28
Ueber zwei Modificationen der Staar.Operation. Von Dr. A. v. Graefe. 1)ie Unglllcksfiille, welche trotz aller Vorsicht nicht selten nach Lappen-Extractionen eintreten, haben be- greiflichcr Weise die verschiedensten Versuche angeregt, dem erw~ihnten Verfahren andere, weniger gefilhrliche zu substituiren. Die Discision aus der einen Seite, die Linearextraction auf der andern, erhielten eine ein- gehende Cultur, doch land deren Application in der Consistenz der Staare eine bestimmte Grenze. Fiir die gewfhnlichen kernhaltigen Altersstaare behielt die Lappen- extraction den Vorzug. Wenn nun auch die vorste- henden Bemerkungen keineswegs den Zielpunkt haben, dieses Resultat umzuwerfen, so glaube ich doch, das Gebiet sowohl der linearen Extraction als der Discision durch gewisse Modificationen, welche sich in meiner Praxis bew~hrten, wieder um einiges erweitern zu kfnnen. Als ich meine ersten Studien fiber die Linear-Ex- traction machte, deren Ergebnisse in meiner Arbeit fiber den Gegcnstal~d (A. f. O. Band I., Abtheilung 2. S. 210 his 226) niederge]egt sind, hatte ich die ver-

Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

Ueber zwei Modificationen der Staar.Operation.

Von

Dr. A. v. Grae fe .

1)ie Unglllcksfiille, welche trotz aller Vorsicht nicht selten nach Lappen-Extractionen eintreten, haben be- greiflichcr Weise die verschiedensten Versuche angeregt, dem erw~ihnten Verfahren andere, weniger gefilhrliche zu substituiren. Die Discision aus der einen Seite, die Linearextraction auf der andern, erhielten eine ein- gehende Cultur, doch land deren Application in der Consistenz der Staare eine bestimmte Grenze. Fiir die gewfhnlichen kernhaltigen Altersstaare behielt die Lappen- extraction den Vorzug. Wenn nun auch die vorste- henden Bemerkungen keineswegs den Zielpunkt haben, dieses Resultat umzuwerfen, so glaube ich doch, das Gebiet sowohl der linearen Extraction als der Discision durch gewisse Modificationen, welche sich in meiner Praxis bew~hrten, wieder um einiges erweitern zu kfnnen.

Als ich meine ersten Studien fiber die Linear-Ex- traction machte, deren Ergebnisse in meiner Arbeit fiber den Gegcnstal~d (A. f. O. Band I., Abtheilung 2. S. 210 his 226) niederge]egt sind, hatte ich die ver-

Page 2: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

159

schiedenstcn Staarformen dieser Operationsweise unter- worfen; ich hatte eine Reihe yon Ffillen aufzuweisen, in denen Cataracte mit wachsartig coh~irenten oder selbst indurirtem Kern gliicklich durch Linearschnitt entfernt worden waren, wenn man den LGffel hinter den Linsen- kern brachte und diesen gegen die Hornhaut zerdrfiekte.*) Ich giaubte auch Anfangs die Indicationen f'dr das Ver- fahren etwas wetter stellen zu kiinnen, als es dann sp~iter in meiner Arbeit geschehen ist.

Fortgesetzte Versuche lehrten reich, dass bet allen kleinen Ab~inderungen der Technik bGse Zuf'~Ule doch nicht zu den Seltenheiten gehilren, so wie der Linsen- kern einigermassen compakt ist. Als endlich die Ver- suchsreihe eine geniigende Basis erreicht hatte, hielt ich mich f~ir gezwungen, das Ver['ahren f~ir Staare mit compakterem Kern direct zu widerrathen. Man dart nicht vergessen, dass die Lappenextraction in .iedem Falle zur unmittelbaren Entfernung des Staares an- wendbar ist, dass man selbst bet ~iIteren Leuten ein Heilungsresultat yon mindestens 8 zu 1 durch dieselbe erh~ilt und dass demnach, wenn man ein anderes Ver- ihhren substituiren will, dieses eben noch gfinstigere Chancen bieten muss; vollends m[issten die letzteren steigen, wenn es sich um Individuen unter 50 Jahren handelt, da sicher auch die Lappenextraction vor diesem Alter bessere Erfblge liefert. Eben diese Postulate land ich bet der Lizlearextraction oder Ausl~iffelung der compakteren Staare nicht erfiillt; ich erhielt neben man- chen tadellosen Resultaten auch mehrfach eine bedroh- liehe, selbst deleffire Iritis. Dies hebe ich bier wieder hervor, weil neuerdings yon D e s m a r r e s die Application der Linearextraction auf kernhaltige Staarformen als

*) IIierauf weist beroits dio Bezeichnung der ,,huslGffeltmg," deren ich reich damals meinon klinischen Zuhlirorn gegenQber bedionte, hin.

Page 3: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

160

zul~issig erkl~irt worden ist (D e s m arre s, Cliaique Euro- pdenne 1859. No. 8.) Ob die yon dem bew~ihrten Prak- tiker empfohlene Modification in der Technik jene Be- denken beseitigt, m~ichte ich im Hinblicke auf meine frliheren Versuche und bis derselbe beweisende nume- rische Angaben fiber die Endresultate verSffentlicht hat, bezweifeln. Die Nachtheile, welche ich fiirchte, liegen weniger in der ~uetschwirkung, welche der Daviersche LSffel bei der Zersprengung des Linsensystems auf die hintere Hornhautwand ausiibt, als in tier Reizung der Iris dutch die Manipulation und besonders durch die zurllckbleibenden Linsentheile. W~ihrend der Liiffel den centralen Theil des Linsenkernes in seine Hiihlung schliesst und gegen die Hornhaut zerquetscht, werden die seitlichen Theile leicht abgekniffen und mit der Corticalmasse hinter die Iris gedr~ingt. Es gelingt nicht dieselben zu ents ohne durch eine unerlaubte Richtung des Liiffels die Wundr~inder und die Iris in einer gef~ihrlichen Weise zu reizen. Wird dann vollends wiihrend dieser Versuche die tellerf'drmige Grube ge- sprengt uad Austritt yon Glasl~rper bedingt~ so dr~ingt dieser die Linsenfragmente auseinander und wirft sie aus dem Pupillargebiete, ein jedes Auseinanderhalten der Carneawunde wird dann eher einen weiteren Austritt des corpus vitreum als der auseinandergesprengten Linsenfragmente bewirken und so kommt es, dass wir leicht nicht blos Corticalmassen, sondern wirklich Sec- toren des Linsenkernes zuriicklassen, welche bei der starken Zersprengung eine rasche ]mbitition eingehen. Diese letztere wird um so eher Iritis, Cyclitis oder selbst Hornhautabseedirung bewirken, als die besagten Theile durch den Akt der Operation besonders reizempf~ing- lich geworden sin& D e s m a r r e s will sein Verfahren besonders iiir sehr ahe Leute mit vorgeriickter Atrophie der Hautdecken, Arteriosclerose u. s. w, der Lappen-

Page 4: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

161

extraction subsfituiren. Nun gebe ich gern zu, dass unter solchen Verh~iltnissen die Resultate der Lappen- extraction besonders ungiit~stig sind, so dass sie bis auf 4 zu 1, selbst bis auf 3 zu 1 sinken, allein ieh glaube, dass die gegen die Linearextraction compak- teren Staare angeffihrten Bedenken sich bier ebenfalls und z~ar in einem fiberwieg~,nden Verh'31tnisse steigern.

Scheint mir denmach die einfache Linearextraetion keiner wesentlichen Erweiterung der damals gestellten Indieationen f~ihig, so mr ieh diesen Vorzug bis zu einem gewissen Grade d(,nJ gleich anzufiihrenden Ver- fahren vindiciren. Da die, der Corneawunde ent- sprechende Irispartie sowohl das haupts~ichlichste Hin- derniss fi~r die Introduction des L~ffels hinter den Linsenkern, a~s auch den haupts~ichlichsten Ausgangs- punkt der entziind',ichen Zufiille abgiebt, so habe ieh versueht, diese Irisparfie vor der Oeffnung der Linsen- kapsel z~ excidiren und ist hieraus, nachdem der Vet- such sich bew/ihrt, fblgendes Verfahren entstanden:

1. A kt: Ich steche mit einem breiten Lanzenmesser an der SehlMenseite, im horizontalen l)urchmesser des Auges und gerade an der Hornhautgrenze so ein, als wenn ich eine bis zur Periph~rie reichende Iridectomie vollf(ihren wollte, den Schnitt maehe ieh jedoch gr~isser als es ie zur Iridectomie, selbst bei Glaucom, geschieht, derselbe erstreckt sich tmgef/ihr iiber 'A des Hornhaut- t,mfanges.

