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1 Universität Linz Institut für Pädagogik und Pädagogische Psychologie Machbarkeitsstudie Sprachliche Bildung und Sprachförderung ein Konzept für Österreich“ Barbara Herzog-Punzenberger Birgit Springsits April 2015 Studie im Auftrag der Industriellenvereinigung Österreich

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Universität Linz

Institut für Pädagogik und Pädagogische Psychologie

Machbarkeitsstudie

„Sprachliche Bildung und Sprachförderung –

ein Konzept für Österreich“

Barbara Herzog-Punzenberger

Birgit Springsits

April 2015

Studie im Auftrag der Industriellenvereinigung Österreich

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Universität Linz

Institut für Pädagogik und Pädagogische Psychologie

Machbarkeitsstudie

„Sprachliche Bildung und Sprachförderung –

ein Konzept für Österreich“

Barbara Herzog-Punzenberger

Birgit Springsits

Reihe „Bildung und Migration“ des Instituts für Pädagogik und Pädagogische Psychologie der

Johannes Kepler Universität Linz

März 2015

Diese Studie wurde im Rahmen des Arbeitsbereichs „Bildung und Migration“ des Instituts für Pädagogik und Pädagogische Psychologie der Johannes Kepler Universität Linz gemeinsam mit dem Institut für Germanistik der Universität Wien, Fachbereich „Deutsch als Fremd- und Zweitsprache“ im Auftrag der Industriellenvereinigung erstellt.

Die in der Publikation geäußerten Ansichten liegen in der Verantwortung der Autorinnen und geben nicht notwendigerweise die Meinung der Industriellenvereinigung, der Johannes Kepler Universität Linz oder der Universität Wien wider.

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Zusammenfassung:

Mit dem Ziel, eine Orientierungshilfe für die österreichische Politik zur Weiterentwicklung der Schulpolitik im Kontext von Mehrsprachigkeit und vor dem Hintergrund zunehmender Mobilität zu erstellen, skizziert die Studie Eckpunkte einer Gesamtstrategie für sprachliche Bildung sowie Maßnahmen für die Implementierung von Sprachförderung, die an den Erfordernissen der Bildungs- und Teilhabegerechtigkeit und der Ausschöpfung aller Begabungsressourcen orientiert ist.

Der vorliegende Text kann als kurzer aber vollständiger 40-seitiger Text von der Einleitung bis zu den Handlungsempfehlungen gelesen werden. Die gesamte Machbarkeitsstudie besteht allerdings aus weiteren Teilen: einer umfangreichen Literaturliste sowie einem Anhang, der aus sieben z.T. umfangreichen Texten besteht. Dies schien uns sinnvoll, da sich die Mehrheit der LeserInnenschaft ansonsten kaum vorstellen kann, wie die kurz umrissenen Elemente des Konzepts in der realen Umsetzung im Detail aussehen können. Alle Anhänge stehen auch als Dokumente im Internet zum kostenlosen Download zur Verfügung.

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Inhaltsverzeichnis 4

EINLEITUNG 5

1 WARUM braucht Österreich ein Konzept „Durchgängiger Sprachbildung“? 6

2 FORSCHUNGSERGEBNISSE und rechtliche Rahmenbedingungen für Sprachbildung 7

1 Dauer des Erlernens der Alltags- und der Bildungssprache 2 Individuelle Dauer der Aneignung von Sprachkompetenzen 3 Effektivität unterschiedlicher Unterrichtsmodelle 4 Langzeiteffekte der Förderung von Sprachkompetenzen im Kindergarten 5 Rechtliche Rahmenbedingungen von Sprachförderung 3 KOMPONENTEN des Konzepts der Durchgängigen Sprachbildung 12

Komponente 1 Grundverständnis sprachlicher Bildung Komponente 2 Durchgängigkeit Komponente 3 Sprachstandsdiagnostik, Portfolio und Standards Komponente 4 PädagogInnen & Leadership Komponente 5 Bilinguale Unterrichtsmodelle 4 Übergreifende HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN 34

4.1 Informationsoffensive „Wenn Kinder mehrere Sprachen sprechen“ 4.2 Implementierung des Konzepts „Durchgängige Sprachbildung“ 4.3 Professionalität, Leadership und Qualitätssicherung 4.4 Bilinguale Unterrichtsmodelle für die größten Sprachgruppen

4.5 Evaluation und Forschung

5 Literaturhinweise 40

7 Anhang 44

7.1 Washington State Comprehensive Literacy Plan 7.2 When Children Speak More Than One Language 7.3 Program Preparedness Checklist 5.0 7.4 Guiding Principles for Dual Language Education 7.5 Vorgaben des US Bildungs- und Justizministeriums an die Schulverwaltungen 7.6 Sozialinduzierte Mittelvergabe – neue Formel in Kalifornien 7.7 Argumentationsübersicht zum Thema Schul-De/Segregation

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Einleitung

Sprachen sind in der Schule nicht nur Lerninhalte, sondern vor allem wichtigstes Medium des Lehrens

und Lernens. Bildungsinhalte in allen Fächern werden über Sprachen vermittelt, Leistungsnachweise

sind in den meisten Fällen sprachlich zu erbringen. Da an den meisten österreichischen Schulen

Deutsch die hauptsächlich gebrauchte Unterrichtssprache ist und anders- bzw. mehrsprachige

Unterrichtsmodelle die Ausnahme darstellen, ist Bildungserfolg in großem Maße an gute

Kompetenzen im Deutschen gekoppelt. Dabei sind aber nur am Anfang der Bildungslaufbahn, also in

der Elementarbildung, alltagssprachliche Kompetenzen ausreichend. Für eine erfolgreiche Teilnahme

am Unterricht müssen die Sprachkompetenzen darüber hinausgehen. Die Sprache der Schule ist von

Schulstufe zu Schulstufe immer mehr von „Bildungssprache“ geprägt. Die Unterscheidung zwischen

Alltags- und Bildungssprache ist im deutschsprachigen Raum erst in den vergangenen Jahren in den

Vordergrund getreten. Sie wurde bisher in den österreichischen Bildungs- und Förderkonzepten als

eigenständiges Konzept kaum reflektiert und daher in den strategischen Entscheidungen nicht

ausreichend berücksichtigt.

Im Bereich der Sprachbildung insgesamt zeigt sich in Österreich dringender Handlungsbedarf. Der

Anteil der LeserisikoschülerInnen ist unter den Jugendlichen vergleichsweise hoch und die

bildungssprachlichen Schwächen scheinen sich in Österreich über die Schullaufbahn eher zu

verfestigen anstatt durch gezielte Förderung verringert zu werden. Die bildungssprachlichen

Kompetenzen sind hier auch in sehr starkem Ausmaß vom familiären Hintergrund abhängig. Bei

einem nachhaltigen Konzept der sprachlichen Bildung - in dem Sprachförderung (im Unterschied zur

Sprachbildung) als Unterkategorie für spezifische Lernkonstellationen gilt - ist somit auf die

Durchgängigkeit vom Kindergarten bis zum Schulabschluss zu achten. Hierfür braucht es ein

konsistentes Konzept. Wie zahlreiche Studien zeigen, tragen einzelne Maßnahmen zur

Sprachförderung erst dann zu einer erfolgreichen Bildungslaufbahn bei, wenn sie durchgängig sind

und von einem systemweiten Bekenntnis zur sprachlichen Bildung getragen werden. Darunter wird ein

verbindendes und verbindliches Verständnis gefasst, dass die sprachliche Bildung eine grundlegende

Aufgabe des Bildungssystems ist. Diese Aufgabe muss auf jeder Ebene in der jeweilig adäquaten

Ausformung verwirklicht werden, damit die SchülerInnen möglichst unabhängig von ihrem familiären

Hintergrund ihre Potentiale voll entwickeln können.

Hier kommen allerdings grundlegende Strukturfragen zum Tragen, die den Erfolg ebenfalls

beeinflussen, wie etwa möglichst späte Selektionsvorgänge (gemeinsame Schulform bis zum Ende der

Pflichtschule) und eine ganztägige Schulform, in der Sprachförderung über den ganzen Tag verteilt

stattfinden kann. Ebenso weiß man um die besonderen Herausforderungen von sozial segregierten

Standorten, die einer besonderen Ressourcenzuteilung und Unterstützung bedürfen. Überhaupt wird

neben dem veränderten Professionsverständnis der Lehrkräfte und der datenbasierten, selbstreflexiven

Unterrichtsentwicklung die Schulstandortentwicklung als Dreh- und Angelpunkt für die erfolgreiche

sprachliche Bildung gesehen (vgl. Mercator Institut für Sprachförderung und Deutsch als

Zweitsprache 2013). Denn nur mit systematischer auf konsistentes Handeln aller pädagogischen

Akteure angelegter sprachlicher Bildung und Förderung sind nachhaltige Erfolge zu erzielen.

Über den bisherigen Forschungsstand, die internationalen Ansätze und Erfahrungen sowie

Handlungsempfehlungen für Österreich informiert die vorliegende Machbarkeitsstudie.

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WARUM braucht Österreich ein Konzept Sprachlicher Bildung und Förderung?

Kurz gefasst, kann die Frage, warum Österreich ein Konzept Durchgängiger Sprachbildung braucht, in

wenigen Punkten beantwortet werden:

1. Der Anteil der Lese-RisikoschülerInnen im Alter von 15 Jahren ist mit 20% (PISA 2012) in

Österreich zu hoch, d.h. jede/r fünfte Schüler/in kann nicht sinnerfassend lesen (Schmich/

Bitesnich 2013, 18-19).

2. Der familiäre Hintergrund hat im internationalen Vergleich in Österreich einen relativ großen

Einfluss auf die Kompetenzentwicklung der SchülerInnen, z.B. im Lesen (Bruneforth/Weber/

Bacher 2012, 205).

3. Die Leseschwäche nimmt durch die Beschulung (bzw. den Förderunterricht) nicht ab,

stattdessen fallen die leseschwachen SchülerInnen im Vergleich zu den anderen in der

Sekundarstufe 1 weiter zurück (Schabmann/Landerl/Brundeforth/Schmidt 2012, 19-20).

4. Ein großer Teil der leseschwachen SchülerInnen (71% in PISA 2012) hat mindestens einen

Elternteil, der in Österreich geboren ist. Mangelnde Lesefähigkeit ist daher nicht hauptsächlich

ein Problem von zugewanderten Familien (Schwantner 2013, 45-55).

5. Etwas mehr als 230.000 SchülerInnen (2013/14) in Österreichs Schulen sprechen in der

Familie (auch) eine andere als die Unterrichtssprache, das ist rund ein Fünftel der gesamten

Schülerpopulation. Der Anteil der mehrsprachigen SchülerInnen wächst kontinuierlich und

beträgt unter den zukünftigen SchulanfängerInnen über 25% (BMBF 2015). Die Ressource

der Mehrsprachigkeit sollte individuell und gesellschaftlich aufgebaut und genützt werden.

6. Die Leistungsdifferenz in den gemessenen Lesekompetenzen zwischen SchülerInnen mit und

ohne Migrationshintergrund im Alter von 15 Jahren ist mit 60 Punkten (PISA 2012) noch

immer zu groß. Dies gilt auch für jene SchülerInnen, die bereits in Österreich geboren wurden,

der 2. Generation (Mittelwertsdifferenz 58 Punkte) (Toferer et al 2013, 74).

7. In den Einwanderungsländern Australien, Kanada, USA bestehen keine oder sehr viel kleinere

Leistungsdifferenzen zwischen SchülerInnen mit und ohne Migrationshintergrund bzw.

einsprachigen und mehrsprachigen SchülerInnen, sei es im Lesen aber auch in Mathematik

und Naturwissenschaften.

8. Schwierigkeiten in der Entwicklung bildungssprachlicher Kompetenzen wirken sich nicht nur

beim Lesen aus. Sie scheinen für mehrsprachige SchülerInnen den Lernprozess in Mathematik

und insbesondere in den Naturwissenschaften wesentlich zu erschweren. Die

Leistungsdifferenz zwischen den Mittelwerten der SchülerInnen, die zuhause nur Deutsch

sprechen und jenen, die zuhause auch eine andere Sprache sprechen, beträgt im

Kompetenzbereich Lesen 49 Punkte, in Mathematik 59 Punkte und in Naturwissenschaften 69

Punkte (Schwantner/Toferer/Schreiner 2013, 75).

9. Die langfristig positive Wirkung des Kindergartenbesuchs auf schulfachliche Kompetenzen

konnte in Österreich für SchülerInnen mit Migrationshintergrund auf der 4. Schulstufe nicht

zweifelsfrei festgestellt werden. So waren die Kompetenzunterschiede zwischen jenen, die

keinen Kindergarten besucht hatten und jenen, die ihn mehr als ein Jahr besucht hatten in

Mathematik nicht signifikant. Die Wirkung auf die Deutschkompetenz war zwar signifikant

aber geringer als bei SchülerInnen ohne Migrationshintergrund. (Bruneforth/Weber/Bacher

2012, 205). Hier gilt es die Wirkungszusammenhänge (mangelnde Qualität der Standorte oder

der Förderung der betroffenen Kinder im Kindergarten und/oder während der darauffolgenden

Schullaufbahn) zu erforschen.

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1 Forschungsergebnisse und rechtliche

Rahmenbedingungen für Sprachbildung

In diesem Einführungskapitel werden die wichtigsten aktuellen Forschungsergebnisse zur Frage der

sprachlichen Bildung von mehrsprachigen Kindern und Unterschiede in den rechtlichen

Rahmenbedingungen am Beispiel der USA präsentiert. Soweit wir derzeit die globale

Forschungslandschaft zu diesem Thema überblicken können1, kommen die nach wissenschaftlich-

methodischen Kriterien aussagekräftigsten Studien aus den USA und Kanada. Dies hängt unter

anderem damit zusammen, dass in diesen Ländern Schulstandorte seit Jahrzehnten verpflichtet sind, an

standardisierten Tests teilzunehmen sowie für den Bereich von Mehrsprachigkeit und Sprachbildung

relevante Kriterien, wie etwa die Aufenthaltsdauer im jeweiligen Bildungssystem und die

Sprachverwendung, erfasst werden. Daher greifen wir in der Folge auch hauptsächlich auf diese

Studien zurück. Die vier wichtigsten Forschungsergebnisse zur Frage der sprachlichen Bildung von

mehrsprachigen Kindern können folgendermaßen zusammengefasst werden:

1. Die Dauer des Erlernens der alltagssprachlichen und der bildungssprachlichen Variante

der Unterrichtssprache ist sehr unterschiedlich. Die Angleichung zwischen SchülerInnen,

deren Familiensprache von der Unterrichtssprache abweicht und jenen, die zuhause nur die

Unterrichtssprache sprechen, in den „akademischen“ Sprachkompetenzen dauert bei Weitem

länger als in den alltagssprachlichen Kompetenzen. Daten aus kalifornischen Schulbezirken2

zeigen, dass die Angleichung in der mündlichen Variante 3-5 Jahre und in der akademischen

Variante 4-7 Jahre dauert. Der Vergleich mit kanadischen Daten bestätigt diese Zeitangaben

(Hakuta, Butler, Witt 2000).

