18
Weltklasse! Weisse 1996 Burgunder 15 Für alle, die mehr über Wein wissen wollen www.weinwisser.com 22. Februar N° 2/2010 Kultwein! Luddite Shiraz 2000–2007 15 Teufelskerle! Die Entdeckung der Domaine des Enfants 9 sr. – Die beiden Rotweine «Les Paradetes» und «La Llopetera» des charismatischen Joan Ramón Escoda waren zwei weitere Highlights auf dem an Höhe- punkten reichen Harvest Festival von Terroir al Lí- mit in Torroja del Priorat. Eben Sadie hatte Joan, des- sen erster Jahrgang 2003 war, als «einen der besten und verrücktesten Winzer Spaniens» vorgestellt: «Einfach unglaublich, was er macht!» Das bezog er sowohl auf die tipptopp gepflegten, biodynamisch kultivierten Weinberge (die Biodynamik ist bei Joan selbstverständlicher Teil des Lebens, keine reine An- baumethode) als auch auf die hoch und kühl ge- wachsenen Weine der Tarragona-D.O. Conca del Barberà. Und so waren sie dann auch: unglaublich feingliedrig und – bei aller reifen Fülle – sogar leichtfüssig. Als wir Joan wenige Wochen danach auf der Weinparty von Viniculture in Berlin wiedertra- fen, hatte er zwei weitere Weine dabei: einen furios individuellen Naturwein-Chenin-Blanc sowie eine Dionysos zu Gast im Priorat: Von der genialen Terroir al Límit Harvest Party mit Eben Sadie (oben links), Dominik Huber (links Mitte), Joan Ramón Escoda (links un- ten, Mitte) und vielen anderen berichten André Dominé und Stephan Reinhardt «Unglaublich!» Joan Ramón Escoda und seine grossen Natur- weine aus Conca del Barberà Der Rausch von Torroja Wer grosse Weine erzeugen will, muss wissen, wie grosse Weine schmecken. Dominik Huber und Eben Sa- die, die beiden charismatischen Artisten von Terroir al Límit im Priorat, lassen daher für gewöhnlich nichts aus, was aussergewöhnlich ist. Zur Premiere ihrer phä- nomenalen 2007er Rotweine luden die beiden – Münch- ner der eine, Südafrikaner der andere, Spanier beide (irgendwie) – Ende Oktober zur ersten «Terroir al Límit Open Air Harvest Party» hoch auf den Berg ins kleine Torroja del Priorat. Das ganze Dorf war gekom- men, noch dazu weit mehr als 200 Gäste aus ganz Europa: Freunde, Winzer, Weinhändler, Gastronomen, Freaks … Sie alle erlebten – in einer Atmosphäre, die uns irgendwie globalisie- rungsgegnerisch vorkam, ob- gleich sie völlig friedlich war – einen grandiosen spanischen Abend mit einem dionysischen, nun ja, Gelage, das selbst die al- ten Griechen und Römer die Traumnote zehn hätte ziehen lassen. Sozusagen zur Einstim- mung versammelten sich in der Nacht zuvor die ersten Gäste um den grossen Eichentisch im Kelterhaus, das anderntags Kü- che, Wohnzimmer und Dance-

«Unglaublich!» Der Rausch von Torroja 2010-02 ID.pdf · Weltklasse! Weisse 1996 Burgunder 15 22. Februar N° 2/2010 Für alle, die mehr über Wein wissen wollen Kultwein! Luddite

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

  • Weltklasse!Weisse 1996 Burgunder 15

    Für alle, die mehr über Wein wissen wollen www.weinwisser.com22. Februar N° 2/2010

    Kultwein!Luddite Shiraz 2000–2007 15

    Teufelskerle!Die Entdeckung der Domaine des Enfants 9

    sr. – Die beiden Rotweine «Les Paradetes» und «La Llopetera» des charismatischen Joan Ramón Escoda waren zwei weitere Highlights auf dem an Höhe-punkten reichen Harvest Festival von Terroir al Lí-mit in Torroja del Priorat. Eben Sadie hatte Joan, des-sen erster Jahrgang 2003 war, als «einen der besten und verrücktesten Winzer Spaniens» vorgestellt: «Einfach unglaublich, was er macht!» Das bezog er sowohl auf die tipptopp gepflegten, biodynamisch kultivierten Weinberge (die Biodynamik ist bei Joan selbstverständlicher Teil des Lebens, keine reine An-baumethode) als auch auf die hoch und kühl ge-wachsenen Weine der Tarragona-D.O. Conca del Barberà. Und so waren sie dann auch: unglaublich feingliedrig und – bei aller reifen Fülle – sogar leichtfüssig. Als wir Joan wenige Wochen danach auf der Weinparty von Viniculture in Berlin wiedertra-fen, hatte er zwei weitere Weine dabei: einen furios individuellen Naturwein-Chenin-Blanc sowie eine

    Dionysos zu Gast im Priorat: Von der genialen Terroir al Límit Harvest Party mit Eben Sadie (oben links), Dominik Huber (links Mitte), Joan Ramón Escoda (links un-ten, Mitte) und vielen anderen berichten André Dominé und Stephan Reinhardt

    «Unglaublich!»Joan Ramón Escoda und seine grossen Natur-weine aus Conca del Barberà

    Der Rausch von TorrojaWer grosse Weine erzeugen will, muss wissen, wie grosse Weine schmecken. Dominik Huber und Eben Sa-die, die beiden charismatischen Artisten von Terroir al Límit im Priorat, lassen daher für gewöhnlich nichts aus, was aussergewöhnlich ist. Zur Premiere ihrer phä-nomenalen 2007er Rotweine luden die beiden – Münch-ner der eine, Südafrikaner der andere, Spanier beide (irgendwie) – Ende Oktober zur ersten «Terroir al Límit Open Air Harvest Party» hoch auf den Berg ins kleine Torroja del Priorat.

    Das ganze Dorf war gekom-men, noch dazu weit mehr als 200 Gäste aus ganz Europa: Freunde, Winzer, Weinhändler, Gastronomen, Freaks … Sie alle erlebten – in einer Atmosphäre, die uns irgendwie globalisie-rungsgegnerisch vorkam, ob-gleich sie völlig friedlich war – einen grandiosen spanischen

    Abend mit einem dionysischen, nun ja, Gelage, das selbst die al-ten Griechen und Römer die Traumnote zehn hätte ziehen lassen. Sozusagen zur Einstim-mung versammelten sich in der Nacht zuvor die ersten Gäste um den grossen Eichentisch im Kelterhaus, das anderntags Kü-che, Wohnzimmer und Dance-

  • 2W E I N W I S S E R N° 2/2010

    RAuSCH vON TORROJAESCODA-SANAHuJA

    spanische Soul-Version des Pomerol-Aristokraten Château Lafleur. Wer grosse, lebendige Weine reue-los, noch dazu zu Spottpreisen, trinken will, kommt an Joan Ramón Escoda nicht vorbei.

    2005 Coll del Sabater Conca del Barberà D.O., Esco-da-Sanahuja: 50 % Cabernet Franc, 50 % Merlot, 15 Monate Barriqueausbau. Verhaltene Nase, würzige, reife, fleischige Kirschfrucht. Enorm fruchtintensiver und dabei feiner Gaumen mit reifer Kirsch- und Maulbeerfrucht und unerwarteter Frische, wohltu-end unsüss, die geschmeidigen, ins pure Frucht-fleisch eingebetteten Traubentannine sorgen für eine sanfte Eleganz, während ihn der kalkmineralische Säurenerv fast burgundisch anmuten lässt. (15,50 EUR) 17/20 trinken –2018

    2006 Les Paradetes Conca del Barberà D.O., Escoda- Sanahuja: 50 % Grenache, 25 % Carignan und 25 % Sumoll, eine alteingesessene Sorte der Region. Dich-tes Purpur. Direkte, intensive Fruchtaromen aus dem wild- und rotbeerigen Bereich. Die anfängliche Re-duktion verfliegt schnell, spätestens beim Dekantie-ren. Am Gaumen kraftvoll, intensiv und mit un-glaublicher Finesse, die den süssen, mit hoher Fruchtreife, Tee- und Tabaknoten ausgestatteten Wein nicht nur frisch, sondern auch leichtfüssig, ja beinahe schwerelos erscheinen lässt. Erstklassig fei-ne Tanninqualität. Durch die 500 Meter hoch gelege-ne Nordlage und die damit verbundene längere Rei-fezeit und Aromenkonservierung ist dieser grosse Rotwein eher kontinental als mediterran geprägt. (16,40 EUR für den 2005er bei wein-kreis.de) 19/20 trinken –2018

    2006 La Llopetera Conca del Barberà D.O., Escoda-Sanahuja: Sortenreiner Pinot Noir vom stark kalkhal-tigen Sandboden in 750 Meter Höhe. Leuchtend dunkles Purpurgranat. Offenes, warmes, würziges und sehr tiefgründiges Fruchtbouquet mit zartem Rauch, absolut pure Kirsch- und Backpflaumenaro-men sowie Schwarzteenoten, insgesamt sehr fein und elegant. Fülliger, enorm generöser und offener Gaumen mit wiederum bestechend purer, konzen- trierter Kirsch- und Pflaumennote wie von Omas Blechstreuselkuchen, zeigt eine wunderbare Finesse mit langem Nachhall. Ein sehr komplexer und kraft-voller spanischer Pinot mit reicher Frucht, viel Aus-druck und Potenzial. (17,50 EUR) 18/20 trinken –2016

    2008 Els Bassots Conca del Barberà D.O., Escoda-Sanahuja: Chenin Blanc der Spitzenklasse aus einer kühlen, 500 Meter hoch gelegenen Nordlage mit kalkhaltigen Lehmböden, die für sehr konzentrierte Weine sorgen. Joan liess seinen kaum geschwefelten, daher apricotfarbenen, leicht trüben, da unfiltriert gefüllten Chenin zwei Wochen auf der Maische ste-hen, womit ihm eine fast rotweinartige Struktur mit reifer Säure zu eigen geworden ist. Sehr pure, über-haupt nicht vordergründige, aber abgrundtiefe Frucht mit deutlich mineralischem Fundament, reif, saftig und würzig, absolut faszinierend! Elegant und geschmeidig am Gaumen ohne die für vergleichbare Chenin Blancs von der Loire (Clos de la Coulée de Serrant etc.) übliche Wucht, dafür aber mit salzig-mi-neralischer Finesse und unerhörtem Charme. Puris-mus in seiner schönsten Form, ein grosser Naturwein nicht für Frucht-, sondern Terroirtrinker. (15,50 EUR) 18/20 trinken –2015Bezugsquellen: D: viniculture.de, wein-kreis.de; CH: lavinia.com

    floor zugleich werden sollte. Für den WeinWisser mit am Tisch sass André Dominé, der sich in den folgenden Stunden usurpierend zum «Winetermi-nator» wandeln sollte. Andern-tags – am Tage der grossen Sau-se – übernahm Stephan Rein-hardt die Rolle des Terminators, während André Dominé die Konversation pflegte und dabei die ersten WeinWisser-Abos in Spanien absetzte. Mehr und mehr entwickeln wir uns also zu einem europäischen Wein-Newsletter. Doch nun zur Sache zu den Weinen.

    André Dominé (links) mit Waldo R. Bartolomé, Besitzer des Hotels Cal, Llop in Gratallops/Priorato

    Being «Der Wineterminator»

    adé. – Eine Vielzahl von klei-nen Windlichtern wies darauf hin, dass an diesem Abend des 18. Oktober etwas Besonderes im Keller von Terroir Al Límit zu Füssen des Dorfes Torroja-del-Priorat passieren würde. Durch die eiserne Kellertür tauchte ich ein, wurde von Do-minik Huber und Eben Sadie, den beiden Winzern des acht Hektar grossen Guts, herzlich begrüsst und schaute mir er-staunt die grossen, breiten und niedrigen Plastikbehälter an, in denen ihre Trauben des Jahr-gangs 2009 vergärten. Bald ka-men die Gäste, nur eine kleine Gruppe von Leuten, denn der lange Tisch in der Kellerei bot nicht mehr als 16 Weinfreun-den und Mithelfern Platz. Si-cher war Victor de la Serna, ein Urgestein der spanischen Wein- und Gastrokritik und zugleich Winzer auf Finca Sandoval, der hochkarätigste Gast. Mit ihm kam Marie-Louise Banyols, Chefeinkäuferin der internatio-nalen Weinladenkette Lavinia. Joan Valencia, mit «Cuvée 3000» Weinhändler in Barcelo-na, sorgte – bis auf wenige

    Ausnahmen – für die Weine des Abends, die alle teilneh-menden Freunde völlig perplex liessen.

    Den Auftakt machte ein wunderbar ausgewogener Bil-lecart-Salmon Champagne 2004 (17/20) mit feinsten Röstnoten und bereitete den Gaumen auf einen der Höhepunkte des Abends vor, den Krug Cham-pagne Brut 1995 (20/20) mit sei-ner sensationellen Finesse und Würze und der hinreissend eleganten Säure. Eben Sadie schenkte dann eine Magnum Matassa Blanc 2006 (18/20) von seinem Freund Tom Lubbe aus Calce/Roussillon ein, der mit Mineralität und Frische, Rundheit und Länge alle be-geisterte. Es schloss sich eine erste Verkostung der 2007er Weine von Terroir al Límit an, die Stephan Reinhardt nach-folgend beschreibt.

    Der Abend hob in Richtung Weinhimmel mit dem Bize Le-roy Aligoté 2003 (16/20) ab, der trotz gewisser Südlichkeit durch feine Würze, gute Frische und Länge gefiel. Der anschliessen-de 1995 Bonneau de Martray Corton Charlemagne (17/20) zeigte sich sehr entwickelt mit eher schweren Aromen, doch präsentierte er viel Volumen, Länge und Tiefgang.

