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1 Grundlagen und Umrisse eines Curriculums zur gendersensiblen und entwicklungsorientierten Leseförderung während der gesamten Schulzeit Prof. Dr. Christine Garbe Literaturdidaktisches Kolloquium WS 2011/12 Köln, den 20. Dezember 2011 Universität zu Köln Gliederung des Vortrages Teil I: Grundlagen eines gendersensiblen Lesecurriculums 1. Ein didaktisches Modell der Lesekompetenz und eine Systematik schulischer Maßnahmen zur Leseförderung (Rosebrock & Nix) 2. Die Entwicklungs-/Erwerbsperspektive: Ein Erwerbsmodell der Lesekompetenz (Graf; Garbe & Holle) Teil II: Umrisse eines Curriculums zur entwicklungsorientierten und gendersensiblen Leseförderung Leitfrage: Welches sind die wichtigsten Ziele und Maßnahmen zur Leseförderung in den verschiedenen Entwicklungsphasen? 1. Plateau 1: Vorschulische Entwicklung (0 – 6 Jahre) 2. Plateau 2: Grundschule bis Vorpubertät (7-12 Jahre) 3. Plateau 3: Pubertät und Adoleszenz (13-18 Jahre) 1. Ein didaktisches Modell der Lesekompetenz Rosebrock & Nix 2008, S. 16

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Grundlagen und Umrisse eines Curriculums zur gendersensiblen und entwicklungsorientierten Leseförderung während der gesamten Schulzeit

Prof. Dr. Christine Garbe Literaturdidaktisches Kolloquium WS 2011/12

Köln, den 20. Dezember 2011

Universität zu Köln

Gliederung des Vortrages Teil I: Grundlagen eines gendersensiblen Lesecurriculums 1. Ein didaktisches Modell der Lesekompetenz und eine Systematik

schulischer Maßnahmen zur Leseförderung (Rosebrock & Nix) 2. Die Entwicklungs-/Erwerbsperspektive: Ein Erwerbsmodell der

Lesekompetenz (Graf; Garbe & Holle) Teil II: Umrisse eines Curriculums zur entwicklungsorientierten und

gendersensiblen Leseförderung Leitfrage: Welches sind die wichtigsten Ziele und Maßnahmen zur

Leseförderung in den verschiedenen Entwicklungsphasen? 1. Plateau 1: Vorschulische Entwicklung (0 – 6 Jahre) 2. Plateau 2: Grundschule bis Vorpubertät (7-12 Jahre) 3. Plateau 3: Pubertät und Adoleszenz (13-18 Jahre)

1. Ein didaktisches Modell der Lesekompetenz

Rosebrock & Nix 2008, S. 16

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1. Literaturhinweis

Das wichtigste Buch zu den Methoden einer systematischen Leseförderung in der Schule:

Rosebrock, Cornelia; Nix, Daniel (2008): Grundlagen der Lesedidaktik und der syste-matischen schulischen Lese-förderung, Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren

(4. Aufl. 2011)

1. Eine Systematik der Dimensionen schulischer Leseförderung

Dekodier-übungen

auf Wortebene

Lautlese-verfahren

Viellese-verfahren

Lese- strategien trainieren

Sachtext-lektüre unter-stützen

Lese- animation

Literarisches Lesen

unterstützen

Automati-sierung

der Wort-

erkennung (hierarchie-

niedriger Bereich)

Verbesserung von

Lese-flüssigkeit

Steigerung der

Lese-leistungen und der Lese-

motivation

Verbesserung des

Lese-verstehens

domänen-spezifisches

Sprach-, Text- und

Weltwissen

Motivations-steigerung

und Selbst-

steuerung

Textsorten-kenntnis, Vertiefung

des Textver-stehens,

Intensivierung der subj.

Beteiligung

Aufbau des Sichtwort-schatzes

Sichtwort-schatz und

Sequenzieren von Sätzen

Selbststeue-rung auf Prozess-ebene,

Selbstbild als LeserIn

metakogni-tive

Steuerung, Überprüfen von Lese-prozessen

„Top-down“- Leistungen

beim Textver-stehen

indirekte (prozess-

ferne) Förderung;

Selbstbild als LeserIn

Top-down-Leistungen, literarisch-kulturelle

Praxis

Alphabeti-sierung

Deutsch-unterricht

plus Fach-

unterricht

Deutsch-unterricht

plus Schulkultur

Deutsch-unterricht

plus Fach-

unterricht

Fach-unterricht

plus Deutsch-

unterricht

Schulkultur plus

Deutsch-unterricht

Literatur-unterricht

Rosebrock & Nix (2008): Grundlagen der Lesedidaktik und der systematischen Leseförderung

Rosebrock, Cornelia; Nix, Daniel (2008): Grundlagen der Lesedidaktik und der systematischen Leseförderung. 2., korrigierte Auflage Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.

