre Beschrei- bung und Unterscheidungsmerkmale gegenuber den ahnlichsten Arten der Gattung Rhyrzcho- pacha STAUDINGER, 1971 gegeben. Die Raupe, Puppe, Bionomieund Okotope von R . spiraeae sind - soweit ich wei13 -- bisher unbekannt, und auch in der Originalbeschreibung STAUDINGERS fehlen diesbezugliche Angaben. Soweit rnir Material und Angaben daruber zur Verfiigung standen, werden sie an dieser Stelle gegeben.

2. Beschreibung der Imago, Puppe und Raupe

a) die Imago (Fig. 1) Spannweite 13-16 mm. JJ etwas kleiner als die 99. Vorderflugel relativ breit, spitz,

dunkel braunlich grau bis eisengrau, vergrollert hellgrau, dicht braunlich schwarzgrau ' 5 Dwts'hc tntomolagt\~iie Le i l~c l i r~ l t , N I 24 tlcll I V V, 1977

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bestiiubt. Dui.kle Zeichnungen relativ deutlich. Sie bestehen aus zwei langlichen Punkten, die schrag ubrreinander am Zellende stehen, ein ahnlicher in der Zellmitte und einer an der Analfalte. Dunkle Saumpunkte ziemlich deutlich. Helle aul3ere Querlinie schwach angedeu- tet, am Vorderrand als deutlicheres gelbweil3liches Fleckchen erhalten. Fransen unscharf abgesetzt, grau, basal mit dunklen Schuppen untermengt. Hinterflugel hellgrau, ziemlich glanzend, Fransen auch hellgrau, glanzlos, nicht langer als die grol3te Breite der Hinter- flugel. Fiirbung des Korpers der der Vorderflugel ziemlich ahnlich. Fuhler dunkel, etwas geringelt. Unterlippentaster auch dunkel, Endglied vie1 kurzer als das Mittelglied. Dieses, ebenso wie das Endglied, im Mittelteil durch Schuppen verdickt. Endglied auMen fast ein- farbig, innen basal und apical heller. Tarsen hell und dunkel geringelt.

Fiirbungs- uiid Zeichnungsvariabilitat der 12 untersuchten Stucke waren gering. Niemals trat eine rotliche oder rosenrote Tonung in der Flugelfarbung auf. Den in der Original- beschreibung angegebenen violetten Anflug beobachtete ich auch nicht.

Stemmata vorhanden. In den Vorder- und Hinterflugeln ist die Ader ml gestielt. Die Valven der miinnlichen Genitalieii (Fig. 8) enden relativ stumpf, die Gnathos ist

einpach, groI3 und spitz. Uncus breit, stuinpf abgeschnitten, lang beborstet, die Borsten uberragen die Valven.

Die 8 Genitalien des Lectotypus aus dem Museum fur Naturkunde in Berlin sind etwas abweichend. Die Valven sind dort langer und etwas stumpfer, uberragen die Borsten (welche auch etwas abweichend sind) des mehr abgerundeten Uncus. Auch Gnathos u. a. sind etwas abweichend. Ob es sich hier urn subspezif'ische oder sogar spezifische linterschiede handelt, moge von einem Spezialisten entschieden werden.

Die Bursa copulatrix der weiblichen Genitalien (Fig. 5) ist fast rund, Signum klein mit eincm Mittelkiel.

H. .spiraeae ist den Rhynchopacha-Arten am ahnlichsten, die ebenso groI3 sind und deren Hinterflugelfransen nicht Ianger als die grol3te Flugelbreite sind (Gruppe A der 419. Gat- tung Brachmia bei HEINEMANN-WOCKE, 1877). In Mitteleuropa sind das R. pruirzosella (LIENIG & ZELLER, 1846), R. triatomra (MUHLIG, 1864) n. comb. und R. moujfetella (LINNAEUS, 1758).