    Der Farbwechsel erfolgte mit dem unglaublich verfüh-rerischen, balsamischen 2006 Richebourg von Lucien Le Moi-ne (19/20), dem sogleich der sehr komplexe, spannende und erdige 2006 Vosne-Roma-née Beaumont von Leroy (19/20) folgte. Joan Valencia stellte dann einen 2003 Clos de la Ro-che von der Domaine Leroy (17/20) auf den Tisch, der so ungewöhnlich wie sein Jahr-gang mundete: sehr intensiv, reif und süss, mit tollem Volu-men, aber unterschwellig grü-nen Noten. Sehr reif, voll und balsamisch hingegen der Leroy Romanée-St.Vivant 2005 (19/20):

  • 3W E I N W I S S E R N° 2/2010

    RAuSCH vON TORROJA

    Die 1. Wahlfür Ihren Wein

    riedel.com

    noch verschlossen und straff, aber mit dichter, mineralischer Textur und viel Potenzial. Al-lerdings konnte ihn der 2002 Romanée-St.Vivant der Domai-ne de la Romanée Conti (20/20) doch noch in den Schatten stellen – mit einem unglaub-lich raffinierten Bouquet von verwelkten Rosen und Laub, am Gaumen mit fester, fri-scher, mineralischer Struktur: anregend, zugleich aber mit superbem Potenzial.

    Ein Intermezzo brachte Bru-no Giacosas Le Rocche del Fal-letto 2001 (19/20) auf den Tisch: herrlicher Duft verblühter Ro-sen, am Gaumen mineralisch, vibrierend und mit sensationel-ler Finesse. Dann zeigte Gérard Gaubys Muntada 2000 (19/20), welch enorme Kraft, Lebendig-keit und Länge sie besitzt, welch komplexe Aromen von Laub, Gewürzen und Garrigue.

    Nach dem enttäuschenden 1998 Musigny von Comte de Vo-güé (o. W.) endete José Valen-cias burgundisches Feuerwerk zum Käse mit einem doppel-ten Höhepunkt: dem einfach genialen, höchst minerali-schen und spannungsreichen 2001 Chevalier-Montrachet der Domaine Leflaive (20/20), ge-folgt vom immer noch mine-ralbetonten, sehr nussigen, ge-rösteten 1985er (19/20) mit sei-ner feinen Frische.

    Das Finale des Abends be-scherte Jean-Louis Chaves' Hermitage Blanc 1999 (19/20), ein dichter, mineralischer, enorm voller Kraftbolzen, der erst am Anfang seiner Karrie-re steht. Der Château-Chalon 1945 des unbekannten Erzeu-gers Bichaud-Girot war trotz des Alters käsig und banal, dagegen Jean Macles 1978er (19/20) ein Traum an Komple-xität: Aromen von Nuss, Jod,

    Gewürzen und Rauch, dazu ein Kalkkellerduft. Mit diesem konnte der sehr alte Amontil-lado Cabriola D.O. Montilla-Mo-riles der Bodegas Moreno (o. W.) aufgrund seiner extrem hohen volatilen Säure nicht mithalten.

    Ein sensationeller und un-vergesslicher Abend, auch wenn wir bedauerten, dass die Weine nicht mit der eigentlich notwendigen Sorgfalt vorberei-tet werden konnten. Gracias José, Eben und Dominik!

    Eben Sadie, Joan Ramón Escoda

    Torroja Harvest Party: The Spanish Way of Life

    sr. – Niemand weiss, wie vie-le Weine an jenem Tag im Okto-ber geleert wurden, aber jeder weiss, dass es ausnahmslos grosse Weine waren. Welche Party bietet das schon? Die ver-fügbaren Mengen des Terroir-al-Límit-Jahrgangs 2007 sind je-denfalls erheblich reduziert worden, weswegen Eben Sadie und Dominik Huber irgend-wann an ihre gebunkerten Ma-gnums älterer Jahrgänge muss-ten. Und weit nach Mitternacht wurde dann zu groovigen Rhythmen auch noch der 2008er vom grossen Holzfass direkt in die Gläser gezogen. Und dann waren da ja auch noch die an-deren Winzer, welche das Fest mit feinen Tropfen ölten: Joan Ramón Escoda, das «Trio Infer-nal» sowie last but not least Joa-chim Christ von der Domaine de l'Horizon in Calce/Roussil-lon, dessen spät entkorkte 2008er Weissweine den Ärms-ten zum «Sexiest Man of the Night» werden liessen. Jeden-falls so lange, bis er zu Bett und der Wein zur Neige gegangen war.

    In der Menge feiernder und zechender Anhänger des Dio-nysos hatte WeinWisser Ste-phan Reinhard die Rolle Ap-polls übernommen. Mit klarem

  • 4W E I N W I S S E R N° 2/2010

    RAuSCH vON TORROJA

    Kopf und kühlem Verstand brachte er inmitten der tanzen-den Bacchanten und Bacchan-tinnen die Weine des Abends zu Papier.

    Terroir al Límit, Torroja del Priorat

    Wir hatten bereits die 2006er des deutsch-südafrikanischen Spanienprojekts vorgestellt, in-klusive detaillierter Lage- und Vinifikationsbeschreibungen (vgl. WW 6/2009). Nun haben Dominik Huber und Eben Sa-die den nächsten Jahrgang prä-sentiert. Und die 2007er sind derart fulminant, dass wir Ter-roir al Límit fortan zu den interessantesten, spannendsten und besten Rotweinerzeugern nicht nur im Priorat, sondern in ganz Katalonien, Franzö-sisch-Katalonien mit inbegrif-fen, zählen. Hier entstehen al-lein aus den autochthonen Reb-sorten Carinyena und Garnat-xa tiefgründig mineralische Weine, von denen ein jeder sein jeweils einzigartiges Terroir wi-derspiegelt. «Der 2007er ist der beste Jahrgang, den das Priora-to je erlebt hat», findet Eben, der sich längst auch durch die historischen Bestände der Re-gion getrunken hat. «Weniger Alkohol als üblich, stabile Säu-ren, viel mehr frische Frucht-aromen als sonst – ein grosses Jahr für terroirbetonte Weine. In warmen Jahren überpowert die Zuckersüsse und Frucht-konzentration das Terroir meis-tens. Dieses Mal aber strahlt es hindurch.»

    Man mag uns ankreiden,

    dass weder Abossar (19/20) noch Les Manyes (20/20) typi-sche Prioratweine seien, da viel zu fein, frisch und transparent. Wer aber sagt, dass Prioratwei-ne so monströs und süss sein müssen, wie die allermeisten auftreten? Zumal, wenn sie, wie

    Les Manyes, aus Höhenlagen von über 600 Metern kommen.

    2007 Torroja Vi de Poble: Kräftiges Purpur. Frische rote und dunkle Waldbeeren, etwas Hefe, mit schöner Reife und Tiefe. Seidiger Gaumen, inten-sive Kirschfrucht mit feiner Säure und herber Süsse, trin-kig, frisch, besitzt eine feine Schiefermineralität. (45 CHF) 17+/20 2011–2017

    2007 Arbossar: Mittleres Purpur mit bläulichen Refle-xen. Wundervolle Burgunder-nase, sehr feine und klare Kirsch- und Rotbeeraromen mit genialer Schieferwürze. Am Gaumen ein in Seide ge-hüllter Traum, konzentrierte, aber herrlich feine Frucht mit unglaublicher Intensität, feins-te Säure, vibrierende Schiefer-platten. Ein ganz grosser, sa-genhaft frischer und eleganter Wein, überaus nachhaltig und mit dem «Les Manyes» der feinste je aus dem Priorat ver-kostete Wein. (65 EUR; 75 CHF) 19/20 2012–2020

    2007 Dits del Terra: Klares dunkles Kirschrot. Warme Fruchtintensität, gebackene Kirschen, süss und konzent-riert, typisch Priorat. Fülliger Gaumen mit viel süssem Fruchtfleisch und erfrischend mineralischer Säurestruktur, präsentes, den mächtigen Kör-per stützendes Tannin, intensi-ver und nachhaltiger Gaumen mit feiner Schieferwürze im Abgang, zieht passenderweise noch etwas zusammen, wird aber immer ein sinnlich-wuch-tiger Wein sein. Wer ihn zügi-ger trinken will, sollte acht oder mehr Jahre auf ihn warten können. (65 EUR; 75 CHF) 18/20 2014–2022

    2007 Les Manyes: Leuchten-des Granatrot mittlerer bis hel-lerer Tönung. Hochfeine und doch intensive rote Beerenaro-men mit feiner rauchiger Ter-roirwürze, delikat und frisch, hochfein und verführerisch, macht in Robe und Duft auf Côte d'Or Grand Cru. Im Gau-men von unglaublicher Intensi-tät und Feinheit, rote Beeren, extrem feingliedrig und fines-sig in seiner Seidigkeit, die fei-ne rote Frucht hält sich ewig, wiegt nie schwer, wird immer von einer klaren und feinen

    sr. – Marketing ist nicht das, was einen Mann wie Bruno Duchêne interessiert; die erzeugte Weinmen-ge ist ohnehin klein und schneller abverkauft als neu gewachsen, und auch in Banyuls gibt es schöne Frauen, die Brunos Aufmerksamkeit weit mehr ver-dienen als die Ausstattung seiner Weine. Das Etikett mit dem Banyuls-blauen Himmel und dem mit Spielzeug und Sonnenschirmen übersäten Sand-strand spiegelt das fröhliche Lebensgefühl der Men-schen in und um Banyuls wider, und auch dieses Of-fene, Fröhliche, Lässige findet man in den Weinen von Bruno Duchêne. Diese protzen nicht, sondern man trinkt sie einfach. Und das mit dem allergröss-ten Vergnügen. Die Kellerei ist ebenso schlicht, eher handelt es sich dabei um eine Garagen-Winery. 2002 gegründet, bewirtschaftet Bruno Duchêne heute vier Hektar Reben und erzeugt auf den Schieferböden in-nerhalb der Collioure AC etwa 12 000 Flaschen Wein jährlich. Sie tragen jeweils den Namen ihrer Parzel-le, sind also allesamt Crus – 1er und Grands Crus, wenn wir das festlegen dürften. Der Weisse Vall

    Die hochfeinen Weine des Bruno Duchêne, BanyulsAuf Facebook schrieb mir jemand, seine Wein-ausstattung gleiche der einer Sonnenmilch. Er hätte aber auch Langnese-Eis sagen können. In der Tat könnte man angesichts der bunten Bildchen mit viel sommerlichem Blau, Gelb und Rot dazu neigen, die Weine des vergnüg-ten Lebemannes Bruno Duchêne zu unter-schätzen. Jedoch spiegelt die unprätentiöse Art der Ausstattung den Charakter sowohl der Weine wie auch ihres Winzers. Wer sich psy-chologisch nicht beeinflussen lassen möchte oder Naives mit Profanem zu verwechseln neigt, sollte sie besser dekantieren. Oder gleich in eine leer getrunkene Flasche Roma-née-Conti umfüllen.

  • 5W E I N W I S S E R N° 2/2010

    BRuNO DuCHêNE RAuSCH vON TORROJA

    Pfingstweidstrasse 6, CH-8005 ZürichTel. 043 44 44 800, Fax 043 44 44 840

    Nächste Auktion: 13. März

    Der Katalog ist zehn Tage vor der Auktion auf der Homepage abrufbar.

    Mail: [email protected]: www.steinfelsweine.ch

    Wir stehen Ihnen für Beratungen und Schätzungen zur Verfügung undnehmen Einlieferungen jederzeit gerne entgegen.

    W E I N A U K T I O N E N

    Das älteste Wein-Auktionshaus der Schweiz

    Pompo schmeckt hervorragend zu allem, was aus dem Wasser kommt, und die Roten sind vergleichs-weise helle, für das Gebiet sensationell feingliedrige und finessenreiche Weine aus Ganztraubenvergä-rung, sie werden also komplett mit den Stielen in Holzgärständern vergoren und ausgebaut. Ihrem Charme sind wir hoffnungslos verfallen, zu gebrate-nem Fisch wie auch zu allerlei Fleischgerichten.

    2008 «Vall Pompo» Collioure AC Blanc, Bruno Duchêne: In burgundischen pièces ausgebaute As-semblage aus überwiegend Grenache Blanc und Gre-nache Gris von jungen, 2002 gepflanzten Reben. Der am 4. September gelesene 2008er ist der erste Jahr-gang, der den Brunos Vorstellungen entspricht. Kla-res, frisches und zugleich komplexes Bouquet mit reifer Frucht, zarten Hefenoten, Orangenblütenho-nig und feinwürziger Mineralität. Am Gaumen mit eleganter Fülle und enorm viel Spiel, Zug und Fri-sche, feinrassige, nachhaltige Frucht, anhaltend sal-zig, recht komplex und süchtig machend. Kurzum: ein riesiges Trinkvergnügen. (Produktion: ca. 1 000 Flaschen, ca. 29 EUR) 17/20 trinken –2013

    2008 «Corral Nou» Collioure AC Rouge, Bruno Duchêne: Reduktiv-ledrige Nase, dahinter die pure Frucht, frisch, reif, fleischig, mineralisch-würzig, einladend. Feiner, seidig-kühler Gaumen mit schö-ner Säure und griffigem, feinkörnigem Tannin, sehr würzig und feinmineralisch, mit fruchtsüssem Schmelz und fleischigwarmer Kirschnote. Trinkig. Burgundischer Charakter. Im Vergleich zum nachfol-genden «Pascole» mächtiger, strenger, fester und säurebetonter, kurzum: markanter und mehr Mars als Venus. (2 500 Flaschen, 29 EUR) 17/20 trinken –2015

    2008 «La Pascole» Collioure AC Rouge, Bruno Duchêne: Venus ist eine Assemblage von zwei Par-zellen mit 60- bis 90-jährigen Reben. Die eine liegt, nach Osten geneigt, in 150 Meter Höhe, die andere nach Süden exponiert auf 50 Meter. Warmes, sattes Granatrot. Verführerische Burgundernase mit feiner orientalischer Würze (Raz el Hanout?), herrlich rei-fen, rotbeerigen Fruchtaromen, dabei fein und präzi-se und mit hauchfeiner Lakritzsüsse. Am Gaumen sehr klar und seidig, konzentrierte rotbeerige Frucht

    Mineralität getragen. Hier küsst die Garnacha aus dem Priorat den Pinot aus Burgund. Geniale Länge, zieht herrlich zusammen, straight, klar und fein, intensiv, aber ohne alko-holische Wucht. Wie kann ein Grenache so fein und kühl sein, so wenig süss und schwülstig, so filigran? Überirdisch! (215 CHF) 20/20 trinken –2020

    2007 Les Tosses: Dunkles, intensives Kirschrot mit violet-ter Tönung. Intensives Bouquet reifer dunkler Kirschen, wiede-rum warmtönig und typisch fürs Priorat. Fleischiger, zugleich sehr feiner und frischer Gau-men mit nerviger Mineralität und angenehm sprödem Tan-nin. Guter Zug, feste Struktur, markanter als die anderen Wei-ne, besitzt sehr viel Potenzial. Man sollte mindestens fünf, sechs Jahre drauf warten kön-nen. (199 EUR; 215 CHF) 19/20 2014–2025Bezug: D: dallmayr-shop.de, kreis-wein.de, CH: secli-weinwelt.ch

    Peter Fisher, Trio Infernal und Château Revelette

    Trio Infernal

    Im Priorat bilden Laurent Combier (Domaine Combier, Tain l'Hermitage), Jean-Michel Gerin (Ampuis) und Peter Fi- sher (Ch. Revelette, Aix en Pro-vence) seit 2002 das berühmt-berüchtigte «Trio Infernal», während jeder für sich daheim zu den besten Weinproduzen-ten des französischen Rhône-Tals gehört.

