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Untergang der Basis

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Atlan - Die Abenteuer der SOL Nr. 669 Die Namenlose Zone  

Untergang der Basis von Arndt Ellmer  Der Angriff auf die Lichtquelle  

Es geschah  im April 3808. Die  entscheidende Auseinandersetzung  zwischen Atlan und  seinen Helfern und Anti‐ES ging überraschend aus. Die von den Kosmokraten  veranlaßte  Verbannung  von  Anti‐ES  wurde  gegenstandslos, denn aus Wöbbeking und Anti‐ES entstand ein neues Superwesen, das hinfort auf der Seite des Positiven agiert. Die  neue  Sachlage  gibt  Anlaß  zum  Optimismus,  zumal  auch  in  der künstlichen  Doppelgalaxis  Bars‐2‐Bars  endgültig  der  Friede  einkehrt.  Für Atlan  jedoch  ist  die  Situation  alles  andere  als  rosig.  Der  Besitz  der Koordinaten  von  Varnhagher‐Ghynnst,  ohne  die  er  nicht  den  Auftrag  der Kosmokraten erfüllen kann, wird ihm nun durch Chybrain vorenthalten. Ob er es  will  oder  nicht,  der  Arkonide  wird  verpflichtet,  die  Namenlose  Zone aufzusuchen. Inzwischen schreibt man den August 3808. Trotz der Vernichtung des Junk‐Nabels,  des  letzten Übergangs  zwischen Normaluniversum und Namenloser Zone,  gibt  es  mit  Hilfe  der  BRISBEE‐Kinder  die Möglichkeit,  dennoch  in dieses Raumgebiet zu gelangen. Dort –  so weiß man  inzwischen – verkörpern die Zyrtonier die  eigentliche Macht. Und diese negativen Wesen entwickeln nun  ihre volle Aktivität, und ihr überraschender Angriff führt zum UNTERGANG DER BASIS … 

 Die Hauptpersonen des Romans:  Atlan ‐ Der Arkonide dringt erneut in die Namenlose Zone ein. Malara und Ohoro ‐ Zwei Lebenspartner im Einsatz. Rico und Pit ‐ Roboter der Basis des Ersten Zählers. Than, Oyz und Droos Atiq ‐ Drei vulnurische Forscher. Solania von Terra ‐ Kommandantin der SZ‐2.  

1.  Die GESTERN, HEUTE und MORGEN umkreisten die SOL auf ein und  derselben  Bahn.  Sie  taten,  als  handle  es  sich  bei  dem Generationenschiff  um  das  Zentrum  ihrer  Interessen  und  ihres Lebens. In gewisser Weise war es das auch geworden. Die SOL war das  einzige Objekt, das  seit  längerer Zeit  im  Junk‐

System  operierte,  und  quasi  letzter  Begleiter  der  gelben Normalsonne. Mit dem Eintauchen des Nabels  in die Sonne waren die Stationen auf allen drei Planeten explodiert und mit ihnen auch diese Welten. Junk  war  nur  noch  ein  Trümmersystem,  in  dem  sich  die  vier 

Schiffe wie  hilflos  Suchende  bewegten. Der Nabel  fehlte,  und  die beiden  uns  verbliebenen Möglichkeiten  reichten  nicht  aus,  unser Ziel zu erreichen. Die Transportmöglichkeiten der BRISBEE‐Kinder waren begrenzt, und auch mit der Futurboje ließ sich nur ein kleiner Teil des Vulnurer‐Volkes in die Namenlose Zone schaffen. Namenlose Zone! Wie  ich  diesen  Namen  verfluchte.  Er  war  mir  zum  Alptraum 

geworden. Anti‐ES hatte mich dorthin  entführt, und  ich hatte viel Zeit  verloren.  Aber  ich  hatte  Gutes  bewirkt.  Ich  hatte  den Grundstein dafür gelegt, daß Anti‐ES positiv geworden war. Manchmal  erschien  es mir,  als  seien  die  Zusammenhänge  nicht 

kosmisch bedeutungsvoll. Dann übermannte mich das Gefühl, kein Beauftragter  der  Kosmokraten  zu  sein.  Ich  hielt  mich  für  einen 

Blinden,  der  umhertappte  und  nach  den  Trümmern  der  eigenen Existenz tastete. Dreizehntausend  Jahre Leben. Für nichts? Für eine Enttäuschung 

nach der anderen? Oder  blieb  da  nicht  doch  ein winziger  Funke Hoffnung.  Etwas 

mehr  als  nur  die  Ahnungen,  die  mich  seit  der  Entdeckung  der Schlafenden Mächte bewegten, seit der Erlösung Tomagogs? Ich versuchte, Licht in all die Eindrücke zu bringen, die sich in mir 

rührten. Namen  reihten  sich wie  eine Kette  aneinander. Vulnurer, Zyrvulner, Vullkauger, Zyrtonier. Sie und das Aussehen, das ich mit den  Namen  verband,  ergaben  einen  dichten  Vorhang  von Ungewißheiten. Ahnungen eben. Die Richtung, in die sie alle liefen, war  eindeutig.  Alles  zielte  in  diesen  Tagen  und Wochen  auf  die Namenlose  Zone,  das  Schicksalsgebiet  so  vieler  unterschiedlicher Völker. Einst  das Gefängnis  einer  Superintelligenz,  jetzt  eine Gefahr  für 

alle,  die  sich  hineinwagten  in  den  Raum  zwischen  den Schockfronten. Chybrain  war  dort.  Er  war  verschollen.  Trotz  intensiver  Suche 

hatten wir keine Spur von  ihm gefunden, und  ich kämpfte mit der düsteren Gedankenbotschaft, die  immer wieder bei mir  anklopfte. Nein, Chybrain durfte nicht tot sein. Er allein besaß die Koordinaten von Varnhagher‐Ghynnst, meinem Fernziel, das ich in all den Jahren nie  aus  den  Augen  verloren  hatte.  Ich  war  an  Bord  der  SOL gekommen,  um  mit  diesem  Schiff  dorthin  zu  fliegen.  Ich  wußte nicht einmal, was ich dort sollte. Extrasinn, hilf mir! flehte ich. Unterstütze mich moralisch! Ich tue es die ganze Zeit, ohne daß du es merkst, entgegnete er. Aber es gibt nichts Neues, was ich dir mitteilen könnte. So entmutigend es klingt, ich kann dir keine neuen Hoffnungen machen! Tomagog. Meine Gedanken schweiften wieder zu dem tragischen 

Ende des Schöpfers und seinem tragischen Leben ab. In der Stunde seines Todes hatte er seine ursprüngliche Gestalt angenommen und 

uns  offenbart,  daß  es  die  Gestalt  jener Wesen  war,  die  die  böse Macht  in  der Namenlosen  Zone  verkörperten.  Die  Zyrtonier,  die nach ihrem Aussehen Roboter und Raumschiffe bauten. Und  jetzt,  in  jüngster  Vergangenheit,  hatten  wir  die 

Auswirkungen von jungen Vulnurern auf einen Zyrtonier miterlebt. Das war der erste, wichtige Anhaltspunkt.  Ich ballte die Hände zu Fäusten und stellte mir im Geist vor, daß es ein Faden war, den ich nicht mehr loslassen durfte. Borallu.  Vergiß  Borallu  nicht, Atlan.  Er  hatte  drei Gestalten  und  hat endgültig  seine  Ursprungsform  angenommen,  aus  der  er  nicht  mehr hinaus kann! Zum  erstenmal  hatte  sich  ein  Zyrtonier  in  einen  Vulnurer 

verwandelt.  Borallu  war  nach  Tomagog  der  zweite  Hinweis  auf etwas Unglaubliches. Konnte es das überhaupt geben? Worin lag die Verwandtschaft zwischen all diesen Völkern begründet, denen wir in letzter Zeit begegnet waren? Welche Kosmogenese  lag meinen Vermutungen zugrunde? Noch 

immer  starrte  ich  aus  zusammengekniffenen  Augen  auf  den Bildschirm,  auf dem  sich die drei Schiffe der Vulnurer abbildeten. Hintereinander verschwanden sie aus dem Gesichtsfeld der Kamera und machten einem anderen Gegenstand Platz. Er besaß Kugelform mit einer aufgesetzten Bugkuppel, die wie eine dicke Nase aussah. Das Ende bildete ein dünnes Rohr mit Flügelaufsätzen daran, die an eine  Schiffsschraube  erinnerten  und  Teile  eines Kombinationstriebwerks darstellten. Ich  nahm  das  Bild  in  mich  auf  und  ließ  mir  eine 

Ausschnittsvergrößerung geben. Das  war  die  Futurboje,  ein  Spezialschiff  von  hundert  Metern 

Länge und  fünfundsechzig Metern Dicke. Sie stellte ein Objekt aus der Vergangenheit der Vulnurer oder ihrer Vorfahren dar. Zwischen ihr  und  der  Lichtquelle  gab  es  eine  enge Verbindung.  Es  gehörte zum Programm der Futurboje, alle  jene Wesen zu unterstützen, die in der Lage waren, dem Geschehen  in der Namenlosen Zone  eine 

Wende zu geben. Das Ziel – ich kannte es und sehnte es herbei. Die Vereinigung der 

Vulnurer mit  ihrer Lichtquelle  sollte  für mich der Ausgangspunkt dafür sein, Chybrain wiederzufinden. Die Futurboje  erinnerte mich an  eine Rettungsinsel, die  lediglich 

ein paar Kilometer entfernt war. Leicht erreichbar zog sie ihre Bahn über  den  Bildschirm.  Immer  bereit  für  einen  Auftrag  oder  einen Vorstoß in die Namenlose Zone. Wie  es  der Wunsch  aller war,  die  sich  derzeit  im  Junk‐System 

aufhielten. Der Kurs  lag bereits fest. Es war die Basis des Ersten Zählers, die 

auf  einem  unergründlichen  Kurs  durch  den  Raum  zwischen  den Schockfronten  steuerte  und  nur  von  den  Robotern  und  ein  paar wenigen gestrandeten Einzelwesen bevölkert war. Auf  der  Basis  ruhte  die  Lichtquelle.  Fest  im  Boden  verankert, 

produzierte  sie  ihre  Jenseitsmaterie  und  stellte  sie  ab  und  zu  zur Verfügung. Ich war sicher, daß wir sie noch benötigen würden. Atlan, es ist Zeit! Langsam wandte  ich mich vom Bildschirm ab. Ich drängte meine 

Überlegungen zurück und nahm die Wirklichkeit um mich herum wieder wahr. Tyari  stand  neben mir,  ebenso  entrückt wie  ich.  Ich  hatte  ihren 

Tod miterlebt und auch den von Ticker. In Visionen hatte ich ihren Untergang verfolgen müssen, und der Gedanke daran, daß sie der Wahrheit  entsprechen  könnten,  ließ mich  schaudern. Die Zukunft sah so hoffnungslos aus. Ich legte den Arm um die Taille der geliebten Frau und drückte ihr 

einen Kuß auf die Wange. Sie wandte den Kopf und  lächelte mich an. Aus dem Pilotensessel, aus dem der Kopf des langen Brick aufragt, 

erkundigte sich eine lachende Stimme: »Ausgeturtelt,  Herrschaften?  Der  Transmitter  ist  einsatzbereit! 

Alles wartet auf das Erscheinen des Großmuftis!« 

Ich nickte und straffte mich. Breckcrown winkte mir aufmunternd zu. Mit  dem Aufflammen  des  Transmitterbogens  im Hintergrund der Halle begann eine neue Offensive gegen den Gegner. Wir hatten keinen Grund, übermäßig  lange zu zögern. Die Vulnurer drängten uns,  und  die  Solaner  hatten  nichts  dagegen,  da  ja  die  SOL  selbst nicht betroffen war. Ich wandte mich um und zog Tyari mit mir. Bjo schloß sich uns an. 

Aus  einem  Winkel  der  Hauptzentrale  des  Mittelteils  löste  sich Ticker und flatterte mit kräftigen Flügelschlägen herbei. Er ließ sich auf Tyaris Schultern nieder und zog rauschend die Schwingen ein. Wie ein König thronte er hoch über unseren Köpfen und richtete die Augen erwartungsvoll auf das  flammende Feld. Er begriff, worum es ging, und Tyari schürzte ein wenig den Mund. Ihre Mundwinkel zogen  sich dabei  leicht nach hinten,  ein Zeichen, daß  sie mit dem Wesen vom Arsenalplaneten telepathisch kommunizierte. »Wir gehen vor wie besprochen«, sagte  ich zu Breck, der uns bis 

zum  roten  Kreis  des  Transmitters  begleitete.  »Mit  Hilfe  der Futurboje werden wir heil zurückkehren!« Nacheinander betraten die Mitglieder des Atlan‐Teams den Kreis 

und  entmaterialisierten, um übergangslos drüben  in der Futurboje zu erscheinen. Ich bildete den Abschluß. Vor mir gingen Tyari und Ticker  durch  das  Feld.  Ihr  Verschwinden  erzeugte  einen  bitteren Geschmack  in meinem Mund. Wieder wurde  ich  an  die Visionen erinnert, deren Ursprung völlig  im dunkeln  lag.  Ich  zögerte  einen Moment,  dann  sprang  ich  vorwärts  und  legte  dabei  eine Hast  an den Tag,  als  ginge  es darum,  etliche  tausend  Jahre Vergangenheit hinter mir zu lassen. Ich trat aus dem Feld und wurde von den drei Atiqs empfangen. Sie wollten uns begleiten. Atiq‐Than, Atiq‐Oyz  und Atiq‐Droos  von  der MORGEN waren 

Altertumsforscher.  An  Bord  ihres  Schiffes  hatten  sie  ein geheimnisvolles  Objekt  entdeckt,  das  von  einer  kleinen Vulnurergruppe  als  Heiligtum  verehrt  wurde.  Sie  hatten  es  das Futur genannt. Durch das Futur war man auf die Vullkauger und 

die Futurboje gestoßen. Auch auf Vullkaug hatten die Drillinge von der MORGEN eine bedeutende Rolle gespielt.  Jetzt nahmen sie als Vertreter ihres Volkes am Vorstoß in die Namenlose Zone teil. »Wir können es kaum erwarten«, teilten sie mir mit, kaum daß sie 

mich  erblickten.  Ich  hatte  Mühe,  sie  auseinanderzuhalten.  Sie merkten es, und der Sprecher sagte: »Ich bin Atiq‐Droos!« »Es  wird  nichts  überstürzt«,  warnte  ich  die  Vulnurer.  »Noch 

wissen  wir  nicht,  ob  die  Basis  mit  der  Lichtquelle  noch  im bisherigen Sektor zu finden ist.« Ich  sah mich  in  der  Leitzentrale  der  Futurboje  um. Die Technik 

war fremdartig, und sie unterschied sich auch von dem, was wir seit langer Zeit aus den Schiffen der Vulnurer kannten. Wenn das Volk der Bekehrer das Schiff gebaut hatte, dann war es sehr lange her. Die Leitzentrale befand  sich  in  einem zylinderförmigen »Gefäß«, 

das  im  vorderen  Teil  der Kugel  aufragte.  In  ihm waren  auch  die Vorratslager  und  die  Unterkünfte  untergebracht.  Die  räumliche Kenntnis  des  Schiffes  erstreckte  sich  für  uns  lediglich  auf  diesen Bereich. Weite Teile der Futurboje waren uns nicht zugänglich. Sie bargen geheime Waffen und technische Einrichtungen, über die der Schiffscomputer sich ausschwieg. Ich beobachtete, wie das Transmissionsfeld  in sich zusammenfiel. 

Wir waren vollzählig. Das gesamte Atlan‐Team mit Ausnahme von Vorlan  Brick  war mit  herübergekommen  und  reihte  sich  an  den Kontrollkonsolen der Futurboje auf. Ein Bildschirm erhellte sich und zeigte die nähere Umgebung des Raumes. Noch  immer  zogen die Vulnurerschiffe ihre Kreise um die SOL. Der  Computer  der  Futurboje meldete  sich. Alle  Systeme waren 

einsatzbereit. Ein letzter Blick zu Tyari, ein Funkspruch zur SOL an Hayes, dann 

gab ich grünes Licht. Die Futurboje setzte sich in Bewegung. Auf  dem  Bildschirm  sahen  wir  nur,  wie  die  Schiffe  zur  Seite 

wanderten  und  verschwanden.  Am  linken,  unteren  Schirmrand tauchte für wenige Sekunden die Sonne Junk auf. Dann war auch sie 

verschwunden. »Ich  aktiviere  jetzt  den  Dimensionsspalter«,  erklärte  der 

Computer. »Der Übergang birgt keine Gefahren in sich, solange der Dimensionsring stabil bleibt!« »Es wäre  besser, wenn wir die  Steuereinheit  für diese Maschine 

aufsuchen könnten«, sagte Atiq‐Droos. Der Computer widersprach. Es  gab  keinen  Zutritt  in  die  verbotenen  Sektionen.  Auch  für Vulnurer nicht. Die Futurboje machte Ernst und stellte sich als das dar, wofür ich 

sie die ganze Zeit schon gehalten hatte. Sie war ein Relikt aus ferner Vergangenheit und trug Kräfte in sich, die über alles hinausgingen, was wir kannten und gegen die Zyrtonier einsetzen konnten. Was bedeutet das  im Zusammenhang mit unserem Flug? meldete sich 

mein Extrasinn. Denke nach! Da  gab  es  nicht  viel  nachzudenken.  Futurboje  und  Lichtquelle 

standen  nach  der  Aussage  des  Computers  in  engem Zusammenhang.  Gemeinsam  waren  sie  eine  Bedrohung,  die  das Ende der Zyrtonier bedeuten konnte. Die Basis mit der Lichtquelle war  hoffentlich  noch  greifbar. Der 

Gedanke, daß die Zyrtonier sie in der Zwischenzeit vernichtet haben konnten, ließ mich innerlich erbeben. Weiße  Nebel  auf  dem  Bildschirm  zeigten,  daß  sich  um  die 

Futurboje herum  etwas  änderte. Der Dimensionsspalter, was  auch immer man  sich  darunter  vorstellen mußte,  hatte  seine  Tätigkeit aufgenommen. Die Nebel wurden  immer dichter,  stellenweise von roten Schlieren durchzogen. Von den Sternen von Bars‐2‐Bars war nichts mehr zu sehen. Dann  wurden  die  Nebel  wie  ein  Vorhang  weggezogen. 

Gleichzeitig sagte der Computer: »Verschiedene Phänomene beim Übergang  sind möglich. Es gibt 

kein Programm, das mir eine bestimmte Wahl vorschreibt!« Die absolute Schwärze der Namenlosen Zone tauchte um uns auf. 

Wir hatten es geschafft. Der Wechsel war vollzogen. 

  

2.  Zyrton  überstrahlte  den  Himmel.  Alles,  was  sich  innerhalb  der dreifachen Schockfront des Sonnensystems befand, war in das Licht des  Sterns  getaucht.  Viele  Zyrtonier  bezeichneten  ihn  als  das Zentralgestirn  der Namenlosen  Zone.  Er  beleuchtete  und wärmte die elf Planeten des Systems,  in dem das Volk  seine Heimat hatte, das die Namenlose Zone beherrschte und sich anschickte, das Böse auch hinaus in das Universum zu tragen. 314‐Page bewegte sich unruhig, während sich seine Sinnesorgane 

langsam  vom  Anblick  des  strahlenden  Sterns  abwandten  und  er seine Aufmerksamkeit wieder seinen Begleitern widmete. 444‐Page, 257‐Page, 643‐Page und 878‐Page bewegten sich neben ihm über den Platz,  der  von  den  Gebäuden  der  Intensiven  Ratschläge  gesäumt wurde. Das  hohe,  silbern  umglitzerte  Tor  des Haupteingangs  lud zum Verweilen ein. 314‐Page  erkannte  das  auf‐  und  abschwellende  Violettlicht.  Die 

Halle  des  Intensivs war  unbesetzt,  und  er machte  seine  Begleiter darauf aufmerksam. »Laßt uns hineingehen«,  sagte er. »Wir werden versuchen, unser 

Wissen mit unserer Überzeugung zu vergleichen und die Schlüsse zu ziehen, die notwendig sind. Es darf kein Zögern geben!« Wieder  richteten  sich  ihre  Sinne  hinaus  in  den  Raum  des 

Planetensystems, wo sich die Wohnwelten um ihre Sonne bewegten, Gautan, Persijigg und Munntson, die Planeten fünf, sieben und acht. Wie wachsame Augen bewegten  sie  sich  innerhalb und  außerhalb der  Bahn  des  sechsten  Planeten,  der  die  bedeutendste Welt  der Zyrtonier war und denselben Namen wie die Sonne trug, Zyrton. Außer  den  Planeten  fünf  bis  acht  war  es  ihnen  nicht  erlaubt, 

andere Welten zu betreten. Die Planeten eins bis vier und neun bis elf  durften  nur  von  Pagen  bis  zur  Nummer  zweiunddreißig 

aufgesucht werden. In diese Richtungen war das systemumfassende Transmitternetz  blockiert  und  nur  über  einen  Geheimcode benutzbar. 314‐Page  und  seine  Begleiter  erreichten  das  umglitzerte  Tor.  Es 

leuchtete kalt und intensiv und identifizierte sie als Berechtigte. Sie gehörten  dem  Rat  der  Pagen  an,  die  aus  tausend  führenden Mitgliedern der Zyrtonier bestand. 314‐Page murmelte eine zeremonielle Formel in ein Mikrofon, und 

das Tor löste sich in Nichts auf und gab ihnen den Weg frei. Hinter ihnen wurde  es wieder materiell.  Es war  ein  Transmitter,  der  sie unmittelbar in  jenen Teil des Gebäudes abstrahlte, der ihr Ziel war, und dessen Koordinaten in der geflüsterten Formel enthalten waren. Die Halle  des  Intensivs war  von metallenen  Säulen  eingerahmt, 

die wie spitze Nadeln bis knapp unter die Decke  reichten, mit der sie durch blau leuchtende Energiefäden verbunden waren. 314‐Page identifizierte  die  Anordnung  als  Teil  eines  Großtransmitters,  mit dem  große  Ansammlungen  von  Zyrtoniern  abgestrahlt  werden konnten. Die Halle bot sicherlich allen tausend Pagen Platz, und sie mochte  zu  jenen  Sicherheitseinrichtungen  gehören,  die  seit  ferner Vergangenheit  existierten.  Niemand  sprach  über  sie,  denn  sie symbolisierten den unwahrscheinlichen Notfall, der dann eintreten würde, wenn die  Pagen  sich  vor  einem  übermächtigen Gegner  in Sicherheit bringen mußten. 100‐Page  empfing  sie.  Der  weibliche  Zyrtonier  führte  eine 

Sitzgruppe mit  sich,  die  zu  Boden  sank  und  sich  verankerte. Die Pagen nahmen Platz, und 100‐Page sah sie erwartungsvoll an. »Die Beschlüsse des Rates sind eindeutig und lassen keine Zweifel 

zu«, verkündete sie, als sich keiner der Zyrtonier rührte. »Ihr selbst habt sie mit entschieden. Warum also kommt ihr?« 314‐Page bewegte seinen Körper hin und her. Er suchte nach den 

richtigen Worten. »Atlan«,  sagte  er  nach  längerem  Schweigen.  »Das  ist  der Name 

unseres eigentlichen Gegners. Ihn müssen wir so ernst nehmen wie 

keinen anderen. Er hat Tomagog erlöst und von ihm einen Teil des Geheimnisses erfahren. Nur die Koordinaten unseres Systems weiß er nicht. Dieser Gegner muß zuerst aus der Welt geschafft werden!« Zustimmendes  Gemurmel  kam  auf.  Die  Pagen  trugen  noch 

einmal,  jeder  für  sich,  zusammen,  was  sich  in  der  jüngsten Vergangenheit  zugetragen  hatte.  Da  hatten  sie  mit  Entsetzen festgestellt,  daß  sich  das  Ungleichgewicht  der  Kräfte  in  der Namenlosen Zone verschoben hatte. Es hatte einen Substanzverlust auf ihrer Seite gegeben. Aufgebaute Fallen für die Vulnurer und die SOL  hatten  sich  als  wirkungslos  erwiesen.  Die  Alternativ‐Toten hatten versagt. Ihr Herr, Borallu, war verloren. Palterwahn oder 451‐Page hatte seine Aufgabe ebenfalls nicht ausgeführt, und sie hatten ihn töten müssen. »Wir fürchten die Vulnurer«, fügte 878‐Page hinzu. »Es steckt eine 

kosmische Kraft in ihnen, die übermächtig ist!« »All  das  ist  kein  Problem«,  erwiderte  100‐Page.  »Weitere  Fallen 

sind aufgebaut, die nächsten Schritte stehen bevor. Ihr wißt es so gut wie ich. Vergeßt das Wesen Chybrain nicht!« 666‐Page  hatte  das  Wesen  aus  Jenseitsmaterie  gefangen  und 

isoliert.  Chybrain  wurde  als  Ableger  einer  unbekannten  Gefahr betrachtet, die sich ihnen noch entzog. Diese Gefahr gab es. Es war mehr ein Gespür, eine Ahnung, daß 

der Gegner mit  ihr noch einen weiteren Trumpf  in der Hand hielt. Es war denkbar, daß es weitere Kräfte in der Namenlosen Zone gab, die mit Atlan in Verbindung standen. »Du  hast  recht«,  sagte  314‐Page.  »Dennoch wäre  es  besser, wir 

wüßten mehr über die Pläne Atlans und seiner Helfer Bescheid. Seit der Junk‐Nabel endgültig erloschen ist …« »Noch  ist  18‐Page  nicht  zurückgekehrt!«  wies  100‐Page  ihn 

zurecht. Der  Name  des  hohen  Pagen  ließ  die  Zyrtonier  ehrfurchtsvoll 

erschauern.  18‐Page  war  einer  der  Geheimnisträger,  die  die verbotenen  Welten  besuchen  durften.  Er  war  einer  der 

zweiunddreißig. Niemand  kannte  das  Alter  von  18‐Page.  Alle  nannten  ihn  den 

Sucher,  weil  er  ohne  Rast  immer  umherstreifte  und  nach Auffälligem  Ausschau  hielt.  Es  ging  das  Gerücht,  daß  18‐Page bereits  vor  langer  Zeit mit  der Aufgabe  betraut worden war,  die Völker hinter den einzelnen Schockfronten zu überwachen. Davon war heute nicht mehr viel zu hören. 18‐Page  suchte nach 

dem Gegner,  der  von  außerhalb  der Namenlosen  Zone  kam  und offensichtlich gerade nach einer Möglichkeit suchte, ohne Hilfe des Junk‐Nabels einen Weg herein zu finden. »Das  Relikt«,  überlegte  314‐Page.  »Es  muß  zu  den 

Gefahrenquellen gehören, die wir noch nicht ausschalten konnten. Wir müssen es finden, um eine Beziehung zu Atlan nachweisen zu können!« Mit dem Begriff Relikt belegten die Zyrtonier das Objekt, das schon 

lange  durch  die Namenlose Zone  geisterte  und  sich  bisher  jedem Zugriff entzogen hatte. Ortungen hatten  sich plötzlich als hinfällig erwiesen, Beobachtungen aus der Ferne hatten im Nahbereich nicht wiederholt werden können. Weder das Aussehen des Relikts noch seine Herkunft war ermittelbar. Damit stuften die Zyrtonier es automatisch als Gegner ein. Um ihr 

Ziel  erreichen  zu  können,  konnten  sie  sich  in  ihrem  engsten Herrschaftsbereich keine Unwägbarkeiten leisten. Sie hofften auf den Sucher. Vielleicht brachte er neue Erkenntnisse 

über den Gegner und das Relikt mit. »Sind  damit  die  Bedenken  ausgeräumt,  die  euch  hergeführt 

haben?«  erkundigte  100‐Page  sich. Die Zyrtonier wußten  es  nicht. Noch  immer  empfanden  sie  das  Ungleichgewicht  zwischen  ihrer Überzeugung und ihrem Wissen und waren sich unschlüssig, ob sie nicht erneut eine Sitzung des Rates beantragen sollten. »Wir warten ab, was 18‐Page bringt«, entschied 314‐Page, obwohl 

ihm unwohl bei dem Gedanken war. Sie durften  sich einfach kein Zögern  leisten.  Ungeduldig  verließen  sie  das  Hauptgebäude  der 

Intensiven Ratschläge.   