R. pruinosella ist nach SATTLER (1968) luI3erlich und im Genitalbau der R. spiraeae am ahnlichsten, sie unterscheidet sich aber wesentlich durch die Raupe, Nahrpfldnze und den Okotop. Die Farbung hat hier aber laut HEINEMANN-WOCKE (1878) und anderen Autoren eine rosarotliche bis purpurviolette Tonung, welche bei R. spiracae - wenigstens bei den slowakischen Exemplaren -- immer fehlt. Die Punkte der Vorderflugel sind schwiicher, an der Querader meist nur ein Punkl, der an der Analfalte, sowie die Saumpunkte fehlen meist. R. moufli>trl/a ist durch die relativ hellrotlich aschgraue Farbung der Vorderflugel leicht zu unterscheiden. Alle Punkte sind bei dieser Art scharf, auffallender als bei R. .spirac.ae. Auficre Querlinie rehlt praktisch. R. triatomea stellt nach der Auffassung von SA'I'TLER ( 1968) mehrere, fruhergesondert angesehene Arten dar, von den mitteleuropiiischen : Epi thcds triattmt4u (MUHLK;, 1864), Gelechiu vc)spretdlu ZELLER. I87 1 bzw. G. supcrfetcdla PEYKIMHOFF, 1877. Sic ist grau, unterscheidet sich von R. spirizeae durch sehr undeutliche Punkte, \ a n denen an der Querader meist nur einer erhalten bleibt. Saumpunkte fehlen, helle a d k r e Querlinie, bzb. Gegenflecke deutlich. Thorax heller als bei R. spirurw. Valven- endel, der miinnlichen Genitalien (Dr. BRADLEY, brieflich) spitzer.

b) die Puppe (Fig. 1.5, 18, 20) L)ie Puppc ist cine Pupa obtecta und weist charakteristische Merkmale der Familie

G'elechiidur auf: die Spitzen der Vorderflugel im Endteil nur durch die Fuhler voneinander getrennt. Enden der Hinterbeine aber sichtbar. Ober- und Unterkiefer vorhanden, Unter- lippe und Vorderschenkel nicht sichtbar. Die Vorderflugel reiehen ventral fast his zum Kaudalrand des 5. Hintcrleibsringes. Pronotum schmaler als der Kopf. Hinterleib nur zuischen dem 4. . 5 . , 5. - -6. und 6. --7. Ring beweglich.

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Rhynchopacha spiraeae STGR. in Mitteleuropa 375

Fig. I , Rhynchopuchu ,spiracac~, ltnago - Habitus- iind Flugelzeichnungsschema. - Fig. 2. Palpus maxillaris der Raupe von ders. Art. ~ Fig. 3. Kopf und Thorax der Raupe ders. Art, Laterdhsicht . ~ Fig. 4. Spinnrohre und Palpus labialis der Raupe ders. Art. ~ Fig. i Weibliche Chi ta l ien der Imago ders. Art. --

Fig. 6. Pinnaculum und Borsten IV--VI der Raupe von Rli.iwchopucha rv?ou/fetr//u. - Fig. 7. Dasselbe der Raupe von R. .spir.ncwe. ~ Fig. 8. Mlnnliche Genitalien dcr Imago von R. .~pir.urnr aus der Slowakei. - Fig. 9. Raupe derselben Art, Habitusbild, Lateralansicht. -- F l y . 10. Hlkchen dcr Hinterleibsbeine ders. Raupe. -~ Fig. 1 I . Analkamm ders. Raupe. Fig. 12. Kopi' i ind Thorax ders. Raupe, Dorsalansicht.

(Fig. 1 ~ 12: orig.)

GroDe der Puppe 5--6,5 x 1,5-2 mm, sie ist dorsoventi-al abgeflacht, relativ schlank. Farbung rotlichgelbbraun, glanzend, relativ glatt. Mikroskulptur am Hinterleib zellartig, sehr fein. Punktgrubchen fehlen, ebenso Fransen an den Kaudalriindern der Hinterleibsringe. Pronotum nicht deutlich konkav. An Stelle der Bruststigmen einc verdunkelte Chitinleiste. Stigmen am Hinterleib etwas erhaben. Kremaster fehlt. Hinterleibsende ziemlich stumpf, dorsal mit 8 sehr schlanken Hiikchen, dazwischeii eine aufsteigende Spitze, ihr Ende 25*