    2007 Trio Infernal N. 0/3: 70 % Garnatxa Blanca, 30 % Ma-cabeu von durchschnittlich 30-jährigen Reben. 14 Monate Ausbau in französischen Ei-chenfässern. Rauchig-hefige Burgundernase, frisch und sal-zig, pur. Vollmundiger Gau-men mit schöner Süsse und Säure, komplexe, reichhaltige Struktur, Krokantnoten, lang anhaltend. 17/20 2011–2014

    2006 Trio Infernal N. 1/3: 60 % Garnatxa Negra, 40 % Ca-rinyena, im Tank vergoren, 13–15 Monate in Eichenfässern aus-gebaut. Rebenalter: 6–35 Jah- re. Würzige, gekochte dunkle Früchte. Am Gaumen mit Zug und Frische, etwas trocknendes Tannin. 16/20 trinken –2015

    2005 Trio Infernal N. 1/3: Et-was vegetabil, leicht ranzige Butternoten. Weiche Frucht, zu starke Extraktion, trocknendes Tannin. 15/20 austrinken

    2004 Trio Infernal N. 1/3: Klar und kühl in den Aromen, deutlich präziser als 2005 und 2006. Auch am Gaumen mit fri-scherem Fruchtcharakter, vor allem die Grenache-Traube kommt gut zur Geltung, festes Tannin, guter Zug zum Tor. 16/20 trinken –2014

    2003 Trio Infernal N. 1/3: Deutlich heller als die jüngeren Jahrgänge, granatfarben. Pure, süsse, gekochte Grenache-Aro-men, mit Rauchnoten. Am Gaumen seidig und süss, über-aus charmant, jedoch wiede- rum etwas gekocht in der Frucht. Sprödes Tannin aus den Trauben, weniger vom Holz, etwas trocknend im Abgang. 15+/20 trinken –2012

    2002 Trio Infernal N. 1/3: Der Premierenjahrgang. Schö-nes dunkles Granat. Feinwür-zige Frucht, wiederum mehr Grenache als Carignan, aber deutlich weniger süss und ge-kocht als die nachfolgenden Jahrgänge. Feine Gaumen-struktur mit vitaler Säure, an-

  • 6W E I N W I S S E R N° 2/2010

    RAuSCH vON TORROJABRuNO DuCHêNE

    genehmen Tanninen, delikater Frucht und Ledernoten. Etwas animalisch zwar, aber auch mi-neralisch, nervig, charakter-voll. 16/20 trinken –2014

    2007 Trio Infernal N. 2/3: 100 % Carinyena Velles von 70- bis 90-jährigen Reben. Vergo-ren in offenen 500-Liter-Fäs-sern, ausgebaut in Barriques für 18 Monate. Dunkles Pur-pur. Hochreife, etwas gekochte Frucht. Am Gaumen füllig und konzentriert, ziemlich süss und warm, kraftvolle Struktur mit mineralischem Säurenerv. 17/20 trinken –2017

    2006 Trio Infernal N. 2/3: Dunkles Kirschrot. Kühle Frucht, kräuterig-vegetale Aro-men und doch auch hier hin-tergründig gekochte Fruchtan-teile. Markanter, sehr fester Gaumen mit viel Tannin und straffer Säure, ein ländlicher Charakter. 16/20 trinken –2014

    2005 Trio Infernal N. 2/3: Dunkles Granat. Klar, elegant, aufgeraut seidig und fest, vor-zügliche Fruchtausprägung mit erfrischendem Säurenerv. 16+/20 trinken –2015

    Laurent Combier

    Domaine Combier, Tain l'Hermitage

    2007 Crozes Hermitage AC (Magnum): Frisches, feinwürzi-ges Bouquet von herrlich reifen Früchten, klar, aromatisch und einladend. Wundervoll seidig und fein am Gaumen, rund, mit feiner Süssholzwürze und delikater Säure- und Tannin-struktur im saftigen Fruchtbild von Schwarzbeeren und Kir-schen. Viel Spiel und Eleganz. Ein Partyknüller für wenig Geld. (15 EUR für 0,75 l) 17/20 trinken –2016

    2006 Clos des Grives Crozes-Hermitage AC: Der Clos um-fasst 9,5 ha, davon besitzt Lau-rent Combier etwas mehr als die Hälfte. Die Syrah-Reben wurden 1956 gepflanzt, wir ha-

    ben es hier also mit einem Wein aus den Trauben von 50-jähri-gen Reben zu tun. Rauchig-flei-schige Nase von konzentrier-ten dunklen Früchten. Am Gaumen dichte Seide mit fruchtiger Süsse, dabei nervig und von reifen Tanninen fest strukturiert, leichter Holzton. 17/20 trinken –2018

    2007 Clos de Grives Crozes-Hermitage AC: Geschliffene Cassisaromen, zart rauchig, fei-nes Holz. Elegant und finessen-reich auf der Zunge, konzent-rierte Frucht mit seidiger Tex-tur, ausgewogener Süsse und viel Spiel, feinstes, engmaschi-ges Tannin, lang und intensiv, im Nachklang noch mit rauchi-gen Fassnoten. 18/20 2012–2020Bezug: weine-wuttke.de

    Jean-Michel Gerin

    Jean-Michel Gerin, Ampuis

    2007 Saint Joseph AC: Tiefes Schwarzrot. Leichte Reduktion, Leder, intensive schwarze Frucht. Am Gaumen dicht, süss und saftig, seidig gewirkt, mit feine (Gär-)Säure und animalischem Abgang. Blutjung, aber sehr trinkig. 16+/20 trinken –2015

    2006 Champin Le Seigneur Côte-Rôtie AC: 90 % Syrah, 10 % Viognier aus Süd- und Südost-lage, ausgebaut in zu 50 % neu-en Barriques. Feine dunkle Bee-renaromen, zart rauchig unter-legtes Cassis. Süsser, leicht led-riger Gaumen, seidige Fülle mit intensiver Frucht, komplex und fest strukturiert, viel Zug entwickelnd, eine feine Säure sowie angenehm sprödes Tan-nin zeigend. Dekantieren! (36,50 EUR; 65 CHF) 18/20 2011–2016

    2002 Champin Le Seigneur Côte-Rôtie AC: Granatrot. Bur-gundisch-süsse Nase. Am Gau-men feinfruchtig, in seinem mi-neralischen Purismus etwas mager. Viel Finesse. (33,50 EUR; 54 CHF) 17/20 trinken –2014Bezug: weine-wuttke.de; reichmuth.ch

    mit feiner Süsse, festen, aber seidigen Tanninen so-wie kühl-nerviger Schiefermineralität. Im langen Nachhall immer noch finessenreich und frisch. Ein einzigartiger Charakter, ein grosser Wein voll weib-licher Sinnlichkeit, warm und verführerisch. (3 500 Flaschen, 31,20 EUR) 18/20 trinken –2017

    2009 «L'Andonine» Collioure AC Rouge, Bruno Duchêne (Fassprobe): Eine absolute Rarität aus einer speziellen Terrassenparzelle in der Gemarkung «Corral Nou», die seit 5 Jahren nur mit der Hacke und Kompost bearbeitet wird. Vom von uns nicht probierten 2008er hat es nur 240 Magnumflaschen für den Weltmarkt. Aus dem Fass des 2009ers, das gerade den biologischen Säureabbau durchlief, durf-ten wir hingegen kosten. Warmes Granatrot. Bur-gundische Nase, eine herrlich kühle, feinwürzige Frucht, etwas Fleisch. Am Gaumen klar, frisch und elegant, mit purer, fleischiger roter Beerenfrucht, eingelegten Kirschen, sehr feinem Tannin und ex- trem feiner Säure, perfekt balancierte Seide, dabei sehr spannungsreich bis ins lange Finale, puristisch-klar. Ein grosser Grand Cru. (19/20) 2014–2025Bezug: D: christ-weine.de; CH: lavinia.com

    Apropos Collioure …sr. – Auf der nächsten Seite berichten wir, wie wir neulich zu Thomas Boxberger in den Weinhandel nach Mannheim gekommen sind und dort die Bur-gunder von Olivier Bernstein kennenlernen konnten. Da wir in diesem Zusammenhang auch von Bruno Duchêne sprachen, öffnete uns der des Inventarisie-rens müde Boxberger auch noch zwei Flaschen eines Collioure-Konkurrenten: Coume del Mas.

    2008 «Folio» Collioure AC Blanc, Coume del Mas: Kräftiger 14 %-Blend aus Grenache Blanc, Grenache Gris, Muscat und Vermentino. Sehr klares, vornehmes Bouquet ohne vordergründige Fruchtaromen, aber von reifer und präziser Frucht (Birne), feiner Hefe- und Karamellsüsse sowie brauner Schieferwürze. Am Gau-men reich, zart cremig, krokantsüss und nachhaltig, vor allem aber faszinierend klar, feingliedrig und von prägend salziger Mineralität. Ein verblüffender Weiss-wein aus dem äussersten Süden Frankreichs, der das Filigran-Rassige des Moselrieslings mit dem Purismus feinster Puligny-Montrachets sowie der Fruchtreife und dem Körper eines weissen Châteauneuf-du-Pape oder Condrieu kombiniert. Irre, aber grossartig. Ohne Zweifel einer der herausragenden Weissweine Süd-frankreichs! (17,50 EUR) 18/20 2011–2016

    2006 «Abysses» Collioure AC Rouge, Coume del Mas: Halb Syrah, halb Grenache, die Erntemenge von nur 15 hl/ha bescherte eine knappe Auflage von ledig-lich 1 300 Flaschen. Von denen fand keine den Weg in die Schweiz, aber immerhin 240 kamen nach Deutschland. Eine davon zeigte ein schönes dunkles Rubin und in der Nase tiefe, reife, warm-würzige Fruchtaromen, vor allem dunkle Kirschen mit viel Fruchtfleisch. Am Gaumen konzentriert, intensiv fruchtig und körperreich, wiederum mit viel natürli-chem Fruchtfleisch und kernig-reifen Tanninen. Die präzise Fruchtartikulation und die wunderschöne Schiefernervigkeit lassen den «Abysses» spannungs-reich und elegant erscheinen. Kein Monster, eher ein kraftvoller Tänzer. (31,50 EUR) 18/20 2011–2018Bezug: extraprima-weinversand.de

  • 7W E I N W I S S E R N° 2/2010

    sr. – Eine längere Wartezeit am Mannheimer Haupt-bahnhof nutzten wir dazu, Thomas Boxberger- Schaabner in seinem nahe gelegenen Weinfachhandel «Extraprima» zu besuchen. Der steckte zwar mitten in der Jahresinventur und hielt sein Geschäft eigent-lich geschlossen, hatte aber anscheinend Lust auf Ab-wechslung und liess uns hinein. Beim Blick in die Re-gale sahen wir, dass Olivier Bernstein neben seinen so exzellenten wie preiswerten Rotweinen aus Tautavel im Roussillon (Mas de la Devèze) mittlerweile als weinerzeugender négociant auch in Burgund, wo er einst studiert und gelernt hatte, tätig geworden ist. Weniger preiswert zwar, dafür aber exklusiv mit 1er- und Grand-Cru-Lagen der Côte d'Or, deren Reben al-lesamt 40 bis 80 Jahre alt sind. Unsere Neugierde wur-de gesteigert, als Boxberger Bernsteins Burgunder mit jenen seines einstigen Lehrmeisters Henri Jayer ver-glich. Ein kurzer stummer Blick – und schon wurden generös fünf Flaschen geöffnet, obgleich die erzeug-ten Mengen in Burgund derart winzig sind (47 Fässer, von denen es aber nur 31 verdienten, unter dem Na-men Olivier Bernstein auch gefüllt zu werden), dass jede geöffnete Flasche einem historischen Moment nahekommt. Glücklicherweise ist die Qualität diesem Anlass angemessen.

    Olivier Bernstein

    Olivier Bernstein: Magier zwischen Burgund und Roussillon

    sr. – Mit dem 2001 ins Leben gerufenen Projekt Portal del Montsant hat sich Alfredo Ar-ribas den langjährigen Traum vom eigenen Weingut erfüllt. Im Mittelpunkt seiner Arbeit steht die Kultivierung der klas-sischen Rebsorten der D.O.-Re-gionen Montsant und Priorato: Cariñena, Garnacha Tinta und Garnacha Blanca. Im Keller wird Arribas durch den jungen Önologen Ricard Rofes unter-stützt. Seit 2003 bearbeiten die beiden auch Lagen im benach-barten Priorat, die Weine wer-den unter dem Namen Clos del Priorat gefüllt. Ihr Charak-ter ist ein völlig anderer. Ge-gen die dramatischen Mont-sant-Weine wirken sie wie Lie-besgedichte.