*  Malara  glitt  am  Rand  des Wassers  entlang  und  beobachtete, wie Ohoro  Löcher  in  den  moosigen  Boden  bohrte  und  kleine, kalkähnliche Steine hineinfallen ließ. Darauf bedeckte er sie mit dem Sand  und  übergoß  sie mit  einem  grünlichen  Saft,  den  er  in  einer metallenen Dose mit sich führte. Malara  entfernte  sich  vom  Ufer  und  bewegte  sich  auf  den 

Waldrand zu, der undurchdringlich schien, und wie ein Wall hinter dem Ufersaum  aufwuchs. Der Wald war  dicht,  und  die wenigen behauenen  Pfade  schlängelten  sich  labyrinthartig  hindurch.  Ein höchstens drei Meter breiter Einschnitt hob sich als schwarzer Fleck von  dem  Grün  der  Blätter  und  Stämme  ab.  Dort  waren  sie hergekommen. Der  Einschnitt  führte  zu  einer  der  Inseln,  die  von Regierungsgebäuden bedeckt waren. Inseln oder Rodungen wurden sie genannt. Die Brandung des Meeres verstärkte sich  jetzt ein wenig, und sie 

überschwemmte  die  geschlossenen  Löcher  und  drückte  die  grüne Flüssigkeit in den Sand hinein. Fast gleichzeitig begann ein organo‐chemischer Prozeß, der innerhalb kürzester Zeit abgeschlossen war. Etwas wölbte  den  Sand  in  den  Löchern  nach  oben. Halbkugeln 

entstanden, von denen der Sand rasch abrutschte und winzige Ringe um  die  entstehenden  Gebilde  zog.  Glockenähnliche  Pflanzen sprossen  aus  dem  Boden  hervor  und  entfalteten  sich  rasch  nach allen Seiten. Sie streckten ihre Fühler nacheinander aus und strebten eine rasche Vereinigung an. Malara hatte den Waldsaum erreicht und verharrte auf der Stelle. 

Ohoro folgte ihr jetzt rasch und ließ seinen Körper neben dem ihren zur Ruhe kommen. »Zum Jahrestag«, sagte er. Malara dankte ihm überrascht. 

Die  beiden  waren  Lebenspartner  und  arbeiteten  in  jeder Beziehung  Hand  in  Hand.  Jetzt  hatte  Ohoro  seine  Gefährtin überrascht. »Es sind Ourpulys«, erriet sie. Er bestätigte es. »Sieh nur, wie sie kämpfen. Jeder der Knollen trachtet danach, alle 

anderen  zu  verschlingen. Dabei  dehnen  sie  sich  immer mehr  aus und richten ihre Aufmerksamkeit bald auf die weitere Umgebung!« Die  Ourpulys  verwoben  sich  zu  einem  Teppich,  der  bald  den 

gesamten Strand bedeckte. Das Ufer bildete jetzt eine messerscharfe Abgrenzung zum Wasser hin. Der Teppich begann, sich in Richtung des Waldes auszudehnen. Ourpulys waren  gefährliche  Pflanzen.  Sie  unterschieden  sich  in 

Aussehen und Verhalten vollkommen von dem, was es sonst in der Flora  des  Planeten  gab.  Sie  waren  in  der  Lage,  die  gesamte Vegetation und alle Festländer einschließlich des Meeresbodens für sich zu erobern und  jedes andere Pflanzenleben zu ersticken. Dann würde der Planet nicht mehr lebensfähig sein. Die Ourpulys würden in  die  Atmosphäre  hinaufwachsen  und  sich  bald  bis  an  die äußersten Grenzen der Lufthülle ausdehnen. Ohoro  kannte  die  Forschungsberichte.  Ourpulys  waren 

anpassungsfähig  und  bedingt  auch  im  Vakuum  lebensfähig.  Sie besaßen  die  genetischen  Voraussetzungen,  sich  über  das  gesamte Planetensystem auszudehnen und noch weiter hinaus. »Rasch!« rief Malara aus. »Sie haben uns gleich erreicht!« Die  Pflanzen  dehnten  sich  sprunghaft  aus.  Sie  überwanden 

mehrere  Meter  durch  das  Ausschleudern  biegsamer  Stengel,  die sofort Wurzeln ausbildeten und sich im lockeren Boden festkrallten. Neue Glocken sprossen in den Himmel. Inzwischen  blieben  nur  noch  wenige  Meter  zwischen  dem 

Waldsaum und den Pflanzen. »Warte noch«, sagte Ohoro. »Du weißt nicht, was geschieht, wenn 

der Teppich eine bestimmte Ausdehnung erreicht hat!« Malara  strebte dem Einschnitt  im Wald zu. Sie wußte nicht, was 

Ohoro vorhatte. Dann blieb sie wie gebannt stehen. Ein Leuchten glomm über dem 

Strand auf, wie sie es noch nie gesehen hatte. Die Glocken begannen in bunten Farben zu strahlen. Sie stellten das gesamte Spektrum der Regenbogenfarben dar und verwandelten den eintönigen Strand  in ein buntes Lichtermeer. Malara war überrascht. So hatte  sie es  sich nicht vorgestellt. Wie 

war Ohoro nur hinter das Geheimnis dieser Pflanzen gekommen? Sie  beobachtete  ihren  Gefährten,  der  aus  einer  mitgeführten 

Tasche  einen  schweren  Strahler  hervorzog  und  ihn  auf  den leuchtenden Teppich richtete. »Nicht!« rief sie. Sie wollte den Anblick noch eine Weile genießen. 

Gleichzeitig  erkannte  sie  jedoch  die  Gefahr,  in  der  sie  beide schwebten. Sie warf  sich  in den Einschnitt hinein, während hinter ihr  der  Strahler  fauchte  und  die  ersten  Lücken  in  die  aggressiv vordrängenden Pflanzen riß. Ohoro  ging  systematisch  vor.  Er  trieb  den  Saum  des  Teppichs 

immer weiter zurück, bis er das Wasser erreicht hatte. Nichts blieb von den Ourpulys übrig als ein Haufen verkohlter Reste, die rasch zerfielen. Ohoro packte den Strahler ein und folgte seiner Gefährtin. »Alles in Ordnung«, meinte er. »Freust du dich?« Sie  dankte  ihm  nochmals,  aber  mit  ihren  Gedanken  war  sie 

irgendwo anders. »Etwas hat sich ereignet«, stellte sie fest. »Hörst du es?« Über  dem Wald  dröhnten mehrere  Luftfahrzeuge  dahin.  In  der 

hohen  Atmosphäre  lag  das  Singen  eines  Raumschiffs,  das  zur Landung ansetzte. Malara bewegte sich schneller, und Ohoro hielt sich neben ihr. Sie 

durchquerten den Wald und betraten die betonierte Fläche, die den Beginn des Gebäudebereichs markierte. So schnell es ging, suchten sie  ihren persönlichen Bereich auf. An der Kommunikationsanlage brannte ein Bereitschaftslicht. Gemeinsam  überflogen  sie  die  eingespeicherten Meldungen.  Sie 

erfüllten sie mit Zufriedenheit und Euphorie. »Er  ist  zurück,  und  wir  sollen  uns  beim  Flottenkommando 

melden«, sagte Ohoro erfreut. »Das habe ich nicht erwartet!« Es war ein Beweis des Vertrauens für sie beide. Man wußte um die 

Harmonie ihrer Zusammenarbeit im Sinn des ganzen Volkes. »Ja«, stellte Malara  fest. »18‐Page  ist wieder da, der Sucher.  Jetzt 

haben wir diesen Atlan bald besiegt!« 91‐Page Malara und 92‐Page Ohoro verließen die Wohnung über 

den eingebauten Personentransmitter.   

*  ‐Page hatte das Relikt gefunden. Die Nachricht verbreitete sich rasch über alle Planeten des Zyrton‐

Systems. Der Sucher hatte eine Funkbotschaft abgestrahlt, kaum daß er mit Hilfe des Spezialkodes die Schockfronten durchquert hatte. Die Koordinaten des Relikts waren bekannt, die Zyrtonier konnten 

gegen das Gebilde vorgehen. In  aller  Eile  schalteten  sich  die  Pagen  zu  einer  Konferenz 

zusammen und berieten sich. Einige wenige waren nicht erreichbar, aber  es  stand  fest,  daß  sie  die  Entscheidung  der  übrigen Ratsmitglieder billigen würden. Der Beschluß war  schnell gefaßt. Eine Teilflotte  sollte mobilisiert 

werden.  Sie  sollte  unter  den  bekannten  Koordinaten  nach  dem Relikt  suchen und  es  ausschalten. Das Kommando wurde  91‐Page und  92‐Page  übertragen. Die  beiden  Zyrtonier  trafen  kurz  darauf beim Flottenkommando ein und ließen sich instruieren. »Alles, was auch nur entfernt mit dem Gegner zu tun haben kann, 

muß  eliminiert  werden«,  teilte  ihnen  1‐Page  persönlich  mit. »Vernichtet das Relikt also und alles, was damit zusammenhängt!« Malara und Ohoro bestätigten es und machten sich an die Arbeit. 

Sie gingen an Bord eines 1800‐Meter‐Schiffes, das wie alle Einheiten 

der Körperform der Zyrtonier nachgebildet war. Malara gab das Signal zum Start.   

*  ‐Page  Malara  empfand,  daß  die  Worte  von  1‐Page  irgendwie prophetisch  klangen.  Das  Relikt  sollten  sie  vernichten  und,  alles, was damit zusammenhing. Die Zyrtonierin überlegte, was mit dem Relikt zusammenhängen konnte. Sie stellte sich alles mögliche vor, kam jedoch zu keinem Schluß, weil sie die Gestalt und Funktion des Relikts  nicht  kannte.  Soweit war  der  Sucher  nicht  vorgedrungen, und Malara nahm es 18‐Page nicht übel. Der hohe Page durfte seine persönliche Sicherheit nicht vernachlässigen. Es war  ihm untersagt, direkt  in das Geschehen einzugreifen und seine Existenz aufs Spiel zu  setzen.  Und  auch  hier  ging  es  um  die  Wahrung  jenes Geheimnisses,  das  den  Kode  für  die  Benutzung  der  verbotenen Planeten beinhaltete. Die fünfzig Schiffe zählende Flotte hatte den sechsten und siebten 

Planeten verlassen und kreuzte bereits die Bahn des zehnten. Er lag ein wenig abseits der Flugroute, von der Ortung kaum zu erkennen. Die  Nahortung  des  Schiffscomputers  war  bezeichnenderweise blockiert. Ein  Signal  zeigte  ihr  an, daß  alle  Schiffe  bis  hin  zu den  kleinen 

Einheiten mit  der Aussendung  des  gespeicherten  und  gesicherten Kodes für die dreifache Schockfront begannen. Die Flotte überquerte die  Bahn  des  elften  Planeten  und  drang  kurz  darauf  durch  den unüberwindlichen  Mantel,  der  das  Zyrton‐System  schützte  und seinen  Standort  verbarg. Wenig  später  drangen  die  Schiffe  in  ein übergeordnetes Kontinuum ein und tauchten fast gleichzeitig in der Nähe jener Koordinaten auf, die 18‐Page ihnen übermittelt hatte. »Jetzt wird  es  sich  zeigen, was  die  Technik  unseres  Volkes  für 

einen Wert  besitzt«,  sagte  92‐Page  Ohoro  unvermittelt.  Von  den 

Besatzungsmitgliedern  des  Schiffes,  die  nicht  dem  Rat  der  Pagen angehörten, erhielt er laute Zustimmung zu seinen Worten. »Wir  werden  das  Relikt  zerstören«,  bekräftigte  Malara  ihre 

Überzeugung. »Oder ich will von den Ourpulys verdaut werden.« Die Teilflotte der Zyrtonier  fächerte  sich auf und  schloß das vor 

ihr  liegende Raumgebiet halbkugelförmig ein. Noch war nichts zu erkennen,  aber  nach  einiger  Zeit  tauchten  kurze,  kaum wahrnehmbare  Impulse  auf  der  Ortung  auf.  Es  war,  als  trieben irgendwo  in  der  Leere  Felsbrocken mit metallischen Anteilen,  die immer wieder Reflexe hervorriefen. Bestimmt war  schon manches Schiff auf solche Impulse gestoßen und hatte ihnen keine Bedeutung beigemessen. Diesmal würde es anders sein. »Setzt  alle  vorhandenen  Mittel  gegen  das  Relikt  ein«,  befahl 

Malara  ihren  Untergebenen.  »Versucht,  in  den  Funkverkehr einzudringen,  falls  es  dort  etwas  gibt,  was  auf  dieser  Basis funktioniert!« Die  fünfzig Schiffe erwachten zu hektischem Leben, während sie 

sich den Koordinaten immer weiter näherten. Langsam wurden die Ortungswerte deutlicher,  zeichnete  sich das Relikt  auch  in  seinem infraroten Erscheinungsbild ab. Malara  und  Ohoro  mußten  zugeben,  daß  sich  das  Relikt 

hervorragend tarnte, aber die überlegene Technik der Zyrtonier kam hinter  seine  Tricks.  Die  Entfernungswerte  wurden  genauer,  sie betrugen  lediglich  ein  paar  Lichtminuten.  Und  das  Objekt  selbst stellte sich als ein Gebilde von äußerster Unterschiedlichkeit dar. »Es  nennt  sich  Basis  des  Ersten  Zählers  und  hat  eine 

Roboterbesatzung«,  stellte  Ohoro  die  endgültige  Auswertung  der Funkimpulse zusammen. »Und da ist noch etwas anderes, aber das braucht uns nicht zu interessieren.« Fast  gleichzeitig  durchdrang  die  Teilflotte  jenen  äußeren 

Antiortungsschirm, den die Basis abstrahlte, Sie wurde optisch voll sichtbar,  und  die  Zyrtonier  erkannten,  daß  es  sich  um  eine 

künstliche Raumstation von großer Komplexität handelte. Eine Seite war  mit  einer  natürlichen  Landschaft  bedeckt.  Man  hatte  sie aufgepfropft  und  mehrere  Gebäude  darin  errichtet.  Über  dem Ganzen spannte sich ein hochenergetischer Schutzschirm, der jeden Angriff mühelos  abwehren  konnte, wenn man  die Maßstäbe  des Normalraums  anlegte.  Den  Zyrtoniern  würde  er  keine Schwierigkeiten machen, davon war 91‐Page überzeugt. »Der  Sucher  hat  die  richtigen  Koordinaten  ermittelt«,  stellte 

Malara befriedigt fest. »Angriff vorbereiten!« Ihr Flaggschiff ging noch näher an die Basis heran, und die Ortung 

spuckte  plötzlich  wilde Werte  aus.  Sie  liefen  durcheinander  und ergaben keinen rechten Sinn, und der Hauptbildschirm lieferte eine Ausschnittsvergrößerung  eines  kuppelähnlichen,  strahlenden Gebildes, bei dessen Anblick die beiden Pagen  in helle Aufregung gerieten. »Was  ist das?« würgte Ohoro hervor. Ein dumpfes Gefühl  sagte 

ihm, daß sie soeben etwas unendlich Wichtiges entdeckt hatten. Malara schrie auf. »Alarm!«  stieß  sie  hervor,  und  die  Schiffssektionen  befolgten 

augenblicklich  den  Befehl.  Zusätzliche  Schutzschirme  bauten  sich innerhalb  des  Schiffes  auf,  und  auch  der  gesamte  Schiffsrumpf verstärkte seine energetische Abwehr. Die Kuppel auf dem Relikt pulsierte. Sie gab eine Energie von sich, 

die alle Geräte der Zyrtonierschiffe durcheinanderbrachte. »Das … das«,  stammelte  91‐Page Malara. Die Worte  von  1‐Page 

fielen  ihr wieder  ein. Der  erste  im Rat  hatte  nichts  davon wissen können,  aber  er  hatte  es  prophetisch  formuliert.  Sie  sollten  das Relikt vernichten und alles, was damit zusammenhing. Die pulsierende Kuppel dort in der Landschaft hing deutlich und 

stabil mit der Basis  zusammen und gehörte doch nicht  zu  ihr. Sie war  ein  Fremdkörper  an  dem  robotischen  Gebilde,  das Weltraumstation  und  Raumschiff  zugleich war  und  soeben  Fahrt aufnahm.  Es  konnte  nicht mehr  fliehen.  Jetzt, wo  sie  es  entdeckt 

hatten, würden sie ihm überall hin folgen. Die Kuppel, in der Leben pulsierte! »Das  ist unser eigentlicher Gegner auf dem ganzen Relikt«, sagte 

Malara.  Ohoro  stimmte  ihr  zu.  »Wenn  wir  es  vernichten,  dann haben wir gewonnen!«   

3.  Der  Interntransmitter der Hauptzentrale  leuchtete  auf und  entließ zwei  seltsame Gestalten. Auf  den  ersten  Blick mußte man  sie  für Roboter halten, denn  sie glänzten wie alle beweglichen Maschinen der  Basis.  Damit  war  die  Ähnlichkeit  aber  zu  Ende.  Die  beiden Roboter  bewegten  sich  auf  zwei  biegsamen  Beinen  vorwärts,  und ihre Arme baumelten an den Seiten des hominiden Körpers. Augenblicklich  richteten  sich  die  Linsen  aller  anwesenden 

Basisroboter  auf die Ankömmlinge. Basis‐Rl  schaltete  sich  aus der lautlosen  Kommunikation mit  dem Hauptcomputer  aus,  um  sich voll auf die beiden Gestalten konzentrieren zu können. Zähler‐Rl folgte ihm bei seinem Tun, während die übrigen Roboter 

sich nicht rührten und durch nichts zu erkennen gaben, daß sie die Ankunft der beiden Gestalten überhaupt bemerkt hatten. »Der blinde und der  lahme Hars«, stellte Basis‐Rl fest, dem Atlan 

vor  langer  Zeit  den Namen  Rico  gegeben  hatte  in  Erinnerung  an jenen Roboter, der  ihn tief  im Atlantischen Ozean bewacht und bei gegebenem Anlaß geweckt hatte, als er in seiner Unterwasserkuppel die  Jahrtausende überdauerte und vergebens  auf Hilfe von Arkon gewartet hatte. »Was  wollt  ihr?«  fragte  Zähler‐Rl  akustisch.  Er  hörte  auf  den 

Namen  Pit  und war  in  der  Vergangenheit  der  erste  Roboter  des Ersten Zählers gewesen. Alle kannten sie den blinden und den lahmen Hars. Es waren zwei 

Gestalten, die die Basis bewohnten seit dem Anfang  ihrer Existenz. 

Niemand konnte  sagen, woher  sie kamen und ob der Erste Zähler sie  aufgenommen  hatte.  Ihre  Daten  waren  in  keiner  Positronik gespeichert, und sie trieben sich herum, wo es ihnen paßte. Auch diesmal schien es so, und Basis‐Rl machte eine abwehrende 

Geste, wie er sie im Umgang mit den Menschen gelernt hatte. »Ihr  stört«,  knarrte  er.  »Fremde  nähern  sich  der  Basis.  Wir 

brauchen  alle  unsere  Kräfte,  um  sie  zu  vertreiben  und  uns  ihrer Ortungsfalle  zu  entziehen.  Verschwindet wieder!«  Er  deutete  auf den Interntransmitter, dessen Feld gefährlich waberte. Die beiden seltsamen Gestalten rührten sich nicht. Sie schienen auf 

irgend etwas zu lauschen, dann sagte die eine von ihnen: »Wir  haben  soeben  die  Anweisung  erhalten,  das  Versteckspiel 

aufzugeben. Vernehmt  also, was wir  euch mitzuteilen  haben. Wir sind  Lichtquelle‐Hars  und  Jenseitsmaterie‐Hars.  Wir  sind  die direkten Boten der Quelle der Jenseitsmaterie und sind gekommen, um euch zu warnen!« Unruhe  entstand  unter  den  Robotern  der  Basis.  Von  der 

Hauptpositronik  ging  ein  Signal  aus,  das  den  Robotern mitteilte, daß  sie  eine wichtige Frage zu  stellen hatte. Basis‐Rl  interpretierte das Signal richtig und beeilte sich, zu fragen: »Ihr  seid Mischwesen,  teils Maschine,  teils Organik.« Die beiden 

Gestalten bestätigten es. »Nur  so  ist  es  uns  möglich,  die  Botschaft  der  Lichtquelle  zu 

empfangen,  die  sich  rein  mental  mitteilt.  Es  ist  ein  einseitiger Kontakt, aber wir stellen ihn gern her und führen die Wünsche der Lichtquelle aus, weil wir darin unsere Existenzaufgabe sehen.« Das war es also. Ein wenig kam Licht in das Rätsel um die beiden 

Wesen, die zusammen mit ein paar anderen organischen Lebewesen auf der Oberfläche der Basis hausten. Die  Hauptpositronik  speicherte  die  Erkenntnisse,  während  sie 

gleichzeitig  die  Abwehrmaßnahmen  gegen  die  anfliegenden Fremden  verstärkte,  die  ihrerseits  über  starke Abschirmeinrichtungen verfügten. Die Positronik erkannte rasch die 

Überlegenheit der fremden Systeme und gab Alarm an die Roboter. Gleichzeitig  veränderte  sie  die  Steuerimpulse,  die  an  die Triebwerkssektoren gingen. Die Basis änderte den Flugkurs  in der Namenlosen Zone. »Wovor will uns die Lichtquelle warnen?« erkundigte sich Zähler‐

Rl.  Der  Roboter  hatte  seinen  Oberkörper  ein  wenig  nach  vorn gebeugt und  erweckte den Eindruck,  als könnte  er  jeden Moment umstürzen. Sein eingebauter Gravitator glich die Bewegung  jedoch aus.  Der  Schwerpunkt  im  Innern  des  mechanisch‐positronischen Körpers veränderte seine Lage nur unwesentlich. »Der eigentliche Feind  ist da«, verkündeten Lichtquelle‐Hars und 

Jenseitsmaterie‐Hars  gemeinsam.  »Die  Fremden  heißen  Zyrtonier, und sie sind gekommen, um zu vernichten!« Jetzt mischte sich zum ersten Mal die Hauptpositronik selbst ein. 

Sie aktivierte alle Lautsprecher und gab Alarm, der überall auf der Basis des Ersten Zählers zu hören war. Er schrillte im Turm, an dem die Gondel hing, und durchdrang alle Räume des Gästehauses. Er drang aus den Luken, die von der Oberfläche hineinführten und rief alle Wesen ins Innere der Basis, die sich noch draußen aufhielten. »Noch ist es nicht sicher, ob sie tatsächlich angreifen«, behauptete 

Rico, aber der blinde und der lahme Hars widersprachen sofort. »Die  Lichtquelle  nimmt  ein  glockenförmiges  Gebilde  wahr.  Es 

stellt  ein Ortungsnetz  dar,  das  sich  an  die  energetische  Substanz unseres  Schutzschirms  heftet wie  eine Klette  an  einen  Baum. Die Lichtquelle spürt die Gefahr, die von dieser Energieform ausgeht.« »Eindruck  bestätigt«,  meldete  sich  die  Hauptpositronik.  »Der 

umfassende  Schutzschirm  der  Basis  verliert  Energie. Die  Leistung der Kraftwerksstationen wird erhöht.« »Es ist gut«, meinte Basis‐Rl. »Bleibt bei uns in der Zentrale. Es ist 

wichtig, daß  ihr uns  alle Eindrücke  vermittelt, die die Lichtquelle empfängt.« Die Roboter  sahen keinen Grund, warum der Gegner  angesichts 

überlegener Mittel die Basis angreifen oder zerstören sollte. Es ging 

folglich nicht um das Raumschiff des Ersten Zählers,  sondern um den  wertvollsten  Teil  seiner  Oberfläche.  Nicht  zum  ersten  Mal versuchte  jemand, die Lichtquelle  aus  ihrer Verankerung  zu  lösen und mit sich zu nehmen. Die  Lichtquelle  hatte  große Angst  vor  den  Zyrtoniern,  und  die 

Unruhe,  mit  der  der  blinde  und  der  lahme  Hars  in  der Hauptzentrale hin und her gingen, ließ das Schlimmste befürchten. Die Lichtquelle bangte um ihre Existenz. Sie tat es begründet und 

intensiv. Sie mußte also wissen, daß der Gegner es auf sie abgesehen hatte. »Es  gibt  Zusammenhänge  zwischen  der  Lichtquelle  und  den 

Zyrtoniern«,  erkannte  Zähler‐Rl  zusammen  mit  den  anderen Robotern. »Was habt ihr uns dazu zu sagen?« »Die  Lichtquelle  hat  uns  keine  Informationen  gegeben,  und wir 

können  sie mit unseren  Fragen nicht  erreichen«,  lautete die  kurze Antwort. Die Basis aktivierte alle Systeme. Aus dem Felsmassiv mit seinen 

beiden Felsnadeln raste plötzlich ein blau sprühender Energiefinger hinaus  und  zog  einen  Bogen  unter  dem  Schutzschirm.  Auf  der gegenüberliegenden Längsseite der Basis verschwand er wieder  im Boden.  Mehrmals  wiederholte  sich  der  Vorgang,  und  jedesmal lösten sich von dem Bogen Kaskaden kleiner Energiefinger, die wie winzige  Fontänen  ein  wenig  anstiegen  und  dann  dem  Boden entgegensanken, wo sie versiegten. Das  Signal  an  die  Lichtquelle,  das  hoffentlich  deutlich war  und 

von ihr registriert wurde. Die Roboter benötigten Brocken der Jenseitsmaterie, um sie in die 

Jenseitsenergieschleuder  einfüttern  zu  können.  Vorn  am  Bug  der Basis,  gut  verdeckt  von  dem  spitzen  Auswuchs  mit  dem Beiboothangar,  wurde  die  Schleuder  aktiviert.  Sie  war  die wirkungsvollste Waffe, die die Roboter besaßen. Die Maschinen bedauerten es, daß Atlan und seine Freunde nicht 

da waren, um Entscheidungen zu  treffen und  im Sinn der Basis  in 

das Geschehen einzugreifen. Sie hatten die  letzten Versuche, durch den  geschlossenen  Nabel  in  die  Namenlose  Zone  einzudringen, teilweise  erkannt  und  interpretiert,  aber  sie wußten  nicht, welche Schlüsse  sie  daraus  ziehen  mußten.  Sie  behalfen  sich  mit  der Erkenntnis, daß sie auf sich allein gestellt waren. Es würde ein harter und  langer Kampf werden, wenn es sich bei 

den Zyrtoniern wirklich um den uralten Feind handelte, vor dem sie sich immer mit Erfolg verborgen hatten, wie es die Programmierung der Basis vorsah. Plötzlich  begannen  der  blinde  und  der  lahme  Hars  schrill  zu 

schreien. Die Schwingungen ihrer Stimmen beeinflußten die Roboter in  ihrer  internen  Kommunikation,  und  sie  schalteten  ihre Außenmikrofone  ab,  bis  die  Hauptpositronik  sie  darauf  hinwies, daß das Schreien erstorben war. Die beiden Gestalten wälzten sich am Boden und stießen wimmernde Laute aus. Die Roboter begriffen, daß die Lichtquelle es war, die solche Pein 

litt.  Sie  beugten  sich  über  die  beiden  und  versuchten,  ihnen  zu helfen. »Was  ist  es?«  sagte  Zähler‐Rl.  »Was  will  uns  die  Lichtquelle 

mitteilen?« »Das Paz‐Klahu!« stöhnten die beiden. »Die Lichtquelle spürt das 

Paz‐Klahu in der Nähe. Die Zyrtonier haben sich an diese alte Waffe erinnert!« »Was ist das, Paz‐Klahu?« knarrte Basis‐Rl. »Der Tod  für die Lichtquelle«, hauchten die beiden Hars. »Flieht! 

