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KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 29. JAHRGANG, HEFT 21/22 1. JUNI 1951 ORIGINALIEN. OBER TYPISCHE UND AT~PISCHE STREPTOKOKKENARTEN BEI DER ENDOKARDITIS DES ~[ENSCHEN. Von I~uDo~nr RAiL und M~TI~ S~L~. Aus dem Pathologischen Institut des Landeskrankenhauses Neustadt (Holstein) und dem Institut ftir l~iilehhygiene der Bundes-Versuchs- and Forsehungsanstalt ffir Milchwirtsehaft in Kiel. Sofern die Forderung gestellt wird, die exakte bio- logisehe Differenzierung der bei Endokarditis naeh- gewiesenen Streptokokken vorauszusetzen, ist die ZahI der verwendbaren Arbeiten relativ klein. Von c~-h~.mo- 1)~isehen Streptokokken ~arden bisher Se. salivarius, Se. boris, Se. equinus, Se. glycerinaeeus, So. faecium und Se. tiquefaeiens sowie Se. dysgalactiae naehgewie- sen. Von fl-h~molytisehen Streptokokken wurden die- jenigen der serologisehen Gruppe A, C und G sowie yon der Gruppe B der Se. agMaetiae gefunden. AuBerdem hal man bei Pferden den Sc. lactis und bei Sehweinen den So. pyogenes animalis isoliert. Da es sich um EinzelverSffentliehungen zum Teil seltener F/~lle ban- delL, 1/~gt sich daraus nicht ohne weiteres ersehen, welche Streptokokkenarten bei Endokarditis am h~u- figsten zur Beobaehtung kommen. Naeh den Angaben yon I-IEIL~EY]~, I~]~I~OLD und ~VXSTE~ sollen Enterokokken der Gruppe D unter Umstgnden sogar zu sehwereren Krankheitsbildern fShren ats andere Arten, w/~hrend dies GE~ ab- lehnt. Unklar bleibg jedoch unseres Erachtens, ob der meist schwere Krankheitsverlauf durch st~rkere anatomisehe Ver/~nderungen oder dutch eine erhShte Virulenz der Erreger bedingt wird. Ungekl/~rt bleibt augerdem die Blur- und Gewebsreaktion, obgleich sic f~r den Krankheitsverlauf der Endokarditis sieher yon groBer Wiehtigkeit ist. Eine wie groBe Bedeu- tung diese hat, zeigen die VerSffentliehungen fiber den Krankheitsverlauf naeh den Weltkriegen in Deutschland und w/ihrend der I-Iungerjahre in der Sowjetunion. Es w/ire daher zu einseitig, fiir den Untersehied im Verlauf der Endokarditis nur die Art des Er- regers zu beaehten. Diese Ansehauung grtindet sieh auf vergleiehende t~esistenzpriifungen in Desinfek- tionsversuehen. Hierbei zeigten alle Salivarius~ypen eine geringere Widerstandsf~higkeit als die Strepto- kokken der serologisehen GrupgeD. Anhaltspunkte dafiir, dal~ der Krankheitsverlauf dutch ein 1/ingeres Verweilen yon Keimen in der Blutbahn bedingt ist, lassen sieh f~ir den Menschen bisher nieht erbringen, da nut eit~ Fall mit einem wiederholten Enterok0kken- befund aus Blur yon I~o~z mitgeteilt worden ist. Auch experimentelle Befunde sind nut teilweise zu verwenden. In den grogen Versuehsreihen an Kanin- chen z.B. yon ALBEI%TINI und ~I~USIBA~I~war es noch nicht mSglich, die biotogisehen Eigenschaften der ver- wendeten ~-h/~molytischen Streptokokkengenauer fest- zutegen. Auch fehlen in ihren Unt.ersuehungen Blut- kutturen kurze Zeit naeh den Injektionen. Zur Er- g/~nzung mag angef/ihrt werden, dab naeh Strepto- KlInisehe Woshcasehrift. 29. ~ahrg. kokkeninjektionen b~i iYi'~usen, die zur Erzeugung yon Arnyloid mehrfaeh durehgeffihrt wurden, niemals Endokarditiden zu erzeugen waren. Gemeinsam ist den Befunden also, dab der Erregernaehweis im Btut meistens versagt (DL~MLI~G). Die Art der Unter- suehung der Kulturen hat. dabei sieher die geringere Bedeutung. Viel wichtiger ist, dal~ die fibrinSsen Auf- tagerungen auf den Herzklappen eine Abdichtung der Keimherde hervorrufen. Abet selbst steriles Zerreiben dieser Auflagerungen ffihrt nicht immer zum Ziel. Auffallend bleiben daher die Mitteilungen yon B6~MIG, der relativ oft im Sektionsmaterial bei Endokarditis Erreger nachgewiesen hat. Uns ist dies nicht gelungen. Abzutrennen yon diesen ]~/illen mit der gelegent- lichen MSglichkeit eines Nachweises yon Keimen sind Ver/inderungen an den tterzklappen, bei denen es zu subendokardialen Versehwielungen gekommen ist. Bei ihnen handelt es sieh um Quellungen und Indura- tionen, an die sich sehteichende Entzfindungen an- sehliel3en k6nnen. Es erscheint uns jedoeh nieht an- gangig, diese yon B6a~Im besehriebenen und in den weiteren Kreis der Endokarditis zu rechnenden Ver- ~nderungen immer auf eine lokale bakterielle Ein- wirkung zurtickzuftihren. Oft dfirfte es sich um alte Ver~Lnderungen handeln, bei denen das Endokard nieht dutch bakterielle Einwirkungen ulceriert war. Wenn wit im folgenden fiber ein etwas grSl3eres Material yon aus Endokarditisf~llen geztichteten St/immen berichten k6nnen, so beruht das darauf, dab eine t~eihe vofl anderen Instituten uns ihre Sbreptokokkenst~mme zur Differenzierung tiberlassen hat. Es stehen 31 SMigariusstg~mme und 6 St/~mme der serologisehen Gruppe D aus Endokarditisf~llen zur Ver- ffigung. Uns selbst ist es in don vergangenen 3 J~hren antler dem im folgenden zu besehreibenden Kr~nkheitsfa.I1 nut in 2 F/tllen gelungen, Sgrelotokokken im Btu~ naehzuweisen. Bei einer Betrachtung dieses ?¢[ateriMs ergibt sich, dal? bei der Endokarditis des Henschen meistens die Typen des Sc. salivarius, viel seltener Enterolcol&en (serologische Gruppe D) vorkommen. Die ~ISgliehkeit, die anderen eingangs noch erw~hnten Streptokokken- arten zu finden, hatten wit bisher~ noeh nicht. Es mug wohl beim Mensehen nach allen Erfahrungen mit diesen beiden Streptokokkenarten in der ttauptsaehe gerech- net werden. Mit Ausnahme des Falles, fiber den bier eingehend berichtet werden soll, handelte es sieh bei unseren Streptokokken stets um biologiseh typische St/imme ihrer Art bzw. Gruppe. Sic unterschieden sieh nieht yon St~mmen, die an anderen (aueh nor- malen) Standorten gefnnden wurden. In allen diesen F~Ilen gelang die Zfiehtung der Erreger gewShnlieh nut einmal aus dem" Blur.' Um so st/~rkere Beach- Lung verdient ein Fall, bei dem ein bestimmter Streptokokkenstamm yon uns wiederholt aus dem 24