    2007 Trossos Garnatxa Blan-ca D.O. Montsant, Portal del Montsant, Marçá: Tiefe, würzi-ge, sehr konzentrierte Nase, feine Note von Akazienholz. Am Gaumen enorm dicht und kraftvoll, sehr komplex, mit reichlich Extrakt, pikanter Fri-sche und nachhaltiger Minera-lität, aber wenig Süsse, im Ge-genteil: Der von über 70-jähri-gen Grenache-Reben stammen-de Trossos ist herb, richtig fest und seriös, seinen stoffigen Ab-gang zieren ein zarter Mandel- und Karamellton sowie eine er-frischende Grapefruitnote. Am besten 8–12 Stunden vor Ge-nuss dekantieren. Rarität. (38,85 EUR für 0,5 l; 178 CHF für 1,5 l) 19/20 2011–2018

    2008 Santbru Blanc D.O. Montsant, Portal del Montsant, Marçá: 80 % Garnacha Blanca, 15 % Macabeo und 5 % Char-donnay, 5 Monate in 500-Liter-Eichenfässern ausgebaut. Kla-res, tiefes Bouquet mit frischer Limonen- und Grapefruitwür-ze sowie Noten von hellem Obst und Blüten, das alles noch hinterm Hefeschleier und wun-dervoll natürlich, bar jeder Ef-fekthascherei. Am Gaumen stoffig, klar und elegant, trotz der Extraktsüsse feinfruchtig und herb, mit frischen Zitrus-noten, feiner Säure, vornehmem

    Hefeschmelz und klarer, salzi-ger Mineralität. Kraftvoller, nachhaltiger, gleichwohl ele-ganter Abgang. (21,90 EUR; 30 CHF) 18/20 trinken –2015

    2008 Brunus Rosé D.O. Mont-sant, Portal del Montsant, Mar-çá: Mittleres Kirschrot mit bläu-lichen Reflexen. Wunderschöne, noch von der Hefe geprägte fri-sche Sauerkirscharomen, trans-parent und leicht wirkend. Am Gaumen klar, leicht und kirsch-fruchtig, mit feinem Schalenton im Finish. Ohne Süsse und vor-dergründige Chichi-Aromen, aber mit Finesse und Eleganz. Ein weiniger Rosé mit dem Charakter eines leichten Rot-weins. (16,50 EUR) 16+/20 trinken –2012

    2007 Brunus Blend D.O. Montsant, Portal del Montsant, Marçá: Carinyena, Syrah und Garnatxa von kalkigen Tonbö-den und von Schiefer. Ausbau 8 Monate in neuen französischen und amerikanischen Eichenfäs-sern. Tolles, tiefes und reiches Fruchtbouquet von reifen schwarzen Beeren mit feiner Würze vom Fassausbau, dazu angenehm erdige Waldbodena-romen, ein praller Duft zum «Hineinbeissen». Die Präzision in der Nase setzt sich am Gau-men fort, wo noch Kirschen und Cassis ein Stelldichein geben so-wie eine belebende Säurefri-sche, die den Wein seidig und trinkig elegant erscheinen lässt, zumal sich im Abgang eine sal-zige Mineralität hinzugesellt, die den nominell ja üppigen Wein weiter verschlankt. Nach-haltig, mit feiner Kakao- und Schokonote im Nachklang. Wer hiermit nicht seinen Durst lö-schen kann, hat keinen. (46 134 Flaschen; 26 CHF; 18,95 EUR) 17/20 trinken –2016

    2006 Santbru Carinyenes Velles D.O. Montsant, Portal del Montsant, Marçá: Carinyena, Garnatxa, Syrah vom kalkigen Tonboden. Ausbau 14 Monate in neuen französischen Eichen-fässern. 15 300 Flaschen. Bläuli-ches Granat. Enorm reife, süs- se, konzentrierte Fruchtaromen

    Dramatik versus LyrikDie spannenden Projekte des Alfredo Arribas in den D.O.-Regionen Montsant und dem benachbarten Priorato.

  • 8W E I N W I S S E R N° 2/2010

    PORTAL DEL MONTSANTOLIvIER BERNSTEIN

    2007 la Devèze «66» Côtes du Roussillon Villages AC, Mas de la Devèze – Anne-Lise & Olivier Bernstein, Tautavel: 14,5 Vol.-%. Syrah, Grenache Noir und Ca-rignan. Kein Holz, reiner Tankausbau. Dunkles Pur-purgranat. Verhaltene, tiefe, würzige, fleischige Nase, Brombeeren, eingelegte Früchte, Pflaumen, Zimt, orientalische Gewürze, zeigt eine gewisse Af-finität zu einem klassischen Barbaresco aus dem gro-ssen Holzfass. Enorm reicher, fülliger und saftig-sü-sser Gaumen, zugleich aber mit verblüffend feiner, seidiger Transparenz und dank feinster Tannine an-genehmem Trinkfluss. Sehr elegant, wenn auch selbst nach einigen Stunden in der Karaffe noch im Embryonalzustand. Sollte hervorragend reifen kön-nen. Grosser Wein für – ist's möglich? – verdammt wenig Geld! (11,90 EUR) 17/20 2011–2020

    2007 la Devèze Côtes du Roussillon Villages AC, Mas de la Devèze – Anne-Lise & Olivier Bernstein, Tautavel: 14,5 Vol.-%. Schönes Rubingranat. Würzige Kirsch- aromen mit dunklen Beeren, Pâte de fruits und ei-nem Touch Lakritz, Schoko und Mokka. Eleganter, konzentrierter und fester Gaumeneindruck, ziemlich stoffig, gegen Ende mit fast portiger Süsse, Kraft und Konzentration sowie angemessen straffen, wür-zigen Tanninen, daher auch noch recht adstringie-rend im Abgang. Feinnervige Kalkmineralität. Insge-samt ein feuriger, konzentrierter, entwicklungsfähi-ger Charakter. (ca. 20 EUR) 17+/20 2012–2022

    2007 Meursault 1er Cru Les Charmes, Olivier Bern-stein: Wie alle Bernstein-Burgunder wird auch dieser Wein in Gevrey-Chambertin vinifiziert. Boxberger: «Bereits im Weinberg wurde das penibel erzeugte Traubenmaterial radikal ausgelesen. Im Weingut wur-den dann alle Traubenhenkel einzeln per Hand ent-rappt und beschädigte Beeren aussortiert. Vergoren wurde ganz natürlich, ohne Reinzuchthefe, der Aus-bau erfolgte auf 100 % neuen Fässern der Tonnellerie Chassin in Rully, die nach Oliviers Vorgaben arbei-tet. Die malolaktische Gärung zog sich lange hin und ausgebaut wurden die Weine selbstverständlich mo-natelang auf der Feinhefe. Schönung und Filtration blieben aus, gekeltert wurde auf einer traditionellen Vertikalpresse. Alles Handarbeit.» Und der Wein? Sehr klar und mineralisch im Duft, wirklich gross. Am Gaumen puristisch-mineralisch, wenn auch noch etwas hefig und mit zarter Vanille seine Schul-ausbildung verratend. Überaus elegant und fines-senreich im lang anhaltenden Abgang. Genial. (587 Flaschen, 99 EUR) 18+/20 2012–2020

    2007 Vosne Romanée 1er Cru Les Suchots, Olivier Bernstein: Reife Kirschfrucht mit zarter Würze. Aus-gesprochen rein und fein in der Nase wie am Gau-men. Seidige Textur mit sehr feinem Tannin und de-likater Säure, transparent und feingliedrig, sehr lang und tief. (893 Flaschen, 99 EUR) 18+/20 2012–2020

    2007 Bonnes-Mares Grand Cru, Olivier Bernstein: Sehr feine, pure, mineralisch-würzige Nase mit vor-nehm süsser Cassisnote, einem Hauch Minze sowie fri-schen roten und dunklen Waldbeeraromen, die sich auch am Gaumen finden. Hier konzentriert, aber mit grandioser Frische und Purezza sowie einer noch fast spröde wirkenden Mineralität. Feste Struktur, feines, anhaftendes Tannin. Zweifellos gross! Und im Vergleich dann doch nicht so ganz – alles ist relativ – schrecklich teuer. (593 Flaschen, 199 EUR) 19/20 2012–2030Bezug: extraprima-weinversand.de

    von roten und dunklen Beeren sowie Herzkirschen, abgrund-tief und fleischig, mit würziger, den kargen, heissen Boden gleichsam in die Nase transpor-tierender Würze, einen kraftvol-len Wein ankündigend. Am Gaumen gross dimensioniert, sehr stoffig, aber kein bisschen fett, stattdessen sogar mit Trans-parenz, seidiger Textur und dank der den Wein stukturie-renden mineralischen Säurefri-sche auch mit Finesse. Saftiger Abgang mit anhaltend feiner roter Kirschfrucht. Tannine? Reif und fein, kaum spürbar und folglich völlig in den Wein integriert. Die Zeit dicker, schwerer Weine mit massiven Tanninen ist hier Vergangen-heit, nicht mal mehr eine Remi-niszenz wird ihr hinterherge-schickt. Grosser Wein mit viel Zug für vergleichsweise kleines Geld. (26,95 EUR) 18/20 trinken –2020

    2007 Trossos Garnatxa Neg-ra D.O. Montsant, Portal del Montsant, Marçá: Helles, trans-parentes Granat. Optisch ein Burgunder oder Les Manyes. In der Nase ein Gedicht. Hoch-feine und klare, transparente süsse Fruchtaromen von roten Beeren und kandierten Kir-schen, Backpflaumen, Blüten, Blut und Bündner Fleisch. Überaus delikat und auch kühl, weil es nach Schiefer, Gneis oder ähnlich Kristallinem duf-tet. Ab damit in Blindproben! Doch ach, der Wein ist Experi-ment nur, ein paar Halbliterfla-schen, ein paar Magnums, mehr gibt es nicht, um zu zei-gen, was möglich ist in Mont-sant. Heil'ges Bergle! Am Gau-men körperreich und anhal-tend saftig, mit seidiger Textur und delikater Säure, gutes, recht festes Tanningerüst, an-fangs noch mit ganz leichter Adstringenz. Gebt ihm reich-lich Sauerstoff, 6–12 Stunden, und ein grosses, dünnwandi-ges Burgunderglas, dann wird er feingliedrig, fruchtintensiv und im Finale himmlisch süss. Allein das warme Klima in die-sem Wein schützt davor, ihn in einer Blindprobe für einen Bur-gunder halten zu können. Es sei denn einen 2003er. (38,85 EUR für 0,5 l; 178 CHF für 1,5 l) 18+/20 trinken –2022

    2007 Negre del Negres D.O. Priorat, Clos del Priorat, Mar-çá: Vom Schieferboden, 8 170 Flaschen Opposition gegen die Blanc de Blancs dieser Welt. Süsse, reife, geschmeidige Fruchtnase, charmant und sexy, weit weniger dramatisch neben den markanteren und frische-ren Rotweinen aus Montsant, zeigt eine fast rosinige und ge-backene Fruchtkonzentration sowie eine feine Cassissüsse. Schrecklich weiblich. Am Gau-men fliessende Seide, süss und elegant, gegen Ende immer süsser und alkoholischer wer-dend, ohne aber in Brand zu geraten. Sehr feines Tannin. Insgesamt sehr delikat, aber auch recht spannungsarm. La-kritzsüsses Finale. Ein vorder-gründig vornehmer, in Wahr-heit aber mit viel Alkohol trös-tender Wein. (36,90 EUR; 36 CHF) 17/20 trinken –2018

    2007 Somni D.O. Priorat, Clos del Priorat, Marçá: 2 882 auf Schiefer gewachsene, wäh-rend 16 Monaten in französi-schen Eichenfässern ausgebau-te Flaschen mit dunkler pur-pur-granatroter Farbe. Edle Nase, präzise Fruchtartikulati-on von reifen und eingelegten Kirschen, Pflaumen und dunk-len Beeren, dazu Schokonoten und eine zart rauchige Würze. Benötigt viel Luft, um seinen alten Schrankton abzulegen. Seidig-saftige Gaumenfülle mit viel Körper, Konzentration und Süsse, aber auch Frische und Finesse, im jugendlichen Ab-gang Schokolade, Tabak und Tannin. Sehr dicht und flei-schig, in den etwas herben, zartbitteren Gerbstoffen jedoch recht stark vom Holzeinsatz geprägt, ist dieser Priorat deut-lich weniger pur als die zu-meist preiswerteren Nachbarn vom Heiligen Berg. Glänzen diese durch ihre zupackende Dramatik, sind vornehme Eleganz und süsser Frucht-schmelz die vorzüglichsten Eigenschaft des Somni. Daher gilt: Je zarter das Wild auf dem Teller, desto eher Somni. Und zum Hausrind oder -schwein besser einen Montsant. (58,95 EUR; 65 CHF) 18/20 trinken –2020Bezug: D: hola-iberica.de, CH: vino-thek-brancaia.ch, secli-weinwelt.ch

  • 9W E I N W I S S E R N° 2/2010

    sr. – Manche Mails sind es schon aus Umweltgrün-den nicht wert, ausgedruckt zu werden. Andere hin-gegen, etwa solche im Austausch mit ambitionierten Winzern, gewähren Einblick in deren Arbeit und Ideen und sind es sogar wert, in einem Newsletter wie dem WeinWisser abgedruckt zu werden.