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JAN P A I()< h \ 3 76

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Fig. 13. Chaetotaxie der Iiairpe voii R / I ~ ~ w c / ~ o ~ u ~ ~ / I N spr,urirc. ~ Fig. 14. Stirn ders. Raupe. ~ Fig. 15. lJuppe von R. .spirucuc,, Ventralansicht. -- Fig. 16. Kaupe von R. mouffitdu, Vorderteil. Lateralansicht. Fig. 17. Fiihler der llaupe voii K. spircrcw. - Fig. 18. Puppe von R. spirrrrrrr, Dorsalansicht. Fig. 19 Analkainm der Raupe von R. spiruerrc, (andere Form als Fig. 11) . - Fig. 20. Puppe von R. spirrrcwc,. Lateralansicht. - Fig. 71. Kaupe von K. / I ? o L ! ~ , / c ~ / / ~ z , Vordertcil, Dorsalansicht. ---- Fig. 22. Mandibel der

Kaupe von R. .spiracw. .Fig. 23. Analkamm der Kaupe von R. niouffitrllo. (Fig. 13 - 23: orig.)

hakenartig, frontalwiirts gebogen (Fig. 25). Ventral, in der Uingebung der Analscheibc nocli einige schlanke tiikchen (Fig. 26).

Die individuclle Variabilitiit unter den 15 untersuchten Puppen war gering. Charakteristisch fur das Puppenstadium des Genus Rhynclropucha scheinen zu sein :

Die schlanke Gestalt der Puppe, die Spitze dorsal am 10. Hinterleibsring, das Fehien von Punktgrubchen sowie das Vorhandensein von Schuppenfransen am Hinterleib. Bei den Puppen von R. r ~ r r ~ ~ f i ~ t e l l u konimen diesc Merkmale ebenfalls vor. Die Skulptur ist hier aber deutlich grobcr, dic Spitzc am Rucken des 10. Hinterleibsringes ist kaum hakenartig gebogen,

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Rhynchopacha spiraeae STGR. in Mitteleurupa 371

die Endhiikchen sind kurz und dick (Fig. 27). Die Puppen von anderen Rlzyncliopaclzu- Arten hatte ich leider nicht zur Verfiigung.

c) die Raupe (Fig. 9) GroI3e der erwachsenen Raupe 11 - 14 x 1.6--2 mm, Kopfbreite 0,78-035 mm (5 Rau-

pen). Die Raupe ist schlank, spindelformig, schwach sklerotisiert, intersegmentale Ein- schnitte relativ tief. FIrbung braun( oliv)purpurn, ein breiter Rucken- und je ein Seiten- streifen schneeweifi. Bauchseite trub gelbbraun. Pinnacula relativ schwach abgehoben, Borsten relativ kurz, bleich. Kopf fast prognath, hell gelbbraun, Stemmata schwarz, rnit je einem weiI3en Fleck. Nackenschild gelbbraun, purpurn gesaumt, glanzender als seine Umgebung. Analschild gelbbraun, auch relativ gliinzender, mit dunkleren Muskelansatz- stellen. Analkamm besteht niir aus zwei dunkelbraunen, sehr schlanken und spitzen, mehr oder weniger gekreuzten Dornen (Fig. 11, 19). Stigmen klein, rund, braun gerahmt, am Pro- thorax und am 8. Hinterleibsring stark vergrofiert. Brustbeine bleich mit dunkleren Klauen. Hinterleibsbeine relativ schlank, rnit kranzartig angeordneten uniserialen, biordinalen Hakchen (Fig. 10).

Die Chaetotaxie der Raupe (Fig. 13) entspricht der von BENANDER (1937) gegebenen Beschreibung der Arten R. mou~~~tcJ l lu und R. pruinosclla. An der Vorderbrust liegt Borste X stark nach vorn verschoben und tiefer als I. Borste 1V naher zu V als zu VI (Fig. 7). An der Mittel- und Hinterbrust Borste I schwach und von I1 isoliert, IIIa auch schwach, am gleichen Pinnaculum mit I11 und oberhalb derselben. Borste V vie1 schwiicher als IV und frontal- warts von dieser. An den Hinterleibsringen I1 tiefer (insbes. am 8. Hinterleibsring) als I, IIIa ziemlich deutlich. Borste V nahe zu IV und dorsofrontal von dieser, vie1 kiirzer und schwacher als IV. Am 9. Hinterleibsring Borste 111 schwach, tief - nahe zu IV - inseriert, IV schwach, frontalwarts von IV (Nomenklatur der Borsten nach GERASIMOV, 1952).