Über typische und atypische Streptokokkenarten bei der Endokarditis des Menschen

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KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 29. J A H R G A N G , H E F T 21/22 1. J U N I 1951

O R I G I N A L I E N .

OBER TYPISCHE UND AT~PISCHE STREPTOKOKKENARTEN BEI DER ENDOKARDITIS DES ~[ENSCHEN.

V o n

I~uDo~nr RAiL und M~TI~ S ~ L ~ . Aus dem Pathologischen Ins t i tu t des Landeskrankenhauses Neustadt (Holstein) und dem Ins t i tu t ftir l~iilehhygiene der Bundes-Versuchs- and

Forsehungsanstal t ffir Milchwirtsehaft in Kiel.

Sofern die Forderung gestellt wird, die exakte bio- logisehe Differenzierung der bei Endokarditis naeh- gewiesenen Streptokokken vorauszusetzen, ist die ZahI der verwendbaren Arbeiten relativ klein. Von c~-h~.mo- 1)~isehen Streptokokken ~arden bisher Se. salivarius, Se. boris, Se. equinus, Se. glycerinaeeus, So. faecium und Se. tiquefaeiens sowie Se. dysgalactiae naehgewie- sen. Von fl-h~molytisehen Streptokokken wurden die- jenigen der serologisehen Gruppe A, C und G sowie yon der Gruppe B der Se. agMaetiae gefunden. AuBerdem hal man bei Pferden den Sc. lactis und bei Sehweinen den So. pyogenes animalis isoliert. Da es sich um EinzelverSffentliehungen zum Teil seltener F/~lle ban- delL, 1/~gt sich daraus nicht ohne weiteres ersehen, welche Streptokokkenarten bei Endokarditis am h~u- figsten zur Beobaehtung kommen.

Naeh den Angaben yon I-IEIL~EY]~, I~]~I~OLD und ~VXSTE~ sollen Enterokokken der Gruppe D unter Umstgnden sogar zu sehwereren Krankheitsbildern fShren ats andere Arten, w/~hrend dies G E ~ ab- lehnt. Unklar bleibg jedoch unseres Erachtens, ob der meist schwere Krankheitsverlauf durch st~rkere anatomisehe Ver/~nderungen oder dutch eine erhShte Virulenz der Erreger bedingt wird. Ungekl/~rt bleibt augerdem die Blur- und Gewebsreaktion, obgleich sic f~r den Krankheitsverlauf der Endokarditis sieher yon groBer Wiehtigkeit ist. Eine wie groBe Bedeu- tung diese hat, zeigen die VerSffentliehungen fiber den Krankheitsverlauf naeh den Weltkriegen in Deutschland und w/ihrend der I-Iungerjahre in der Sowjetunion.

Es w/ire daher zu einseitig, fiir den Untersehied im Verlauf der Endokarditis nur die Art des Er- regers zu beaehten. Diese Ansehauung grtindet sieh auf vergleiehende t~esistenzpriifungen in Desinfek- tionsversuehen. Hierbei zeigten alle Salivarius~ypen eine geringere Widerstandsf~higkeit als die Strepto- kokken der serologisehen GrupgeD. Anhaltspunkte dafiir, dal~ der Krankheitsverlauf dutch ein 1/ingeres Verweilen yon Keimen in der Blutbahn bedingt ist, lassen sieh f~ir den Menschen bisher nieht erbringen, da nut eit~ Fall mit einem wiederholten Enterok0kken- befund aus Blur yon I ~ o ~ z mitgeteilt worden ist.