    Der folgende Austausch zwischen Marcel Bühler (Foto) von der jungen Domaine des Enfants in Mau-ry (Roussillon, 21 Hektar grösstenteils sehr alte Re-ben) und WeinWisser Stephan Reinhardt, die sich im wahren Leben nie begegnet sind, entwickelte sich auf Facebook, einer zum persönlichen «Du» neigen-den Social-network-Plattform im Internet, die sich für Weinfreaks aus der ganzen Welt zu einer bedeu-tenden Kontakt-, Informations- und Austauschbörse entwickelt hat. So sah Marcel Bühler auf Facebook, dass WeinWisser Stephan Reinhardt über die Winzer-party in Tautavel gepostet hatte, an der beide teilge-nommen hatten, ohne voneinander zu wissen oder sich gar zu treffen. Bühler, ein junger Schweizer Win-zer mit Ambitionen im Roussillon, musste aber auch sehen, dass der WeinWisser zwar viele der verkoste-ten Weine kommentierte (facebook.com/weinwisser), nicht aber seine eigenen. Das war besonders ärger-lich, da sie ohnehin noch kaum jemand kennt, weil sie nämlich Erstlingswerke sind. War die Missach-tung nur ein Versehen? Oder gar eine generelle Ar-roganz gegenüber unbekannten Betrieben? Oder sollten die Weine der Domaine des Enfants nur nicht gut genug gewesen sein, um erwähnt zu werden?

    Unerschrocken kontaktierte Marcel Bühler Ste-phan Reinhardt via Facebook und erfuhr, dass es die

    Marcel Bühler, Zürcher Winzer in Maury (Roussillon) mit Facebook-Account

    «Teufelskerle, was habt ihr verändert?»Wie der WeinWisser über Facebook ein neues, vielversprechendes Weingut kennenlernte – die Domaine des Enfants in Maury (Roussil-lon/Südfrankreich).

    sr. – Holger Schwarz, Gründer und Chef von Viniculture in Berlin, hat ein ausgesuchtes, höchst individuelles Weinpro-gramm zusammengestellt, in das der Mainstream keinen Zugang findet. Seine Kunden, allesamt Weinkenner mit nicht nur verblüffender Reper-toirekenntnis, sondern auch profiwürdiger Degustations- und auch Trinkfertigkeit, gou-tieren das und strömten Ende November zu Hunderten in den abgrundtief gelegenen Ge-wölbekeller der Bockbrauerei in Berlin-Kreuzberg. Draussen über der Erde scheiterten in-dessen einige Dutzend Wein-freunde an der Einlasskontrol-le, da sie nicht angemeldet wa-ren. Ohnehin war der Keller schon früh rappelvoll, man kostete und bewegte sich zu den Hauptstadtrhythmen des eigens aus Ibiza eingeflogenen Schweizer DJs Gianni N. Sel-ten hat man Winzer bei ver-gleichbaren Anlässen derart strahlen und grooven gesehen, denn wo schon wird eine Ver-kostungs- und Verkaufsshow

    als grosse Sause zelebriert? Und welcher Weinhändler ver-fügt über einen Hauptstadt-Club, noch dazu einen, in dem der englische Weinexzentriker Stuart Pigott strippend Weine seines Privatkellers zugunsten von AIDS-Projekten in Südaf-rika versteigert? Logisch, dass der Party-erprobte WeinWisser hier nicht fehlen durfte und sich kostend durch die Reihen kämpfte. Hier eine Auswahl seiner Favoriten (zu beziehen über viniculture.de).

    Peter Jakob Kühn, Rheingau

    2008 Rheingau Riesling tro-cken «Jacobus»: Klares Bou-quet, ganz pur und nach Zit-rusfrüchten duftend. Auch am Gaumen klar und rein wie die

    Weinclub Berlin: Die Party des Jahres

  • 10W E I N W I S S E R N° 2/2010

    WEINCLuB BERLINDOMAINE DES ENFANTS

    Berliner Luft vor der industri-ellen Revolution, straight, ver-spielt und finessenreich. (8,90 EUR) 16/20 trinken –2014

    2008 Rheingau Riesling tro-cken «Landgeflecht»: Klare, kühle Rieslingaromen, feines gelbes Steinobst. Am Gaumen wiederum sehr klar und puris-tisch, feinrassig und animie-rend, ein starkes Stück Rhein-gau. (22 EUR) 17/20 trinken –2018

    2008 Mittelheim St. Niko-laus Riesling trocken: Peter Kühns «Erstes Gewächs», auch wenn der Rheingauer Wein-bauverband das nicht immer so sieht und dem ewig grü-belnden Künstler den ohnehin überflüssigen Zusatztitel ver-weigert. Denn zweifellos ist der gleich am Rheinufer ge-wachsene St. Nikolaus einer der ganz grossen, individuellen trockenen Rieslinge Deutsch-lands. Kräftig gelb in der Far-be, duftet er eben nicht nach EU-konformen Hefezuchtfrüch-ten wie Maracuja und Pfirsich, sondern – nach Kühns St. Ni-kolaus. Gestochen klar und vollreif in der Frucht, vorneh-me Noten von weissem und gelbem Steinobst, Traubenzu-cker und Zitrusfrüchten mit ganz feiner, kühler minerali-scher Würze. Enorm saftiger, eleganter und ausgewogener Gaumen mit delikater, den Wein lange tragender minera-lisch-salziger Säure, beste-chend präzise in Frucht wie Struktur, perfekt in der Balan-ce, sehr nachhaltig und in sei-nem filigranen Purismus höchst ausdrucksvoll. Salzig bis in alle Ewigkeit. Einer der feinsten Rheingaurieslinge des Jahrgangs. (25 EUR) 18/20 trinken –2020

    2005 Rheingau Riesling tro-cken «Amphore»: Den Wein hatten wir damals schon auf dem Weingut direkt aus den beiden in die Erde versenkten Tonamphoren verkostet, in de-nen er auf den Stielen ausge-baut wurde, und für genial be-funden, da so tief, rein, ja aske-tisch und fest wie nur selten ein Weisswein. Vor zwei Jahren dann, nachdem er auf die Fla-sche kam, wirkte er fülliger, speckiger und runder. Jetzt in der Berliner Gruft zeigte er

    eine an Zwiebeln erinnernde Reduktionsnote, präsentierte sich aber am Gaumen mit üp-piger Fülle, um nicht zu sagen: Er war richtig fett! Aber auch blutjung, sein Abgang zieht sich noch zusammen, zeigt je-doch die Kraft, Konzentration und Struktur dieses Weines auf, der zweifellos auf dem Weg ist, ein ganz grosser zu-werden. (45 EUR) 18+/20 2012–2020

    Friedrich Becker, Pfalz

    2006 St. Paul Spätburgun-der GG: Der von der deutschen Weinkritik seit einigen Jahren mit reichlich Überschwang ge-lobte Pinot mag uns nicht glei-chermassen zu gefallen, wenn wir auch zugeben, dass es ein erstklassiger Spätburgunder ist. Schönes Granat. Rauchige Barriquenoten mit Nelken, de-zent vegetabil im Duft. Seidig und elegant am Gaumen, mit faszinierender Finesse, aber nicht so tief wie von einem Grand Cru zu erwarten wäre. (52 EUR) 17/20 trinken –2016

    HE Dausch, Pfalz

    2007 «Herrschaftswingert SL» Spätburgunder trocken: In absoluten Insiderkreisen be-reits ein «Kultwein», wahr-scheinlich, weil er rar ist (4 Bar-riques) und Talent besitzt und bei Spätburgundergott Fried-rich Becker (s. o.) im Keller ausgebaut wird. HE Dausch aber heisst sein Schöpfer, ein junger, sympathisch weinver-rückter Mann («Ich trinke praktisch permanent, aber nur vom Feinsten»), der die Bank-

    Enfants-Weine allein aufgrund der riesigen Menge und des partytypischen unsystematischen Vorge-hens nur zufällig nicht ins Glas des WeinWissers ge-schafft hatten. Also sandte Bühler seine roten 2007er sowie den weissen 2008er zur Probe in die Redakti-on hinterher. Seitdem tauschen sich die beiden aus, fast so, als sässen sie nebeneinander.

    Marcel Bühler 14. Januar um 09:28

    Hallo Stephan. Falls Du Zeit hattest, die Weine zu probieren, wäre ich Dir für ein Feedback sehr dankbar.

    Stephan Reinhardt 14. Januar um 10:44

    Habe gerade gestern Abend die «Reserve» mit dem handschriftlichen Etikett geöffnet, «Larme de l'âme»: sehr verführerisch und sanft in Fruchtintensität und Textur, einfach schön; heute suche ich in ihm noch mehr Nerv und Spannung, weniger das Perfekte.

    Euer sog. Zweitwein «L'enfant perdu» ist mir, ehr-lich gesagt, zu stoffig, zu wuchtig, der Gaumen zu süss und massiv ausgekleidet, mir fehlt hier der er-frischende, zum Trunk animierende Kick. Es ist aber eben ein Maury, da ist es heiss wie im Backofen, wie soll man da Frische und Finesse ernten können? Aber das ist «Klagen» auf hohem Niveau, der Wein ist gut, man muss ihn ja nicht unbedingt alleine und schon gar nicht zum Mittagessen trinken.

    Der Erstwein «Suis l'étoile» 2007 ist fester, fri-scher, kühler, präziser in der Frucht, kurzum: ele-ganter, ein sehr guter Wein.

    Am besten gefällt mir der weisse «Tabula rasa» 2008, der, wenn auch noch hefig, selbst nach Tagen in der Flasche eine tolle Tiefe, Reife und minera- lische Finesse besitzt. Detaillierte Kostnotizen zu allen Weinen werden im Februar-WeinWisser er-scheinen.

    Marcel Bühler 14. Januar um 13:05

    Das mit dem 07er kann ich sehr gut nachvollziehen, aber es war halt auch unser erster (und sehr heisser) Jahrgang, begleitet von einigen Problemen. Der 08er dürfte deshalb vielleicht fast von grösserem Interes-se sein, er ist viel präziser, weniger ausladend, zeigt dafür mehr Länge und Textur und hat so gar nichts von einem klassischen Maury … Der «Enfant perdu» 2008 geht, glaube ich, sehr ins Burgundische, gleicht einem Vosne Romanée, wie ein Importeur meint. Für mich ist er ein sehr grosser „Zweitwein“. Würde mich sehr interessieren, wie Du das siehst …

    Der 2007er «Larme de l'âme» (Erstwein) ist zwar verführerisch und stoffig und mit viel Struktur verse-hen, wie Du sagst, aber lässt noch etwas die Komple-xität und Finesse vermissen, aber das kommt noch.

    PS: Auch wenn unser Weinkeller in Maury steht, kommen drei Viertel unserer Trauben doch aus hö-her gelegenen Lagen in Caramany, Rasiguères und Cassagne … Bist Du mal wieder in der Gegend?

  • 11W E I N W I S S E R N° 2/2010

    WEINCLuB BERLINDOMAINE DES ENFANTS

    karriere geistig bereits hinter sich gelassen hat und auch kör-perlich kurz vor dem Absprung steht, um sein Winzerhobby (lernte u. a. bei Hansjörg Reb-holz) zum Beruf machen zu können. Zum Wein: Leuchten-des Granatrubin. Tolle Nase mit offenem, gelassenem Bouquet von superfeinen roten Beeren und delikater Würze, wirkt schon jetzt seidig und elegant, ungemein präzise und frisch, zieht hinan. Am Gaumen füllig und zugleich filigran, mit ele-ganter Himbeerfrucht, delikater Süsse und nervigem Säurebo-gen, herrlich vornehm und zweifellos ein 18/20-Punkte-Material. Jedoch finden wir das von den Barriques kommende Tannin im Finish zu aggressiv und trocknend, die Nelkenwür-ze der Feinheit des Weines nicht angemessen, auch wenn Dausch beteuert, der Wein wer-de das Holz schon noch fressen. Schafft es ein späterer Jahrgang in besseres Holz, hat Deutsch-land womöglich tatsächlich ei-nen weiteren grossen Rotwein aus der nach Riesling wichtigs-ten Rebsorte. (45 EUR) 17/20 2012–2016

    Michel Cheveau, Burgund

    2008 Mâcon Solutré-Pouilly «Sur le Mont»: Sehr klare Char-donnay-Frucht. Fruchtiger Gau-men mit feiner Säurerasse und starkem Nachhall. Nicht son-derlich komplex, aber ange-nehm zu trinken. (11,50 EUR) 15/20 trinken –2012

    2008 Saint Véran «Terroir Davayé»: Tiefe, reife Sorten-frucht, ein Hauch von Minera-

    lität, feine, frische Würze. Klar am Gaumen, mit feiner Frucht, Limettenaromen, präzise ge-zeichneter Abgang mit ani-mierend feiner Mineralität. (13,50 EUR) 16/20 trinken –2016

    2006 Pouilly Fuissé «Les Vieilles Vignes»: Unsaubere Nase von schimmeliger Zitro-ne. Am Gaumen recht füllig und breit, saftig und recht in-tensiv, im Abgang leicht antrocknend und nicht ganz ausgereift erscheinend. Nur ein Flaschenproblem? (21 EUR) 15/20 austrinken

    Sébastien Riffault, Loire

    2008 Sancerre AC blanc «Akméniné»: Intensives Gelb mit Goldschimmer. Rahmige Joghurtnoten mit gelben Früchten, reifer Apfel, oxidati-ve Noten. Am Gaumen pur und mineralisch strukturiert, feine salzige Säure, anhaltende Rahmnote, an Pfannkuchen er-innernd. Mit Charakter, an den man sich gewöhnen kann. (19,50 EUR) 16/20 trinken –2012

    2008 Sancerre AC blanc «Auksinis»: Goldgelb. Feine, kühle Fruchtaromen, v. a. Zit-rusfrüchte, aber ebenfalls rah-mig-ranzig-buttrig. Am Gau-men lebendig, mit Noten von Stachelbeeraromen und Reine-clauden sowie vitaler, pikanter Säure, im Abgang ein Hauch Honig und Vollkornbrot. (21,50 EUR) 16+/20 trinken –2013

    2007 Sancerre AC rouge «Raudonas»: Rahmig-buttriger Pinot mit feinfruchtig seidiger und transparent süsser Nase, entwickelt mit zunehmender Luft frische Waldbeeraromen.