Zu diesem Zweeke muss, wie gesagt, ein sehr brei- tes banzenmesser gew~ihlt werden, doeh ziehe ieh es vor, aueh diesem Messer gerade Sehneiden zu geben, weft bei den eonvexen Sehneiden mehr Differenz zwisehen in- nerer und ~iusserer Wunde entsteht, weft t~rner eine ge- cignete Erweiterung der inueren Wtmde beim Zurtlekziehelr des histrumentes sehwerer f~illt und weft dem entspreehend aueh der Dav i e l'sehe L6ffel die Winkel der inneren Wunde eher reizt.

Archtv file Ophthalmologie. V. 1, 11

Page 5: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

162

2. A kt: Nach dem Ausziehen des Instrumentes wird die Iris wie gewiihnlich mit der Pincette gefasst und excidirt. Es ist jedoch nicht niithig, die gesammte, der Hornhautwunde entsprechende Irispartie auszuschnei- den, da auch bei einem schmaleren Colobom, so wie die Linsenkapsel ediffnet wird und die Corticalmasse hervortritt, die Iris in einer fiir die weitere Technik ausreichenden Weise zuriickweicht. GewShnlich flicsst hierbei kein Blut in die Kammer; geschieht es dennoch, so schreite man ungehindert zum n~ichsten Akte, indem die Introduction des H~ikchens und die ErSffnung der Kapsel den Ausfluss des Blutes mit sich bringt.

3. Akt: Die Kapsel kann nun sowohl mit meinem flietenfSrmigen Cystitom als mit den H~ikchen erSffuet werden, es muss dies in der ganzen Lfinge der nadir- lichen und der kiinstlichen Pupille, demnach schl~ifen- w~irts bis in die N~ihe des LinsenSquators bin geschehen. Letzteres ist dringend nSthig, damit nieht bei~ vierten Akte der Operation der Davie l ' sche Liiffel in irgend einer Weise yon aussen her auf die Kapsel wirkt, dan Linsenkiirper vor sich her oder in das Auge zuHiek- schiebt und dutch Sprengung tier tellerfSrmigen Grube einen, dem ferneren Mechanismus ~iusserst hinderlichen Glask~irpervoriall bedingt.

4. A k t : Es wird ein LSffel, welcher breiter, weniger gehShlt und an seinem Ende etwas sch~irfer ist als der gewShnliche D avie l ' sche LSffel zwischen Linsen- ~iquator und dem grSssten Kreise des compakten Kernes in die hinteren Corticalmassen so welt vorgeschoben, dass das Ende desselben den hintern Pol des Kernes noch etwas iiberschreitet. Alsdann wird der Griff des Liiffels gegen die Schl~ife gesenkt und das sich hebcnde Ende sanf't gegen den Linsenkern angeddingt. Es muss bei dieser Bewegung daraui gesehen werden, dass <lie Hornhautwunde gen~gend klafft, .ja es soil, besonders

Page 6: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

163

wenn die Augenmuskeln selbst wenig wirken, noeh

dureh einen Assistenten an der inneren Seite des Bulbus

zur leichteren Austreibung des Staarkernes tin v o f siehtiger Druek mit der Fingerspitze ausgeiibt werden.

So wie die ersten Fragmente des zerquets(,hten Kernes

sich in der Hornl,autwunde einstellen, schiebe man den

Ltiffel noeh etwas mehr vet, so dass (lessen Ende ganz

die innere Gl'enze des Kernes umfasst und n';ihere dann,

indem man den Griff immer mehr senkt und das Ende gegen dig IIornhaut erhe[)t, gleichm~issig mit dem Zuriiek-

ziehen des Instrumetlt(,s auch don zersl)rengten Staarkern der Hornhautwunde. Was sich yon den Cortiealmassen

durch sanftes Ausdriicken enlf'ernen l~sst, mag entfernt

werden, alle gewaltsamen Versuehe miissen um so mehr unterbleiben, als yon den zuriickbleibenden G e l

tiea]massen bei der klaffenden Pupille hier weniger zu t~irchten ist.*)

Den Liiffcl wiihle ich deshalb breit und weniger aus- gehiihlt, v~cil man mit einem solchen weniger Gefahr liiuft, (lie seitlichen Kerntheile abzukneiti~n. Ich operire im Lie- gen und I)ci fixirtem Bulbus. -- Der Mechanismus der ()per-~tion ist zwar mit g~;eigne, ten lnstrumenten ebenthlls naeh innen odor auch naeh unten ausfdhrbar, jedoch im- merhin ctwas verletzender, wcshalb ich in dcr letzten Zeit bei der oben angei~ihrten Ausitihrung yon der Schliifenseite her gebliebell bin. Die Vnrziige dieses Verfahrens gegeniiber der ein-

fachen Linearexwaction sind wohl ersichtlieh. Zun~ichst

gelingt cs, ohne ,ie(te Ber{ihrung mit der Iris und nhne

.jedc Versehiebung des Linsenk(irpers selbst (welehe

die Firsten der Ciliartbrts~itz~ ' reizen kann), den LSffel

*) Ieh habe bier [ediglich das V~,rfahren besehr ieben, wie ich es je tz t in At ,we, ,dung setze Friihere Versuche , den Linsenkern mit ein~,m sehmalen in ,tie hinlere Cort icalmasse eingefiihrt~,n Messer yon hinten nach vorn zu durchneiden, lasse ich unerwKhnt, weiI ich vorlKuflg /tie Ansicht hege , dass S taare , die sieh auf die obig(~ Weise nieht entfernen lassen, (iberhaupt fiir das Verfahren nicht passen,

l l t

Page 7: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

164

hinter den Linsenkern zu bringen. Da dessen Ende etwas gesch~irft ist und ausserdem nut Catarakte mit weicher Corticalmasse zu w~hlen sind, wie ich bet den Indica- tionen angeben werde, so gelingt es auch leicht, den Liiffel in der kunstgerechten Weise vorzuschieben. Der zweite Vortheil ist der, dass nach dem ersten Akte der Operation kein Irisvorfall entsteht. Das Zustande- kommen eines solchen w~ihrend der einfachen Linear- extraction wird manchen Operateur bet unruhigen Pa- tienten behindert haben. Mall lernt zwar bei einer gehilrigen Uebung das H~ikchen an der inneren Seite eines Irisvorfalls ohne Verletzung einzuf(ihren, wie es auch in der Regel gelingt, den Irisvorfall nach been- deter Operation zu reponiren, allein es bleibt der friiher vorgefallene Iristheil immer stark reizempf~inglich. Wird die Linse bis aus die letzten Reste entfernt, so wie es beim weichen Corticalstaar der einfachen Linearextrae- tion gelingen muss, so schliesst sich an diese Reiz- empff~inglichkeit beinahe nie ein entzilndlicher Prozess. Bleiben dagegen bet den compakteren Staarformen Lin- senfragmente in Berfihrung mit .iener Parthie, so kann sehr leicht yon dem erw~ihnten Iristheile aus ]ritis ent- stehen. Hieran kniipft sich auf naliirliche Weise der dritte uad haupts~ichliehste Vortheil, n~imlich der, dass die im Allgemeinen zurhckbleibenden Staarrudimente hei ihrer ]mbibition dem Auge weniger Gefahr bringen, es ist sowohl den entziindlichen Gewebsinfiltrationen als dan secretorischen Emziindungen, welche durch Druek gef, ihrlich werden, mittelst der ]ridectomie his auf einen gewissen Punkt vorgebeugt.