Abb. 1: Dauer der Angleichung des Fähigkeitsniveaus von Erst- und Zweitsprache. (Berendes u.a. 2013, S. 28)

Das ist kein neues Ergebnis, sondern aus der kanadischen Forschung seit Anfang der 1980er Jahre

bekannt (Cummins 1981). Trotzdem wird es in der österreichischen Praxis der Sprachbildung und

Förderung mehrsprachiger SchülerInnen nicht ausreichend berücksichtigt.

1 Literatur, die weder in Deutsch noch in Englisch verfügbar ist, konnten wir leider nicht berücksichtigen.

2 Es wurden sowohl Bezirke und Schulstandorte mit mittlerem sozioökonomischem Hintergrund als auch solche

mit einem hohen Anteil an Familien, die von Armut betroffen waren, gewählt. Die größten Gruppen von

SchülerInnen stammen aus Mexiko bzw. Lateinamerika und aus asiatischen Ländern.

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2. Die Dauer der Entwicklung der bildungssprachlichen Kompetenzen von mehrsprachigen

Kindern (in der Unterrichtssprache) variiert individuell sehr stark. Am Beispiel kanadischer

Daten (standardisierter Lesetest Provinz Ontario 2005, siehe Coelho 2012, 127) wurde

gezeigt, dass nach einem Jahr Besuch einer englischsprachigen Schule in Ontario 22% der

eingewanderten SchülerInnen mit einer anderen Erstsprache als Englisch die Lesestandards

der Provinz (3. Schulstufe) erreichten, die von rund 60% der in Kanada geborenen

SchülerInnen, deren Erstsprache Englisch ist, erreicht wurden. Unter jenen, die bereits zwei

Jahre die kanadische Schule besuchten, waren es 39%, unter jenen, die sie drei Jahre

besuchten 52%. SchülerInnen, die 4-5 Jahre die kanadische Schule besuchten, erreichten die

geforderten Lesestandards in 61% der Fälle, bei Kindern, die sechs und mehr Jahre den

Unterricht in Kanada besuchten, waren es 63%. Volle Angleichung der Leistungsverteilung

der SchülerInnen wird in einem Datensatz aus Toronto erst nach 9-11 Jahren Aufenthalt in

Kanada erreicht (Hakuta/ Butler/Witt 2000, 28). Einer der Faktoren, die Unterschiede

erklären, ist der sozioökonomische Hintergrund der Familie.

Abb.2 Prozentsatz von eingewanderten SchülerInnen, die die Bildungsstandards in der Lesekompetenz in

Schulstufe 3 bzw. 6 erreichten nach Aufenthalts- bzw. Beschulungsdauer in Kanada. Quelle: Coelho 2012, S. 127

Das ist wiederum kein neuer, auch kein überraschender Befund. Er zeigt aber umso deutlicher, dass

die Diskussion von Kompetenzentwicklungen über Mittelwerte (d.h. ein statistisch berechneter Wert,

der eine ganze Gruppe von Individuen repräsentiert) zu stark vereinfachten Vorstellungen über

Kompetenzentwicklungen und Förderprogramme führen kann.

3. Vollständig zweisprachige Unterrichtsformen erzielen im gesamten Bildungsverlauf

höhere Bildungserträge als einsprachige, die von Anfang an nur die Unterrichtssprache

verwenden oder zweisprachige Übergangsprogramme. Während die Kompetenzentwicklung

mehrsprachiger Kinder in den ersten Schuljahren in Unterrichtsformen, die nur die

Amtssprache (der Mehrheitsbevölkerung) verwenden, schneller verläuft als in einem

vollständig bilingualen Programm (dual immersion), zeigt sich in höheren Schulstufen und

daher nach längerer Beschulung genau der umgekehrte Effekt: Die Kompetenzen in der

siebten Schulstufe in der Bildungssprache (Englisch) und Mathematik sind bei zweisprachigen

Kindern in dual immersion programs signifikant höher als in allen drei anderen

Unterrichtsvarianten (monolingual Englisch, transitional zweisprachiges Programm und

developmental zweisprachiges Programm).

Einsprachige in

Kanada geborene SchülerInnen

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Abb. 3Kompetenzzuwächse mehrsprachiger SchülerInnen nach Unterrichtsmodellen und

Beschulungsjahren. Quelle: Valentino & Reardon 2014, S. 10 des Anhangs

In den USA insbesondere auch Kalifornien gibt es detailliert ausgearbeitete Konzepte für die

Implementierung von zweisprachigen Unterrichtsmodellen3, die in engem Zusammenhang mit

kompetenzorientiertem Lernen und einer durchgängigen Qualitätssicherung stehen. Es ist dabei

wichtig zu erwähnen, dass es neben den sprachdidaktischen Konzepten einen weiteren wesentlichen

Unterschied zwischen den vollständig zweisprachigen Programmen (hier Englisch-Spanisch und

Englisch-Chinesisch) und zweisprachigen Unterrichtsformen, die die Familiensprache nur eine

begrenzte Zeit verwenden, gibt: die Zusammensetzung der Schulklasse. In den begrenzt

zweisprachigen Modellen finden sich nur Kinder, die zuhause kein Englisch sprechen. Hingegen

nehmen an den vollständig zweisprachigen Unterrichtsformen SchülerInnen, deren Familiensprache

die Amtssprache (Englisch) ist, im Umfang von mindestens einem Drittel der SchülerInnen in der

Klasse teil. Diese zuvor einsprachig englischsprachigen SchülerInnen absolvieren gemeinsam mit den

anderssprachigen SchülerInnen ihre Schulbildung in Englisch und Spanisch oder Chinesisch und

werden somit auch zu bildungssprachlich zweisprachigen SchülerInnen. Weiters wird hervorgehoben,

dass durch den Fachunterricht in der jeweiligen Familiensprache keine sprachlich bedingten

3 siehe Komponente 5 in Kapitel 3 sowie Unterkapitel 5.4 in den übergreifenden Handlungsempfehlungen.

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Verständnisschwierigkeiten in Bezug auf die Lerninhalte (z.B. in Mathematik) auftreten, wie es im

monolingualen System der Fall ist.

4. Das Ausmaß der Sprachbeherrschung der Unterrichtssprache von Kindergartenkindern,

die zuhause eine andere Sprache (z.B. Spanisch oder Chinesisch) als die Unterrichtssprache

(in diesem Fall Englisch) sprechen, hat sich als nicht relevant für die langfristige

Kompetenzentwicklung, also die höhere Bildung in Mathematik und Englisch herausgestellt.

Für die Analyse wurden Daten der jährlichen landesweiten standardisierten Tests vom

Kindergarten bis zur siebten Schulstufe in unterschiedlichen kalifornischen Schulbezirken

verwendet. Die einzige Ausnahme sind etwas stärkere Zuwächse in den höheren Schulstufen

bei „dual immersion programs“ im Unterschied zu „English only programs“, wenn das Kind

im Kindergarten bereits die Unterrichtssprache (Englisch) beherrschte (Valentino & Reardon

2014, 24).4

Dieses Ergebnis ist vor allem deshalb interessant, weil bis zum Zeitpunkt seiner

Veröffentlichung keine Analysen über Kompetenzentwicklungen mehrsprachiger Kinder mit

unterschiedlichen Ausgangsbedingungen in unterschiedlichen Unterrichtsmodellen anhand

standardisierter Tests über so lange Zeit (8 Jahre) und für unterschiedliche Sprachgruppen

vorlagen. In anderen Analysen konnten bisher weniger Variablen berücksichtigt werden.

Gleichzeitig muss erwähnt werden, dass zahlreiche Studien auf die positive Wirkung eines

möglichst frühzeitigen Kontakts mit der Unterrichtssprache hinweisen.

Diese Ergebnisse beruhen auf Analysen von Daten aus Nordamerika, da in Europa vergleichbar

differenzierte Daten nicht vorliegen. Von Interesse ist nun für Österreich, inwieweit die Ergebnisse auf

das Deutsche als Unterrichtssprache und auf die hiesigen Umstände übertragbar sind. Bisher liegen

noch keine Forschungsergebnisse zu den Unterschieden zwischen der Aneignung des Deutschen als

Zweitsprache und des Englischen als Zweitsprache im schulischen Kontext vor. Die

Herausforderungen könnten, wiederum spezifisch nach Herkunftssprachen der SchülerInnen,

unterschiedlich sein. Die Faktoren auf der Ebene der SchülerInnen und ihrer Eltern mögen etwa in den

USA ähnliche Verteilungen aufweisen wie in Österreich, sei es das Alter der Einreise bzw. die Dauer

des Aufenthalts im Land, der sozio-ökonomische und der rechtliche Status der Familien, die

Sprachkenntnisse sowohl in der Familiensprache als auch in der Unterrichtssprache, die Anpassung an

die jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse vor Ort. Diese Faktoren können in aufwendigen

statistischen Analysen kontrolliert werden. Unterschiedlich und weniger leicht zu kontrollieren sind

aber die Schulkulturen, die Schulverwaltung, die Aus- und Weiterbildung der PädagogInnen, die

angebotenen Programme und Maßnahmen sowie die öffentlichen Diskurse. Am deutlichsten ist der

Unterschied allerdings in rechtlichen Belangen.

5. Rechtliche Rahmenbedingungen

Bemerkenswert, wenngleich in Österreich wenig bekannt, ist etwa, dass in den USA seit 1964 hohe

Normen hinsichtlich der Bildungsgleichheit (Equal Educational Opportunities Act EEOA) bestehen.

Unter Title III, Part A of the Elementary and Secondary Education Act wurden diese 1965 für

mehrsprachige SchülerInnen und deren Eltern legistisch definiert. Ebenso wurden die diesbezüglichen

Kontrollrechte auf allen Ebenen der Schulverwaltung festgelegt (vgl. Anhang 7.5, S.5). Im

Unterschied zur österreichischen Gesetzgebung sind die Ausführungen zur Sprachförderung keine

„Kann-Bestimmungen“ sondern obligations, also Verpflichtungen der zuständigen Behörden auf allen

Ebenen, die vor dem Höchstgericht (Supreme Court) etwa von Eltern eingeklagt werden können. Von

4 Allerdings sagt das nichts über ihre Kompetenz in der Erstsprache aus. Je besser die Förderung des Kindes im

Altersbereich vor der Schule, desto besser die Schulergebnisse (Melhuish 2013).

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diesem Recht wurde auch Gebrauch gemacht, und die Bundesbehörde bezieht sich in ihren Vorgaben

an die Schulverwaltungen der Bundesstaaten (vergleichbar mit den Landesschulräten) auf die

Gerichtsurteile (vgl. Lau vs. Nichols 1974, Horne vs. Flores 2009 etc.). Dies betrifft auch die Qualität

der angebotenen Sprachförderung (inkl. Weiterbildung der PädagogInnen).

Immerhin befinden sich unter den SchülerInnen der USA derzeit rund 5 Millionen English Language

Learners, die auch zu einem großen Anteil aus Familien stammen, die mit Armut zu kämpfen haben

und Schulen besuchen, die unterdurchschnittlich ausgestattet sind (Goldenberg 2013, 1). Die

Sprachbildung ist also in den USA eine mindestens so große Herausforderung wie in Österreich. Die

Ergebnisse, wie sie etwa im PISA-Test abgebildet sind, scheinen wesentlich besser zu sein als in

Österreich. Die Differenz von 8 Punkten in der Mathematikkompetenz (PISA 2012) zwischen der 2.

Generation und sogenannten einheimischen SchülerInnen ist nicht signifikant5 (Schwantner, Toferer,

Schreiner 2013, 74). Es stellt sich daher die Frage, welche Faktoren dies erklären können. Haben

unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen Auswirkungen auf die Vielfalt und Qualität der

angebotenen Programme und Methoden sowie auf die Professionalität der PädagogInnen, der

SchulleiterInnen und der Schulverwaltungen in den Fragen der sprachlichen und kulturellen

Responsivität?

Während in Österreich weder SchülerInnen noch ihre Eltern sprach(bildungs)bezogene Rechte

einklagen können, wie etwa eine adäquate Sprachförderung im Deutschen oder die schulrelevanten

Informationen und Gesetze in der für die Eltern am besten verständlichen Sprache, können Eltern in

den USA durch die diesbezüglichen Bürgerrechte seit 1965 und insbesondere seit dem

Höchstgerichtsurteil 1974 (Lau vs. Nichols) sowie 1981 (Castaneda vs Pickard) sogar eine bestimmte

Qualität der schulischen Sprachförderung einklagen. Die Bundesebene (vgl. Bildungsministerium)

wiederum kann gegebenenfalls die Kontroll- und Implementierungspflichten der regionalen

Bildungsverwaltungen einklagen (z.B. United States vs. Texas 2010 oder United States vs. City of

Yonkers 1996) (vgl. Anhang 7.5, S. 6). Es würde den Rahmen der Machbarkeitsstudie sprengen, die

vielfältigen Strukturen und Maßnahmen in Zusammenhang mit den Bürgerrechten in den USA, die

sich auch auf Bildungsgerechtigkeit und Sprachbildung beziehen, hier zu diskutieren; dies sollte aber

als einer von mehreren Einflussfaktoren nicht außer Acht gelassen werden.6

Auf Basis der Übersicht der bereits genannten und im folgenden Text zitierten Forschungsergebnisse

sowie der in Deutschland, der Schweiz, den USA und Kanada existierenden evidenzbasierten

Handlungsempfehlungen und der bereits existierenden gesetzlich verankerten Konzepte einer

umfassenden und durchgängigen Sprachbildung auf der Ebene eines US Bundesstaates (Washington

State) soll nun ein erster Entwurf für das Konzept einer Durchgängigen Sprachbildung für Österreich

vorgestellt und diskutiert werden.

5 Und bei Berücksichtigung des sozioökonomischen Hintergrunds weisen die SchülerInnen aus zugewanderten

Familien einen um 9 Punkten besseren Durchschnittswert auf als jene aus nicht zugewanderten Familien. 6 Es wäre allerdings sehr aufschlussreich, zu dieser Frage ein interdisziplinäres Rechtsgutachten erstellen zu

lassen, das die Rechtslage in den USA und in Österreich vergleicht.