•  Wort- u. Satz- identifikation

•  lokale Kohärenz

•  globale Kohärenz

•  Superstrukturen erkennen

•  Darstellungsstrategien identifizieren

Subjektebene

Selbstkonzept als (Nicht-)LeserIn

•  Wissen •  Beteiligung •  Motivation •  Reflexion

Soziale Ebene

Anschluss- kommunikation

•  Familie •  Schule •  Peers •  Kulturelles Leben

Prozessebene

Lautleseverfahren

Sachtextlektüre unterstützen

literarisches Lesen unterstützen

Leseanimation

Vielleseverfahren

Lesestrategien Für: SchülerInnen mit Problemen auf der hierarchieniedrigeren Prozessebene und mit mangelhafter Leseflüssigkeit Formen: a) wiederholtes Lautlesen b) begleitendes Lautlesen

Für: angemessen Lesekompetente, aber nicht motivierte SchülerInnen Formen: Ansatz an 3 Ebenen a) Deutschunterricht (Leseecke, Vorlesen, etc.) b) Schulöffentlichkeit (Lesecafes, Projekttage etc.) c) öffentliche Institutionen (Bibliotheken, Lesungen)

Für: schwache und buchferne LeserInnen Formen: z.B.. Leseolympiade, Stille Lesezeiten etc.

Für: alle SchülerInnen, Verstehen von Sachtexten, Lernen an Texten Formen: a) Aufbau von Vorwissen b) Aufbau von Textsortenwissen

Für: SchülerInnen mit Verstehensproblemen Formen: a) Wiederholungs-, Ordnungs- und Elaborationsstrategien b) Metakognitive Strategien

Für: alle SchülerInnen Formen: a) Handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht b) traditionell-offene Unterrichtsgespräche (vgl. Ohlsen 2008), z.B. das Literarische Unterrichtsgespräch nach Härle (2004)

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2. Ein Modell gelingender Lesesozialisation aus der Lesebiografieforschung

2. Ein Erwerbsmodell der Lese-kompetenz (Garbe & Holle 2006)

2. Phasen der Lese-Entwicklung und Plateau-Überlappungen

KG 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

UnterstütztesLesen

SelbstständigesErlesen

Flüssiges/strategieorient.

Lesen

AdapFves/urteilsfähiges

Lesen

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2. Lesekompetenz als kulturelle Praxis und in der Sozialisationsperspektive

Hurrelmann 2002, S. 16

Konstruktion des Modells (Garbe, Holle 2006)

Lebensabschnitt (z.B. Frühe Kindheit / Vorschulalter; 0-6 Jahre)

Entwicklungsaufgabe (aus der Sicht des Kindes), z.B.

Ich möchte mich selbst, meine Erfahrungen und Erlebnisse, sprachlich artikulieren und mitteilen, und zwar mit allen Symbolträgern (flüchtige oder statische) im mündlichen (Sprechen und Zuhören) und im visuell-poietischen

Handlungsfeld (Darbieten und Zuschauen beim Spiel).

Ich möchte wissen, wie das mit dem Lesen und Schreiben bei den Erwachsenen funktioniert.

Erwartbare Kompetenzprofile (auf dem jeweiligen Plateau), z.B. Emergenz und Interpersonalität

Emotion/Motivation Kognition Anschluss-kommunikation

Plateau 1: „WIR lesen zusammen und ich spiele mit“ (erwachende Literalität / interpersonale Literarität)

Übergang Mündlichkeit - Schriftlichkeit‚ „prä- und para-literarische Kommunikation“, unterstütztes Lesen: Entwicklungsaufgaben

(Familie, Kindergarten, Schule bis 2. Schuljahr)

Erwachende Literalität: Situations­unabhängiges mündliches Erzählen, Entdecken des alphabetischen Prinzips

Interpersonale Literarität: (Schrift-) Sprache als Medium zum Spielen, Phantasieren, Symbolisieren von Emotionen

Die Kinder können selbst noch nicht lesen, machen aber in Vorlese- und Erzählsituationen relevante Erfahrungen mit schriftlichen Texten und erlernen das Lesen im schulischen Erstunterricht. Lese-Erfahrungen zu sammeln ist auf diesem Plateau nur mit ‚kompetenten Anderen‘ und als Spiel möglich: „WIR lesen zusammen und ich spiele mit.“

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Plateau 2: „ICH kann allein alles lesen, was mich interessiert“ (heuristische Literalität / autonome Literarität)

Übergang Dekodieren - Leseflüssigkeit‚ lustvolle und extensive Kinderlektüre, selbstbestimmtes Lesen: Entwicklungsaufgaben (Familie, peer group, Schule 1. bis ca. 6. Schuljahr)