Auch experimentelle Befunde sind nut teilweise zu verwenden. In den grogen Versuehsreihen an Kanin- chen z.B. yon ALBEI%TINI u n d ~I~USIBA~I~ war es noch nicht mSglich, die biotogisehen Eigenschaften der ver- wendeten ~-h/~molytischen Streptokokkengenauer fest- zutegen. Auch fehlen in ihren Unt.ersuehungen Blut- kutturen kurze Zeit naeh den Injektionen. Zur Er- g/~nzung mag angef/ihrt werden, dab naeh Strepto-

KlInisehe Woshcasehrift . 29. ~ahrg.

kokkeninjektionen b~i iYi'~usen, die zur Erzeugung yon Arnyloid mehrfaeh durehgeffihrt wurden, niemals Endokarditiden zu erzeugen waren. Gemeinsam ist den Befunden also, dab der Erregernaehweis im Btut meistens versagt (DL~MLI~G). Die Art der Unter- suehung der Kulturen hat. dabei sieher die geringere Bedeutung. Viel wichtiger ist, dal~ die fibrinSsen Auf- tagerungen auf den Herzklappen eine Abdichtung der Keimherde hervorrufen. Abet selbst steriles Zerreiben dieser Auflagerungen ffihrt nicht immer zum Ziel. Auffallend bleiben daher die Mitteilungen yon B6~MIG, der relativ oft im Sektionsmaterial bei Endokarditis Erreger nachgewiesen hat. Uns ist dies nicht gelungen.

Abzutrennen yon diesen ]~/illen mit der gelegent- lichen MSglichkeit eines Nachweises yon Keimen sind Ver/inderungen an den tterzklappen, bei denen es zu subendokardialen Versehwielungen gekommen ist. Bei ihnen handelt es sieh u m Quellungen und Indura- tionen, an die sich sehteichende Entzfindungen an- sehliel3en k6nnen. Es erscheint uns jedoeh nieht an- gangig, diese yon B6a~Im besehriebenen und in den weiteren Kreis der Endokarditis zu rechnenden Ver- ~nderungen immer auf eine lokale bakterielle Ein- wirkung zurtickzuftihren. Oft dfirfte es sich um alte Ver~Lnderungen handeln, bei denen das Endokard nieht dutch bakterielle Einwirkungen ulceriert war.

Wenn wit im folgenden fiber ein etwas grSl3eres Material yon aus Endokarditisf~llen geztichteten St/immen berichten k6nnen, so beruht das darauf, dab eine t~eihe vofl anderen Instituten uns ihre Sbreptokokkenst~mme zur Differenzierung tiberlassen hat. Es stehen 31 SMigariusstg~mme und 6 St/~mme der serologisehen Gruppe D aus Endokarditisf~llen zur Ver- ffigung. Uns selbst ist es in don vergangenen 3 J~hren antler dem im folgenden zu besehreibenden Kr~nkheitsfa.I1 nut in 2 F/tllen gelungen, Sgrelotokokken im Btu~ naehzuweisen.

Bei einer Betrachtung dieses ?¢[ateriMs ergibt sich, dal? bei der Endokarditis des Henschen meistens die Typen des Sc. salivarius, viel seltener Enterolcol&en (serologische Gruppe D) vorkommen. Die ~ISgliehkeit, die anderen eingangs noch erw~hnten Streptokokken- arten zu finden, hatten wit bisher~ noeh nicht. Es mug wohl beim Mensehen nach allen Erfahrungen mit diesen beiden Streptokokkenarten in der t tauptsaehe gerech- net werden. Mit Ausnahme des Falles, fiber den bier eingehend berichtet werden soll, handelte es sieh bei unseren Streptokokken stets um biologiseh typische St/imme ihrer Art bzw. Gruppe. Sic unterschieden sieh nieht yon St~mmen, die an anderen (aueh nor- malen) Standorten gefnnden wurden. In allen diesen F~Ilen gelang die Zfiehtung der Erreger gewShnlieh nut einmal aus dem" Blur.' Um so st/~rkere Beach- Lung verdient ein Fall, bei dem ein bestimmter Streptokokkenstamm yon uns wiederholt aus dem

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Page 2: Über typische und atypische Streptokokkenarten bei der Endokarditis des Menschen

366 I~UDOLF ttAB5 und MAI~TIN S r E I m ~ : 13ber tvpische und atypische Streptokokkenar~en. Klinische Woehenschri ft

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Blur geziichtet werden konnte . Der Krankhei t s - ver lauf war folgender 1 :