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12

2 KOMPONENTEN eines Konzepts der

Durchgängigen Sprachbildung für Österreich

Ein in seinen Details erst zu entwickelndes Konzept „Durchgängige Sprachbildung in Österreich“, so

wie es in der vorliegenden Machbarkeitsstudie skizziert wird, sollte sich an das am

Kompetenzzentrum „Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund“ FörMig an

der Universität Hamburg entwickelte Konzept der Durchgängigen Sprachbildung (Lange/Gogolin

2007) anlehnen. Ebenso werden Anregungen des Washington State Comprehensive Literacy Plan

(siehe Anhang 1) verarbeitet, der über das FÖRMIG-Modell insofern hinausgeht, als er explizit bereits

mit der Geburt des Kindes7 beginnt.

Es werden in der Folge fünf Komponenten dargestellt: (1) Grundverständnis von sprachlicher Bildung,

(2) Durchgängigkeit, (3) Diagnostik, Portfolio und Standards, (4) PädagogInnen und Leadership, (5)

Bilinguale Unterrichtsmodelle.

Komponente 1 GRUNDVERSTÄNDNIS von sprachlicher Bildung

Um über kurzfristige Maßnahmen, die oftmals von ihrer Öffentlichkeitswirksamkeit und politischen

Logik getrieben sind, hinauszukommen, muss das Grundverständnis der zentralen Begriffe von

Sprachbildung und ihre Einbettung im gesellschaftlichen Kontext geklärt werden. In der vorliegenden

Machbarkeitsstudie geht es um Sprachaneignung. Hierfür wird der Begriff „Sprachbildung“

verwendet. Als zweiter zentraler Begriff fungiert „Bildungssprache“. „Sprachbildung“ meint die

Unterstützung in der Aneignung alltags- und bildungssprachlicher Kompetenzen durch

Kindertageseinrichtungen und Schulen in Kooperation mit anderen für den Spracherwerb wichtigen

PartnerInnen (z.B. Eltern und außerschulische Bildungseinrichtungen). Zielgruppe sind dabei alle

Kinder und Jugendlichen. Ihnen sollen an ihre bisherigen Kompetenzen und Vorerfahrungen

angepasste Angebote gemacht werden, um sie in verschiedenen Registern der Sprache „fit“ zu

machen. Ort der Sprachbildung ist der gesamte Unterricht in seinen unterschiedlichen Ausprägungen.

Unter „Sprachförderung“ hingegen werden besondere Maßnahmen verstanden, die das Ziel verfolgen,

einzelnen Kindern oder speziellen Gruppen Hilfestellungen bei der Bewältigung bestimmter

sprachlicher Aneignungsaufgaben zu geben, etwa weil bei ihnen spezieller sprachlicher Förderbedarf

festgestellt wurde. Diese Förderung kann zusätzlich zum bzw. getrennt vom Regelunterricht oder auch

integrativ stattfinden. Jedenfalls ist Förderung geplant und zielgerichtet und richtet sich nicht an alle

SchülerInnen gleichermaßen. „Sprachförderung“ kann somit als ein bestimmter Teilbereich von

„Sprachbildung“ verstanden werden (vgl. Gogolin u.a. 2011, S. 59f.). Es hat sich jedoch gezeigt, dass

Sprachförderung umso effektiver ist, je stärker sie in ein umfassendes Konzept von Sprachbildung

eingebettet ist. Aus diesem Grund werden Sprachförderung und Sprachbildung in der vorliegenden

Machbarkeitsstudie als untrennbare Konzepte behandelt, sollen sie langfristige und daher nachhaltige

Wirkung zeigen (Mercator-Stiftung „Wirksamkeit von Sprachförderung“).

7 In der Phase vor dem Eintritt in institutionelle Pflege und Bildung geht es in einem umfassenden

Sprachbildungskonzept einerseits um die Information der Akteure im institutionellen Umfeld der Eltern und zweitens um die Information und Unterstützung mehrsprachiger Eltern in ihren Wahlmöglichkeiten hinsichtlich des Gebrauchs einer oder mehrerer Sprachen in der familiären Kommunikation. Es geht nicht darum, die Eltern unter Druck zu setzen oder sie in eine bestimmte Richtung zu drängen.

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13

Alltagssprache und Bildungssprache

Um die Sprachentwicklung sowohl der einsprachigen als auch der mehrsprachigen SchülerInnen

differenziert erfassen zu können, hat sich seit den 1980er Jahren in den traditionellen

Einwanderungsländern (Kanada, USA, Australien) die Unterscheidung zwischen „Alltagssprache“ und

„Bildungssprache“ etabliert (zur Begriffshistorie siehe Berendes et al 2013, S. 18-24). Am Beginn der

Bildungslaufbahn dominieren die alltagssprachlichen Anteile, die aber von Schulstufe zu Schulstufe

immer mehr von der „Bildungssprache“ (Cummins 1981, Chamot & O’Malley 1996,

Hakuta/Butler/Witt 2000, Coleman/Goldenberg 2010, Gogolin/Lange 2011, Berendes/ Dragon/

Weinert/Heppt/ Stanat 2013) abgelöst werden. Sprachliche Produkte – selbst wenn es um mündliche

Unterrichtskommunikation geht – sind in zunehmendem Maße textuell durchformt, also der

Schriftsprache angenähert. Auch die behandelten Themen werden immer komplexer. Der Verweis auf

eine direkte Anschauung in der Lebenswelt der SchülerInnen ist nicht mehr möglich.

Als sprachliche Merkmale der deutschen Bildungssprache werden u.a. differenzierende und

abstrahierende Ausdrücke, normierte Fachbegriffe, unpersönliche Konstruktionen (z. B. Passivsätze,

man-Sätze), komplexe Sätze, nominale Zusammensetzungen, Nominalisierungen, Präfixverben u.Ä.

genannt (vgl. Berendes u.a. 2013, S.26). Genaue Analysen liegen für das Englische vor, eine

systematische Untersuchung für das Deutsche, insbesondere für die Sprache der Schulen in Österreich,

steht noch aus. In einem Stufenmodell sieht der Übergang von Alltag- zu Bildungssprache an einem

Beispiel demonstriert folgendermaßen aus:

Abb. 4 Übergang von Alltags- zu Bildungssprache. Quelle: Berendes/Dragon/Weinert/Hepp/Stanat (2013, S. 25)

Kindern, die in frühem Alter – v.a. in ihren Familien – bereits mit Sprache in Berührung kommen, die

sehr gut anschlussfähig an Bildungssprache ist, fällt der Erwerb bildungssprachlicher Kompetenzen in

der Regel leichter als Kindern, bei denen das nicht der Fall ist. Eine Sprachverwendung, die eine gute

Passung zu der in der Schule erwarteten Sprache (Dirim/Mecheril 2010) aufweist, findet man

häufig in Familien mit hohem sozioökonomischem Status, in denen Kinder in vielfältiger Weise mit

Schrift (z.B. Büchern oder (vor)lesenden Erwachsenen) oder schriftförmiger Sprache (z.B. beim

gemeinsamen Anschauen von Bilderbüchern oder durch das Erzählen von Geschichten) in Kontakt

kommen.

Sprachaneignung im Kontext unterschiedlicher sozialer Milieus

In der untenstehenden Abbildung wird sichtbar, dass sich die österreichische Gesellschaft (so wie alle

anderen industrialisierten Gesellschaften) aus unterschiedlichen Milieus zusammensetzt. Dies hat mit

einer Vielzahl an Faktoren, wie der Schichtung der Gesellschaft im Allgemeinen, unterschiedlichen

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Einkommens- und Arbeits- sowie Wohnverhältnissen, Mangel an (geeigneten) Arbeitsplätzen und

Wohnungen, Armut etc. zu tun (für eine differenziertere Analyse siehe Vester et al 2001).

Abb. 5 Milieustudie Österreich 2013. Quelle: SINUS-Integral Markt- und Meinungsforschungsinstitut.

Wie Morek und Heller (zit. nach Berendes et al 2013, 24) ausführen, hat Bildungssprache neben der

kommunikativen, der epistemischen und der Ungleichheiten produzierenden auch eine sozial-

symbolische, identitätsstiftende Funktion. Die Aneignung bestimmter Sprachvarianten ist daher

jenseits seiner kognitiven Dimension ein mehrfach überlagerter Prozess, der mit der sozialen

Positionierung in einer durch soziale Milieus strukturierten Gesellschaft zu tun hat. Sprachvarianten

sind zentrales Mittel der Selbst- und Fremddarstellung, Grenzziehung und Zugehörigkeit zu

sozialen Milieus. Die Aneignung bestimmter Sprachvarianten fordert daher von Angehörigen jeweils

anderer Milieus emotionalen Tribut. Kinder stehen also vor sehr unterschiedlichen Herausforderungen

bei der Erarbeitung schulischer Lerninhalte, nicht nur gemessen an ihren individuellen Merkmalen

sondern auch abhängig von dem jeweiligen sozialen Milieu, dem sie entstammen.

Die wesentlich Frage ist daher, in welcher Weise Unterricht und Schule auf die unterschiedlichen

Bedingungen, unter denen SchülerInnen lernen und leben, auf die Unterschiedlichkeit der

Herausforderungen, denen sie begegnen, eingehen kann. Wie gut das gelingt, zeigen nach Jahren der

Beschulung die unterschiedlichen Häufigkeiten von sprachlichen Schwierigkeiten in den

unterschiedlichen Milieus, etwa gemessen an dem Anteil der RisikoschülerInnen. Wie in Analysen

zum österreichischen Schulwesen vielfach belegt, gelingt es dem österreichischen Schulsystem

weniger gut, auf die unterschiedlichen Bedingungen einzugehen und diese auszugleichen als anderen

Schulsystemen (Bruneforth/Weber/Bacher 2012, Schneider/Crul/ Lelie 2015).

In der untenstehenden Abbildung sind acht soziale Milieus in der zugewanderten Bevölkerung

Deutschlands benannt und mit Prozentanteilen versehen8.

8 Dies ist nur als Annäherung zu verstehen, weil diese Art der Studie bislang für Österreich noch nicht vorliegt.

Da sich Milieus nicht so schnell verändern, ist es prinzipiell zur Einschätzung der Lage nicht von großer

Bedeutung, ob diese Erhebung ganz aktuell, also aus den vergangenen Monaten stammt.

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Abb. 6 Soziale Milieus in der zugewanderten Bevölkerung Deutschlands 2008. Quelle: Wippermann/Flaig 2009, 8.

Die vergleichende Betrachtung zeigt zweierlei:

1. Die Heterogenität der sozialen Milieus ist in der zugewanderten Bevölkerung mindestens

genau so groß wie in der nicht zugewanderten Bevölkerung.

2. Es gibt große Ähnlichkeiten zwischen den Milieus der zugewanderten und nicht

zugewanderten Bevölkerung, sowohl in den sozialen Lagen und Werthaltungen als auch im

Umfang der meisten Milieus. Die Unterschiede werden gemeinhin überschätzt.

Sprachaneignung im Kontext von Migration und Mehrsprachigkeit

Zu diesen Ausgangsbedingungen der Milieus kommen für Kinder aus zugewanderten Familien weitere

Herausforderungen, seien es kulturelle Anpassungsleistungen oder eine neue Sprache. Das kann für

Kinder aus Milieus, in denen die bildungssprachliche Variante ihrer Familiensprache gesprochen wird,

eine Herausforderung sein, die sie in wenigen Jahren bewältigen; manche bereits nach ein- zwei

Jahren, andere nach 4-5 Jahren (siehe Abb.2). Viele erbringen dann gute, manche auch sehr gute

schulische Leistungen UND sind mehrsprachig – ein großer Vorteil in vielerlei Hinsicht. Für jene,

deren Familien sozialen Milieus entstammen, die sich, wie bei der nicht zugewanderten Bevölkerung,

weiter weg von den Inhalten der Schulbildung und ihrer sprachlichen Variante befinden, ist die

Situation eine andere, die Anstrengung eine größere und die Dauer der Aneignung oftmals eine

wesentlich längere (bis zu 11 Jahren)9.

Sprachaneignung im Kontext der Schulstandorte und Klassen

Als weitere Dimension der komplexen Wirkungsmechanismen im Verlauf von schulischer

Sprachaneignung ist die Zusammensetzung der SchülerInnenschaft zu nennen. Einerseits wird der

Anteil von SchülerInnen, die zuhause die Unterrichtssprache sprechen, diskutiert10

und andererseits

9 Die Komplexität der ineinander verwobenen sozialen Unterscheidungsmerkmale und ihre Auswirkungen in

unterschiedlichen Lebensbereichen rückte durch den intersektionalitätstheoretischen Zugang seit den 1990er

Jahren stärker in das Zentrum sozialwissenschaftlicher Forschung (für Bildung und Migration in Österreich u.a.

Herzog-Punzenberger 2009, 2014) 10

Zuletzt wurde in der US-amerikanischen Forschung (Länggschnittstudie) gezeigt, dass in einem

hochprofessionellen Lehrerumfeld ein Drittel an SchülerInnen in der Klasse genügt, die zuhause die

Unterrichtssprache sprechen (vgl. Valentino & Reardon 2014)

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der Anteil an sozial benachteiligten SchülerInnen – unabhängig von ihrem Sprach- oder

Migrationshintergrund. Beim Vergleich von Schulstandorten mit unterschiedlichen Anteilen von

sozial benachteiligten SchülerInnen (free lunch) zeigte sich, dass sich der Spracherwerb in Klassen mit

rund 70% sozial benachteiligten Kindern im Unterschied zu Klassen mit 50%, 25% und 10% sozial

benachteiligten SchülerInnen wesentlich verlangsamt (Hakuta/Butler/Witt 2000, 12). Offensichtlich

braucht es hier zusätzliche Ressourcen11

und eine maßgeschneiderte Form der Unterstützung.

Sprachaneignung ist also von sehr viel mehr als den individuellen Anstrengungen von Kindern und

deren Eltern abhängig. Gerade auch diese Anstrengungen und Orientierungen sind in großem Maße

von den Bedingungen, die zugewanderte Familien vor Ort vorfinden, abhängig. Daher muss ein

Konzept durchgängiger Sprachbildung die geeigneten Bedingungen in seinen Strukturen und

Institutionen schaffen, wozu auch die professionelle Kooperation mit den Eltern und außerschulischen

Akteuren zählt.