Oder es ist unser aller Untergang!«   

*  Beim  zweiten  Hinsehen  war  sich  91‐Page  Malara  nicht  mehr  so sicher,  daß  die  pulsierende  Kuppel  ein  Fremdkörper  auf  der Oberfläche  der  Basis  war.  Sie  wirkte  nur  so.  Es  war  ebenso  gut 

möglich, daß dieses Schiff nur  für  sie gebaut worden war und  sie durch die Namenlose Zone  transportierte, um  sie dem Zugriff der Zyrtonier zu entziehen. Das würde zu dem passen, was sie aus der Vergangenheit über das Relikt gewußt hatten. »Funkspruch  nach  Zyrton  oder  einer  der  Relaisstationen 

außerhalb«, ordnete die Kommandantin des Verbands an. »Wir sind dabei, die Abwehr des Gegners zum Zusammenbruch zu bringen. Dreißig Kämpfer in die Nähe des Raumschlauchprojektors!« Ihre  Befehle  wurden  augenblicklich  ausgeführt,  und  Malara 

beobachtete weiter, wie  sich  die Auseinandersetzung  entwickelte. Noch war sie auf einen stillen Kampf zwischen der Leistungsstärke der  beiden  unterschiedlichen  Systeme  beschränkt,  aber  die  Pagin brauchte nur auf die Bewegungen  ihres Lebenspartners zu achten, dann wußte sie, wie ungeduldig 92‐Page Ohoro war. »Welchen  Namen  mag  die  Pulsierende  tragen?«  fragte  Ohoro 

plötzlich.  Malara  wußte  es  nicht.  Bisher  hatten  sie  ihn  nicht herausgefunden,  obwohl  sie den  Funkverkehr  innerhalb der Basis mühelos abhören konnten. Die  fünfzig  Schiffe  der  Zyrtonier  hatten  inzwischen  eine 

vollkommene Kugel um die Basis gebildet und schirmten sie durch einen  übergreifenden  Schutzschirm  von  der  Umgebung  ab. Niemand  konnte  ihr  jetzt  zu  Hilfe  kommen.  Gleichzeitig  setzte Malara den Sauger ein, und gebannt verfolgten die Zyrtonier, wie der  Schutzschirm  der  Basis  immer  schwächer  wurde,  ständig nachgeladen werden mußte, aber erneut Energie verlor. Irgendwann mußten  die  Reserven  des Gegners  erschöpft  sein. Die Wesen  aus dem Zyrton‐System wußten inzwischen, daß das Schiff mit wenigen Ausnahmen von Robotern bemannt war. Das kam  ihnen entgegen. Roboter  konnten  ihnen  nicht  nützlich  sein,  deshalb  gab  es  keinen Gegenvorschlag zu Malaras Entscheidung. Die Schiffe der Zyrtonier würden von dem Relikt nichts übrig  lassen als eine diffuse Wolke metallischen Staubs. 91‐Page  wurde mit  der  Zeit  ungeduldig.  Noch  immer  war  der 

Schutzschirm über der Basis nicht  zusammengebrochen. Er  erhielt laufend  Energien,  und  die  Sauger  der  Schiffe  meldeten  volle Speicher. Wenn das Ganze nicht zu einem Fehlschlag werden sollte, dann mußten sie jetzt handeln. »Ohoro!« sagte Malara. 92‐Page setzte sich mit der Kontrolleinheit 

des  Raumschlauchprojektors  in Verbindung. Die  dreißig Kämpfer waren einsatzbereit. »Das  Paz‐Klahu  ist  auf  dem  Weg  zu  euch«,  sagte  Malara. 

Sekundenlanges Schweigen lag über allen Funkkanälen. Dann brach Jubel  los. Alle wußten um das Paz‐Klahu und seine Wirkung. Daß Malara  es  gegen  das  Relikt  einsetzen  wollte,  war  ein  Exempel, dessen Anblick sich kein Zyrtonier entgehen lassen würde. Das 1800 Meter lange Flaggschiff ging noch näher an die Basis des 

Ersten  Zählers  heran.  Sie  änderte  erneut  den  Kurs  und beschleunigte,  aber  der  Schiffsverband  folgte  ihr  synchron  und verhinderte durch den Aufbau einer winzigen Schockwellenfront in Flugrichtung, daß sie in den Hyperraum floh und sich in Sicherheit brachte. Ein  Computersignal  lenkte  die  Aufmerksamkeit  auf  die  dreißig 

Kämpfer am Raumschlauchprojektor. »Jetzt«, sagte Malara. Wieder hatten die Sauger einen Teil der Schirmenergie der Basis 

abgezogen. Ein Finger schoß aus dem Flaggschiff auf das Relikt zu und durchdrang den Schirm. Der Finger wuchs und wurde dicker, und  dann  sahen  die  Zyrtonier  auf  den  Optikschirmen,  wie  die dreißig Kämpfer mit atemberaubender Geschwindigkeit durch den Schlauch zur Oberfläche der Basis gezogen wurden.  In  ihrer Mitte befand  sich  ein  klumpenähnliches  Gebilde,  das  in  tiefem Grauschwarz  strahlte  und  im  nahen  Umkreis  alles  Licht  zu verschlucken  schien.  Es  bewegte  sich  in  einem  Antigravfeld zwischen den Kämpfern. Das Paz‐Klahu. Gleichzeitig  war  die  neue  Auswertung  des  Funkverkehrs 

abgeschlossen. »Die  Pulsierende  nennt  sich  Quelle  der  Jenseitsmaterie  oder 

Lichtquelle«, sagte einer der Zyrtonier. Er verschluckte sich fast, und durch die Zentrale des Flaggschiffs ging ein ehrfürchtiges Raunen. »Du hast die Worte von 1‐Page wörtlich genommen!« 91‐Page  bestätigte  es.  Deutlich war  ihr  anzusehen, wie  sie  sich 

freute. Sie dachte ein paar Augenblicke an das schöne Geschenk, das Ohoro  ihr  an  einem der  zyrtonischen  Strände gemacht hatte.  Jetzt wollte  sie  ihrem  Lebenspartner  auch  ein  Geschenk  machen  und gleichzeitig ihrem Volk einen großen Gefallen erweisen. »Ich  mußte  daran  denken,  daß  1‐Pages  Worte  so  prophetisch 

klangen. Als  ich die verankerte Pulsierende sah, wurde  ich an eine andere Prophezeiung erinnert, die die ferne Vergangenheit unseres Volkes betrifft.« »Ich  kenne  sie«,  erwiderte Ohbro.  »Sie  handelt  davon,  daß  das 

Paz‐Klahu eines Tages zum Retter unseres Volkes werden könnte.« »Deshalb  haben  wir  es  in  zweifacher  Ausführung  an  Bord«, 

erwiderte Malara. »Ich habe es erst nach dem Start erfahren. Ich bin mir sicher, daß 1‐Page es angeordnet hat. Er weiß mehr, als er uns mitteilte. Doch sieh nur!« Die  dreißig  Zyrtonier  hatten  die  Oberfläche  der  Basis  erreicht. 

Über ihnen erlosch der Schlauch, und der Energieschirm des Relikts stabilisierte sich ein wenig. Malara ließ die Sauger abschalten, denn sie waren alle voll und teilweise überladen, und sie ließ die Energien umwandeln und in die Waffensysteme der Schiffe übertragen. »Das Paz‐Klahu  ist die  einzige Möglichkeit  für  uns, mit der die 

Jenseitsmaterie neutralisiert werden kann«,  fuhr Malara  fort,  ohne genau zu wissen, woher sie ihre Überzeugung nahm. Sie hatte auch keine Zeit dazu,  sich um  so  etwas  zu kümmern. Hauptsache war, daß die Lichtquelle zerstört wurde.   

 Der Transfer  funktionierte nicht. Das bedeutete, daß  entweder die technischen Anlagen versagten, oder aber … Es dauerte Bruchteile von Sekunden, bis die Roboter wußten, daß 

die Anlagen keine Störungen aufwiesen. Die  Linsen  der Maschinen  richteten  sich  erwartungsvoll  auf  die 

beiden Wesen, die  über  ihre  organischen Gehirne Botschaften der Lichtquelle  empfangen  konnten.  Lichtquelle‐Hars  und Jenseitsmaterie‐Hars schwiegen. »Was  ist?«  ratterte Basis‐Rl ungeduldig. »Warum meldet  sie  sich 

nicht?« Die beiden Hars wußten es nicht. Sie empfingen keine Gedanken 

von  der  Lichtquelle,  und  die  Roboter  schickten  nochmals  den Aktivierungsbogen  unter  dem  Schutzschirm  der  Basis  entlang.  Er erreichte  die  gegenüberliegende  Seite  nicht.  Seine  Energie wurde abgezogen und  floß  in einen Schlauch, der sich bildete. Etwas kam auf die Basis zu. Der Schutzschirm konnte es nicht aufhalten. Damit war das Taktieren mit den Antiortungssystemen  beendet. 

Der Gegner suchte den offenen Kampf. »Hinauf  auf  die  Oberfläche!«  kommandierte  Basis‐Rl.  »Wir 

müssen die Lichtquelle schützen!« Die  Jenseitsenergieschleuder  fiel aus. Es blieben nur die anderen 

Verteidigungssysteme der Basis und die vielen Roboter. Überall öffneten  sich  jetzt Luken und entließen mehrere hundert 

Maschinen.  Die  weniger  organischen  Lebewesen  schlossen  sich ihnen an. Auf Antigravscheiben und Flugmaschinen schleppten sie alles  an,  was  beweglich  war.  Gravitationsprojektoren  und Strahlkanonen, Schirmprojektoren und Speicherbänke. Aus mehreren Richtungen bewegten  sich eilige Prozessionen auf 

die Lichtquelle zu. Die pulsierende Kuppel war erloschen. Matt und dunkel  lag der 

Dom  vor  ihnen.  Die  Lichtquelle  hatte  sich  wieder  einmal abgekapselt. 

»Wir spüren Traurigkeit und Todesangst«, stellten die beiden Hars fest, als sie die Einfriedung der Kuppel erreicht hatten. »Die Quelle der Jenseitsmaterie hat sich in sich selbst zurückgezogen. Sie ist vor Furcht wie gelähmt und befindet sich in Erwartung ihres Todes. Sie spürt das Paz‐Klahu!« Wie auf Kommando wandten sich der blinde und der lahme Hars 

in die Richtung, in der der Schlauch existierte. Er erlosch in diesem Augenblick, und die Roboter erkannten dreißig fremdartige Wesen, die  sich  auf  der  Oberfläche  der  Basis  bewegten.  Zwischen Buschgruppen  kamen  sie  um  einen  kleinen  See  herum  auf  die Lichtquelle zu. In ihrer Mitte schimmerte es dunkel. Die Roboter wußten, daß es das Paz‐Klahu war. Die beiden Hars 

brachen  in ein Wimmern aus. Sie sanken am Rand der Lichtquelle zu  Boden.  Sie  empfanden  den  Schmerz  der  Jenseitsmaterie körperlich und geistig. »Es ist aus«, ächzten sie. »Wir stehen am Tod!« Die Roboter handelten. Sie griffen den Gegner mit allen Waffen an, 

die  sie  besaßen.  Die  Basis  war  nicht  mehr  zu  verteidigen,  das wußten  sie.  Also  blieb  nur  noch  die  Lichtquelle  als  wichtigster Bestandteil. Sie durfte nicht zerstört werden. Die  Zyrtonier  kamen  immer  näher.  Sie  waren  einwandfrei 

Insektenabkömmlinge. Erste Glutbahnen  rasten auf sie zu, aber sie konnten  ihnen nichts anhaben. Ein Schutzschirm hüllte die Gruppe ein, und die Roboter orteten, daß seine Energie von dem Paz‐Klahu ausging. Mit Waffen der Basis war er nicht durchdringbar. Jetzt eröffneten die Zyrtonier das Feuer. Sie schossen auf alles, was 

sich  bewegte.  Ganze  Reihen  von  Robotern  glühten  auf.  Dunkle Brandspuren bildeten sich dort, wo Maschinen explodierten. Die  organischen  Lebewesen  zogen  sich  ein  wenig  zurück.  Sie 

machten  sich mit  den  Robotern  über  Funk  verständlich,  aber  sie konnten nicht  viel  sagen, da der Gegner  ihre Gespräche mithörte. Dennoch glaubten die Roboter zu wissen, welchen Plan ein paar der Organischen entwickelten. 

»Rückzug«,  ordnete  Basis‐Rl  an,  ohne  die Anweisung  näher  zu begründen.  Damit  machte  er  den  Basisbefehl  rückgängig,  die Lichtquelle  mit  allen  Mitteln  zu  schützen.  Gleichzeitig  führte  er mehrere Roboterhorden um die Zyrtonier  herum und  beschoß  sie von hinten. Hinter der Roboterfront eilten mehrere Plattformen mit Gravitationsprojektoren heran. Die  Zyrtonier  erreichten  eine  kleine  Kuppe.  Sie  sahen  die 

Lichtquelle vor sich  liegen.  Ihr Schutzschirm erlosch, und das Paz‐Klahu  setzte  sich  in  Bewegung.  In  Form  einer  drohenden Wolke eilte es auf die Lichtquelle zu. Höchstens zwanzig Meter trennten es von dem Gebilde. Da griffen die organischen Bewohner der Basis ein. Sie hatten die 

Gravitationsprojektoren  rundherum  in  Stellung  gebracht.  Auf  ein kurzes  Zeichen  aktivierten  sie  sie.  Das  Paz‐Klahu  befand  sich übergangslos  im  Zentrum  einer  veränderten  Schwerkraft,  die  es emporwarf und  zum Rand der Basis  in der Nähe des Felsmassivs beförderte. Das  Paz‐Klahu  reagierte  nicht  schnell  genug.  Es  hatte  alle  seine 

Energien bereits auf die Lichtquelle konzentriert. Es stand kurz vor der  Explosion.  Seine  Kräfte  waren  gebunden,  und  es  konnte  sie nicht mehr umgruppieren. Die Explosion war eingeleitet. Das  Paz‐Klahu  explodierte,  während  die  letzten  der  dreißig 

Zyrtonier  unter  dem  gnadenlosen  Beschuß  durch  die  Roboter starben und ihre Körper sich in den Energien auflösten. Ein Ruck ging durch die Basis des Ersten Zählers. Das Felsmassiv 

und  seine  Umgebung  wurden  durchsichtig  und  lösten  sich  in dunklem Nebel auf. Große Fetzen der metallischen Außenhaut der Basis  flatterten  empor  und  stießen  gegen  den  Schutzschirm.  Sie verglühten teilweise und stürzten auf die Oberfläche zurück. Risse bildeten sich  in dem riesigen Schiff. Fast die gesamte rechte 

Seite  der  Basis  wurde  in  Mitleidenschaft  gezogen.  Beinahe  ein Viertel  des  Gebildes  wurde  durch  die  Explosion  zerstört  oder unbrauchbar.  Das  Interntransmittersystem  wurde  empfindlich 

gestört  und  war  nicht  mehr  benutzbar.  Ein  Teil  der  Landschaft fehlte, und mit  ihr auch der  innere Teil der Basis, der darunter  lag. Das Loch reichte fast bis zum Gästehaus, das etwa in der Mitte lag. Die  Lichtquelle war  unversehrt,  aber  auch  dort  gab  es Unruhe. 

Jenseitsmaterie‐Hars lag mit verrenkten Gliedern am Boden. Hinter seiner  Stirn wölbte  sich  das  organische  Gehirn  und  suchte  einen Ausweg aus dem mechanischen Gefängnis des zerstörten Körpers. Lichtquelle‐Hars, der  blinde Hars, hatte  sich über  ihn  gebeugt. Er versuchte  ihm  zu  helfen,  indem  er  seinen  Körper  drehte  und wendete. Es half nichts. Der lahme Hars starb. Die Roboter  registrierten, daß die Zyrtonier  vom Ausgang  ihres 

Unternehmens überrascht wurden. Die Schiffe zogen sich ein Stück von  der  Basis  zurück,  und  die  Hauptpositronik  stabilisierte  den Schutzschirm weiter  und  konzentrierte  sich  auf  die Raumabwehr. Mehrere  der  kleineren  Zyrtoniereinheiten  zerplatzten  unter  dem konzentrierten  Beschuß,  dem  sie  plötzlich  ausgesetzt  waren.  Es gelang der Basis, zu beschleunigen und ein Stück in die Namenlose Zone  zu  fliehen.  Sie  schoß  weitere  Schiffe  manövrierunfähig, inzwischen  waren  es  vierzehn  Einheiten,  die  sich  aus  der  Kugel gelöst hatten und sich  tief  in den Raum zurückzogen, wo sie keine Waffe mehr erreichen konnte. »Eine  Verschnaufpause«,  stellte  Zähler‐Rl  fest.  Er  machte  eine 

Bestandsaufnahme.  Knapp  die Hälfte  der  Gravitationsprojektoren war durch den Energierückschlag bei der Explosion des Paz‐Klahu zerstört worden. Mehrere Wesen  hatten  ihr Leben dabei  verloren. Ein  zweites  Mal  war  es  fraglich,  ob  das  Paz‐Klahu  abgewehrt werden konnte. Die  Roboter  sammelten  sich, während  die  Basis  kurzzeitig  zum 

Angriff  gegen  die  fremden  Schiffe  überging.  Das  Dunkel  der Lichtquelle hellte sich ein wenig auf, und der blinde Hars erwachte für kurze Zeit aus seiner apathischen Trauer. »Sie ruft«, stöhnte er. »Die Lichtquelle ruft um Hilfe. Sie versucht, 

alle positiven Kräfte des Universums zu erreichen. Und sie ruft nach ihrem Volk!« »Wer  ist  dieses  Volk?« wollte  Basis‐Rl  Rico  wissen.  Der  blinde 

Hars  seufzte  und  sank  wieder  neben  seinem  toten  Gefährten zusammen. Die Roboter führten eine Bestandsaufnahme durch. Die Basis war 

schwer  beschädigt,  aber  sie  konnte  noch  vollständig manövrieren und  auch  ihren  Schirm  trotz  des  Verlusts  einer  Kette  von Schirmprojektoren  aufrechterhalten.  Eine  Gruppe  von Wartungsrobotern  kümmerte  sich  um  die  Installierung  einer Stabilisationsbrücke. Die Zeit lief den Robotern davon. Der Gegner hatte sich von seiner 

Überraschung  erholt  und  griff  erneut  an.  Die  Ortungsanlagen zeigten, daß in dem riesigen Flaggschiff, das ein paar hundert Meter länger  war  als  die  Basis,  erneut  Anstrengungen  unternommen wurden, in den Schutzschirm einzudringen. Es gab keinen Zweifel, daß ihm das gelingen würde. Dann begann 

der Kampf um die Lichtquelle erneut. Die Roboter drückten die Wahrscheinlichkeitsquoten in Prozenten 

aus. Es war wenig Hoffnungsvolles, was sie den Lebewesen auf der Basis mitzuteilen hatten.   

4.  Wir fanden die Basis des Ersten Zählers aufgrund der Energieechos. Sofort  war  uns  klar,  daß  dort  ein  Kampf  stattfand.  Ich  stöhnte unterdrückt auf.  Ich hatte es geahnt. Es war noch nicht vollzogen, aber meine Ahnung bestätigte sich soeben. »Schnell«,  stieß  ich  hervor.  »Beeile dich, Computer. Wir müssen 

der Basis zu Hilfe kommen. Die Lichtquelle muß erhalten bleiben!« Wir  sahen  nur  die  sich  verändernden Kontrollen. Die  Futurboje 

ging  auf  Kurs  und  verschwand  im Hyperraum.  In  unmittelbarer 

Nähe  des  Schauplatzes  der Auseinandersetzung  kehrte  sie  in  den Normalraum der Namenlosen Zone zurück. Fünfzig  Schiffe  waren  es,  und  sie  besaßen  alle  die  Form  der 

Zyrtonier.  Ich  war  sicher,  daß  sich  jene Wesen  in  ihrem  Innern aufhielten  und  es  sich  keinesfalls  um  Robotschiffe  handelte.  Sie griffen die Basis an, und der Kampf dauerte schon längere Zeit. Ein tiefes  Loch  in  der  Basis  und  die  Trümmer  etlicher  Schiffe wiesen darauf hin. Gleichzeitig mit diesen Eindrücken empfing ich einen Hilferuf. Er 

manifestierte sich in meinem Extrasinn. Atlan!  schrie  der  Logiksektor.  Sie wollen  die  Lichtquelle  tatsächlich zerstören. Das  Paz‐Klahu  hätte  sie  fast  schon  neutralisiert.  Ein  zweites Paz‐Klahu befindet sich auf dem Weg zur Oberfläche der Basis! Die Lichtquelle der Vulnurer. Der Zusammenhang zwischen den 

Vulnurern und den Vorgängen in der Namenlosen Zone! Hastig gab ich mein Wissen weiter. Die Futurboje reagierte bereits 

und machte sich bereit zum Angriff auf die Zyrtonierschiffe. »Nein!« rief ich. »Landen! Bei der Lichtquelle!« Der Computer des alten Vulnurerschiffs gab mir keine Antwort. Schneller! drängte der Extrasinn. Wir kommen zu spät. Und mit einer 

Heftigkeit, die mir starke Kopfschmerzen verursachte,  fuhr er  fort: Es darf nicht sein. Hinab, Atlan. Zur Oberfläche. Rettet die Lichtquelle!! Auch jetzt reagierte der Computer nicht. Meine Augen begannen zu tränen. Ich wischte salziges Wasser aus 

den Augenwinkeln. Mit den Zähnen biß ich mir fast die Unterlippe durch. Vor meinen Augen  verschwamm  das Orterbild  und  zeigte mir  ein  zerstörtes,  völlig  zerfetztes  Schiff mitten  in  einem  gelben Raum. Von der Lichtquelle war nichts mehr übrig, oder es gab sie auf diesem Bild nicht. Etwas verschob sich, ich spürte es. Atlan! Jetzt nicht! Du darfst nicht! Ich wehrte mich dagegen, aber ich konnte es nicht. Etwas drängte 

meine  reellen Wahrnehmungen  zur  Seite und  projizierte Bilder  in 

mein Gehirn, die nicht dieser Wirklichkeit angehörten. Glühendheiß durchfuhr es mich, und ich begriff, daß das, was meine Augen jetzt sahen, mein Geist  jetzt miterlebte,  nicht  in  der Namenlosen Zone vor  sich  ging.  Es war  anderswo.  Bereits  zweimal  hatte  ich  etwas Ähnliches erlebt. Eine Vision! Jemand bohrte seine Finger schmerzhaft  in meinen Oberarm und 

schüttelte mich.  Ich beachtete es nicht, denn meine Gedanken und mein Bewußtsein entfernten sich immer mehr von der Wirklichkeit. In  dieser  Stärke  und  Intensität  hatte  ich  es  außerhalb  der 

Namenlosen  Zone  nicht  erlebt.  Es  überwältigte mich  und machte mich  zu  einem  winzigen  Bestandteil  eines  Geschehens. Wie  eine winzige Wanze an der Wand sah ich die Zentrale vor mir, die mir so vertraut war. Ich sah eine Frau, und ich begriff plötzlich, worum es ging. Die Frau war Solania von Terra, und das Schiff die SZ‐2. Atlan, wir werden vernichtet! Der Ruf des Extrasinns  erreichte mich nicht mehr.  Ich war dort, 

und ich spürte den Schmerz, der durch meinen Körper stach. Auch Solania? War sie die nächste nach Ticker und Tyari? Mußte 

es  so  sein?  Hatte  ein  grausames  Schicksal  mir  abermals  für  die Zukunft die Einsamkeit auferlegt? Endgültig verlor ich jeden Bezug zur Realität meiner Umwelt und 

auch meines Ichs. Ich wurde zu dem, was ich sah. Zu den Wänden, der Hülle und all den Einrichtungen. Ich war das Schiff und erlebte alles so mit, als wäre ich körperlich 

dort gewesen. Die Verwirrung »Was ist das 17. Nest?« Palotin  blickte  von  seiner Reagenzbox  auf  und musterte  Egoner 

stirnrunzelnd. »Nest?«  echote  er.  »Ein Nest  ist  ein  aus  Pflanzenfasern,  kleinen 

Ästen und Flaum hergestelltes Gebilde,  in dem Vögel  ihre  Jungen ausbrüten. So steht es im Bordlexikon. Und 17. Nest? Hm, da mußt 

du mal in der zoologischen Station nachfragen. Vielleicht haben die dort  eine Versuchsreihe mit  zwanzig Nestern, und das besagte  ist eben das siebzehnte davon.« »Du willst mich nicht verstehen«, knurrte Egoner verdrossen. »Es 

gibt  in der ganzen SOL‐Zelle keine Versuchsreihen mit Nestern. Es sind überhaupt keine Vögel oder Eierbrüter an Bord. Das 17. Nest muß etwas anderes sein!« Palotin wandte sich endgültig von seiner Reagenzbox ab und fuhr 

sich über die Stirn. Er strich sich das Haar nach hinten und blieb mit zwei  Fingerspitzen  an  der  winzigen  Wölbung  dicht  hinter  dem Haaransatz hängen. Sie befand sich genau in der Mitte des Kopfes. Eine  Wölbung?  Palotin  kratzte  daran,  aber  es  war  keine 

Talgkruste,  die  sich  mit  dem  Fingernagel  lösen  ließ.  Außerdem erinnerte  der  Solaner  sich,  daß  er  erst  am  Vorabend  ausgiebig geduscht und sich die Haare gewaschen hatte. »Verd …«,  stieß er hervor, dann verstummte er. Eine Erkenntnis 

manifestierte  sich  in  seinem Gehirn und  kämpfte  gegen  etwas  an, was er nicht fassen konnte. Für wenige Augenblicke war sein Kopf völlig klar. Natürlich. Er spürte den Spoodie unter seiner Kopfhaut, und  das  winzige  Gebilde  verlieh  ihm  Weitsicht  und  ein Reaktionsvermögen, wie er es früher nicht besessen hatte. Auch sein Gehirn  arbeitete  besser  als  früher,  nur  spürte  Palotin  im Moment wenig  davon.  Er  suchte  nach  einer  Erklärung  für  das  17.  Nest. Irgendwie empfand er, daß er einmal gewußt hatte, was das war. Er kam nur nicht dahinter. Der Spoodie half ihm nicht. »Du  solltest  die  Positronik  in  der  Hauptzentrale  befragen«, 

empfahl er Egoner. »Sie wird dir Auskunft geben können!« »Das  ist  es  nicht«,  murmelte  der  Biologe  dumpf.  Er  legte  die 

Hände an die Schläfen und massierte sie. » Ich bilde mir ständig ein, daß ich es früher gewußt habe!« »Du auch?« Palotin schrie es. Das Rasseln der Reagenzbox hörte er 

erst beim zweiten Anlauf, und er schaltete sie rasch ab und wartete ungeduldig  auf  die  Auswertung.  Mit  Hilfe  der  eingebauten 

Computerreihe war  es kein Problem, die gewünschten Reaktionen durchzuführen und eine komplette Analyse zu machen. »Etwas  ist  nicht  in Ordnung«,  fuhr  er  fort.  »Glaubst  du,  daß  es 

Dinge gibt, die wir einfach vergessen haben?« Egoner gab  ihm keine Antwort, und Palotin beschloß, der Frage 

nachzugehen,  sobald  er  seine  Arbeit  abgeschlossen  hatte.  Er beobachtete,  wie  es  in  der  Reagenzbox  sprudelte,  wie  mehrere Flüssigkeiten in den einzelnen Kammern abgesaugt würden und ein warmer  Luftstrom  die  Pflanzenteile  trocknete. Die Vakuumdeckel öffneten sich, und Palotin nahm die Teile heraus und gab sie Egoner zurück,  der  sie  behutsam  in  einem  Plastikkorb  verstaute.  Er behandelte sie wie rohe Eier. Wenige  Sekunden  später  hatte  die  Computerreihe  ihre 

Untersuchungen abgeschlossen. Ein gelbes Licht  leuchtete auf, und Palotin  schloß den Ablaufschlauch  an die Box  an. Die  chemischen Flüssigkeiten  gluckerten  davon  und  wurden  der Wiederaufbereitung zugeführt. Auf  dem Wandbildschirm  leuchteten  die  ersten  Ergebnisse  auf, 

und gleichzeitig nahm der angeschlossene Drucker seine Arbeit auf und notierte  aufmerksam  alle Werte. Als  er  fertig war,  riß Palotin den Papierstreifen ab und warf einen Blick darauf. »Nichts«,  sagte  er.  »Tut  mir  leid.  Die  Versuche  waren  wieder 

negativ. Deine Pflanzen lassen sich nicht in der gewünschten Weise analysieren.« »Was heißt hier wieder?« Egoner wollte aufbrausen. »Du hast mich vor zwei Tagen dieselben Versuche  schon einmal 

machen  lassen«,  erwiderte  Palotin  geharnischt.  Er  verschloß  seine Box  und  stellte  die  Energiezufuhr  ab.  Ein  kleiner  hüfthoher Laborroboter  rollte  herbei  und  brachte  die  Box  in  ihren  Schrank zurück.  »Du  spinnst«,  behauptete  Egoner  und  tippte  sich  an  die Stirn. »Du weißt nicht mehr, was du redest. Das Geschenk  ist doch erst heute morgen an Bord gekommen. Wie kann ich dir da vor zwei Tagen Proben zur Untersuchung gebra …« 

Er packte  seinen Korb und verließ das Labor des Chemikers. Er schüttelte  fortwährend  den  Kopf,  und  Palotin  sah  ihm  mit hängenden  Schultern  nach.  Egoner  war  krank,  davon  war  der Chemiker überzeugt. Der Biologe war wahrscheinlich überarbeitet. Ich  werde  ihn  nachher  über  Interkom  anrufen  und  ihm  eine 

längere Ruhepause empfehlen, entschied Palotin und widmete sich anderen Aufgaben. Daß  sie  die  Hauptpositronik  hatten  konsultieren  wollen,  daran 

dachten  beide  Solaner  nicht  mehr.  Erst  Stunden  später  dachte Palotin wieder an Nester, aber er brachte es nicht mehr zusammen, was mit Nestern gewesen war.   