Mikroskulptur am Rucken sehr fein, dicht, gekornt. Stemma 3 am grofiten, nahe zu 4, Stemma 1 relativ klein (Fig. 29). Stirn relativ hoch (Fig. 14). Oberlippe mitteltief ausge- schnitten, Borsten M I - M I = M I ~~ M,, L, und L, relativ weit voneinander entfernt (Fig. 31). 2. Glied der Fuhler relativ kurz und das 3. relativ lang (Fig. 17). Mandibel stark geziihnt mit einem Extrazahn, der dem Zahn 1 genahert ist (Fig. 22). Maxillar- und Labial- palpen sowie die Spinnrohre schlank (Fig. 2, 4).

Jungere Raupe - im Spatsommer, Kopfbreite 0,56-0,6 mm (4 Raupen) - der erwachsenen Ihnlich, mehr zimtbraun, Pronotum vorn weifi, Nackenschild lateral ver- dunkelt. Borsten relativ Ianger, bis zu % der Korperbreite.

Die Raupen von R. triatomea, R. mouffetellu und R. pruinosellu weisen eine ahnliche schlanke, spindelartige Korperform auf, sie sind aber starker sklerotisiert und sehr ab- weichend gefarbt.

Die Raupe von R. friutomm ist dunkel (violett) braun bis grau, zeichnungslos. Kopf, Nackenschild und Brustbeine stark sklerotisiert, schwarz.

Die Raupe von R. niouf/iJtrl1u ist purpurn dunkelbraun. Kopf, Nackenschild und Brustbeine sind ebenfdls schwarz. An der Riickenmitte, frontal und kaudal von der Teilungslinie zwischen Pro- und Meso-, sowie zwischen Meso- und Metathorax je ein weifies Fleckchen (Fig. 21). Je drei Iangliche weiBe Fleckchen liegen lateral am Pro-, Meso- und Metathorax, die letzteren bis auf den I . Hinterleibsring reichend (Fig. 16).

Die Raupe von R. pruinosc~llu ist ganz schwarz. Dorsalseite des Mesothorax basal und kaudal jedoch rnit je einem weifien Punkt. Kopf und Nackenschild stark sklerotisiert, tiefschwarz.

Pinnacula der erwiihnten drei Arten sind grofier und stlrker sklerotisiert als bei R. spirueue. An der Vorderbrust von R. mouffeldlu und - nach BENANUER (1937) -- auch von R. pvuinoscllu liegt die Borste IV tiefer und fast in der Mitte zwischen V und VI (Fig. 6). Bei R. nzou[fiJtellu besteht der Analkamm ebenfalls nur aus zwei zangenartigen oder

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Pig 24 Endteil der Puppe von Riijtz~kopudlu spcrueue, Dorsdldnsicht - Fig 25 Ddsselbe, Lateral- ansicht ~ Fig 26 I)dsselbe, Ventralansicht ~ Fig 27 Endteil der Puppe von R mou/fuft#u. Laterdl- ansicht - Fig. 28 Stemmata der Raupe von R mouf/?te//u - Fig 29 Stemmata der Raupe von R ,prruc’ur - Fig 30 Schema der Zeichnung der Raupe van R vpirucrrc am 4 Hinterleibsring, Lateral- ansicht - Fig 31 Ldbrum der Raupe d e n Art - Fig 32 4 Hinterleibsring der Raupe ders Art, Dorsaldnsicht, Schema der Zeichnung (Fig 24-32 orig) Fig 33 Analkamm der Rnupe von

Riijvithopachn prurnowh (nach BI NANDEH, 1937)

gekreuzten Dornen, diese sind aber kiirzer und dicker als bei R. spiraeacc (Fig. 23). Bei R. pruinosellu (nach BENANIIER, 1937) besteht der Analkamm aus 4 Dornen, die mittleren sind gekreuzt (Fig. 33). Weitere Unterschiede gibt es in der GroIje und der gegenseitigen Lage der Stemmata. Stemma 1 ist bei R. pruinosdla und R. mouffitrllu groBcr als die ubrigen. Stemma 3 ist bei R . moufletella groRer als 2 und 4, aber kleiner als 1 (Fig. 28) bei R. pruinosellu relativ klein.