Heuristische (= entdeckende) Literalität: Erlernen schrift-sprachlicher Konventionen, selbstständiges Lesen von Texten; Automatisierung der elementaren Lesevorgänge (Lesegeschwin-digkeit und –genauigkeit), Übergänge Lesenlernen - Lernen mit Hilfe des Lesens (learning to read – reading to learn)

Autonome Literarität: Erlebnisqualität des ‚eintauchenden‘ lustvollen Lesens zur Phantasiebefriedigung, Ausbildung eigener Lesevorlieben und Genrepräferenzen, Fähigkeit zur „Vorstel-lungsbildung“ mit Texten: Projektion, Empathie. Auf diesem Plateau werden zugleich wichtige lebensgeschichtliche Motiva-tionen zum lustvollen privaten Lesen ausgebildet, die den Kern eines stabilen Lese-Selbstkonzeptes darstellen.

Autonome Literarität / heuristische Literalität Erwartbare motivationale Kompetenzprofile

•  Aufbau und Befriedigung einer Genusserwartung bezüglich altersadäquater (v.a.) narrativer Texte durch extensives Lesen

•  Bereitschaft, sich über versch. Identifikationsmechanismen emotional in Geschichten zu involvieren und temporär im ´Übergangsraum´ der Fantasie zu leben

•  Bedürfnis und Fähigkeit, sich selbstständig geeigneten Lesestoff verfügbar zu machen (Selektionskompetenz)

Autonome Literalität / heuristische Literalität Erwartbare kognitive Kompetenzprofile

•  Flüssiges Lesen und Rezitieren aller altersgemäßen Texte (adaptives Lesetempo); Fähigkeit zur globalen Kohärenzherstellung auch bei längeren Texten

•  Leseverstehen. Narrative Texte: Schlussfolgerungen hinsichtlich der Motive und Absichten der handelnden Personen; zugrunde liegendes Thema / ‚Moral’; Expositorische Texte: Stellen und Beantworten von W-Fragen; Unterschied zwischen Ursache und Wirkung, Tatsache und Meinung, Hauptgedanke und Detailinformation

•  Literale Sprachbewusstheit. Metasprachliche Terminologie

•  Metakognition. Problemlöseverhalten; Strategien zur Selektion und zur Präsentation von Information

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Autonome Literalität / heuristische Literalität Erwartbare kommunikative Kompetenzprofile

•  Bereitschaft und Fähigkeit, sich über Gelesenes mit anderen auszutauschen oder sich (wahlweise) zum ´einsamen Lesen´ zurückzuziehen

•  Fähigkeit zur Expression und Diskussion von Geschmacks- und Genrepräferenzen

•  Herstellen von rekursiven Beziehungen zwischen Texten und eigenen Erfahrungen

•  Wiedergabe von kürzeren Erzählungen; Zusammenfassungen von expositorischen Texten

•  Überführen literaler Texte in andere sprachliche Modalitäten mit begründbarem Rückbezug (szenische Bearbeitungen; Visualisierungen in Form von Bildern, semantic maps usw.; Lesen mit verteilten Rollen usw.)

Plateau 3: „Ich erlese mich und meine Welt im Spiegel der ANDEREN“ (funktionale Literalität / diskursive Literarität)

Übergang flüssiges – adaptives/strategisches Lesen; Lesen zur Identitätsbildung und Weltaneignung; Reflexion und Anschlusskommunikation: Entwicklungsaufgaben im 7.-13. Schuljahr

Funktionale Literalität: Aneignung und Konsolidierung von kognitiven und metakognitiven Lesestrategien im Rahmen privater Interessen sowie fachunterrichtlicher (und beruflicher) Anforderungen – Lesen in allen Un-terrichtsfächern

Diskursive Literarität: Texte als Medium zur Identi-tätsbildung und Weltorientierung; Wertschätzung der Teilnahme an der literarischen Kultur und Geselligkeit

Teil II: Umrisse eines Curriculums zur gendersensiblen Leseförderung

Die gute Nachricht vorweg: Eine aktuelle britische Studie von Carrington, Tymms und Merrell (2005a und b) kommt zu dem Schluss, „dass das Geschlecht der Lehrkräfte sich nicht signifikant auf die Leistung von Jungen bzw. Mädchen auswirkt.“ Die AutorInnen resümieren: „Vergesst Gender! Ob eine Lehr-kraft männlich oder weiblich ist, spielt keine Rolle!“ (Carrington et al. 2005b)

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Gender-übergreifende Ziele und gender-spezifische Maßnahmen

Die zentralen Ziele einer nachhaltigen Leseförde-rung sind prinzipiell gender-übergreifend: Verbes-serung der Lesekompetenz durch Leseflüssigkeit und strategisches Lesetraining, Entwicklung von Engage-ment (Motivation) für das Lesen und Aufbau eines stabilen Lese-Selbstkonzeptes. Die Mittel und Wege dahin sind jedoch teilweise gender-spezifisch: hin-sichtlich der Lesestoffe wie auch der „authentischen Leseanlässe“, die die Schule bereitstellen muss.