Der einzige wirkliche Nat'hlheil des Verfahrens g'egeniiber der einfachen Linearextraction ist cosme- fischer Natur. Einen wesentlichen Einfluss auf die Seh- sch/~ri'e konnte ich kaum finden. So stelhe ich jiingst

Page 8: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

165

im Verein Berliner Aerzte einen meiner Operirten vet, welcher mit einem geeigneten Convexglase ('TA) die J a e g e r ' s e h e Sehriftprobe No. 1 in 15 Zoll ]as, womit jeder Staaroperateur zufrieden sein wird; derselhe Pa- tient satl aueh gemeinsehaftlich mit (h'm anderen nieht operirten Auge und reagirte der, der natilrliehen Pul)ill~; angehiirige Abschnitt des Sphincters ungehindert aut' Licht; (tie Aecommo(lation fohltt~ natiMich auf Grund des Linsendetektes. Etwas mehr Unbequem]iehkeit helm Lichtwechsel kiinnen allerdings solche Opcrirte atff Grund tier weiteren und nicht genau re~gulirbaren Pupillar;iff- hung haben; in einer st~3rende, n Weise babe ich dies iedoch selten beobachtet. Auch durchscheinende Kapsel- beschl~ige, die sonst noch Staaroperationen w~ihrend des geringen Reizzustandes, den wit" thst als normal he- trachten, h~iufig zu Stande kommen, sah ich hier writ seltener entstehen. Kommf, ich nun atffjenen, wie mir scheint, einzigen cosmetischen NachtheiI zuriick, so daft auch dieser meines Erachtens nicht iibers(.h~itzt werden. Ieh babe mich bereits hieriiber he| Angelegen- heit tier Iridectomie oft genug geiiussert; dieser Nach- theil wird, unter gewissen der aut'zustellenden Indicationen vollends verschwinden, tIandelt es sieh z. B. um sehr alte Leute, be| denen wit' wegen der atrophisehen Haut- decken, des allgemeim, n Marasmus, etwaigen Bronchial- catarrh's u. s. w. die Lappenextraction t'iirchten und be| denen sich die Staarconsistenz f(h' unser Verfahren eignet, so wen'de (h)ch unter diesen Verh/iltnissen kein Mensch eine so geringe cosmetische Riicksieht geltend machen. Der Umstand t'erner, dass staaroperirte Pa- tienten Brillen tragen, entkrMtet den cosmetisc}wn Ein- wurf bier im allgemeinen writ mehr als be| der geMihn- lichen Iridectomie.

Ich wen,te mich ietzt zu d e n l n d i c a t i o n e n . Sei- ten~ tier Staareonsistenz passen f[ir alas Vert'ahren

Page 9: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

166

solche Forman, bei welchen die Corticalmasse breiig erweicht und ein m';issig grosser Kern mehr oder weniger verh~irtet ist. Bei ('oh/irenter Cortical-Masse ist die vorgeschriebene Einfiihrung des L~iffels zwischen Linsenkern und hinterer Kapsel nicht ausfiihrbar, der Ltiffel disloeirt das Linsensystem, zerreisst die teller- Fdrmige Grube, und so leidet (tie Technik in einer fllr den Erfolg st/h'enden Weise. Ist der Kern iiberhaupt nicht indurirt, sondern geht die Erweichung und Zer- kliiftung bis in die Mitre des Linsensystems, so ist das Verfahren deshalb nieht iadieirt, well alsdann die ein- fache Linearextraction a u s r e i c h t . - Staare der betref- fenden Art sind leieht zu diagnostieiren. Die Cortiealis zeiehnet sieh dureh ihre breiIen, bl~iulich sehillernden Streifen, dutch ihre Aufbl/ihung mit Vordr~ingung der Iris aus. Der verhiirtete Kern dagegen verr~th sich dutch einen gelben Reflex, der aus der Mitte des Linsensystems zuriickkehrt. Bei s(.hiefer Beleuchtung klinnen wit auch die Grenze dieses Kerns ann~ihernd bestimmen.

Vor dem 30. Leb(~nsiahr(" kommt es im Allge- meinen selten bei Corticalstaaren vor, class der Kern ein compacteres Geflige besitzt.*) Ich wende iiberhaupt yon diesem Termin das Vert~'thren nicht an, indem ich die einfaehe Linearextraction Fdr den Corticalstaar vor- ziehe, flit ande,'e Staarformen die diseisio per corneam, einfach oder mit Iridectomie nach oben combinirt, aus-

'*) Eine ganz schwach-gelbe Tiinchung, welche sich nieht al.f die centrale Gegend beschr~inkt, sondern sich bis in die mittlere resp. ii.usserste Coriicalis verfolgcn liisst, beweist, helm sonstigen Bau und Volumen des weichen Cortiealsiaares noch nicht eit~ |ffirteres Gefiige. Solcho Cataracten sind a[[erditJgs nicht mehr in ihrer'I 'otalitiit breiig erweicht, sonder~l sectorenweise cohii.reut, aber die Sectoren sind (lurch weiche Zwischenmasse yon einander getrennt und 15sen sich in einer Weise auseinander , w.~lcho dora Zweck der einfachen Li- nearextraction vollstiitldig (mtsp,.ir

Page 10: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

167

Jibe. Zwisehen dem 30. und 40. Lebens.iahre kommen bereits Staarformen der gedachten Art ziemlich hiiufig vor, obwohl uns andererseits auch vollstiindig erweiehte Corticalstaare begegnen. Noch hiiufig~ wiederholt sieh dann die fragliche Staarform yore 40. I~ebensiahre an und constituirt endlich eine erhebliche Quote der zur Operation kommenden Altersstaare.

Es fiillt mir nicht ein, rdr alle solehe Formen das beschriebene Yerfahren als das entschieden zmri~glichste vorzuschreiben. Allerdings wiicde ich dies thun, wenn dor Mechanismus auch bei einer Pupillenbildung naeh oben, die gar keinen cosmetisehen Einfluss iibt, sicher aus- t'iihrbar wiire. Da letzteres.jedoch nicht angeht, so i~illt immerhin die kleine Entstelhmg in Betracht. Die erw~ihnten Staarformen lassen sich aueh dutch einen Lappensehnitt mit etwas kleinerem Umthng, und zwar unter relativ sehr guten Chancen, entbinden; somit hahe ieh das Ver- fahren nut dann fiir unbedingt angezeigt, wenn uns gewisse Momente gegen die Lappenextraetion stimmen. Solehe Momente kSnnen theils in dem Allgemeinzustand (let Patienten, theils in den 0rtliehen Verhiiltnissen des At,ges liegen. Bei alton, maras~isehen Leuten mit atro- |)hisehen Hautdeeken, t>ttiger Metamm'phose der Augen- muskeln, hoehgradiger Arterio-Selerose ate. sinken die Chaneen der Extraelion, wie bereits mehrfaeh erwiihnt, und es ist hier das Verfahren, bei der angetiihrten Staareonsistenz, vollkommen an seinem Platze. Ebenso bei Kranken, die an veraltetem Bronehialcatarrh, an Asthma, Urinbesehwerden oderanderen Gebreehen leiden, welehe liingeres Liegen m.schweren und das Allgemein- befinden in einer fib" den tIeihmgsprozess gef/ihrliehen Weise sttiren. Aueh die Angabe derPatienten, dass ander- weitige Wunden bei ihnen leieht eitern, ist zu beriiek- siehtigen, gor allen I)ingen lege ieh auf die Gemiiths- stimmung derPatienten Gewieht. Angstgeflihl disponirt

Page 11: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

168

wesentlieh zur Suppuration des Lappens und zwar noch mehr die beklommene Angst als die sich laut kund- gebende. Dcr Umstand, dass bcreits das eine Auge nach einer Lapp~extraction unter den Zeichen des ~irt- lichen Marasmus vereitert (siehe unten), wird natlirlich inltuiren. In zweiter Reihe l'~illt ~irtliche Unruhe der Augenlider und der Augen selbst, Complication mit Sclerotico-chorioiditis posterior, inveterirte Entzfindungs- znstiinde der Conjunctiva, Verschluss des Thr~inennasen- kanals, Ectropium etc. in Betracht.*) In drifter Reihe ist der ~iusseren Umst~inde zu gedenken. Zusammeuliegen sehr vieler Patienten in einem Raume, Hospitalluf't, schlechte Wartung, iibertriebene Hitze vermehrt die Gefahren der Suppuration.