*  Horaffa  rannte  den  Korridor  entlang  und  achtete  nicht  auf  die Blicke,  die  ihr  manche  Solaner  nachwarfen.  Sie  eilte  durch  den Wohnbereich und hatte nichts anderes im Sinn, als schleunigst ihre Kabine  zu  erreichen.  Ihr  Armbandkom  zirpte  und  machte  sie ununterbrochen darauf aufmerksam, daß man sie von der Zentrale aus erreichen wollte. Horaffa  stieß  einen  Fluch  aus.  Sie  rannte  schneller,  und  die 

braunen Haare wehten wie eine Flagge hinter ihr her. Endlich sah sie die Korridorkreuzung vor sich und bog nach links 

ab. Gerade  schalteten  sich  die  Beleuchtungskörper  auf Nachtlicht um. Der Tag im Schiff war vorbei. In ihrer Hast verlor Horaffa ihr Ziel aus den Augen. Sie rannte an 

ihrer Wohneinheit  vorbei  und merkte  es  erst,  als  sie  den  runden Aufenthaltsraum vor  sich  sah, der  teilweise  in die Krümmung des Korridors integriert war. Die Pilotin hielt an und  lehnte  sich an die Wand.  Ihr Atem ging 

rasselnd.  In  ihren Augen stand Angst, und sie hielt eine Hand vor den Mund, um nicht  in  lautes Weinen auszubrechen. Bebenwellen 

durchliefen ihren Körper. Sie  war  todkrank.  Die  Anzeichen  waren  überdeutlich.  Und 

niemand konnte sie retten. Sie hetzte zurück und  fand endlich  ihre Tür. Sie öffnete und  ließ 

sich  in  ihre  Wohnung  hineinfallen.  Sie  suchte  ein  kleines Vibratormesser  und  stürzte  in  die Hygienekabine  hinein, wo  der Spiegel hing. Horaffa tastete zum Haaransatz, wo das Geschwür saß. Sie begann 

zu zittern, und das Messer entfiel ihr und landete im Waschbecken. »Weg mit dir!« zischte sie. »Raus! Ich kriege dich!« Sie packte das Messer und führte es zur Stirn. Sie versuchte, nicht 

hinzusehen und doch gleichzeitig die Stelle zu treffen, wo es saß. Spoodie hieß das Geschwür. Sie hatte keine Ahnung, wo sie es her 

hatte. Sie war auf keinem Planeten gewesen und kannte nur  ihren Aufenthalt in der SOL‐Zelle. So weit sie zurückdenken konnte, hatte sie immer in dem Schiff gelebt. Wie  lange  schon? Ein Stich durchfuhr  ihren Körper,  schmerzhaft 

und  peinigend.  Sie  konnte  sich  nur  an  die  letzten  zwei  Tage erinnern. Davor war nichts. Es hatte sie da noch nicht gegeben. Horaffa  stieß mit  dem Messer  zu.  Blut  spritzte  aus  der Wunde, 

aber  sie  spürte, daß  sie die  richtige Stelle getroffen hatte. Sie warf das Messer fort und preßte mit beiden Händen auf die Wunde. Sie drückte  den  Spoodie  aus  der  entstandenen  Öffnung.  Er  rutschte über ihre Stirn und fiel neben dem Waschbecken zu Boden. Horaffa schwankte. Sie verlor das Gleichgewicht und ging  in die 

Knie. Sie klammerte sich an den Rand des Waschbeckens und riß es fast  aus  seiner  Verankerung.  Sie  ließ  sich  vollständig  zu  Boden sinken und tupfte mit einem Handtuch das Blut ab, das ihr in einer feinen Spur über das Gesicht rann. Wer bin ich? fragte sie sich. In ihrem Kopf war mit einemmal eine 

große  Leere,  und  sie  hatte  Mühe,  ihre  nächste  Umgebung  zu erkennen.  Sie kroch hinaus  in den Wohnraum und  stellte  entsetzt fest,  daß  der  Spoodie  ihr  folgte.  Eine  hellrote  Spur  hinter  sich 

herziehend,  kroch  er  auf  sie  zu. Das winzige,  daumennagelgroße Insekt  schob  sich  über  die  Schwelle  und  fiel  auf  den Wohnzimmerboden. Es schien sein Ziel genau zu kennen. Horaffa warf das Handtuch weg und  schleppte  sich bis  zur Tür 

ihrer Wohnungseinheit.  Sie  riß  sie  auf  und  kroch  hinaus  auf  den Korridor.  Sie  hörte  aufgeregte  Stimmen  ganz  in  der  Nähe.  Sie erkannte  andere  Männer  und  Frauen,  die  herumwankten  oder wimmernd  am Boden  lagen. Zwischen  ihnen  am Boden bewegten sich winzige Tierchen. »Auch ihr«, stieß Horaffa betroffen hervor. Sie bildete sich ein, daß 

eine  Seuche  ausgebrochen war  oder  eine  Invasion  einer  fremden Intelligenz vor sich ging. Jemand  schrie:  »Einen  Strahler  her!  Bringt  die  Dinger  um. 

Verdampft sie!« »Mein Gott«, stammelte Horaffa. »Wenn es so etwas wie dich gibt, 

dann hilf uns! Wer sind wir, und wo sind wir? Was  ist das  für ein steriler  Korridor,  in  dem  wir  liegen?  Wer  hat  uns  aus  unserer gewohnten Umgebung entführt?« »Wer bin  ich?«  jammerte ein Mann ganz  in  ihrer Nähe. »Warum 

kann es mir keiner sagen? Lebe ich überhaupt?« Die Spoodies krochen noch  immer hinter  ihren Trägern her, und 

Horaffa empfand unendlichen Ekel vor diesen Dingern. Sie richtete sich mühsam auf und  trat auf die Dinger. Sie stampfte sie mit den Absätzen klein, bis nur noch kristalliner Staub von ihnen übrig war. Fünf oder sechs Spoodies schaffte sie, dann war sie mit  ihrer Kraft am Ende. Horaffa stürzte bewußtlos zu Boden.   

*  Etwas stimmte nicht. Solania von Terra beobachtete Fahud Leiber. Der Chefpilot der SZ‐

2 saß in seinem Pilotensessel und bewegte sich unruhig. Viele seiner Bewegungen  wirkten  fahrig,  und  es  dauerte  ewig,  bis  der Steuercomputer  endlich  grünes  Licht  für  die  bevorstehende Linearetappe gab. Die dreiundsechzigjährige Frau schüttelte  ihre grauen Haare und 

ging  langsam zu  ihm hinüber. Sie beobachtete  ihn eine Weile und sagte  schließlich:  »Ist  etwas mit  dir,  Fahud?  Fühlst  du  dich  nicht wohl?« Der  Chefpilot  verneinte,  aber  für  Solania  kam  die  Antwort  ein 

wenig zu rasch und zu hastig. Sie glaubte ihm nicht und überlegte, ob sie nicht eine Ablösung für ihn rufen sollte. Laufend  trafen  Meldungen  aus  allen  Schiffsbereichen  ein.  Sie 

beinhalteten  ohne  Ausnahme  widersinniges  Verhalten  von Solanern. Die Fälle mehrten sich, in denen Männer und Frauen sich mit Gewalt ihrer Spoodies entledigten. Solania erkannte keinen Sinn darin. Die Spoodies waren eben da. 

Sie persönlich störte das winzige Gebilde unter der Kopfhaut nicht, und in Minuten der Entspannung bildete sie sich manchmal ein, daß der Spoodie eine kräftigende Wirkung auf sie ausübte. Überall  waren  die  Medorobots  aktiviert.  Sie  brachten  die 

Betroffenen in die Medostationen und verarzteten sie. Die Patienten waren apathisch und erinnerten sich nicht einmal an  ihren Namen. Vor den Spoodies hatten sie eine heillose Angst, und jeder Versuch, einem von ihnen erneut ein solches Insekt einzupflanzen, scheiterte am Widerstand der Betroffenen. Solania von Terra glaubte, daß die Spoodies ebenso zu dem Schiff 

gehörten wie alle anderen Einrichtungen. Das Schiff flog eben durch das  All,  und  das,  was  früher  gewesen  war,  war  Geschichte.  Es interessierte keinen, und die Kommandantin wußte, daß  sich kein einziger Solaner daran erinnerte, was früher gewesen war und ob es ein Früher gegeben hatte. Man hätte schon die Hauptpositronik befragen müssen, aber dazu 

hatte bisher niemand Lust gehabt. 

Natürlich hatte es eine Vergangenheit gegeben, und sie wirkte mit Sicherheit  bis  in die  Jetztzeit hinein. Möglicherweise  lag  es  in der Verantwortung  der  Kommandantin,  hier  ein  klärendes  Wort  zu sprechen, das die Gemüter der aufgeregten Solaner besänftigte. Sie mußte sich also informieren. Solania  vergaß  den  Piloten.  Sie  betrachtete  die  Bilder,  die  auf 

mehreren Bildschirmen  zu  sehen waren. Sie  zeigten das Geschenk oder  Ausschnitte  davon.  Es  machte  weiter  Fortschritte,  und  die Meldungen aus den biologischen Labors klangen zuversichtlich. Die SZ‐2 war dran und drauf, zur neuen Heimat  für das Geschenk zu werden. Die Kommandantin trat an eine der Konsolen und setzte sich mit 

der Hauptpositronik in Verbindung. »Ich möchte die verwirrten Solaner beruhigen und benötige dazu 

Daten über die Vergangenheit. Was weißt du über die Bestimmung der SZ‐2?« »Dieses  Schiff  ist  ein Dritteil  der  SOL  und  ist  als  Spoodieschiff 

eingesetzt. Es  transportiert  Spoodies  vom  Feld  zu den  bewohnten Welten  dieser Galaxis. Auch  jetzt  ist  es  unterwegs,  um  eine  neue Ladung  aufzunehmen.  Die  Transportbehälter  dazu  sind  in ausreichenden Mengen enthalten. In Kürze wird das Schiff das Nest der 17. kranischen Flotte passieren.« Solania  zuckte  unter  jedem  Wort  wie  unter  Peitschenschlägen 

zusammen. Eine dumpfe Ahnung beschlich sie. Plötzlich wußte sie, was los war in diesem Schiff. Die Verwirrung der Solaner entsprang nicht ihrem eigenen Kopf, sie wurde gesteuert. Die Hauptpositronik des Schiffes war aus unerklärlichen Gründen 

gestört.  Sie  brachte die  SZ‐2  immer  näher  an  einen Abgrund. Die Kommandantin warf  einen  langen  Blick  auf  die  Bildschirme,  die Ausschnitte  des  Geschenks  zeigten.  Dann  schaltete  sie  mit  einer entschlossenen Handbewegung die Hauptpositronik ab. Das Blütenschiff Der Nährboden war feucht und weich. Die Samen 

gediehen mit  einer Geschwindigkeit, wie  Taiphus Gallum  es  sich 

nicht vorgestellt hätte. Alles, was die Königssamen  in  sich  trugen, war voller Überraschungen. Es  war  kein Wunder,  daß  Palotin  mit  seinen Methoden  nichts 

herausgefunden hatte. An die Königssamen mußte man herangehen wie an etwas Lebendiges, das Bewußtsein besaß. Taiphus Gallum sprach mit niemandem über seine Gedanken, die 

er  sich machte.  Er  hatte  Egoner  für  eine Weile weggeschickt,  um allein mit den Samen zu sein und  jenen Zeitpunkt zu genießen, an dem sich die ersten Spitzen im Nährboden zeigen würden. Jetzt war dieser Zeitpunkt gekommen, und Gallum verriegelte alle 

Eingänge  zu  den  ausgedehnten Hydroponikanlagen.  Er  gab  dem Computer  eine  zeitlich  befristete  Sperre  ein.  Damit  war sichergestellt, daß niemand ihn stören konnte. Innerhalb weniger Minuten  verwandelte  sich  der  dunkelbraune 

Nährboden. Weiße  Punkte  bildeten  sich  in  ihm,  und  sie wurden immer  mehr.  Wie  Sterne  legten  sie  sich  über  den  dunklen Untergrund, und jeder von ihnen stand für eine Pflanze. Gallum begann zu zählen, aber nach einer Weile gab er es auf. Er 

konnte  höchstens  überschlagsmäßig  feststellen,  wie  viele  es  sein würden,  und  kam  zu  der  Erkenntnis,  daß  hundert  Prozent  des Samens aufgegangen waren. Das gab es nirgends  in der bekannten Pflanzenwelt,  und  der  Biologe  dachte  daran,  daß  es  ein wahrhaft lohnendes Geschenk war,  das  sie  erhalten  hatten.  Schade,  daß  er sich nicht mehr  erinnern konnte, wer  es  ihnen gemacht hatte und wo das gewesen war. Taiphus beobachtete wieder die Sprößlinge und stellte fest, daß sie 

gleichmäßig wuchsen und bereits eine Höhe von zwei Zentimetern erreicht  hatten.  Er  konnte  es  kaum  glauben  und  entfernte  sich hastig, um  eine Videokamera  zu holen. Er  fand  sie  in  Form  eines beweglichen  Roboters  und  dirigierte  ihn  an  das  eine  Ende  der Anlage, so daß die Kamera die gesamten Pflanzenkulturen erfaßte. Ein  gelbes  Licht  zeigte  an,  daß  der  Kameraroboter  seine  Arbeit aufgenommen hatte. Später dann würde Gallum die Aufnahmen zu 

einem Zeitrafferfilm zusammenschneiden. Eine  Stunde  später  hatten  die  Pflanzen  sich  bereits  fünfzehn 

Zentimeter aus dem Nährboden erhoben und bildeten erste Blätter und eine Blüte aus. Gallum hüpfte vor Freude hin und her, und er gab dem Computer den Entriegelungsbefehl. Gleichzeitig verlangte er  eine Verbindung  zur  Zentrale,  um  Solania  von  dem  Erfolg  zu berichten, falls sie es versäumt hatte, auf ihre Monitoren zu blicken. Er  kam  nicht mehr  dazu. Mehrere  Eingänge  öffneten  sich,  und 

Dutzende  von  Solanern  stürmten  in  die  Anlagen.  Egoner  befand sich unter ihnen, und Taiphus Gallum rief ihn zu sich und forderte ihn auf, die Eindringlinge wegzuscheuchen. »Warum  denn?«  fragte  der  Biologe  gereizt.  »Ich  habe  sie  extra 

zusammengesucht.  Oder  glaubst  du,  ich  weiß  nicht  was  hier geschehen ist? Wir beginnen sofort mit dem Umtopfen!« »Halt!« brüllte Taiphus. Die ersten Solaner hatten bereits mit der 

Arbeit  begonnen.  »Die  Pflanzen  sind  Eigentum  der  biologischen Abteilung. Niemand berührt sie!« Er wurde  regelrecht  ausgelacht.  Jemand  brachte  einen  fahrbaren 

Container mit großen Töpfen, und die Solaner  topften eine Pflanze nach  der  anderen  um.  Rasend  schnell  ging  es,  als  hätten  sie  ihr Lebtag  nichts  anderes  getan.  Nach  wenig  mehr  als  einer  halben Stunde hatten sie über  fünftausend Töpfe gefüllt. Vom Nährboden in den Anlagen war nicht mehr viel übrig. Ein kleines Feld  in der Mitte stand noch mit etwa fünfzehn Pflanzen. »Egoner!« Noch  einmal  versuchte Gallum  es.  »Hilf mir,  diesem 

Wahnsinn  Einhalt  zu  gebieten.  Was  soll  mit  den  Pflanzen geschehen? Sie werden verkümmern!« Egoner hielt einen Topf in der Hand, in dem sich die Blüte immer 

weiter öffnete und  einen betörenden Duft verströmte. Der Biologe lachte seinem Kollegen ins Gesicht. »Du spinnst«, sagte er laut. Damit  ließ er Gallum stehen und entfernte sich, während andere 

Solaner mit Antigravplattformen kamen und die Töpfe mitnahmen. 

»Wir verteilen sie gleichmäßig über das ganze Schiff, wie sich das gehört!« hörte Gallum jemanden sagen. Der Biologe suchte nach einem Halt und stützte den Kopf  in die 

Hände. Für  ihn war es wie ein böser Traum, und zum ersten Mal stellte  er  fest, daß  in der  SOL‐Zelle  etwas nicht mehr  stimmte. Er raffte  sich  auf  und  schritt  zum  Eingang.  Er  verließ  die Hydroponikanlagen  und  verschloß  sie  sorgfältig.  Niemand  sollte mehr Gelegenheit erhalten, ihm die letzten der Pflanzen zu stehlen. Taiphus Gallum machte sich auf den Weg zur Zentrale.   

*  Alpha‐City  war  gesperrt.  Bewaffnete  Solaner  riegelten  den Wohnbezirk  ab.  Die  rund  zweihundert  Solaner  hatten  sich  im größten  ihrer Aufenthaltsräume versammelt. Sie saßen auf Stühlen oder Tischen oder  am Boden und betrachteten die Blume, die  aus ihrem Topf ragte. Er stand auf einem Sockel an der Wand, und die weiße Blüte entfaltete sich immer mehr. Der Stengel färbte sich dicht über dem Nährboden gelb und rosa, und die Solaner sahen, wie der blasse Stiel hellrote Adern erhielt, die nach oben führten und in der einzigen  Blüte  mündeten,  die  noch  immer  wuchs  und  sich ausbreitete. Andächtig schauten die Männer, Frauen und Kinder zu. Kein  Wort  kam  über  ihre  Lippen,  und  die  Blüte  wuchs  immer weiter, und nach einer Weile hatte sie auf dem Sockel keinen Platz mehr.  Sie nahmen  sie herunter und  stellten den Topf  in die Mitte des Raumes. Die Gesichter  der Menschen wurden  ruhiger,  je weiter  sich  die 

Blüte  ausbreitete.  Manche  Solaner  begannen  zu  lächeln,  und  sie fühlten  sich  leicht  und  beschwingt.  Ein  paar  erhoben  sich  und tanzten  auf  engem  Raum,  als  seien  sie  an  keine  Schwerkraft gebunden. Etwa eine Stunde dauerte dieser Zustand, dann verließen die  ersten  den  Raum  und  entfernten  sich  an  die  Peripherie  von 

Alpha‐City,  Sie  lösten die Wächter  ab, damit  auch diese  sich dem Anblick der Pflanzen hingeben konnten. Die Biologen hatten die Samen als Königssamen bezeichnet.  Jetzt 

standen die Blüten im Mittelpunkt der Betrachtung, und die Solaner nannten  sie Königsblüten. Wie  ein Lauffeuer  eilte der neue Name durch die Ebenen des Kugelschiffes. Sam  Schelker  war  einer  der  ersten,  die  den  Anblick  genossen 

hatten. Wie trunken taumelte er durch die SOL, und in seinem Kopf gingen Dinge  vor  sich,  die  er  nicht  kannte. Aber  er  nahm  sie  als Ausdruck  seiner  Freude. Die  Freude  stimulierte  ihn und  trieb  ihn an, und er begegnete etlichen Männern und Frauen, denen es ebenso erging. Ein Teil von  ihnen war vor kurzem aus den Medostationen entlassen  worden,  ohne  daß  die  Roboter  und  Ärzte  etwas Bedenkliches  an  ihnen  gefunden  hatten.  Sie  waren  geistig  und körperlich  auf  der Höhe  und wußten  nicht, wohin  sie mit  ihrem überschäumenden Tatendrang sollten. »Folgt mir  in  die  technische  Sektion«,  sagte  Sam  Schelker.  »Sie 

liegt gleich hinter der nächsten Abzweigung. Ich bin Techniker und kenne den Kode für die Tore!« Sie  schlossen  sich  ihm  an  und  unterhielten  sich  über  alles 

mögliche. Sam fand, daß es keinen Sinn gab, was sie redeten, aber es war ihm egal. Hauptsache war, daß sie ein gemeinsames Ziel hatten. Sam  öffnete  ein  Tor,  und  die  Solaner  betraten  die  Sektion  und 

sahen sich um. Überall ragten hohe Türme auf, lagen Maschinen wie gefräßige Ungeheuer vor ihnen. Die Solaner stöhnten auf. Alles, was sie  sahen, kam  ihnen bedrohlich vor, und die  ersten  sprangen vor und  stürzten  Stühle  und  Tische  um  und  kämpften mit  ihnen,  als handele es sich um reale Gegner. Der Techniker wandte sich in den Hintergrund, der Sektion. Dort 

wußte  er  die  Morgananlage.  Sie  bestand  aus  acht  miteinander verbundenen Projektoren. Ihre silbernen Blasen ragten vor ihm auf. Sekundenlang betrachtete er sie aus zusammengekniffenen Augen. Plötzlich  rannte  er  in  einen  Nebenraum  und  kam  mit  einem 

Handstrahler bewaffnet zurück. »Schießt!« brüllte er. »Macht diesem Zeug den Garaus!« Er legte auf die Blasen an und beschoß sie mit Energiestrahlen, bis 

nur noch dampfende Klumpen übrig waren. Ein  paar  Solaner  eilten  an  ihm  vorbei.  Sie  bewaffneten  sich 

ebenfalls und hatten nichts Besseres zu tun, als sämtliche Maschinen der technischen Sektion in Schutt und Asche zu legen. Sam  sah  ihnen  zufrieden  zu.  Er  wußte,  daß  es  keine  bessere 

Lösung gab,  sich des Ungeziefers zu erwehren, das die Herrschaft über  das  Schiff  anstrebte.  Es mußte  ausgerottet werden,  und  der Techniker suchte in seiner Erinnerung, wo die nächste Sektion war, in der sie suchen mußten. Einer der Männer trat auf sie zu und richtete die Waffe auf ihn. »Du  bist  doch  auch  eines  dieser  gefährlichen Viecher«,  hörte  er 

den anderen sagen. Er machte sich nicht einmal Gedanken, wie der Solaner es meinte. Bleierne Müdigkeit erfüllte  ihn, und er sah, wie die Waffe ausgelöst wurde. Sein  letzter Gedanke galt den Königsblüten, die überall  im Schiff 

lebten. Dann hatte Sam Schelker aufgehört zu existieren. Heimatträume  Als  Taiphus  Gallum  die  Zentrale  der  SZ‐2  betrat, 

schlug  die  Stimmung  wie  eine  Woge  über  ihm  zusammen  und drückte  ihn  nieder.  Er  ließ  seine  Augen  wandern.  Sie  erfaßten Männer und Frauen, die am Boden  lagen oder saßen. Ganz wenige Besatzungsmitglieder  gingen  ihrer  Arbeit  nach.  Zwischen  ihnen stand Solania und ermunterte sie. Der Biologe  sah den Blumentopf, der mitten  in der Zentrale  auf 

dem Boden  stand. Er  verstrahlte  ein  helles,  rosafarbenes Licht. Es zog  seine  Augen magisch  an,  aber  Taiphus  wandte  sich  ab  und schritt auf die Kommandantin zu,  indem  er die Augen  immer auf die Seite gerichtet hielt. Solania  von  Terra  hörte  ihn  kommen  und wandte  sich  um.  Sie 

erkannte ihn sofort, und das beruhigte Gallum etwas. »Was hast du angerichtet«, empfing sie  ihn. »Warum hast du die 

Blüten herausgegeben?« »Ich  kann  nichts  dafür«,  entgegnete  er.  »Sie  sind mir  gestohlen 

worden.« Er berichtete, was sich abgespielt hatte. Solania holte  tief Luft. »Ich weiß nicht, was  ich denken  soll«,  sagte  sie.  »Ständig  gehen 

weitere Schadensmeldungen  ein. Es hat den Eindruck, als würden ganze  Gruppen  von  Solanern  brandschatzend  durch  das  Schiff ziehen. Die Roboter  geben  sich  alle Mühe,  aber  sie  können  vieles nicht verhindern!« Taiphus wurde nachdenklich. Er blickte über die Schulter zurück 

auf die Sitzenden und Liegenden. »Du meinst, es könnte etwas mit den Blüten zu tun haben?« »Nein.« Solania  schüttelte den Kopf. »Nicht mit  ihnen. Siehst du 

nicht, wie friedlich die Menschen angesichts der Königsblüten sind? Es muß etwas anderes sein!« Aus  dem  Pilotensessel  erhob  sich  eine  massige  Gestalt.  Fahud 

Leiber trat zu den beiden und sah sie aus kleinen Augen an. »Ausfälle  in  den  Kraftwerken«,  meldete  er.  »Wenn  es  so 

weitergeht, dann ist das Schiff bald flugunfähig.« »Nichts wie weg von hier«, nickte Solania. »Die Linearetappe war 

doch längst fällig!« »Ohne die Positronik …«, begann Leiber, doch Solania fiel ihm ins 

Wort. »Du  mußt  es  schaffen. Wir  müssen  ohne  das  verteufelte  Ding 

auskommen!« Fahud Leiber setzte sich in seinen Sessel zurück, und kurz darauf 

stellten sie fest, daß die SZ‐2 beschleunigte. Die untergeordneten Computer  arbeiteten  auf Hochtouren. Kurz 

darauf wechselte das Schiff  in den Linearraum über und vollführte eine Etappe von zwölf Lichtjahren. »Wir sind  in der Nähe der 17. Flotte«, sagte Gallum eindringlich. 

Gleichzeitig  fragte  er  sich,  woher  er  die  Information  hatte.  »Es empfiehlt sich, einen Notruf an die SOL abzugeben!« 

Solania starrte ihn ungläubig an. »Taiphus!« rief sie. »Was  ist mit dir  los?  Jetzt redest du schon so 

verrückt wie die Positronik!« »Laß es ihn doch wenigstens versuchen«, hauchte Leiber schwach. 

Er war in seinem Sessel zusammengesunken. Gallum wartete nicht ab. Er trat an die Funkanlage und aktivierte 

sie. Er  rief mehrere Kodes ab und erwischte endlich den  richtigen. Das Nest der 17. Flotte antwortete  jedoch nicht, und auch die SOL meldete sich nicht. Taiphus Gallum erkannte seinen Fehler nicht. Er glaubte, daß die 

Funksprüche  automatisch  abgestrahlt  wurden.  Das  taten  sie normalerweise auch, aber nur dann, wenn die Positronik arbeitete. So funktionierte nur das Funkgerät. Kein einziges Signal verließ das Schiff. Der Biologe gab resignierend auf. Er zuckte mit den Schultern und 

richtete  seine Aufmerksamkeit  zum Eingang. Dort  entstand Lärm, und  durch  die  sich  öffnende  Tür  stürmten  Solaner  herein  und schossen wahllos um sich. »Bring  das  Schiff  zum  Stehen,  schnell!«  brüllte  Gallum  den 

Chefpiloten  an.  Fahud  Leiber  war  in  dem  Sessel zusammengesunken und rührte sich nicht. Solania  eilte  herbei.  Sie  hatte  die  Roboter  aktiviert,  die  die 

Menschen  aus  der  Zentrale  zu  drängen  versuchten.  Eine  der Maschinen  explodierte,  bevor  sie  ihren  Schutzschirm  einschalten konnte. Taiphus  spürte einen brennenden Schmerz  in  seinem Rücken. Er 

fuhr  herum  und  sah  noch,  wie  sich  Solania  über  die  Kontrollen beugte und die Bremstriebwerke einschaltete. Dann löschte der Tod alle seine Empfindungen aus.   