Teil II: Umrisse eines Curriculums zur systematischen Leseförderung

Ziel aller Fördermaßnahmen ist, dass jeder Junge / jedes Mädchen ein engagierter Leser / eine engagierte Leserin wird und ein stabiles Selbstkonzept als LeserIn entwickeln kann.

1. Maßnahmen einer gendersensiblen Leseförderung auf Plateau 1

  Kindern beider Geschlechter Zugänge zu (sprach-) symbolischen Welten eröffnen

  „Situations-abstraktes“ Sprechen praktizieren: Geschichten erzählen

  (Prä-)literarische Kommunikation: Kniereiterverse, Kindergedichte und –lieder, Sprachspiele und Rätsel

  „gemeinsames“ Bilderbuch-Lesen   Geschichten vorlesen und darüber sprechen Beteiligung von Vätern und männlichen Erziehern Geschichten und Lesestoffe auswählen, die auch Jungen mögen

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2. Maßnahmen einer gendersensiblen Leseförderung auf Plateau 2

  In der Erwerbsperspektive (Entwicklungsper-spektive) ist unter den gegenwärtigen sozio-kulturellen und medialen Bedingungen der Zeitraum der mittleren Kindheit und Vor-pubertät (Klasse 3 – 6, Alter: 8 – 12/13 Jahre) entscheidend:

  Nach dem Erwerb der Schriftsprache (Klasse 1-2) und vor der traditionellen (Buch-)“Lese-krise“ der Pubertät kommt es darauf an, das Lesen (in unterschiedlichen Medien und Modalitäten) als eine stabile kulturelle Praxis zu verankern!

2. Viele Jungen (und Mädchen) entwickeln in der Kindheit keine stabile Lesepraxis mehr

  Die Schule muss darum – im Verbund mit den Familien und unter Nutzung des (wachsenden) Peer-Einflusses – daran arbeiten, dass in diesem kritischen „Entwicklungsfenster“ reichhaltige und für beide Geschlechter attraktive literale Erfahrun-gen gemacht werden können!

  Die wachsende Medienkonkurrenz durch auditive, audiovisuelle und digitale Medien führt dazu, dass die in dieser Entwicklungsphase grundlegenden Automatisierungsprozesse beim Lesen heutzutage nicht mehr naturwüchsig ausgebildet werden!

2. Maßnahmen einer gendersensiblen Leseförderung auf Plateau 2

  In den Klassenstufen 3 bis 6 muss „Leseflüssigkeit“ erworben werden, das heißt die elementaren Lesevorgänge müssen so weit automatisiert werden, dass müheloses Lesen auch umfangreicher Texte möglich wird.

Training durch Lautleseverfahren   In den Klassenstufen 3 bis 6 sollte das autonome

und lustvolle Lesen zur Phantasiebefriedigung entdeckt werden können.

Training durch Vielleseverfahren Dazu Lesestoffe auswählen, die auch Jungen

mögen

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2. Leseflüssigkeit trainieren durch Lautleseverfahren

Nach Rosebrock & Nix 2008 (S. 39) umfasst Leseflüssigkeit vier Dimensionen:

1.  die exakte Dekodierfähigkeit von Wörtern; 2.  die Automatisierung der Dekodierprozesse; 3.  eine angemessen schnelle Lesegeschwindigkeit; 4.  die Fähigkeit zur sinngemäßen Betonung des

gelesenen Satzes, also zu einem ausdrucks-starken Vorlesen.

„Reading fluency“ gilt in der angelsächsischen Leseforschung als „bridge between decoding and comprehension“ – Dieses Element fehlte bislang in der deutschen Lesedidaktik!

2. Leseflüssigkeit trainieren durch Lautlese-Verfahren

Zwei Grundformen von Lautleseverfahren:

Wiederholtes Lautlesen („Repeated Reading“) Beispiel: A. Bertschi-Kaufmann u.a.: Lesen – Das

Training (2006). Trainingsteil „Lesegeläufigkeit“ - Kreative Variante: Das Lesetheater (D. Nix 2006)

2. Begleitendes Lautlesen („Paired Reading“) Beschreibung: Rosebrock & Nix 2008, S. 42 Beispiel: Lautlese-Tandems, ebd., S. 43 f.

ACHTUNG: „Lautleseverfahren“ haben NICHTS mit dem lesedidaktisch äußerst problematischen

Reihum-Vorlesen in der Klasse zu tun!