Das 9i/2 Jahre alte Mid~ ehen wurde am 29. 8.49 hi das Krankenhaus aufge- nommen, da es:seit ll/~ Jab- ren tiber zeit~veise auftre- tende Sehmerzen in der Nabelgegend sowie St.iehe in der li. Brustseite klagte. Aus der Vorgeschichte ist bekannt, dab bereits im Alter yon 6 Menaten ein Herzfehler festgestellt wor- den war. Jedoch waren weder eine Polyarthritis noch Halserkrankungen auf- getreten. Das Kind hat sieh trotz des tIerzfehlers, der spiter ats oftener Due- tus Bo~alli nachgewiesen wnrde, normal en~wiekelt. Den Elgern is~ niemals eine besonders starke Kurzluftig- keit oder Cyanose aufge- fallen. Vier Woehen vor der Krankenhausaufnahme traten plStzlieh hohe Tern: peraturen mit Dttrchfillen auf, die nach 1 Woehe zu- rfiekgingen. Aeht Tage vor der Krankenhansaufnahme waren erneut l~ieberzaeken zu verzeichnen. Das Kind befand sieh bei der Auf- nahme in etwas herabge- setztemErn~tmmgszustand. Haut und Schleinfih~ute waren magig gut durch- blutet. ~'ber der A. pulmo- halls war sin lautes Loko- motivgeri~usch und tiber der Herzspi~ze ein systoli- sches Gergnsch zu h5ren. Die Herzgrenzen waren naeh links nnd oben verbrei~ei$; Akgion regelmal?ig. Uber dem li. Tell des Herzens war sine deutliche Pulsation mi~ Buckelbildnng naehzu- weisen. Blutxtruek 110/50. Die Leber war 2 Querfinger unterhalb des Rippenbogens tastbar, l~{ilz hart, glag~- randig, gut tastbar, tiptoe 58%, Erythro 3,31 Mill., Leuko 8800, Stab 14%; Urino. B. RSntgenologiseh waren die Herzgrenzen deu~lieh verbrei~ert. DES tIerz lag breit dem Zwereh- tM1 auf. Pulmonalbogen ver- breitert, Aortenbogen ver- sehm~lert. Einengung des Retrokardialraumes. - - Agglutination auf Bang und Typhus sowie Unter- suehung auf N[alaria nega- tiv. Tuherkulinprobe bei 1 : 100 negativ. Temperatur bei der Aufnahme 39,30; sie sank imVerlatff der weiteren

Die ]~earbeitung war nu t dutch alas Entgegenkomraen des Chefarztes der Xinderklinik, Herrn Dr. lt,OSENTtIAI~ 11114 t Ier rn Professor t~OYIINGISB, Uaiversi- t~ts-Kinderkl inik Kiel, mSgtieh, der uns aueh freundlieberweise die KrankengeseMchge zur Ver- fiigung ges~ellt ha t .

Page 5: Über typische und atypische Streptokokkenarten bei der Endokarditis des Menschen

Jg. 29, Heft 21/22 P~UDOLF RA~r. und lVIAR~IN SEELEMANN: Uber typische und atypische Streptokokkenarten. 369 1. Jun i 1951

Behandlung ab. Die Blutkultur ergab einen lactosesc~wachen Sc. salivarius IV (s. unten).

Therapie. Behandlung mit Penicillin und Supronal, klei- nen Bluttransfusionen, Kreislaufmitteln und Ce-Ferro. Wegen des wiederholten Nachweises yon Streptokokken im Blut wurde die folgende Penicillin- und Supronalbehandlung dureh- geftihrt:

1. Tag . . . . . . . . . . . . . 60000 E 14 Tage t/~glieh 160000 E

in 3sttindliehen Injektionen . . . 2020000 E

2 080 000 E 22 Tage Pause

1. Tag . . . . . . . . . . . . . 90000 E 27 Tage tiiglieh 240000 E . . . . . 6480000 E

6570000 E 17 Tage Pause

1. Tag . . . . . . . . . . . . . 210000 E 25 Tage t/iglieh 240000 E . . . . . 6000000 E

6210000 E 5 Tage Pause 28 Tage t/~glich 240000 E . . . . . . . . 6720000 E 82 Tage Pause. (Dam Kind wurde vgrtibergehend nach Hause beurlaubt.)

39 Tage t~glich 150000 E Depoeillin . . . . . . . . . . . 5850000 E

2 Tage Pause 8 Tage je 150000 E D e p o c i l l i n . . . 1200000 E

Die Gesamtpenieillimnenge, die zur Behandlung des Kindes verwandt wurde, betrug also

28630000 E. Davon wurden 7050000 E Ms Depoeillin gegeben.

Das Supronal wurde aim Stot3therapie gegeben, unabh~ngig yon der Penieillinkur in einer Gesamtmenge yon 313 g.

Unter der angef/ihrten Therapie besserte sieh der Zustand zun~chst. Die Temperatnren sehwanden, nur ganz vereinzelt kleine Fieberzaeken, die kaum 380 erreiehten. Die Blut- senkung ging zur/iek und zeigte am 4. 11.49, am 83. Tag nach der Krankenhausaufnahme, Werte yon 20/48 ram. Das Kind hatte guten Appetit und nahm zu. Die Blutkultur ist zum selben Zeitpunkt steril und die Milz nicht pa!pabel. Auch die Anemic war zuriiekgegangen. Der H~moglobinwert betrug 70%.

Abet sehon am 25.11.49 traten wieder massenhaft ver- grtinende Streptokokken in der Blutkultur auf, und die Blut- senkung stieg auf 61/92 mm, aueh die Milz war wieder deut- lieh tastbar.