*  

Palotin blickte hinüber zum anderen Ufer. Die Frau winkte ihm zu, und der Chemiker winkte zurück. Sie deutete auf den Steg, der ganz in der. Nähe über das klare, blaue Wasser führte. Palotin  nickte.  Er  setzte  sich  in  Bewegung  und  eilte  am  Ufer 

entlang, das von dickem, saftigem Moos bedeckt war. Er übequerte den Steg und lief am anderen Ufer zurück, bis er vor der Frau stand. Sie  war  schön,  so  schön,  wie  er  sich  immer  seine  Idealfrau 

vorgestellt hatte. Sie streckte ihm eine Hand entgegen, und er ergriff sie und drückte sie sanft. »Ich bin Palotin«, sagte er. »Nenne mich Elena, die schöne Elene«, lächelte sie und zog ihn zu 

Boden. »Du bist von draußen?« Sie deutete zum Himmel empor, der wolkenlos und herrlich blau 

war. Palotin hatte ihn auf Holobildern so gesehen. »Ja, ich bin Raumfahrer«, sagte er. »Willkommen  auf  Terra«,  nickte  Elena.  »Ich  habe  auf  dich 

gewartet. Du bist der Mann meiner Träume!« Auch du bist die Frau meiner Träume, wollte Palotin antworten, 

aber  ein  Kuß  verschloß  ihm  den Mund.  Er  umfing  die  Frau mit seinen Armen und drückte sie an sich. »Ich  zeige  dir  die  Erde«,  sagte  Elena  nach  einer  Weile 

gegenseitiger Liebkosungen.  »Willst du? Willst du Terrania  sehen, die Hauptstadt? Oder lieber das Mausoleum auf dem Mond? Es gibt Transmitter, die direkt hinführen.« »Ich möchte die Länder sehen, nicht die Gebäude.  Ich möchte  im 

Wald  spazieren  gehen  und  sehen,  ob  er  so  ist,  wie  man  ihn beschrieben  hat.  Ich möchte  die  Ebenen  betrachten,  in  denen  das Getreide wächst. Aus dem man nichtsynthetisches Brot bäckt. Und ich möchte von dem Wein trinken, der noch aus Reben kommt!« »Das alles kannst du haben.« Elena erhob  sich und  faßte  ihn bei 

der Hand. »Du brauchst nur mit mir zu kommen. Halte dich fest!« Palotin  fühlte  sich  emporgehoben. Der Boden wich unter  seinen 

Füßen, und er registrierte es mit einem unterdrückten Schrei. Elena 

hielt  ihn fest und entführte  ihn durch die Lüfte, und sie zeigte  ihm alle Schönheiten des Planeten. Und zum Schluß führte sie ihn auch in die Hauptstadt und das Mausoleum,  aber  sie machten  auf den Chemiker keinen solchen Eindruck. Hier kam er sich beengt vor wie in  einem Raumschiff. Die Weiten der Planetenoberfläche hingegen hatten  ihm  ein  Gespür  für  eine  neue  Dimension  der  Weite vermittelt, das er nicht so schnell vergessen würde. Sie kehrten an das Ufer des Flusses zurück, und Elena  ließ seine 

Hand los. Palotin grabschte nach ihr, aber ihre Gestalt verwehte im Wind, und mit  ihr  auch der  Steg und das Wasser. Palotin  riß die Augen auf und  starrte auf das Blatt  in  seinen Händen. Es war ein Blütenblatt  einer  der  Königsblüten,  und  er  streichelte  es  und musterte verzückt den großen Blütenkelch. »Danke«, murmelte er.   

*  Gerzel ließ Messer und Gabel sinken und riß die Augen auf. »Was ist mit dir?« fragte er. »Schmeckt es dir nicht? Das ist Fleisch 

von lebenden Tieren! Kein Synthozeug!« Egoner kniff die Lippen aufeinander. Er  ließ sein Besteck auf die 

Tischplatte fallen und griff sich an den Kopf. »Ich weiß nicht«, sagte er. »Kannst du dir vorstellen, daß es mir hier nicht mehr gefällt?« Gerzel  konnte  es  nicht.  Er  machte  ein  Gesicht,  als  habe  sein 

Gegenüber einen üblen Scherz gemacht. »Ich  begreife  nicht«, meinte  der  Hausherr.  »Was  fehlt  dir  nur? 

Terra ist ein paradiesischer Planet!« »Das  bestreite  ich  nicht«, murmelte  Egoner.  »Aber  ich  bin  nicht 

hier  zu  Hause.  Meine  Heimat  ist  eine  andere,  und  sie  will  ich finden!« »Du weißt nicht, wo sie  liegt? Das  ist merkwürdig!  Jeder Mensch 

weiß für gewöhnlich, wo er geboren ist oder lebt!« »Das weiß  ich  alles. Aber  ich meine  die  neue Heimat,  die weit 

entfernt  liegt. Vielleicht  liegt sie  im Kurs des Schiffes, auf dem  ich geboren bin. Vielleicht aber auch da, wo ich sie nie finden werde!« Er stand auf und ging zur Tür. »Leb wohl«, meinte er. »Und danke 

für deine Gastfreundschaft!« Er trat durch die Tür und starrte in die Schwärze des Alls hinaus, 

das  von den  glitzendern  Sternen  einer Galaxis durchbrochen war. Dort irgendwo mußte es sein. Die Perspektive veränderte sich. Es war Egoner, als sehe er durch 

ein  riesiges Teleskop  in unerreichbare Fernen. Er  sah eine winzige Sonne,  die  von  einem  einzigen  Planeten  umkreist  wurde.  Er versuchte, Einzelheiten zu erkenen, aber es gelang ihm nicht. War das die Heimat? Er glaubte es plötzlich, und er wußte, daß er 

von  diesem  Augenblick  an  alles  daransetzen  würde,  daß  sie  die Heimat fanden. Liebevoll  streichelte  er  die  Blätter,  die  aus  dem  Stiel  der 

Königsblüte wuchsen.   

*  Die plötzliche Ruhe im Schiff machte Solania von Terra nervös. Der Zwiespalt  in  ihr,  den  sie  in  der Hektik  der  vergangenen  Stunden hatte zudecken können, trat wieder deutlicher zu Tage. Sie kämpfte mit sich. Die Verantwortung  für das Schiff  ließ sie so handeln, wie sie es tat. Andererseits sah sie keinen Sinn darin, und sie war froh, daß sie sich nicht mehr von der Positronik belehren lassen und das seltsame  Geschwätz  Gallums  nicht  mehr  ertragen  mußte.  Über seinen  Tod  war  sie  allerdings  traurig,  jeder  in  den unkontrollierbaren  Auseinandersetzungen  gestorbene  Solaner  tat ihr  leid.  Sie  fühlte  sich  wie  nie  zuvor  für  alle  diese  Menschen verantwortlich,  die  in  dem  Schiff  lebten,  das  ohne  Sinn  und  Ziel durch das All flog. »Ich bin krank«, flüsterte sie. »Natürlich hat unser Flug ein Ziel!« 

Auf den Bildschirmen  und Monitorreihen  konnte  sie  sehen, wie die  Solaner  überall  ruhten.  Sie  schliefen  oder  träumten,  und  die Kommandantin kämpfte selbst gegen die bleierne Müdigkeit, die sie erfaßt  hatte. Mit  einem  Aufputschmittel  hielt  sie  sich  wach  und bemühte sich ständig, Fahud Leiber aufzuwecken. Der Emotionaut rührte sich nicht. Sein Herz schlug gleichmäßig, und er atmete, aber sein Bewußtsein schien weit weg zu sein. Eine  Bewegung  auf  einem  der  Bildschirme  lenkte  sie  ab.  In  ein 

paar Korridoren trafen Solaner zusammen und unterhielten sich. Sie setzten  sich  in Bewegung, und  ihr Weg  ließ keinen Zweifel daran, daß sie die Zentrale aufsuchen wollten. Daß sie unbewaffnet waren, beruhigte  die  Kommandantin  etwas. Dennoch  rief  sie  zusätzliche Roboter herbei, um gegen Angriffe geschützt zu sein. »Was haben sie vor?« flüsterte sie. Fahud Leiber regte sich. Er schlug die Augen auf und drehte den 

Sessel  herum.  An  der  Kommandantin  vorbei  schaute  er  die Königsblüte an. »Heimat«,  krächzte  er.  »Ja,  ich  habe  es  verstanden. Wir müssen 

unsere Heimat suchen. Und zwar bald!« »Fahud!« Solania von Terra verlor  ihre Fassung. »Was  redest du 

da! Was meinst du mit Heimat?« Sie brauchte Zeit, um zu begreifen, daß er die SZ‐2 nicht mehr als 

seine Heimat betrachtete, und ihr schwante Übles, als sie die Solaner auf den Bildschirmen beobachtete. Wollten sie dasselbe wie Fahud? Hatten sie alle vergessen, daß dieses Schiff ihre Heimat war? Solania steigerte sich so sehr  in den Gedanken hinein, daß sie es 

regelrecht spüren konnte, daß in ihr etwas zerbrach. Es war, als fiele eine unsichtbare Sperre in sich zusammen. Heimat! Die SZ‐2 war nur ein Teil der Heimat. Taiphus hatte recht 

gehabt. Es gab die SOL, und es gab vielleicht auch das Nest der 17. Flotte. Solania von Terra erinnerte  sich mit einemmal als einzige an die 

Vergangenheit und  an die Königssamen, die  sie  als Geschenk  auf 

dem Planeten Firx erhalten hatten. Das ganze Ausmaß der Katastrophe wurde  ihr mit einem Schlag 

bewußt. Gleichzeitig  betraten die  ersten  Solaner die Zentrale, und da wußte die Kommandantin auch, daß es keine Möglichkeit mehr für sie gab, dem Schicksal eine Wendung zu geben. Die Botschaft Palotin streichelte die Blütenblätter der Königsblüte. 

Sein  Verantwortungsgefühl  schlug  komplett  durch,  und  er  erhob sich  und  ging  hinaus  vor  die  Tür,  um  sich  umzusehen.  Er  fand niemanden, der  ihm  seine Blüte  streitig machen wollte  oder  kam, um sie zu zerstören. Er kehrte zurück, schloß  sich ein und machte sich  daran,  eine Nährflüssigkeit  für  die  Pflanze  herzustellen. Mit Hilfe seines privaten Zimmerlaboratoriums fiel es ihm nicht schwer. Er füllte einen großen Plastikeimer damit und zweigte eine kleinere Portion ab, die er in ein Trinkgefäß leerte. Auf Zehenspitzen schritt er zu dem Blumentopf hinüber, um der Blüte jede Erschütterung zu ersparen. Vorsichtig goß  er die Flüssigkeit  in den Nährboden und verteilte  sie  gleichmäßig.  Danach  speiste  er  das  Rezept  in  das verzweigte  Computernetz  ein,  das  unabhängig  von  der Hauptpositronik arbeitete und unter anderem den Interkomverkehr aufrechterhielt. Dann setzte sich der Chemiker wieder vor die Pflanze, die mitten 

in  seinem Wohnzimmer  stand.  Täuschte  er  sich,  oder wuchs  der Blütenkelch noch ein wenig mehr nach außen? Überall  auf  dem  Schiff  waren  die  Königsblüten  zu  riesigen 

Gebilden  herangewachsen.  Die  Stiele  waren  nur  fünfzehn Zentimeter hoch, aber die Blütenkelche hatten sich ausgebreitet und duchmaßen gut  einen halben Meter. Sie ähnelten Parabolantennen herkömmlicher  Bauart. Der  Stiel,  der  zunächst  kompakt  gewesen war,  hatte  Verästelungen  mit  bizarren  Formen  erzeugt.  Immer wieder  zuckten  und  vibrierten  sie  und  Palotin  rätselte,  was  es bedeuten mochte. Er  schloß die Augen.  Intensiv konzentrierte er  sich auf die Blüte 

und  die Verästelungen.  Er  hörte  nicht  das Gras wachsen,  aber  er 

bildete  sich  ein,  daß  von  der  Pflanze  eine  unbestimmbare  Aura ausging, die ihn umfing und sich weit über die anliegenden Zimmer hinaus ausbreitete. Es  kann  nicht  sein,  dachte  er.  Es  gibt  keine  telepathisch 

veranlagten Pflanzen. Ich bilde mir das nur ein. Er  dachte  an  seinen  Traum  zurück.  Er  hatte  einen  bitteren 

Nachgeschmack  in  ihm  hinterlassen.  Beim  Aufwachen  war  ihm bewußt geworden, daß er sich gar nicht nach der Erde sehnte, die er nur  vom  Hörensagen  und  von  Aufzeichnungen  her  kannte,  die SENECA geliefert hatte. Wer aber war SENECA? Palotin kannte niemand dieses Namens. 

Er  redete  sich  ein, daß der Name  in  seinem Traum vorgekommen war. Der  Chemiker  zog  die  Beine  an  und  stützte  den  Kopf  in  die 

Hände. Seine Sinne richteten sich in die Ferne, und er sog hörbar die Luft ein. »Ja,  jetzt  sehe  ich  es«, murmelte  er.  »Wir  fliegen  daran  vorbei, 

wenn  wir  nicht  den  Kurs  ändern.  Ich  muß  sofort  die  Zentrale verständigen!« Er  riß die Augen auf. Die parabolförmige Blüte bewegte  sich ein 

wenig.  Ihre  Innenfläche hatte  auf  ihn gezeigt.  Jetzt drehte  sie  sich und richtete sich auf die Wand. Palotin sprang auf. Er riß einen Wandschrank auf und nahm einen 

Strahler  heraus,  den  er  hier  versteckt  hielt.  Es  war  besser,  ihn mitzunehmen und seiner Forderung damit Nachdruck zu verleihen. Das Schiff mußte unter allen Umständen seinen Kurs ändern.   

*  »Es sind die Spoodies«, erklärte Egoner. »Sie beeinträchtigen unser Denkvermögen  und  gaukeln  uns Dinge  vor,  die  nicht wahr  sind. Wir wollen die Dinger nicht mehr unter der Kopfhaut haben und 

möchten gern wissen, wie sie überhaupt dahin gekommen sind!« Solania von Terra blickte  in die Runde. Sie war von  einem Pulk 

aus  mindestens  hundert  Solanern  eingekreist,  und  sie  war  sich bewußt,  daß  dies  nur  ein  Teil  der  Besatzung  war,  die  aus  rund dreihundert Solanern und einer großen Schar Buhrlos bestand. Die Kommandantin überlegte, was sie sagen sollte. Nachdem ihre 

Erinnerung  zurückgekehrt  war,  besaß  sie  alle  Informationen.  Sie wußte  auch, daß die Spoodies  eine Notwendigkeit waren und die Intelligenz  ihres  Trägers  merkbar  anhoben.  Das  Entfernen  eines Spoodies kam einer Verdummung gleich, und  jene Solaner, die  ihn sich  mit  Gewalt  entfernt  hatten,  waren  seither  zu  nichts  zu gebrauchen. »Ich  habe  keine  Ahnung«,  log  sie.  »Aber  die  Erfahrungen  der 

letzten Tage und Stunden haben gezeigt, daß die Entfernung eines Spoodies  mit  Gefahren  für  den  Träger  verbunden  ist.  Die Infektionsgefahr durch die Wunde ist zudem groß.« Drohendes  Gemurmel  erhob  sich,  und  die  Menge  rückte  noch 

enger  zusammen.  Sie  erdrückte  Solania  fast,  und  die Kommandantin hatte Mühe, sich Luft zu verschaffen. »Hebe die Sperren auf«, verlangten die Männer und Frauen. »Wir 

wollen  Zutritt  zu  den Medostationen. Die  Roboter  sollen  uns  die Dinger  herausnehmen. Das  geht  schneller,  als wenn wir  es  selbst tun. Außerdem sind ein paar von uns nicht  in der Lage, sich selbst eine Wunde beizubringen!« Am  Eingang  der  Zentrale  entstand  Bewegung.  Laute  Rufe 

erklangen,  und  Solania  hörte  etwas  von  einer Waffe  sagen.  Eine Gasse  bildete  sich  in  der Menge  und  ließ  Palotin  durch,  der  den schußbereiten  Strahler  vor  sich  hielt.  Die  Mündung  zeigte  auf Solania. Die Kommandantin hob abwehrend die Arme. »Das  ist wirklich nicht nötig«, sagte sie. »Ich habe doch gar nicht 

gesagt, daß  ich nicht einverstanden bin.  Ich will nur nicht, daß  ihr euch unglücklich macht!« Palotin  war  vor  ihr  angekommen.  Er  ließ  den  Lauf  der Waffe 

sinken. »Darum  geht  es  gar  nicht«,  meinte  er.  »Die  Spoodies  können 

warten. Es gibt Wichtigeres zu tun. Der größte Teil von uns hat die Botschaft vernommen.  Sie kommt von weither und weist uns den Weg. Wir wollen diesen Weg einschlagen und keinen anderen. Es ist die Bestimmung unseres Schiffes, dorthin zu fliegen!« Es war  seltsam. Auch  unter  den  Buhrlos  befanden  sich Männer 

und Frauen, die das verlangten. Solania bildete sich ein, daß diese sensiblen Wesen mit  ihren empfindlichen Sinnen besonders darauf drängten. Es  sind die Königsblüten, erkannte die Kommandantin. Sie üben 

einen  latenthypnotischen  Einfluß  auf  uns  aus.  Sie  benutzen  ihre Blütenkelche  als  Antennen  und  stehen  mit  irgend  etwas  in Verbindung, das in relativer Nähe zu unserem derzeitigen Standort liegt.  Sie mußte  herausfinden, was  das war.  Sie mußte  vor  allem dafür  Sorge  tragen,  daß  das Geschenk  von  Firx  verschwand. Der Bann,  der  über  den  Solanern  lag, mußte  gebrochen  werden,  um seelische  Schäden  zu  vermeiden.  Die Männer  und  Frauen  hatten genug  Unsinn  gemacht.  Es  stand  außer  Zweifel,  daß  ihre Verwirrung mit den Blüten zu tun hatte und vielleicht auch mit der Reaktion der Spoodies auf die Hypnoimpulse. Deshalb  also  wollten  sie  ihre  Spoodies  loswerden.  Die 

Königsblüten  erkannten,  daß  ihnen  die  insektenähnlichen Gebilde gefährlich  werden  konnten.  Das  bedeutete  gleichzeitig,  daß  sie intelligent waren oder zumindest eine Pseudointelligenz besaßen. »Ich bin einverstanden«, sagte sie. »Wenn ihr mir die Koordinaten 

nennen könnt, werde ich das Schiff auf den richtigen Kurs bringen!« Eine  rasche  Programmierung,  nachdem  ich  die Hauptpositronik 

reaktiviert habe, dachte sie. Ein Linearmanöver, das uns direkt zum Nest  der  17.  Flotte  bringt  oder  ein  Hyperraumflug  zurück  nach Kran. Die Solaner rückten ein wenig von ihr ab. Palotin deutete auf den 

Bildschirm. 

»Ausschnittvergrößerung  in Flugrichtung«,  sagte er. »Eine kleine Zwergsonne. Nicht zu verfehlen. Es gibt keinen ähnlichen Stern  in dieser Gegend!« Die Ortung  fand die bezeichnete Sonne  innerhalb kürzester Zeit. 

Sie  befand  sich  rund  neunzig  Lichtjahre  entfernt.  Diese  Strecke reichte aus, um ein Täuschungsmanöver durchzuführen. »Wir  fliegen den Stern sofort an«, nickte sie. »Ich kümmere mich 

persönlich darum!« Sie wandte sich den Kontrollen zu und musterte sie. Alle Systeme 

mit  Ausnahme  der  Hauptpositronik  arbeiteten.  Sie  beugte  sich darüber.  Ihre  Hände  blieben  ruhig,  als  sie  sie  auf  die Aktivierungsschalter legte. Jemand  riß  sie  herum.  Es war  Palotin.  Er  schleuderte  sie  in  die 

Menge hinein und richtete erneut die Waffe auf sie. »Verräterin!« knirschte er. »Das verrückte Gehirn bleibt aus dem 

Spiel. Du selbst hast doch gesagt, daß es nicht normal arbeitet!« »Entschuldige«,  stieß  sie  hervor.  Sie  hatte  Mühe,  sich  zu 

beherrschen.  »Ich  habe  nicht  daran  gedacht.  Dann  werde  ich manuell fliegen!« »Fahud  wird  das  übernehmen«,  schrillte  Palotin.  Er  gab  dem 

Chefpiloten einen Wink. Leiber vertiefte sich  in seine Arbeit. »Und du verläßt besser die Zentrale. Du wirst nicht benötigt!« Er deutete  zum Ausgang, und Solania  setzte  sich  schweigend  in 

Bewegung. Die  Königsblüten  hatten  etwas  gemerkt.  Eine  andere  Erklärung 

gab es nicht. Sie spürten zumindest, daß es  ihr gelungen war, sich aus dem hypnotischen Bann zu befreien. Deshalb verhielten sich die Solaner feindselig gegen sie. Solania  von  Terra,  die  sich  früher  einmal  hinter  dem  Namen 

Brooklyn  verborgen  hatte,  suchte  die  wissenschaftlichen Abteilungen  auf.  Sie  hoffte,  sich  von  dort  aus  mit  der Hauptpositronik  in Verbindung zu  setzen zu können oder  sie von einer Nebenzentrale aus zu aktivieren. 

Sie fand einen der Töpfe mit den Königsblüten und nahm ihn mit sich.  In  einem  physikalischen  Labor  untersuchte  sie  ihn.  Ihr Verdacht  bewahrheitete  sich.  Die  parabolähnlichen  Blütenkelche sandten n‐dimensionale Hypnoimpulse aus, die das gesamte Schiff und auch seine unmittelbare Umgebung überschwemmten. Jetzt gab es für Solania keine Rücksichten mehr. Das Leben vieler 

Menschen stand auf dem Spiel. Die Kommandantin  rief  fünfzig  Roboter  zu  sich  und  instruierte 

sie. Sie kehrte in die Zentrale zurück, und die Maschinen hielten die empörten  Solaner  in  Schach.  Sie  trat  zu Fahud Leiber und  riß  ihn aus seinem Sessel. »Jetzt  drehen wir  den  Spieß  um«,  fauchte  sie  und musterte  die 

Ortungsanlagen. Das Linearmanöver war bereits abgeschlossen, das Schiff  flog  auf die  kleine  Sonne  zu.  Starke  Impulse  trafen  ein, die denen glichen, die sie an den Königsblüten gemessen hatte. Das  ist  es  also,  dachte  sie,  Der  einzige  Planet,  der  um  den 

sterbenden Zwergstern kreist, sendet die Impulse aus. Offensichtlich gibt es dort ebenfalls Königsblüten und nicht zu wenige. Sie müssen den ganzen Planeten bedecken oder Teile von  ihm, wenn man die Sendeleistung berücksichtigt. Die  Solaner  in  der Zentrale  schienen  die  Signale  zu  spüren.  Sie 

schrien  auf  und  stürmten  gegen  die  Roboter  an.  Die Maschinen setzten  Lähmstrahlen  ein,  aber  immer  mehr  Menschen  drängten durch den Eingang herein. Solania verlor die Roboter aus den Augen, und plötzlich war auch 

Palotin mit seiner Waffe wieder da. Er preßte ihr den Strahler in den Rücken. »Dieser Planet  ist unsere Rettung«,  sagte  er hart.  »Und du wirst 

die Landung durchführen, denn Fahud ist erschöpft!« Und zur Bestätigung seiner Aussage zerschoß er die Konsole, mit 

der die Hauptpositronik aktiviert werden konnte. Bruchlandung Wie ein bösartiges rotes Auge tanzte der Zwergstern 

auf dem Bildschirm. Er stand im Sektor Lquo wie die 17. Flotte auch. 

Die Entfernung des Sterns vom Nest betrug rund 107 Lichtjahre. Der Planet entpuppte sich als eine vulkanische Sauerstoffwelt mit 

reicher  Fauna  und  Flora.  Lediglich  die  Polregionen  wiesen Wüstengegend  auf,  die  jeweils  von  Gebirgszügen  kreisrund eingeschlossen war. Solania  beobachtete, wie  die Männer  und  Frauen  andächtig  auf 

den Schirm  starrten. Keinen Augenblick  lang  schien  ihnen bewußt zu  sein, daß  sie hypnotischen Einflüssen unterlagen. Sie bewegten sich wie  in Trance und Verzückung. Lediglich Leiber und Palotin machten  den  Eindruck,  als  überblickten  sie  die  Lage. Gemeinsam hielten sie die Kommandantin in Schach. »Wir nennen den Planeten einfach Neue Heimat«, klang Egoners 

Stimme auf. »Das ist ein brauchbarer Ausdruck!« Niemand hatte etwas dagegen einzuwenden. Der Name pflanzte 

sich fort, während sich das Schiff dem Planeten weiter näherte und in eine hohe Kreisbahn ging. Neue  Heimat  war  ein  Drittel  größer  als  der  Planet  Mars  im 

Solsystem. Die mittlere  Temperatur  lag  bei  29,5 Grad  Celsius.  Er drehte sich in 14,9 Stunden einmal um seine Achse. Das Klima war feucht‐warm,  in  den  Polarwüsten  trocken‐heiß.  Es  gab  zahlreiche kleinere Ozeane auf Neue Heimat, die  jedoch eher wie große Seen aussahen. Die Schwerkraft auf der Oberfläche betrug 0,85 g. Jubel  brach  aus. Die  Teleoptik  zeigte,  daß  es  einen  talähnlichen 

Landstrich  gab,  in  dem  lauter Königsblüten wuchsen. Die  Farben der Pflanzen ließen keinen Zweifel zu. Von dort kamen auch die n‐dimensionalen  Impulse,  und  sie machten  die  Solaner  trunken  vor Freude. Sie waren fest entschlossen, dort ihre Hütten zu bauen und immer in der Nähe der Blüten zu leben. Die Pflanzen dort unten waren größer als die Topfblüten im Schiff. 

Ihre  Kelche  besaßen  Durchmesser  bis  zu  zehn Metern,  die  Stiele waren durchschnittlich einen Meter hoch. »Es ist gut«, sagte Palotin und machte Solania Zeichen, ihren Platz 

zu räumen. »Fahud wird die Landung durchführen!« 

Die  Kommandantin  hielt  nach  Robotern  Ausschau.  Sie  sah  ein paar  in  der  Nähe  des  Eingangs.  Sie  waren  von  der  Menge abgedrängt worden. Sie machte sich auf den Weg und arbeitete sich zu ihnen durch. Mit einem von ihnen verließ sie die Zentrale. Solania sah nur einen Ausweg. Sie mußte die Euphorie dämpfen 

und die Vernunft zurückkehren lassen. »Durchsucht  das  ganze  Schiff«,  trug  sie  den  Maschinen  auf. 