Es ist ferner bei der Wahl zwischen Lappen-Ex- traction und dem in Rede stehenden Verfahren der etwaige cosmetische Nachtheil des letzteren naeh den individuellen Verh~iltnissen abzumessen. Derselbe kann wohl bei Individuen fiber 60 Jahren vollkommen ver- nachl~issigt werden, bei M~innern auch vor dieser Zeit, oder nach deren Naturell vi~llig. Letzteres in der Re- gel bei Landleuten. Ueberhaupt ist bier die Denkungs- weise des Patienten entscheidend. Die Meisten werden es vorziehen, mit Verringerung der Ge/'ahr eine Un-

*) Glotzaugen, wenn sonst kelne Complieationen (etwa mit sele- rotico-chorioiditis posterior), trfiben meinen Zahlen nach die Prognose der Lappenextraetioo nicht. Auch Gramdationen und vascularisirte tIornhaui~rben seheinen die Suppuration keineswegs zu bef'drdern. Ich habe in fi FKllen yon Granulationen extrahirt, und immer mit gutem ~Erfolg. Die Zahl ist zu klein, um einen Schluss zu ziehen, doch glaubte ich das Facttm~ citiren zu d•rfen, well es Practiker, welche in gleicher Verlegenheit sich beflndeo, in welcher ich diese Operationen unternahm, immerhin ermulhigen mag. Bet alton Leuten ist es zuweilen misslich, die Operation bis zur IIeihmg der Granu- lationen, viele Monate zu versehieben, zuweilen auch unm/~glich, wenn e s Armenkranke yon ausserhalb sil~d, deren 6ranulafionen zn tlause nicht geheiit werden.

Page 12: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

169

regolmilssigkeit der Pupillo zu behalten und deshalb wi~rde ich aueh in den moisten F~illen bei geeigneter Staareonsistenz das erw/ihnle Verfahrea der Lappen- extraction vorziehen. -- Die hesehleunigte Heilung gegeniiber der Lappenextraotiof~ giobt uns fernore Be- weggriinde ab. h'h lasso derartigo (}perirte gewShnlich nach 2--4 Tagep das Bert, nach 6--10Tagen das Zim- mer verlassen, nach 3 Wochen ihre Aug~n zur Arbeit brauehen. Fi]r die Lappenextraction sind die Termine tast dreimal so lang. I)ios f/illt bei ~irmeren Kranken ausserordentlich in die Wagsohale. Die Unn;3thigkoit angroifenden Kurverfahren nach der Operation wird uns besonders da bestimmon, we tier Gesundheitszu- stand die Einwirktmg solcher Veri'ahretl flirchten l/isst.

Eine weitere Indication fiir unser Verfahren finde ich in den mit hinteren Synechien verbundenen weiehen odor halbweichen Catarracten. So wie einmal Ausg~nge yon Iritis sich darbieten, stimme ieh, selbst we die Ca- taract das Gefiige des weichen Corticalstaars darbietet, nieht t~ir (tie einthehe Linearextraetion. Die Linsen- kapsel ist dann in der Regel dureh weniger elastisehe Auflagerungen an der InnonflScho verdiekt, sic weicht bei der Eri;ffnung mit dem Cysdtom odor Hfikchen ,dcht geniigend aus einander, ausserdem hat die Rindensub- stanz (lurch die Aufi]ahme albuminfser Bestandtheile ,qno grosse Klebrigkeil, kraft dere~l sic der Kapsel ad- h~irirt und sich dem leiohte~l Austritt aus einer kleinen Wunde ontgegensetzt. Endlich ist eine gesteigerte Reiztmg dutch den Akt (ler Operation odor durch zu- riickbleibonde klare Linsontheile wegen derDisposition zu neuer Iritis doppelt gef~hrli('h. Es ist deshalb ,~ach alhm Ri('htunge,~ angezeigt, selbst fiir weiche mit hitlteron Syneehien verkniipfte Cataracten die Linearextraetion mit der Iridectomie zu verbinden. Vollends wird dies ztw Nothw~mdigkeit, wcnn ein mehr oder weniger ver-

Page 13: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

170

h~irteter Linsenkern yon der weichen Cortiealmasse ein-

geschlossen ist. Unter diesen Verh~iltnissen, ebenso wie

bet cataracta mollis mit Verkleinerung des Pupillar-

raumes durch vordere Synechien ist iibrigens das er-

w/ihnte Verfahren bereits vor ge raumer Zeit yon An-

deren und mir veriibt worden.

In derselben Weise kommt das Verfahren bet trau-

matischen, mit noch bestehender Iritis verbundenen

Cataracten zur Sprache, vorausgesestzt , dass wir nieht

bet unvol lkommener Entwickelung der Linsentriibung

es vorziehen, h deux temps zu operiren, erst der Iritis

durch Iridectomie entgegen zu treten und sp~iter die

Cataract anztigreifen.

Endlich babe ich bet Cataracten, welche zugleich

fremde, in das Linsens.ystem eingedrungene KSrper ent-

hielten, zweimal yon dem Vert 'ahren vortrefflichen Er-

folg gesehen.

Der eine Fall betraf einen Arbeiter, welchem seinen An- gaben nach M~innige in das Auge gefiogen waren, worauf Erblindung sich entwickclte. Als derselbe sich '/2 Jahr nach dern Zufhll bet mir vorstellte, land ich bet guter quantita- tiver Lichtempfindung eine ausgebildete Cataract, die Linse hatte eine eigenthiimliche gelb-br~imfliche Tiinchung~ die sich nut durch die Gegenwart fi~emdartiger eingedrungener Substanz erklSren konnte. Ausserdem trat irn 5usseren unteren Abschnitte der Pupille, hart unter der Kapsel, eine abgegrenzte rothbraune Parthie hervor, welche zwar bci Focalbeleuchtung etwas durchscheincnd war, abet offenbar eine st~irkere Anh~iufung fremdartiger Molekiile darstellte. Dieser gegeniiber land ich auch auf der Horn- haut eine ganz f~ine Narbe, welche offbnbar den Eintritts- ort des fi'emden K(irpers bezeichnete. Es wurde eine Iridectomie nach unten (wie ich es damals noch zu thun pflegte) verrichtet, alsdann der L(ift'el hinter den Linsen- kern mit besonderer Beriicksichtigung jener br~iunlichen Parthie geschoben, deren ich um jeden Preis habhaft werden musste, und die Linse entfb~rnt. Die mikroskopische Untersuchung der entib~rnten br~iunlichen Corticalparthie

Page 14: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

171

zeigte die LinsenriJhren selbst diffus geF,,'irbt und ausser- dem unregelm~issig verti~eilte dunkelbramle Kilrner und schart' abgegrenzte rothb,'aun(~ Schollen. DiG chemische Analyse, der Dr. H o p p c sich freundlichst uriterzog, erwies~ dass nieht Blei-~ stmdern ciscnh:Jltige Substanz, welehe ebenfalls bei der A.'beit vcrwendet w~n'den, eingedrungen war. Patient verliess am 9. Tage meiue Klif~ik mit gutem Sehvermtigen.

Der zweite Fall betraf ebenfalls einen Fabrikarbeiter, dem ein Metallsplitter durch (lc]t iiusseren Theil der Cornea und Iris hindurch in des Linsensystem eingedrungen war. Patient wusste merkwlirdiger Weise yon der Verletzung nichts, sondern kam wegen ciu~;r seit Jahresfi'ist besteh- enden Erblindung des reehten Auges zu mir. Ich land eine Cortiealeatarakt yon gewiihnlieher Farbe und Bau, mit etwas gelblieh getilnehtej:~ l~:crn. Ir~ dem Sehl~ifentheil der Iris war hart am I'upillenrandc ein kleines Loeb, die- sere gegeniiber auf der Cornea eine iiasserst thine line,ire Narbe. Naeh EintrSufi~lung yon Atropin zog sich die Iris vollkommen trei zuriiek tttl(t mall gewahrte gerade ent- sprechend der Oertliehkcit des l,oches in der h'is (bei mitt- lcrer ileleuehtnng) cinch vollkommcn tmdurchsic!ltigen, ~ttetallisch schillernden ti'emden KSrper ziemlich dicht u~lter tier Kapsel. Die [ridccto.nic wurdc hi(!r nach ;mssen gemaeht und ganz in dcr w)rgeschriebcnen Weise ver- tahrcn. Dcr t'remdc ](51'ptq" e rwies sich a[s (~ill vei l ()xyden ziomlich ti'eier, circa 1'/4 Mm, langcr Eisensplitter, Patient. verlies schon am 6. Tage mit vortrefHicher Seh- kraft die hnstalt.