Ein Trainingsprogramm zum Wiederholten Lautlesen

Andrea Bertschi-Kaufmann u.a.:

Lesen – Das Training I. Lesefertig-keiten – Lesegeläufigkeit – Lesestrategien. Schülermappe mit 4 Arbeitsheften, 5. und 6. Schuljahr (Teil II: 7. und 8. Schuljahr)

Friedrich Verlag 2006, 14,95 Euro

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Ein Trainingsprogramm zum begleitenden Lautlesen

Cornelia Rosebrock, Andreas Gold, Daniel Nix, Carola Rieckmann:

Leseflüssigkeit fördern. Lautleseverfahren für die Primar- und Sekundarstufe. (Mit CD-ROM)

Klett-Kallmeyer / Praxis Deutsch Februar 2011 29,95 Euro

2. Stabile Lesegewohnheiten und Lese-Selbstkonzept unterstützen

In dieser Phase der Leseentwicklung werden lese-kulturelle Haltungen und Fähigkeiten erworben, die für ein stabiles Selbstkonzept als (Buch-)LeserIn grundlegend sind:  Lesemedien entsprechend den eigenen Interessen und Fähigkeiten aussuchen können

 Ausdauer und Engagement auch für längere Lektüre aufbringen können

 Den Leseprozess im Hinblick auf das Verstehen und die emotionale Beteiligung evaluieren und Handlungsoptionen verfügbar haben  Sich über Leseerfahrungen austauschen können

2. Stabile Lesegewohnheiten und Lese-Selbstkonzept unterstützen

Im Frankfurter Projekt „Förderung eigenständigen Lesens“ (Rosebrock, Rieckmann & Jörgens) wurden vier Felder lesekultureller Fähigkeiten modelliert, die man insbesondere mit Nicht- und Weniglesern einüben muss:

 Strategien zur Buchauswahl  Strategien zur Moderation des Leseprozesses  Wissen um Leseinteressen und Lesevorlieben

 Personale Verarbeitung von Texten

Literaturhinweis: Ray Reutzel et al. (2008): Scaffolded Silent Reading: A Complement to Guided Repeated Oral Reading That Works! In: The Reading Teacher 62/3, 194-207

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2. Stabile Lesegewohnheiten und Lese-Selbstkonzept unterstützen

  Der Aufbau stabiler Lesegewohnheiten und eines positiven Lese-Selbstkonzeptes wird unterstützt durch Viellese-Verfahren und Verfahren der Lese-Animation.

  Viellese-Verfahren zielen auf die Steigerung der Lesequantität, z.B.: Jedes Kind soll pro Woche 1 Buch lesen / 100 Seiten lesen.

Beispiele:

  Die Lese-Olympiade nach R. Bamberger (2000, s. Rosebrock & Nix, S. 47 f.

  Sustained Silent Reading: freie stille Lesezeiten / Lesestunden während des Unterrichts (ebd.)

Publikationen zu Viellese-Programmen

Richard Bamberger: „Erfolgreiche Leseerziehung in Theorie und Praxis“, Wien 2000, proklamierte die „Lese- und Lernolympiade“ nach dem Motto: „Lesen lernt man durch Lesen.“ Reinhardt Lange führte sie 2002 an der Geschwister-Scholl-GS Göttingen ein.

Reinhardt Lange: Die Lese- und Lernolympiade. Aktive Leseerziehung mit dem Lesepass nach Richard Bamberger. Leitfaden für eine erfolgreiche Umsetzung. Baltmannsweiler: Schneider 2007.

Modifikation: Das „große Kilometer-Lesen“ an Frankfurter Hauptschulen

Beschreibung: Rosebrock & Nix 2008, S. 57

Neue Publikation dazu: Carola Rieckmann: Leseförderung in sechsten Hauptschulklassen. Zur Wirksamkeit eines Vielleseverfahrens. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2010.

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2. Stabile Lesegewohnheiten und Lese-Selbstkonzept unterstützen

Verfahren der Lese-Animation zielen darauf, Lese-freude und Lesemotivation zu erzeugen durch eine „Verführung zum Lesen“.

Beispiele:

 Bücherkisten im Klassenraum, Klassenbibliotheken

 Autorenlesungen, Lesewochen, Lesenächte

 Lesekultur als Schulprofil, Zusammenarbeit mit außerschulischen Einrichtungen

 Vorlesewettbewerbe, Leseprojekte, „Mein selbstgemachtes Buch“ u.v.a.

2. Gender-sensible Leseförderung ist in dieser Phase besonders wichtig!

Viellese-Verfahren und Verfahren der Lese-Animation müssen ein breites Angebot an Lesestoffen bereitstellen (für offenen Unterricht / unterrichtsübergreifende Leseförderung), die den geschlechtsspezifischen Lesepräferenzen von Mädchen und Jungen Rechnung tragen.