Obgleieh sieh angesiehts eines normalen klinisehen und auch histologischen Tonsillenbefundes kein Anhaltspunkt ftir eine Beziehung der Endokarditis zu den Tonsfllen in diesem Falle ergab, wurden sic aus Sicherheitsgriinden dem Kinde am 13.12.49 nnter Supronal- und Penieillinsehutz heraus- gesch~Llt. Die im Anschlug an die Tonsillektomie sofort vor- genommene Blutkultur war steril. Pr/~eipitine waren nieht naehweisbar. In den Tonsillen wurde zwar ein typiseher Se. salivarius IV naehgewiesen, doeh mug es zweifelhaft bleiben, ob sic als Ausgangsherd fiir die Streuung angesehen werden kSnnen. Die Zfihne konnten rSntgenologiseh als Quelle einer Streuung ausgesehlossen werden. Am 30. 1.50 wurde das Kind mit der l~Iahnung Bettruhe einzuhalten nach Hanse entlassen. Trotz der langdauernden kombinierten Supronal- und Penieillinbehandlung betrug die Blutsenkung bei der Entlassung noch 63/100 mm. Im Blut konnten noch am 25. I., d. h. am 168. Krankheitstag, die gleiehen Streptokokken wie in der ersten Blutkultur gefunden werden. Die Milz war palpabel. Subjektiv bestanden keine Besehwerden. W~Lhrend der Krankenhausbehandlung hatte das Kind 5,1 kg an Gewieht zugenommen. Bei einer erneuten Kontrollaufnahme am I3. 3.50 iknd sieh eine Blutsenkung yon 41/96; Leber und Milz vergrSl]ert; Blutkultur wiedernm positiv. Naeh Ent- lassung am 17.3.50 erneute Aufnahme am I7.4. 50 zur Durchfiihrung einer Penieillinbehandlung. Blutkultur am 18.4.50 und am 4.5. 50 pos~tiv. H~.mo 58%, Ery~hro 2,95 Mill. Nach Durchftihrung einer Depocillinbehandlung kombiniert mit Supronal Blutkultur steril. Blutsenkung kurz vor der Entlassung 50/112, Milzschwellung nachweisbar. Am 22. 7.50 wurden erneut im Blut vergriinende Streptokokken naehgewiesen, die vor der weiteren Differenzierung abge- storben sind.

Es wurden somit am 30. 8., 6. 9., 7.10., 10. 10., 11.11., 22.11. und 28.12. 49, abgesehen yon den zuletzg erwahnten

Tagen, massenhaft vergriinende Streptokokken aus dem Blur geztiehtet, die alle biotogiseh gleich waren. Wenige dazwischen gelegene Blutkulturen waren steril (12.9., 14.9., 9.12., 13.12.49 und 7.6.50).

Anschliegend wurde das Kind fib" 165 Tage in der Uni- versit~ts-Kinderklinik, Kiel, aufgenommen. Eine Behandlung mit Penicillin, Streptomycin und Supronal wurde durchge- ftthrt und bis zur Entlassung am 23.1.51 fortgesetzt. Im ganzen wurden wahrend dieser Behandlung 61,6Mi11. E Penicillin, 81 g Streptomycin und 421 g Supronal verabfolgt. Die Milzschwellung wechselte. Im EKG bestanden weeh- selnde Zwischenstticksenkungen. Blutdruckdifferenzen an den Extremit/~ten oder ein Absinken des Blutdruekes naeh Be- lastung wurde nicht gefunden. Ein Kurzsehlug zwischen re. und li. Ventrikel des Herzens konnte mittels der ~therprobe nicht naehgewiesen werden. Vergriinende Streptokokken wurden noeh am 20.10., 30. und 31.10. sowie am 1.11.50 gefunden, w/~hrend in den Blutkulturen vom 19. und 20.10.50 keine Streptokokken nachgewiesen werden konnten. Bei der Differenzierung der Streptokokken ergaben sich zweimal die- selben atypisehen Salivarius-IV-Streptokokken. Das Kind hat sieh trotzdem gut entwickelt. Zur Unterbindung des Ductus Botalli wurde das Kind in das Marienkrankenhaus Hamburg verlegt, in dem dutch Prof. LOEW]~EeK am 22.2.51 der Ductus Botalli herausgenommen wurde, in dem jedoch nieht der frfiher im Blur h/~ufig naehgewiesene Se. salivariusIV gefunden wurde.

Die mikroskopisehe Untersuchung des exeidierten Sttiekes ergab nur einen geringen entziindliehen t{eizzustand im ad- ventitiellen Gewebe.

~Tber den weiteren klinisehen Verlauf wird sp/tter beriehtet werden.

Die biologisehe Differenzierung der Streptokokken wurde in derselben Weise wie fiir Untersuehlmgen frtiherer Arbeiten durehgefiihrt und wie yon SEEL~A~N i n seiner Strepto- kokkenbiologie angegeben.

Es ergibt sieh also, dab bei e inem Herzfehler 15real ein vergrt inender Streptococcus aus d e m Blu t ge- ztiehtet werden konnte , der bei 10maliger Kont ro l le (bunte I~eihe) sieh als gleiehbleibender, biologiseh aty- pischer So. salivarius I V identifizieren lieg (vgl. Ta- belle 2). Er hat sich trotz langdauernder Behandlung mit sehr hohen Dosen von Penicillin und Supronal biologisch nicht veri~ndert. ~ Es handel t sieh demnach u m die gleiche Beobaehtung, wie sie yon uns bereits friiher an anderen S tandor t en gemaeht werden konnte . Aueh yon diesen wurde besehrieben, dab biologiseh , ,atypisehe" Strep- tokokken vorkommen kSnnen, deren Eigensehaf ten n ieht auf Besonderhei ten des S tandor t s oder einer Behandlung zurtiekzuffihren sind.