Solche F~ille geh0ren zu den misslichsten fi~r die

operative Kunsthiilt'e. Sind es schart" begrenzte Me(all-

theile, so gel ingt es auch wohl (lurch Discis ionen, dis

in gt, eigneter W e i s e veri~l)t u'~,rden, den t 'remden K0r-

per glt,ichzeitig mit den I,insenpft(icken in (lie vordere

Kammt, r treten zu lassen und desselben dann dutch

Extraction habhaft zu wevden (S. A. i: O., Bd. II., Abth. 1,

S. 230). All@: es ist irnme~" unsi~.her, wie das Auge

attf' den Austritt ties fi'~'m(len K0rpers in die vordere

Kammer reagirt . Ist letzteret' mit t}xyde, n umgeben,

Page 15: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

172

so kSnnen diese, w e n n sie im humor aqueus vertheilt werden, als Reizursachen wirken, sind gar Metallsalze im gelSsten Zustande durch das Linsensystem diffundirt wie es in dem ersten Fall Statt land, so ist der Aus- tritt der Linsensubstanz dureh die Kapsel oft yon der lebhaftesten Reaction gefolgt. Ich habe reich hiervon frfiher zu meinern Bedauern in einigon F~illen yon Ca- taract, welehe fremde KSrper enthielten, flberzeugt. Eine UnmSglichkeit wird es vollends, dutch l)iscisionen den Erfolg zu sichern, wenn der KSrper nic},t im nati~r- lichen Pupillargebiet sitzt, sondern erst bei stark erwei- terter Pupille zu Tage k o m m t . - Die einfaehe Linear- Extraction kann allerdings in derartigen F~llen zum Zwecke fShren, und ich wi~rde auch dieselbe als indicirt ansehen, wenn die Cataract vollkommen weieh ist und der fremde KSrper sich in dem mittleren Pupillarbereich befindet. Sowie aber der fi'emde KSrper stark ex- eentriseh liegt, so sind wir bei tier Linearextraetion der Gefahr ~usgesetzt, dass derselbe perlpheriseb entweicht und sieh hinter der Iris birgt. Niernals kann uns dies begegnen, wenn wir gorade dem fremden KSrper ent- spreehend die Irideetomie vollfiihren.

Was die numerischen Eriblge des besehriebenen Verfahrens betrifft, so versehiebe ich genaue Angaben his zu einer umfassenden VerSffentlichnng iiber die Resultate tier verschiedenen Operationsmethoden, welehe ieh t'~ir sp~iter beabsichtige. Hier nut so viel, dass yon mehr als 30 in genannter Weise operirten Angen mar eins yon einer heftigen (allerdings delet~h'en) Entz[~n- dung befallen wurde. Ich kSnnte diesen Fall, wenn ieh nieht bei statistisehen Angaben nile Auslassungen verpSnte, in so fern eliminiren, als tier Schnitt nach un- ten gemacht und die etwas compakte Linse wegen des ungfinstigen Mechanismus in dieser Richtung nur nn- vollkommen entbunden wurde. Ueber die kl]rzere Dauer

Page 16: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

173

der Heihmg, welche durchsehni/tlieh erreieht wurde, babe ieh sehon oben Angabcn gemacht. Die Resultate fallen um so giinstiger in die Wagschale, als bet vielen yon den operirten Kranken die Chancen Far die Lappen- Extraction relativ sehr ung~instig" waren.

Die zweite Modifikation, welche ich zu proponiren habe, betrifft die Diseisio~ dutch die Cornea. Unzwei- felhaft liegt der Hauptnachtheil der Discision in der reizenden Einwirkung der zerfallenden Linsensubstanz auf die Iris. Hierdurch kiinnen sowohl parenehymatiise Infiltrafionen der Iris und des Ciliark~irt)ers , als auch seeretorische Entziindungen (sogenannte Iritis, eyelitis serosa) hervorgerufen werden, welche durch Druckver- mehrung gef~ihrlich werden. Fiir diese Vorg~nge ist besonders die Zah] der Beriihrungspunkte zwischen Iris und andr/ingender Linsensubstanz von Wichtigkeit. So ]ange ein in der Imbibition begTiffener Staarpflock sich innerhalb der Kapselwunde hNt, sehen wir in der That keinen Reizzustand. Wenn derselbe dagegen aus der Kapselwunde herausfNh, sieh im humor aqueus senkt und mit der vorderen F1/iche tier Iris in Beriih- rung tritt, so entsteht R~.ithung, Emplindlichkeit, Thriinen, nieht selten leichte Triibung des Kammerwassers etc. Dies Alles l~isst wieder hath, wenn mit zunehmender Resorbtion des g(~dachten Pflocks die Beriihrungspunkte desselben mit der Iris sich verringern. Dasselbe beob- achten wit in hiiherem C, rad~ ~, wenn bet ether stark nach der Peripherie ausgr.dehnten Kal)seli~ffnung die sieh imbibirenden Linsentheile gegen die hintere Fl/iche der Iris andr~ngen. Gelingt es alsdann dutch Mydria- tica die Iris yon jenen Stellen wegzuziehen, so hSrt aueh die Reizung auf. Am drohendsten werden die Phaenomene, wenn alas Linsensystem in seiner Gesammt-

Page 17: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

174

heit aufquilh, well alsdann auch die Iris in ihrer Ge- saalmtheit gereizt und deren Circulation zugleieh durch den Druck, der auf dieselbe wirkt, wesentlich behindert wird. Deshalb schen wit alsdann nicht blos circum- scripte Iridites mit hintcrcn Synechicn, sondern delet~ire Entziindungen entstehen, welche sich fiber den ganzen Tractus der inneren Augenh~iute dit~undiren.

Wenn nun auch die gedachten Erscheinungen mit einer gewissen Regelm~ssigkeit zur B~obachtung kom- men, so intervenirt doch ein Moment, welches in der Lehre der Discision nicht genugsam hervorgehoben werden kann. Es ist das die versciiiedene Beschaffen- heir der cataraetiisen Linsensubstanz selbst, theils nach dern Alter der Patienten, theils nach der Staarform, theils nach der Periode des Staarprozesses, theiIs end- lich nach individuellen, und bisher verschlossenen Ver- h~iltnissen. Ich gehe auf diese Punkte, so bekannt sic griisstentheils sind, ihrer praktischen Wichtigkeit wegen noch mit einigen Worten ein.

Bei Kindern werden selbst die st~irksten Bl~ihungen der Linse, durch eine Trauma oder Operation erzeugt, im Allgemcinen ohne reactive Vorgiinge ertragen. Im iugendlichen A l t e r bedarf es immerhin griisserer und cornpakterer Linsenabschnitte, urn die Iris zu reizen, die corticalis ist noch ziemlich ungefiihrlich, und nur der schwellende Linsenkern in tote oder in seinen Sec- toren giebt eine wichtigere Reizursache ab. W~ihrend der gereitteren Jahre gcniesst die Rindensubstanz kei- neswegs mehr dicse Immunitiit und es wird eben des- halb die l)iscision gcgen das Greisenalter hin mehr und mehr ungiinstig, Selbst wenn wir bei iiltern Patienten ~usserst vorsichtig die Kapsel er~iffnet haben, so dass die in den Kammerraum austretenden Fragmente nur eine schmale Basis haben, sehen wir, noeh ehe irgend eine Kernschwellung. eingeleitet ist, nicht selten Reiz-

Page 18: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

175

zust~inde der Iris mit Triibung des Kammerwassers etc. entstehen.