»Sammelt die Pflanzen ein und bringt sie zu den Schleusen. Werft sie  hinaus.  Der  Vorgang  muß  abgeschlossen  sein,  bevor  wir gelandet sind!« Sie hätte  früher daran denken müssen, aber  es war  ja erst kurze 

Zeit her, daß sie selbst den hypnotischen Bann abgeschüttelt hatte. Ob  ihre Anweisung  einen  Erfolg  zeigen würde, war  fraglich. Die Sendungen der Blüten auf dem Planeten überlagerten alles andere. Die Roboter  zogen  aus der Zentrale  ab, und  Solania  suchte  eine 

Kantine  in  der  Nähe  auf,  um  allein  zu  sein  und  ihren  nächsten Schritt  überlegen  zu  können.  Es  war  ihr  unmöglich,  an  die Hyperfunkanlage  heranzukommen  und  sie  in  Betrieb  zu  nehmen. Auch  die  Hauptpositronik  konnte  nur  noch  mit  Schwierigkeiten aktiviert werden. Solange jeder ihrer Schritte beobachtet wurde, war nicht daran zu 

denken,  etwas  zu  unternehmen.  Sie  mußte  warten,  bis  die  SZ‐2 gelandet war und die Solaner das Schiff verlassen hatten. Solania machte sich Vorwürfe. Hätte sie die Hauptpositronik nicht 

selbst  abgeschaltet,  wäre  alles  anders  gekommen.  Sie  hätte rechtzeitig  das  Nest  ansteuern  oder  den  Rückflug  nach  Kran antreten können. Sie selbst hatte sich die Rettung verbaut. Aber  noch  immer  war  sie  gewillt,  alle  Solaner  von  dem 

verderblichen Einfluß zu befreien. Sie spürte eine plötzliche Leere im Magen. Sie kam sich vor wie in 

einem altertümlichen Aufzug. Es verging, aber kurz darauf kehrte es zurück. Die  Kommandantin  sprang  auf  und  stürmte  hinaus.  Sie  kannte 

das,  wenn  die  Andrucksabsorber  überlastet  waren.  Es  sah  nach einer Gewaltlandung aus. Sie  rannte  in die Zentrale hinein bis zum Pilotensessel. Auf dem 

Bildschirm tanzte ein Ausschnitt der Planetenoberfläche. »Bist  du  verrückt!«  herrschte  sie  Fahud  an.  Palotin  stand  dabei 

und starrte sie mit verzerrtem Gesicht an. »Was  ist  los?« würgte  er. Wieder  heulten die Andrucksabsorber 

tief im Leib des Kugelschiffs auf. »Was stimmt nicht?« Fahud  reagierte  nicht.  Steif  hing  er  in  seinem  Sessel, den  linken 

Arm  vorgestreckt.  Er  bewegte  sich  tastend  und  blieb  über  dem Knopf  für  die  Antigravitationsfelder  hängen.  Er  wollte  sie abschalten. Solania fiel ihm in den Arm. Sie riß Leiber aus dem Sessel und ließ 

sich  hineinsinken.  Sie  las  Geschwindigkeit  und  Höhe  ab  und erschrak.  Das  Schiff  war  viel  zu  schnell.  Es  raste  der Planetenoberfläche  entgegen  und  würde  beim  Aufprall auseinanderplatzen. Zum Glück waren die Schutzschirme aktiviert, sonst wäre die SZ‐2 längst verglüht. Solania griff  in die Steuerung ein. Das Grün der Oberfläche kam 

immer näher, und sie verfluchte den hypnotischen Einfluß, der den Solanern  jedes  Empfinden  für  die  Realität  nahm.  Jetzt  schien  es ihnen zum Verhängnis zu werden. Etwas Glitzerndes tauchte unter ihnen auf. »Schaut auf die Bildschirme!« schrie sie. »Da unten liegen Wracks. 

Abgestürzte  Schiffe.  Es  erging  ihnen  wie  uns!  Ihr  habt  es  also endlich geschafft! Ihr habt eure Heimat vernichtet!« Palotin warf den Strahler weg und grub seine Hände in den Sessel. »Rette uns«, ächzte er. Seine Augen wirkten klarer als bisher. »Der 

Heimat  darf  nichts  geschehen.  Der  Planet  darf  nicht  verletzt werden!« Solania  zuckte  zusammen.  Sie  begriff,  daß  ihre  geplante 

Schocktherapie sinnlos war. Die Solaner hatten den Bezug zu ihrem Schiff verloren. Sie dachten nur noch  in den Kategorien, die  ihnen 

die Königsblüten suggerierten. Die  SZ‐2  bäumte  sich  auf. Die  Triebwerke  brüllten  und warfen 

ihre Energien der Oberfläche entgegen. Die Geschwindigkeit wurde geringer,  aber  es  ging  viel  zu  langsam.  Der  Boden  kam  rasend schnell näher. Es gelang der Kommandantin, den Fallwinkel abzuflachen. Zum 

ersten Mal tauchte auf dem Bildschirm der Horizont auf. Das weite Tal  mit  den  Königsblüten  verschwand.  Hätte  Fahud  das  Schiff weiter gelenkt, wäre  es wie  ein Stein mitten  im Tal  aufgeschlagen und dort zerschellt. Längst  hatten  sich  die  Sicherheitsgurte  des  Sessels  geschlossen. 

Niemand  konnte  Solania  jetzt  wegreißen.  Schweißperlen  bildeten sich  auf  ihrer  Stirn, während  sie  die  Triebwerksenergien dosierte. Das  Schiff  bockte  und  sprang  hin  und  her.  Das  Fehlen  der Hauptpositronik wirkte  sich negativ  aus.  Immer deutlicher wurde es,  daß  die  Kommandantin  das  Schiff  nicht  heil  herunterbringen würde. Zu spät hatte sie eingegriffen. Flüchtig  dachte  sie  an  die  Roboter. Hatten  sie  die  Pflanzen  aus 

dem Schiff geschafft und auch an die aus den Hydroponikanlagen gedacht? Hingen die Töpfe jetzt draußen zwischen Schiffshülle und Schutzschirm? Sie musterte die Luftreibungswerte, dann schaltete sie den Schirm 

für  zehn  Sekunden  ab.  Das  mußte  reichen,  um  alle  Töpfe  zu entfernen.  Der  Luftwiderstand  würde  sie  zurückhalten,  während das Schiff weiterraste. Die Höhe betrug noch zwei Kilometer. Die Geschwindigkeit noch 

über  zweitausend Meter  in der  Sekunde. Weit voraus  tauchte das Gebirge der Polregion auf. Noch  immer  brüllten  die  Triebwerke.  Sie  spien  Feuerlohen  aus, 

um das Schiff doch noch abzufangen. Es nützte nur teilweise etwas. Dicht  über  den  Bergspitzen  huschte  die Kugel  dahin  und  stürzte endgültig  auf die Oberfläche.  Sie  rammte  einen Hügel  und  zerriß ihn, schürfte über eine Geröllfläche hinweg und machte einen Satz 

über eine Felskante hinab auf das Sandmeer. Schwer schlug sie ein, und im gleichen Augenblick gab es im Schiff Explosionen, brach das Schutzschirmsystem zusammen. Der Antrieb verstummte, von der Notautomatik abgeschaltet. Die SZ‐2 pflügte durch den Wüstensand und schob einen riesigen Sandwall vor sich auf. Dann  lag  das  große  Schiff  still,  und  die  flackernde  Beleuchtung 

regenerierte sich. Die Alarmsirenen jedoch blieben. Solania achtete nicht auf sie. Sie atmete auf; das Schiff war gerettet, 

wenn  es  auch  beschädigt  war.  Langsam  löste  sie  die  Gurte  und erhob sich. Um sie herum  lagen die Solaner kreuz und quer. Viele jammerten,  weil  sie  verletzt  waren.  Im  letzten  Augenblick  noch hatten die Andrucksabsorber ihren Geist aufgegeben. Die ersten erhoben  sich, unter  ihnen Palotin. Er warf einen Blick 

auf  den  Bildschirm,  der  nur  Sand  zeigte  und  einen  winzigen Ausschnitt eines klaren Himmels. »Wo sind die Blüten?« krächzte der Chemiker. Solania  gab  ihm  keine  Antwort.  Sie  floh  aus  der  Zentrale  und 

rannte blindlings in das Schiff hinein.   

*  Die Zerstörungen waren schlimmer, als sie angenommen hatte. Kein wichtiges  Aggregat  funktionierte  mehr.  Sämtliche  Triebwerke waren  durchgebrannt,  die  Generatoren  für  die  Schutzschirme explodiert.  In  den  Triebwerkssektoren  des  Ringwulsts  war buchstäblich  kein  Blech  auf  dem  anderen  geblieben.  Noch schlimmer  sah  es  in  den  übrigen  technischen  Stationen  aus.  Der Hyperfunk wies kein einziges,  intaktes Element mehr auf, und der Normalfunk war durch die Belastung so überbeansprucht worden, daß  alle  Aggregate  einschließlich  der  Ersatzteile  zu  handlichen, fußballgroßen  Klumpen  deformiert waren.  Lediglich  im  Zentrum des Schiffes arbeiteten noch ein paar Energieanlagen, die das Schiff 

mit Strom versorgen konnten. 

Solania  suchte  eine Nebenzentrale  auf.  Jetzt  hatte  sie  Ruhe  und war  allein.  Sie  versuchte,  die Hauptpositronik  zu  aktivieren,  aber mehr als ein Knarren und Rauschen kam nicht zustande. Auch die Positronik war schwer beschädigt. Die Kommandantin stellte  fest, daß ein großer Teil der Schleusen 

offenstand. Die Roboter hatten ihren Befehl also ausführen können. Während sie sich auf den Weg zur Zentrale machte,  traf sie einen, der es bestätigte. »Niemand verläßt das  Schiff«,  trug  sie  ihm  auf.  »Und  ihr wacht 

auch darüber, daß  sich kein Fremder einschleicht! Alles, was noch normal arbeitet, ist zu schützen.« »Das  Schiff  ist  gestrandet«,  stellte der Roboter  fest.  »Es  ist  nicht 

mehr flugfähig!« Solania  von  Terra  ließ  ihn  stehen.  Schluchzend  ging  sie weiter. 

Von  überall  her  aus  dem  Schiff  kamen  Solaner  und  suchten  die Zentrale auf. Auch die Buhrlos  trafen  ein. Die Zentrale quoll über vor Menschen. Die Kommandantin  blieb  unter  dem  Eingang  stehen. Auf  einen 

Blick erkannte sie, daß sich alle Solaner hier versammelt hatten. Sie drängten sich in der Mitte zu einem dichten Pulk zusammen. Das  Schlimmste war, daß  sich der Vorgang  schweigend vollzog. 

Niemand  sagte  ein Wort,  niemand  beantwortete  die  Fragen  und Zurufe der Kommandantin. Es war gespenstisch still. Solania  sah Palotin  am Rand des Pulks und  eilte  auf  ihn  zu. Sie 

packte  ihn am Arm, aber der Chemiker starrte aus glasigen Augen an ihr vorbei. Unter  ihrer  Kopfhaut  juckte  es.  Sie  tastete.  Der  Spoodie  rührte 

sich. Er bewegte sich zur Stirn hin. Die Haut begann zu schmerzen. Solania  preßte  die  Hand  dagegen  und  wartete,  bis  sich  der 

Symbiont beruhigt hatte. Sie entfernte sich ein wenig von dem Pulk und  suchte  nach  einem  tragbaren  Funkgerät. Als  sie  es  gefunden hatte, rief sie die Roboter zurück. Die  Solaner  hatten  in  der  Mitte  der  Zentrale  einen  Haufen 

gebildet.  Sie  lagen  übereinander,  und  nur  ab  und  zu  drang  ein Stöhnen aus dem Pulk. Es konnte nicht mehr  lange dauern, bis die ersten erstickt waren. »Auseinander!«  schrie  sie  und  blickte  verzweifelt  zum  Eingang. 

Noch waren keine Roboter zu sehen. Ein  helles  Seufzen  ging  durch  den  Hügel menschlicher  Leiber. 

Etwas glitzerte auf den Rücken der Kombinationen. Die  Spoodies!  Sie  verließen  ihre Wirte.  Sie  krochen  davon  und 

fielen zu Boden. So schnell sie konnten, entfernten sie sich von dem Haufen. Sie bildeten lange Ketten, die auf den Ausgang zielten. Die wenigsten  von  ihnen  erreichten  ihn.  Die  Spoodies  zerfielen  zu Staub,  und  irgendein  Reinigungsroboter  rollte  herbei  und  saugte den Staub in sich auf. Solanias Körper verkrampfte sich. Es konnte nicht wahr sein, was 

sie sah. Es durfte nicht sein. Endgültig begriff sie die Tragweite des ganzen Ereignisses. Die Königssamen von Firx waren aufgegangen und  hatten  die  Solaner  in  ihren  hypnotischen  Bann  gezogen.  Sie hatten sie dorthin gelenkt, wo ihre eigentliche Heimat war. Deshalb hatten die Solaner diesen Planeten als Neue Heimat bezeichnet. Die Bewohner des Planeten Firx hatten bestimmt nicht gewußt, was sie mit  ihrem Geschenk anrichteten, und die übrigen Wracks auf dem Planeten der sterbenden Zwergsonne waren von den Blüten im Tal angelockt worden. Was aber war mit den Begleiterscheinungen, den Zerstörungen im 

Schiff  und  den  Wahnvorstellungen,  die  zahlreiche  Todesopfer gefordert hatten? Die  Stabsspezialistin  interpretierte  es  als  eine  Erscheinung,  die 

durch  die  Spoodies  hervorgerufen  worden  war.  Die  Symbionten hatten  sich gegen die Hypnoimpulse gewehrt und dabei bei  ihren Wirten die unterschiedlichsten Reaktionen hervorgerufen. Ein paar Solaner  hatten  früher  als  die  anderen  erkannt,  daß  die  Spoodies ihnen  schadeten.  Sie  hatten  sie  sich  vom  Kopf  gerissen,  und  die Roboter hatten ihnen später neue eingepflanzt. 

Und jetzt? Was ging jetzt vor sich? Solania verstand es nicht. Sie wartete fiebernd auf die Roboter. Als 

die  ersten  endlich  eintrafen,  begannen  sie  sofort  mit  der Untersuchung der Solaner. »Sie sind tot«, erklärten sie. »Alle sind tot. Ihre Spoodies haben sie 

verlassen!« Solania  erlitt  einen  Schock.  Sie wandte  sich  schweigend  ab  und 

wanderte  ziellos  durch  das  Schiff.  Erst  Stunden  später  kehrte  sie zurück  und  fand  die  Kraft,  sich  mit  der  Wirklichkeit  zu beschäftigen. Von den Spoodies gab es keine Spur mehr, und auch die  in den Reservebehältern waren abgestorben. Es mußte sich um eine direkte Folge der großen Hypnoblüten im Tal handeln. »Die Spoodies haben versucht, die Menschen und sich gegen die 

Impulse  zu  schützen«,  vermutete  sie.  »Sie  haben  es  getan,  bis  es keine Aussicht auf Erfolg mehr gegeben hatte. Da aber war es auch für die Menschen zu spät. Sie haben den Sterbeimpuls der Spoodies nicht überlebt!« Wieder regte sich der Symbiont unter  ihrer eigenen Kopfhaut. Er 

drängte nach  vorn, wollte dem  Impuls  seiner Artgenossen  folgen. Sie hielt ihn zurück und wartete, bis er sich beruhigt hatte. »Atlan muß  es  erfahren«,  sagte  sie  zu  den  Robotern.  »Er muß 

wissen,  daß  die  Spoodies  auch  Gefahren  in  sich  bergen.  Die Symbionten sind nicht gegen alles immun!« Sie  suchte  sich  eine  Nebenzentrale  und  checkte  das  Schiff  von 

oben  bis  unten  durch.  Sie machte  sich  ein  genaues  Bild  von  den Schäden.  Die  SZ‐2  war  unwiderruflich  kaputt.  Nur hochspezialisierte  Technik würde  sie  in  einem  lang  andauernden Prozeß regenerieren können. Sie war nicht restaurierbar im engeren Sinn des Wortes. Das meiste würde neu gebaut werden müssen. »Erhaltet  alle  Energiesysteme«,  trug  sie  den  Robotern  auf.  »Das 

Schiff muß  so  viel  Emissionen  aussenden wie möglich,  damit  es eines Tages entdeckt werden kann!« Tränen  traten  ihr  in  die Augen.  Sie  dachte  an  ihre  Freunde  auf 

Kran  und  daran,  daß  die  SZ‐2  als  Spoodie‐Schiff  kein  einziges Beiboot mit sich  führte, um alle Kapazitäten  für den Transport der Symbionten ausnutzen zu können. Diese Entscheidung war jetzt das Todesurteil für die SOL‐Zelle. Und auch ihr eigenes. Einige Zeit später betrat sie noch einmal die Zentrale, die zu einem 

Friedhof geworden war. Sie  löste einen der Buhrlos aus dem Pulk der Leiber und brachte  ihn  in einen Nebenraum, wo sie  ihn  in die Kältebox  legte. Umfangreiche Arbeiten waren  notwendig,  um  die Energieversorgung zu sichern. Wenn  jemand eines Tages das Schiff entdeckte  und  den  gläsernen  Menschen  fand,  würde  sich  das herumsprechen. Atlan würde es erfahren und die richtigen Schlüsse ziehen. Solange er an den Hebeln der Macht saß. Denn  Atlan  war  das  Orakel  von  Krandhor.  Und  Solania  die 

Kommandantin seines Spoodie‐Schiffes. Bis heute, dem 7.10.3813. Gemäß dem Auftrag der Kosmokraten. Solania spürte den Drang 

in  sich,  sich  zu  dem  riesigen  Haufen  menschlicher  Leiber dazuzugesellen. Nur mühsam widerstand sie und floh hinaus in die Peripherie des Schiffes, von wo aus das Gebirge zu erkennen war. Unter einer offenen Schleuse blieb sie neben dem Wache haltenden Roboter stehen. Irgendwo  lag  das  Tal,  und  in  seiner  Nähe  waren  die  Wracks 

anderer Schiffe. Dort wollte sie hingehen und die Gedanken an das Totenschiff vergessen. Die SOL würde jetzt nie mehr komplett sein, und die Solaner würden sehr darunter leiden. Gleichzeitig wußte sie, daß sie die SZ‐2 nie vergessen würde. Wenige Tage später machte sie sich auf den Weg. Sie durchquerte 

die Wüste  und  warf  am  Rand  eines  Dünenkamms  einen  letzten Blick  zurück.  Sie  sah  das  Blinken  eines Roboters,  das  ihre Augen blendete. Und sie glaubte das Schiff zu sehen, wie es irgendwann in der  Zukunft  aussehen  würde.  Ein  vom Wüstensand  zerfressenes Ungetüm mit eingerosteten Maschinen und Robotern. Und  sie  sah sich  selbst,  wie  sie  versuchte,  zurück  zu  diesem  Friedhof  zu 

kommen, in dessen Zentrum ein Haufen Knochen ruhte. Sie schaffte es nicht mehr, weil ihr Spoodie ihren Körper verließ und zusammen mit ihr starb. Ihr eigener Körper würde vom Sand zugedeckt und nie gefunden 

werden. So  wollte  es  das  Schicksal,  dessen Wege  für  sie  unerforschlich 

waren. Einen  letzten  Blick warf  Solania  auf  das Wrack  der  SZ‐2,  dann 

kletterte sie die Düne hinab und ging weiter. Neue Heimat hatten  sie den Planeten genannt, dessen Sonne am 

Sterben war. Solania gab ihm einen neuen Namen. Solanerfalle nannte sie ihn.   

5.  Erfüllt  von  ohnmächtigem  Zorn  verfolgte  91‐Page,  wie  das  Paz‐Klahu  an  einem  anderen Ort  explodierte.  Sie  sah, wie Ohoro den Mikrofonring an sich riß und hastig etwas hineinsprach. Er wandte sich ratlos ab. »Die  dreißig  Kämpfer  antworten  nicht«,  meldete  er  ihr.  »Es 

bedeutet, daß sie nicht mehr am Leben sind!« Malaras Körper begann zu beben. Die Zyrtonierin verlor für einige 

Augenblicke  die  Beherrschung  über  sich.  Als  sie wieder  bei  sich war,  stellte  sie  fest,  daß  sie  einen  Teil  der  Kontrollen  an  ihrer Schalteinheit zerdrückt hatte. Sie wechselte den Standort und begab sich zu einer Ersatzeinheit. Die  Basis  des  Ersten  Zählers war  beschädigt.  Sie  erkannten  das 

Loch deutlich. Dennoch brach der Energieschirm nicht zusammen. Nichts deutete darauf hin, daß das Paz‐Klahu  seine vernichtenden Energien entfaltet hatte. Die  Lichtquelle  existierte  noch.  Sie  war  vor  längerem  schon 

erloschen  und  beeinflußte  seither  die  Geräte  der  Zyrtonierschiffe 

nicht mehr. Der Dom  hatte  seine  Form  nicht  verändert,  nur  seine Farbe. Die Lichtquelle lebte ohne Zweifel, und die Roboter wehrten sich. Unruhe entstand unter den Schiffen von Zyrton. 91‐Page schickte 

Funksprüche  hinaus  und  gab  den  Kommandanten Anweisungen. Dadurch  verringerte  sie  die  Schäden,  die  die  Roboter  bei  ihrem Gegenangriff  anrichteten.  Es  gelang  der  Basis,  insgesamt  zwanzig Schiffe zu vernichten oder manövrierunfähig zu schießen. Und noch immer  feuerte das Relikt  aus  allen Waffensystemen, die  es  besaß. Nur vorn am Bug, an einer ganz bestimmten Stelle, blieb es ruhig, obwohl  dort Mechanismen  ruhten,  die  eindeutig Waffencharakter besaßen. Ein Hinterhalt? War das Relikt  eine  furchtbare Falle, die  sie  alle 

mit in den Tod reißen sollte? Malara  fürchtete den Tod so wenig wie alle Pagen. Das Schicksal 

des  ganzen  Volkes  stand  über  dem  Leben  des  einzelnen Individuums, und die Pagin  faßte bereits  einen Entschluß, wie  sie ihr Ziel doch noch erreichen konnten. Das zweite Paz‐Klahu. Wenn sie es hinunterschaffen konnten, war 

alles gerettet. Die Opfer galten dann nichts, die sie gebracht hatten und noch bringen würden. »Ohoro!« 92‐Page  näherte  sich  ihr,  bis  sich  ihre Körper  berührten. Malara 

sah, daß Ohoro teilweise ihre Absichten richtig einschätzte und es in seinen Gebärden zum Ausdruck brachte. »Du willst das  Schiff verlassen«,  stellte  er wie  selbstverständlich 

fest. »Wir gehen also hinab auf die Basis. Wir allein?« »Wir  werden  die  Roboter  so  ablenken,  daß  wir  leichtes  Spiel 

haben«, erwiderte sie. »Und wenn  ich die gesamte Teilflotte opfern muß.« Die  Basis  erzielte  immer  noch  Erfolge  und  rückte  auch  einigen 

größeren Einheiten der Zyrtonierflotte zu Leibe. Die Schiffe griffen jetzt  vehement  an  und  versuchten,  den  Energieschirm  durch 

gezielten  Beschuß  zum  Erliegen  zu  bringen.  Längst  waren  die Standorte der Projektoren rings um die Landschaft ausgemacht. Ein Teil  davon  war  zerstört  worden,  ohne  daß  der  Schirm  instabil wurde.  Es  sah  im  Gegenteil  so  aus,  als  erhalte  er  wieder  mehr Energie aus den Speichern. Malara  kümmerte  sich  nicht  darum.  Sie  führte  das  1800 Meter 

durchmessende Flaggschiff noch näher an das Relikt heran, bis sich die beiden Schutzschirme fast berührten. Aus dieser Entfernung war der Raumschlauchprojektor  ohne  Schwierigkeiten  auch durch den stärksten Schirm zu bringen. Malara  teilte  vier  Gruppen  zu  je  fünfzig  Kämpfern  ein. 

Nacheinander  verließen  sie  das  Schiff  und  gelangten  durch  den Schlauch auf die Oberfläche der Basis. Wütendes Feuer der Roboter empfing sie dort, und sie teilten sich in kleine Gruppen auf, die eilig auseinanderstrebten und sich über die Landschaft verteilten. 91‐Page  hatte  die  Zyrtonier  genau  instruiert.  Sie  gingen  nach 

ihrem Plan vor, der den eigentlichen Einsatz verschleiern sollte. Malara  und Ohoro  verließen  die  Zentrale  ihres  Flaggschiffs.  Sie 

trugen Kampfanzüge, und  sie wurden von  einer weiteren Gruppe aus  fünfzig Zyrtoniern begleitet. Durch den Hauptantigravschacht gingen  sie  den Weg  bis  zum  Raumschlauchprojektor.  Das  Gerät bestand aus einer Halbkugel, die sich über dem Boden wölbte. Sie besaß eine einzige Öffnung, die direkt über dem Fußboden lag. Dort war  der  Einstieg  in  den  Projektionstunnel,  und  die  Zyrtonier verschwanden  einer  nach  dem  anderen  darin.  Die  beiden  Pagen bewegten sich in ihrer Mitte, und am Einstieg nahm Malara das Paz‐Klahu entgegen. Der Klumpen war etwas kleiner als sein Vorgänger. Seine  Kapazität  lag  unter  der  des  ersten  Paz‐Klahu,  was  die Assimilation  von  Jenseitsmaterie  betraf.  Dafür  war  seine Explosionskraft stärker. Der Sog des Raumschlauchs erfaßte sie und riß sie mit sich.  Jetzt 

gab  es  für  sie  kein  Zurück  mehr.  Ohoro  schwebte  neben  seiner Lebenspartnerin.  Sie  hatten  das  Paz‐Klahu  zwischen  sich  und 

achteten darauf, daß es seine Position nicht veränderte. Das  Relikt  schoß.  Es  beschoß  den  Schlauch,  und  der  geriet 

vorübergehend  in  Schwingung.  Die  Gruppe  wurde  hin  und  her bewegt,  ohne  jedoch  dem  gefährlichen  energetischen  Rand  des Schlauches zu nahe zu kommen. Von unsichtbaren Kräften gelenkt, sank  sie  dem Relikt  entgegen  und  durchdrang  den  Schutzschirm. Tief unter sich sahen die Zyrtonier die Roboter, die sie erwarteten. »Achtung,  kritische  Phase  erreicht«,  klang Malaras  Stimme  auf. 

»Zentrale handeln. Jetzt!« Flirrende  Entladungen  begleiteten  plötzlich  den  Schlauch.  Er 

zuckte ein wenig zurück  in den Himmel und krümmte sich. Dann streckte  sich  das  Ende wieder  aus  und  griff  nach  einem  anderen Punkt der Landschaft, wo  es noch keine Roboter gab. Gleichzeitig beschleunigte  sich  die  Sinkgeschwindigkeit  der  Zyrtonier.  Der Boden  schoß  ihnen  entgegen,  und  sie wurden  erst  kurz  vor  dem Aufprall abgebremst. Sie berührten den Untergrund und verteilten sich. Im selben Augenblick, als der Schlauch erlosch, eilten sie nach allen Seiten davon. Zehn Zyrtonier  begleiteten Malara  und Ohoro.  Sie  setzten  ihren 

Weg zum Heck des Relikts fort. Dort gab es Gebüsch und ein paar Bodenwellen,  in  denen  sie  sich  verbergen  konnten.  Noch  waren keine Roboter in ihrer Nähe, die sie bedrängten, aber es konnte nicht lange  dauern.  Bis  dahin  mußten  sie  sich  getrennt  und  versteckt haben. Malara musterte  das Gelände.  Immer wieder  achtete  sie  darauf, 

daß ihr Körper das Paz‐Klahu gut verdeckte. Die Lichtquelle spürte die Anwesenheit der Waffe, das war bekannt. Lediglich ihr Standort mußte  geheimgehalten  werden,  damit  die  Roboter  keine Möglichkeit  erhielten,  Gravitationsfelder  zum  Einsatz  zu  bringen wie beim ersten Mal. 91‐Page  gestand  sich  einen  Fehler  ein.  Sie  hatte  das  Relikt 

unterschätzt.  Sie  hatte  nicht  damit  gerechnet,  Schwierigkeiten  zu haben  oder  gar  Schiffe  zu  verlieren. Die  Basis  des  Ersten Zählers 

verfügte  über  Energiereserven,  die  ungewöhnlich waren. Nur  die Quelle der Jenseitsmaterie konnte dahinterstecken. »Ausschwärmen!«  befahl  sie,  und  die  Zyrtonier  bewegten  sich 

nach allen Richtungen davon. Malara und Ohoro verschwanden  in einer  Bodensenke  und  verbargen  sich,  dicht  an  eine  Böschung gepreßt. Das Paz‐Klahu hatten sie neben sich an den Boden gesenkt und mit einer Schicht Sand bedeckt. Die  Roboter  kamen.  Zu  dritt  bildeten  sie  Kommandos  und 

kämmten  das  Gelände  durch.  Es  konnte  ihnen  keine Schwierigkeiten  machen,  die  beiden  Pagen  mit  Hilfe  der Infrarotortung zu entdecken. Auch die beste Antiortung produzierte immer ein wenig Wärme und Streustrahlung, die auf einem Gelände wie  der  Oberfläche  des  Relikts  nicht  übersehen  werden  konnte. Blieb  als  einziges  die  Hoffnung,  daß  die  Kampfgruppen  der Zyrtonier sich planmäßig zusammenfanden und den Kampf gegen die Maschinen eröffneten. Tatsächlich  wurde  es  über  der  Landschaft  laut.  Die  zweite 

Offensive  der  Zyrtonier  begann,  und  diesmal war Malara  sicher, daß sie zum Ziel führte. Und das war nach wie vor die Vernichtung der Lichtquelle.   