ACHTUNG: In dem hier angesprochenen Alter (8-14 Jahre) agieren Mädchen und Jungen besonders geschlech-terstereotyp (i.S. des „doing Gender“). Dies sollte in der Entwicklungsperspektive (pragmatisch) ak-zeptiert werden!

2. Geschlechterspezifische Präferenzen bei Geschichten

1 Mädchen bevorzugen: Beziehungs-, Tier- und

Liebesgeschichten Geschichten, in denen

menschliche Schicksale im Vordergrund stehen 

im weitesten Sinne also psychologische Geschichten oder „human-interest-stories“

1 Jungen bevorzugen: Spannung und

Aktionsreichtum Abenteuer und Kampf,

Herausforderung und Bewährung

Reise- und Helden-geschichten

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2. Geschlechterspezifische Präferenzen bei Geschichten

2 Mädchen bevorzugen Themen mit Bezug zu ihrem eigenen Leben zu ihrer Gegenwart bzw. zu ihrem gesellschaft-lichen

Umfeld:

eher realistische oder problemorientierte Geschichten

2 Jungen bevorzugen Themen mit Bezug zu anderen und fremden

Welten:

exotische Länder, ferne Zeiten, unwahrschein-liche Szenarien (historische und Helden-geschichten, Fantasy, Science Fiction)

2. Geschlechterspezifische Präferenzen bei Geschichten

3 Mädchen bevorzugen Geschichten mit inne-rer Handlung (Bezie-hungen, Psychologie).

4 Mädchen lesen eher empathisch und emotional involviert.

3 Jungen bevorzugen Geschichten mit äußerer Handlung (Kampf gegen äußere Hindernisse oder Feinde, Meisterung von Herausforderungen).

Jungen lesen eher sachbezogen und dis-tanziert oder tauchen in fremde, phantastische und exotische Welten ab.

2. Geschlechterspezifische Präferenzen bei Geschichten

5 Mädchen lesen eher ´wörtlich´, ernst, ´realistisch´ und identifikatorisch.

5 Jungen lieben Komik, Witz, Parodie und alle Formen von ´schrä-gem´ Humor und skur-rilen Übertreibungen; dies sind nicht zuletzt Möglichkeiten der Distanzierung von den fiktionalen Welten.

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3. Maßnahmen einer gendersensiblen Leseförderung auf Plateau 3

  Lese- und Lernstrategien trainieren: funktionales Lesen in allen Unterrichtsfächern

  Sachtextlektüre unterstützen: fachspezifisches Vokabular, Textstrukturwissen und Weltwissen ausbilden

  Literarisches Lesen unterstützen: Textsorten-Kenntnis / Gattungswissen, Vertiefung des Text-verstehens, kommunikative und kreative Aneignung von Literatur

Quelle: Rosebrock & Nix, Grundlagen der Lesedidaktik (2008), Kap. 5, 6 und 8

Fazit: Genderübergreifende und genderspezifische Leseförderung

Lesekompetenzen müssen in allen drei (oder fünf) Dimensionen systematisch gefördert werden: 1. Kognitionen 2./3. Emotionen / Motivation 4./5. Reflexion / Anschlusskommunikation. Kognitive Lesekompetenzen müssen systematisch und fächerübergreifend trainiert werden.

Plateau 1: Dekodierfähigkeiten erwerben / Alphabetisierung Plateau 2: Training von Leseflüssigkeit, z.B. durch Lautleseverfahren Plateau 3: Kognitive und metakognitive Lesestrategien erwerben.

Das Training kognitiver Lesekompetenzen kann genderüber-greifend erfolgen; bei Textauswahl und Methodik der Förderung können Gender-Differenzen vernachlässigt werden.

Fazit: Genderübergreifende und genderspezifische Leseförderung

Für den Aufbau von Lesemotivation und die Unterstützung positiver Emotionen beim Lesen ist es wichtig, eine Passung von Leser/in und Text zu gestalten. Dies ist möglich innerhalb von Verfahren der Leseanimation sowie von Vielleseverfahren, die insbesondere auf Plateau 2 erfolgversprechend sind.

Dazu müssen Lesestoffe in der Schule radikal verändert / erweitert werden:

• Für Vielleseverfahren muss ein breites und gender-gerechtes Angebot an Büchern u.a. Printmedien bereit gestellt werden

• „Authentische Textwelten“ beider Geschlechter sollten erkundet und im Unterricht aufgenommen werden.

• Multiliteracies / aktuelle Medienformate sollten in der Schule verankert werden.

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Fazit: Genderübergreifende und genderspezifische Leseförderung

Die Reflexion und Kommunikation über Lesestoffe findet auf allen drei Plateaus statt.