N~ichst dem Alter der Patienten nannte ieh die S t a a r f o r m . Staare, in welchen der corticale Erwei- chungsprozess allm/ilig sich auch in den Kern hinein ent, wiekelt hat, sind fiir die Diseision am giinsfigsten. Die Imbibition hat hier gewissermassen ihr Maximum erreieht und es tritt keiae weitere Ansehwellung ein. Aueh dcr fettige Zerfall der Linsensubstanz ist in diesen Formen so vorgeriickt, class ohne weitere ehemisehe Ver~in- derungen die Emulsionirung und hieran gekniipfte Re- sorbtion tier Linsenpartikeln vor sich gehen kann. Je compakter die Linsensubstanz desto mehr bel~stigt sic dutch Druek die anliegenden Theile. Die Entwickelung yon Fetttrgpfi.hen erfolgt nun erst nachtr/iglich trod ist hiermit eine verh~iltnissm~issig bedeutende Volums- zunahme verkn~ipft. Diese chemischen mid mecha- nischen Vorg/h~ge, welche noeh einer eingehenden Ana- lyse bedih'fen, wirken offenbar als Reizursache. Im Uel)rigen t)esitzen specielle Staarformen auch bei ihrem Zerfallon ihre speeielle Beschaffenheit resp. Gefiihrlieh- keit. Es ist (tie Saehe ,,iner recht vervielfiiltigten Beob- aehtung" sich hieriiber Sieherheit zu versehaffen und die versehiedenen Staaribrmen fiir die Folgen der Diseision zu individualisiren. - -

l)rittens kommt es auf das S t a d i u m des eatarae- ff3sen Prozess(~s an. Im Allgemeinen gilt der Grund- satz, dass die Discision am gefahrlosesten f/ir die iiber- relish, sogenannten riickg'iingigen Staare relativ un- giinstig fiir die noeh unvollkommen naturirten ist. Diese letzten quellen bei der Einwirkung des Kammerwassers erheblieh auf, indem die noeh durehseheinenden Lin- sentheile sieh eataraet~is triiben. Die diekg~ingigen Staaribrmen haben einmal ein geringeres Volumen und besitzen viel mehr als jene die Eigenschatt ohne

Page 19: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

176

erhebliche Wasseraufnahme sich im humor aqueus zu zertheilen. Wir k~irmen uns hiervon selbst bei den com- pakteren Cortiealbr/ickeln einer iiberreifen abgeflaehten senilen Cataract (iberzeugen.

Endlieh fallen die i n d i v i d u e l l e n Verh~i l tn i sse in die Wagschale. Ieh babe Patienten operirt, bei welchen die ersten LinsenpflScke, so klein sic waren; heftige Reaction e?regten, w~ihrend in anderen ganz fihnlichen Cataracten in demselben Alter und bei densel- ben sonstigen Verh~iltnissen eine umfangreiche Discision gut vertragen wurde. MSglich, dass hier uns unbekannte chemische Differenzen der cataractiisen Linsensubstanz sich betheiligen, mSglich abel' auch, dass die Sache auf Unterschieden in der Reizbarkeit der Iris beruht.

Wenn wir iiberhaupt bier nur yon der Linsensub- stanz gesprochen, so haben wit die relative Beschaffen- heit der Linsensubstanz zur Reizempf~inglichkeit der Iris gemeint. Da die letztere mit dem Alter ebenfalls zu- nimmt, so finder bei der mit den Jahren der Patienten steigenden Gef~ihrlichkeit der Discision gewiss eine Zu- sammenwirkung bciderFaktoren Statt. MSglich, dass eine Alterscataract bei einer kindlichen Iris, die so wenig zu Entzllndungen neigt, sich vortrefflich discidiren liesse. Sicher ist die Reizempf~inglichkeit der Iris den weitesten individuellen Schwankungen unterworfen und es w~ire ein Desiderat, f(ir den Grad derselben vor der Discision irgend (% Reagenz zu besitzen. Ich glaube, dass ein recht detaillirtes Studium der mydriatischen Wirkungen hier zu etwas i~dhren wird. Wenigstens kann ich einen vorl~iufigen Wink fiir die Praxis nicht unterdriicken. Je leichter ein Maximum yon Mydriasis dureh Atropin erzengt wird, und j(, l~nger bei einer gewissen Dose dieses Maxi- mum blcibt, desto dreister darf dieDiscision unternommen werden. Parallelversuehe mit verdiinnten Lilsungen des Milreis sind hieriiber lehrreieh. Natilrlich miissen meh-

Page 20: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

177

rcre Instillationen successive gemacht und ein Durchschnitt gezogen werden, damit die gowiihnliehen Fehlerquellen (VerdSnnungdurchThr~inenttiissigkeit, Horauspressen des Mittels etc.) nicht die Schlussfiihigkeit auf'heben. Ich ur- gire hierbei, dass als ZMpunkl dieser Versuche wirklich dos wahre Maximum der Pupille, wobei die Jris auf oinen schmalen Santo reducirt ist und ni('ht eine mittlere Erw~,iterung benutzt werden muss. Eine unvollkommene oder relativ sohwere grweiterbarkoit der Pnpille ist aus zwei Ursachcn prognostisch ung{instig, einmal gelingt es alsdann nicht, wli}mmd dos Zerfallens der Cataract die Boriihrungsp,mkte mit (let Iris, und somit die Reiz- ursache zu vcrringern, zweitens ist et)on an solehen Augen die Reizemi)tRnglicbkeit griisser; es sind des- halb hior Fdr die Discision die gr;Ssst~.n Vorsichten anzu- empfl~hlen.

Es licgt in don eriJrtortcn Versebiedenheiten und - - wit diirfen es dreist sagen - - in tier nach allot Umsicht doch zuriickbleibenden theilweisen Unberechen- barkeit dos Discisionsvevthhrens oin Gegengrund g~gen eine zu weite Ausdehnung desselben. Alle Fach- genossen haben die befi.iodigondsten Rest, Irate der Dis- cision boi Kindern, dann hei .iut~gen Lenten unter ge- wissea Bedit,gungen der Staarconsistenz erhalten, ferner auch b,,i riickg~ngigen kernlosen Staaren aus sptiteren Lebensperiodon. Abet so'hen heim Schichtstaar erwach- sener Individuen (zwischen 20 und 35 Jahren) f.angt das Verfahren an hedenklich zu werd,,n und wird es immer mohr, jo mehr die obongenannten ungiinstig,,n Bedingungen hervortreten. Ich gestelw es often, dass es mir unbegreitlich ist, wie man gliickliche Operations- orfolge erzielen kann, wenn man der Discision eine so weitc Auwendung gestatten will, wie sie ihr unter Anderen yon J a c o b in Dublin eingerilumt worden ist.

Archly fllr Ophthalmolo#e. V . I . 12

Page 21: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

178

Komme ieh nun auf das Faktum zur~ek, yon wel- ehem diese Betraehtungen ausgingen, nSmlieh dass die Gefahr einer Reaktion besonders yon der Zahl der Beri)hrungspunkte zwisehen der Iris und den entbl~$ss- ten Staartheilen abh~ingt, so liegt die Idee sehr nahe, durch eine vorangesehiekte Irideetomie diese Verh/iltnisse yon vorn herein zu verbessern. Ieh hatte mieh w,n der g~nstigen Wirkung der Irideetomie bei den entzi~ndliehen Zuf'~illen, welehe naeh der Discision eimreten, zu oft und zu sehlagend ~'lberzeugt (siehe A. f. O. Bd. IV., 2. p. 149) um nieht ein gutes Vorurtheil f(~r diese Idee mitzu- bringen. Naehdem ich schon frllher oftmals in bedenk- licheren Fiillen eine Pupillenbildung naeh oben der Dis- eision vorangeschiekt, babe ich nun seit l~inger als einem Jahre methodiseh fiber dieses Verfahren experimentirt und stellen sieh die Resultate so, dass ich dasselbe dreist als eine Erweiterung der Discision empfehlen kann.