*  Die  Hauptpositronik  der  Basis  meldete  dreißig  zerstörte  und kampfunfähige  Einheiten.  Damit  war  dem  Gegner  eine empfindliche  Schwächung  beigebracht.  Die  Zyrtonier  kümmerten sich nicht darum. Sie verstärkten das Feuer auf den Schutzschirm, und  sie  setzten  auch  jene Maschine wieder  ein,  die  dem  Schirm Energie entzog. »Restenergie  noch  fünfundzwanzig  Prozent«,  sagte  Rico.  Die 

Roboter  hatten  sich  für  kurze  Zeit  in  das  Innere  der  Basis zurückgezogen,  um  die  wichtigsten  Reparaturen  durchzuführen. 

Das  Internsystem  funktionierte  in  einigen  Teilen wieder,  und  ein zusätzlicher Transmitter sorgte dafür, daß sie ohne Zeitverlust in die Nähe der Lichtquelle gelangen konnten. Eine Gestalt schleppte sich in die Hauptzentrale. Es war der blinde 

Hars.  Sein  Körper  war  in  sich  zusammengefallen,  die  Arme baumelten kraftlos an den Seiten. Aus seinem augenlosen Kopf sah er die Roboter an. »Die  Lichtquelle  stirbt«,  murmelte  er  undeutlich.  »Sie  hat  sich 

aufgegeben. Damit ist das Schicksal des Universums besiegelt!« »Was weißt  du?«  fragte  Zähler‐Rl.  »Was  hat  dir  die Quelle  der 

Jenseitsmaterie mitgeteilt?« »Ich weiß nichts. Ich weiß nur, daß es keinen Sinn hat, noch etwas 

zu tun!« Basis‐Rl blieb stumm. Er wies ein paar Roboter über Funk an, den 

blinden  Hars  hinauszubringen  und  in  einem  leeren  Raum einzuschließen.  Sie  brachten  ihn  weg,  und  sein  Gejammer  hallte lange über den Korridor, bis es schließlich verstummte. Die Roboter kehrten zurück. Basis‐Rl Rico  gab neue Befehle  an  seine Roboter  aus.  Sie  kamen 

von  überall  herbei  und  strebten  hinauf  an  die Oberfläche, wo  sie einen  Abwehrgürtel  rund  um  die  Lichtquelle  errichteten.  Längst hatte  die  Hauptpositronik  die  Ankunft  eines  zweiten  Paz‐Klahu gemeldet.  Die  Zyrtonier  hatten  es  mitgebracht,  und  die Insektenwesen  entfesselten  einen  solchen  Energiesturm  über  der Landschaft,  daß  die  Ortungsanlagen  der  Basis  nicht  in  der  Lage waren, die Restenergien des Paz‐Klahu zu lokalisieren. Die Lichtquelle hatte sich wieder völlig verdunkelt. Sie spürte die 

Gefahr, aber sie gab nicht einmal eine Warnung von sich. Ihr letzter Lebens‐ und Hoffnungsfunke schien erloschen. Zum  zweiten  Mal  konzentrierte  sich  die  Abwehr  der  Roboter 

allein auf die Verteidigung der Quelle der Jenseitsmaterie, während die  Hauptpositronik  weiter  auf  die  Schiffe  der  Zyrtonier  schoß. Dann  aber  stellte  sie  den  Angriff  übergangslos  ein.  Die 

Energiefinger,  die  hinaus  in  die  Schwärze  der Namenlosen  Zone rasten,  erloschen.  An  den  Rändern  der  Landschaft  bildeten  sich bläuliche  Schlieren,  die  sich  rasch  nach  oben  ausbreiteten  und deutlich die feinen Strukturrisse sichtbar werden  ließen, die sich  in dem Energieschirm bildeten. Die Roboter erstarrten für Augenblicke. Sie kommunizierten ohne 

Unterbrechung mit der Hauptpositronik und wußten dadurch, daß die Energiereserven der Basis des Ersten Zählers  erschöpft waren. Energie  durch  Verwertung  von  Materie  aus  der  Landschaft  zu gewinnen, dazu war  es  zu  spät. Blieb  als  einzige Möglichkeit nur das Warten. Alle  Systeme  der  Basis  stellten  ihren  Betrieb  ein.  Nichts 

funktionierte  mehr,  das  von  Energie  abhängig  war.  Die  Roboter verfügten über autarke, interne Hochleistungsbatterien und blieben als einzige einsatzfähig. Basis‐Rl schickte mehrere Maschinen aus und rief die organischen 

Wesen  zusammen,  die  den  ersten  Ansturm  der  Zyrtonier überstanden hatten. Es war schwierig, sie zwischen den unzähligen kämpfenden Gruppen hindurch bis zur Lichtquelle zu bringen, die vorerst nicht angegriffen wurde. »Sucht nach dem Paz‐Klahu«,  trug er  ihnen auf. »Es  ist hier. Der 

Gegner  hat  es  versteckt,  um  es  zum  günstigsten  Zeitpunkt aufzuheben!« Die Roboter durchschauten die Taktik des Gegners. Er wollte die 

Maschinen  dezentralisieren  und  dann  die  relativ  schutzlose Lichtquelle angreifen und vernichten. Das würden die Roboter nicht zulassen. Hoch über der Landschaft begann es zu knistern. Die bläulichen 

Risse wurden  dunkelgrau  und  dann  schwarz.  Sie wurden  breiter und  breiter,  und  dann  leuchtete  der Himmel  in  allen  Farben  des sichtbaren  Spektrums  auf.  Für  kurze Zeit war  er  von  einem Meer aus bunten Sternen bedeckt, die langsam blasser wurden und immer weiter  schrumpften,  bis  sie  von  der  Schwärze  des  Hintergrunds 

verschluckt wurden. Erste Schüsse  trafen die Basis und  ließen sie erbeben. Der Kampf 

trat in seine entscheidende Phase.   

*  »Die  Roboter  ziehen  sich  zurück!« Verwunderung  lag  in Malaras Stimme. Sie hob  ihren Körper ein wenig empor und musterte den Kamm der Bodenwelle, hinter der sie  lagen. Das Paz‐Klahu  rührte sich  nicht,  und  die  beiden  Pagen  hielten  die  Aggregate  ihrer Kampfanzüge desaktiviert, um keinen Anhaltspunkt für die Ortung zu geben. Sie  beobachteten  eine  Weile  und  stellten  fest,  daß  sich  die 

Maschinen  der  Basis  rund  um  die  Lichtquelle  versammelten  und dort  eine  Verteidigungsstellung  aufbauten.  Sie  konnten  sich manchmal  schneller  den  veränderten  Bedingungen  anpassen  als organische Wesen. 91‐Page dachte an  ihren Auftrag. Sie durften 1‐Page und den Rat 

der  Pagen,  dem  sie  selbst  angehörten,  nicht  enttäuschen.  Zyrton konnte sich kein zweites Fiasko leisten, wie Palterwahn es ausgelöst hatte. Das  Paz‐Klahu war  eine  alte Geheimwaffe.  Ihr Ursprung  lag  in 

ferner Vergangenheit. Irgendwie,  fand Malara,  existierte  ein Zusammenhang  zwischen 

der Zeit, in der das Paz‐Klahu geschaffen worden war, und jener, in der jemand das Relikt erbaut hatte. Zu gern hätte die Pagin sich die Technik  im Innern der Basis des 

Ersten  Zählers  angesehen.  Die  technischen  Einrichtungen  von Steuerzentralen  ließen  oft Rückschlüsse  auf  die Herkunft  und  die Intelligenz  der  Erbauer  zu.  In  diesem  Fall war  es  kaum möglich, denn sie durften keine Zeit verlieren und auch das Paz‐Klahu nicht unbeaufsichtigt lassen. 

Ein  Schauer  durchfuhr  ihren  Körper,  als  sie  daran  dachte, was geschehen  konnte,  wenn  die  Roboter  die  Waffe  gegen  die verbliebenen Zyrtonierschiffe einsetzten. »Die  Gruppen  müssen  ihre  Aggressivität  verstärken«,  stimmte 

Ohoro  ihr  zu.  »Es  ist  nur  schade,  daß  ich  keinen  Samen  der Ourpulys  bei mir  trage.  Ich würde  die  Roboter  damit  vernichten und auch die Lichtquelle dem Tod überantworten. Die Lichtquelle, warum  ist  sie  eigentlich  unser  Feind? Warum  zerstören wir  nicht das Relikt und nehmen sie mit uns?« Malara  konnte  die  Frage  nicht  beantworten,  und  auch  er  selbst 

war ratlos.  Irgend etwas war an dem kuppelförmigen Gebilde, das sie  warnte  oder  abstieß.  Etwas,  das  sie  nicht  bewußt  erfassen konnten. Malara spähte noch eine Weile über die Bodenwelle hinaus. »Komm«,  sagte  sie dann.  »Die Luft  ist  rein. Unsere Artgenossen 

haben  begriffen.  Sie  nähern  sich  langsam  der  Lichtquelle  und versuchen, wenigstens ein paar der Roboter von dort abzuziehen!« Die  beiden  Pagen  verließen  ihr  Versteck.  Sie  befreiten  das  Paz‐

Klahu vom Sand und  ließen es weiterhin zwischen sich schweben. Es  glitt  durch  die  Luft wie  ein  kleines  Schwarzes  Loch,  das  alles Licht verschluckte. Malara war froh, daß sie die Explosion des Ersten Paz‐Klahu nicht 

aus der Nähe erlebt hatte. Die unkontrollierbaren Kräfte  jenseitiger Energien machten  ihr Angst, und  immer wieder prüfte sie, ob sich an dem Gebilde auch nichts änderte, das die kritische Phase dieser Vernichtungsmasse anzeigte. Sie bewegten sich vorsichtig auf den Turm zu, der in ihrer Nähe in 

die Höhe  ragte. Eine Art Korb  hing  von  seinem  obersten Aufsatz hinunter, und Malara fand, daß es sich dabei um ein gutes Versteck handelte. Allerdings  schränkte es  sie  in der Handlungsfreiheit ein. Malara konnte auch keine Öffnung in dem Gebilde entdecken. Von kleinen Buschgruppen geschützt, erreichten sie den Fuß des 

Turmes  und  richteten  ihre  Aufmerksamkeit  auf  die  Lichtquelle. 

Rund um die Kuppel wurde gekämpft, und die Roboter deckten die angreifenden Zyrtonier mit wütendem Feuer ein. Ein Schutzschirm lag  über  dem  Bereich  und  schützte  die  Maschinen  und  die Lichtquelle. Malara entdeckte die Risse oben am Himmel als erste. Sie machte 

Ohoro darauf aufmerksam. Die beiden Pagen jubelten. »Die Sauger!« stieß 91‐Page hervor. »Sie haben endlich Erfolg. Die 

Energiereserven der Basis gehen zu Ende!« Weit oben am Himmel leuchtete ein winziger Sonnenball auf. Ein 

weiteres Zyrtonierschiff war vernichtet worden. Es sollte das  letzte sein, das das Relikt zerstörte. Malara wechselte die Richtung. Sie schlich auf den Rand der Basis 

zu,  und  Ohoro  folgte  ihr  eilig  und  deckte  das  Paz‐Klahu  gegen Angriffe von hinten ab. Noch  immer hatte niemand die beiden Pagen entdeckt. Auch die 

Orter  der  Basis  konnten  das  schwache  Echo  in  dem  Gewirr  der Kämpfe  nicht  lokalisieren.  Der  eintretende  Energiemangel  tat  ein übriges. »Wir  schleichen  uns  am  Rand  der  Landschaft  an«,  instruierte 

Malara  ihren  Lebenspartner.  »Dort  vermutet  man  uns  am wenigsten.  Wir  nähern  uns  der  Lichtquelle  und  warten  den günstigsten Zeitpunkt ab!« Die  Kämpfe  auf  der  Basis waren  voll  entbrannt. Überall waren 

Zyrtonier  in Kämpfe mit den Robotern verwickelt. Nur organische Wesen konnte Malara keine entdecken. Waren sie alle bei der ersten Offensive getötet worden? Die Pagin blickte sich aufmerksam um. Es kam ihr verdächtig vor, 

und  sie  sah  ihren  Verdacht  bestätigt,  als  es  kurz  darauf  in  den Büschen  raschelte  und  sie  sich  rund  zwanzig  unterschiedlichen Wesen  gegenübersahen,  die  die  schußbereiten  Waffen  auf  sie gerichtet hatten. Eines  von  ihnen  sagte  etwas  in  einer  unverständlichen  Sprache. 

Malara hatte ihren Anzug noch nicht aktiviert, und so arbeitete auch 

der  Translator  nicht.  91‐Page  zögerte,  es  zu  tun.  Jede  Bewegung hätte der andere als Feindseligkeit ausgelegt. »Was  wollt  ihr?«  fragte  sie  in  dem  Bewußtsein,  daß  die  Frage 

völlig  überflüssig war,  falls  sie  verstanden wurde. Das  Paz‐Klahu hing deutlich sichtbar zwischen ihr und Ohoro. Ihr ging es jetzt nur darum, Zeit zu gewinnen. »Wir ihr seht, sind wir keine Kämpfer!« In  diesem  Augenblick  schaltete  sich  das  Paz‐Klahu  ein.  Die 

winzige  robotische  Komponente  im  Zentrum  des  Gebildes  baute einen  Schutzschirm  um  die  beiden  Pagen  auf  und  dehnte  ihn  so rasch aus, daß er den Wesen förmlich entgegensprang und sie ohne Ausnahme erfaßte. Sie sanken umgehend zu Boden und lösten sich auf. Nichts wies darauf hin, daß es sie gegeben hatte. Der  Schutzschirm  erlosch,  und  Malara  setzte  sich  hastig  in 

Bewegung.  Das  Verschwinden  der  Organischen  würde  nicht unbemerkt  bleiben.  Man  würde  sie  suchen  und  vielleicht Reststrahlungen des Paz‐Klahu finden. »Schneller!«  forderte  sie  Ohoro  auf.  Sie  aktivierte  ihren 

Kampfanzug  und  schaltete  sich  in  den  Funkverkehr  mit  ihren Schiffen ein. Sie mußte  jetzt das Risiko einer Entdeckung eingehen. Der  Gegner  arbeitete  mit Mitteln,  mit  denen  sie  nicht  gerechnet hatte. Vielleicht kannten die Roboter ihren Standort bereits. »Ein  fremdes  Schiff  nähert  sich  der  Basis«,  sagte  sie  überrascht. 

»Es  besitzt  eine  uns  unbekannte  Form.  Es  kann  nicht  aus  der Namenlosen Zone stammen!« »Atlan«, stieß 92‐Page hervor. »Ist es die SOL?« »Nein.« Das Aussehen jenes Schiffes kannten sie längst. Es war ein 

anderes,  kleines  Gebilde,  und  es  mußte  die  Übergangszone zwischen  dem  Normalraum  und  der  Namenlosen  Zone durchdrungen  haben.  Malara  kannte  kein  Volk  aus  dem Normalraum,  das  dazu  die  Voraussetzungen  besaß.  Mit  einer Ausnahme vielleicht. Aber das konnte nicht sein. Ein solches Schiff besaß jenes Volk nicht. »Das  ist  unsere  Chance«,  machte  sie  Ohoro  begreiflich.  »Die 

Fremden  kommen,  um  der  Basis  zu  helfen. Dadurch werden  die Roboter  für  kurze  Zeit  abgelenkt. Diese  Zeit müssen wir  nützen. Danach darf es keine Lichtquelle mehr geben!« Mit einemmal waren ihr die eigenen Artgenossen im Weg. Sie griff 

an die Funkanlage  ihres Kampfanzugs und gab das Kodesignal für einen Rückzug aus der Nähe der Lichtquelle durch. Die Schiffe ihres Volkes beschossen die Basis weiterhin, die jetzt schutzlos dalag. Das Ächzen  und  Knirschen,  das  durch  die  Landschaft  ging,  zeigte deutlich, wie es um das Relikt stand. Irgendwo in der Ferne gab es Explosionen  unter  der  Oberfläche,  und  hinter  den  beiden  Pagen stürzte donnernd der Turm ein.   

6.  Undeutlich nahm  ich Stimmen wahr. Sie drangen an meine Ohren und ließen mich gepeinigt das Gesicht verziehen. Ich glaubte, daß es die Stimmen von Toten waren. Langsam verblaßte das Bild des Wracks vor meinen Augen. Mein 

Bewußtsein entfernte sich aus den Wänden  jenes Schiffes, mit dem ich  für  einige  Zeit  verschmolzen  war.  Aber  der  Eindruck  des Absturzes  und  der  nachfolgenden  Ereignisse  bis  hin  zum endgültigen  Auseinanderfallen  des  Schiffsrumpfs  prägte  sich mir tief im Bewußtsein ein und bewirkte, daß ich eine Zeitlang zwischen Wachen  und  Träumen  schwebte  und  kein  rechtes  Verhältnis  zur Wirklichkeit fand. Ich öffnete die Augen, doch  ich sah nichts. Ich bewegte den Kopf 

und  spürte nichts. Schmerzende Druckstellen  am Oberarm  störten mich, und ich tastete mit der Hand danach. »Endlich!« hörte ich eine Stimme sagen. Jemand rüttelte mich. »Atlan! Komm zu dir! Was ist los?« Langsam  begann  ich  die  Umgebung  zu  erkennen.  Ich  saß  am 

Boden einer Zentrale, die mir fremdartig vorkam. Verwirrt blinzelte 

ich und starrte das Gesicht an, das sich in mein Blickfeld schob. Tyari. Aber Tyari war doch tot! Nein! meldete  sich mein  Extrasinn.  Du  bringst  die Wirklichkeiten durcheinander. Sie ist nicht tot. Sie wird aber eines Tages sterben. Du hast wieder eine Vision gehabt! Vision! Das Wort  riß mich  empor.  Schwankend  kam  ich  auf die 

Füße. Meine Erinnerung kehrte zurück. Ich sah nun, daß ich mich in der  Futurboje  befand  und  sich  die Mitglieder meines  Teams  um mich scharten. Jemand sagte etwas im Idiom der Vulnurer, und die Translatoren übersetzten es. Die  SZ‐2!  durchfuhr  es  mich.  Sie  ist  zerstört.  Sie  liegt  auf 

irgendeinem  Planeten,  auf  dem  es  Königsblüten  gibt.  Sie  ist  ein Wrack, und ihre gesamte Besatzung ist gestorben! Etwas  legte  sich wie  ein Nebel um mein Gehirn.  Ich  spürte, wie 

der  Extrasinn  in  mir  kämpfte,  und  ich  erinnerte  mich  an  den Hilferuf,  den  er  empfangen  hatte,  kurz  bevor  ich  endgültig  der Wirklichkeit entrückt worden war. Chybrain. Rief er um Hilfe? Es war die Lichtquelle! Du mußt das endlich akzeptieren! Sie schwebt in höchster Gefahr. Noch immer ist die Futurboje untätig! Einer der drei Atiq‐Brüder tauchte vor mir auf. Er hielt eine Folie 

in der Hand, auf die er etwas gezeichnet hatte. »Ich bin Atiq‐Than«, sagte er. »Ich suche nach einer Möglichkeit, 

der Lichtquelle zu helfen. Wir wissen inzwischen, daß sie von einer Waffe namens Paz‐Klahu bedroht wird. Diese befindet sich auf der Oberfläche der Basis, läßt sich aber nicht genau lokalisieren!« »Warum  landet  die  Futurboje  nicht?«  rief  ich.  Ich  hatte Mühe, 

mein  Gleichgewicht  zu  halten,  sowohl  das  äußere  wie  auch  das innere. Ein  langer  Blick  auf  den  Bildschirm  belehrte  mich,  daß  die 

Futurboje gerade das vorletzte Schiff der Zyrtonier vernichtete und sich  dann  gegen  das  größte  mit  seinen  achtzehnhundert Metern Durchmesser wandte. Die Zyrtonier wehrten sich mit allen Mitteln. 

Sie versuchten sogar, die kleine Boje zu rammen, aber der Computer flog ein Ausweichmanöver. Ich sah, wie ein kleiner, grüner Ball das Schiff verließ und sich drüben durch den Schutzschirm des Gegners fraß. Fast gleichzeitig kam die Berührung mit dem Zyrtonierschiff. Es  glühte  auf  und  explodierte  in  grellem  Violett.  Eine  Gaswolke bildete sich, die rasch in den Leerraum hinausdriftete. »Computer!«  rief  ich. »Was war das? Welche Waffen besitzt du? 

Warum gibst du deine Geheimnisse nicht endlich preis?« »Ich  habe  es  dir  bereits  einmal  erklärt«,  sagte  der  Computer 

nüchtern. »Mehr habe ich nicht dazu zu sagen. Die Geheimnisse der alten  Vulnurer werden  nicht  in  fremde Hände  geraten.  Es  ist  zu eurer  eigenen Sicherheit, denn noch  ist nichts  entschieden!« Atlan, die Lichtquelle! Sie steht vor der Vernichtung! »Landen!« schrie ich. »Sofort neben dem Lichtdom landen!« Erst  jetzt  kam  ich  dazu,  einen  Blick  auf  die  Basis  des  Ersten 

Zählers  zu  werfen.  Ich  erkannte  sie  fast  nicht  wieder.  Nur  ein einziges, zusammenhängendes Trümmerstück schwebte vor uns im Raum. Alles andere taumelte in kleinen und großen Brocken durch den  Leerraum  und  kollidierte  teilweise  mit  den  Wracks  der Zyrtonierschiffe, die dort herumtrieben. Der  Turm,  das  Felsmassiv,  das  Gästehaus,  alles  war 

verschwunden. Die Lichtquelle ruhte auf dem Sockel, mit dem sie in der Basis verankert war. Darum herum gab es nur ein kleines Stück Erde, auf dem ein paar niedergetretene Büsche lagen. Dort sank die Futurboje  hin  und  verankerte  sich  mit  Hilfe  mehrerer Magnettrossen am Untergrund. In die Atiqs kam Leben.  Ich bekam mit, wie die Futurboje  ihnen 

nach  der  Folienzeichnung  und  akustischen  Angaben  einen Gegenstand  herstellte,  der  einem  Football  ähnlich  sah.  Die  drei Vulnurer verließen die Zentrale und machten sich auf den Weg zu einem Transmitter, wo sie den Gegenstand entgegennahmen. Atiq‐Droos packte das Ding sofort und stürmte aus der Futurboje 

hinaus. 

»Es  ist höchste Zeit«, sagte Tyari zu mir. »Die Roboter berichten, daß  sich  das  Paz‐Klahu  in  unmittelbarer  Nähe  der  Lichtquelle befindet. Sie orten es, aber sie haben es noch nicht gefunden!« Die Basis war  vernichtet. Also mußten wir wenigstens  noch die 

Lichtquelle retten. Sie war von entscheidender Bedeutung. »Wir  gehen  ebenfalls hinaus«, hörte  ich mich  sagen. Verzweifelt 

suchte  ich  in meiner Erinnerung, ob die Verhältnisse auf der Basis etwa  jenen  entsprachen,  die  zum  Tod  Tyaris  geführt  hatten.  Ich atmete auf. Das war anderswo gewesen. »Du  bleibst  besser  in  der  Futurboje«,  sagte  Joscan Hellmut.  »In 

deinem Zustand weißt du nicht, was du tust!« Ich  wehrte  mich  dagegen.  Ich  brauchte  etwas,  um  die  Vision 

verdrängen  zu  können,  und  war  nur  zu  gern  bereit,  auf  den Extrasinn  zu  hören,  der  eindringlich  darauf  hinwies,  daß  die Lichtquelle in höchster Gefahr schwebte. Auf den Trümmerstücken der Basis wurde noch immer gekämpft. 

Dort  schlugen  sich  die  Roboter  mit  den  Zyrtoniern  herum  und erzielten  immer  wieder  einen  Erfolg.  Rund  um  die  Lichtquelle verteidigten  die  Roboter  sich  gegen  eine  größere  Schar  der Zeckenwesen, und dort mußte sich das Paz‐Klahu befinden. »Redet  nicht,  handelt«,  sagte  ich  nur  und  griff  mir  den 

nächstbesten  Raumanzug.  Ich  stieg  hinein  und  bewaffnete  mich. Dann glitt ich aus dem Schiff hinaus. Tyari und die anderen folgten mir mit warnenden Kommentaren. Dunkelheit  empfing  uns,  die  erst  jetzt  durch  ein  paar  Lampen 

erhellt wurde,  die  die  Futurboje  einschaltete.  Ich  sprang  auf  den Boden des Trümmerstücks hinab und  sah  etwa dreißig Meter  vor mir den  Schatten der Lichtquelle  aufragen.  Sie hatte  sich völlig  in sich  zurückgezogen. Kein Hilferuf kam bei mir  an. Nichts deutete darauf hin, daß sie noch lebte. »Atlan!«  Die  Stimme  knarrte  in  meinem  Helmempfänger.  Sie 

gehörte  Rico. Der  Roboter  eilte  auf mich  zu  und  informierte  uns hastig über die Entwicklung. 

»Wir  haben  einen  Fehler  gemacht,  Atlan«,  berichtete  er.  »Wir haben den blinden Hars eingesperrt. Er  ist ums Leben gekommen. Er  wäre  vielleicht  der  einzige  gewesen,  der  das  Paz‐Klahu  hätte unschädlich  machen  können,  wenn  es  ihm  gelungen  wäre,  die Lichtquelle  zur  Herausgabe  wenigstens  eines  Brockens Jenseitsmaterie; zu bewegen.  Jetzt  ist es zu spät dazu. Wir müssen die  Lichtquelle  aufgeben,  aber wir werden  lieber  unsere  Existenz opfern, als daß wir uns zurückziehen!« »Noch ist nicht alles verloren, Rico«, sagte ich. »Wo genau befindet 

sich das Paz‐Klahu?« Er  nannte  einen  Punkt  auf  der  gegenüberliegenden  Seite  der 

Lichtquelle. »Es hat sich  in einen unüberwindlichen Schirm gehüllt, der auch 

zwei Zyrtonier schützt. Alle anderen Insektenwesen kämpfen ohne diesen Schutz und können uns nicht mehr lange standhalten.« Zwei wichtige Zyrtonier. Ich  mußte  an  die  Pagen  denken,  von  denen  bereits  Tomagog 

berichtet hatte. Handelte es sich um zwei Pagen, dann waren sie von großem Wert für uns. »Hör  zu«,  sagte  ich.  »Bedrängt  diese  beiden  nicht  länger.  Zieht 

euch  ein  wenig  von  der  Quelle  der  Jenseitsmaterie  zurück.  Die beiden  Zyrtonier müssen  Gelegenheit  haben,  das  Paz‐Klaho  zum Einsatz zu bringen. Wo sind die drei Vulnurer?« Rico berichtete, daß sich die Atiqs bereits in der Nähe des Gebildes 

aufhielten  und  offensichtlich  auf  eine  Gelegenheit  warteten,  ihr Gerät einsetzen zu können. »Überlaßt das Paz‐Klahu  ihnen«, wies  ich den Roboter  an.  »Wir 

kümmern uns um die beiden Zyrtonier!« Rico entfernte sich, und ich wandte mich an meine Gefährten und 

gab  ihnen Anweisungen, wie  sie  sich  zu  verhalten hatten. Es war unsere einzige Chance. Wir mußten uns der vermeintlichen Pagen bemächtigen und die Lichtquelle  retten. Beides mußte  gleichzeitig geschehen. 