Ni t dem Vorkommen sog. a typiseher Ar ten mug also aueh bei Endokard i t i s gereehnet werden. Hieraus folgt, dal3 der jeweilige Stature genau besehrieben werden mug. Die bisher yon uns beobaeh te ten St~mme zeigten gegeniiber biologiseh typischen Strep- tokokken keine Untersehiede in ihrer Pathogeni t~t . Aueh dureh l~Sntgenbest rahlung oder Ultrabesehal- lung konn t e n wir bisher keine Abwand lungen der bio, logisehen Eigensehaf ten erreiehen.

W e n n es dagegen KLein , E~G~LHAaDT und ALWE~- BAC~ gelungen ist, dureh P&raaminobenzoes~ure eine ~l_nderung des fe rmenta t iven Verh~ltens zu erreiehen, so ist das n ieh t verwunderlieh, da bei gewissen ,,Mani- pu la t ionen in v i t ro" durehaus mi t Beeinflussungen, die sieh sowohl auf die Morphologie als aueh das biolo- gisehe Verhal ten beziehen, gerechnet werden kann . Dami t ist aber noeh n ieh t bewiesen, dab sieh dureh derartige Eingriffe immer eine bleibende ~ n d e r u n g hinsiehtl ich der biologisehen Eigensehaften, also eine , ,Umwandlung" der St reptokokken erreiehen l~gt. Unser Fa l l beweist wieder, dab trotz langer Behand- lungen des Organismus mi t versehiedenen Mit te ln die

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3 7 0 RUDOLF R i l l und MARTIN SEELEMANN: t~ber typische und atypische Streptokokken~rten. Klinische Wochenscltrift

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in i h m vorhandenen Strepgo- k o k k e n ihre alten Merkmale bewahren k6nnen.

Da der in unserem Fall aus dem Blur mehrfaeh naeh- gewiesene Streptokokken- stature offensichtlieh eine geringe P a t h o g e n i t ~ ffir den Mensehen aufgewiesen hat, wurde er noch wei ter unter- s u c h ~ .

Hierzu wurden Versuche in vitro gemacht, wobei Penicillin, S~grotan, Baktol verwendet wurde. Vergleiehsweise wurden die Saliva~ustypen I - -V und die Unterarten tier serologischen Gruppe D (So. glycerin~ceus, So. liquefaciens und Sc. faecium) geprfift. Ohne auf die einzelnen Befunde einzugehen, kann ge- sagt werden, dab der in deal besehriebenen Kr~nkheitsfall ge- fundene laetosesehwaehe Se. salivarius IV gegenfiber den typi- schen Salivariusstrep~okokken Typ IV keine Unterschiede auf- wies, also ebenfalls viel resistenz- sehwieher Ms die Enterokokken (serologisehe Gruppe D) war.

Sehlieglich wurde an 16 Ka- ninchen untersucht, wie lange intravenSs injizierte Streptokok- ken in der Blutbahn nachweis- bar sind. Es wurden ausgezghlte Mengen yon Keimen gespritzt, so dab auf diese Weise die gteiehe Menge der Keime ffir jedes Tier verwendet werden konnte. Das Blur wurde dann naeh einer halben, naeh 6 und 24 Std kul- turell untersucht.

Es erg~b sich iibereinstim- mend, dab alle galivariustypen (einschlie61ich des besehriebenen atypischen Stammes) bereits nach einer halben Ntunde nicht mehr im Blu~ vorhanclen wares, w~ihrend bei den Unterarten der seroIogi- schen Gruppe D die Blutkulturen bie zu 24 Std positiv waren. W~hrend die Tiere nach Injek- tionen yon Enterokokken einen kranken Eindruck maehten, zeigten die Tiere nach Injek- ~ionen yon Sativa, riusstrepto- kokken keine t{eaktion. Die Temperatur stieg Mlerdings aueh nach Injektion yon Salivarius- streptokokken bereits innerhalb kurzer Zeit auf tiber 40 °, um abet bald wieder ~bzufalIen. Bei den Enterokokkeninfektionen hielten die Temper~turen lgnger an.

Zusammenfassung. Bei der Endokardi t i s des Men- sehen k o m m e n am h~ufig- sten die der Viridansgruppe angehSrenden Salivarius- s treptokokken vor, v ie l sel- tener Enterokokken. In der vorl iegenden Arbeit wird auBerdem ein bisher nieht beobaehteter l a e t o s e s e h w a - eher, d. h. biologiseh atypi- seher Sal iv~r iuss tamm IV

Page 7: Über typische und atypische Streptokokkenarten bei der Endokarditis des Menschen

Jg. 29, ]=[eft 21/22 WILHELM ZII~IMERMANH: Die Ausscheidung der 17-Ketosteroide im H a r m 371 1.5uni 1951

besch r i eben , de r z w a r e ine sehr ge r inge P a t h o g e n i t a t , j e d o c h e ine sehr s t a rke R e s i s t e n z gegen i ibe r m o d e r n e n t h e r a p e u t i s c h e n M a ~ n a h m e n ~ufwies. T r o t z m o n a t e - l ange r B e h a n d l u n g l ie~ er s ieh n i c h t vSl l ig aus d e m Organ i s mus bese i t igen . E i n e ~h lde rung de r E igenscha f - t e n des 12real aus d e m B l u r g e z i i c k t e t e n S t a m m e s i s t t r o t z u n g e w S h n l i c h h o h e r t h e r a p e u t i s c h e r Penic i l l in - , S t r e p t o m y c i n - u n d S u p r o n a l g a b e n n i c h t erfolgt .