3. Bionomie

Der Falter von R. spirueae lebt sehr versteckt. Tagsuber ist er in den dichten Strauchern der Niihrpflanze oder in der Bodenvegetation verborgen. Stort man ‘ihn, springt er heraus und verschwindet in der Bodenstreu. Er fliegt spontan erst nach der Dammerung. Die Eiablage findet wohl an der Nahrpflanze statt. Erscheinungszeit 2. Dekade Juni bis Juli.

Die Raupen trirft man schon im Spiitsommer an der Futterpflanzc. Sie bewohnen Trieb- enden von Spiraea media und leben in einem Ianglich zusammengcrollten Blatt, dcssen Rander mit auffallenden, schneeweisen Gespinstfiiden verbunden sind. Durch solche wird spiiter das Blatt auch mit den benachbarten verbunden und am Ast befestigt. Von dem Ge- hause am betreiht die Raupe Loch-, spiiter SeitenfraB. Splter werden auch die benach- barten Bliitter befallen. Das Blatt mit der Raupe bleibt auch wahrend des Winters an Astchen haften, und die Raupe uberw!.ntert darin in einem Gespinst zwischen abge- storbenen braunen BIBttchen. Nach der Uberwinterung lebt die Kaupe in iihnlicher Weise weitcr und verfert igt sich aus jungen Bliittern ein neues Gehiiuse, welches allmiihlich verhrei- tert wird. Sie lebt einzeln, frifit vorwiegend nur in der Nacht. Das Gehiiuse der erwachsencn Kaupe ist ziemlich auffdlig. Der schwarze Kot wird Zuni Teil herausgeschleudert. Die Raupe ist sehr beweglich. Stort man sie, so bewegt sie sich sehr schnell nach Art der Raupen der Gattung Ypsolophu LATREILLE, 1796 (= Cero.stoma LATREILLE, 1802 . .-

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Rhynchopacha spiraeae STGR. in Mitteleuropa 379

Yponomeutidae, Plutellinue) und versucht in der Bodenstreu zu verschwinden. Die Raupe friDt bis Anfang bzw. Mitte Juni. Die Verpuppung findet am Boden in einem Erdkokon statt, Puppenruhe ca. zwei Wochen.

Auch die Raupen von R. mouffitcllu und R. pruinosrllu spinnen die Bliitter ihrer Nahr- pflanzen zusammen. R. moufft'tella lebt zwischen versponnenen Blattern an Triebenden von Loniceren, R. pruinost4la (nach SCHUTZE, 1931) an verschiedenen Moorpflanzen : Salix repens, Vaccinium uliginosum und V. myrtillus, Andromeda u. a. Sie spinnt die Blatter auch an den Astchen an. Wahrscheinlich sind Art der Uberwinterung und Verpuppung dieser Arten ahnlich wie bei R. .spiramP.

R. triatomea (sensu SATTLER, 1968) sol1 sich nach SCHUTZE (1931) unter einem Gespinst in Zweiggabeln von alten, vermoosten Schlehenstriuchern aukalten, wo sie offensichtlich die benachbarten Blatter friI3t. Sie lebt auch an anderen rosenbliitrigen Geholzen der Unterfamilie Prunoidea und Pomoidea.

4. Okotope

R. spiraeae wurde bisher in Mitteleuropa in zwei Gebieten der Slowakei (CSSR) ge- funden. Das eine, wo sie hiiufig und an mehreren Lokalitaten auftrat, gehort im Sinne der zoogeographischen Einteilung der CSSR nach M A ~ A N (1956) in die Gebirgszone; auch vom klimatischen Gesichtspunkt gehort dieses Gebiet in die kalte Zone. Die Mehrzahl der Waldbestande gehort hier in die 6. Vegetationswaldstufe (im Sinne von ZLATN~K, 1959) - der Fichten-Buchen-Tannenwalder. Jedoch am siidlichen, oberen Rande der fur dieses Gebiet charakteristischen tiefen Taler und Schluchten haben sich infolge des warmen, trockenen Substrates (Kalcit, Dolomit) und der siidlichen Lage (Schutz gegen Norden, Sonnenstrahlung) Bedingungen entwickelt, welche an raumlich kleinen Flachen die Ent- stehung einer Wald- und Felssteppe mit einer trocken- und relativ wiirmeliebenden Flora und Fauna zur Folge hatten. Waldtypologisch handelt es sich (im Sinne von ZLATN~K, 1959) um die Waldtypengruppen Pinetum dealpinum bzw. Fagetum dealpinum. Dort, in dichten Bewachsen von Spiraea media lebt R. spiraeae relativ haufig. Es ist nicht ausgeschlossen, dal3 sie an ahnlichen Lokalitiiten anderer slowakischer Gebirge (z. B. des Muraii-Gebirges, der Fatra- oder Niederen Tatra), oder auch sonst in Mitteleuropa, noch entdeckt wird.