»Bist du  sicher, daß du  in Ordnung bist?«  erkundigte  sich Tyari nochmals.  Ich  nickte  und  blickte  von  einem  zum  anderen.  Sie schwiegen  alle,  Hellmut,  Breiskoll,  Federspiel,  Uster  Brick, Sternfeuer,  Nockemann  und  Blödel,  der  sich  auffällig  im Hintergrund  hielt.  Ich  registrierte  es  zufrieden. Wenn  Hage  den Roboter  richtig  behandelte,  dann  konnte  er  sich  sehr  wohl beherrschen.  Meistens  war  Blödel  sowieso  ein  Spiegelbild  von Nockemanns Innerstem, und der Galakto‐Genetiker war ruhig und gefaßt. Er wußte, worum es ging. Für Blödeleien war kein Platz. Wir näherten uns vorsichtig der Lichtquelle und bewegten uns in 

dem Korridor, den die Roboter  für uns  schufen. Wir  stiegen über Haufen verklumpten Metalls, zwischen denen die  reglosen Körper von Zyrtoniern und anderer Lebewesen  lagen. Der Kampf um die Basis war von einer gnadenlosen Härte. Ich bedauerte zutiefst, daß wir nicht früher eingetroffen waren. Meine  Ahnungen,  sie  hatten  mich  nicht  getrogen.  Ich  hatte  es 

gespürt, daß sich die Lichtquelle in Gefahr befand. Lautlos  umrundeten  wir  die  Einfassung  der  Quelle  der 

Jenseitsmaterie. Schritt für Schritt tasteten wir uns vorwärts, immer mit  der  schwachen  Anziehungskraft  kämpfend,  die  seit  der Zerstörung der Basis hier herrschte und allein von der Lichtquelle ausging. Die Atemluft über der Landschaft hatte  sich verflüchtigt, als der Schutzschirm zusammengebrochen war. Alles hätte anders kommen  könne,  wenn  die  Futurboje  zunächst  die  Lichtquelle beschützt  und  dann  erst  die  Schiffe  zerstört  hätte.  Ich  rätselte, warum sie nicht auf uns und die Warnungen des Extrasinns gehört hatte. Gab  es  Dinge  in  dieser  Auseinandersetzung,  die  sie  uns 

verheimlichte? »Dort!« flüsterte ich. Wir hatten die beiden Zyrtonier vor uns und 

sahen das dunkle Gebilde, das zwischen ihnen hing. Das Paz‐Klahu. Eine Waffe, um  Jenseitsmaterie zu neutralisieren. 

Eine  Kraft,  die  ganze  Raumsektoren  in  ein  Chaos  verwandeln 

konnte. Irgendwie hatte ich das Gefühl, daß das Paz‐Klahu so etwas wie das Gegenteil der Lichtquelle darstellte.   

*  »Siehst du es? Das Relikt ist verloren!« 91‐Page Malara  deutete  hinüber  zur Mitte  der  Landschaft.  Das 

Gästehaus stürzte  in sich zusammen und verschwand  in der Tiefe. Ein  zentraler  Teil  der  Basis  brach  in  sich  zusammen.  Schwere Erschütterungen durchliefen den Boden,  und die Basis  schwankte gefährlich.  Die  Atmosphäre  unter  dem  Schirm  hatte  sich verflüchtigt, und die  letzten organischen Wesen ohne Raumanzug waren den Dekompressionstod gestorben. Die  beiden  Zyrtonier  bewegten  sich  schneller  vorwärts.  Sie 

achteten jetzt nicht darauf, daß sich ihnen mehrere Dutzend Roboter in  den  Weg  legten.  Sie  beeilten  sich,  daß  sie  in  die  Nähe  der Lichtquelle kamen. Funksprüche  von den  Schiffen  trafen  ein.  Sie meldeten, daß das 

fremde  Schiff  angriff  und  die  Einheiten  nacheinander  vernichtete. Malara kochte vor Wut. »Vernichtet die Basis,  solange es geht«,  rief  sie. »Dann greift das 

fremde Schiff an und haltet es auf. Wir brauchen Zeit, um das Paz‐Klahu zu deponieren!« Von da an ging alles ziemlich schnell. Die Basis brach auseinander, 

und die beiden Pagen retteten sich mit Müh und Not auf den Sockel hinüber, der die Lichtquelle  trug und auf dem weiterhin gekämpft wurde. Malara  und  Ohoro  beachteten  die  Artgenossen  nicht,  die Roboter vernichteten oder von diesen getötet wurden. Erneut baute das Paz‐Klahu einen undurchdringlichen Schutzschirm um sie auf, und sie kamen ungehindert voran. Immer höher wuchs der dunkle Dom der Lichtquelle vor ihnen auf. Die  Roboter  hatten  sie  entdeckt.  Sie  ließen  von  den  übrigen 

Zyrtoniern ab und näherten sich  ihnen. Bald  jedoch bemerkten sie, daß sie keinen Erfolg erringen würden. Also bemühten sie sich, den Zeitpunkt der Vernichtung so lange wie möglich hinauszuzögern. In dieser  Phase machte  sich  ein Nachteil  bemerkbar, den  keiner 

der  beiden  Pagen  bedacht  hatte.  Das  Paz‐Klahu  baute  den Schutzschirm nicht ab, der sie schützte. Das wurde es erst tun, wenn die Roboter sich weit genug zurückgezogen hatten, daß sie Malara und Ohoro nicht mehr töten konnten. Malara fluchte. Sie konnte es kaum glauben. Sie gab dem Gebilde 

Befehle,  aber die  integrierte Positronik  reagierte nicht. Der  Schirm blieb  bestehen,  und die Pagen mußten  hilflos  zuzusehen, wie das fremde Schiff an dem Trümmersockel andockte und die Insassen es verließen. Es waren Solaner. »Dieser Atlan  hat  sie  geschickt«,  tobte Malara.  »Vielleicht  ist  er 

selbst dabei. Wie  ist es  ihm nur gelungen, mit diesem Schiff durch die Schockfront zu kommen?« Etwas Unerwartetes geschah. Die Roboter zogen sich zurück, und 

kurz  darauf  baute  sich  der  Schutzschirm  ab.  Die  beiden  Pagen erhielten ihre Bewegungsfreiheit zurück. »Hinüber!« zischte 91‐Page  ihrem Lebenspartner zu. »Freie Bahn 

für das Paz‐Klahu!« Sie  steuerte  das  Gebilde  auf  die  Lichtquelle  zu,  und  Ohoro 

flüsterte in sein Funkgerät: »Ich gebe dir Deckung!« »Ohoro!«  sagte Malara  unvermittelt.  »Sind  wir  bereit,  alles  für 

unser Volk zu geben?« »Ja, Malara«,  erwiderte  er.  »Alles. Wir werden  dennoch  immer 

vereint sein! Wohl unserem Volk!« »Wohl  unserem  Volk«,  sagte  sie  und  beobachtete,  wie  Ohoro 

losstürmte.  Er  rannte  seitlich  an  der  Lichtquelle  vorbei  und  hielt nach den Gegnern Ausschau. Er entdeckte sie und eröffnete sofort das Feuer. Sie  erwiderten  es, und  er mußte  sich  ein Stück um die Einfassung zurückziehen. Er schaute sich nach Malara um, die ihren 

Insektenkörper  grazil  und  rasch  bewegte  und  das  Paz‐Klahu  auf direktem Weg zur Lichtquelle führte. Plötzlich schrie Malara auf. Ohoro warf sich herum und geriet  in 

die sich überschneidenden Bahnen mehrerer Strahlenschüsse hinein. Er spürte, wie sein individueller Schutzschirm zusammenbrach und sich die Hitze in seinen Körper fraß. Ohoro versuchte verzweifelt zu ergründen, was mit Malara  los war. Es gelang  ihm nicht mehr. Tot sank  er  zu  Boden,  und  die  restliche  Luft  entwich  aus  seinem aufgeplatzten Kampfanzug. 92‐Page hatte sein Leben  für sein Volk geopfert. Malara  sah  ihn  stürzen.  Sie wollte  ihm  helfen,  aber  sie war wie 

gelähmt.  Sie  sah,  wie  das  Paz‐Klahu  weiter  auf  die  Lichtquelle zuglitt. Vollende das Werk! hämmerte  sie  sich  ein. Sie verharrte auf der 

Stelle und blickte den drei Gestalten entgegen. Langsam tastete ihre Hand zum Energiespeicher. »Das …  das  ist …«  stammelte  sie.  Und  dann  schrie  sie  in  ihr 

Funkgerät: »Flieht, wenn ihr könnt! Bringt euch in Sicherheit!« Es  gab  keinen  Zyrtonier,  der  sie  hörte  oder  dem  Befehl 

nachkommen konnte. Keiner von ihnen wäre so feige gewesen, dem Gegner den Platz kampflos zu überlassen. »Sucher,  18‐Page«,  stotterte  Malara.  »Was  hast  du  angerichtet? 

Wohin hast du uns geschickt?« Sie betrachtete die drei Gestalten, die  sie  fast erreicht hatten. Sie 

musterte  die  erkennbaren  Körperteile  hinter  den  transparenten Helmscheiben. Es gab keinen Zweifel. Die  drei  Wesen  waren  Riesenameisen,  wie  jene  aus  den 

verbotenen Märchen.  Sie  kamen  heran  und  umringten  die  Pagin stumm. Gleichzeitig  spürte  Malara  in  sich  eine  wohlige  Zufriedenheit 

aufsteigen.  Sie  begann  sich  zu  fragen,  was  sie  hier  suchte  und warum sie die Lichtquelle vernichten wollte. Etwas stimmte nicht an diesen Fragen, das begriff sie. Wie hypnotisiert beobachtete sie die 

Bewegungen der Vulnurer. Da  fiel  ihr  Blick  auf  den  leblosen  Körper Ohoros.  Ein  Schmerz 

raste durch  ihren Körper, und mit einem  letzten Blick erkannte sie, daß  das  Paz‐Klahu  die  Lichtquelle  bis  auf wenige Meter  erreicht hatte. Es befand sich bereits im Stadium der Selbstaufladung. Das Ziel war erreicht. 91‐Page Malara  hob  die Waffe  an  und  löste  sie  aus. Der  Strahl 

durchbohrte  ihren Körper. Malara war auf der Stelle  tot. Sie hörte nicht mehr die entsetzten Schreie der Vulnurer, die dem Paz‐Klahu hinterher  rannten.  Sie wußte,  daß  es  keine  Rettung mehr  gab.  In wenigen  Sekunden würde  auch  das Gebilde  explodieren  und  die Vulnurer mit in den Tod reißen.   

7.  Die  Ereignisse  überschlugen  sich.  Ich  sprang  vorwärts,  doch  ich konnte  den  Selbstmord  nicht  mehr  verhindern.  Die  drei  Atiqs kümmerten sich nicht um den  leblosen Körper. Sie eilten dem Paz‐Klahu hinterher und machten uns über Funk darauf  aufmerksam, daß sich die Entscheidung anbahnte. Von der Einfassung der Lichtquelle  stieg etwas  in die Höhe und 

bewegte  sich  auf das Paz‐Klahu  zu. Es war der Term, das Objekt, das einem Football glich. Es glänzte hellgrün und schob sich exakt in die Bahn, die das Paz‐Klahu genommen hatte. »Weg  hier«, murmelte  ich. Wir  stießen  uns  vom  Boden  ab  und 

schalteten  unsere  Rückstoßaggregate  ein.  Wenn  das  Experiment nicht  funktionierte, dann ging es um unser Leben, wenn wir schon das der Lichtquelle nicht retten konnten. Im  Scheinwerferlicht  der  Futurboje  konnten  wir  verfolgen,  wie 

sich  die  beiden  Gegenstände  berührten.  Das Hellgrün wurde  für einen kurzen Augenblick dunkelrot. Der Term blähte sich auf, und das Paz‐Klahu verschwand in ihm. Es tauchte nicht wieder auf. 

Statt  dessen  kam  ein  Geräuschorkan  in  unseren Helmlautsprechern  auf,  der  uns  fast  das  Bewußtsein  raubt.  Ich preßte die Hände an den Helm, dann schaltete ich die Lautsprecher ab. Noch  immer war der Lärm zu hören. Er hallte  in meinem Kopf nach,  ohne  daß  ich  es  ändern  konnte.  Stechender  Schmerz durchzuckte mich. Jemand  rempelte  mich  an.  Es  war  Sternfeuer.  Ihr  Gesicht  war 

verzerrt,  und  sie  deutete  an,  daß  ich  meinen  Funk  wieder einschalten sollte. Ich tat es. »Mein  Gott«,  hörte  ich  die  Solanerin  jammern.  »Das  ist  ja 

furchtbar!« Offenbar hatte sie eine telepathische Sendung empfangen. »Was  ist es?«  fragte  ich. Sie gab keine Antwort. Sie deutete nach 

unten,  wo  sich  der  grüne  Term  zu  einer  länglichen  Spindel verformte und langsam eine Gestalt annahm. Ein  Vulnurer:  Die  Energiespindel  hatte  sich  in  einen  Vulnurer 

verwandelt!  Fast  gleichzeitig  sah  ich wieder  die  Spindel.  Sie  kam noch immer nicht zur Ruhe, und diesmal bildete sie die Form einer Zecke  aus.  Danach  löste  sie  sich  sprühend  auf  und  hinterließ lediglich  einen  ungefährlichen  Strahlenschauer,  der  sich  rasch verflüchtigte. Das Paz‐Klahu und der Term waren verschwunden. »Gratuliere«,  sagte  ich,  während  ich  langsam  dem  Rand  der 

Lichtquelle entgegensank. »Ihr habt es tatsächlich geschafft!« »Ohne mich hätte es nicht geklappt«, klang die Stimme Atiq‐Droos 

auf. »Than und Oyz hätten zu lange gezögert.« Ich  atmete  auf.  Die  Gefahr  war  also  beseitigt,  das  Paz‐Klahu 

unwiderruflich vernichtet. Damit konnten wir wieder hoffen. Wir  ließen  uns  in  der  Nähe  der  Lichtquelle  nieder,  und  die 

übriggebliebenen  Roboter  versammelten  sich  um  uns.  Sie berichteten  ausführlich von den Kämpfen und der Zerstörung der Basis. Sie hatten ausgedient. »Was werdet  ihr  tun?« wollte  ich wissen.  »Wollt  ihr  uns  in das 

Normaluniversum begleiten?« »Die Lichtquelle wird uns in ihrem Sockel eine Bleibe gewähren«, 

knarrte Rico. Neben ihm stand der Roboter Pit. »Wir werden bei ihr bleiben und sie weiter bewachen.« Ich verzog das Gesicht zu einem Grinsen, das völlig fehl am Platz 

war. Aber die Worte des Roboters hatten so entschieden geklungen, daß  ich  lachen mußte. Wie wollte er mit  seinen wenigen Getreuen die Lichtquelle verteidigen, wenn es ihm nicht einmal mit Hilfe der Basis des Ersten Zählers gelungen war? »Also  gut«,  meinte  ich.  »Wenn  die  Lichtquelle  damit 

einverstanden ist, werde ich es euch wissen lassen. Oder besitzt ihr eine Möglichkeit, euch mit ihr telepathisch zu verständigen?« Rico  verneinte.  Er  begriff,  welche  Schwierigkeiten  auf  sie 

zukamen.  Mehr  als  Flüchtlinge  würden  sie  im  Innern  des halbkugelförmigen  Unterbaus  der  Quelle  nicht  sein.  Sie  würden weder deren Ängste, noch ihre Freuden verstehen.   

*  Drei Stunden später wurden wir durch ein Rumoren im Untergrund aufgeschreckt.  Rings  um  die  Einfassung  der  Lichtquelle  bildeten sich Risse und Spalten. Der Vorgang erinnerte mich stark an  jenen, der  von  den  Arltra‐Rangern  bewerkstelligt  worden  war,  als  sie versucht hatten, die Quelle auszugraben. Das verbliebene Erdreich begann zu bröckeln, und nach einer Weile rutschte es zur Seite ab; weil sich die Lichtquelle bewegte. Sie wuchs  in die Höhe und glitt mit  ihrer  Basishalbkugel  aus  den  Trümmern  heraus.  In  der Halbkugel waren uns unbekannte Aggregate enthalten. Mit ihr war die Quelle immer in der Basis des Ersten Zählers verankert gewesen. Gleichzeitig  hellte  sich  der  Dom  auf.  Die  Quelle  erwachte  zu 

neuem  Leben,  und  bald  darauf  pulsierte  sie  in  ihrem  gewohnten Rhythmus und  schleuderte die Materiebrocken  in  sich hinauf und 

ließ sie an den Rändern wieder herunterfallen. Lichtquelle! dachte ich intensiv. Kannst du mich verstehen? Ich verspürte nichts, aber der Extrasinn rührte sich. Sie bittet dich um ein paar Sekunden Zeit. Dann wird sie dir alle deine Fragen beantworten. Ich wartete. Du  bist  rechtzeitig  gekommen,  um  mich  vor  dem  Untergang  zu bewahren, übermittelte sie über den Logiksektor. Ich danke dir dafür. Die  Lichtquelle  berichtete  nun  von  der  langen  Suche,  die  die 

Zyrtonier  nach  dem  Relikt  veranstaltet  hatten.  Erst  jetzt,  im entscheidenden Moment, war ihnen der Erfolg beschieden. Du  hast wieder Grund  zur Hoffnung, Atlan,  fuhr  sie  fort.  Jetzt  sind bald alle deine Vermutungen Wahrheit. Ich spüre, daß mit den drei Atiqs drei Vulnurer gekommen sind, die eigentlichen Retter. Und  ich weiß, daß sich das kleine Schiff Futurboje nennt. Du hast also die Vulnurer gefunden und meine Forderung damit erfüllt. Ich habe einen neuen Auftrag für dich. Bringe  die Vulnurer umgehend  in  die Namenlose Zone.  Ich  brauche  sie. Das Ungleichgewicht zwischen Gut und Böse ist fast ausgeglichen, und die Bekehrer  sind  viel  mehr  als  das,  was  du  als  Zünglein  an  der  Waage bezeichnen würdest. Denke einmal darüber nach, warum sie sich Bekehrer nennen. Was  bekehren  sie  in Wirklichkeit?  Atlan,  suche  den  Emulator Daug‐Enn‐Daug. Bringe ihn mit Borallu zusammen! Ich werde das  alles  tun, dachte  ich. Aber  auch  ich habe Fragen. 

Weißt  du,  wo  Chybrain  ist? Welche  Rolle  spielst  du  eigentlich  in dem ganzen Spiel? Chybrains  Aufenthalt  kenne  ich  nicht.  Ich  weiß  nicht,  was  mit  ihm geschehen  ist. Und  über mich  kann  ich  dir  nur  eines  sagen,  um  dir  die Zusammenhänge  zu  verdeutlichen.  Ich  bin  der  eigentliche  Emulator  der Namenlosen Zone! Ich fuhr ruckartig herum. Hastig berichtete ich den Gefährten von 

der gedanklichen Kommunikation. Erneut ergaben sich Indizien für das, was ich bereits als gesichert angenommen hatte. Die Lichtquelle ein Emulator der Namenlosen Zone, dazu noch einer, der sich  frei 

bewegt hatte und von den Zyrtoniern gesucht worden war, um ihn zu vernichten. Die  Lichtquelle  mußte  der  Emulator  der  Zyrtonier  sein.  Eine 

andere Erklärung gab es nicht. Und das bewies endgültig, daß die Zyrtonier  das  eigentliche  Herrenvolk  in  der  Namenlosen  Zone waren, die Macht im Hintergrund. Und dann war Chybrain … Hier stockten meine Gedanken. Wenn 

Chybrain in die Hände der Zyrtonier gefallen war – und sein langes Schweigen  deutete  darauf  hin  –,  dann  hatten  sie  ihn  womöglich längst mit einem Paz‐ Klahu oder etwas Ähnlichem eliminiert. Nein! schrien meine Gedanken, und der Extrasinn besänftigte: Mach dich nicht verrückt. Es  ist nicht bewiesen. Chybrain  lebt, und du wirst die Koordinaten von Varnhagher‐Ghynnst bekommen! »Natürlich!«  sagte  ich  laut. Meine Gedanken  schweiften ab. Was 

ich bisher durch die Hektik der Ereignisse hatte verdrängen können, kehrte mit Vehemenz  zurück.  Ich mußte  an meine Vision denken und  an  das, was  sie  aussagte.  Zum  ersten Mal war  ein  zeitlicher Bezug hergestellt worden, das  Jahr  3813.  Fünf  Jahre  also noch  bis zum  Untergang  der  SZ‐2,  bis  zum  Tod  Solania  von  Terras.  Eine schreckliche Vision,  und  ich  fragte mich  erneut, was  die Ursache dafür war, daß  ich solche Schauerbilder erlebte, die mich  jedesmal innerlich  aufwühlten.  Ich  kämpfte  auch  jetzt  am  Rand  der Lichtquelle  mit  meiner  Beherrschung.  Alles  in  mir  wollte  die Erkenntnisse hinausschreien, und doch durfte  ich nichts sagen.  Ich konnte  es  nicht  verantworten,  den  Solanern  zu  sagen, was  ihnen bevorstand. Ich mußte das Wissen tief in meinem Innern verbergen. Falls die Vision richtig war, dann hatte ich mein Ziel erreicht, hatte 

ich die Koordinaten doch noch erhalten. Dann lebte auch Chybrain noch oder hatte sie wenigstens irgendwo für mich deponiert. Spüren  die  Solaner, was  in  Zukunft  geschieht?  fragte  ich mich. 

Sind  die  Visionen  Botschaften  oder  Hilferufe  einer  Gruppe  von Intelligenzen aus der Jetztzeit? Von Bord der SOL? Ich werde  euch  jetzt verlassen, verkündete die Lichtquelle. Sie stieg 

in die Schwärze der Namenlosen Zone hinauf, und wir sahen, daß sie sich  in ein eigenes Tarnsystem hüllte. Ich  trug  ihr den Wunsch der Roboter vor, und sie holte sie mit einem Traktorstrahl zu sich. Vergiß nicht, Atlan. Daug‐Enn‐Daug muß unbedingt gefunden werden. Er und alle Vulnurer sind Teilableger des Positiven, die überlebt haben und jetzt benötigt werden. Du erkennst richtig, daß die Vulnurer und  ich das Gegengewicht zu der Macht der Zyrtonier sind! Ich hoffe nur, daß ich mich solange  den  Nachstellungen  der  Zecken  entziehen  kann,  bis  du zurückkehrst. Leb wohl! Mir  war  jetzt  vieles  klarer  als  zuvor.  Die  Umwandlung  des 

Zyrtoniers  Borallu  in  einen  positiven  Vulnurer  war  der  letzte, deutliche Beweis gewesen, wie eng die beiden Völker miteinander verwandt  sein  mußten.  Vielleicht  waren  sie  einem  gemeinsamen Vorfahren  entsprungen  wie  die Menschen  und  die  Affen. Welch eine Vergangenheit mußte dieses Volk haben, welch eine Evolution steckte dahinter! Wir  beobachteten,  wie  die  Lichtquelle  mit  ihrem  Sockel 

beschleunigte  und  bald  in  der  absoluten  Schwärze  zwischen  den Schockfronten verschwand. Wir  lösten uns von dem Trümmerrest der Basis und kehrten zur Schleuse der Futurboje zurück. Die drei Atiqs verschwanden gestikulierend im Antigravschacht. Wir folgten ihnen, und  ich nahm mir vor, dem Computer des Schiffes ein paar gezielte Fragen zu stellen. Mich  interessierte das Alter des Schiffes, und vor allem wollte ich wissen, wieso es in der Lage war, nach den Ideen der Altertumsforscher in kürzester Zeit eine Waffe zu bauen, mit der man ein Paz‐Klahu eliminieren konnte. Und warum war es den  drei  Atiqs  so  leicht  gefallen,  eine  entsprechende  Idee  zu entwickeln? Oder hatte der Computer die drei getäuscht und ihnen lediglich etwas Ähnliches gegeben, was  in seinen Arsenalen bereits vorrätig war? Die Ortung meldete, daß neue Schwärme von Zeckenraumschiffen 

sich  näherten.  Man  war  also  auf  die  Vorgänge  aufmerksam geworden und kam, um nachzusehen. 

Niemandem  stand  die  Lust  nach  einer  weiteren Auseinandersetzung, deshalb gab  ich dem Computer den Auftrag, uns  zurückzubringen. Wir  verließen  den  Sektor  der  Namenlosen Zone. Es gelang der Futurboje, die Verfolger abzuhängen, und wir rüsteten  uns  für die Rückkehr  in  das Normaluniversum,  um dort weitere  Schritte  gegen  den  mächtigen  Gegner  vorzubereiten. Hinweise  hatte  uns  die  Lichtquelle  genug  geliefert,  und  ich  war überzeugt,  daß  sie  durchaus  in  der  Lage  gewesen  wäre,  alle Zusammenhänge aufzuklären. »Was war mit  dir,  als wir  bei  der  Basis  ankamen?«  erkundigte 

Joscan Hellmut sich. Ich musterte Tyari, Bjo und Sternfeuer. Die drei hatten  sich  zu  jenem  Zeitpunkt  in  meiner  unmittelbaren  Nähe aufgehalten.  Ich  war  mir  sicher,  daß  sie  trotz  meiner Mentalstabilisierung  jede  Einzelheit  meiner  Vision  mitbekommen hatten. Sie wußten bestimmt  auch um meine Gedanken, nichts  zu sagen. »Ich hatte wieder eine Vision«, sagte ich. »Mehr lohnt es sich nicht 

zu reden.« Hellmut schwieg, aber ich sah ihm deutlich an, wie unzufrieden er 

mit  der  Antwort  war.  Später  vielleicht,  wenn  alles  vorbei  war, würde ich es ihm erzählen, daß ich den Untergang der SZ‐2 damals vorausgesehen hatte.  Jetzt  aber war  es unmöglich,  auch nur  einen einzigen  Solaner darüber  zu  informieren. Die drei Telepathen  um mich  mochten  mit  mir  einer  Meinung  sein,  denn  sie  nickten unauffällig. Tyari sah ungemein blaß aus. Vielleicht ahnte sie etwas von ihrem 

eigenen Tod, den ich in der zweiten Vision erlebt hatte. Ich nahm die Frau, die  ich  liebte,  in den Arm. Meine Gedanken 

schlugen Purzelbäume  in dem Bemühen, wie  ich die verbleibende Zeit mit  ihr am sinnvollsten nutzen konnte. Sie stand mir so nahe, und allein der Gedanke, daß sie eines Tages in meinem Leben fehlen würde, verursachte einen Gefühlssturm  in mir, der mir das Wasser in  die  Augen  trieb.  Zwei  glitzernde  Spuren  zogen  über  meine 

Wangen,  und  ich  wischte  sie  nicht  einmal  weg,  obwohl  ich Nockemanns fragenden Blick bemerkte. Warum  weint  er?  mochte  der  Galakto‐Genetiker  denken. 

Insgeheim wartete ich auf einen sinnlosen Kommentar Blödels, aber der Roboter hatte  sich anderen Dingen zugewandt. Er beobachtete die Phänomene, die  sich beim Übergang ereigneten. Die Futurboje kehrte in den Normalraum zurück und steuerte die SOL an, um die noch immer die drei Vulnurerschiffe kreisten. Es  war  tröstlich,  unser  eigenes  Generationenschiff  komplett  zu 

sehen.  Jetzt  verstand  ich  viel  besser,  warum  viele  Solaner  eine Trennung  der  Schiffsteile  nur  ungern  sahen.  Zwar  bedeutete  es jedesmal nur eine Trennung auf Zeit, aber wie leicht konnte daraus eine Ewigkeit werden. In fünf Jahren. Wir  erhielten  Funkkontakt.  Auf  einem  Bildschirm  erschien  das 

Gesicht des High Sideryt. »Wir  haben  Zuwachs  bekommen«,  eröffnete  er  uns.  »Auf  der 

MORGEN  ist  ein  Emulator  namens  Daug‐Enn‐Daug  aufgetaucht, der dich dringend zu sprechen wünscht, Atlan!« »Sagtest du Daug‐Enn‐Daug?« Er nickte. Ich  fühlte  die  Blicke  aller  Anwesenden  in  meinem  Rücken, 

einschließlich der drei Atiqs. Geräuschvoll holte ich Luft. »Mann!« dröhnte Blödels Stimme auf. »Ein Glück haben wir heute 

wieder. Was, Chef?«  

ENDE   Auch  der  nächste Atlan‐Band  spielt  vornehmlich  in  der Namenlosen Zone. Atlan  bringt  mit  Hilfe  der  BRISBEE‐Kinder  und  der  Futurboje  eine beachtliche Streitmacht  in dieses Raumgebiet – denn er  ist entschlossen, eine Wende herbeizuführen.  

Mehr darüber berichtet Peter Terrid im Atlan‐Band 670. Der Roman erscheint unter dem Titel: DAS SONNEN‐TABU