Die Hi~u/igkeit des Vorkommens der verschiedenen Streptokokkenarten im Blut bei der Endokarditis hdingt zwei/ellos mit dem in den nati~rlichen Fundorten und damit in den Quellen der Herdin/ektion (vor allem den Tonsillen und Z~ihnen) zusammen.

Literatur. Soweit unten nicht angeffihrt, zu finden in: SEELE~A~CH: Biologic der bei Tieren und ~enschen vorkom-

menden Strep~okokken. N/irnberg: Hans Carl 1948. - - RABL U. SEELEI~IAI~lq: Zbl. Bakter. I Orig. 134, 186 (1949). - - Z. Hyg. 1~0, 384 (1949); 132, 257, 394 (1951). - - SEE~E~AHH U. CARS~EHS: Z. Hy-g. 131, 56 (1950). ~ G E ~ E R : Ergebnisse der inneren Medizin und Kinderheilkunde, N. F. Bd. 2, S. 296. 1951. - - GgU~RAC~: Streptokokkeninfektionen. In GU~DE~, Ans~eckende Krankhei~en, S. 152. 1950. - - ROE~ER : Klin. Wschr. 1948, 453. - - Erg. Hyg. 26, 139 (1949).

AuBerdem: B6~[~I~: Klin. Wschr. 1949, 417. - - Verh. dtsch, path. Ges. 19~0. - - Virehows Arch. 318, 646 (1950). - - D ~ L I ~ O : Klin. Wsehr. 19~6, 209. - - ER~SL6~Z U. GRii~: Dtseh. reed. Rdsch. 1949, Nr 18. - - KLEIN" Zbl. Bakter. I Orig. 1 ~ , 133 (1949). - - KLEIN, EHGELHARDT u. ALTE~- BAC~: Z. Hyg. 139, 436 (1949). - - KLEIH U. EHGELttARDT: Z. Hyg. (ira Druek). - - REIlVIOLD, HEILMEYER u. WALTER: Med. Klin. 1950, 475. - - REnVIOLD U. WALTER: Z. Hyg. 129, 168 ( 1 9 4 9 ) . - ROE~ER U. G~i)H: Zbl. Bakter. I Orig. 1~4, 206 (1949).

DIE AUSSCHEIDUNG DER 1 7 - K E T O S T E R O I D E IM H A R N ALS METHODE ZUR B E U R T E I L U N G DER N E B E N N I E R E N R I N D E N A K T I V I T X T .

Bemerkungen zu dem entsprechenden Aufsatz yon H. SAR~ORIVS, Kiin. Wschr. 1950, 772.

Von W I L H E L ~ ZIIg~ERMAN17.

Aus dem Staatlichen ~edizinaluntersuchungsamt Trier (Direktor: Dozent Dr. med. habil. Dr. phil. DipL chem. W. ZDfME~NE).

SARTORIUS kommt nach einer kurzen Beschreibung des Chemismus einiger Steroide an Hand yon Literaturstellen und nach Mitteilung seiner Befunde bei l0 Gesunden und 37 Patienten zu dem etwas /iberraschenden und dutch die voraufgegangenen Ausf/ihrungen in keiner Weiss berechtigtem SchluB: ,Ob die Forderlmg des gestellten Themas, n/~mlich die MSglichkeit einer Beurteilung der Nebennierenrinden- aktivitat allein aus der Messung des C-17-Ketosteroidspiegels ira H a r n ' n a c h den vorliegenden Ergebnissen zu bejahen ist, wird bei der Komplexit/~t der eben diskutierten endo- krinen Korrelationen, im Zusammenhang mit der Vielzahl der bekannten Nebennierenrindenhormone und der sis beein- flussenden Faktoren, wohl abzulehnen sein."

Dazu ist zu bemerken, dab nach dem gegenwi~rtigen Stand unserer Kenntnisse Abweiehungen der 17-Ketosteroidaus- seheidung yon der .Norm dreierlei Ursachen haben kSnnen: 1. sine Zunahme oder Abnahme bei der Bildung der Mutter- substanzen in den Gonaden oder der Nebennierenrinde, 2. eine Xnderung der Leberfunktion, 3. sine ~4_nderung der Ausseheidungsfahigkeit der Nieren. Wahrend wir yon den beiden letzten Punkten noch zu wenig wissen, ist aus viel- faehen Beobachtungen und Experimenten zu schlieBen, dab sieh der Funktionszustand der Gonaden zwar in bezug auf das Verh/~ltnis yon ~ :fl-Steroiden, kaum abet auf dis Gesamt- ausscheidung an neutralen 17-Ketosteroiden bemerkbar macht. Dagegen spie!t der Funktionszustand des 2Vebennierenrinde sine ganz wesentliche Rolls. Zu unterscheiden ist dabei zwisehen einer primiir durch Hypertrophic bzw. Involution bestimmter Rindenbezirke bedingten ~ber- oder Unterproduktion yon Hornmnen, und sekundiirer, durch Einflfisse yon anderer Seite verursachten Hyper- bzw. Hypofunktion; wobei se]bstver- st/indlieh ist, dab es Ubergangsformen gibt. Die extremen Beispiele fiir primer bedingte Zustands~nderung sind Morbus Addison mit sehr niedrigen Ausscheidungswerten yon wenigen Mill igramm j e T a g einerseits, das adrenogenitale Syndrom (Morbns Cushing) anderseits, bei dem der h6chste bisher beschriebene Wert einer 17-Ketosteroidausscheidung bei 1980 mg/Tag (B~osTE~ und PATTERSOH) liegt.