Anregungen zu Komponente 1

INFORMATIONSOFFENSIVE

A0 Informationsoffensive Sprachbildung

Als erster Schritt sollte Verständnis für die Differenziertheit und die Ähnlichkeiten der Lebenslagen

der Kinder mit und ohne zugewanderte Eltern hinsichtlich ihrer Sprachbildung nach sozialen Milieus

geschaffen werden – bei EntscheidungsträgerInnen sowie bei MeinungsbildnerInnen. Sprachvarianten

müssen als komplexe Elemente im Kräftespiel sozialer Milieus erkannt und durchgängige

Sprachbildung als wichtiges Instrument der Chancengleichheit verstanden werden. Ebenso muss die

Angst vor anderen Sprachen im sozialen Raum abgebaut und die Normalität erfolgreicher

Mehrsprachigkeit etabliert werden (vgl. Abschnitt 5.1). Dazu könnten die große Anzahl erfolgreicher

mehrsprachiger SchülerInnen mit ihren Geschichten sichtbarer gemacht werden. Je weiter verbreitet

diese positiven Informationen sind, desto eher kann ein durchgängiges Sprachbildungskonzept im

österreichischen Bildungswesen nachhaltig etabliert werden.

Ein Teil der Informationsoffensive Sprachbildung sollte die „Orientierungshilfe von Anfang an“ sein.

Dabei geht es um die Unterstützung der Eltern, die zuhause eine andere Sprache als Deutsch

verwenden. Sie sollten über die unterschiedlichen Möglichkeiten der Sprachentwicklung

mehrsprachiger Kinder informiert werden, damit sie den (oftmals durchaus gut gemeinten)

Ratschlägen, mit denen sie im privaten und öffentlichen Raum von Anfang konfrontiert werden,

weniger schutzlos ausgeliefert sind und eine gut informierte eigenständige Wahl treffen können (vgl.

Anhang 7.2).

11

Sozialinduzierte Mittelvergabe im schulischen Bereich (entweder an Schulstandorten oder an Schulbezirken)

ist in vielen Ländern oder Städten seit Jahrzehnten üblich. Kalifornien hat 2013 seine „Formel“ reformiert und

investiert derzeit zusätzlich zur Grundausstattung einer Schule zusätzliche 50%, wenn die Rate an

benachteiligten SchülerInnen 55% übersteigt (siehe Anhang 7.6, http://www.cde.ca.gov/fg/aa/lc/)

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Komponente 2 Durchgängigkeit

Die Durchgängigkeit hat im Konzept der „Durchgängigen Sprachbildung“ drei Dimensionen – eine

bildungsbiographische, eine thematische und eine Mehrsprachigkeits-Dimension (Gogolin u.a. 2011,

245f.).

Abb. 7: FörMig-Schnittstellenmodell, http://www.blk-foermig.uni-hamburg.de/www.blk-foermig.uni-

hamburg.de/web/de/handicap/prog/stru/index.html

1. Die bildungsbiographische Dimension bezieht sich auf die bereits angesprochene Notwendigkeit,

Sprachbildung kontinuierlich über die verschiedenen Stationen der Bildungslaufbahn hinweg

durchzuführen. Die Zusammenarbeit verschiedener Bildungsinstitutionen spielt v.a. an den

horizontalen Schnittstellen (z.B. Kindergarten-Primarstufe, Primarstufe-Sekundarstufe I etc.) eine

wichtige Rolle (siehe Vertiefungselement 3).

Zudem werden im FörMig-Schnittstellenmodell (Abb. 7) auch die vertikalen Schnittstellen hin zu

außerschulischen PartnerInnen (Hort, Büchereien, Jugendzentren,…) berücksichtigt, mit denen

Kooperationen im Bereich der Sprachbildung geschlossen werden sollen. Diese spielen sowohl auf der

Ebene der Unterrichtsorganisation und der Unterrichtspraxis als auch auf der Ebene der Schulleitung

eine wichtige Rolle.

2. Die thematische Dimension bezieht sich darauf, dass Sprachbildung nicht nur Aufgabe des

Deutschunterrichts ist. Der gesamte Unterricht und alle Tätigkeiten in einer Bildungseinrichtung sind

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„Sprachunterricht“ in dem Sinne, dass sie sprachliche Anforderungen an Kinder und Jugendliche

stellen und am Auf- und Ausbau bildungssprachlicher Kompetenzen beteiligt sind.

3. Die Mehrsprachigkeitsdimension macht darauf aufmerksam, dass eine alleinige Konzentration auf

das Deutsche nicht ausreicht, um Sprachbildung in mehrsprachigen Kontexten gelingen zu lassen.

Zum einen werden bei der Sprachaneignung nicht einfach voneinander getrennte Einzelsprachen

gelernt. Die Gehirnforschung belegt, dass bei Menschen, die im frühen Alter mehr als eine Sprache

erwerben, die verschiedenen Sprachen im selben Speicher abgelegt und in höchstem Maße

miteinander vernetzt sind, v.a. wenn beide Sprachen im Alltag eine wichtige Rolle spielen und sie

regelmäßig verwendet werden. Diese frühe (und anhaltende) Mehrsprachigkeit bringt auch Vorteile in

kognitiven Bereichen mit sich (z.B. metasprachliche Fähigkeiten, Steuerung der Aufmerksamkeit etc.,

vgl. Riehl 2014, S. 34-39; 56-61). Bei mehrsprachigen Kindern können bestimmte Teilkompetenzen

auch von einer auf andere Sprachen übertragen werden, sodass sprachliche Voraussetzungen auch in

nicht-deutschen Sprachen eine wichtige Rolle beim Deutschlernen spielen.

Abb. 8: Gesamtsprachenkonzept für DaZ-Lernende (DaZ = Deutsch als Zweitsprache)

Zum anderen eröffnet Mehrsprachigkeit einen eigenen Zugang zur Lebensrealität und Kultur der

jeweiligen SprecherInnen und Gesellschaften. In einer globalisierten Welt können diese zusätzlichen

Sprachen auch als wichtige individuelle Ressource für beruflichen Erfolg angesehen werden wie auch

als gesellschaftliche und wirtschaftliche Ressource, die als Standortvorteil interpretiert werden kann.

Deutsch als Zweitsprache

Englisch

Erstsprache

Weitere

Erstsprache(n) Weitere

Fremdsprache(n)

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Anregungen zu Komponente 2

DURCHGÄNGIGKEIT DER SPRACHBILDUNG

A1 Übergänge

Um lebensweltlich mehrsprachigen Kindern und Jugendlichen erfolgreiche Bildungsbiographien zu

ermöglichen, ist den vertikalen Schnittstellen im Bildungssystem (also den Übergängen von einer

Bildungseinrichtung in die nächste) besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Eine Schnittstelle, die derzeit zurecht im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, ist der Übergang vom

Kindergarten in die Volksschule, da sich hier die (sprachlichen) Anforderungen an die Kinder massiv

ändern und Differenzen im Bildungsverständnis, in der Verwaltung und in der Ausbildung der

PädagogInnen die Zusammenarbeit erschweren. Neben Maßnahmen zur Sprachbildung im

Kindergarten und zur Ausbildung der dort tätigen PädagogInnen ist eine vermehrte Zusammenarbeit

zwischen Kindergärten und aufnehmenden Schulen anzustreben.

Dabei wird es besonders im städtischen Bereich notwendig sein, dass ein Kindergarten mit mehreren

Schulen bzw. eine Schule mit mehreren Kindergärten in Kontakt tritt. Die Zusammenarbeit zwischen

Institutionen, zwischen denen viele Kinder wechseln, hat dabei den Vorrang; nicht jede

Einzelentscheidung eines/einer Erziehungsberechtigten, für ihr Kind eine weiter entfernte Schule zu

wählen, wird dabei berücksichtigt werden können. Denkbar ist der Aufbau von Netzwerken zwischen

1-3 Kindergärten und 1-3 Volksschulen, wobei eine Institution die Hauptkoordination übernehmen

sollte. Die Netzwerke können ihre Ziele im Bereich der Kooperation selbst wählen – wünschenswert

wären auf jeden Fall Maßnahmen zum gegenseitigen Kennenlernen, zur Entwicklung eines

gemeinsamen Konzepts der sprachlichen Bildung (einheitliche Grundausrichtung), zu gemeinsamen

(standortspezifischen) Fortbildungsveranstaltungen, zum Informationsangebot für die Eltern und zur

übergreifenden Förderung einzelner Kinder. Diese Ziele müssen dann in vorab festgelegten Schritten

verwirklicht und ihre Umsetzung bzw. ihr „Erfolg“ dokumentiert bzw. bis zu einem gewissen Grad

evaluiert werden. Parallel dazu wäre ein Unterstützungsangebot (Beratungsangebot durch

ExpertInnen, Materialpool, Sammlung und Auswertung der Dokumentationen, Angebot und Verweise

auf Fortbildungen etc.) aufzubauen, auf das im Bedarfsfall zurückgegriffen werden kann.

Auch der Übergang von der Volksschule in die Sekundarstufe I ist ein sensibler und für die

sprachliche Bildung äußerst wichtiger Bereich. Dies ist in Österreich besonders deshalb

problematisch, da durch die frühe Ausdifferenzierung in Gymnasium und Hauptschule/NMS für

SchülerInnen, die aufgrund ihrer Spracherwerbssituation bis zum Ende der 4. Klasse nicht möglich

war, ihre bildungssprachlichen Kompetenzen an die monolinguale Norm anzugleichen,

Bildungsbiographien, die Sie zu einem Studienabschluss führen, erschwert oder gar verunmöglicht

werden. Vom Besuch eines Gymnasiums sollte daher nicht nur aufgrund von erhöhtem Förderbedarf

in der Bildungssprache Deutsch abgeraten werden. Vielmehr ist in den ersten Klassen des

Gymnasiums besonders auf die Hinführung zur Bildungssprache in allen Fächern zu achten. Gezielte

mit dem Regelunterricht koordinierte Förderangebote sollten zu diesem Zeitpunkt ansetzen und

solange wie nötig fortgesetzt werden.

Neben diesen üblicherweise im Fokus stehenden Übergängen sind aber auch die anderen Schnittstellen

in der Bildungsbiographie zu beachten: der Überstieg von der Familie in die erste Bildungsinstitution,

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der Übergang in weiterführende Schulen nach der Sekundarstufe I, der Wechsel in den postsekundären

Bildungssektor und der Einstieg in den Beruf.

Ansätze zu einer solchen Entwicklung sind durch den Erlass „Verbindliche Richtlinien zur

umfassenden Sprachförderung bei sprachlichem Förderbedarf – Entwicklung von

Modellprojekten in allen Bundesländern im Schuljahr 2013/14“ gegeben, der als Grundlage

für die Einrichtung von 12 Modellprojekt-Clustern, verteilt auf alle Bundesländer, gilt.

Konzepte dieser Art sind zu würdigen, im Sinne einer durchgängigen Sprachbildung

weiterzuentwickeln und auszuweiten.

Neben der Schaffung neuer Netzwerke bzw. „Cluster“ sollte auch die Schaffung von

Kooperationen zwischen einzelnen Institutionen gefördert werden – z.B. durch eine

flächendeckende Information von Kindergärten und Volksschulen über Möglichkeiten der

Zusammenarbeit und durch ein Anreizsystem für teilnehmende Institutionen.

A2 Zusammensetzung der Klassen

Bei jedem institutionellen Übergang kommt es zu einer neuen Zusammensetzung in einen

Klassenverband oder eine Gruppe. Das Mischungsverhältnis nach Kompetenzlevels in der deutschen

Sprache im Klassenverband und an den Schulstandorten ist ein erstes wichtiges Kriterium, um

zielführende Bedingungen für die Sprachbildung herzustellen. Hier ist einerseits an die

SchulleiterInnen zu appellieren, ihre Strategien zur Zusammensetzung der einzelnen Klassen zu

überdenken und andererseits begleitete Schulwahlprozesse der Eltern zu institutionalisieren (vgl.

Anhang 7.7, Dutch Knowledge Center for Mixed Schools12

). Je mehr sprachlichen Input (in der

Unterrichtssprache) mehrsprachige Kinder mit Kompetenzrückständen in der Unterrichtssprache von

Gleichaltrigen erhalten, desto besser. Je nach Zusammensetzung der SchülerInnen an einem

Schulstandort können auch konzentrierte additive sprachliche Förderangebote für bestimmte Gruppen

von SchülerInnen zielführend sein, damit sie möglichst schnell über basale Fähigkeiten in der

Unterrichtssprache verfügen. Auch diese Förderangebote sollten nicht zur vollständigen Trennung von

anderen SchülerInnen führen sondern regelmäßig mit Aktivitäten durchsetzt sein, die zu

Gruppenbildungen nach anderen Schwerpunkten (etwa nach Interessen, nach Zufall, nach

Lernschwerpunkten) führen.

A3 Portfolios

Um eine schulartenübergreifende Sprachförderung zu ermöglichen, ist es notwendig, Ergebnisse aus

Sprachstandserhebungen, exemplarische Sprachproduktionen (z.B. Texte in den verschiedenen

Sprachen des Kindes) und die bisher erfolgte Sprachbildung und -förderung zu dokumentieren und der

aufnehmenden Schule zugänglich zu machen. Dabei könnte ein Portfolio zum Einsatz kommen, das

ein Kind vom Kindergarten an über die gesamte Schullaufbahn begleitet und bei dessen Erstellung den

Eltern bzw. den SchülerInnen selbst ein gewisser Gestaltungsspielraum eingeräumt werden sollte.

Nicht zweckmäßig dafür sind Sprachenportfolios zur Dokumentation von Fremdsprachenkenntnissen

auf Grundlage des GERS. Geeignete Vorlagen für „mitwachsende“ Portfolios für die Dokumentation

der Erst- und Zweitsprachenkenntnisse von Kindern in Migrationskontexten wären zu entwickeln bzw.

zu adaptieren. Als good practice können die Regionalen Sprachenportfolios Deutsch, Slowenisch,

Italienisch für die Primarstufe und Sekundarstufe 1 (beide 2013) in Kärnten genannt werden.

12

http://www.gemengdescholen.nl/#English

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Komponente 3: Sprachstandsdiagnostik, Portfolio und Standards

Verfahren, in denen die sprachlichen Kompetenzen von Kleinkindern und SchülerInnen erhoben

werden, werden aus unterschiedlichen Gründen durchgeführt. Einerseits zielen sie darauf ab, die

Gruppe der Kinder mit vermehrtem Sprachförderbedarf zu ermitteln, um Ressourcen (z.B. Lehrkräfte)

passgenau zuteilen zu können, andererseits können sie auch eingesetzt werden, um didaktische

Konzepte oder schulorganisatorische Maßnahmen zu evaluieren. So hilfreich ein solches Vorgehen

für Qualitätssicherung, Ressourcenplanung und Schulentwicklung ist, ist damit noch nicht die

Kernaufgabe der Sprachstandsdiagnostik als Förderdiagnostik erreicht.