Spiraea media wird dort von einer spezifischen Synusie der Schmetterlingsarten belebt : Neptis coeriobita STOLL, 1796 ; Oletlzreutes siderana (TREITSCHKE, 1835), Rhynchopacha spiraeae, Coleophora s p i r a d a REBEL, 1936, Nepticula spirueae (GREGOR & POVOLNY, 1955). Dazu kommt noch die von Prof. REIPRICH (SpiSska Nova Ves) entdeckte ebenfab siidost- europaische Nemophora (= Adela) basella EVERSMANN, 1844, die als Imago Bliiten von Spiraea media aufsucht. Alle diese Arten sind an bestimmten Lokalitaten haufig und wegen ihrer beschrankten Verbreitung und Bindung an spezifische, raumlich beschrankte Okotope sowie Stenophagie, im Rahmen des Naturschutzgebietes ,,Das Slovakische Para- dies" besonders beachtenswert.

Vereinzelt traf ich R. spiraeac auch in der Waldsteppe tieferer Lagen (1-2 Vegeta- tionswaldstupe, Waldtypengruppe Corneto-Quercetum, Unterlage Liparit, Andesit), wo auch die Nahrpflanze Spiraea media vorkommt. Von den erwahnten Begleitarten wurden dort bisher nur Nepticula spiraeae und Neptis coenohita (hiiufig) beobachtet.

Von den erwahnten ahnlichen Arten der Gattung Rlzynchopacha bevorzugt wohl nur R. triatomea trockenwarme Standorte (Waldsteppe, Waldriinder, Lehnen) mit Schlehen- gebiisch. R. mouffetella bewohnt schattige Walder mit Lonicera-Unterwuchs, R. pruinosella das Moorgelande.

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Zusammen fassung

Rhynchopuciza sp~rac~uc STAUDINOER, 187 1 wird neu fur die Tschechoslowakei und fur Mitteleuropa (in der Mittel- und Ostslowakei) gemeldet. Sie bewohnt Felssteppen mit Spiraca media an trockenwarmen Standorten. Die Imago sowie die bisher wohl unbe- kannte Raupe, Puppe und die Bionomie werden beschrieben und mit den verwandten und ahnlichen Rliilnckopuclza-Arten Mitteleuropas verglichen.

Fur finanzielle Ilnterstutzung bin ich der Slovakischen entomologischen Gesellschaft bei SAV verpflichtct.

Literatur

BENANDER, P. (1937): Die Gelechiiden-Kaupen. -. Opusc. Ent. Lund : 49--80. GERASIMOV, A. M. (1952): Nasekomyje EeSujekrylyje I , 2 Gusenicy. - Moskva -Leningrad. HEINBMANN, H. & WOCKE, M. F. (1859-1877): Die Schmetterlinge Deutschlands und der Schweiz. -

MARAN, J . (1956): Nhstin entomogeografickych pomerd Ceskoslovenska. -- Acla Faunist. Ent. Mus. Nat.

PAVLOVSKIJ, E. N., STAKBLHERG, A. A. et al. (1955): Vrediteli lesa, spravotnik I. - Moskva--Leningrad. SATTLER, K. (1968): Die systematische Stellung einiger Gckwhiidae (Lcpidoptc,rrr). -- Deutsch. Ent. Ztschr.

SCHUTZE, K. T. (1931): Die Biologie der Kleinschmetterlinge. - Frankfurt a. M. ZLATNiK, A. (1959): Skupiny lesnjch typov. Prehl’ad stanoviitnych pomerov lesov Slovenska. -

Braunschweig.

Pragde, 1 : 3--25.

N. F. 15: 111--131.

Bratislava.

Anschrift des Verfassers: Doz. RNDr. J A N PATOCKA 960 02 Zvolen, CSSR J . Kral’a 1738