Die Bemerkung yon SARTORIVS, dab er bei 22 Patienten mit Cushing-Syndrom 2real erniedrigte und sonst normale Werte gefunden habe, ist geeignet, etwas irrezuffihren. Beim Cushing- Syadrom muB man zwischen dem hypophys/iren Cushing mit racist normalen, manchmal auch leicht erhShten 17- Ketosteroidwerten, aber hoher Ausscheidung von Gluco- corticoiden und dem adrenocorticalen Cushing mit hoher 17-Ketosteroid- und niech-iger Glueocorticoidausseheidung unterseheiden (vgl. SPRECHLER). Auf die differentialdia- gnostische Bedeutung der 17-Ketosteroidbestimmung in sol- chen klinisch kaum unterseheidbaren F/~llen habe ieh mehr- faeh aufmerksam gemaeht.

Zwischen diesen Extremen liegen alle ~berg/~nge: mehr oder weniger erh6hte Werte bei Hirsutismus und Virilismus; erniedrigte Ausseheidung bei Nebennierenrindeninsuffizienz, auf deren differentialdiagnostisehe Bedentung KAP~ERT hin- gewiesen hat.

Dazu kommt dann das weite Gebict der sekundar be- dingten Hyper- und Hypofunktion, dessen Bearbeitung dureh die SELvEsche Theorie von dem Adgptationssyndrom Auftrieb bekommen hat und dadurch sehr schSn auf einen Nenner gebracht werden kann. Danach seheint jede kSrperliche und seclische Erregung (,,stress"-Trauma, Operationen, Geburt, Infektionen, k6rperliche Anstrengungen, Bestrahlungen u.a.m.) die Nebennieren/inde und damit auch dis Ausseheidung an 17-Ketosteroiden und Cortinen zu beeinflussen. MuB sich dis Nebennierenrinde ehler Belastung des Organismus anpassen und wird sie dadurch zu erh6hter funktioneller Ti~tigkeit gezwungen, so nimmt auch die Ausscheidung an 17-Keto- steroiden ~nd'Corticoidgn im Harn zu; erseh6pfen sieh die Reserven der Nebennierenrinde bei ehronischen, auszeh- ren'den Krankheiten und 'im Hunger, so ist die Ausseheidung erniedrigt.

Aueh indirekt wird die 17-Ketosteroidausscheidung als MaB ffir die Funktionsfghigkeit der Nebennierenrinde heran- gezogen. T~ORH gab einen Test an, bei dem z .B. die 17- Ketosteroidausscbeidung naeh Bel~stung mit adrenocortico- tropem Hormon bestinlmt wird. Bei normaler Funktions- f/~higkeit sind Reserver an Nebennierem'indenhormonen vor- handen, die mobilisiert werden, was an der erh6hten Aus- scheidung yon 17-Ketosteroiden erkannt wird; kommt es aber nieht zu einer solchen Erh6hung, dann 1/iBt dies auf fehlende Funktionsf/~higkeit dcr Nebennierenrinde schlieBen.

Alles in allem ist also doch des 17-Ketosteroidspiegel sowohl ohne als erst recht nach Belastung mit ACTH sin gutes Marl ]iir den Funktionszustand der Nebennierenrinde und ist als solches im Ausland anerkannt.

Da man aus der Arbeit yon SA~TO~IUS den Eindruck ge- winner muB, dab es sich bei der 17-Ketosteroidbestimmung um sine naeh dem Kriege aus Amerika importierte Methods handelt, mag nicht unerwghnt bleiben, dab dieses Verfahren in Deutschland zuerst aufgefunden und zwar yon mir 1935 bzw. 1936 angegeben wurde. DREKTER, PEAXSO~ und BA~T- CZAK haben nicht meine Method e gegndert, sondern lediglich die nicht yon mir a usgearbeitete, sondern fibernommene friiher /ibliche Extraktion zu einem Sehnellverfahren ab- gekfirzt.

Liieratur. BROSTER U. PATTERSOn: Brit. reed. J. 1948, 781. - - DREKTER, PEARSON, BARTCZAK and McGAVACK: J . clin. Endocrinol. 7, 795 { 1 9 4 7 ) . - KArPERT: Schweiz. meal. Wschr. 1946, 1304. - - SARTORIVS: Klin. Wschr. 19~0, 772. - - SEr~¥E: J. clin. Endocrinol, 6, 117 {1946). - - D t s c h . reed. Rdsch. 1948, 161. - - Textbook of Endocrinology. Montreal 1949. - - SPREC~LER : Acta endocrino]. 2, 70 (1949). - - T~ORN, FORSHA~, PRV~TY and HILLS: J . Amer. reed. Assoc. 137, 1005 (1948). - - ZIM~E~ANH: Z. physiol. Chem. 238, 257 (1935); 24~, 47 ( 1 9 3 6 ) . - Klin. Wschr. 1938, 1103; 1944, 78. - - M/inch. med. Wschr. 1942, 360. - - Vit. u. Horm. 5, 1, 124, 152, 170, 237, 260, 276 (1944). - - Schweiz. reed. Wschr. 1946, 805. - - Dtsch. reed. Wschr. 1949, 345. - - Z. Vitamin-, Hormon- u. Fermentforschg (im Druck).