Um Kinder individuell fördern zu können, ist es notwendig, den jeweiligen Entwicklungsstand des

Kindes festzustellen. Dazu ist es nicht ausreichend, allgemeine Werte zur Sprachkompetenz (z.B.

durch Lesetests) zu erheben, sondern detaillierte Sprachkompetenz-Profile der einzelnen Kinder

müssen erstellt werden, in denen Stärken und Schwächen in einzelnen Bereichen festgehalten werden,

um Ansatzpunkte für die Förderung zu definieren.

Dadurch können Bereiche identifiziert werden, in denen Förderung notwendig ist. Als Grundlage für

eine grobe Orientierung kann der Qualifikationenfächer von Ehlich (2007) dienen, der folgende

Basisqualifikationen umfasst:

Phonische Basisqualifikation

Pragmatische Basisqualifikation I + II

Semantische Basisqualifikation

Morphologisch-syntaktische Basisqualifikation

Diskursive Basisqualifikation

Literale Basisqualifikation I+II

Dieses Ordnungsprinzip liegt dem Referenzrahmen zur altersspezifischen Sprachaneignung

(Ehlich/Bredel/Reich 2008) zugrunde, der auch Hinweise zum Zweitspracherwerb umfasst. Der

Referenzrahmen kann bei der Entwicklung neuer diagnostischer Instrumente, der Erstellung von

Förderplänen, der Dokumentation der Kompetenzen von einzelnen SchülerInnen und der Definition

von zu erreichenden Standards zugrunde gelegt werden. Dafür ist er auf jeden Fall eher geeignet als

der GERS (Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen), der bezogen auf den

Fremdsprachenerwerb entwickelt wurde und der die besondere Situation von Kindern nicht

berücksichtigt.

Eine wichtige Grundlage einer Förderdiagnostik ist die Erkenntnis, dass in bestimmten Bereichen der

Sprachaneignung Erwerbsreihenfolgen festgestellt werden konnten, in denen aufeinander aufbauende

Kompetenzen erworben werden. Diese Reihenfolgen können auch durch intensive Förderung kaum

umgedreht werden, Förderung auf einer nicht passenden Stufe ist also nicht sinnvoll. So ist im

Deutschen z.B. der Erwerb der Verbformen bzw. deren Stellung im Satz in einer solchen

Erwerbsreihenfolge angelegt:

Präsens Perfekt Futur

Partizip Präteritum Präteritum

ohne HV von „sein“

Abb. 9: Erwerb der Zeitformen im Deutschen, nach Döll 2012

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Wenn nun also festgestellt wird, dass ein Kind bereits Verben im Präsens und Partizipien ohne

Hilfsverb verwendet, sollte im Sinne einer Förderung in der „Zone der nächsten Entwicklung“ (vgl.

Vygotsky 2002) diesem Kind Angebote zum Erwerb des Perfekt gemacht werden. Übungen zum

Präteritum sind auf dieser Stufe hingegen wenig zielführend. Sprachstandsdiagnostische Verfahren,

die auf solchen Erwerbsreihenfolgen basieren, helfen somit nicht nur, den Entwicklungsstand eines

Kindes zu erheben, sondern bieten auch Hinweise auf Möglichkeiten für die nächsten Schritte in der

Förderung und sollten daher als Grundlage für ein Portfolio-System verwendet werden.

Gerade bei Kindern und Jugendlichen, die zwei oder mehr Sprachen in ihrem Alltag gebrauchen, ist

eine differenzierte Diagnostik notwendig, da die Sprachkompetenz nicht in allen Sprachen auf dem

gleichen Niveau sein muss und in manchen Bereichen auch domänenspezifisch ausdifferenziert sein

kann. Am augenscheinlichsten ist dies im Bereich der semantischen Basisqualifikation, wo der

Wortschatz zum familiären Kontext häufig in einer Familiensprache, der Wortschatz zu schulischen

und fachbezogenen Themen in der Unterrichtssprache stärker ausgebaut ist.

U.a. ist es auch aus diesem Grund wichtig, die Kompetenzen in allen Sprachen erhoben werden, die

einE SchülerIn beherrscht. Ein weiterer wichtiger Grund ist auch, feststellen zu können, ob ein Kind

nur im Deutschen Rückstände gegenüber der altersgemäßen Durchschnittsnorm aufweist oder ob die

Sprachkompetenz in allen Sprachen so gering ist, dass der Verdacht auf eine

Sprachentwicklungsstörung vorliegt.

Kurz- bzw. mittelfristig ist als erster Schritt eine Kombination zwischen Screeningverfahren, mit

denen Kinder mit erhöhtem Sprachförderbedarf ermittelt werden, und einer detaillierten Analyse des

Sprachstandes bei diesen Kindern, um mit passgenauen Fördermaßnahmen anschließen zu können, zu

empfehlen. Mittel-bis langfristig sollte das Portfolio-System viele der Aufgaben übernehmen.

Quereinsteigender SchülerInnen sind allerdings beim Eintritt ins österreichische Bildungssystem

immer genau zu diagnostizieren.

Anregungen zu Komponente 3

DIAGNOSTIK, PORTFOLIO UND STANDARDS

A4 Profilanalysen und Beobachtungsverfahren

Als Verfahren zur differenzierten Sprachstandsanalyse bieten sich einerseits Profilanalysen in

mündlicher oder schriftlicher Form13

oder auch Beobachtungsverfahren an. In Österreich sind zwar

Erhebungen zur sprachlichen Entwicklung im Kindergartenalter und in der Volksschule

vorgeschrieben, jedoch beziehen sich diese im Normalfall ausschließlich auf das Deutsche; auch sind

viele der Verfahren nur für monolingual deutschsprachige Kinder entwickelt worden. Die Eignung für

lebensweltlich mehrsprachige Kinder ist in solchen Fällen zumindest fraglich. Eine Ausnahme stellt

das am Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen

Schulwesens in Salzburg entwickelte Instrument BESK-DaZ dar, das im Kindergarten für Kinder mit

Deutsch als Zweitsprache eingesetzt wird (Breit 2011).

Ein Beobachtungsverfahren für die Primarstufe und die Sekundarstufe I, das in Österreich

für SchülerInnen mit Deutsch als Zweitsprache entwickelt wurde und das von LehrerInnen

13

Für Deutschland wurden z.B. FörMig-Tulpenbeet (Reich u.a. 2008) oder FörMig-Bumerang (Reich u.a. 2009)

entwickelt.

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während des Unterrichts eingesetzt werden kann, um Sprachstand und Sprachzuwächse

einzelner SchülerInnen im Deutschen regelmäßig zu beobachten, ist USB-DaZ

(Fröhlich/Döll/Dirim 2014a, Fröhlich/Döll/Dirim 2014b). Einige österreichische Bundesländer

führen dieses Instrument zur Zeit flächendeckend ein.

A5 Entwicklung sprachstandsdiagnostischer Instrumente in den größten Minderheitensprachen

In der Entwicklung von sprachstandsdiagnostischen Instrumenten sind wichtige Aufgaben für die

nächste Zeit v.a. die Überprüfung der Übertragbarkeit von in Deutschland entwickelten Instrumenten

für den österreichischen Kontext und von für einsprachige Kinder erarbeiteten und normierten

Verfahren für mehrsprachige Kinder, sowie die Entwicklung von Parallelversionen in den wichtigsten

in Österreich vertretenen Migrationssprachen (v.a. für BKS gibt es großen Bedarf). Hier sind

Kooperationen mit den Universitäten und Schulforschungszentren in den Herkunftsländern

anzustreben.

A6 Entwicklung eines Portfolio-System (siehe auch A3)

Als langfristiges Ziel ist ein „Portfolio-System“ anzustreben, in dem für jeden Schüler und jede

Schülerin eine Verlaufsdokumentation der Sprachbildung, die auch die erhaltene Sprachförderung

dokumentiert, erstellt wird. Es sollen darin kontinuierlich Angaben zu den Profilen des Sprachstandes

und Angaben zur Sprachbildungsstrategie vermerkt werden. Diese Dokumentation sollte vom

Kindergarten angefangen Schulstufen-, Fächer- und Institutionen-übergreifend erfolgen.

A7Qualitätssicherung in der Elementarbildung

Der Ausbau einer intensiven Sprachbildung für alle Kinder im Kindergarten ist unabhängig von der

jeweiligen Sprache wichtig und von langfristiger Wirkung. Dabei ist jedoch die Qualität der

Einrichtung zu beachten und die Kompetenz der PädagogInnen in der Frage der kulturellen und

sprachlichen Responsivität von entscheidender Bedeutung. Ein vom Head Start Office (USA)

entwickeltes Selbst-Assessment Instrument (Program Preparedness Checklist 5.0) befindet sich im

Anhang. Weitere Professionalisierungsschritte der KindergartenpädagogInnen in diesem Bereich sind

sehr zu befürworten. Sprachliche Bildung sollte dabei bereits vor dem letzten Kindergartenjahr

einsetzen und frühe literale Förderung mit einschließen (Angebot schriftsprachlicher Formen von

Sprache, Beschäftigung mit Büchern und Schrift, Fokus auf sprachintensive Aktivitäten etc.), um den

Erwerb von frühen literalen Fähigkeiten, die die Grundlage für bildungssprachliche Kompetenzen in

der Schule bilden, anzuregen. Das letzte Kindergartenjahr oder ein für alle Kinder verpflichtendes

Vorschuljahr kann dann intensiv dafür genutzt werden, auf den Schuleintritt vorzubereiten und

bildungssprachliche Fähigkeiten anzubahnen.

A8 Dauerhafte Segregation vermeiden

Wie in der Longitudinalanalyse von Valentino & Reardon (2014) gezeigt, konnten keine bis in die 7.

Schulstufe reichenden Effekte der unterschiedlichen Kompetenz in der Unterrichtssprache im

Kindergarten auf die Kompetenzzuwächse in der Unterrichtssprache und in Mathematik bei spanisch-

und chinesischsprachigen SchülerInnen in Kalifornien festgestellt werden. Dieser Befund gibt Anlass

zur Sorge, dass in der österreichischen Diskussion derzeit die Deutschkenntnisse vor Schuleintritt

überbewertet werden. Entscheidend ist vielmehr, dass mindestens ein Drittel der KlassenkollegInnen

über gute Deutschkenntnisse verfügen und die PädagogInnen ausreichend geschult sind. Auch der

Befund, dass quereinsteigende SchülerInnen, die ohne Deutschkenntnisse in das österreichische

Schulsystem einsteigen, nach einigen Jahren keine schlechteren Schulleistungen erbringen als jene

SchülerInnen mit Migrationshintergrund, die bereits in Österreich geboren wurden, zeigt, dass der

Mangel an Deutschkenntnissen bei Schuleintritt ihren langfristigen Erfolg nicht verhinderte.

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Die Praxis, lebensweltlich mehrsprachige Kinder allein aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse in

Vorschulklassen einzuschulen, ist somit höchst kritisch zu betrachten. In Ihrer einflussreichen Studie

zur „institutionellen Diskriminierung“ arbeiten Gomolla und Radke (2002) heraus, dass

Rückstellungen vom Besuch der ersten Klasse im weiteren Verlauf der Bildungsbiographie häufig zu

Nachteilen führen. Als Gründe werden u.a. genannt, dass z.B. immer wieder darauf Bezug genommen

wird, dass Kinder (mindestens) ein Jahr älter als ihre SchulkollegInnen sind, oder dass schneller zum

Schluss gekommen wird, dass die Förderkapazitäten der Regelschule bereits ausgeschöpft seien.

Des Weiteren ist die Sinnhaftigkeit einer segregativen Beschulung der Kinder nach bereits erfolgter

Integration in den Kindergarten anzuzweifeln, und das nicht nur, weil ihnen dadurch wichtige

Anregungen durch das Sprachvorbild Gleichaltriger vorenthalten werden.

Exkurs 1: Sprachkompetenz in der Unterrichtssprache als Schulreifekriterium

Ein Ernstnehmen der förderdiagnostischen Sprachstandserhebung wird immer dazu führen müssen,

Unterricht so zu gestalten, dass er auf die individuellen Kompetenzprofile der SchülerInnen

abgestimmt ist. Somit geht dieser Unterricht von Heterogenität als Voraussetzung aus und versucht

Wege zu finden, damit umzugehen. Internationale Vergleiche zeigen, dass in Schulsystemen, denen es

gelingt, „Migrationshintergrund“ nicht zu einem Wettbewerbsnachteil werden zu lassen, unter

LehrerInnen ein heterogenitätssensibles Verständnis von Unterricht vorherrscht (vgl. Löser 2010).

Hingegen wird in Deutschland und Österreich vielfach über zunehmende Heterogenität geklagt und

versucht, durch Kompensations- und Selektionsmaßnahmen einen möglichst hohen Grad an

Homogenität der Klassen und Gruppen herzustellen (Vorschulklassen mit dem Ziel, ab der ersten

Klasse ein einheitliches sprachliches Niveau erreicht zu haben, frühe Selektion ab der Sekundarstufe I

in unterschiedliche Schulformen etc.).

Jedoch ist eine solche Vorstellung von Homogenität illusorisch. Vielmehr ist das Leitziel eines

inklusiven Unterrichts zu verfolgen. Dieser braucht entsprechende Rahmenbedingungen und

Ressourcen, die auch mit der durchgängigen Sprachbildung verknüpft sind.

Es ist somit nicht sinnvoll, Standardnormen zu definieren, ab wann ein Kind im sprachlichen Bereich

als „schulreif“ einzustufen ist – allein aufgrund der Tatsache, dass die Sprachkompetenzen im

Deutschen nicht der Altersnorm von monolingual Deutschsprachigen entsprechen. Jedoch kann es

durchaus hilfreich sein, Sprachstandserhebungen einzusetzen, um die Zuteilung zusätzlicher

Ressourcen an Schulen mit vielen Kindern mit besonderem Sprachförderbedarf zu ermöglichen.

Individualisierte Sprachbildung anstelle von Selektion

In der untenstehenden Abbildung wird veranschaulicht, wie der Unterricht im WCLP (Umfassender

Sprachbildungsplan des Bundesstaates Washington) geplant wird. Das Beispiel gilt für die Phase 2,

vom Kindergarten bis zur dritten Schulstufe. Phase 1 beginnt mit der Geburt und umfasst auch die

Kinderkrippe. Phase 3 bezieht sich auf Schulstufe 4 bis 6 und Phase 4 auf Schulstufe 7 bis 12. In allen

vier Phasen wird zwischen dem allgemeinen Unterricht, dem strategisch-individualisierten Unterricht

und der intensiven Intervention unterschieden, die allerdings nie zu einer dauerhaften Trennung von

LernerInnengruppen führen. Es wird sehr konkret mit Zeitangaben, Gruppengrößen, Instrumenten und

Akteuren eine differenzierte Vorgangsweise beschreiben, die an die individuellen Bedürfnisse der

SchülerInnen angepasst ist. In diesem Modell gibt es keine Vor- oder Sonderschulklassen.