    Stephan Reinhardt 14. Januar um 13:35

    Ab wann kann ich 2008 Rouge verkosten, notfalls auch als Fassprobe? WeinWisser sind gierig nach Neuem …

    Marcel Bühler 15. Januar um 11:20

    Schwierig. Den 08er «Enfant perdu» haben wir erst am 17. November geschwefelt und gefüllt, er braucht noch Zeit, aber ich sende Dir eine Probeflasche zu. Du solltest sie am besten über mehrere Tage verkos-ten. Das Problem der anderen beiden Roten 08er ist, dass sie nicht parat sind. Ich werde sie dieses Jahr auch später füllen, da sie mehr Zeit brauchen. Zu-dem habe ich die Assemblage – was wird «Suis l'étoile», was «Larme de l'âme» – noch nicht ge-macht; damit warte ich dieses Mal bis knapp vor Füllung, da sich das letztes Jahr noch drei Mal geän-dert hat … Erste Proben gibt es vielleicht an der ViniSud Ende Februar in Montpellier.

    Stephan Reinhardt 01. Februar um 22:13

    Habe heute den 08er «Enfant perdu» verkostet. Er ist dramatisch anders, feiner, frischer, filigraner, puris-tischer, eleganter, länger und ausgewogener als der 07er. Teufelskerle, was habt ihr verändert, wo stam-men die Trauben für den 08er her? Calce? Burgund?

    Marcel Bühler 01. Februar um 23:04

    Die Trauben für den «L'enfant perdu» sind in etwa im-mer dieselben. Er setzt sich aus etwa einem Viertel Lla-doner Pelut (oben in Cassagne gewachsen) und je ei-nem Viertel Grenache, Carignan und Syrah zusammen. Syrah und Carignan stammen hauptsächlich aus Cara-many und Rasiguères sowie ein kleinerer Teil aus La-tour de France und zwei höheren Lagen über Estagel. Einzig der Grenache wächst in Maury, wobei wir nur

    HRraritätendegustationen

    IMMER: Mittwoch | 18:30 | 12 Weine Mövenpick Caveau Nüschelerstrasse

    Bündnerstube | Zürich

    Info / Anmeldung: +41 55 4220661 | [email protected] | www.tastings.ch

    Degu-Termine 20101. Legendäre Weine

    27. Januar inkl. 1961 Latour & 1937 Yquem CHF 1750 / € 1200.-

    2. Super Tuscan’s 1990-2000 24. Februar Sassicaia & Ornellaia & Solaia CHF 450 / € 320.-

    3. Tokajer - legendäre Süßweine 24. März inkl. 1869 6 Puttonjos & 1889 Szamorodny CHF 800 / € 570.-

    4. 100 Jahre Bordeaux 21. April inkl. 1934 Haut Brion & 1934 Latour CHF 900.- / 640.-

    5. Best of Richters Sauternes 26. Mai inkl. Suduiraut 1929 & Yquem 1929 CHF 1250.- / € 890.-

    6. Große Burgunder von 1910 – 1970 23. Juni inkl. 1947 Chambertin VDM & 1915 Chambolle Musigny CHF 490.- / € 350.-

    7. Massandra Teil 1 22. September inkl. Cabernet Sauvignon Port 1895 CHF 550.- / € 390.-

    8. Best of California 20. Oktober inkl. 1974 Martha’s & 2000 Harlan CHF 690.- / € 490.-

    9. Grandiose Süssweine der Welt 24. November inkl. 1982 Suduiraut Crème de Tête CHF 550.- / € 390.-

  • 12W E I N W I S S E R N° 2/2010

    DOMAINE DES ENFANTS WEINCLuB BERLIN

    zwei wirklich wärmere (Süd-)Lagen haben und alle an-deren zumindest Ost- oder gar Nordhänge sind. Haupt-sächlich kommen da die Trauben unserer jüngeren Weinberge rein (durchschnittlich rund 25 Jahre alt), und nur ca. ein Drittel ist von älteren Reben, einfach weil ich 60 % alte Weinberge habe und so viel Erstwein nicht brauchen kann. Und dann gibt's natürlich auch bei den alten bessere und schlechtere Lagen. Der 08er kommt meinen Vorstellungen schon sehr nahe, aber der 09er wird noch interessanter; wir haben viel versucht bei der Vinifikation, den Carignan viel mit ganzen Trauben vergoren, den Syrah mit Stielen etc., um die Finesse und Komplexität noch zu erhöhen. Wir wissen mehr über unsere Lagen und mehr über die Fässer und set-zen sie mittlerweile auch dezenter ein … Aber ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis des 08ers und die Erstweine werden richtig grossartig!

    Zu 2007 wäre noch anzumerken, dass wir damals nicht rechtzeitig mit der Lese anfangen konnten, weil die «Super»-Zementcuves der Firma Nomblot statt, wie vorgesehen, Mitte Juli erst Mitte Septem-ber und auch dann nur zur Hälfte ankamen. Die zweite Hälfte wurde dann am 25. September mitten während der Ernte geliefert. Bis sie dann drinnen und am Kühlsystem angeschlossen waren, vergin-gen auch nochmals ein paar nervenaufreibende Tage. Ich war schon froh, als die erste Lieferung kam, da kann man ja schon mal mit arbeiten. Da ich aber kein Vertrauen mehr hatte, ob denn die zweite Hälfte überhaupt jemals kommen würde, vinifizier-ten wir einfach alles, was wir nicht als erste Qualität betrachteten, in einer vom früheren Besitzer übrig-gebliebenen 83-hl-Cuve, was natürlich nicht die ur-sprüngliche Idee war. Der Grund für die Verspätung war übrigens eine «viel wichtigere» Bestellung – von Screaming Eagle. Die hatten zwar erst nach uns be-stellt, aber das ist eine andere Geschichte … In mei-nen Memoiren wird das Kapitel «2007» wohl «Nom-blot und die Wildschweine» heissen …

    Stephan Reinhardt 01. Februar um 23:06

    Wildschweine?

    Marcel Bühler 01. Februar um 23:17

    Die Wildschweine habe ich im ersten Jahr etwas un-terschätzt. Schon vor dem Farbumschlag und ehe wir Zäune aufgestellt hatten, fingen sie an, abzuern-ten und liessen sich zum Teil auch vom Strom nicht abhalten. Vor allem zwei Weinberge in Caramany wurden ziemlich in Mitleidenschaft gezogen. Ich war echt so verzweifelt, dass ich mir Bogen, Büchse und ein Nachtsichtgerät kaufen wollte … – auch des Zementgiessers wegen …

    Stephan Reinhardt 01. Februar um 23:33

    Danke den Schweinen und Screaming Eagle und ehre den Zementgiesser, eure beiden bislang zu ver-

    Am Gaumen lebendig und frisch, ja pikant, die Zunge an-pieksend, waldig-kühle Frucht-aromen, animierend und fines-senreich im Abgang. (21,50 EUR) 17/20 trinken –2014

    Alain & Isabelle Hasard, Burgund

    2007 Les Champs de l'Ab- baye Mercurey AC blanc «La Brigadière»: 13 Vol.-%. Kro-kant, gebrannte Mandeln, Ho-nignuancen und Fenchel, in seiner puristisch mineralischen Art an Gauby, Matassa und Horizon erinnernd. Am Gau-men klar und salzig, sehr fein und mit lebendiger Mineralität im Abgang, wiederum betö-rend puristisch und mit schö-ner, herrlich animierender Län-ge. (24,60 EUR) 17/20 trinken –2015 Bezug: alleswein.com

    Domaine de l'Horizon, Roussillon

    2007 Vin de Pays Côtes Cata-lanes blanc «Le Patriot»: Die-ser Wein des deutschen Önolo-gen Thomas Teibert ist der Ver-such, in der neuen Heimat ei-nen feinen, filigranen deut-schen Rieslingtyp mit urtümli-chen Rebsorten des Roussillon zu kreieren. Vornehm verhalte-ne, sehr klare, feinfruchtige und salzige Nase, absolut pur, filigran und natürlich. Am Gaumen saftig-elegant, ange-nehm füllig, mit leichter Fruchtsüsse, salzigem Mineral und nachhaltig saftigem Ab-gang. Kein Riesling, but a kind of. (19 EUR) 17/20 trinken –2016

    Domaine du Clos du Rouge Gorge, Roussillon

    2006 Clos du Rouge Gorge Vin de Pays des Côtes Catala-nes rouge: Burgundisches Pur-purgranat. Auch mit einigen Stunden Luft noch verhalten

    im Bouquet und etwas reduk-tiv, jedoch hintergründig mit präzisen und sehr fein gezeich-neten Fruchtaromen, vor allem Sauerkirschen und Waldbrom-beeren, ebenso florale und de-zent erdige Noten. Am Gau-men mit verblüffender Finesse, Filigranität, mineralischer Pu-rezza und Frische, von der Idee her zweifellos einer der – wenn nicht sogar derjenige welche – burgundischsten Weine, die wir je ausserhalb von Burgund getrunken haben. Hinreissend delikat und balanciert, kühle Seide mit einer, nun ja, trocken anmutenden Süsse und einer lang anhaltend feinherben Kirschnote. Völlig schwerelos, ein Wunder an Feinheit und Eleganz. Und doch ist hier auch Struktur, Kraft und Aus-druck. Lang anhaltend salzig und ganz zum Schluss eine edle süsse, sogar hauchzart ge-backene Fruchtreife, die dem Asketen eine Sinnlichkeit mit-gibt, die im höchsten Masse verführerisch ist. Genialer, in hochgelegenen Nordostlagen von Latour de France auf Gneisböden gewachsener Wein von alten Grenache- und Cari-gnan-Reben des jungen Biody-namikers Cyril Fhal! Gebt ihm meinetwegen 17/20, der Wein-Wisser gibt mehr. (28,80 EUR) 18+/20 trinken –2020 Bezug: alleswein.com

    Roc d'Anglade (Rémy Pédréno), Gard

    2007 Roc d'Anglade Vin de Pays du Gard blanc: Die Weine von Rémy Pédréno hatte Hori-zon-Teilhaber und Feinwein-händler Joachim Christ mit an (vielmehr: unter) seinen Tisch gebracht und ausgeschenkt, als alles andere, bis auf Wasser, zur Neige getrunken war. Kult-Chenin-Blanc der französi-schen Gastronomie. Sehr salzi-ge Nase. Überaus fülliger, fast mastiger Körper, intensiv, süss und lang, aber nicht fett, sehr nachhaltig. (23,50 EUR) 18/20 trinken –2015

    2007 Roc d'Anglade Vin de Pays du Gard rouge: Ein fruchtintensiver, verführeri-scher und sinnlicher Rotwein in perfekter Balance. Dunkles Kirschrot. Sehr klares und in-

  • 13W E I N W I S S E R N° 2/2010

    WEINCLuB BERLINDOMAINE DES ENFANTS

    tensives Fruchtbouquet mit hauchzarter Würze von Lakritz und Tabak, ansonsten Omas ge-backener Streuselkuchen mit sämtlichen Waldbeeren, Cassis-Campino-Bonbon, optimale Reife. Intensive Cassis- und Blaubeernoten am vollen Gau-men, ein Füllhorn optimal aus-gereifter Beeren, lebendige, feinseidige Textur mit subtiler Säure und burgundischer Fi-nesse, edles Fruchtfeisch, sehr sanftes, reifes, saftiges Tannin, dies alles auf feinstem minerali-schem Grund. (31,50 EUR) 18/20 trinken –2018 Bezug: alleswein.com

    Olivier Jullien, Languedoc

    2006 «Les états d'âme» du Mas Jullien Coteaux du Langue-doc AC: Dunkles Kirschrot. Fri-scher, intensiver Beerenduft, rei-fe Holunder-, Blau- und Brom-beeren, tolle Aromen, frisch und einladend. Auch am Gaumen von seidiger, herrlich intensiver und wiederum frischer Beeren-frucht, geradlinig, mit reifer, fei-ner Säure- und Tanninstruktur, Beerenschalen, am Gaumen wie im Nachklang die reine Frucht (Blaubeeren!), perfekte Balance, animierender Wein, der jeden Tag Spass macht und trotz 13,5 Vol.-% mittelgewichtig und er-frischend ist. (16,30 EUR) 17/20 trinken –2014

    2006 Mas Jullien Coteaux du Languedoc AC: 13,5 Vol.-%. Bemerkenswert feines und fri-sches, dabei perfekt gereiftes und konzentriertes Beerenbou-quet, das fast schon ans Bur-gund denken lässt. Intensives Schwarzrot. Tiefe, reife, inten-sive dunkle Beerennoten mit einem Hauch von Mokka und Lakritz, gekochte Blaubeeren, Tresterhut. Am Gaumen kör-

    perreich, fleischig und frucht-intensiv, mit perfekter Frucht-reife, feiner, erfrischender Säu-re und ultrafeinem Tannin, sehr elegant und seidig, gerad-linig und pur, mit subtiler mi-neralischer Finesse. Zieht im Abgang gut zusammen und zeigt im Nachklang florale No-ten sowie Holunder- und Blau-beeren mit Kirschen, bleibt an-haltend frisch und nervig. Ein herausragender Trinkgenuss und ein Kunstwerk, das man ob seiner charmierenden Art nicht unterschätzen sollte. (24,80 EUR) 18/20 trinken –2016 Bezug: alleswein.com

    Albert Boxler, Elsass

    2007 Pinot Blanc Alsace AC: 12,5 Vol.-%. Sehr klare, fein-würzige Nase, Pilze, paniertes Gemüse. Brillanter, salzig-wür-ziger Gaumen, pur, mit Spiel und pikanter Frische. (12 EUR) 16+/20 trinken –2015

    2007 Pinot Gris Alsace AC: Feine, klare und frische Frucht, dezenter Botrytisduft, Salz. Am Gaumen körperreich, mit viel Spiel und herrlicher Frucht, sehr fein und nervig, kein Ba-rockbauwerk, sondern baro-cker Tanz, nachhaltig, die Rest-süsse dient der saftigen Frucht und Harmonie. (18,20 EUR) 17/20 trinken–2018

    2007 Gewürztraminer Al-sace AC: 13,5 Vol.-%. Traum-haft klare, zu Gold gereifte, mi-neralisch unterlegte Traminer-Frucht, viel Litschi und tau-send Rosenblätter. Am Gau-men klar, füllig und aroma-tisch präzise, konzentriert, mit mineralischem Spiel und fruchtiger Süsse, saftig und nachhaltig. (20,19 EUR) 18/20 trinken –2022 Bezug: alleswein.com

    kostenden 2008er – «Tabula rasa» und «L'enfant per-du» – sind richtig, richtig gut. Die Säure im verlore-nen Kinde ist formidabel. Ihr seid da auf dem richti-gen Pfad, wie mir scheint. Nur weiter so.