Ueber die Technik selbst ist wenig zu sagen. Es wird zun~iehst eine bis zur Hornhautgrenze reichende Iridectomie naeh oben, ganz naeh den gew~hnliehen Prinzipien verrichtet. Das Wegfallen einer ieden er- w~ihnenswerthen Entstellung giebt den natiirliehen, be- felts mehrfaeh hervorgehobenen Grund fiir diese Lage des Coloboms ab. Will man, dass der Zweck vollkom- men erreicht werde, n~imlich dass das kilnstliche Colobom gerade nach oben gerichtet sei, so muss man vor dem Einstieh darauf bedacht sein, das Auge nieht durch die Fixirpincette zu rollen, oder, wenn dies doch gesche- hen, die Abweichung in geeigneter Weise zu compen- siren. Es ist ferner darauf zu achten, dass der her- vorgezogene Irislappen genau an d e r Corneagrenze abgesehnitten wird. Das Znriicklassen einiger Irisfetzen in der Wunde bedingt bekanntlieh hiiufig einen kleinen Prolapsus. Unter anderen Verh~iltnissen achten wir auf

Page 22: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

179

einea solchen nicht viel, obwohl er immerhin (,ine etwas l~ingere Reizung des Auges unterh~ilt. Hier at)er hat die Saehe noch einen anderen Naehthei[: Es entstoht n~imlich durch die adh~isive Entzfindung, welehe sich am Prolapsus bildet, leieht eine Zugwirkung auf das anliegende lrisgewebe, welehe zur Folge hat, dass das Centrurn der natiirliehen Pupille etwas nach oben dis- loeirt wird. Eiae solehe Dish)cation start ohne Zweifel das Aussehen etwas und nimmt so dem Verfahren zum Theil seine eosmetische Innocuit~it. Ausserdem wird der gesammte Pupillarraum, den wit zu unseren Zweck~n mSglichst gross haben wollen; etwas verkleinert. We wit die Folgen der Discision besonders fiirehten, muss die Excision umfangreich seill, sonst geniigt ein mittel- grosses Colobom. -- Eirfige Woehen naoh der Iridee- tomie, bei reizbaren Individuen nicht unter 3 Wochen, verrichte ich die Discisio per eorneam. Ioh gehe uu- gef~ihr dem oberen Rat~de der natiirlir Pupille ent- sprechend in das Liusensystem ein, verfahre naeh ,letl gewiihnliehen Regebt de r Diseision.

Die Vortheile des Verfahrons lieg,,n darin: 1) dass die aus der vorderen Corticalis austretenden Linsen- pflScke, selbst wenn die Kapselwunde recht welt ist, viel weniger mit der Iris in Beriihrung kommen ; 2) dass bei einer yon dem Lins~Hkern ausg~,henden Quelhmg, die Iris viel freier zurli,'kweieht; 3) dass wegen der Spaltung des Sphincters ,lb' entziindliche Reizbarkeit der Iris eine geringer,~ ist uad 4) ,lass, wenn Entziin- dungen eintreten, dieselben nicht so leieht eine gef'tlhr- liehe Wendung armehmen~ als ohne Iridectomie. All diese Vortheile knlipfi sich dot natiirliehe Sehluss, dass wit nach vorausg~schiekter h'ideetomie die Discision rnit welt mehr Dreistigkeit d. h. mit grtlsserer Kapsel- wunde vollt~]ihren und doshalb aueh die Resorbti~mszeit bedeutend abkiirzen k(im~en.

Page 23: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

180

Ieh wende reich zu den I n d i e a t i o n e n . Bei Kindern unter 15 Jahren halte ich (]as Verfahren nur ausnahms- weise flir angezeigt, F f r gewiihnlich genligt entweder die lineare Extraction, im Fall vollst~indig geweichter Linse, oder die einfache Diseision im anderen Fall. Die Linsen- s~lbstanz ist, wie oben erw~ihnt, in diesem Alter weich, bel~istigt selbst bei starker Aufquellung das Auge nur wenig, so dass die Nachtheile der Discision nicht in die Wagschale fallen. Dagegen kommt das Verfahrea auch innerhalb dieses Alters zurSpraehe, wenn die Pupille ungewShnlich eng und dureh Mydriatica unvollkommen erweiterbar isG wie es sich in manchen F~illen ange- borner Cataract ereignet. Ich besinne reich, vier Kin- deraugen, an denen ieh des genannten Umstandes wegen die einfache Discision f~irchtcte, sehr gliicklich nach vor- ausgeschickter Irideetomie aaeh oben operirt zu haben.

Naeh dem 15. Lebensiahr kommt das Verfahren bereits filr solche Staars zur Sprache, deren Re- sorbfion langsam vor sich geht und auch relativ gef$ihr- lich ist. Hierzu rechne ich vor alien den Schichtstaar, dessen Beseitigung immer die ~iusserste Vorsieht er- tordert und Kit gew(ihnlich einea wahrhaft ermiidenden Zeitraum in Anspruch nimmt. Letzterer ist wenigstens um die H~lti'e abzukiirzen und yon seinen Gefahren zum gdissten Theil zu entbinden, wenn man in der angegebenen Weise verf~ihrt. Ich habe das 15. Jahr bier als Grenze gesetzt, um eine un~gefiihre Norm zu geben. Der Terrain wird sich aasdehnen, wean man yon der Reizbarkeit der Iris wenig zu F6rchten hat, d.h. bei leicht und lang erweiterbarer Pupille, er mag sich verklirzen, wenn das Gegentheil stattfindet. Ebenso mag derselbe variiren, je nachdem uns der Bau der cataractSsen Linsenchicht mehr Fdr weiche odor z~he Be- schaffenheit der Linse spricht. Ist diese Schieht amorph, so kiinnen wit a]lerdings keinen Schtuss machen, und

Page 24: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

181

mfissen unsere Annahmen lediglich auf das Alter ba- sirea, enth~ilt sie abet, wie es vorkommt, Strcifen, so deuten wieder breite Streifen auf Neigung zur Er- weichung, schmale auf Z~ihigkeit des Linsensyst~ms. Endlich k~hmen auch die Verh~iltnisse des Kranken auf die Bestimmung influircn. J~ wiinschenswerther eine Beschleunigung der Heilung, desto eher enischliesst man sich eine Pupille nach oben voratlszus('hicken und dann die Kapsel durch einen dreisten Kreuzschnitt zu er(iffncn. Niemals soil man sich durch den Drang nach einer Beschleunigung verleiten lassen, ohne voran- geschickte Iridectomie den Schichtstaar bei Individuen ienseits 15--20 Jahren in einer ausgiebigen Weise an-

O

zugreii'cn und um so weniger, .ie ~ilWr die Individuen. Man muss vielmehr stets durch eine iiusserst vorsichtige gewissermaassen probirende Operation erst feststellen, wie sich das Auge gegen die aufquellende Linsensub- stanz verh~ilt. Ich muss gcstehen, dass, seitdem ich bcim Schichtstaar der Erwachsenen eine Iridectomic uach oben der Discision vorausschicke, mir die ganze Bcs(,itiguug dieser f~ir die, Chirurgie h/~chst intrikaten Staarform welt weniger Bedenken einfiSsst.*)

Auch t~ir die andcrca Staarformen bei Individuen zwischen 15 und 40 Jahrcn, wr~lche sich nicht f'dr die lincare Extraction cigncn, ist das ,',rwfihnte Verfahren meine Lieblingsmc'thode geworden. Itandelt es sich um Fiille riickg~ingiger Cataract, wo yon dcr Imbibition der Linsensubstanz nichts mehr zu fiirchten, iiberhaupt das Linscnvolumen schon reducirt ist, in denen

*) Bei dieser Gelegenhoit bemerke ich, da ich mehrfach yon Fachgenosson interpellirt worden bin, dass racine Ansichten fiber die Zuliissigkeit der einfachen Pupillenbi[dung f'dr k l e In e Schicht- staare ganz unvcrKndort gebliebon. Ieh thue, wenn die trilbo Schicht 2--2~ "~ nicht oxcodirt, nichts Andores und bin mit don Erfolgen nach wie vor zufrieden.

Page 25: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

182

fernor sieh di(, Pupille l,q(`ht bis auf einen schmalen Irissaum (,rweitert, so bedar[ es natiirlich der Iridee- tomie nicht. Fiir alle anderen Fiille wird durch dies(,Ibe der Erfolg d(,r Discision 1)eschleunigt und gesichert.

Ist d,~r Pupillarraum dutch vordere Synechien er- het)li(.h verkleinert, so daft ebenfalls, s(,lbst bei Kindern, die Discision nicht ohne vorangesehiekte Irideetomie genlaeht werden. Oh man hier die Erweiterung nach oben odor nach einer anderen Seite vornimmt, miissen stets di(, n~iheren Verh~iltnisse entseheiden. Desgleichen wenn boi Vorhandensein hinterer Syn(,chi(`n dutch Disci- sion eingeschritten werden soil, ein Fall, d('r si(.h nament- lich bei unreifer Cataraeta traumatiea h/iufig ereignet.