Plateau 1: Vorlese-Dialoge und „gemeinsames“ Bilderbuch-Lesen mit einem kompetenten Anderen des eigenen oder anderen Geschlechts (Genderspezifik ist nachgeordnet)

Plateau 2: Kommunikation über Lektüre und Medien in der peer group: In der späten Kindheit und Pubertät sind peer-Beziehungen stark gender-orientiert („Die peer group als Gender-Polizei“); darum sollten hier Gelegenheiten zu gender-spezifischer Anschlusskommunikation gegeben werden.

Plateau 3: In der Adoleszenz findet eine Annäherung beider Ge-schlechter statt; darum kann nun – bspw. im „Literarischen Gespräch“ im Deutschunterricht - wieder genderübergreifend gearbeitet werden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Prof. Dr. Christine Garbe Institut für deutsche Sprache und Literatur II

Universität zu Köln

Email: [email protected]

Ergänzung: Die Erwerbsaufgaben auf Plateau 1 und Plateau 3

(nach Garbe, Holle & von Salisch 2006)

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„Interpersonale Literalität / emergierende Literalität“

•  Bedürfnis nach sinnlich-poetischen Sprachspielen (Rhythmus und Klang, v.a. in der oralen Kinderpoesie, Sprachspielen, Nonsense-Versen etc.)

•  Bedürfnis zur Symbolisierung eigener Erfahrungen, Ängste und Wünsche im Spiel

•  Emotionale Reaktionen auf Personen und/oder Handlungsverläufe in erzählten, vorgelesenen oder medial vermittelten ‚Geschichten’

•  Erwartungsbildungen über den weiteren Handlungsverlauf sowohl in bekannten Erzählungen und zum Teil auch in Erstrezeptionen

•  Emotionale Reaktionen bei überraschenden Wendungen.

•  Bedürfnis nach Vorleseroutinen

•  Wertschätzung ‚eigener’ Bücher bzw. eines ‚eigenen’ Buchbestandes

„Interpersonale Literalität / emergierende Literalität“ Erwartbare motivationale Kompetenzprofile

•  Bedürfnis nach sinnlich-poetischen Sprachspielen (Rhythmus und Klang, v.a. in der oralen Kinderpoesie, Sprachspielen, Nonsense-Versen etc.)

•  Bedürfnis zur Symbolisierung eigener Erfahrungen, Ängste und Wünsche im Spiel

•  Emotionale Reaktionen auf Personen und/oder Handlungsverläufe in erzählten, vorgelesenen oder medial vermittelten ‚Geschichten’

•  Erwartungsbildungen über den weiteren Handlungsverlauf sowohl in bekannten Erzählungen und zum Teil auch in Erstrezeptionen

•  Emotionale Reaktionen bei überraschenden Wendungen.

•  Bedürfnis nach Vorleseroutinen

•  Wertschätzung ‚eigener’ Bücher bzw. eines ‚eigenen’ Buchbestandes

Erwartbare kognitive Kompetenzprofile

•  Konzeptionalisieren des literalen Handlungsfeldes: Differenzierung im visuellen Handlungsfeld: Malen vs. Schreiben; Differenzierung im oralen Handlungsfeld: Mündliches Erzählen vs. Vorlesen

•  Literales Sprachbewusstsein: Schreiben-Spielen: Orientierung am graphischen Schriftduktus (Buchstabenformen, Schreibrichtungs-konventionen); Lesen-Spielen: Bildorientiertes vs. textorientiertes (Vor-) Lesen; Mitzeigeverhalten beim Lesen; Leseton und Übernahme literarischer Muster ins eigene ‚Vorlesen’

•  Basale Buchkonzepte (Umschlag, Seiten, Autor, Text) und Genrekonzepte (Bilderbücher, Gedichte, Zeitungen, Umgebungstexte)

•  Phonologisches Bewusstsein und Schreiben auf der Basis eines alphabetischen Prinzips als optionale Kompetenzen

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Erwartbare kommunikative Kompetenzprofile

•  Fähigkeit zum Verstehen (und Erzählen) einfacher Geschichten; Fähigkeit zum Aufbau geteilter Bedeutungen, z.B. im Vorlesedialog

•  Emergierende Fähigkeit zur Unterscheidung von Spiel (Fiktion) und Realität

•  Eröffnen von und Einstieg in Vorlesesituationen

•  Verbinden von Elementen der ‚Textwelt’ mit eigenen Erfahrungen

•  Bedürfnis und Fähigkeit zum Nachspielen von Geschichten

•  (Literale) Sprachbewussheit: Selbst- und Fremdkorrekturen bei Versprechern oder ungewöhnlichem Sprachgebrauch und bei Verstößen gegen die Wortwörtlichkeit bekannter Texte