    Mal was anderes: Bist Du Schweizer? Du sagst, Du seist an der ViniSud, ich aber bin auf ihr. Und über-haupt, wie bist Du hingekommen, wo Du jetzt bist?

    Marcel Bühler 01. Februar um 23:45

    Freut mich sehr, dass Dir die Weine gefallen, bedeu-tet mir sehr viel, weil es mir zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

    Und ja, wie Du richtig erkannt hast, bin ich Schweizer (aus Zürich). Eigentlich bin ich der Mei-nung, dass man mir das kaum anhört, aber dann gibt es doch immer wieder diese Fallen … z. B. par-kiere und grilliere ich anstatt zu parken und zu gril-len. Auf jeden Fall war ich bis im Jahre 2001 bei ei-ner Schweizer Grossbank tätig. Meine Eltern haben nichts mit Wein oder so zu tun, das war nur eine Lie-be von mir. Und da ich früher mal Gärtner werden wollte, war Winzer nur konsequent. So machte ich im Frühjahr 2003 ein Praktikum bei Georg Fromm in Malans, später auch in Neuseeland, und im Herbst des Jahres begann ich mein Weinbau- und Keller-technikstudium in Geisenheim. Im Sommer 2006 fing ich an, mich nach Weinbergen umzuschauen, vor allem im Priorat und im Hérault (Montpeyroux und Pic St. Loup), bis mir in einem Restaurant in Gratallops ein französischer Kellner sagte, er würde, wenn er was suchen würde, im Roussillon schauen, was ich dann auf der Rückfahrt auch machte und hier hängen blieb. Das Lustige daran ist, dass dieser Kellner von damals ein halbes Jahr später hier auch Reben gekauft hat. Er heisst Arnaux Tremblais vom Weingut Clos du Nord. Im Herbst 2006 war ich fer-tig und fing direkt in Südfrankreich an. Als Diplom-arbeit gab ich die Unternehmensplanung ab und als Praktikumsbetrieb meinen eigenen mit meinem Mit-arbeiter als Ausbildner.

    2008 «Tabula rasa» Vin de Pays Côtes de Catala-nes, Domaine des Enfants, Maury: 13,5 Vol.-%. Blend von Grenache Blanc und Gris, Macabeu und Carig-nan Blanc. Bühler: «Diese Sorten finden sich verein-zelt und verteilt in den alten Rotweinanlagen und wir lesen sie bei optimaler Fruchtreife selektiv aus. Die genauen prozentualen Anteile sind daher nicht bekannt. Die Trauben werden sodann schonend und traditionell mit den Füssen gestampft und anschlies- send mit unserer Korbpresse gekeltert. Nach der na-türlichen Sedimentation wird der Most in 400-l-Fäs-ser überführt, wo er auf die Fermentation wartet. Die Weine werden nach der Gärung auf der Feinhefe ausgebaut und mit einem Minimum an Schwefel nach einem Jahr gefüllt.» Messingfarben. Noch stark hefig, aber auch reif und puristisch, ein veritabler Terroirbote. Elegant am Gaumen sowie im noch hefi-gen Abgang, brillante Frucht, tiefer, mineralischer Unterbau mit feinem Säurenerv, salzig und durch keinerlei alkoholische Wucht in seinem feinen Puris-mus beschädigt, lang anhaltendes Finale. Einer der besten Weissweine, die wir in der Region je getrun-

  • 14W E I N W I S S E R N° 2/2010

    DOMAINE DES ENFANTS

    «Der Beruf des Künstlers und die Stadt Berlin bringen es mit sich, dass man mit Wein in Berührung kommt – guten Weinen», sagt Nika. Und da er der Meinung ist, dass es nicht nur früher, sondern auch heute möglich sein muss, in seinem Heimatland Georgien grosse Weine zu erzeugen, wollte er es ausprobieren. Seine Familie, allesamt Physiker, hatte zwar etwas dagegen, aber da sich ihr Spross schon als Künst-ler durchgesetzt hatte, lies- sen sie ihn auch jetzt ge-währen.

    Und so startete Nika Bakhia im Jahr 2005 sein Weinprojekt und veran-kerte so nicht nur die Kunst, sondern auch die Natur in seinem Leben. In Anaga im Alasani-Tal (Kakhetien) kaufte er einen alten Hof mit über 100-jähri-gen Tonamphoren, noch dazu ei-nige Ar, inzwischen auf zwei Hek- tar ausgedehnte Rebparzellen in einer der besten Lagen Ge-orgiens: Zarapi, welche die Dörfer Kardenakhi, Anaga und Bakurtchikhe miteinander verbindet. Die Reben sind zehn Jahre alt, in naher Zukunft hofft Nika auf eine jährliche Pro-duktionsmenge von 10 000 Flaschen zu kommen. Sein Premi-erenjahrgang 2007 ging «voll daneben», wie der Autodidakt gesteht (allerdings kaum denjenigen, denen er den Wein ver-schenkt hat). Der zweite Versuch aber, den uns der Künstler in Berlin vorstellte, traf bereits ins Schwarze. Der 2008er NIKA ist ein tintenfarbener Rotwein aus der georgischen Sorte Saperavi, der über ein bis zwei Jahre traditionell in Amphoren ausgebaut wird. Nika füllt ihn, je nach Nachfra-ge, in drei Partien. Wir kosteten von der ersten Abfüllung.

    2008 NIKA Anaga Saperavi, Nika Bakhia, Georgien: Kirsch-rot. In der Nase eine faszinierend klare, fleischige, würzige Kirschfrucht, die mit zunehmender Luft herrliche mediter-rane Kräuternoten sowie Aromen von roh geräuchertem Pfefferschinken und Kaffeepulver entwickelt. Saftig und mit purer, konzentrierter Frucht am Gaumen, deren Natür-lichkeit und feinwürziger Geschmack an nichts als reife und gesunde Trauben, an Natur pur denken lässt. Voller Körper, würziges Tannin – ein unvergleichlicher Charakter-wein im Babystadium. Für Neugierige mit offenen Hori-zonten. (25 EUR) 17/20 2011–2020Infos: www.nika-page.de, Bezug: www.viniculture.de

    NIKA – der ausdrucksvolle Rotwein des georgischen Künstlers Nika Bakhia Nika Bakhia ist ein in Tbillissi in Georgien geborener Künstler, der heute überwiegend in Berlin lebt und arbeitet. Kennengelernt haben wir den 38-Jährigen im Gewölbekeller der Bockbrauerei in Berlin wäh-rend der Weinparty von viniculture, auf der er sei-nen Rotwein NIKA präsentiert hat. Wie aber kommt ein gut beschäftigter Bildhauer, Maler, Architekt, Designer und Kunstdozent zum Weingut?

    ken haben. «Wenn sie gut gemacht sind, dann ber-gen die Weissweine aus dem Roussillon ein unge-ahntes Potenzial: Eleganz, Power und eine eigene Lebendigkeit!» (Alex Zülch, ehem. Mitarbeiter der Domaine, via Facebook) 18/20 trinken –2014

    2007 «L'enfant perdu» Vin de Pays Côtes de Cata-lanes rouge, Domaine des Enfants, Maury: 14,5 Vol.-%. Grenache, Carignan, Lladoner Pelut und Syrah von eher jüngeren, 5- bis 50-jährigen Reben in Caramany, Rasiguères und Cassagne; Ausbau teils im Eichen-fass (300–600 l), teils im Zementcuve, firmiert guts-intern als «Zweitwein». Klares, fleischiges, sehr stof-figes Bouquet von reifen Früchten, eingelegte Herz-kirschen, süsse Brombeeren, Zimtpflaumen, zarte Würze, Lakritz. Warmtönig-süsse Fruchtfülle mit seidig-samtiger Textur und feinsandigem Tannin, elegant, aber auch recht wuchtig, der Alkohol macht sich ziemlich prompt und auch nachhaltig bemerk-bar, betäubt ein wenig die Schleimhäute. Dennoch versöhnt die generöse Fülle. (29,80 CHF) 16/20 trinken –2013

    2008 «L'enfant perdu» Vin de Pays Côtes de Cata-lanes rouge, Domaine des Enfants, Maury: 14,5 Vol.-%. Cuvée von alten Grenache- und Carignan-Parzellen sowie Syrah, die 18 Monate in französischen Fässern verschiedener Grösse ausgebaut wird. Schönes Pur-purgranat mit aufhellendem Rand. Hinter einem an-fänglich hauchzarten Mokkaschleier sehr klare und vornehme Kirsch- und Himbeeraromen, die von per-fekt gereiftem und gesundem Lesegut zeugen, hin-tergründig mineralische Noten, mit zunehmender Dauer Lakritz. Bereits im Duft ein dramatischer Qualitätssprung gegenüber dem 2007er. Konzent-riert, dabei seidig, elegant und ausgewogen am Gau-men, überaus nachhaltig und intensiv in der weiter als Kirsche auftretenden Frucht, dabei frisch (die Säure ist wirklich bemerkenswert!) und mit sehr fei-nem Tannin. Ein körperreicher, dichter, dabei herr-lich finessenreicher und verführerischer Wein für hohe Ansprüche. Langer, unglaublich animierender Nachhall mit viel Lakritz. 18/20 trinken –2015

    2007 «Suis l'étoile» Vin de Pays Côtes Catalanes rouge, Domaine des Enfants, Maury: 14 Vol.-%. Bläuli-ches Purpur. Klare und vergleichsweise kühle, präzi-se schwarze und rote Beerenaromen, intensiv, stoffig und mürbe, zart rauchige Tabaknoten. Elegante, sei-dig-würzige Textur mit merklich mehr Neuholz, aber auch Frische und Finesse als der Zweitwein, wirkt fester und animierender, benötigt jedoch noch ein, zwei Jahre Flaschenreife. (59 CHF) 17/20 2011–2015

    2007 «La larme de l'âme» Vin de Pays Côtes Cata-lanes rouge, Domaine des Enfants, Maury: 14 Vol.-%. Nur in aussergewöhnlich guten Jahrgängen erzeugte Assemblage der besten, einzeln vinifizierten Lagen. 50 % Syrah aus neuen Barriques, je 25 % Carignan und Grenache aus 600-l-Fässern, 1 500 Flaschen. Tin-tenrote Farbe. Klares, intensiv schwarzbeeriges Bou-quet mit verführerischer Frucht und einem Touch von Lakritz und Waldpilzen. Fruchtintensiver Gau-men mit saftiger Fülle und dichter, perfekt gereifter Frucht mit guter Tanninstruktur, recht stoffig. Gute Länge, allerdings weniger komplex als erhofft. (89 CHF) 17/20 2011–2017Mehr Infos: www.domaine-des-enfants.com Bezugsquellen: CH: bauraulacwein.ch, finespirits.ch; D: Liberté, Rathausplatz 7, D-77731 Willstätt, Tel. +49 7223 800 45 32

  • 15W E I N W I S S E R N° 2/2010

    sr. – Anfangs nur aus gekauften Trauben produziert, liegt der Anteil eigener Shiraz-Trauben inzwischen bei 60 Prozent. Je mehr eigene, in kühlen Südostlagen der Houw Hoek Mountains (Walker Bay) gewachsene Trauben den Luddite geprägt haben, desto feiner wurde er; die unterschiedlichen Jahrgangscharakte-ristiken hat er immer schon eindrucksvoll zur Gel-tung gebracht. Anfangs mit einer Auflage von 6 000 Flaschen eher ein Geheimtipp, sind es heute, je nach Jahrgang, gut distribuierte 20–28 000 Flaschen.

    Der über ein Jahr in grösstenteils französischen Barriques (Neuholzanteil: mind. 25 Prozent) ausge-baute Wein ruht mindestens ein weiteres Jahr auf der Flasche, bevor er die im November 1999 gegrün-dete Kellerei verlässt. Der grosse 2006er ist gerade erst im Handel eingetroffen und verkörpert die Idee des Luddite nahezu perfekt: stabil dunkel in der Far-be, würzig in Duft und Geschmack, reich, tief und fein in der Struktur, ausgeruht und ausbalanciert vom Charakter – der Luddite ist eine Shiraz-Ikone längst nicht mehr nur in Südafrika.