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Abb. 10: Umfassender Sprachbildungsplan des US-Bundesstaates Washington. Quelle: Washington State Comprehensive

Literacy Plan (Draft June 2012, S. 27-28)

Exkurs 2: Quereinsteigende SchülerInnen (SeiteneinsteigerInnen)

In der österreichischen Schulgesetzgebung ist für quereinsteigende SchülerInnen mit fehlenden

Deutschkenntnissen, so wie SchulanfängerInnen mit fehlenden Deutschkenntnissen, ein bis zu zwei

Jahre dauernder geschützter Status vorgesehen – der „außerordentliche Status“. In dieser Zeit können

die betroffenen SchülerInnen wöchentlich bis zu 11 Stunden Sprachförderung erhalten und werden

nicht benotet. Aufgrund der forcierten politischen Debatte über das Thema der SchülerInnen mit

Migrationshintergrund verwundert es, dass es bislang keine öffentlich einsehbare Dokumentation zu

den angewandten Strategien für QuereinsteigerInnen im österreichischen Schulwesen gibt. Es gibt

auch im Gegensatz zu anderen Ländern keinen Rechtsanspruch der SchülerInnen auf adäquate

Sprachförderung.

Hier ist eklatanter Forschungsbedarf festzustellen. Zu den offenen Fragen zählen die grundlegendsten

Basisinformationen: Quantität und Qualität der Förderung pro Kind, Klasse, Schulstandort oder

Bezirk. Wann wird wie gefördert? Welche Sprachbildungs- und Förderkonzepte wurden den

Maßnahmen zugrunde gelegt? Welche Kenntnisse über das Kind, seine Familiensprache,

Schriftlichkeit und Beschulungsgeschichte werden dem Förderplan zugrunde gelegt? Gibt es

überhaupt individualisierte Förderpläne? Welche Kenntnisse existieren hinsichtlich der

Kompetenzzuwächse je nach Alter und vorheriger Kenntnis der Unterrichtssprache oder vorheriger

Kenntnis von Unterrichtsinhalten?

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Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass es scheint, als ob sich weder die Verwaltung noch

die Politik bisher dafür interessiert hätte14

, evidenzbasierte Strategien für QuereinsteigerInnen zu

entwickeln, die sich auf wissenschaftliche Untersuchungen gründen15

. Es beruht heute noch zum

größten Teil auf sehr persönlichen Einschätzungen der Akteure vor Ort, welche Maßnahmen und

Interventionen für welche QuereinsteigerInnen unter welchen Bedingungen als mehr oder weniger

zielführend erachtet werden. Die Ausbildung, Weiterbildung, wissenschaftliche und andere reflexive

Begleitung der PädagogInnen variiert weitläufig und ist oft nicht vorhanden. Qualitätsstandards oder

Verpflichtungen gibt es keine. SchulleiterInnen sind nicht darüber informiert, dass mehrsprachige

SchülerInnen, die weniger als sechs Jahre die österreichische Schule besuchen und sich nicht mehr im

außerordentlichen Status befinden, bei Bedarf in der Unterrichtssprache Förderung erhalten sollten

und dafür zusätzliche Lehrereinheiten zur Verfügung stehen. Die Personallogik des Schulstandorts

steht bei den Entscheidungen der Stundenvergabe meist im Vordergrund. Wenn keine oder geringe

Fortschritte erzielt werden, wird das beobachtete Phänomen von den PädagogInnen externalisiert und

oftmals biologisiert – der Intelligenzquotient des Kindes oder Jugendlichen ist schuld oder die

mangelnde Unterstützung der Eltern. Qualität und Quantität der Maßnahmen stehen nicht zur Debatte.

In der Schulverwaltung zahlreicher Bundesländer gibt es kein in das Thema gut eingearbeitetes,

verantwortliches Personal. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen (kann-Bestimmungen) werden sehr

unterschiedlich interpretiert. So ist es im Bundesland Oberösterreich Usus, SeiteneinsteigerInnen nach

dem ersten Jahr als außerordentliche SchülerInnen dieselbe Klasse wiederholen zu lassen und zwar

ohne außerordentlichen Status, d.h. die SchülerInnen werden als ordentliche SchülerInnen geführt und

benotet. Es wird gemeinhin erwartet, dass sie nach einem Jahr dem Unterricht „normal“ folgen

können. Das Thema der quereinsteigenden SchülerInnen ist wahrscheinlich das am gröbsten

vernachlässigte wissenschaftliche Feld in diesem Bereich.

Beispielsweise gab es im Jahr 2010 laut Statistik Austria 14.462 Kinder und Jugendliche, die nach

Österreich zugezogen sind. Das wären 578 Schulklassen zu 25 SchülerInnen, würde man alle diese

Neuankömmlinge extra beschulen. Im Jahr 2013 sind 4.873 VolksschülerInnen nach Österreich

gezogen, davon 440 aus Deutschland und 44 aus der Schweiz, einige davon mögen rückkehrende

österreichische Eltern gewesen sein, die anderen (geschätzte 4.000) stammten aus nicht

deutschsprachigen Ländern. Die größten Herkunftsgruppen stammten aus Ungarn, Rumänien,

Russland, Serbien, Polen, Slowakei, Italien, Bulgarien, Türkei, Bosnien und viele andere Länder. Auf

wie viele Schulen, Schulstufen und Klassen sich diese aufteilten, in welchen Orten sich ihre Eltern

angesiedelt haben, unter welchen Bedingungen sie eingeschult wurden – bekamen sie einen

außerordentlichen Status oder einen sonderpädagogischen Förderbedarf attestiert? Alle diese Fragen

sind undokumentiert. Um das Thema der quereinsteigenden SchülerInnen sinnvoll diskutieren zu

können, müsste diese Gruppe erstmals statistisch und insgesamt wissenschaftlich aufgearbeitet

werden. Dazu müssten die Schulverwaltungen der Bundesländer ihre Datenbestände für die

wissenschaftliche Forschung öffnen, sodass Vorgangsweisen und Wirkungszusammenhänge

rekonstruiert werden könnten.

14

Oder genauer formuliert: dort, wo die Verwaltung daran Interesse gehabt hätte, hatte die Politik nicht genug

Interesse daran, tiefergehende Untersuchungen zu finanzieren. 15

Die bisher einzige Längsschnittstudie in Österreich (1. bis 4. Volksschule), die vom damaligen

Unterrichtsministerium in den 2000er Jahren finanziert wurde, führte auch zu wesentlichen Erkenntnissen

hinsichtlich der unterschiedlichen Voraussetzungen mehrsprachiger Kinder und der Bedeutung einer gut

entwickelten Erstsprache für den erfolgreichen Erwerb der Unterrichtssprache (vgl. Peltzer-Karpf 2004), konnte

aber die Schulkultur insgesamt nicht verändern. Sie führte auch zu einer von der deutschen Gesellschaft für

Soziologie ausgezeichneten Dissertation über die Folgen von erzwungenem Sprachwechsel in der Familie

(Brizic 2007).

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Komponente 4 PädagogInnenbildung & Leadership

Sprachdiagnose- und Sprachförderkompetenz können bei KindergartenpädagogInnen und Lehrkräften,

die dazu keine Ausbildung erhalten haben, nicht einfach vorausgesetzt werden. Dies gilt im

besonderen Maße auch für SachfachlehrerInnen, in deren Ausbildung v.a. fachspezifische Inhalte und

deren Vermittlung im Zentrum stehen und standen. In Österreich gab es lange Zeit keine oder kaum

Anteile zu diesem Bereich in der Ausbildung. Im Jahr 2011 gaben 57% der im Rahmen der

internationalen PIRLS-Testung befragten VolksschullehrerInnen an, in Deutsch als Zweitsprache

keine Aus- oder Weiterbildung erhalten zu haben. Dies bedeutet, dass 45% der mehrsprachigen

SchülerInnen mit Migrationshintergrund von einer Volksschullehrerin bzw. einem Volksschullehrer

unterrichtet wurden, die/der keine diesbezügliche Bildung aufwies, 42% wurden von einer

Volksschullehrerin/einem Volksschullehrer unterrichtet, die/der eine Einführung in das Thema

erfahren hatte und nur 13% von einer Klassenlehrerin bzw. eine, Klassenlehrer, die/der vertiefte

Kenntnisse aufwies (vgl. Salchegger, Herzog-Punzenberger, Filzmoser 2015, 20). Dieser Befund

kann in einer Situation, in der jedes vierte Volksschulkind Deutsch als Zweitsprache hat, als

bedenklich eingestuft werden.

Internationale Vergleiche zeigen, dass in Ländern, in denen sich PädagogInnen im Bereich der

Zweitsprachenförderung gut ausgebildet fühlen, die Leistungen der migrationsbedingt mehrsprachigen

Kinder nicht oder nicht so stark hinter einsprachigen zurückbleiben, wie in Ländern, in denen die

PädagogInnen unsicher im Umgang mit dieser Zielgruppe sind (vgl. Löser 2010). Ebenso belegt

eine Studie von Geist (2014), dass Förderung und Diagnostik v.a. dann aufeinander bezogen werden,

wenn PädagogInnen in Schulungen die Handhabung eines bestimmten Programms gelernt haben.

Wird nur intuitiv und nicht nach einem bestimmten Konzept vorgegangen, ist die Förderung kaum auf

Sprachstandsfeststellungen bezogen. Es ist unbedingt darauf zu achten, dass Programme nicht einfach

abgearbeitet werden, sondern die Förderung sich am individuellen Aneignungsprozess des Kindes

orientiert.

Im Moment ist vieles in Bewegung, das Angebot an Pflicht- und Wahlveranstaltungen in der

Erstausbildung ist an den einzelnen PHs und Universitäten sehr unterschiedlich (vgl.

Dannerer/Knappik/Springsits 2013).Derzeit wird an den PHs eine Vielzahl von

Lehrveranstaltungen, Seminarreihen und Lehrgängen zum Themengebiet DaZ und sprachliche

Bildung angeboten und neu entwickelt, da Bedarf und Nachfrage sehr groß sind. Die

Durchführung ist jedoch aus budgetären Gründen immer wieder unsicher.

Einen Lehrgang zu USB-DaZ bietet z.B. die PH-Niederösterreich an, in anderen Lehrgängen

sind Module zur Sprachstandsdiagnostik vorgesehen. Die Universität Salzburg bietet eine

interdisziplinäre Studienergängzung „Mehrsprachigkeit“ im Ausmaß von 24 ECTS an, die PH

Steiermark hat in ihrem neuen Curriculum den Bereich Mehrsprachigkeit und Interkulturalität

als Nebenfach ausgebaut.

Die einzelnen Angebote variieren stark in Umfang und inhaltlicher Ausrichtung. Von Vorteil

wäre es, eine gewisse Vergleichbarkeit der absolvierten Lehrgänge und Lehrveranstaltungen

herzustellen, die für bestimmte Aufgaben im schulischen Bereich qualifizieren.

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Anregungen zu Komponente 4 PÄDAGOGINNENBILDUNG &

LEADERSHIP

A9 Qualifikationsanforderungen

Ein Mindestausmaß an nachgewiesenen Kenntnissen bzw. absolvierten Lehrveranstaltungen zum

Bereich der sprachlichen Bildung mit besonderer Berücksichtigung von Deutsch als Zweitsprache

sollte für den Einsatz in sprachlich heterogenen Klassen Voraussetzung sein. Diese Kompetenzen

sollen dazu dienen, den Unterricht in den eigenen Gruppen/Klassen/Fächern in Kooperation mit

anderen PädagogInnen – im Sinne eines individualisierenden und inklusiven Unterrichts –

bildungssprachförderlich gestalten zu können.

Dabei sind zielgruppenspezifische Angebote an Fortbildungen zu nutzen bzw. zu erstellen. Neben

Grundlagen zu Sprachverwendung und Spracherwerb in mehrsprachigen Kontexten, die für alle

PädagogInnen essentiell sind, sind für LehrerInnen, die (nur) in Sachfächern unterrichten, z.T. andere

Inhalte wichtig als für SprachlehrerInnen oder PädagogInnen im Elementar- oder Primarbereich.

Zur Zeit läuft die erste Fortbildungsveranstaltung für den sprachsensiblen Fachunterricht.

Ebenso wie die Weiterbildung „Basiskompetenzen sprachliche Bildung für alle“ wurden in

den vergangenen Jahren einige Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen konzipiert (z.B. vom

Österreichischen Sprachenkompetenzzentrum in Graz), deren Besuch durch die

Qualitätsmanager (BezirksschulinspektorInnen) in den Regionen an den Schulstandorten

empfohlen werden sollten.

LehrerInnen, die in der Sprachförderung (in Sprachförderkursen und anderen additiven oder

integrativen Fördermaßnahmen für SeiteneinsteigerInnen oder Kindern mit Sprachförderbedarf)

arbeiten, benötigen selbstverständlich vertiefte Kenntnisse, v.a. in der Sprachstandsdiagnostik, der

Erstellung individueller Förderpläne und der Methodik und Didaktik der Sprachförderung.

Verbindliche Regelungen dazu, welche Lehrgänge oder Lehrveranstaltungskombinationen als

Voraussetzung für den Einsatz in diesem Arbeitsbereich qualifizieren, wären wünschenswert. Es wird

empfohlen, den (Nach)Schulungsbedarf durch den standardisierten und computerbasierten Test

„SprachKoPFv06“ (vgl. Thoma, Ofner, Tracy 2013), der durch die systematische Ableitung der

Testinhalte aus einem sprachwissenschaftlichen Konstrukt valide Schlüsse über die

Sprachförderkompetenz pädagogischer Fachkräfte, sowohl über ihr Wissen als auch über ihr Können,

erlaubt, festzustellen. Neben dieser Feststellung sollten Routinen über die regelmäßige Schulung der

Fachkräfte in diesem Bereich vereinbart werden.

Ebenso wird dringend angeraten, dass jeder Schulstandort eine schulinterne Fortbildung SCHILF

zum Thema der durchgängigen Sprachbildung absolviert, sodass die durchgängige Sprachbildung

als gemeinsames Anliegen bekannt und anerkannt werden kann. Aufgrund der Kapazitätsgrenzen des

Ausbildungspersonals sollte mit Schulstandorten begonnen werden, die einen durchschnittlichen

(25%) bzw. höheren Anteil an mehrsprachigen SchülerInnen aufweisen.