Schliesslich no(`h einige Worte i~(,r die Anwendung des Verfahrens b(,i Alterseataracten. Wenn ich ilber- haupt die Resorbtion der kernhaltigen Staare bei alten Leuten filr ~iusserst langwierig und bedenklich halt(', soi~rn sich hei der coml)acten Linsensubstanz und der grossen Reizempi~inglichkeit (let Iris leicht Iritis ent- wickelt, so trifft dieses Urtheil auch das in Red(` ste- hondo Verfahren. Trotz des Vortheils, don die voraus- g(,schickt(, lridectomio bietet, miiss(`n wit, um die Ge- fahrell zu vermeide.n, (lie Kapsel vorsiehfig er~ffnen und s(,lbst dutch dia kleinen Cataractpfliicke, die alsdann attstreten, sehen wit sub('onjunctivale Riilhungen, Trii- bung des Kammerwassers mit Prallheit des Bulbus etc. eintreten. Es kann nach mein(`n Beobachtung(`n nicht die Redo davon s(,in, in irg(,nd einer allgemeinen Weise das V(,rfahren der Lappenextraetion zu substituiren. Nut we die Contraindieationen der Extraction sieh s,, anh~iufen, dass die Chan('(`n in einer ~,anz ungew;3hnlichen W(,ise sirlke., mag man, wie ira dcr Reklination, so aueh in dem fi'agli('h~n V,,rf'ahr(,n (,inch A usw(,g suehen ; l(,tzteres .i,'doch u.r , so la~ge die Coh~ironz des Staars g(,wisse Grenzen nieht (ib(,rschreitet.

Page 26: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

183

Allgemeil~er Marasnms mit Atrophie der Hautdeeken, setzt die Cimneen der Lappenextraetion bis aut 4 : 1, allenthlls Iris auf 3 : 1 herab. Ungi'mstiger ki~nnen wir die- selbelt auf Grand des Marasiilll.s von vorll herein nieht stellen und ieh wiirde alsd;mll immer lloch die Lappen- extraction dem ange|'dhrtell Vcrtabren vorzieben, besou- ders welm 2 operable Aug(m vorhandcn sind, was ieh u n - ter solehen Verhiilmissen gem al)warte. Die Behauptung, (lass bei elmer gleichzeitig auf I)eidct~ Seiten verriehteten Lappenextraetion ein doppelseitiger Ungli'mksihll (dutch Suppuration den Lappeus oder eitrige h' i t is)nieht eiu- tritt, is( freilieh bei einer geh(irigen Vervielt,iitigung der Versuehe uicht stiehhaltig. Ailerdings disponirt die Suppura- tion einer Cort~ea nael~ Lappenextractio~ llieht in sympa- thischer Weise zu einer gieichzeitigen Suppuration der an- deren, aber sic sehliesst dieselbe keineswegs aus. Es sche~nt naeh mei~t~r bisherigen Zusammenstrilung, dass bei einer doppelseitigen Extraction die guten Chm~ce~, diejedes Auge Fdr sieh bietet, sieh mlget)ihr so multiplieireu, aim wetm ein Auge au{" des audere keinex~ Eiultuss iibte. Diese That- sache bleibt imtnerhitt au~hllend, da wir erwarten miiss- ten, dass ein allgemeiner Marasmus seiaen delet3ren Einfluss in der i'tberwiegenden Anzahl der F~ille, wenn iiberhaupt, so auf bci(lc Augen erstreckt. IIicrnaeh hat man scibst unter dell obetlgedaehten Verhiiltlfisseu bci einer doppel- seitigen Extraction i,nmer noch milLdestens 15 gegeti ] Chalme, (lass Patient. sehcnd wird, eine Chance, die ieh dem fraglichen Diseisiottsv,rthhrel~ um so mehr vorziehe, als (ler Erlblg des letztereli bei dem ohl~e- bin hohen Alter der I'atientetl noch Imlge "mr sieh warren I~isst, als t'ertler die I)iseision im F'dl eines ungiinstigen Verlautg durch immre EIltzihldung, scblcchte Niiehte etc., das A[lgcmeinbefillden viel mehr angreit~ als die miter Cataplasmen meist rasch verlauihnde Suppuratio corneae. Sell)st die anha[teuden Eintriiuli,iungen yon Atropin sittd Ffir den Zustaltd des Nervtmsyst.ems bei sehr allen Leuten zu berlieksichtigen. Des Mittel driugt bekamltlieh dureh (lie Thriinenpunkte tin, und bedingt bei langer Fort- setzung mid h~iufiger Application entsehiedcne Allgemein- stiirungen.

Page 27: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

184

Es miissen hiernach noch andere unglinstige Bedinguu- gen aura allgemeinen Marasmus hinzutreten, um die Chan- cen des frag]ichen Verfahrens fiber die dcr Extraction zu heben. Zu solchen geh~irt, neben dem chronischen Bron- ehialcatarrh Unvertr~igliehkeit gegen das Liegen, Dysurie, gemiithliehe Unruhe etc. ein entschiedener Marasmus dec hugen sclbst, f'dr welchen wir besonders dann Zeichen besitzen, wenn schon ein Auge dureh Extraction operirt war. So giebt es z. B. Augen, deren Cornea nach ein- ihchem Abfluss des Kammerwassers sich faltig zusam- menzieht~ so dass der Diameter sieh wesentlieh verklei- heft. W~ihrend der leichtere Collapsus corneae, den man nach der Extraction nicht se|ten beobachtet, besonders yon relativ ungenilgender Wirkung der Augenmuskeln (atrophiseher oder fbttiger Degeneration) abhiingt, zeigt ein solches Zusammenschrumpfen tier Cornea immerhin eine sehr debile Erniihrung an und sah ich solche hugen mehrmals, ohne irgend welcheu Schmerz, sogar bet sehr geringer Sensibilitiit*) vereitern. Unler solchen Ums6inden werden wir, wenn eine Lappenextraction bereits ungiln- stig abgelaufeu, allerdings flit das zwelte kuge gem zu einem anderen Verfahren fllichten.

Ich hebe hier wiederum folgende Momente hervor:

l) die Erweiterbarkeit dec Pupille; wenn sich die

Iris schnell und fiir lilngere Zeit nach Atropin-Eintrilu- felungen zu einem schmalen peripheren Saume zuHick-

zieht, so ist die Gefahr dec Iritis verhiiltnissm~issig ge-

ring und ich bin relativ giinstiger ffir das Verfahren

gestimmt.

2) muss das Volumen der Cataract wo mSglich

seine Hiihe ilberschritten haben. Wi rhaben sehon oben

angefiihrt, dass danu selbst eompactere Staarpfl5eke

weir weniger reizend einwirken, als vorher.

3) muss die Cortiealis entweder welch, oder wio

sie es h~ufig naeh friih~,rer Erweiehung dureh Wasser -

*) Ich gesteho often, dass ich bet so marastischon Augen es sogar lieber sehe, dass die Patienten am Tago der Operation einigen Wundschmorz hussern, als dass derselbe gg.nzlich fehlt.

Page 28: Ueber zwei Modificationen der Staar-Operation

185

verlust wird, brgJeklieh sein. Ganz ausnahmsweise habe ich die Operation allerdings auch bet bl~ittrig cohilrenter Corticalis ausgefi'lhrt; jedenfalls muss unter diesem Um- stande die Linse bereiis einen abgeflaehten Teller dar- stellen und der scleromatiise Kern nicht zu gross sein (widrigenfalls ich selbst tier Reclination den Vorzuggebe).

Treten nach dem beschriebenen Verfahren Zufiille ein, so liegt immer noch in der einfachen oder mit einer zweiten Iridectomie nach aussen verbundenen Linear- Extraction eine Zuflucht, welche wir leider nach der Reclination, so wie einmal exsudative Entzilndung der inneren Membranen ausgesprochen, entbehren.

l~erlin, D r u c k yon W. B t i x e n s t e i n