    2000 Luddite Shiraz: Heisser Jahrgang, Lese zwi-schen 22.2. und 8.3., traditionell im Zementtank ver-goren mit sechs Punch-downs pro Tag, in Barriques ausgebaut, erzeugte Menge: 6 000 Flaschen, 14,1 Vol.-% Alk. Reiche, sehr noble und süsse, kirschig-florale Frucht mit wunderschöner Fleisch- und Ka-kaonote und einem blutigen, kühl-mineralischen Touch im Hintergrund; mit zunehmender Luft Tro-ckenfrüchte und -blumen sowie Tabaknoten. Im

    Balancierte Kraft: Niels Verburg und sein phänomenaler Luddite Shiraz

    Luddite – die Shiraz-Ikone vom KapSeit dem Jahrgang 2000 erzeugt Niels verburg einen der eindrucksvollsten Shiraz-Weine Südafrikas: Luddite. Im Hamburger Restau-rant «Artisan» hat der Winzer alle bislang er-zeugten Jahrgänge der Reihe nach vorgestellt. «Acht Jahrgänge sind nicht gerade viel für eine vertikale, aber sie zeigen doch die Ent-wicklung dieses Weins auf», hoffte verburg eingangs – und sollte recht behalten.

    sr. – Norbert Schu, Inhaber des Hannoverschen Spitzenrestau-rants «Die Insel», hat seinen grandios bestückten Weinkeller mal wieder um einige hinreis- sende Weine erleichtert. Einge-laden hatte der gebürtige Mose-laner und gelernte Koch zu ei-nem Novemberabend mit nam-haften 1996er Weissweinen aus 1er-Cru-Lagen der Appellatio-nen Meursault und Puligny-Montrachet sowie zwei Grands Crus: Bâtard-Montrachet und Montrachet. Zur Einstimmung wurde anstatt eines 96er Cham-pagners jedoch ein erstaunli-cher 2001er Bourgogne AC ge-reicht.

    2001 Bourgogne Chardonnay AC, Domaine Leflaive, Puligny-Montrachet: Feines Frucht- bouquet mit dezenten Hefe- und Karamellnoten. Erstaunlich komplex strukturierter, lang an-haltender Gaumen, überaus frisch und lebendig. Dem Eti-kett nach als Regionalwein ein absoluter Tiefstapler. Aber man muss wissen, dass Anne Claude Leflaive neben Villages-Lagen vor allem 1ers und Grands Crus besitzt. Die Trauben jüngerer Reben – hier aus den Parzellen «Les Houillères» (1979 und 1982 gepflanzt) und «Les Parties» (1998, 1999, 2003), verarbeitet sie für diesen exzellenten, aber auch teuren Bourgogne blanc. 17/20 trinken –2012

    1996 Corton Charlemagne, Louis Jadot: Zwei unterschiedli-che Flaschen verkostet. Die ers-te zeigte eine modrige, aber nicht korkige Nase. Am Gau-men war der Wein sehr klar und puristisch-mineralisch, fein-gliedrig und subtil, überaus fi-nessenreich und lang anhaltend (17/20). Viel besser aber war die zweite Flasche: Klare Frucht, feine Rosine, erinnert in der rei-fen und getrockneten Apfel-frucht und in den Hefenoten an reifen Jahrgangschampagner. Am Gaumen dicht, fein und ele-gant, reichhaltiger und mit deutlich mehr Frucht, Süsse und Exrakt als die vorangegan-gene Flasche. Enorm tief, filig-ran und lebendig. Eine faszinie-

    rende Kombination aus Purezza und Finesse mit Komplexität und Länge. 18+/20 trinken –2015

    1996 Meursault 1er Cru Les Rougeots, Coche-Dury: Kräftige Strohfarbe. Intensive, sehr ge-reifte Nase mit üppig-dichter Frucht, an hochreife und geba-ckene Trauben erinnernd, ge-kochtes gelbes Kern- und Stein-obst, etwas Pilzaromen, zart buttrig, feinwürzige Kräuterno-ten. Am Gaumen dicht, kom-plex und salzig, sehr lang, aber auch ziemlich wuchtig, in der Frucht wie in der Säure schon etwas welk, bleibt ohne die sonst übliche Klarheit, Finesse und Frische, zeigt stattdessen getrocknete Kamille- und Kräu-ternoten. Für einen Coche ent-täuschend. 17/20 austrinken

    1996 Meursault 1er Cru En Barre, Domaine Jobard: Helles Strohgelb. Etwas stallige Nase, Schweinekrustenbraten, zarte Kräuternoten. Am Gaumen klar und sehr mineralisch, aber mit (zu) wenig Fleisch und Fett, deutlich frischer als der Coche, aber auch hart und etwas grün im holzbetonten Tannin, im Ab-gang mit deutlicher Haselnuss-note und etwas trocknend. 16/20 trinken –2013

    1996 Puligny-Montrachet 1er Cru Le Clavoillon, Leflaive: Un-klare, etwas diffuse Nase, leich-ter Oxidationston, der sich auch am Gaumen bemerkbar macht. Ansonsten sehr fein und filig-ran, mit hefig-karamelligem Gaumen, sehr lang, aber nicht ausladend. Die zweite Flasche war aber wesentlich stärker: Su-per klare und frische, präzise, feinwürzige Nase. Auch am Gaumen pur und von beste-chender Präzision, fest, kom-plex und absolut unverbraucht, mit grandios animierender Mi-neralität und gewaltiger Länge. Verfügt noch über ein erstaunli-ches weiteres Entwicklungspo-tenzial. Ganz grosser, eleganter Wein! 19/20 trinken –2018

    1996 Puligny-Montrachet 1er Cru Les Folatières, Leflaive: Reifere Farbe. Sehr reife und hochreife Frucht, Orangenzes-ten, gebackene Trauben. Am

    Grosse weisse 1996er Burgunder

  • 16W E I N W I S S E R N° 2/2010

    1996ER BuRGuNDERLuDDITE SHIRAZ

    Gaumen weich, ziemlich stoffig und lang, reicher, süss-pflaumiger Geschmack mit Leder, Kakao und vor allem Lakritz im Abgang, seidiges Tannin. Trotz seiner enormen, auch vom Alkohol stammenden Süsse wirkt der 2000er Erstling nicht mastig, son-dern durchaus lebendig und seidig. Im Abgang et-was antrocknend. 17/20 trinken –2012

    2001 Luddite Shiraz: Kühler Jahrgang mit langer Reifeperiode und ausgewogenen, eleganten Weinen. Lese zwischen 24.2. und 27.3., 14 Monate Bar-riqueausbau, 6 000 Flaschen, 14 Vol.-% Alk. Enorm duftiges, florales Bouquet von Veilchen und Lakritz, feine dunkle Beeren, etwas Rauchfleisch, weit weni-ger süss und füllig in der Nase als der 2000er, dafür aber betont fein und Rhône-like. Am Gaumen ausge-wogen, elegant und finessenreich, schwarzes Pâte de fruits von Brombeeren und Cassis mit delikater Ka-kaonote sowie Gewürz- und Kräuternoten, seidiger Trinkfluss dank feinem Säurenerv und edler Tanni-ne, lang. 17/20 trinken –2014

    2002 Luddite Shiraz: Überdurchschnittlich warmer und trockener Jahrgang mit früherer Lese als sonst (im Falle des Luddite: 27.2. und 1.3.) und in der Re-gel sehr körperreichen Weinen. Wegen Mehltaus in der Stellenbosch-Region enthält dieser Luddite erst-malig zugekauften Shiraz aus Malmesbury, und zwar zu einem grossen, sehr reifen und konzentrier-ten Teil, der den Charakter des zudem mit etwas Ca-bernet Sauvignon gewürzten Weins deutlich verän-dert. 12 600 Flaschen, 15,5 Vol.-% Alk. Tiefes, sehr sü-sses und hochreifes Fruchtbouquet von Pflaumen und dunklen Beeren, weniger würzig und floral als die Vorgänger, aber wieder mit dichten süssen Lak-ritznoten. Mit zunehmender Luft an den Saft ge-trockneter Steinpilze sowie an Teer und geschmolze-nes Lakritz erinnernd. Stoffig-elegante Samt- und Seidetextur, im Abgang jedoch etwas bitter und antrocknend im Tannin, nicht ganz so rund und ele-gant wie die drei Vorgänger. Bald trinken. 16/20 trinken –2011

    2003 Luddite Shiraz: In Südafrika ein recht kühler Jahrgang mit langsamer Reife und duftig-eleganten Rotweinen. Im Falle des Luddite der erste Jahrgang, der mit Pigeage und Remontage sowohl in Stahl wie auch Zement vergoren wurde. Biologischer Säureab-bau im Stahl, Ausbau während eines Jahres in fran-zösischen (75 %) und amerikanischen Barriques (25 % neu). Trauben aus Malmesbury (am 24. und 25.2. gelesen) und Stellenbosch (10. bis 12.3.), 21 600 Flaschen, 14 Vol.-% Alk. Generöses, dabei feines, flo-rales Bouquet mit vielfältigen Duftnoten wie Veil-chen, würziges Lakritz, Pfeffer, Rauch, dunkles ro-hes Fleisch, dazu ein Hauch Minze und Thymian so-wie geschmolzene dunkle Schokolade. Dichter, ele-ganter, sehr süsser und ziemlich weicher, harmoni-scher Gaumen, das Tannin ist reif, aber noch etwas mehlig, der Wein schliesst mit rotbeeriger Süsse und einigen Finessen. Eleganter, generöser, eher «weibli-cher» Luddite mit viel Potenzial, der sich aber auch jetzt schon gut trinken lässt. 17/20 trinken –2016

    2004 Luddite Shiraz: Das warme Wetter während der Reifezeit der Trauben legte die Basis für fruchtin-tensive 2004er-Rotweine mit reifen Tanninen. Erst-malig wurden in diesem Luddite neben den obliga-torischen Trauben aus Malmesbury und Stellenbosch auch Trauben aus Bot River (Walker Bay) verarbei-

    Gaumen vollmundig und süss, dabei absolut rein und salzig, in der ausgeprägten Mineralität schon beinahe trocknend. Ein komplexer, lebendiger, aber noch immer fordernder Wein. 18/20 trinken –2015

    1996 Puligny-Montrachet 1er Cru Les Pucelles, Leflaive: Grandios saftige Nase, intensiv nach gelbem Fruchtmousse. Stoffiger, konzentrierter und komplexer Gaumen, sehr mi-neralisch und kompakt struk-turiert, kreidestaubig, kräftig, frisch und lebendig, enorm spannungsreich und lang an-haltend salzig. 19/20 2011–2015

    1996 Puligny-Montrachet 1er Cru Les Combettes, Leflai-ve: Grandios klare und edle Nase mit feinsten Karamellno-ten und frischem Zitrushauch. Extrem präzise und klar am Gaumen, faszinierend fein-gliedrig und feinfruchtig, ver-spielt und fest zugleich, enorm facettenreich und elegant, zeigt eine zunächst schlank wirken-de Anmutung, entwickelt dann aber eine phänomenale Länge. Ein hochfeiner Gigant! 19+/20 trinken –2016

    1996 Bâtard-Montrachet Grand Cru, Leflaive: Phänome-nal brillantes, puristisch-mine-ralisches Bouquet mit strahlend feiner Frucht, klaren Kalkaro-

    men, von erhabener Reintönig-keit, saftig. Am Gaumen filig-ran und facettenreich, dabei so klar, jung und einladend, als wäre er gerade erst gefüllt wor-den. Im Geschmack überaus vielschichtig, lebendig und lang anhaltend, ohne jede Vorder-gründigkeit, hochelegant. Ein geniales, unvergessliches Trin-kerlebnis! 20/20 trinken –2025

    1996 Montrachet Grand Cru, Leflaive: Intensive Farbe. Sehr tiefe und reiche Frucht, wun-dervoll reif, dabei extrem präzi-se und fein, zarte Hefenoten und geröstete Mandeln. Gross dimensionierter Gaumen, kör-perreich, konzentriert und kraftvoll, von grandioser Tiefe und elegant-saftiger Fülle, in der Mineralität wie im Tannin aufgrund des noch immer em- bryonalen Zustands noch etwas antrocknend. Ein genia- ler, hochkomplexer, noch ver-schlossener Wein, mehr eine Verheissung auf einen in eini-gen Jahren grandiosen Wein. 20/20 2014–2025

    1996 Le Montrachet Grand Cru, Louis Jadot: Mittleres Gold. Welke Nase. Am Gaumen Trockenfrüchte, bei kräftigem Körper trotz der – isoliert ste-henden – Säure kaum noch le-bendig, uninspiriert und trock-nend. 16/20 vorbei

    Das Glas zur Partysr. – Die entscheidende Frage vor jeder Party: Welches Glas nimmt man, ohne nach dem Fest womöglich das Haushaltskon-to plündern zu müssen? Es muss robust sein und viel aushalten können und sich nach Möglichkeit für Weiss- und Rotweine gleichermassen eignen. Es soll aber natürlich auch schick und modern sein, funktional sowieso, also: Aromen befördern und den Wein auf die richtigen Stellen der Zunge leiten. Billig sollte es natürlich auch sein, falls doch mal eines zu Bruch geht. Freunde, die eierlegende Glasmilchsau ist gefunden! Das klare, streng geformte Degustationsglas «Harmony 53» von Rastal (ca. 4 EUR) bringt selbst scheue Aromen intensiv und differen-ziert aus dem geschwenkten Glas mit Knick. Infos: rastal.com

  • 17W E I N W I S S E R N° 2/2010

    LuDDITE SHIRAZ

    tet. Die Lese war spät (zwischen 1. und 29.3.) und üppig, 28 000 Flaschen sind die grösste Menge, die es vom Luddite Shiraz bislang gegeben hat. Die küh-lere Gärtemperatur (24 °C) bewahrte die komplexen Fruchtaromen des Jahrgangs, während die 60 Tage währende Maischestandzeit nach der Gärung für das nötige Tanningerüst sorgte. 14 Vol.-% Alk. Tie-fes, harmonisches, fruchtintensives Bouquet mit flei-schig-weichen Kirsch- und dunklen Beerennoten, rund, aber nur wenig Würze zeigend. Sehr eleganter und ausgewogener, kirschfruchtiger und süsser Gau-men mit saftiger Textur, viel Kakao, Schokolade und deutlichen Cassisnoten sowie reifen, seidigen Tanni-nen. Ein edler, dekadenter Wein mit rauchig-specki-gen Noten im Abgang. 18/20 2011–2015

    2005 Luddite Shiraz: Sehr kühler Jahrgang mit lan-ger Reifezeit und frischen, eher klassischen Rotwei-nen, denen indes zumeist die Konzentration grosser Weine fehlt. Aufgrund der stabilisierenden hohen natürlichen Säure blieb Verburg im Keller nicht viel mehr übrig als kontrolliertes Nichtstun. Er