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A10 SprachlernkoordinatorInnen an Standorten mit hohen Anteilen mehrsprachiger

SchülerInnen

Es wird empfohlen, an Schulstandorten mit einem hohen Anteil von lebensweltlich mehrsprachigen

SchülerInnen (z.B. ab 40%, wie in Zürich16

) eineN oder mehrere PädagogInnen mit vertieften

Kenntnissen zur sprachlichen Bildung und zu DaZ zu beschäftigen bzw. zu qualifizieren. Diese

können im Sinne von „SprachlernkoordinatorInnen“ (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2013)

als Ansprechpersonen fungieren und spezifische Aufgaben wahrnehmen (z.B. die Koordination der

Maßnahmen zur sprachlichen Bildung). Es spricht natürlich nichts dagegen, dass Sprachförderkräfte

auch diese Funktion wahrnehmen und dafür honoriert werden.

Wichtige Themen für diese Zielgruppe sind neben den bisher genannten:

Vertiefte Kenntnisse in der Durchführung und Auswertung sprachstandsdiagnostischer

Verfahren für die jeweilige Altersgruppe und Anschluss von passgenauen

(bildungs)sprachförderlichen Angeboten

Erstellung individueller Förderpläne und Dokumentation von Sprachaneignungsprozessen

Sprachbildung in allen Fächern und über alle Altersstufen hinweg; Möglichkeiten der

Kooperation im Kollegium und der Entwicklung schulweiter Projekte

Vertiefte Kenntnisse der Didaktik und Methodik eines individualisierenden Unterrichts in

sprachlich heterogenen Gruppen und der zielgruppengerechten Sprachförderung

Möglichkeiten der kollegialen Beratung

Materialanalyse und -erstellung

Elternarbeit unter Einbeziehung von Mehrsprachigkeit

Informationen über außerschulische Unterstützungsangebote für SchülerInnen und über

Kooperationsmöglichkeiten mit außerschulischen Institutionen

Grundlagen der Migrationspädagogik und rassismuskritischer Ansätze

Sprachliche Bildung und Schulentwicklung

A 11 Weiterqualifizierung der muttersprachlichen LehrerInnen

Um die Ressourcen, die durch den Muttersprachlichen Unterricht, der an vielen Schulen in mehreren

Sprachen angeboten wird, im Sinne einer umfassenden sprachlichen Bildung optimal nutzen zu

können und eine Kooperation mit dem Regelunterricht zu ermöglichen, ist eine Weiterqualifizierung

der LehrerInnen für Muttersprachlichen Unterricht, die derzeit ein sehr unterschiedliches

Ausbildungsniveau aufweisen, dringend notwendig.

Die derzeitigen Angebote in diesem Bereich (z.B. der Lehrgang „Muttersprachlicher

Unterricht: Erstsprachen unterrichten im Kontext von Migration“ an der PH Wien) werden gut

angenommen, es stehen jedoch zu wenige Plätze zur Verfügung. Daher sollten die Angebote

ausgebaut und zusätzlich Qualifizierungsangebote zur Vermittlung einzelsprachenspezifischer

Kompetenzen (im spracherwerbstheoretischen, linguistischen und didaktischen Bereich)

bereitgestellt werden.

A12KindergartenpädagogInnen auf tertiärem Niveau

Im Bereich der Elementarpädagogik ist langfristig – wie an verschiedenen Stellen immer wieder

gefordert – eine Ausbildung der gruppenführenden PädagogInnen auf tertiärem Niveau anzustreben.

16

Vgl. QUIMS Qualität in multikulturellen Schulen, Volksschuldirektion Zürich http://www.vsa.zh.ch/internet/bildungsdirektion/vsa/de/schulbetrieb_und_unterricht/qualitaet_multikulturelle_schulen_quims/quims-schulen.html

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Dadurch soll sichergestellt werden, dass in einer Phase, die für die Aneignung von Sprachen essentiell

ist, die bestausgebildetsten PädagogInnen mit den Kindern arbeiten.

Da der Prozess hin zu einer tertiären Ausbildung der KindergartenpädagogInnen noch einige Zeit in

Anspruch nehmen wird, ist es angezeigt, den Themenbereichen DaZ und Mehrsprachigkeit in der

derzeitigen Ausbildung explizit Raum zu geben. Wünschenswert wäre die Einführung eines eigenen

Faches zu diesem Bereich, da bei einer reinen Berücksichtigung migrationsspezifischer Perspektiven

als Querschnittsmaterie in allen Fächern das Themengebiet allzu leicht „untergeht“. Die Integration

des Bereichs in bestehende Fächer (z.B. Didaktik) durch Schwerpunktsetzungen in einzelnen

Schulstufen scheint angesichts der im Lehrplan der BAKIP vorgegebenen Themenbereiche kaum in

ausreichendem Maße möglich zu sein.

In der Fortbildung bieten im Moment die Lehrgänge zur „Frühen sprachlichen Förderung“, die

an den verschiedenen PHs in Österreich für PädagogInnen an der Schnittstelle vom

Kindergarten in die Volksschule angeboten werden, eine Chance zur Qualifizierung der

bereits im Dienst befindlichen PädagogInnen. Mit einem Ausmaß von im Normalfall 6 ECTS

können sie jedoch nur als Grundqualifizierung zu einer sprachsensiblen Gestaltung der

Schuleingangsphase gelten. Durch weitere standortspezifische Fortbildungen, die im Idealfall

institutionenbergreifend stattfinden und von PädagogInnen des Elementar- und Primarbereichs

gemeinsam besucht werden, können PädagogInnen in ihren konkreten Herausforderungen

unterstützt, gemeinsame Sprachbildungsstrategien entwickelt und Schulentwicklungsprozesse

angestoßen werden.

A13 Leaderhsip durch die Schulleitung notwendig

Bei einer Untersuchung über schulische Bedingungen zur Verkleinerung der Leistungsdifferenz in

Lesen zwischen unterschiedlichen Herkunftsgruppen in Kalifornien (Oberman 2004) zeigte sich, dass

die Rolle der SchulleiterInnen neben der regelmäßigen Verwendung von Resultaten standardisierter

Tests für die Unterrichtsentwicklung entscheidend war für den Erfolg. In den Schulen, in denen es zu

wesentlichen Verbesserungen über einen Zeitraum von vier Jahren gekommen war, hatte die

Schulleitung das Thema zu einem prioritären Arbeitsfeld des Schulstandorts erklärt und den

Lehrkräften Zeit und Raum zur Verfügung gestellt, um sich über Unterrichtserfahrungen und

Testresultate regelmäßig auszutauschen und neue Strategien auszuprobieren. Die Schulleitung achtete

auch auf eine adäquate Fehlerkultur (Fehler als Lernpotential verstehen) und organisierte externe

Unterstützung zum Themenfeld des Lesenlernens.

Die Sensibilisierung der Schulleitungen für das Themenfeld der durchgängigen Sprachbildung ist ein

vordringliches Ziel, das u.a. durch Selbstevaluationsinstrumente angestoßen werden kann.

Als wichtige Anknüpfungspunkte sind hierbei einerseits die Resultate der

Bildungsstandardtestungen zu sehen und die Entwicklungsvereinbarungen im Rahmen der

Schulqualität Allgemeinbildung SQA. Insbesondere die BIST Deutsch in der vierten

Schulstufe, deren Resultate voraussichtlich Ende 2015, bzw. der BIST Deutsch in der achten

Schulstufe, die Ende 2016 übermittelt werden, bieten eine gute Gelegenheit, das Thema der

durchgängigen Sprachbildung flächendeckend an den Schulstandorten anzusprechen.

Als weiteres Thema der „Leadership“ in diesem Themenbereich ist die Elternarbeit zu erwähnen.

Die Eltern sind als wichtige BildungspartnerInnen im Dreieck Schule-Kind-Eltern zu berücksichtigen.

Es ist jedoch vorrangig Aufgabe der Schule (und vorschulischer Bildungseinrichtungen), die Kinder

an die deutsche Bildungssprache heranzuführen. Diese kann nämlich von den Eltern je nach eigener

bildungssprachlicher Kompetenz, dem Grad an formaler Bildung und der Kompetenz im Deutschen

nur bedingt übernommen werden. Sprachliche Bildung ist auch im außerschulischen Kontext wichtig,

jedoch kann diese in der Familie nur in einer Sprache bzw. in Sprachen geschehen, die die Eltern gut

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und gerne sprechen und die sie auch an ihre Kinder weitergeben möchten. Die Wahl der

Familiensprache(n) ist somit den Eltern zu überlassen und fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich der

Bildungseinrichtungen.

Eltern, die aus anderen kulturellen Kontexten stammen und die ein anderes Schulsystem als das

österreichische erlebt haben, haben fallweise sehr unterschiedliche Vorstellungen über ihre Rolle

hinsichtlich der Schulbildung ihrer Kinder. Die Frage, wie professionelle Elternarbeit beschaffen sein

könnte und welche spezifischen Themen bei zugwanderten Eltern zu berücksichtigen sind, hat bisher

im Professionsverständnis der österreichischen PädagogInnen noch keinen wichtigen Platz. Hier sollte

eine neue Zugangsweise entwickelt und in der Aus- und Weiterbildung verankert werden.

Die Professionalisierung der Elternarbeit in Kindergarten und Schule ist als dringlicher

Entwicklungsschritt im Professionsverständnis zu sehen. Für kulturelle und sprachliche

Responsivität in diesem Bereich gibt es good practices aus anderen Ländern, die an die

österreichische Situation angepasst werden sollten (siehe Anhang 7.3).

Komponente 4

Bilinguale Unterrichtsmodelle für die größten Sprachgruppen

In dieser Machbarkeitsstudie stellt der Aufbau von bildungssprachlichen Kompetenzen im Deutschen–

mit besonderer Berücksichtigung von Deutsch als Zweitsprache – den Schwerpunkt innerhalb des

Gesamtsprachenkonzepts dar. Allerdings hat sich gerade für Minderheitengruppen, die mit negativen

Stereotypen zu kämpfen hatten, insbesondere in der Verbindung von Minderheitensprachen und

Bildungsbenachteiligung, eine Schullaufbahn mit einem höheren Abschluss, in der diese

Minderheitensprache als Unterrichtssprache (auch) verwendet wird, als sehr wirksam zur Erhöhung

der Bildungsbeteiligung herausgestellt, etwa unter den Kärntner SlowenInnen oder den Burgenland

KroatInnen während der vergangenen Jahrzehnte. Österreich nimmt hinsichtlich des zwei- bzw.

dreisprachigen Bildungswesens auf regionaler Ebene zunehmend eine Vorreiterrolle ein. Es sind nicht

nur die Anmeldungen zum zweisprachigen Unterricht in Kärnten stetig gestiegen, sondern es wurden

auch Regionale Sprachenportfolios Deutsch, Slowenisch, Italienisch für die Primarstufe und

Sekundarstufe I (beide 2013) in Kärnten ausgearbeitet.

Anregungen zu Komponente 4

BILINGUALE Unterrichtsmodelle

Als Begleitmaßnahme zur Förderung des Erwerbs der bildungssprachlichen Variante des Deutschen in

monolingual deutschsprachigen Schulen und Unterrichtsmodellen soll auch die Möglichkeit zum

Erwerb der bildungssprachlichen Variante von Minderheitensprachen von Einwanderungsgruppen in

Form einer mehrsprachigen Schullaufbahn mit höherem Schulabschluss (Matura) zur Verfügung

gestellt werden. Dies ist in traditionellen Einwanderungsländern durchaus üblich. So werden vom

Center for Applied Linguistics an der University of Minnesota 420 zweisprachige Schulen in 8

Sprachen angeführt, wovon 387 den Unterricht in Spanisch und Englisch durchführen, 12 in

Chinesisch (Mandarin) und English, und die verbleibenden verteilen sich auf Französisch, Koreanisch,

Japanisch, Deutsch, Italienisch und Englisch (Fortune & Christian 2012). Aktuelle Analysen der

Standford University (Valentino & Reardon 2014) haben gezeigt, dass die durchgängig zweisprachige

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Schulbildung spätestens ab dem sechsten Schuljahr die höchsten Kompetenzen von vier verglichenen

Unterrichtsmodellen erbringt.

Die Etablierung bilingualer bzw. mehrsprachiger Unterrichtsmodelle werden insbesondere für jene

Gruppen, die in Österreich bei den höheren Bildungsabschlüssen sowie bei höheren beruflichen

Positionen unterrepräsentiert bzw. in den unteren Rängen überrepräsentiert sind, als Teil einer

Gesamtstrategie zur Angleichung der Bildungserfolge ihrer Kinder gesehen. Aus der psychologischen

Forschung zu social identity theory ist etwa bekannt, dass die Zugehörigkeit zu einer im jeweiligen

Sozialraum niedrig bewerteten Gruppe negative Auswirkungen auf den Selbstwert, die

Selbstwirksamkeit und die Lernfähigkeit der Individuen hat (vgl. Stereotype threat). Diesem Effekt

wird durch mehrsprachige Schul- und Unterrichtsmodelle auch in der Öffentlichkeit entgegengewirkt,

was wiederum eine positive Auswirkung auf die Bewertung der eigenen Gruppe hat. Es ist daher aus

mehreren Gründen sinnvoll, zweisprachige Bildungswege (bis zur Matura) in den Sprachen der

Gruppen, die in Österreich mit niedrigem Prestige zu kämpfen haben, einzurichten17

.

Daher sollten zumindest für die türkisch- und bosnisch-, kroatisch-, serbischsprachige Gruppe

bilinguale maturaführende Schullaufbahnmodelle entwickelt und an mehreren Standorten in

Österreichs größeren Städten eingerichtet werden. Es könnten auch an einem Schulstandort

mehrere Klassen mit unterschiedlichen Sprachkombinationen untergebracht sein, sodass als

Gemeinsames die lebensweltliche Mehrsprachigkeit in Verbindung mit höherer Bildung erlebt

werden kann.

17

Als good practice Beispiel wird das Dokument „Guiding Principles for Dual Language Education“ des US

Bildungsministeriums und das National Clearinghouse for Englisch Language Acquisition an der George

Washington University in Washington, DC (siehe Anhang 7.4) empfohlen.

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5. Übergreifende Handlungsempfehlungen

Die Handlungsempfehlungen dieser Machbarkeitsstudie sind an unterschiedliche Gruppen von

Akteure gerichtet und orientieren sich an den Kriterien der Evidenzbasierung und Nachhaltigkeit. Im

vorangegangenen Text haben wir versucht, neben den wissenschaftlichen Einsichten bereits

existierende Beispiele im österreichischen Kontext zu bewerten und Elemente an die hiesigen

Gegebenheiten anzupassen bzw. an bestehende Entwicklungen anzuschließen und Anregungen zu

formulieren. In diesem letzten Kapitel finden sich nun Handlungsempfehlungen, die in fünf Bereiche

gebündelt, jeweils mit piktographischen Elementen aus den good practices veranschaulicht werden.

Diese befinden sich großteils in Form von Gesamtdokumenten im Anhang.

Das erste Piktogramm ist dem umfassenden Sprachbildungsplan des US Bundesstaates Washington

entnommen. SAILS spricht mit seinem Handlungs- und Phasenmodell die vier Gruppen von Akteure

der Landes- und Bezirksschulräte, der Schulleitungen, der Lehrkräfte sowie der Eltern anspricht. Es ist

das umfassendste Good practice-Beispiel und zeigt, wie ein Konzept „Durchgängiger Sprachbildung

für Österreich“ in der Endphase seiner Ausarbeitung aussehen könnte.

Abb. 11: Washington State Comprehensive Literacy Plan (Draft June 2012, 3)

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5.1 Informationsoffensive „Wenn Kinder mehrere Sprachen sprechen“

Das vorgeschlagene Konzept zur

Durchgängigen Sprachbildung adressiert alle

AkteurInnen, die mit Kindern und

Jugendlichen zu tun haben, von der Geburt bis

zur Volljährigkeit. Nachdem Hören und

Sprechen die Basis sprachlicher Bildung

darstellen und diese Aktivitäten nicht mit dem

Eintritt in den Kindergarten oder

außerhäuslicher Betreuung sondern mit der

Geburt beginnen, ist es zielführend, die Eltern

bzw. sorgepflichtigen Personen mit Wissen

über sprachliche Bildung und

Mehrsprachigkeit bei und unmittelbar vor der

Geburt zu versorgen. In dieser Phase suchen

(werdende) Eltern oftmals nach Orientierung,

da sie im privaten wie öffentlichen Raum mit

sehr widersprüchlichen „Ratschlägen“

konfrontiert werden. Sinnvollerweise müssen

Angebote in den Sprachen bzw.

Kommunikationsvarianten erfolgen, die alle

und insbesondere zugewanderte sowie von

Schriftsprache weiter entfernte Eltern erreichen

können18

. Wie bei jeder Maßnahme, die alle

sozialen Milieus der österreichischen

Gesellschaft erreichen soll, muss sowohl in der

Form des Materials als auch in der

Verbreitungsweise zielgruppenspezifisch

vorgegangen werden, damit sie die gewünschte

Wirkung entfalten kann19

. Außerdem müssen

18

Der Civil Rights Act (Title VI 1964) in den USA besagt, dass die Bundesregierung dafür verantwortlich ist, dass Eltern, die der englischen Sprache nur eingeschränkt mächtig sind, alle schul- und bezirksrelevanten Informationen zugänglich gemacht werden müssen, sodass sie diese verstehen können (vgl. US Dptm of Justice & US Dptm of Education January 7, 2015; siehe Anhang 7.5). Für Gesetzestexte stehen unter den gebührenfreien Telefonnummern Übersetzungsservices zur Verfügung. 19

Als good practice sei auf das Programm „mehr Sprache“ der Beratungsstelle okay.zusammenleben in Vorarlberg und seine Verbreitungsstrategie über Brückenbauerinnen und Elternbildung sowie Kompetenztrainings für PädagogInnen hingewiesen. Eine Kurzinformation wie etwa ein Folder ähnlich der zehnseitigen Information „When Children Speak More Than One Language“ mit großen, farbigen Abbildungen aus Ontario/Kanada

die Berufsgruppen, die in dieser Phase der

Elternschaft (erste) AnsprechpartnerInnen der

Eltern sind, in die Verbreitung (idealerweise

auch die Inhalte betreffend) eingebunden

werden. Selbige Vorgehensweise ist neben

dem Schulwesen auch in der Jugendarbeit und

Freizeiteinrichtungen etc. zu überlegen.

sollte in allen Geburtsstationen, bei Frauen- und KinderärztInnen und in allen Ämtern, die Eltern für das Neugeborene aufsuchen, aufliegen.

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.

5.2 Implementierung des Konzepts

„Durchgängige Sprachbildung“

Das Konzept der „Durchgängigen

Sprachbildung“ (Lange/Gogolin 2007) wurde

im Rahmen des Modellprogramms „FÖRMIG“

(„Förderung von Kindern und Jugendlichen

mit Migrationshintergrund) entwickelt, das

sich zum Ziel gesetzt hat, alle Kinder und

Jugendlichen – mit einem besonderen Fokus

auf mehrsprachige SchülerInnen – bei der

Aneignung der Bildungssprache zu

unterstützen.

Dieses Programm wurde von 2004 bis 2009 in

zehn deutschen Bundesländern durchgeführt

und von der wissenschaftlichen Evaluation als

erfolgreich eingestuft. Im Rahmen des

Programms entstanden zahlreiche

Publikationen, die einerseits die

wissenschaftlichen Erkenntnisse darstellen,

andererseits aber auch Erfahrungen aus dem

Projekt in Form von konkreten gelungenen

Beispielen aus der Praxis weitergeben und

konkrete Hilfestellungen für die Einführung

einer durchgängigen sprachlichen Bildung

auch in anderen Kontexten geben.

Die Anregungen, die aus dem

Modellprogramm für den österreichischen

Kontext gewonnen werden können, sind

zahlreich. So können Erfahrungen eines groß

angelegten Projektes zur Sprachbildung

Anregungen für ähnliche Projekte (incl.

Evaluation) in Österreich bieten. Der Ansatz,

keine fertigen Konzepte zu entwickeln und sie

einzelnen Schulen „überzustülpen“, sondern

mit den Schulen (und den anderen beteiligten

Einrichtungen) den Ist-Stand zu analysieren

und Schritte auf dem Weg zu „Durchgängiger

Sprachbildung“ zu planen, durchzuführen und

zu analysieren, macht das Programm besonders

anschlussfähig für andere Kontexte.

Publikationen zu FörMig sind im Waxmann-

Verlag in den Reihen „FörMig Edition“ und

„FörMig Material“ erschienen. Beispiele aus

der sehr praxisnahen Material-Reihe finden

sich im Folgenden:

Die „Qualitätsmerkmale sprachlicher

Bildung“ (vgl. Gogolin/Lange/Hawighorst

2011) sind dazu geeignet, Unterricht auf seine

Bildungssprachförderlichkeit zu überprüfen

bzw. dahingehend weiterzuentwickeln.

Erfahrungen aus der Praxis von

Sprachbildungsnetzwerke bieten die FörMig-

Material-Bände Netzwerke für durchgängige

Sprachbildung 1 und 2 (Dobutowitsch u.a.

2013; Salem u.a. 2013).

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37

5.3 Professionalität, Leadership und

Qualitätssicherung

Wie in Komponente 4 beschrieben, ist die Aus-

und Weiterbildung der PädagogInnen im

Bereich der Durchgängigen Sprachbildung

Vorbedingung für die erfolgreiche

Implementierung des Konzepts. Eine

Intensivierung der bereits bestehenden und

großteils in Entwicklung befindlichen

Angebote, eine Abstimmung der Inhalte und

eine Verankerung des Themas in der

Ausbildung aller Lehrkräfte sind anzustreben.

Wünschenswert ist eine systematische und

tiefreichende Evaluation von Fort- und

Weiterbildungsmaßnahmen für PädagogInnen,

um deren Qualität und Relevanz für die

pädagogische Praxis sicherzustellen.

Neben der wissenschaftlichen Evaluation

didaktischer und methodischer Ansätze mittels

empirischer Forschungsmethoden muss

Evaluation auch Teil der standortspezifischen

Schulentwicklung und letztlich jeden

Unterrichts sein. Verschiedene Methoden der

(Selbst-)Evaluation müssen allen

PädagogInnen bekannt sein. Zur

Standortentwicklung im Bereich der

Elementarbildung sollten hinsichtlich der

sprachlichen und kulturellen Responsivität ein

Selbst-Evaluationsinstrument eingesetzt

werden. So könnte die „Program Preparedness

Checklist“ des Head Start Program, in der man

die sprachliche und kulturelle Responsivität

des eigenen Kindergartens beurteilt, für

Österreich adaptiert werden.

In jedem Schulstandort sollte eine gemeinsame

Evaluationspraxis vereinbart werden, um über

die Qualität des Unterrichts, der

Fördermaßnahmen und der organisatorischen

Maßnahmen kommunizieren zu können.

In der internationalen Forschung wird die

Rolle der Steuerungsebene sowie der

Schulleitungen besonders betont. Schulen, in

denen Sprachbildung erfolgreich verläuft,

unterscheiden sich unter anderem durch eine

Leitung, die das Thema als prioritär beurteilt

und konsequent implementiert, von weniger

erfolgreichen Schulstandorten. Sie ermöglicht

Raum und Zeit zur gemeinsamen Reflexion

und Weiterentwicklung auf Basis von Daten

standardisierter Bewertungsinstrumente.

5.4 Bilinguale Unterrichtsmodelle für

die größten Sprachgruppen

Wie in den aktuellen Forschungsergebnissen

zur Sprachbildung mehrsprachiger

SchülerInnen gezeigt, werden langfristig die

höchsten Kompetenzwerte in durchgängig

zweisprachigen Unterrichtsmodellen erreicht.

Bedingung sind mindestens ein Drittel

SchülerInnen, die in deutschsprachigen

Familien leben und die ihre Bildungslaufbahn

zweisprachig durchlaufen wollen.

Zweisprachige Schulen oder Klassen in den

Städten mit höheren Konzentrationen

bestimmter Minderheitengruppen (z.B.

Standorte in Vorarlberg, Oberösterreich,

Salzburg, Wien,…) können jedenfalls als

Aufgabe der öffentlichen Hand gesehen

werden, die damit ein wichtiges Signal an die

Minderheitengruppen als Teil der

österreichischen Gesellschaft und das

Bemühen um ihren Bildungserfolg sendet (vgl.

Wirkung des Minderheitenschulwesens auf die

bei der Einführung bildungsbenachteiligten

autochthonen Minderheiten in Österreich).

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5.5 Evaluation und Forschung

Derzeit liegen relativ wenige Hinweise vor,

welche Modelle sprachlicher Bildung die

größten Effekte zeigen. Insbesondere gilt dies

für den österreichischen Kontext, wobei auch

in anderen amtlich deutschsprachigen Ländern

eine wissenschaftliche Evaluation der

eingesetzten Konzepte und Maßnahmen selten

ist. Daher sind die bisher umgesetzten und neu

implementierten Ansätze und Maßnahmen

unbedingt umfassend und wissenschaftlichen

Standards entsprechend zu evaluieren. Dies ist

nicht nur dann erforderlich, wenn Programme

neu entwickelt werden, sondern auch dann,

wenn „erfolgreiche“ Konzepte von einem

Kontext in einen anderen (z.B. den

österreichischen oder ein bestimmtes

Bundesland betreffenden) transferiert werden.

Dabei ist im Vornhinein festzulegen, was unter

„Erfolg“ verstanden wird, wobei mehrere

Ebenen einbezogen werden sollten

(Kompetenzzuwächse aller

SchülerInnen(gruppen) im sprachlichen,

mathematischen und naturwissenschaftlichen

Bereich, Bildungserfolg und erreichte

Bildungsabschlüsse, Bewertung der

Umsetzbarkeit durch die Lehrkräfte, Grad an

Umsetzung der Leitziele im Unterricht etc.).

Um belastbare Aussagen über Qualität und

Wirksamkeit der gesetzten Maßnahmen treffen

zu können, sind umfassende

Langzeituntersuchungen (ggf. mit

Kontrollgruppendesign) notwendig. Bei der

Einführung neuer Programme ist es auch

sinnvoll, den Ist-Stand vor der

Implementierung mit den Ergebnissen nach

einer gewissen Laufzeit miteinander zu

vergleichen und dabei die gleichen

Bildungseinrichtungen über mehrere Jahre zu

begleiten.

Neben einer Schwerpunktsetzung in der

Evaluationsforschung sind auch in anderen

Bereichen der Forschung

Schwerpunktsetzungen notwendig. So etwa

mit dem Ziel diagnosebasierte Konzepte der

sprachlichen Bildung für unterschiedliche

Kontexte erstellen und weiterentwickeln zu

können. Einerseits geht es dabei um

Grundlagenforschung z.B. zum Spracherwerb

oder zum Sprachgebrauch in mehrsprachigen

Kontexten, andererseits um die Entwicklung

bzw. Adaption von konkreten Materialien

(sprachstandsdiagnostische Verfahren,

förderdiagnostische Unterrichtsmaterialen etc.)

und Konzepten (zur sprachlichen Bildung, zur

Sprachförderung, zur Zusammenarbeit mit

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Eltern und außerschulischen Institutionen).

Besonders die Umsetzung von

Forschungsvorhaben in der Didaktik findet

derzeit in Österreich kaum statt, da geeignete

Förderschienen für diesen Bereich fehlen.

Wünschenswert wäre die Einrichtung von

Projektclustern, in denen Einzelprojekte

miteinander vernetzt sind und in denen die

Ergebnisse der einzelnen Projekte zueinander

in Beziehung gesetzt werden. Um fundiertes

Arbeiten zu ermöglichen und qualifizierte

Personen für diese Forschungstätigkeiten zu

gewinnen ist es notwendig, solche

Forschungsinitiativen über Projektstellen, die

an einer oder an mehreren Hochschulen

(Universitäten/PHs) angebunden sind, zu

finanzieren.

Eine wissenschaftliche Aufarbeitung der

quereinsteigenden SchülerInnen müsste nach

statistischen, administrativen,

förderstrategischen und anderen

Gesichtspunkten dringend beauftragt werden.

Ebenso gibt es eine deutliche Lücke bei der

Frage zum Mitteleinsatz für die ordentlichen

SchülerInnen mit einer anderen Erstsprache als

Deutsch. Die zuständigen

Verwaltungseinheiten scheinen jegliche

Transparenz zu verhindern. Für ForscherInnen

ist dieses Feld beinahe nicht zugänglich.

Abschließen soll noch erwähnt werden, dass es

hilfreich wäre, die Rechtslage hinsichtlich der

Familien und Kinder mit einer anderen

Familiensprache als der Unterrichtssprache in

unterschiedlichen Ländern miteinander zu

vergleichen. Die in den Bürgerrechten der

USA festgelegten Verpflichtungen für die

Schulverwaltungen qualitätsgesicherte

Sprachförderung anzubieten, ist dabei von

besonderem Interesse.

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6.5 Vorgaben des US Bildungs- und Justizministeriums an die Schulverwaltungen der Bundesstaaten

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6.6 Sozialinduzierte Mittelvergabe an Schulstandorte oder Schulbezirke –

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6.7 Niederländisches Zentrum für gemischte Schulen

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