Diskursivität Literalität / funktionale Literalität Erwartbare motivationale Kompetenzprofile

•  Fähigkeit zu reflektierten Formen des literarischen Genusses: an der sprachästhetischen Form / dem irritierenden Inhalt

•  Fähigkeit zu reflektierter und anteilnehmender Einfühlung in fremde Perspektiven mittels.Empathie

•  Fähigkeit, sich im ´Universum der Bücher und Texte´ zu orientieren und selbstbestimmt Lesestoffe selektieren zu können

•  Fähigkeit, eigene Lesevorlieben und Genrepräferenzen zu erkennen und auszudifferenzieren sowie unterschiedliche Funktionen des literarischen Lesens (Unterhaltung / Entlastung, Bildung / ästhetische Erfahrung, Partizipation / Identitätsbildung etc.) je nach Situation und Text flexibel zu realisieren

Diskursivität Literalität / funktionale Literalität Erwartbare kognitive Kompetenzprofile

•  Makrostrukturbildung auf der Basis von Textsortenkenntnis; Erkennen von Darstellungsstrategien im Hinblick auf Text- bzw. Autorintention

•  Erkennen von Darstellungsstrategien im Hinblick auf Text- bzw. Autorintention

•  Bewusster und zielgerichteter Einsatz von routinisierten Lese- und Verstehensstrategien im Rahmen adaptiver Leseprozesse

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Diskursivität Literalität / funktionale Literalität Erwartbare kommunikative Kompetenzprofile

•  Fähigkeit, im Wechsel von Identifikation und Distanzierung Lesestoffe für Prozesse der Identitätsbildung und Weltorientierung zu nutzen

•  Bedürfnis und Fähigkeit, sich mit Gleichaltrigen oder ´kompetenten Anderen´ über Gelesenes auszutauschen und dabei eigene Textdeutungen zu hinterfragen und zu erweitern

•  Fähigkeit und Bereitschaft, die prinzipiellen Grenzen des Verstehens literarischer Texte anzuerkennen

Literaturnachweise

Carrington, B./Tymms, P./Merrell, C. (2005): Forget Gender: Whether a Teacher is Male or Female Doesn´t Matter. In: Teacher: The National Education Magazine 12/2005, S. 32-34

Deutsches PISA-Konsortium (Hrsg.) (2001): PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Opladen: Leske u. Budrich

Garbe, Christine (2008): „Echte Kerle lesen nicht!?“ – Was eine erfolgreiche Leseförderung für Jungen beachten muss. In: Matzner, Michael; Tischner, Wolfgang (Hrsg.): Handbuch Jungen-Pädagogik. Weinheim, Basel: Beltz, S. 301-315

Garbe, Christine; Holle, Karl; Salisch, Maria von (2006): Entwicklung und Curriculum: Grundlagen einer Sequenzierung von Lehr-/Lernzielen im Bereich des (literarischen) Lesens. In: Groeben, N.; Hurrelmann, B.(Hg.): Empirische Unterrichtsforschung in der Literatur- und Lesedidaktik. Ein Weiterbildungsprogramm. Weinheim: Juventa, S. 115-154

Literaturnachweise

Garbe, Christine; Holle, Karl; Jesch, Tatjana (2009): Texte lesen. Lesekompetenz – Textverstehen – Lesedidaktik – Lesesozialisation. Schöningh: UTB Standard Wissen Lehramt

Garbe, Christine; Holle, Karl; Weinhold, Swantje (Eds.) (2010): Teaching Struggling Adolescent Readers in European Countries. Key Elements of Good Practice. Frankfurt/M. u.a.: Peter Lang

Gender und Lesen (2007): Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Ku l t u r Ö s t e r r e i c h (Hg . ) : Gende r und Le sen . Geschlechtersensible Leseförderung: Daten, Hintergründe und Förderungsansätze. Wien 2007 (Autorin: M. Böck)

Graf, Werner (2007): Lesegenese in Kindheit und Jugend. Einführung in die literarische Sozialisation. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren

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Literaturnachweise

Hurrelmann, Bettina (2002): Leseleistung – Lesekompetenz. Folgerungen aus PISA, mit einem Plädoyer für ein didaktisches Konzept des Lesens als kultureller Praxis. In: Praxis Deutsch 176/2002, S. 6-18

Matzner, Michael; Tischner, Wolfgang (Hrsg.) (2008): Handbuch Jungen-Pädagogik. Weinheim, Basel: Beltz

Philipp, Maik; Garbe, Christine (2007): Lesen und Geschlecht – empirisch beobachtbare Achsen der Differenz. In: Bertschi-Kaufmann 2007 (CD-ROM)

Rosebrock, Cornelia; Nix, Daniel (2008): Grundlagen der Lesedidaktik und der systematischen schulischen Leseförderung, Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren