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KARMA LESEBUCH Unterrichtsmaterialien zum Thema Karma Zitate von buddhistischen Meistern, Erläuterungen, Übungen, und Merksätze zusammengestellt von Lama Lhundrup, 1999, 2003 und 2006 Buddha Shakyamuni (in M 135.4, sowie A VI.63, zitiert von Asanga im Abhidharmakosha, S.96): „Hört, ihr Praktizierenden: Die Wesen sind Eigentümer ihrer Handlungen, sind Erben ihrer Handlungen, sind geboren aus ihren Handlungen, sind an ihre Handlungen gebunden, haben ihre Handlungen als Zuflucht. Es sind die Handlungen, welche die Wesen in besser und schlechter Gestellte unterscheiden.” Inhaltsübersicht Vorwort (M 135) ................................................................................................................ 4 Einführende Erläuterungen ............................................................................................. 4 1. Welche existentiellen Fragen stehen hinter der Karmafrage? .......................... 4 2. Müssen wir uns unbedingt mit Karma beschäftigen? .................................... 5 3. Wie lässt sich der Begriff „Karma“ definieren? .......................................... 5 4. Was beinhaltet ein Verständnis karmischer Kräfte? ..................................... 6 5. Was ist Karma? Die Rolle des Geistes und der Absicht (A VI.63, Dh 1-2) ......... 6 6. Was führt den Geist und damit die Welt ins Dunkel? ................................... 7 7. Können wir Karma überhaupt verstehen?.................................................. 8 8. Ist die Karmalehre eine buddhistische Erfindung? ....................................... 8 9. Buddhas Sicht von Karma (Dh 183): Annehmen und aktive Verantwortung....... 9 10. Buddhas Zusammenfassung der Karmalehre (M 135) .................................. 9 11. Wie hängen Karma und die vier edlen Wahrheiten zusammen? .................... 10 12. Muss ich an Karma glauben? ............................................................... 10 13. Muss ich an Wiedergeburt glauben? ...................................................... 11 14. Rat zum Umgang mit Zweifeln an der Karma-Lehre (M 60) ........................ 12 15. Wie kommt der Buddha zu seinen Aussagen über Karma? (M 12) ................. 13 Karmische Gesetzmäßigkeiten ....................................................................................... 14 16. Haben alle Handlungen Auswirkungen? ................................................. 14 17. Wann kommt Karma zur Reife? ........................................................... 14 18. Handlungen mit bestimmten und unbestimmten Auswirkungen .................... 15 19. Gibt es völlig belanglose Handlungen?................................................... 15 20. Was sind die wichtigsten Arten von Handlungen? ..................................... 16 21. Reine und unreine Handlungen (A IV.232; M 57) ..................................... 16

Unterrichtsmaterialien zum Thema Karma · Karma-Lesebuch, Seite 4 Vorwort (M 135) Dharma-Unterweisungen sind Antworten auf intelligente und sinnvolle Fragen, die sich aus unserem

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KARMA – LESEBUCH

Unterrichtsmaterialien zum Thema Karma

Zitate von buddhistischen Meistern,

Erläuterungen, Übungen, und Merksätze

zusammengestellt von Lama Lhundrup, 1999, 2003 und 2006

Buddha Shakyamuni (in M 135.4, sowie A VI.63, zitiert von Asanga im Abhidharmakosha, S.96):

„Hört, ihr Praktizierenden: Die Wesen sind Eigentümer ihrer Handlungen,

sind Erben ihrer Handlungen, sind geboren aus ihren Handlungen, sind an ihre Handlungen gebunden, haben ihre Handlungen als Zuflucht.

Es sind die Handlungen, welche die Wesen in besser und schlechter Gestellte unterscheiden.”

Inhaltsübersicht

Vorwort (M 135)................................................................................................................4

Einführende Erläuterungen .............................................................................................4

1. Welche existentiellen Fragen stehen hinter der Karmafrage?..........................4 2. Müssen wir uns unbedingt mit Karma beschäftigen?....................................5 3. Wie lässt sich der Begriff „Karma“ definieren?..........................................5 4. Was beinhaltet ein Verständnis karmischer Kräfte?.....................................6 5. Was ist Karma? Die Rolle des Geistes und der Absicht (A VI.63, Dh 1-2).........6 6. Was führt den Geist und damit die Welt ins Dunkel?...................................7 7. Können wir Karma überhaupt verstehen?..................................................8 8. Ist die Karmalehre eine buddhistische Erfindung?.......................................8 9. Buddhas Sicht von Karma (Dh 183): Annehmen und aktive Verantwortung.......9 10. Buddhas Zusammenfassung der Karmalehre (M 135)..................................9 11. Wie hängen Karma und die vier edlen Wahrheiten zusammen?....................10 12. Muss ich an Karma glauben?...............................................................10 13. Muss ich an Wiedergeburt glauben?......................................................11 14. Rat zum Umgang mit Zweifeln an der Karma-Lehre (M 60) ........................12 15. Wie kommt der Buddha zu seinen Aussagen über Karma? (M 12).................13

Karmische Gesetzmäßigkeiten.......................................................................................14

16. Haben alle Handlungen Auswirkungen?.................................................14 17. Wann kommt Karma zur Reife?...........................................................14 18. Handlungen mit bestimmten und unbestimmten Auswirkungen....................15 19. Gibt es völlig belanglose Handlungen?...................................................15 20. Was sind die wichtigsten Arten von Handlungen?.....................................16 21. Reine und unreine Handlungen (A IV.232; M 57).....................................16

Karma-Lesebuch, Seite 2

22. Was sind heilsame Handlungen? (M 88).................................................17 23. Was sind nichtheilsame Handlungen?....................................................17 24. Sind heilsames Handeln, positives Karma und Verdienste identisch?.............18 25. Wie weit gehen die Auswirkungen unserer Handlungen?............................19 26. Was wird alles von unseren Handlungen beeinflusst?.................................20 27. Die Folgen von Handlungen (A I,29; M 136)...........................................20 28. Die Folgen von Taten und Worten im Überblick (D 30, M 135, A VIII.40)......22 29. Keine automatische Höherentwicklung: drei Arten langfristiger Auswirkungen23 30. Was sind existenzbestimmende und vervollständigende Handlungen?............24 31. Wie wird das Reifen von Karma erfahren?..............................................25 32. Die Rolle von Entscheidungen, Gesprächen, Gedanken..............................26 33. Die Rolle der rechten und falschen Anschauung (A I,22-25)........................27 34. Die Verzögerung von Auswirkungen der Handlungen (Dh 119, 120).............27 35. Wie entsteht Leid aufgrund von Unwissenheit und Karma?.........................27 36. Die Suche nach Glück als Ursache für Leid (M 13)...................................29 37. Was beeinflusst die Auswirkungen von Handlungen?................................29 38. Was ist unter starken Handlungen zu verstehen?.......................................30 39. Die 51 Gestaltungsfaktoren.................................................................31 40. Die vier Triebflüsse (M 2)..................................................................31 41. Das Entstehen von Emotionen und Tendenzen.........................................32 42. Wovon hängt die Stärke einer Handlung ab?............................................33 43. Wie wirken sich Emotionen und Stimmungen aus? (D 33, A X.174)..............34 44. Wie wirkt sich die Motivation aus?.......................................................35 45. Wie wirkt sich die Häufigkeit einer Handlung aus?...................................35 46. Das Abpuffern der Auswirkungen von Handlungen (Dh 173, A III.101).........35 47. Wie wirkt sich das Feld oder Gegenüber der Handlung aus?........................36 48. Karmische Tendenzen.......................................................................37 49. Karmische Sicht oder reine Sicht?.........................................................38 50. Karmische Tendenzen und Dharmapraxis...............................................38 51. Karmische Schleier...........................................................................39 52. Übungen zum Ermessen der Größe unseres eigenen Karmas........................40 53. Habe ich schon einmal frei von Ichbezogenheit gehandelt ?.........................42 54. Zu was für schädlichen Handlungen bin ich potentiell fähig ?......................42 55. Wie findet Karma sein Ende?..............................................................43 56. Kann jedes mögliche Karma jederzeit reif werden?...................................43 57. Ist Karma am Entstehen der Welt und der Wesen beteiligt? .........................44 58. Wie entstehen die verschiedenen Daseinsbereiche?...................................44 59. Wie ist das zu verstehen, das Karma „unabwendbar“ sein soll? (Dh 127)........46 60. Irreführende Darstellungen der Unabwendbarkeit von Karma......................47 61. Selbst für unser Leid verantwortlich......................................................48 62. Gibt es Zufall?.................................................................................48 63. Gibt es kollektives Karma? Beispiel Krieg und Völkermord ........................49 64. Was ist “Zugehörigkeit von Handlungen”? Erlebe ich fremdes Karma?..........52 65. Was ist mit “genau entsprechendem Ergebnis” gemeint? (A III, 101).............53 66. Was ist die dynamische Seite von Karma?..............................................55 67. Wie können Verdienste zunehmen?.......................................................57 68. Wo überall gilt das Gesetz von Karma?..................................................57 69. Erzeugt ein Erwachter noch Karma? (A IV.232; M 57; A III, 34) ..................58 70. Können mehrere Handlungen zugleich ihre Auswirkungen zeigen?...............59 71. Sind alle Erscheinungen karmisch bedingt?.............................................59 72. Wirkt Karma auch auf der letztendlichen Ebene der Wirklichkeit? ................60 73. Unser jetziges Sein als Spiegel früherer Handlungen..................................61 74. Ist unser Anhaften am Körper Quelle für negatives Karma?.........................62 75. Wie setzt sich Karma ins nächste Leben fort? (Dh 219f.; M 60)....................62 76. Karma und die Lehre des Nicht-Selbst...................................................64 77. Was ist der Tod eigentlich?.................................................................65

Karma-Lesebuch, Seite 3

Die praktische Anwendung der Karmalehren..............................................................65

78. Worin besteht unser Freiheitsspielraum?.................................................66 79. Was ist mit Handlungen, die wir nicht selbst oder freiwillig ausgeführt haben?.67 80. Die zehn nichtheilsamen Handlungen....................................................67 81. Was sind nichtheilsame Handlungen mit dem Körper?...............................67 82. Was sind nichtheilsame Handlungen mit der Rede?...................................70 83. Was sind nichtheilsame Handlungen mit dem Geist?.................................72 84. Was bewirkt das Unterlassen nichtheilsamer Handlungen?..........................75 85. Was sind “gemischte Handlungen”?......................................................75 86. Die Praxis heilsamen Verhaltens: Die 5 Silas (Dh 246, 247)........................76 87. Die 10 heilsamen Handlungen (M 41)....................................................76 88. Die Auswirkungen von heilsamen Handlungen........................................78 89. Warum ist es sinnvoll, heilsame Handlungen auszuführen?.........................80 90. Heilsames Handeln als Voraussetzung für geistige Ruhe.............................80 91. Wie kann mir die Karmalehre helfen, Geduld zu entwickeln?.......................81 92. Karma und Achtsamkeit.....................................................................82 93. Karma und Entsagung.......................................................................82 94. Karma und das Hervorbringen des Geistes des Erwachens ..........................83 95. Wie wenden wir “Karma” auf dem Weg zur Befreiung an? .........................83 96. Wie hilft mir das Bedenken von Karma, mit Leid umzugehen?.....................85 97. Nicht Reagieren, sondern tiefer Loslassen...............................................86 98. Kann ich Karma reinigen? (Dh 173, 239)................................................87 99. Wie kann ich gezielt Handlungen des Körpers reinigen?.............................93 100. Wie kann ich Handlungen der Rede reinigen?..........................................94 101. Wir müssen unser Karma erfahren, um es zu reinigen................................94 102. Die Praxis in Traum und Nachtodzustand...............................................94 103. Persönlicher Entschluss......................................................................94 104. Merksprüche des Geistestrainings zum Thema Karma:...............................95 105. Was sind die Früchte der Meditation über Karma?....................................95 106. Zusammenfassung der Karmalehren......................................................96 107. Fragen zur weiteren Diskussion:...........................................................97 108. Subtilere Aspekte der Karmalehre: Information und Nichtinformation............98 109. Erstantrieb und Zweitantrieb von Handlungen..........................................99 110. Literaturverzeichnis (unvollständig)....................................................100 Anhang 1: Das kürzere Sutra zu den Handlungen..........................................100 Anhang 2: Das längere Sutra zu den Handlungen..........................................104 Anhang 3: Sonderfälle der Karmalehre.......................................................111 Anhang 4: Was noch einzuarbeiten bleibt....................................................112

Es wurden eingearbeitet Unterweisungen zu Karma:

− von Buddha Shakyamuni im Palikanon (die Vermerke hinter den Überschriften weisen auf die entsprechenden Stellen im Palikanon hin)

− von Asanga im Abhidharma-Kompendium − von Vasubandhu in der Abhidharma-Schatzkammer (Kap.4, S.1-128)

− von Gampopa im Kostbaren Schmuck der Befreiung

− von Gendün Rinpotsche aus öffentlichen Unterweisungen

− von Karmapa Wangtschug Dordje im Ozean des Wahren Sinnes

− von Djamgön Kongtrul Lodrö Thayä im Licht des Wahren Sinnes (hier muss die Übersetzung noch durch unsere letzte Version ersetzt werden mit entsprechenden Seitenzahlen)

− einige Bemerkungen von Padmasambhava in den Dakini-Lehren

Karma-Lesebuch, Seite 4

Vorwort (M 135)

Dharma-Unterweisungen sind Antworten auf intelligente und sinnvolle Fragen, die sich aus unserem Wunsch ergeben, Befreiung und Erleuchtung zu erlangen. Der Buddha selbst begab sich aufgrund sol-cher existentieller Fragen auf die Suche. Indem er beobachtete, meditierte und seinem Handeln eine neue Richtung gab, fand er befriedigende Antworten auf diese Fragen. Seine Antworten beruhen auf Erfahrung.

Die beiden Grundlagenwerke für die Kagyü-Linie zum Abhidharma, der Abhidharma-samuccaya (Ab-hidharma-Kompendium) von Asanga und der sehr viel umfassendere Abhidharma-kosha (Abhidharma-Schatzkammer) von seinem Bruder Vasubandhu präsentieren die Kernthemen buddhistischer Lehre in Form von Fragen und Antworten. Der folgende Text ist nach eben solchen Fragen zusammengestellt, die in loser Reihenfolge aufeinander folgen. Bevor Sie die Antworten lesen, können Sie vielleicht für einen Moment innehalten und zunächst selber darüber nachdenken, um ihre persönliche Antwort dann mit diesen Unterweisungen zu vergleichen.

Es gibt übrigens eine exzellente Zusammenstellung von Beiträgen buddhistischer Lehrer zu diesem Thema, herausgegeben von Alfred Weil in der DBU-Schriftenreihe unter dem Titel “Karma” (Theseus Verlag). Diese Zusammenstellung sei allen Lesern wärmsten empfohlen, da so manche darin zu finden-de Erklärung hier nicht noch einmal aufgegriffen wird oder nur gekürzt zur Darstellung kommt.

Die Karmalehre wird im Westen vielfach falsch verstanden. Um diese Missverständnisse anzugehen wurde dieser Text zusammengestellt. Er ist in erster Linie als Hilfe für die Unterrichtenden gedacht und stellt nur eine erste, noch provisorische Annäherung an dieses riesige Thema dar. Eingerahmt in Kästen finden wir jeweils Merksätze, die wesentliche Punkte zusammenfassen, wie hier der erste:

Wenn wir die Gesetzmäßigkeiten von Karma verstehen, dann verstehen wir, wie Samsara funktioniert und wo wir ansetzen müssen, um Befreiung zu erlangen.

Karma zu verstehen bedeutet, das Leben zu verstehen.

Alfred Weil in Karma, Seite 11:

„Wer das Karmagesetz völlig durchschaut, versteht, ‚was die Welt im Innersten zusammenhält’. Ihm wird ersichtlich, wie die ‚Schicksale’ der Menschen reifen; wie die einen gegen ihren bewussten Willen immer tiefer ins Elend geraten und andere Glück und Zufriedenheit erreichen. Er begreift, wie sich die Wesen im Daseinskreislauf ihre Fesseln immer wieder neu schmieden, ohne es nur zu ahnen. Er erkennt aber auch, wie sie sich völlig und für immer von ihnen befreien können.“

Einführende Erläuterungen

1. Welche existentiellen Fragen stehen hinter der Karmafrage?

� Übung 1: Was interessiert mich zum Thema Karma? Schreiben Sie einmal auf, welche Fragen Sie bewegen, diesen Text in die Hand zu nehmen und sich mit Karma zu beschäftigen. Was möchten Sie über Karma wissen oder besser verstehen?

Falls Sie diese Fragen im Inhaltsverzeichnis finden, können Sie gezielt auf diese Fragen zugehen und an der entsprechenden Stelle nachlesen.

Häufig gestellte Fragen, mit denen wir uns in diesem Leitfaden beschäftigen, sind:

• Wodurch sind wir Menschen so verschieden und erfahren so krass verschiedene Lebensumstände?

• Warum erlebe ich diese oder jene Situation oder Stimmung? Wie kommt es zu meinem Charakter?

• Ist die Welt ein Chaos von Zufällen oder gibt es Gesetzmäßigkeiten, die wir nutzen können, um zu Glück und Befreiung zu finden?

Karma-Lesebuch, Seite 5

• Wenn es solche Gesetzmäßigkeiten gibt, welche Richtlinien kann ich daraus für mein Tun und Las-sen ableiten?

• Wo ist mein Freiheitsspielraum? Wie kann ich diese Gesetzmäßigkeiten evtl. nutzen, um wahres Glück in dieser Welt zu bewirken?

2. Müssen wir uns unbedingt mit Karma beschäftigen?

Ja, wenn wir noch Fragen zu diesem Thema haben. Es gibt aber eine einfache und geradlinige Art, mit dem komplexen Thema Karma umzugehen, die uns eine intensive intellektuelle Auseinandersetzung erspart:

Wir können uns im Vertrauen auf die unzähligen Meister, die sich bereits diesem Thema gewidmet ha-ben, einfach an deren Zusammenfassung der Unterweisungen zu Karma halten. In kürzester Form könn-te eine Zusammenfassung der Unterweisungen zu Karma vielleicht so lauten:

Sei bei allen Handlungen achtsam und motiviert von Liebe und Mitgefühl sowie dem Wunsch, zum Erwachen aller Wesen beizutragen. Entwickle zudem ein Verständnis der illusorischen Natur aller Phä-nomene, dann wird das Handeln makellos.

Padmasambhava in den Dakini-Lehren: “Viele können das Heilsame nicht vom Nichtheilsamen unter-scheiden. Wer jedoch dazu imstande ist, hat den Weg des Dharma betreten.”

Eine Zusammenfassung der Karmalehren von Gendün Rinpotsche befindet sich am Ende des Buches. Es kann aber dennoch höchst hilfreich sein, sich intensiver mit den einzelnen Aussagen zu Karma zu beschäftigen, weil uns ein genaueres Verständnis von karmischen Gesetzmäßigkeiten in die Lage ver-setzt, anderen besser helfen zu können. Auch sollten wir angesichts unseres Todes nicht bereuen müs-sen, unser Leben nicht besser genutzt zu haben:

Karmapa im Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe S.15: “Da wir um die Tatsache unseres nahenden Todes nicht herumkommen und es zu jenem Zeitpunkt außer gutem Karma und den Drei Juwelen kei-nen Schutz und keine Begleitung gibt, ist es außerordentlich wichtig, dafür zu sorgen, dass wir beim Sterben einen gelösten Geist haben, frei von Gewissensangst."

3. Wie lässt sich der Begriff „Karma“ definieren?

Karma ist ein Sanskrit-Wort und bedeutet „Handeln, Wirken, Schaffen”. Wenn wir von Karma spre-chen, so bezieht sich das auf alle Arten bewusster, absichtlicher Handlungen.

In herkömmlicher Sprechweise beinhaltet Karma auch die Auswirkungen der Handlungen (das „Ge-wirkte, Geschaffene“) sowie die Gesetzmäßigkeiten, die zwischen Handlungen und ihren Folgen zu beobachten sind.

Die Karma-Lehren befassen sich also mit:

1. den Handlungen (der „Saat“), 2. den Folgen, die unser Tun nach sich zieht (die „Ernte“) 3. den Regeln, nach denen es zu diesen Folgen kommt (das „Saat-Ernte-Gesetz“).

Buddha Shakyamuni fasst es so zusammen: Die Karmalehre handelt von der Saat, der Ernte und dem dazwischen liegenden Reifen.

� Streng genommen ist karma aber nur das auslösende Handeln, also Punkt 1. Die daraus entstehen-den Folgen werden vipaka genannt und vom eigentlichen Karma unterschieden.

Paul Debes in Begriffe der Buddha-Lehren, S.157:

„Karma ist der Ausdruck für den die ganze Existenz durchziehenden geistigen Kausalzusammenhang zwischen dem, was ein Wesen will und tut, und dem, was es wahrnimmt, erlebt. Je nach seinem Willen und Tun wird über kurz oder lang seine Wahrnehmung, sein Erleben.“

Karma-Lesebuch, Seite 6

Karma entsteht durch „bewusste” Handlungen. Das sind alle Handlungen, die bei voller geistiger Zu-rechnungsfähigkeit ausgeführt wurden. Geistige Vernebelung, Verrücktsein u. dgl. mindern die karmi-schen Auswirkungen. Bewusst zu sein bedeutet aber keineswegs, sich seiner Beweggründe bewusst zu sein, sondern nur, dass wir die Handlung beabsichtigen und dabei geistig präsent sind.

Es wäre in mancher Hinsicht geschickter, wir würden in unseren Unterhaltungen mit anderen, das Wort „Karma“ vermeiden und lieber von Handlungen und ihren Folgen sprechen.

4. Was beinhaltet ein Verständnis karmischer Kräfte?

Ursache und Wirkung von Handlungen zu verstehen beinhaltet: • ein Verständnis der Kräfte, die von bewussten Handlungen in Bewegung gesetzt werden

• ein Verständnis der dabei entscheidenden Faktoren (Motivation, Emotion, Häufigkeit usw.)

• ein Verständnis der Art und Weise, wie sie zur Wirkung kommen (die Kausalzusammenhänge)

• ein Verständnis der Möglichkeiten, diese Kräfte zu beeinflussen (verstärken, neutralisieren oder abschwächen)

• ein Verständnis, wie karmische Kräfte für die Befreiung von Leid und das Erwachen aller Wesen genutzt werden können

5. Was ist Karma? Die Rolle des Geistes und der Absicht (A VI.63, Dh 1-2)

Die Karmalehre bezieht sich auf bewusste Handlungen, die wir mit Körper, Rede und Geist ausführen.

Allem Handeln geht der Geist voraus. Deshalb ist gedankliches Handeln von entscheidender Bedeutung.

Das wird uns vielleicht etwas überraschen, da wir bei dem Wort “Handlung” zunächst nur an körperli-ches und vielleicht sprachliches Handeln denken. Doch allem Handeln mit dem Körper oder der Rede gehen Gedanken voraus, deswegen muss gedankliches Handeln unbedingt in die Analyse der Ursache-Wirkungsbeziehungen mit einbezogen werden. Auch bloßes Denken ist bereits eine Aktivität, die Aus-wirkungen hat. Diese Auswirkungen werden umso spürbarer, wenn sich unsere Gedanken zu Absichten formen, die dann vom Körper und der Rede oder auch vom Geist selbst umgesetzt werden.

Vasubandhu in der Abhidharma-Schatzkammer (Kap.4, S.1): „Was sind Handlungen? Absicht (cetana) und das, was diese Absicht bewirkt.” und: “Handlungen bestehen aus Gedanken und ihrer Ausführung.” und: “Absicht ist geistige Handlung. Daraus entspringen körperliche und sprachliche Handlungen.”

Buddha Shakyamuni in A VI.63:

„Den Willen (cetanā) bezeichne ich als das Wirken (karma), denn mit dem Willen handelt man in Ta-ten, Worten und Gedanken... Es gibt Handlungen, ihr Praktizierenden, die in der Hölle reifen, ...die als Wiedergeburt unter Tieren reifen, ...im Reich der Geister, ...in der Menschenwelt, ...und in den Götter-welten. Dreierlei aber ist das Ergebnis der Handlungen: entweder bei Lebzeiten reifend, oder in der nächsten Geburt, oder bei einer späteren Gelegenheit.“

Karmapa im Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe S.17: „Handlung ist zweifach: die Handlung des Denkens und die Ausführung des Gedachten. Und zugleich ist sie dreifach: körperliche, sprachliche und geistige Handlung.“

Asanga definiert Handlungen im Abhidharma-Kompendium, S.82:

„Was ist emotional verschleiertes Handeln (klesadhipateya karma)?

Absichtsvolles Handeln (cetanakarma, das Entwickeln einer Absicht) und beabsichtigtes Handeln (ce-tayitvakarma, das Umsetzen der Absicht). Dies sind die Merkmale von Handeln.”

Hierbei wird in heilsame und nichtheilsame Absicht unterschieden (kusala- oder akusala-cetanā).

Vasubandhu in der Abhidharma-Schatzkammer (Kap.4, S.12-13): „Es gibt zwei Arten von Absicht. Zu-nächst, als Anfang oder Vorbereitung (prayoga), bringt man eine Absicht hervor, die bloße Absicht ist:

Karma-Lesebuch, Seite 7

‚Ich sollte diese oder jene Handlung ausführen.’ Das ist, was im Sutra ‚absichtsvolles Handeln’ (cetana-karma) genannt wird. Nach diesem Stadium der bloßen Absicht entwickelt man eine Absicht zu han-deln, die (konkrete) Absicht, eine Handlung auszuführen in Übereinstimmung mit dem, was vorher ge-wünscht wurde, d.h. den Körper zu bewegen, die Stimme einzusetzen. Das ist, was das Sutra ‚beabsich-tigtes Handeln’ oder ‚Handeln nach Absicht’ (cetayitvakarma) nennt.“

Es werden fünf Arten von Handeln unterschieden (siehe Asanga, S.83), aber in Zusammenhang mit Karma geht es allgemein um Handeln, das von Absicht begleitet ist.

Buddha Shakyamuni im Wahrheitspfad (Dhammapada, Verse 1 und 2):

„Vom Geiste geh’n die Dinge aus, sind denkgeboren, denkgefügt. Wer da verderbten Geistes spricht und handelt aus verderbtem Geist, dem folgt zwangsläufig Leiden nach, wie Radspur folgt der Zugtierspur.

Vom Geiste geh’n die Dinge aus, sind denkgeboren, denkgefügt. Wer da geklärten Geistes spricht und handelt aus geklärtem Geist, dem folgt zwangsläufig Wohlsein nach, dem untrennbaren Schatten gleich.“ Oder in anderer Übersetzung:

„Allen Erfahrungen geht der Geist voraus; der Geist ist ihr Herr; sie sind vom Geist erschaffen. Leid folgt übelwollenden Gedanken und Worten wie die Räder des Ochsenkarrens den Hufabdrücken des Ochsens. – Allen Erfahrungen geht der Geist voraus; der Geist ist ihr Herr; sie sind vom Geist erschaf-fen. Glück folgt wohlwollenden Gedanken und Worten wie ein Schatten, der uns nie verlässt.“

Gendün Rinpotsche in Das Gesetz des Karma, Seite 9:

„Die Handlungen von Körper oder Rede hängen direkt vom Geisteszustand ab, in dem man sich befin-det, wenn man die jeweilige Tat begeht. Befinden wir uns in einem heilsamen Geisteszustand, ist die Handlung von Körper oder Rede heilsam, und umgekehrt. Der Geist ist das Oberhaupt, Körper und Re-de sind nur Diener des Geistes. Alle Handlungen, die wir begehen, hängen von unserem Geisteszustand ab.“

Licht des wahren Sinnes (im Kapitel über das Reinigen von Handlungen):

„Geistige Handlungen sind von Anhaftung, Abneigung und Unwissenheit motivierte Handlungen, die sich nicht körperlich oder sprachlich manifestiert haben. Wenn diese sich wahrnehmbar manifestieren, sprechen wir von körperlichen und sprachlichen Handlungen. Doch sämtlichen Handlungen geht der Geist voraus. So heißt es:

‚Der Geist ist die Wurzel des Giftes, das die Welt ins Dunkel führt’.”

6. Was führt den Geist und damit die Welt ins Dunkel?

Der Buddha sagt: Dies bewirken die Gestaltungskräfte (samskara, die 51 Geistesfaktoren, das vierte Skandha).

Asanga, S.3: „Was ist das Merkmal der Gestaltungskräfte? Erzeugen ist das Merkmal der Gestaltungs-kräfte. Die Natur von Gestaltung ist zu formen und zu konstruieren. Durch die Gestaltungskräfte (die 51 Geistesfaktoren) wird der Geist auf heilsames Handeln (kusala, die 11 heilsamen Geistesfaktoren und verwandte Qualitäten), auf nichtheilsames Handeln (akusala, die 26 nichtheilsamen Geistesfaktoren) oder auf neutrale/unbestimmte Handlungen (avyakrta) ausgerichtet.”

Karma-Lesebuch, Seite 8

Asanga, S.6: „Wie ist das Skandha der Gestaltungskräfte definiert? Sie sind die sechs Gruppen des Inte-resses (cetana): das Interesse, das hervorgerufen wird durch Kontakt mit dem Auge, mit den Ohren, der Nase, der Zunge, dem Körper und dem Geist, aufgrund dessen man zu einem ‚reinen’ Geisteszustand neigt, zu einem ‚unreinen’, d.h. emotional verschleierten Zustand oder zur Unterscheidung der Zustän-de.”

(Nähere Erläuterungen zu diesen Gestaltungskräften sind in meinem Text “The 51 mental factors” zu-sammengestellt, siehe Homepage www.someglimpses.com .)

7. Können wir Karma überhaupt verstehen?

Die folgenden Ausführungen sollen einen Anstoß geben, uns mit den von buddhistischen Meistern auf-gezeigten Zusammenhängen selbst auseinanderzusetzen. Dazu brauchen wir ein aufrichtiges Interesse und zusätzlich einen einigermaßen klaren Geist, um auch subtilere Ebenen der Wirklichkeit wahrneh-men zu können.

Wir sollten uns nicht von einer eigenständigen Untersuchung der Wirklichkeit abschrecken lassen, weil wir gehört haben, nur ein Buddha sei in der Lage, Karma vollkommen zu verstehen. Das stimmt sicher, denn wer von uns kann schon die Leben all der unzähligen Wesen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft überblicken?

Doch: Es gibt vieles, was wir bereits jetzt mit unseren begrenzten Möglichkeiten erkunden können und was äußerst hilfreich auf dem Weg zur Befreiung von Leid ist.

So mancher Dharmapraktizierende macht den Fehler, sich die Dharmalehren wie einen neuen Pullover überzuziehen, ohne sie zu testen und zu hinterfragen. Das ist sicherlich auch eine Qualität, im Vertrauen auf das Wort Buddhas und der Lehrer, keine Zweifel an ihrer Lehre zu haben. Doch bei vielen Praktizie-renden kommen später Zweifel. Sie merken dann, dass sie das Fundament ihrer Dharmapraxis nicht gründlich genug gelegt haben. Sie haben Lehrsätze wie Dogmen geschluckt, ohne die Medizin, die in jedem dieser buddhistischen Lehrsätze steckt, wirklich nutzbringend anzuwenden.

Die Lehre über Karma ist wie die anderen Lehren Buddhas kein Dogma oder Ideenkonstrukt, sondern eine Aufforderung, die Wirklichkeit unter einem neuen Gesichtspunkt zu betrachten.

Der Buddha hat höchsten Wert darauf gelegt, dass wir seinen Ausführungen nicht blind folgen, sondern alles selbst überprüfen. Und davon hat er die Karmalehren keineswegs ausgeschlossen. Deswegen wol-len wir das jetzt tun, soweit es im Augenblick möglich ist, ohne zu vergessen, dass unserem Bemühen Grenzen gesetzt sind, da wir noch keine klare Sicht der Wirklichkeit entwickelt haben, wie es auch Djamgön Kongtrul im Licht des wahren Sinnes, S.15, ausdrückt:

„Die Lehre über die Folgen von Handlungen ist von zentraler Bedeutung unter den zahllosen Dharma-Unterweisungen des Buddhas. Sie ist von daher auch außerordentlich tiefgründig und umfassend. Nur diejenigen, die den Einen Geschmack1 verwirklicht haben, haben keinerlei Unsicherheiten mehr über die Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkungen von Handlungen. Gewöhnliche Menschen hin-gegen verstehen nicht, wie Karma funktioniert.“

8. Ist die Karmalehre eine buddhistische Erfindung?

Keineswegs. Zur Zeit Buddhas existierte die Karmalehre bereits in Indien. Auch im Westen gibt es wie in jeder Kultur sehr viel Wissen um die Zusammenhänge zwischen bestimmten Formen des Verhaltens und zukünftigem Erleben. Die zehn Gebote sind ebenso Ausdruck hiervon wie die subtileren Aspekte christlicher Ethik. Auch die heutige Psychologie und Soziologie widmen sich im Detail dem Untersu-chen der Zusammenhänge zwischen Handeln, Wahrnehmung, Emotion und Entscheidungsfindung. Sie zeigen die Zusammenhänge zwischen Handeln, Erleben und Persönlichkeitsstruktur auf und erarbeiten Konzepte und Therapieansätze zur heilsamen Beeinflussung der Persönlichkeitsentwicklung.

1 Ein Geschmack ist eine sehr hohe Stufe der Verwirklichung, wo der Praktizierende erkennt, dass alle Phänomene ohne Ausnahme ein- und dieselbe Natur besitzen, jenseits aller Dualität.

Karma-Lesebuch, Seite 9

In jeder Kultur gibt es ein gewisses Verständnis der Zusammenhänge von Handlungen und Folgen.

Doch die verschiedenen Kulturen legen unterschiedlichen Wert auf eine präzise Beobachtung dieser Zusammenhänge. Zusätzliche Unterschiede ergeben sich aus kulturell geprägten Interpretationen des Erlebten. Manche Kulturen beschränken sich in ihrer Betrachtung auf dieses eine Leben. Manche neh-men die Existenz eines Gottes als Richter über das Karma an, usw.

9. Buddhas Sicht von Karma (Dh 183): Annehmen und aktive Verantwortung

Buddha Shakyamuni fasste die Lehre aller Erwachten wie folgt zusammen (Dhammapada 183):

„Nichts Schädliches zu tun, Heilsames zu wirken und den eigenen Geist zu reinigen – dies ist die Lehre der Buddhas.“

Der Buddha wandte sich gegen fatalistische Fehlinterpretationen karmischer Zusammenhänge, wie sie auf dem indischen Subkontinent gängig waren. Er wies zudem darauf hin, dass es im gesamten karmi-schen Prozess kein bleibendes Ich und auch keinen Gott zu finden gibt, und zeigte den Weg, wie karmi-sche Bedingtheit überwunden und vollkommene Freiheit erlangt werden kann. Er hat den wichtigen Platz der Karmalehre im Rahmen des Weges der Befreiung betont. Besonders wichtig war auch, dass er die Bedeutung der Absicht oder Motivation beim Handeln als die entscheidende Komponente heraus stellte, wodurch der Rede und dem Körper eine dem Geist nachgeordnete Bedeutung zukommen.

Alfred Weil in Karma, Seite 11: „Die buddhistische Lehre vom Karma... will nicht nur Wege zu einem besseren, erfüllten Leben zeigen. Deshalb begnügt sie sich auch nicht mit dem Rat, 'Schädliches zu las-sen und Heilsames zu tun', wie es andere Religionen und Weltanschauungen überwiegend tun. Sie leitet nicht nur zum richtigen Tun an wie die sonstigen großen Entwürfe von Moral und Ethik. Sie geht am Ende über alles Wirken hinaus und weist so auf das Tor, das in die uneingeschränkte Freiheit führt.”

Die wichtigsten Merkmale der buddhistischen Karmalehre sind:

− Annehmen dessen, was uns geschieht und was wir erfahren, als selbst Bewirktes, aber: − kein Fatalismus, sondern aktive Verantwortung vor uns selbst und anderen − kein bleibendes Ich als Zentrum des Handelns − kein Gott als Richter- oder Gnadeninstanz − das Verständnis von Karma öffnet den Weg zur Befreiung von Leid − ob eine Handlung heilsam ist oder nicht, entscheidet sich nur nach der Motivation und ihren Folgen − die Karmalehre transzendiert am Ende alles Handeln und Wirken; buddhistische Ethik hat ihren

Bezugspunkt jenseits des Handelns

Paul Debes in Begriffe der Buddha-Reden (S.161): „Zwei Grundhaltungen ergeben sich aus dem Kar-magesetz: Die eine ist Hinnehmen, was an Unangenehmem herantritt und nicht zu ändern ist, ohne An-sprüche, ohne Aufbegehren – denn es ist die Wiederkehr des irgendwann von mir Ausgegangenen; in-dem ich ihm standhalte, es also ertrage und durchstehe, da wird es abgetragen und gar gelöscht. – Die andere Grundhaltung ist: So gut und hell wie möglich handeln und darin immer beharrlicher werden.“

10. Buddhas Zusammenfassung der Karmalehre (M 135)

Hier noch einmal das Zitat von Buddha Shakyamuni (M 135), das dem Text vorangestellt wurde:

„Hört, ihr Praktizierenden: Die Wesen sind Eigentümer ihrer Handlungen,

sind Erben ihrer Handlungen, sind geboren aus ihren Handlungen, sind an ihre Handlungen gebunden, haben ihre Handlungen als Zuflucht.

Es sind die Handlungen, welche die Wesen in besser und schlechter Gestellte unterscheiden.”

Karma-Lesebuch, Seite 10

Asangas Erklärungen hierzu (S.96) geben einen Einblick in die wichtigsten Aspekte der Karmalehre:

– Inwiefern haben die Lebewesen ihre Handlungen als Eigentum? – Da sie [selbst] die Auswirkungen der Handlungen erfahren, die von ihnen ausgeführt wurden.

– Inwiefern werden sie Erben ihre eigenen Handlungen? – Da sie im Erleben der Auswirkungen ihrer Handlungen [in diesem wie in späteren Leben] das ihnen entsprechende heilsame und nichtheilsame Karma als Erbe erhalten.

– Inwiefern haben sie ihre Handlungen als Gebärmutter? – Da die Lebewesen nicht ohne Ursache (ahetu) geboren werden und auch nicht durch eine ungleiche Ursache (visamahetu) [sondern durch die von ihrem Geistesstrom erzeugten karmischen Kräfte].

– Inwiefern haben sie ihre Handlungen als Zuflucht? – Da sie in Verbindung mit den entgegengesetz-ten Handlungen (pratipaksakarma) und den höheren Handlungen sind [denn sie können den Folgen schädlicher Handlungen entgegenwirken und sich auf heilsame „höhere“ Handlungen ausrichten.]

– Inwiefern erfahren die Wesen höhere oder niedere Zustände aufgrund ihrer Handlungen? – Da sie aufgrund ihrer Handlungen verschiedene Persönlichkeiten (atmabhavaprabheda) in höheren oder niederen Daseinsbereichen erhalten [d.h. sie werden entsprechend ihrer früheren Handlungen in mehr oder weniger günstigen Bedingungen geboren].

– Inwiefern werden sie besser oder schlechter? – Da die Wesen unterschiedliche gute und schlechte Qualitäten besitzen [d.h. aufgrund ihrer Handlungen werden sie mit mehr oder weniger Fähigkeiten und unterschiedlichen Neigungen geboren].

11. Wie hängen Karma und die vier edlen Wahrheiten zusammen?

Die erste Wahrheit, über die der Buddha lehrte, war die Wahrheit des Leides, die Tatsache, dass nicht nur die offensichtlich unangenehmen Situationen leidvoll sind, sondern auch die angenehmen und scheinbar neutralen Situationen. Er wies auf die allgegenwärtigen, subtilen Formen von Leid hin.

Dieses Leid beruht auf unserem Haften am Angenehmen und dem Glauben an die vermeintliche Exis-tenz eines Ich mit all den sich daraus ergebenden Handlungen. Dies ist die zweite edle Wahrheit, die Wahrheit der Ursachen des Leides − das Ichanhaften mit den daraus folgenden ichbezogenen Wahr-nehmungen und Handlungen als Ursache allen Leides in dieser Welt. Ichbezogenheit färbt alle unsere Handlungen, sie färbt unsere Sicht der Welt und ist die Quelle allen Leides. Und damit sind wir mitten im Thema Karma: Ichbezogene Handlungen mit Körper, Rede und Geist auszuführen ist das, was wir gemeinhin etwas salopp „Karma ansammeln“ nennen.

Karmische Kräfte, durch ichbezogene Handlungen erzeugt, sind die Ursache von Leid.

Nun, der Buddha hat es glücklicherweise nicht bei dieser treffenden aber tristen Analyse belassen. Die dritte von ihm gelehrte edle Wahrheit ist die Wahrheit vom Ende allen Leides, die vollkommene Befrei-ung von Leid, jenseits von Ichbezogenheit und Ich-Illusion, das, was auch Nirwana (das „Jenseits von Leid“) genannt wird.

Der Buddha beschrieb zudem den Weg dahin und diese Unterweisung ist die vierte edle Wahrheit, die Wahrheit vom Weg zur Auflösung allen Leides. Dies ist eine frohe Botschaft: Es gibt also tatsächlich einen Weg, von aller Ichbezogenheit frei zu werden. Spätere buddhistische Meister haben dies den Weg zur Großen Freude genannt, der Freude jenseits allen Anhaftens.

Die zentrale Methode auf dem Weg des Erwachens ist das gezielte Tun und Lassen.

So ist die Karmalehre ein unerlässlicher Schlüssel zum Verständnis besonders der zweiten und vierten edlen Wahrheit, auf die Buddha Shakyamuni uns aufmerksam machte.

12. Muss ich an Karma glauben?

Manche Menschen meinen, sich mit Karma zu beschäftigen würde zwangsläufig bedeuten, an Karma glauben zu müssen. Das ist nicht der Fall. Karma ist keine Glaubensfrage und die Karmalehre ist kein

Karma-Lesebuch, Seite 11

Dogma, sondern eine Beschreibung unserer relativen Wirklichkeit. Diese Beschreibung wurde von den Meistern der Vergangenheit immer wieder bestätigt und den jeweiligen Gegebenheiten entsprechend neu formuliert.

Damit unsere Beschäftigung mit Karma eine unser Wesen verändernde Kraft entfaltet, muss sie auf un-serer persönlichen Erfahrung aufbauen und zu persönlicher Überzeugung führen.

Die Frage: “Glaubst du an Karma?” ist verfehlt, denn sie bedeutet übersetzt einfach: “Glaubst du, dass Handlungen Auswirkungen haben?” und es ist keine Frage des Glaubens, ob Handlungen Auswirkun-gen haben. Vielleicht sollten wir die Frage mal umdrehen: “Glaubst du, dass Handlungen keine Auswir-kungen haben?”, und jeder würde mit “Nein” antworten, weil es offensichtlich ist, dass Handlungen sehr spürbare Auswirkungen haben. Somit “glaubt” also jeder aufgrund seiner zu Gewissheit geronnenen Erfahrungen an einen der wichtigsten Sätze der buddhistischen Karmalehre: Handlungen haben Auswir-kungen.

Würden wir gefragt: “Glaubst du alles, was in der buddhistischen Karmalehre gesagt wird?”, dann wür-den wir sicherlich zögern, denn wer kennt schon die gesamte buddhistische Lehre zu diesem Thema und hat sich die Mühe gemacht, das alles zu überprüfen. Ehrlicherweise müssten wir antworten: “Ich weiß nicht, ich kenne mich da nicht genug aus. Manches erscheint mir aufgrund eigener Erfahrung völlig einleuchtend und anderes kann ich nicht nachvollziehen, zumindest im Moment noch nicht.” Das ist eine gesunde Haltung: Wir brauchen uns und andere nicht zu einem Glauben an Karma zu überreden.

Einige Aspekte der Karmalehre können wir bereits jetzt verifizieren und andere Aspekte müssen warten, bis es uns vielleicht irgendwann einmal möglich ist, sie zu überprüfen.

Wir sollten diese später zu überprüfenden Aspekte von Buddhas Lehre in unserem Geist auf die Seite tun, sozusagen in einem Sack verstauen und darauf schreiben: „Vermutlich hilfreich − später überprü-fen“. Damit lassen wir diese Fragen offen. Wir haben Vertrauen in den Buddha, dass er uns wahrschein-lich auch bei diesen Aspekten seiner Lehre nichts vorgemacht hat Aber wir sind uns bewusst, dass ein persönliches Nachvollziehen im Moment unsere Möglichkeiten übersteigt. Das ist auf längere Sicht gesünder, als unsere Dharmapraxis auf nicht überprüfte Glaubenssätze zu bauen.

In emotional schwierigen Situationen werden uns Glaubenssätze nicht viel helfen. Wir haben vielleicht schon Sätze zu hören bekommen, wie: „Du bist doch selbst schuld; das ist dein Karma.” oder: „Du soll-test das nicht tun; das führt zu einer schlechten Wiedergeburt”. Obwohl in diesen Sätzen auch etwas Hilfreiches ist, so machen sie so manchen von uns eher sauer, wenn wir sie zu hören bekommen, denn sie sind etwas plump und zeigen einen Mangel an Einfühlungsvermögen und persönlicher Reflexion. Wer weiß denn schon aus persönlicher Einsicht, welche Handlungen der Vergangenheit zur jetzigen Situation geführt haben und wozu eine bestimmte Handlung in der Zukunft führen wird? Und wenn wir es wüssten, würden wir sicherlich einfühlsamere Worte finden und unsere Freunde nicht mit Ausfüh-rungen über Karma auf die Palme bringen.

13. Muss ich an Wiedergeburt glauben?

Sich mit Karma zu beschäftigen bedeutet übrigens nicht unbedingt, dass wir uns zugleich auch mit der Wiedergeburtslehre beschäftigen und diese gar akzeptieren müssten. Es stimmt, dass eine Beschäftigung mit Karma die Fragen aufwirft: “Was war eigentlich vor diesem Leben? Und was kommt danach? Hö-ren die karmischen Kräfte mit dem Tod auf oder wirken sie in irgendeiner Form weiter? Warum unter-scheiden sich sogar eineiige Zwillinge bereits als Babys derart stark?” Aber diese im Moment nicht ü-berprüfbaren Fragen können wir fürs erste getrost in den oben erwähnten Sack („Vermutlich hilfreich − später überprüfen“) tun.

Unser jetziges Leben bietet uns eine Fülle von Material zur Beschäftigung mit karmischen Zusammen-hängen und wir brauchen dafür nicht unbedingt an andere Leben zu glauben. Vom Dharma-Standpunkt reicht es aus zu sagen: “Was weiß ich schon über Wiedergeburt. Ich schließe diese Möglichkeit nicht aus.“ und:

Karma-Lesebuch, Seite 12

„Um heilsam zu handeln, das Erwachen anzustreben und mich für andere Wesen einzusetzen, brauche ich keine absolute Gewissheit über die Zeit nach dem Tod.“

und: „Es gibt natürlich viele Hinweise für ein Leben nach dem Tod und auch vor der Geburt, aber ich zerbreche mir nicht den Kopf darüber, sondern tue einfach, was mir möglich ist, ein Leben im Sinne des Dharma zu führen.“

14. Rat zum Umgang mit Zweifeln an der Karma-Lehre (M 60)

Buddha Shakyamuni hat im Sutra „Die unbestreitbare Lehre“ (Apannaka Sutta, M 60) ausführliche Er-läuterungen dazu gegeben, wie wir mit solchen im Moment für uns unlösbaren Fragen zu Karma und Wiedergeburt umgehen können. Dabei bezieht er sich auf mehrere Ansichten, die das Gegenteil des von ihm gelehrten Dharma sind:

- die Ansicht, es gäbe keine weitere Existenz nach diesem Leben - die Ansicht, es gäbe keine Auswirkungen von Handlungen über dieses Leben hinaus - die Ansicht, es gäbe keine unterschiedlichen Folgen von heilsamen und schädlichen Handlungen - die Ansicht, es gäbe keine Ursachen für die Verwirrung oder die Klarheit von Wesen - die Ansicht, es gäbe keine glücklichen oder leidvollen Bereiche der Wiedergeburt - die Ansicht, es gäbe keine Möglichkeit, den Wiedergeburten ein Ende zu setzen

Die Antwort des Buddhas ist stets die gleiche; er sagt (Apannaka Sutta, M 60, hier in gekürzter Form):

„Darüber erwägt ein Weiser so: ‚Verschiedene Lehrer und Philosophen vertreten diese Lehrmeinungen und Ansichten. Aber das ist von mir nicht gesehen worden. Andere Lehrer und Philosophen vertreten die genau entgegen gesetzten Anschauungen. Aber auch das weiß ich nicht und kann es nicht beurteilen. Wenn ich mich, ohne zu wissen und zu sehen, für eine Seite entscheiden und verkünden würde: ‚Nur dies ist wahr, alles andere ist falsch’, so wäre das nicht angemessen. Und der Weise überlegt:

Wenn es eine weitere Existenz nach diesem Leben gibt, wenn es Auswirkungen von Handlungen über dieses Leben hinaus gibt, wenn es unterschiedliche Folgen von heilsamen und schädlichen Handlungen gibt, wenn es Ursachen für die Verwirrung oder die Klarheit von Wesen gibt, wenn es glückliche und leidvolle Bereiche der Wiedergeburt gibt, wenn es die Möglichkeit gibt, den Wiedergeburten ein Ende zu setzen, dann werden wir bei Auflösung des Körpers, nach dem Tode, wiedergeboren. Die Auswirkungen von heilsamen Handlungen werden dann als klarer, nicht verwirrter Geist an einem glücklichen Ort, ja sogar in himmlischen Welten, erfahren und es besteht zudem die Möglichkeit, dem Kreislauf der Wiederge-burten ein Ende zu setzen.

Aber egal, ob das Wort dieser Lehrer und Philosophen wahr ist oder nicht. Einmal angenommen, es gäbe keine weitere Existenz, keine Folgen von Handlungen usw.: Ein Mensch, der schädlich handelt, wird dennoch hier und jetzt von den Weisen getadelt. Hingegen wird jemand, der heilsam handelt, hier und jetzt von den Weisen als sittsame, vertrauenswürdige Person gelobt, als einer mit richtiger An-schauung, der hilfreich handelt, seine Emotionen bezähmt, sich der möglichen Auswirkungen seiner Handlungen bewusst ist und nicht voreilig Standpunkte einnimmt bei Dingen, die er nicht beurteilen kann.

Wenn es aber andererseits eine weitere Existenz, über dieses Leben hinausreichende Folgen von Hand-lungen usw. gibt, dann hat der schädlich Handelnde einen doppelt schlechten Wurf gemacht, denn nicht nur wird er hier und jetzt von den Weisen getadelt, sondern er erfährt nach dem Tode die Auswirkungen seiner nichtheilsamen Handlungen als großes Leid, möglicherweise sogar als extreme Qualen in den Höllenbereichen. Er hat diese unbestreitbare Lehre nicht richtig bedacht und er nimmt eine einseitige Haltung ein, welche die heilsame Alternative ausschließt.

Hingegen hat der heilsam handelnde Mensch einen doppelt guten Wurf gemacht, denn er wird von den Weisen hier und jetzt gelobt und erfährt nach dem Tode die Auswirkungen seiner heilsamen Handlun-gen als Glück und er hat sogar die Möglichkeit, völlige Befreiung zu erlangen. Jemand, der so erwägt

Karma-Lesebuch, Seite 13

und handelt, hat diese unbestreitbare Lehre richtig angenommen und übernommen, auf eine Weise, die beide Möglichkeiten offen lässt und die nichtheilsame Alternative ausschließt.“

Dies ist eine Einstellung, mit der sich der Weg zunächst einmal gehen lässt. Doch es ist für alle buddhis-tischen Meister mit völliger Gewissheit klar, dass es frühere und spätere Leben gibt. Deshalb gehen auch die folgenden Erklärungen davon aus.

15. Wie kommt der Buddha zu seinen Aussagen über Karma? (M 12)

Buddha Shakyamuni trifft seine Aussagen aufgrund direkter Schau. Dies geht aus dem Sutra Die länge-re Lehrrede vom Löwenruf (M 12, Mahasinhanada Sutta) hervor. Dort spricht der Erwachte über die zehn Kräfte eines Tathagata Buddha (eines „Sogegangenen“):

„Sariputta, der Tathagata hat die zehn Kräfte eines Tathagata, und weil er diese besitzt, beansprucht er den Platz als Anführer der Gemeinschaft, lässt seinen Löwenruf in den Versammlungen ertönen und setzt das Rad der reinen Lehre in Bewegung. Was sind diese zehn?

– Der Tathagata versteht der Wirklichkeit entsprechend das Mögliche als möglich und das Unmögli-che als unmöglich.

– Der Tathagata versteht der Wirklichkeit entsprechend, was für Folgen das Ausführen von Handlun-gen bewirkt – vergangene, zukünftige und gegenwärtige Folgen – mit den verschiedenen Möglich-keiten und Ursachen.

– Der Tathagata versteht der Wirklichkeit entsprechend die Wege, die zu allen Bestimmungen [Wie-dergeburt und Befreiung] führen.

– Der Tathagata versteht der Wirklichkeit entsprechend die Welt mit ihren vielen und verschiedenen Elementen [d.h. in ihren Zusammenhängen].

– Der Tathagata versteht der Wirklichkeit entsprechend die unterschiedlichen Neigungen der Lebewe-sen.

– Der Tathagata versteht der Wirklichkeit entsprechend [alle höheren Geisteszustände]: die Befle-ckung, die Reinigung und das Auftauchen in Bezug auf die Vertiefungen, Erlösungen, Konzentrati-onen und Erreichungszustände.

– Der Tathagata erinnert sich an seine vielfältigen früheren Leben, das heißt, an eine Geburt, zwei Geburten, drei Geburten, vier Geburten, fünf Geburten, zehn Geburten, zwanzig Geburten, dreißig Geburten, vierzig Geburten, fünfzig Geburten, hundert Geburten, tausend Geburten,, hunderttausend Geburten, viele Äonen, in denen sich das Weltall zusammenzog, viele Äonen, in denen sich das Weltall ausdehnte, viele Äonen, in denen sich das Weltall zusammenzog und ausdehnte: ‚Dort wur-de ich soundso genannt, war von solcher Familie, mit solcher Erscheinung, solcherart war meine Nahrung, so mein Erleben von Glück und Schmerz, so meine Lebensspanne; und nachdem ich von dort verschieden war, erschien ich woanders wieder; auch dort wurde ich soundso genannt, war von solcher Familie, mit solcher Erscheinung, solcherart war meine Nahrung, so mein Erleben von Glück und Schmerz, so meine Lebensspanne; und nachdem ich von dort verschieden war, erschien ich hier wieder.’

– Der Tathagata sieht mit dem Himmlischen Auge [der tiefen Meditation], das geläutert und dem menschlichen Auge überlegen ist, die Wesen sterben und wiedererscheinen sehen: gemeine und ed-le, schöne und hässliche, glückliche und elende. Er versteht, wie die Wesen ihren Handlungen ge-mäß weiterwandern: ‚Diese geschätzten Wesen sind in Taten dem Schädlichen zugetan, in Worten dem Schädlichen zugetan, in Gedanken dem Schädlichen zugetan, sie missbilligen die Edlen, hegen falsche Ansicht und kommen aus falscher Ansicht zu falschem Wandel. Wenn der Körper stirbt, nach dem Tod, gelangen sie auf eine schlechte Bahn, in Umstände, die von Entbehrung, Unglück und Verderbnis geprägt sind, ja sogar in die Tiefen der Schmerzenswelt. Jene geschätzten Wesen aber sind in Taten dem Heilsamen zugetan, in Worten dem Heilsamen zugetan, in Gedanken dem Heilsamen zugetan. Sie missbilligen nicht die Edlen, hegen rechte Ansicht und kommen aus rechter

Karma-Lesebuch, Seite 14

Ansicht zu rechtem Wandel. Wenn der Körper stirbt, nach dem Tod, gelangen sie auf eine gute Bahn, in glückliche Umstände, ja sogar in himmlische Welten.

– Der Tathagata tritt durch eigene Verwirklichung mit höherer Geisteskraft hier und jetzt in die Her-zensbefreiung ein, die Befreiung durch Weisheit, die mit der Vernichtung der Triebe (emotionaler Verblendung) triebfrei ist, und verweilt darin. Dies sind die Kräfte eines Tathagata, und weil er diese besitzt beansprucht er den Platz als Anführer der Gemeinschaft, lässt seinen Löwenruf in den Ver-sammlungen ertönen und setzt das Rad der reinen Lehre in Bewegung.“

Karmische Gesetzmäßigkeiten

16. Haben alle Handlungen Auswirkungen?

Wir alle sind uns bewusst, dass bestimmte Handlungen Auswirkungen haben, aber gilt dies für alle Handlungen? Wenn wir einen Stein in einen See werfen, so macht das ein Geräusch und Wellen. Die Handlung, einen Stein zu nehmen und in Richtung See zu werfen, hat also deutlich wahrnehmbare Auswirkungen. Der Stein liegt nach dieser Handlung an einem anderen Ort, es hat sich etwas verändert. Und so verhält es sich mit auch mit allen anderen Handlungen. Deswegen lautet der erste Satz der buddhistischen Karmalehre:

Jede Handlung verändert etwas. Alle Handlungen haben Folgen, auch wenn diese manchmal nicht leicht zu erkennen sind.

Um beim Bild zu bleiben: Jeder, auch noch so kleine Stein, der in den See geworfen wird, erzeugt Wel-len, legt sich auf den Grund usw. und hat dadurch Auswirkungen auf den See.

Die Karmalehre befasst sich aber hauptsächlich mit den Handlungen, die wesentliche Auswirkungen haben und dies auch für zukünftige Leben und die Befreiung.

Zu den anderen Arten von Handlungen, die von schwächerer Natur sind und deren Auswirkungen auf dieses Leben begrenzt bleiben, sagte der Buddha wenig, denn dies kann jeder relativ leicht selber beo-bachten.

� Übung 2: Haben tatsächlich alle Handlungen Auswirkungen? Versuchen Sie, eine körperliche, sprachliche oder geistige Handlung zu finden, die keinerlei Auswirkungen hat, sei es auf die Um-welt, sei es auf andere Personen, sei es auf den eigenen Geist.

17. Wann kommt Karma zur Reife?

Buddha Shakyamuni in A III.33:

„Wo immer die Wesen ins Dasein treten, dort werden ihre Handlungen (karma) zur Reife kommen. Und wo immer ihre Handlungen zur Reife kommen, dort werden sie die Früchte jener Handlungen ernten, sei es in diesem Leben oder im nächsten, oder in irgend einem späteren Leben.“

Unsere jetzigen Erfahrungen sind nicht, so heißt es, nur durch Handlungen in diesem Leben bedingt, sondern auch durch Handlungen im letzten Leben unmittelbar vor dieser Geburt und in weiter zurück liegenden Leben. Genauso zeigen auch die Handlungen, die wir jetzt ausführen, in Zukunft ihre Aus-wirkungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten.

Es gibt drei Möglichkeiten, wann die Früchte einer Handlung zur Reife kommen können: 1. in diesem Leben, 2. im nächsten Leben, 3. in späteren Leben. (Siehe hierzu: M 136)

Asanga (S.92) und Vasubandhu (S.115) erklären dies folgendermaßen:

Karma-Lesebuch, Seite 15

1. Handlungen, deren Auswirkungen mit Sicherheit bereits in diesem, jetzigen Leben erfahren wer-den (drstadharmavedaniyakarma). Das sind (a) Handlungen, die verwirklichte Praktizierende2 schädigen oder ihnen helfen, (b) heilsame und nichtheilsame Handlungen gegenüber der Sangha mit dem Buddha an ihrer Spitze und (c) heilsame und nichtheilsame Handlungen mit einer Ab-sicht von hoher Intensität. Dies nennt Karmapa (S.19) die „Erfahrung des Resultats in sichtbarer Weise“. Die Auswirkungen solcher Handlungen können – laut Vasubandhu, S.116 – durchaus mehrere Leben dauern.

2. Handlungen, deren Auswirkungen mit Sicherheit im nächsten, direkt folgenden Leben erfahren werden (upapadyavedaniyakarma). Das sind z.B. die fünf Handlungen (Verbrechen) mit unmit-telbarer Wirkung (anantaryakarma) und laut Karmapa (S.19) auch die fünf fast ebenso schwer-wiegenden Handlungen. Er nennt dies die „Erfahrung als Geburtsort“.

3. Handlungen, deren Auswirkungen in irgendeinem späteren Leben erfahren werden (aparapary-avedaniyakarma). Dies führt zur „Erfahrung in irgendeinem zukünftigen Leben“.

18. Handlungen mit bestimmten und unbestimmten Auswirkungen

Die oben genannten drei sind die drei Arten von „bestimmten“ Handlungen (niyata), deren Auswirkun-gen auf jeden Fall zu erfahren sind. Dazu zählen laut Vasubandhu S.120:

(a) Handlungen mit starker Leidenschaft oder starker Hingabe (b) Handlungen in Beziehung zu einem Feld der Qualitäten (die Erwachten, ihre Lehre und ihre Ge-meinschaft) (c) Handlungen, die ständig ausgeführt werden (d) das Ermorden von Vater oder Mutter.

Alle anderen Handlungen, d.h. jene, die mit geringerer emotionaler Beteiligung ausgeführt werden ge-hören – laut Vasubandhu, S.116 – zu den „unbestimmten“ (aniyata) Handlungen. Bei ihnen ist der Zeit-punkt des Auftretens der Früchte ungewiss.

Zu unbestimmten Handlungen schreibt Karmapa im Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe, S.20: „Un-reine unbestimmte Handlungen sind Handlungen unter dem Einfluss von emotionaler Verblendung in den höheren Daseinsbereichen. Reine unbestimmte Handlungen sind z.B. die handwerkliche Tätigkeit [eines Erwachten, der frei von Unwissenheit, Begierde u. dgl. ist]. Der Unterschied zwischen unreiner und reiner unbestimmter Handlung ergibt sich aus der An- bzw. Abwesenheit von emotionaler Verblen-dung beim Handeln.“

19. Gibt es völlig belanglose Handlungen?

Ja und nein. Manche Handlungen haben äußerst geringe Auswirkungen, aber selbst so belanglose Hand-lungen wie einfaches Gehen oder Stehen, eine Tür öffnen oder schließen, sich hinsetzen und dergleichen bleiben nicht ohne Auswirkungen. Durch solche Handlungen begeben wir uns in bestimmte Situationen und gestalten sie. Wir verändern durch sie z.B. unsere körperliche Position. Dies kann wiederum die Voraussetzungen für das Heranreifen von diesem oder jenem Karma schaffen.

Auch scheinbar belanglose Handlungen sind wie alle anderen Handlungen gewohnheitsbildend, doch sie erzeugen kein direktes positives oder negatives Karma. Wichtiger als die bloße Tatsache des Gehens ist, wohin wir gehen, warum wir dorthin gehen und was wir dabei denken. Wir können unser Leben mit belanglosen Handlungen vergeuden und dies ist für jemanden, der Erleuchtung erlangen möchte, kei-neswegs belanglos.

Für jemanden, dem sein Leben kostbar ist, gibt es keine belanglosen Handlungen.

� Übung 3: Versuchen Sie eine Handlung zu finden, die stets, unter allen Bedingungen, vollkommen belanglos, d.h. ohne sonstige Konsequenzen ist.

2 Asanga zitiert auf S.92 die Arten von Samadhi, die solche Verwirklichte erfahren haben müssen, damit auf sie bezogene Handlun-gen Früchte noch in diesem Leben haben: Vertiefung in grenzenlose Liebe, Vertiefung frei von Kampf, Vertiefung der Befreiung von Leid, sowie in den Strom der Befreiung Eingetretene bis hin zu Arhats.

Karma-Lesebuch, Seite 16

20. Was sind die wichtigsten Arten von Handlungen?

Grundsätzlich gibt es so viele Arten von Handlungen, wie es Situationen gibt. Im Dharmakontext ist es von besonderer Wichtigkeit zu unterscheiden, welche Handlungen Leid erzeugen und welche hingegen zu Glück und Befreiung von Leid führen. Dementsprechend werden Handlungen „nichtheilsam“ bzw. „heilsam“ genannt.

Es gibt noch eine dritte Kategorie von Handlungen, die so genannten „unbeweglichen” Handlungen oder besser gesagt: Handlungen „mit feststehender Auswirkung“. Dies sind die tiefen, aber immer noch dualistischen meditativen Versenkungen in den Götterbereichen, ein hier nicht weiter zu behandelnder Sonderfall des Handelns (siehe Schmuck der Befreiung, Kapitel 6).

In Hinblick auf Glück und Befreiung gibt es zwei Arten von Handlungen: heilsame und nichtheilsame.

Asanga, S.86:

„Was ist verdienstvolles Handeln (punyakarma)? Heilsames Handeln (kusalakarma) innerhalb des Be-reiches der Sinnlichkeit. Was ist nicht-verdienstvolles Handeln (apunyakarma)? Nichtheilsames Han-deln (akusalakarma).“

Asanga, S.83:

„Was ist absichtsvolles Handeln (cetanakarma)? Verdienstvolles, nicht-verdienstvolles und unbewegli-ches Handeln. Was ist beabsichtigtes Handeln (cetayitvakarma)? Dies sind körperliches, sprachliches und geistiges Handeln, die ihrerseits heilsam (kusala) oder nichtheilsam (akusala) sein können.”

Entsprechend fasst Djamgön Kongtrul im Licht des wahren Sinnes, Seite 15f samsarisches Handeln wie folgt zusammen:

� Es gibt nicht-verdienstvolle Handlungen, zu denen die zehn nichtheilsamen Handlungen gehören, die zu Wiedergeburt in den drei niederen Daseinsbereichen führen

� Es gibt samsarische, verdienstvolle Handlungen, die nicht von dem Wunsch begleitet werden, das Leid zu transzendieren, wozu heilsame Handlungen wie Freigebigkeit und dergleichen gehören, die zu Wiedergeburt in den höheren Bereichen, also unter Göttern und Menschen, führen

Natürlich lassen sich Handlungen auch nach der vorherrschenden Emotion (Anhaftung, Abneigung und Unwissenheit) oder nach anderen Kriterien unterscheiden.

Der 9. Karmapa (im Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe S.20) und Asanga (S.92) drücken es fol-gendermaßen aus:

„Was sind Handlungen, die zur Erfahrung von Glück führen (sukhavedaniyakarma)? Das sind alle heil-samen Handlungen im Bereich der Sinnlichkeit bis einschließlich der dritten Stufe meditativer Versen-kung (dhyana) des Bereichs subtiler Form.

Was sind Handlungen, die zur Erfahrung von Leid führen (duhkhavedaniyakarma)? Das sind nichtheil-same Handlungen im Bereich der Sinnlichkeit.“

21. Reine und unreine Handlungen (A IV.232; M 57)

Des Weiteren lässt sich der Einfluss der Ichbezogenheit auf Handlungen untersuchen. Wann immer Du-alität, Ichbezogenheit oder „Triebflüsse“/emotionale Verblendung, eine Handlung begleiten, ist diese im alten buddhistischen Sprachgebrauch „unrein“. Bei nichtheilsamen, schädlichen Handlungen trifft dies immer zu, sie sind immer dualistisch.

Buddha Shakyamuni erwähnt in A IV.232 und M 57 die zusätzlichen Kategorien von gemischten und völlig reinen Handlungen (was allerdings wohl Ausdrücke aus der Mahayana-Tradition sind):

„Es gibt dunkles Wirken, das dunkle Ergebnisse bringt; helles Wirken, das helle Ergebnisse bringt; teils helles und teils dunkles [„gemischtes“] Wirken, das teils helle und teils dunkle Ergebnisse bringt; und weder helles noch dunkles [„reines“] Wirken, das weder helle noch dunkle Ergebnisse bringt und zur Erschöpfung des Wirkens (Pali: kamma-kkhaya) führt.“

Karmapa schreibt im Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe, S.20:

Karma-Lesebuch, Seite 17

„Heilsame (verdienstvolle) Handlungen können entweder rein oder unrein sein. Unreine heilsame Hand-lungen sind das (von Ichbezogenheit begleitete) Unterlassen von nichtheilsamen Handlungen wie Töten usw. sowie das Ausführen der zehn heilsamen Handlungen. Reine heilsames Handeln ist Befreiung in der Transzendenz des Leidens (Nirwana).” und:

„Unreines“ Handeln ist von Ichbezogenheit begleitet.

„Reines“ Handeln ist vollkommen frei von Ichbezogenheit.

22. Was sind heilsame Handlungen? (M 88)

Heilsame Handlungen öffnen den Geist, bewirken Glück und tragen dazu bei, Ichbezogenheit und Leid zu vermindern.

Die Definition von Vasubandhu, S.106, lautet:

„Heilsame Handlungen (kusala) sind wohltuend (ksema), weil (a) ihre Auswirkungen angenehm sind (istavipaka) und von daher zeitweilig vor Leid schützen oder weil sie (b) Nirwana erlangen lassen und von daher dauerhaft vor Leid schützen. … Heilsames Handeln im Bereich der Sinnesfreuden wird ver-dienstvoll (punya) genannt, weil es reinigt und weil es angenehme Auswirkungen zeitigt.”

Gendün Rinpotsche in Gesetz des Karma, 5-91, Seite 4: „Handlungen sind heilsam oder schädlich, je nach der Geisteshaltung. Besitzen wir eine heilsame Geisteshaltung, ist jedwede Handlung auf der Ebe-ne von Körper, Rede und Geist heilsam, ihr Ergebnis ist Glück. Vollbringt man dagegen in schädlicher Absicht eine Handlung mit Körper, Rede oder Geist, ist diese Handlung nicht heilsam und sie gelangt früher oder später als Leid, Krankheit Hindernis oder Missgeschick zur Reife. Dies ist das Gesetz des Karma, der engen und unfehlbaren Beziehung, die zwischen einer Handlung und ihrem Ergebnis be-steht. Eine nichtheilsame Handlung bringt als einziges Ergebnis Leid hervor. Eine heilsame Handlung hat ein heilsames und günstiges Ergebnis. Aus diesem Grund hat Buddha dargelegt, dass eine Handlung gleich welcher Art heilsam ist, wenn man eine heilsame Geisteshaltung hat, und dass demgegenüber jede Handlung in Wahrheit schädlich ist, wenn unsere Geisteshaltung negativ ist. Es ist ratsam, der Leh-re Buddhas zu folgen und unser Möglichstes zu tun, um die richtige Motivation des Geistes des Erwa-chens bei allen unseren Handlungen zu entwickeln.”

Uneigennützige Handlungen setzen Freude frei. Je häufiger wir solche Handlungen ausführen, desto glücklicher werden wir.

Sie beginnen unseren Geist und unsere Situation zu verändern. Wenn ihre Auswirkungen auch nicht immer sofort sichtbar werden, so kommen die ersten Anzeichen doch fast immer noch in diesem Leben zum Vorschein. Es ist äußerst selten, dass jemand in diesem Leben immer nur Heilsames tut, ihm aber stets nur Schlimmes widerfährt.

Entscheidend bei allen Handlungen ist die Geisteshaltung. Handlungen, die dem Geist des Erwachens entspringen, sind stets heilsam.

Karmapa im Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe S.18-19: “Alle schädlichen Handlungen – die drei des Körpers, die vier der Sprache und die drei des Geistes – müssen wir aufgeben und uns bemühen, deren Gegenteil, die zehn heilsamen Handlungen, auszuführen.”

23. Was sind nichtheilsame Handlungen?

Die Definition von Vasubandhu, S.106, lautet:

„Nichtheilsames Handeln ist schädlich und zeitigt unangenehme Auswirkungen.“

Nichtheilsame Handlungen bewirken Leid. Sie entspringen einem engen, ichbezogenen Geisteszustand und verstärken ihn. Wir erleben, wie ichbezogene oder gar rücksichtslose Handlungen den Geist bei uns und den meisten anderen eng machen und Spannungen hervorrufen. Je häufiger wir solche Handlungen ausführen, desto egoistischer und freudloser werden wir. Solche Handlungen sind direkt (für andere) und indirekt (für uns selbst) die Ursache von Leid. Sie mögen uns für kurze Zeit Genugtuung und Glück

Karma-Lesebuch, Seite 18

bringen, weil wir einen persönlichen Wunsch befriedigen. Doch dieses Glück ist kurzlebig und wandelt sich in den meisten Fällen bald in Unzufriedenheit und Negativität. Es ist äußerst selten, dass jemand, der nur Schädliches tut, in diesem Leben glücklich bleibt.

Die Unterscheidung zwischen nichtheilsamen und heilsamen Handlungen findet sich in M 88, wo A-nanda von König Pasenadi folgende Frage gestellt wird: „Welches körperliche, welche sprachliche und welches geistige Verhalten wird von weisen Mönchen und Brahmanen verurteilt?“ [Erklärungen in Klammern]

Ananda antwortet – vom Buddha später für gutgeheißen – hier kurzgefasst: „Körperliches, sprachliches und geistiges Verhalten, das nicht heilsam ist [gelañña, ein ungesunder Geisteszustand], das tadelnswert ist [sāvajja, ethisch abträglich ist], das [bereits jetzt] Leid bringt und [auch später] schmerzhafte Resul-tate hat [dukkha-vipāka, leidvolle karmische Folgen], das zum eigenen Leid, zum Leid anderer oder zum Leid beider führt, und aufgrund dessen nichtheilsame Zustände zunehmen und heilsame Zustände ab-nehmen.“

Und der König fragt weiter: „Welches körperliche, welche sprachliche und welches geistige Verhalten wird von weisen Mönchen und Brahmanen nicht verurteilt?“

Ananda antwortet – vom Buddha später ebenfalls für gutgeheißen: „Körperliches, sprachliches und geis-tiges Verhalten, das heilsam ist, das tadellos ist, das kein Leid bringt, das angenehme Resultate hat, das nicht zum eigenen Leid, zum Leid anderer oder zum Leid beider führt, und aufgrund dessen nichtheil-same Zustände abnehmen und heilsame Zustände zunehmen.“

Nichtheilsame Handlungen führen per Definition zu Leid. Beim Beschäftigen mit der Frage nichtheil-samer Handlungen sollten wir uns aber immer daran erinnern, dass die selbe Handlung, die unter norma-len Umständen nichtheilsam ist, unter besonderen Bedingungen auch einmal sinnvoll sein kann (wie z.B. der Tyrannenmord).

Ein Zitat aus der Juwelenkette:

„Begierde, Hass, Verblendung und daraus entstehende Handlungen sind nicht heilsam. Nichtheilsames führt zu Leid und zu allen niederen Daseinsbereichen.“

Eine nichtheilsame Handlung entfaltet ihre vollen karmischen Auswirkungen, wenn fünf Bedingungen zusammenkommen (Asanga, S.84):

1. Objekt (vastu) : Es ist ein entsprechendes Objekt vorhanden, z.B. ein lebendes Wesen, ein Wertge-genstand, usw. 2. Absicht (asaya): Es bestand die Absicht, diese Handlung auszuführen. 3. Ausführung (prayoga): Die Handlung wurde vorbereitet und ausgeführt. 4. Erfolg (nisthagamana): Die Handlung hatte Erfolg und wurde bewusst erlebt. 5. Emotionale Verblendung (klesa): Der Moment der Tat war von Anhaftung (Begierde), Abneigung (Hass) oder Verblendung begleitet und es wurde Befriedigung/Genugtuung ohne unmittelbare Reue empfunden.

Diese fünf Faktoren gelten für alle Handlungen. Sie entscheiden auch darüber, wann ein Gelübde voll-ständig gebrochen ist.

24. Sind heilsames Handeln, positives Karma und Verdienste identisch?

Oft werden diese Begriffe synonym gebraucht. Doch der Blickwinkel, unter dem die Handlungen be-trachtet werden, ist jeweils ein wenig anders.

Heilsame Handlungen (a) lösen heilsame Wirkkräfte aus, die allgemein „positives Karma“ (b) oder auch „Verdienste“ im weiteren Sinne (c1) genannt werden.

Mit Verdiensten im engeren Sinne (c2) sind die Folgen von heilsamen Handlungen gemeint, die be-wusst der Befreiung und dem Erwachen aller Wesen gewidmet sind.

Karma-Lesebuch, Seite 19

Mit Verdiensten sind also die von heilsamen Handlungen ausgelösten Kräfte gemeint, die zu Glück in jedweder Form, aber vor allem zu Befreiung und Erleuchtung führen.

Äußerlich lassen sich heilsame, weltliche Handlungen und verdienstvolle, auf das Erwachen gerichtete Handlungen nicht unterscheiden. Der Unterschied liegt in der Motivation, der Ausrichtung auf das Er-wachen (der „Widmung“) und in den langfristigen Auswirkungen.

Bei der Widmung verweilen wir für einen Moment jenseits der Identifikation mit einem Selbst, das die Handlung ausgeführt hat. Wir „enteignen“ sozusagen die Handlung, wodurch sie zu einer starken Kraft wird, welche die Ich-Illusion weiter auflöst.

Verdienste führen nicht nur zu Glück im Daseinskreislauf, sondern sind die treibende Kraft im Auflösen der Ichbezogenheit.

Diese das Erwachen aller Wesen bewirkenden Kräfte, Verdienste genannt, sind um so größer, je “rei-ner”, d.h. je freier von Ichbezogenheit die Handlungen sind.

Padmasambhava in den Dakini-Lehren:

“Wer keine Verdienste angehäuft hat, kann keine edle Geisteshaltung entwickeln. wer jedoch spirituelle Verdienste anhäuft, wird mit einem edlen Geist belohnt. Sobald die edle Geisteshaltung einmal Teil deines Wesens geworden ist, lässt du von selbst von allem Schädlichen ab und bemühst dich Heilsames zu tun. Deshalb ist es wichtig, mit Eifer die verschiedenen Methoden anzuwenden, mittels derer du mit Körper, Rede und Geist Verdienste ansammeln kannst.”

25. Wie weit gehen die Auswirkungen unserer Handlungen?

� Übung 4: Nehmen Sie eine x-beliebige Handlung und schauen Sie, wieweit Sie die Kette ihrer Aus-wirkungen verfolgen können. Was sind die sofortigen Auswirkungen? Was für weitere Wirkungen ergeben sich daraus? Wie breiten sich die Auswirkungen aus, indem vielleicht immer mehr Perso-nen davon betroffen sind oder sich unsere Umwelt verändert, was seinerseits wieder Auswirkungen hat? Was für kurz- und langfristige Auswirkungen hat die Handlung auf unseren Geist?

Vielen von uns ist nicht bewusst, wie weitgehend die Auswirkungen unserer Handlungen sind. Sie be-schränken sich nicht auf die unmittelbar wahrnehmbare Situation, sondern setzen sich in andere Situati-onen hinein fort. Aus Unwissenheit und mangelnder Beobachtungsgabe nehmen wir hingegen zumeist an, dass sich die Auswirkungen unseres Tuns auf das beschränken, was wir unmittelbar wahrnehmen, und meinen, um mehr bräuchten wir uns nicht zu kümmern. Irrtum.

Der Buddha und andere weitschauende Meister machen uns darauf aufmerksam, dass die Wellen unse-rer Handlungen meist viel weiter gehen, als wir ahnen − bis in weit entfernte zukünftige Leben hinein.

Handlungen zeigen ihre Auswirkungen zu unterschiedlichen Zeiten: sofort, in den nächsten Tagen und Monaten, in den nächsten Jahren, noch in diesem Leben, vielleicht erst zum Zeitpunkt des Todes, im Nachtodzustand, im unmittelbar folgenden Leben oder erst in sehr viel späteren Leben.

Jede Handlung hat sofortige und spätere Konsequenzen.

Spätere Folgen kann eine Handlung nur deshalb haben, weil sie im Augenblick der Handlung selbst bereits Auswirkungen hat. Das Ausführen einer Handlung erzeugt im selben Moment Kräfte und damit Auswirkungen und Spuren. Wenn unsere Wahrnehmung subtil genug ist, können wir diese Auswirkun-gen sehr deutlich in unserem eigenen Geist wahrnehmen, auch wenn äußerlich für andere vielleicht gar nichts wahrnehmbar ist und obwohl es sich vielleicht um eine rein geistige Handlung handelte.

Dies gilt auch für scheinbar unbedeutende körperliche Handlungen, wie zum Beispiel das bloße Aufhe-ben und Wiederhinlegen eines Steines, und auch für rein geistige Handlungen, wie zum Beispiel jetzt gerade "Blau" zu denken. Deutlicher werden die Auswirkungen allerdings, wenn es sich um starke Ge-danken, wie z.B. einen Wunsch handelt. Der einmal gedachte Wunsch, Erleuchtung zum Wohle aller Wesen zu erlangen, hat weitreichende sofortige und langfristige Auswirkungen.

Das Beispiel mit den Wellen

Karma-Lesebuch, Seite 20

Die ‚Wellen‛ unserer Handlungen verbinden sich mit früheren und späteren von uns selbst ausgelösten Wellen und treten in Wechselwirkung mit den Wellen, die von anderen Wesen ausgelöst werden. Die Beschreibung dieses komplexen Wechselspiels ist die Beschreibung von “Karma”.

Um es zu veranschaulichen: Wir sitzen in einer Badewanne und planschen. Wir erzeugen eine Welle nach der anderen. Diese Wellen kommen unaufhörlich wieder zu uns zurück und vermischen sich mit den neuen Wellen. Je stärker wir planschen, desto mehr und desto größere Wellen gibt es, bis sie uns fast über den Kopf gehen. Wenn wir wollen, dass sich das Wasser beruhigt, müssen wir aufhören, stän-dig neue Wellen zu erzeugen, und etwas Geduld haben und abwarten, bis sich die Wellen gelegt haben.

Nun, das ist ein sehr vereinfachtes Bild vom karmischen Prozess, das wir nicht überstrapazieren dürfen. Zum einen sitzen wir nicht allein in unserer karmischen Badewanne, sondern zusammen mit unzähligen anderen, und zum anderen gibt es Wellen jeder Art: Je nach Stärke der Ichbezogenheit sind es heilsame, schädliche oder gemischte Handlungen und je nach Art und Intensität der Emotion können wir von klei-nen und großen, roten, grünen, mehrfarbigen usw. Wellen sprechen. Unsere karmische Badewanne hat auch keine solide Wand: Es sind die Situationen selbst, mit ihren Wesen und Objekten, die uns die Wel-len mit kürzerer oder längerer Laufzeit zurückschicken.

26. Was wird alles von unseren Handlungen beeinflusst?

� Übung 5: Erstellen Sie eine Liste, auf der alle Aspekte der Auswirkungen einer gegebenen Hand-lung vermerkt sind. Suchen Sie sich ein Beispiel aus und betrachten Sie alle möglichen Auswirkun-gen dieser Handlung, zum Beispiel die Entscheidung, ein Haus zu bauen, oder die Vereinigung von Partnern, die zur Empfängnis eines Kindes führt, oder der Entschluss, irgendwohin zu fahren...

Zusammengefasst lässt sich sagen:

Handlungen beeinflussen uns selbst, andere und unsere materielle Umgebung.

Genauer ausgedrückt beeinflussen Handlungen:

− unseren unmittelbar auf die Handlung folgenden Geisteszustand − unsere zukünftigen Geisteszustände, da die aus der Handlung resultierenden geistigen Eindrücke,

Gewohnheiten und Tendenzen später zu ähnlichen Geisteszuständen führen. Sie erzeugen karmische Tendenzen, die sich in unserem zukünftigen Denken und Kommunikationsverhalten niederschlagen

− die Erscheinung, Konstitution und Befindlichkeit unseres Körpers jetzt und später − die Geisteszustände, Haltungen und Handlungen anderer Wesen, die bei der Handlung anwesend

waren, auch wenn wir ihrer dabei nicht gewahr waren − indirekt auch die Geisteszustände, Haltungen und Handlungen von Lebewesen, die den bei der

Handlung anwesenden Personen später begegnen, wodurch eine lange Kette sich fortsetzender Auswirkungen in unsere Welt und Gesellschaft hinein möglich wird

− die Beschaffenheit unserer materiellen Umgebung (Häuser, Gärten, Luft, Wasser, Gegenstände...) jetzt und in Zukunft.

Aus all dem ergibt sich, dass viele zukünftige Situationen, die sich sowohl in unserer unmittelbaren Umgebung als auch woanders ereignen, von unseren Handlungen beeinflusst werden.

Den Folgen von Handlungen sind prinzipiell keine Grenzen in der räumlichen Ausdehnung und zeitli-chen Fortdauer gesetzt.

Sie können Auswirkungen über den ganzen Planeten haben und weit über unseren Tod hinaus reichen. Dabei treten sie in Wechselwirkung mit den Handlungen aller anderen Lebewesen.

27. Die Folgen von Handlungen (A I,29; M 136)

Karmapa im Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe S.17:

“Allgemein gesprochen entstehen alle Erfahrungen von Glück und Leid als Folge von Handlungen.”

Karma-Lesebuch, Seite 21

Karmapa, S.18-19: “Die Erfahrungen von Glück und Leid im jetzigen Leben sind die Frucht von heil-samen und schädlichen Handlungen (karma), die wir in früheren Existenzen begangen haben. Und jede Handlung, die wir im jetzigen Leben begehen, reift als Frucht in zukünftigen Existenzen heran.”

Hierzu ist zu bemerken, dass manche unserer Erfahrungen von Glück und Leid durchaus auch auf Hand-lungen in diesem, unserem jetzigen Leben zurückgehen, nur ist der allgemeine Rahmen für diese Erfah-rungen und wie wir aufgrund unserer karmischen Tendenzen mit ihnen umgehen bereits weitgehend durch die starken Spuren aus früheren Leben abgesteckt. Wer allerdings stark an sich arbeitet, kann die-sen Rahmen deutlich beeinflussen, ausweiten und ändern.

Gendün Rinpotsche in Gesetz des Karma, Seite 13: “Wir wissen, dass alle Lebewesen nach Glück stre-ben und dem Leiden zu entgehen versuchen. Trotz dieses starken Strebens erlangt niemand auf die Dau-er wirkliches Glück. Dies bedeutet, dass das Streben nach Glück und das Verlangen, sich vom Leid ab-zuwenden, nicht genügen. Das Gesetz des Karma muss berücksichtigt werden: die in der Vergangenheit vollbrachten Taten gelangen früher oder später zur Reife.

Wie immer wir uns bemühen, es ist unmöglich, einen Prozess des Leidens anzuhalten, wenn wir in der Vergangenheit entsprechende nichtheilsame Handlungen angehäuft haben.

Ebenso ist es unmöglich, jetzt Glück zu erfahren, wenn wir in der Vergangenheit nicht die notwendigen Ursachen und Bedingungen für dieses Glücks geschaffen haben.

Die Anstrengungen, die bei dem Versuch unternommen werden, die gegenwärtige Situation zu ändern, sind in Wirklichkeit von geringer Bedeutung, da diese Situation einfach das Ergebnis der Vergangenheit und der angesammelten karmischen Taten ist. Eher sollte man sich über die Zukunft Gedanken machen. Betrachtet man die vorhandene Situation, so kann man nichts von dem ändern, was von der Vergangen-heit bedingt wird; dagegen beeinflusst das, was wir aus der gegenwärtigen Situation machen, die Um-stände, denen wir in der Zukunft begegnen werden. Man muss sich daher jetzt über die Ursachen Ge-danken machen, die uns dabei helfen werden, Umstände dauerhaften Glücks zu finden.”

Djamgön Kongtrul in Licht des wahren Sinnes: „Kurz gesagt: Wir tragen jeder wie einen Berg die Last schädlicher Handlungen mit uns, die wir seit zahllosen Leben aus Unwissen und Unachtsamkeit ange-sammelt haben. Doch nicht nur das – obendrein fügen wir auch jetzt noch ständig weitere schädliche Handlungen und Schleier hinzu, weil nahezu alles, was wir mit Körper, Rede und Geist tun und denken, einzig von den drei Geistesgiften (Anhaftung, Ablehnung und Unwissenheit) motiviert ist. Aufgrund dieser Fehler erfahren wir bereits in diesem Leben Verachtung und Anklage durch die Menschen und Götter. Viele schwierige Umstände und Probleme bedrängen uns, die Schutzgottheiten kümmern sich nicht mehr um einen und Dämonen und Hindernisse sehen darin ihre Gelegenheit (uns zu schaden). Wir lassen uns mit üblen Leuten ein. In all unseren Beziehungen schlägt die Verunreinigung durch schädli-che Handlungen zu und wir erfahren viel Unglück. Auch im Traum träumen wir vielerlei Übles. Wir selbst sind unglücklich. Es passieren verhängnisvolle Unfälle und ernsthafte Krankheiten treten auf.“

In dem Text Dren-nyer Tschungwa lesen wir: „Durch heilsames Handeln erhältst du Glück, aus nicht-heilsamem Handeln erwächst Leiden. So wird das Ergebnis von heilsamem und nichtheilsamem Han-deln klar dargelegt.“

Buddha sagt in dem Von Surata erbetenen (Mahayana) Sutra:

„Aus scharfen Samen wachsen scharfe Früchte. Aus süßen Samen wachsen süße Früchte. An diesem Beispiel sollten kluge Leute erkennen, dass das Reifen schädlicher Handlungen scharf ist und das Reifen heilsamer Handlungen süß.“

Buddha Shakyamuni in A I,20:

„Es ist unmöglich und kann nicht sein, dass aus nichtheilsamem Wandel in Taten, Worten und Gedan-ken eine ersehnte, erwünschte, erfreuliche Ernte hervorgehen könnte: ein solcher Fall findet sich nicht. Ebenso wenig findet sich der Fall, dass aus heilsamem Wandel in Taten, Worten und Gedanken eine unersehnte, unerwünschte, unerfreuliche Ernte hervorgehen könnte: ein solcher Fall findet sich nicht.

„Es ist unmöglich und kann nicht sein, dass wer nichtheilsamen Wandel in Taten, Worten und Gedan-ken angenommen hat, demzufolge, dadurch bedingt, bei der Auflösung des Körpers, nach seinem Tode,

Karma-Lesebuch, Seite 22

auf guter Fährte in himmlischer Welt erscheinen könnte: ein solcher Fall findet sich nicht. Ebenso wenig findet sich der Fall, dass wer heilsamen Wandel in Taten, Worten und Gedanken angenommen hat, demzufolge, dadurch bedingt, bei der Auflösung des Körpers, nach seinem Tode, auf schlechter Fährte in Verderbnis, in der Hölle erscheinen könnte: ein solcher Fall findet sich nicht.“

M 136: Wohl aber kann auf eine Existenz mit nur heilsamem Wirken eine schlechte Existenz folgen, weil Kräfte aus früherem nichtheilsamem Wirken zur Reifung tragen kommen.

28. Die Folgen von Taten und Worten im Überblick (D 30, M 135, A VIII.40)

Helmuth Hecker fasst in seinem Buch Die Furt zum anderen Ufer, S.277-279, die Aussagen von Budd-ha Shakyamuni in den Pāli Sutras (vor allem D 30, M 135, A VIII.40) zu den Folgen von Handlungen zusammen:

„Ernte der Taten:

1. Unschönheit und frühes Altern ist die Folge sinnlicher Hemmungslosigkeit und des zornigen Aufbegehrens gegen jede diesbezügliche Eingrenzung. – Schönheit und Anmut ist die Folge von Maßhalten beim Genießen und vom Nicht-Hassen.

2. Kränklichkeit und Anfälligkeit ist die Folge von Körperverletzung und Entreißen sonstigen Be-sitzes, der dem Wohl der Wesen dient. – Gesundheit und Vitalität ist die Folge von pfleglichem Schonen anderer und deren Besitz.

3. Kurzlebigkeit mangels Lebenskraft ist die Folge von Töten. – Langlebigkeit ist die Folge von Helfen und Fördern.

4. In primitiven Verhältnissen geboren werden ist die Folge von respektlosem Hochmut. – In guten Verhältnissen geboren werden ist die Folge von Respekt der hierachischen (karmischen) Ord-nung.

5. Bettelarm und dürftig wird man durch Verweigern und Vorenthalten. – Reich und wohlhabend wird man durch Geben und Gewähren.

6. Ungeschickt und unbegabt wird man durch Neiden und Missgönnen. – Talentiert wird man durch Gönnen.

7. Durch äußere Umstände vorzeitig zu Tode kommt man durch unbedenkliches Töten, wie z.B. Abtreibung, Massentierquälerei usw. – Schutz und Hilfe vor Todesgefahr findet man durch un-beschränkte Hilfsbereitschaft.

8. Geistig behindert bis besessen wird man durch Alkohol und Drogen. – Gute, weitblickende Freunde im Diesseits und Jenseits findet man durch Geistesklarheit.

Ernte der Worte:

9. Zwietracht und Streit erwirkt man sich durch Hintertragen, Aufhetzen usw. – Eintracht durch Versöhnen und Vermitteln.

10. Belogen und betrogen wird man durch Lügen und Verleumden. – Auf Offenheit und Ehrlichkeit trifft man durch Redlichkeit und Zuverlässigkeit.

11. Beschimpft und beleidigt wird man durch Schelten und Nörgeln. – Auf Freundlichkeit und Höf-lichkeit trifft man durch sanfte Rede.

12. Banales Geschwätz erlebt man, wenn man selber andere schwatzhaft anödete. – Sinnvolle Rede hört, wer selber sinnvoll redete.

13. Keine Anerkennung und Beachtung findet, wer andere achtlos behandelte. – Geborgenheit und Angenommenwerden findet man durch Rücksicht auf die Seelenlage anderer.

14. Ein „Pechvogel“, der ständig vor verschlossenen Türen steht, wird man durch Heuchelei oder durch geheucheltes Interesse an anderen. – Ein „Glückspilz“, dem sich die Türen öffnen, wird man durch echte Zuwendung.

Karma-Lesebuch, Seite 23

15. Tadel und Kritik erlebt man durch Heruntermachen und Mäkelsucht. – Lob und Ermunterung er-fährt man durch Emporwürdigen und Anerkennung von Leistungen.

16. Ruhmlos wird der Trotzige und Rechthaberische. – Anerkennung und Wertschätzung erlangt man durch Einlenken und Einordnen.

29. Keine automatische Höherentwicklung: drei Arten langfristiger Auswirkungen

Aus all dem bisher gesagten geht bereits deutlich hervor, dass es keine automatische Höherentwicklung für Menschen und andere Wesen gibt. Alle Möglichkeiten stehen offen, die höheren wie die niederen Erfahrungsbereiche, und wo es nach dem Tod für uns lang gehen wird, das hängt einzig von unserem Denken, Reden und Tun ab. Der Glaube an eine automatische Höherentwicklung unabhängig von un-serm Handeln ist naiv, ein reiner Wunschglaube. Das Karma-Gesetz besagt: Die Höherentwicklung ist „automatisch“ für den, der heilsam, d.h. achtsam und liebevoll handelt. Und genauso ist der Abstieg in leidvollere Bereiche die garantierte Folge nichtheilsamen, d.h. unachtsamen und lieblosen Handelns. Im Gegensatz zu so manchen esoterischen Richtungen beschreiben die erwachten Meister, dass die meisten Menschen ihre Chance, die sie im Menschenbereich haben, nicht ausreichend nutzen und mehr negati-ves als positives Karma ansammeln.

Es werden drei Arten langfristiger Auswirkungen von Handlungen unterschieden:

- Die „zur vollen Reife kommenden Auswirkungen“ bestimmen, in welchem Daseinsbereich ein We-sen aufgrund solcher Handlungen geboren wird.

- Die „sekundären Auswirkungen“ bestimmen die Befindlichkeit des dort geborenen Lebewesens. - Die „Einfluss nehmenden Auswirkungen“ bestimmen die von ihm dort zu erfahrenen Umweltbedin-

gungen.

1. Die „zur vollen Reife kommenden“ Auswirkungen

Asanga, S.85: „Die zur vollen Reife kommenden Auswirkungen (vipaka-phala) der zehn Arten nicht-heilsamer Handlungen manifestieren sich (als eine Geburt) in den drei niederen Daseinsbereichen, wo-bei die schwächeren Handlungen in den Tierbereich, die mittelschweren unter die Hungergeister und die starken in die Höllenbereiche führen. … Ebenso heißt es im Sutra: Die zur vollen Reife kommenden Auswirkungen der zehn Arten heilsamer Handlungen manifestieren sich für jene, die als Götter oder Menschen in den Götter- und Menschenbereichen geboren werden.“ Die entsprechenden Handlungen nennt Asanga auch „Existenz bestimmende Handlungen“.

Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe S.18-19:

„Die zur vollen Reife kommende Frucht von nichtheilsamen Handlungen ist eine Geburt in den drei niederen Daseinsbereichen.“

Ratnavali: “Begierde, Hass, Dummheit und daraus entstehende Handlungen sind nichtheilsam. Nicht-heilsame Handlungen führen zu Leid und zu allen leidvollen Daseinsformen. Abwesenheit von Begier-de, Hass, Dummheit und daraus entstehende Handlungen sind heilsam. Heilsame Handlungen führen zu allen angenehmen Daseinsformen und zu Glück in allen Existenzen.” und: “Aus Begierde wirst du zu einem hungrigen Geist. Hass schleudert dich in die Höllen. Dummheit führt zu einem Tierdasein.” und: “Durch die unermesslichen formlosen meditativen Vertiefungen erlangt man das Glück von Brahma.”

Asanga, S.85: “In welcher Reihenfolge zeigen sich in solch einem Fall die ‚zur vollen Reife kommen-den Auswirkungen’? (1) Schwerwiegende Handlungen (guru-karma) zeigen als erste ihre Auswirkun-gen, (2) dann Handlungen, die unmittelbar vor dem Tod ausgeführt wurden, (3) dann Handlungen, die in dem jeweiligen Leben gewohnheitsmäßig ausgeführt wurden und (4) schließlich in früheren Leben ausgeführte Handlungen.”

In Hinblick auf unsere nächste Geburt lassen also schwerwiegende Handlungen alles andere zurücktre-ten. Wenn es keine solche Handlung gibt, dominiert die unmittelbar im Sterben ausgeführte kraftvolle Handlung. Falls es keine solche Handlung gibt, zeigen die Handlungen, die am häufigsten ausgeführt wurden, ihre Auswirkungen. Wenn keine dieser drei Formen von Handlungen ausreichende Kraft be-sitzt, wird eine Handlung aus einem früheren Leben ihre Auswirkungen zeigen.

Karma-Lesebuch, Seite 24

2. Die „der Ursache entsprechenden“ oder „sekundären“ Auswirkungen

Asanga, S.85: “Im Falle einer Wiedergeburt unter den Menschen manifestieren sich die sekundären Auswirkungen (nisyandaphala) von nichtheilsamen Handlungen – eine jede für sich und in Überein-stimmung mit der Ursache – als die Gefahren, die eine solche Person und die ihr gehörenden Dinge be-drohen… Die sekundären Auswirkungen von heilsamen Handlungen – eine jede für sich und in Über-einstimmung mit der Ursache – sind die Zunahme des Wohlergehens der Person und der ihr gehörenden Dinge in diesen Bereichen.” Die entsprechenden Handlungen nennt Asanga (zusammen mit der dritten Gruppe) auch “vervollständigende Handlungen”.

Karmapa im Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe S.18-19: “Töten führt zu einem kurzen Leben und zu viel Leid und Unheil. Stehlen führt zu Armut. Ehebruch führt zu Feindseligkeit. Lügen führt zu übler Nachrede. Verleumdung führt zur Trennung von Freunden. Schroffheit führt dazu, Unerfreuliches anhö-ren zu müssen. Sinnloses Reden führt zu Nichtachtung unserer Worte. Habgier führt zu Enttäuschung von Erwartungen. Böswilligkeit bringt Angst. Falsche Sichtweise führt zu entarteter Philosophie.”

Bei Padmasambhava (Dakini-Lehren) sind die “der Ursache entsprechenden Auswirkungen” die Ten-denzen, auch in Zukunft Gefallen an solchen Handlungen zu finden, die sich im Alaya-Bewusstsein (dem nonkonzeptuellen Speicherbewusstsein für karmische Eindrücke) verankern.

3. Die „dominierenden“ oder „Einfluss nehmenden“ Auswirkungen

Asanga, S.85: “Die Einfluss nehmenden Auswirkungen (adhipatiphala) von nichtheilsamen Handlun-gen – eine jede für sich und in Übereinstimmung mit der Ursache – sind die Gefahren, welche die äuße-ren Dinge (in der Umwelt) bedrohen. …Die Einfluss nehmenden Auswirkungen von heilsamen Hand-lungen – eine jede für sich und in Übereinstimmung mit der Ursache – sind die Zunahme der äußeren Dinge in der Umwelt.”

Karmapa im Ozean des Wahren Sinnes, S.19, gibt folgende Beispiele, die jeweils als stellvertretend für weitere ähnliche Auswirkungen zu verstehen sind:

“Die Umwelt ist (aufgrund von Töten) wenig anziehend, (aufgrund von Stehlen gibt es) viel Schaden (durch Frost und Hagel), (aufgrund von Ehebruch gibt es viel) Staub, (aufgrund von Lügen gibt es) schlechten Mundgeruch, (aufgrund von Verleumdung ist das) Gelände uneben, (aufgrund von harscher Rede ist) die Erde unfruchtbar, (aufgrund von Geschwätz sind die Jahreszeiten) durcheinander, (auf-grund von Böswilligkeit sind) die Früchte bitter, (aufgrund von Habgier sind) die Früchte klein, (auf-grund von falscher Sichtweise gibt es) gar keine Früchte.”

Alle diese drei Auswirkungen können durch beeinflussende Handlungen, wie unmittelbares Bereuen und dergleichen, abgewandelt werden.

30. Was sind existenzbestimmende und vervollständigende Handlungen?

Asanga fährt mit obigen Ausführungen fort (S.85):

“Die Auswirkungen heilsamer und nichtheilsamer Handlungen manifestieren sich als Wiedergeburt in angenehmen oder leidvollen Daseinsbereichen. Dies geschieht zudem durch die ‚existenzbestimmenden Handlungen’ (aksepaka-karma)3 und die ‚vervollständigenden Handlungen’ (paripuraka-karma).

Was sind ‚existenzbestimmende Handlungen’? Das sind die Handlungen, welche die ‚zur vollen Reife kommenden Auswirkungen’ (d.h. die Wiedergeburt in einem bestimmten Bereich) hervorrufen.

Was sind ‚vervollständigende Handlungen’? Das sind die Handlungen, durch die man nach der Geburt angenehme oder unangenehme Folgen erfährt (also die sekundären und dominierenden Auswirkungen).

Hierbei kann eine Handlung eine Geburt bestimmen oder mehrere Handlungen können eine Geburt bestimmen oder mehrere Handlungen können mehrere Geburten bestimmen. Ein Wesen wird von meh-reren Handlungen begleitet.”

3 wörtlich: ‚werfende’ Handlungen

Karma-Lesebuch, Seite 25

Aber es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass der Ort der Wiedergeburt nicht unveränderlich festglegt ist, wie es Vasubandhu, S.108, beschreibt:

„Handlungen im Bereich der Sinnesfreuden sind ‚beweglich’ (injati) in Hinblick auf ihre Auswirkun-gen, denn der Ort der Auswirkungen ist nicht festgelegt.”

und weiter S.108: “Eine Handlung, die normalerweise zu einer bestimmten Daseinsform führt, kann auch in einer anderen reif werden; die Auswirkungen einer Handlung, die normalerweise zu einer be-stimmten Existenz unter den Göttern führt, können in einer anderen göttlichen Existenz erfahren wer-den. So kommt es vor, dass die Auswirkungen von Handlungen, die Kraft, Größe, Schönheit und Wohlstand hervorrufen, aufgrund bestimmter anderer Ursachen statt in den Götterbereichen in einem Dasein als Mensch, Tier oder Hungergeist erfahren werden.”

31. Wie wird das Reifen von Karma erfahren?

Hierzu ein ausführliches Zitat von Vasubandhu, Abhidharma-Schatzkammer S.124-127:

“Das wesentliche Element beim Reifen von Karma (vipaka) sind Empfindungen.”

“Können bestimmte Handlungen ausschließlich als geistige Empfindung (caitasiki) statt als körperliche Empfindung (kayiki) reifen? Können bestimmte Handlungen als körperliche Empfindung reifen und nicht als geistige Empfindung?

Die Frucht einer heilsamen Handlung, die frei von Überlegungen (vitarka) war, ist ausschließlich geisti-ge Empfindung.

Dies gilt für alle Handlungen oberhalb der Stufe der ersten meditativen Versenkung (dhyana), denn diese sind frei von Überlegungen. Da an einer körperlichen Empfindung, d.h. einer Empfindung ver-bunden mit den fünf Sinneswahrnehmungen, stets Überlegung (vitarka) und Unterscheidung (vicara) beteiligt sind, kann diese nicht die Frucht einer Handlung frei von Überlegungen sein.

Die Frucht einer nichtheilsamen Handlung manifestiert sich stets als körperliche Empfindung und diese ist schmerzhaft.

Eine schmerzhafte geistige Empfindung nennt man unbefriedigend oder ‚Nichtbefriedigung‛ (daurma-nasyendriya). Doch Nichtbefriedigung kann, wie anderen Ortes gezeigt wurde, keine karmische Frucht sein. … Man spricht deshalb von aufgewühltem Geist (cittaksepa), was sich als aufgewühlte geistige Wahrnehmung zeigt. ... Die fünf (anderen) Sinneswahrnehmungen können nicht aufgewühlt (ksipta) sein, da sie frei von Einbildungen (vikalpa), Untersuchen und Gedächtnis sind und weil aufgewühlter Geist darin besteht, sich etwas einzubilden, was nicht existiert (asadvikalpa).

Aufgewühlter Geist entsteht aus dem Reifen karmischer Früchte.

Jemand, der den Geist anderer aufwühlt und stört, sei es durch Hexerei, Zaubersprüche, Verabreichen von giftigen Trunken oder von Alkohol an solche, die dies nicht trinken wollen, der das Wild durch Jagd, Anzünden des Waldes oder Ausheben von Fallen in Schrecken versetzt, der wodurch auch immer die Achtsamkeit (smrti) und Geistesgegenwart anderer aufwühlt, dessen Geist wird als Folge dieser Handlungen aufgewühlt sein und nicht über die Hilfe von Achtsamkeit verfügen.

Als Folgen eines aufgewühlten Geistes zeigen sich Schrecken, Befallensein von Dämonen (Geistes-krankheiten), Störung der Elemente, die für das körperliche Befinden verantwortlich sind, und Kummer. … Zudem entsteht ein Ungleichgewicht oder eine Störung der körperlichen Elemente, was wiederum den Geist in Aufruhr versetzt (prakopa), ihn unkontrolliert macht und ihn der Führung durch Achtsam-keit entzieht (bhrastasmrtika).

Dabei gibt es vier Möglichkeiten:

1. Der Geist ist aufgewühlt, aber nicht durcheinander, d.h. er ist zwar aufgewühlt, aber ‚nicht gequält’ (aklista) von Emotionen.

2. Der Geist ist durcheinander, aber nicht aufgewühlt, d.h. er ist zwar ‚gequält’ (unter emotionaler, dualistischer Anspannung), aber ruhig, normal.

Karma-Lesebuch, Seite 26

3. Der Geist ist aufgewühlt und durcheinander. 4. [Der Geist ist weder aufgewühlt noch durcheinander.]

… Verwirklichte (arya) mit Ausnahme von Buddhas sind nicht frei von aufgewühltem Geist, denn ihr Geist kann aufgrund eines Ungleichgewichts (vaisamya) der Elemente aufgewühlt sein. Aber bei ihnen entsteht dieses Ungleichgewicht der Elemente nicht aufgrund des Reifens von Karma (hier ist gemeint: Handlungen aus früheren Leben). … Weder Schrecken, Angriffe von Dämonen noch Kummer können den Geist von Verwirklichten aufwühlen, denn sie sind jenseits der fünf Ängste4, sie führen keinerlei Handlungen aus, die nicht besänftigen (aprasadika) und den Ärger von Dämonen auslösen würden und sie kennen zutiefst die Natur der Dinge (dharmata).” (Ende des Zitates)

32. Die Rolle von Entscheidungen, Gesprächen, Gedanken

� Übung 6: Inwieweit habe ich meine Situation selbst geschaffen ? Zunächst setzen wir uns entspannt und gerade hin und sammeln unseren Geist. Dann stellen wir uns die Frage: Wie habe ich mit Kör-per, Rede und Geist dazu beigetragen, dass ich jetzt in dieser Situation bin, hier sitze und über Karma nachdenke?

a) Was für körperliche Handlungen habe ich ausgeführt, um hierher zu kommen?

b) Was für Gespräche habe ich in der Vergangenheit gehabt, die mit zu dieser Situation beigetragen haben? Was haben andere mir erzählt?

c) Was habe ich im Laufe der letzten Stunden, Tage und Jahre gedacht, das mit zu dieser Situation geführt hat? Welche Gedanken, also geistige Handlungen, sind ihr vorausgegangen? Welche inne-ren Fragen? Welche Entscheidungen habe ich getroffen?

Wir richten unser Augenmerk auf all das, was wir selber zu dieser Situation beigetragen haben – insbe-sondere auch die vielen Entscheidungen und Vorentscheidungen, die wir im Vorfeld unserer äußeren Handlungen gefällt haben.

Wir haben stets die Wahl, zu gehen oder zu bleiben.

Wir sind in unseren Handlungen kein bloßer Spielball äußerer Kräfte, sondern haben stets die Wahl, z.B. aufzustehen und fortzugehen oder in der jeweiligen Situation zu bleiben, uns über etwas zu unter-halten oder nicht usw. Oft ohne es zu merken treffen wir eine Vielzahl solcher Entscheidungen. Die Kontemplation unserer auf kleinen Entscheidungen beruhenden passiven und aktiven Beteiligung lässt sich für jede Situation ausführen und auch für die Gesamtbedingungen, die unser Leben bestimmen, wie die Wahl unseres Berufes, Partners, Wohnortes und unserer Freunde. Das alles sind Entscheidungen.

Karma (Handlung) ist Folge von Entscheidungen.

Die obige Übung zeigt uns, wie alle Erfahrungen unseres Lebens durch die drei Ebenen unserer Hand-lungen mit bedingt sind, durch all die Handlungen, die wir in jüngster oder früherer Vergangenheit aus-geführt haben. Zunächst denken wir vielleicht, die konkreten körperlichen Handlungen hätten das meis-te Gewicht. Doch bei genauerem Hinschauen fällt auf, wie entscheidend die Gedanken, unsere geistige Ausrichtung und Motivation sind.

Einer jeden äußeren Handlung gehen Gedanken voraus. Sie alle werden von Gedanken geplant und wie-derum von Gedanken begleitet. Fast könnten wir sagen: Gedanken erzeugen die Welt. Doch der Buddha hat es noch präziser gesagt:

“Handlungen erzeugen die Welt.”

4 Die fünf Ängste, die sich beim Erreichen der ersten Bodhisattvastufe auflösen, finden sich im Zehn Stufen Sutra: »Mit dem Errei-chen der Stufe ›Höchste Freude‹, lösen sich folgende fünf Ängste gleichzeitig auf und sind von da an nicht mehr vorhanden: die Angst, nicht genug zum Leben zu haben, die Angst, den Sinn des Dharmas nicht zu verstehen, die Angst vor dem Tod, die Angst vor den niederen Daseinsbereichen und die Angst, (aus Mangel an Unterweisungen) in Samsara steckenzubleiben.«

Karma-Lesebuch, Seite 27

Gedanken alleine, ohne weitere Handlungen mit der Rede und dem Körper, bringen in unserer Welt nicht alles zustande. Es braucht ebenfalls den Körper und die Rede.

33. Die Rolle der rechten und falschen Anschauung (A I,22-25)

In A I,22-25 führt Buddha Shakyamuni aus, dass es an erster Stelle rechte und falsche Anschauung sind, die verantwortlich für unser heilsames und schädliches Wirken und damit für unsere Wiedergeburt sind. Und der wesentliche Faktor im Kultivieren rechter Anschauung ist gründliche Aufmerksamkeit im Un-terschied zur „seichten“ Aufmerksamkeit, die zu falscher Anschauung führt.

In A I,23 sagt Buddha Shakyamuni:

„Was auch immer eine Person mit falscher Anschauung, ihr Mönche, dieser Anschauung folgend in Taten, Worten und Gedanken ausführt und unternimmt, und was dabei ihre Absicht (cetanā), ihr Stre-ben (patthanā), und ihre Ausrichtung (panidhi) ist, ihre Gestaltungen, alle diese Dinge führen zu Uner-sehntem, Unerwünschtem, Unerfreulichem, zu Unsegen und Leiden. Und warum? Weil die Anschauung eine falsche ist.

Wenn man Nimba-, Kosataki- oder Bitterkürbis-Samen in feuchte Erde sät, so wird alles, was sie aus der Erde oder dem Wassers aufnehmen, nur zu Bitternis, Schärfe und Unangenehmem führen. Und wa-rum? Weil es bittere Samen sind – und genauso ist es bei falscher Anschauung.

Was auch immer eine Person mit rechter Anschauung, dieser Anschauung folgend in Taten, Worten und Gedanken ausführt und unternimmt, und was dabei ihre Absicht, ihr Streben und ihre Ausrichtung ist, ihre Gestaltungen, alle diese Dinge führen zu Ersehntem, Erwünschtem, Erfreulichem, zu Segen und Wohl. Und warum? Weil die Anschauung eine rechte ist.

Wenn man Zuckerrohr- oder Weinstock-Schößlinge oder Reiskörner in feuchte Erde pflanzt, so wird alles, was sie aus der Erde oder dem Wassers aufnehmen, nur zu Süßigkeit, Angenehmem und Erlese-nem führen. Und warum? Weil es gutes Saatgut ist – und genauso ist es bei rechter Anschauung.“

→ siehe auch A X,104

34. Die Verzögerung von Auswirkungen der Handlungen (Dh 119, 120)

Buddha Shakyamuni im Wahrheitspfad (Dhammapada, Verse 119 und 120):

„Auch einem Bösen geht es gut, solang das Böse nicht gereift; ist aber reif die böse Frucht, dann geht es schlecht dem schlechten Mann.

Auch einem Guten geht es schlecht, solang sein Gutes nicht gereift; ist aber reif die gute Frucht, dann geht es gut dem guten Mann.“

35. Wie entsteht Leid aufgrund von Unwissenheit und Karma?

Unwissenheit, die irrige Annahme eines “Ich”, ist die Wurzel aller Emotionen und somit die treibende Kraft aller Handlungen, die zu Leid führen.

Djamgön Kongtrul in Licht des wahren Sinnes, Seite 15:

„Was Samsara angeht, so ist die Wurzel von Leid das Ansammeln schädlicher Handlungen. Diese ent-springen aus emotionaler Verblendung, welche ihrerseits auf der Unwissenheit beruht, das “Ich” für so wichtig zu halten.

Unwissenheit ist die Wurzel aller emotionalen Verblendung. Sie entsteht aufgrund von geistiger Dumpfheit – einer tiefen Dunkelheit, in der wir nicht wissen, woher Samsara kommt, was die Natur von Samsara ist, welchen Nutzen oder Schaden Handlungen bewirken, und dergleichen mehr. Auch das

Karma-Lesebuch, Seite 28

Verständnis, welches aufgrund der Erklärungen des Lehrers oder aufgrund von Studium und Kontemp-lation entsteht, bleibt vage – eine ungefähre Vorstellung über etwas nicht wirklich Existierendes: “So etwa könnte es sein.” Dies ist, als würden wir unsere Vorstellungskraft auf einen Ort richten, an dem wir noch nie waren, und ihm einen Namen geben. So halten wir an etwas nicht Existentem als “mein” fest und bezeichnen es als “Ich”. Auf dieser Grundlage entwickeln sich die vielen verkehrten Anschauungen wie zum Beispiel Zweifel über die Bedeutung der Wirklichkeit. Unser Körper, Besitz usw. lassen An-haftung entstehen – und daraus entstehen Stolz, Eifersucht und Habgier. Aufgrund des “anderen” (ver-meintlich äußerer Objekte) entsteht Abneigung, welche zu heftigem Zorn, Groll und dergleichen führt.

Wenn diese drei emotionalen Gifte – Unwissenheit, Anhaftung und Abneigung – nicht vorhanden sind, kann kein Karma entstehen.

Wenn es kein Karma gibt, zeigen sich auch keine Früchte. Deshalb ist es notwendig, sich mit aller Kraft von diesen drei Grundursachen freizumachen, die bewirken, dass man im Daseinskreislauf umherirrt. ...Kurz gesagt:

Solange die konzeptuellen Tendenzen nicht erschöpft sind, sammelt man ununterbrochen Karma an, dessen Kraft es unmöglich macht, dass die illusorischen Manifestationen Samsaras ein Ende finden.

Jemand, der dumm aufgrund seiner verkehrten Meditation der Leerheit behauptet: “Ich habe den Geist verstanden” und es nicht für nötig hält, das Gesetz des Karma zu beachten und sich daran zu halten, ist von daher ein großer Dieb der Lehre.”

Asanga, S.86: “Im Sutra heißt es: Die verdienstvollen, nicht-verdienstvollen und unbeweglichen Hand-lungen sind die von der Unwissenheit (avidya) konditionierten Gestaltungskräfte (samskara). Warum werden auch die verdienstvollen und unbeweglichen Handlungen als ‚von Unwissenheit konditioniert’ bezeichnet?

Unwissenheit ist zweifach: Unwissenheit hinsichtlich der Auswirkungen (vipaka-avidya) und Unwis-senheit hinsichtlich der Wirklichkeit (tattvartha-avidya).

Unwissenheit hinsichtlich der Auswirkungen bewirkt die nicht-verdienstvollen (nichtheilsamen) Gestal-tungskräfte (apunya-samskara) und die Unwissenheit hinsichtlich der Wirklichkeit bewirkt die ver-dienstvollen und unbeweglichen Gestaltungskräfte (punya-aninjya-samskara).” (Ende des Zitates)

So erzeugt also jede von Unwissenheit begleitete Handlung Karma, das zu weiterer Existenz im Da-seinskreislauf führt. Ein vollkommen Verwirklichter, der frei von Unwissenheit ist und das Wissen um die letztendliche Wirklichkeit erlangt hat, ist jenseits der Dualität, jenseits von heilsam und nichtheil-sam, und erzeugt keinerlei Karma mehr, nicht einmal gutes Karma. Wenn so ein Verwirklichter eine Handlung ausführt, ist dies eine reine Handlung, die keine Ursachen für weitere Existenz schafft, da sie frei von dem Irrglauben an ein “Ich” und dem Wunsch nach weiterer Existenz ist.

Karma entsteht durch Vorstellungen, die auf Unwissenheit beruhen, und den sich daraus ergebenden Emotionen. Befreiung von Karma ist Befreiung von Unwissenheit und umgekehrt.

Karmapa im Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe S.172: “Wegen der ‚Unbewusstheit, die falsch auslegt’, erkennen wir das Selbst-Gewahrsein (rang-rig) nicht und haften deshalb an einem ‚Ich’, wo kein Ich existiert, an einem ‚Selbst’, wo kein Selbst existiert, an ‚Konkretem’, wo nichts Konkretes exis-tiert. Angetrieben von Anziehung, Abneigung und Blindheit, sammeln wir Handlungen (Karma) an, von denen jede einzelne reifen wird und irren in dem Kreislauf bedingten Daseins umher.”

Gampopa im Schmuck der Befreiung (Kapitel 17, über Weisheit): “Wenn man die Person für etwas Dauerhaftes und Einzigartiges hält, wird man daran voller Identifikation als ein Ich oder Selbst festhal-ten. Das ist unter »Selbst der Person« oder »Geist« zu verstehen. Ausgehend von einem Ich entsteht emotionale Verblendung. Aus emotionaler Verblendung entstehen Handlungen (Karma). Aus Handlun-gen entsteht Leid. So ist die Wurzel von allem Übel und Leid (die Annahme von einem) »Selbst« oder »Geist«.”

Die irrige Annahme der Existenz eines Ichs ist die Wurzel des Erzeugens karmischer Kräfte.

Karma-Lesebuch, Seite 29

Wie die irrige Annahme der Existenz eines Ichs den Daseinskreislauf hervorbringt, mit all dem damit verbundenen Leid, wird durch die zwölf Faktoren abhängigen Entstehens beschrieben (pratityasamut-panna). Nähere Erläuterungen dazu finden sich in Gampopas Schmuck der Befreiung, S.205-209, und in Asangas Abhidharmasamuccaya, S.42-44.

36. Die Suche nach Glück als Ursache für Leid (M 13)

Gendün Rinpotsche in einem Gespräch, Losar 97:

"Ihr solltet daran denken, dass Ihr seit anfangsloser Zeit in zahllosen Körpern zahllose Leben erfahren habt. Mit all diesen Körpern habt Ihr grenzenloses Karma angesammelt. Jetzt habt Ihr den Körper dieses Lebens, der wie die Summe, das Endergebnis all der vorhergehenden Körper und Leben ist. Und auf-grund dieses Körpers habt Ihr Empfindungen, Gefühle, die das genau entsprechende Ergebnis der früher kultivierten Tendenzen sind. Das Hauptgefühl ist der Wunsch, glücklich zu sein und angenehme Erfah-rungen zu machen.

Dieser Wunsch nach Glück und das Anhaften an angenehmen Erfahrungen, ist die Ursache von Leid.

Wenn Euch das klar ist, dann merkt Ihr, dass Euch dieser Wunsch immer noch beherrscht, und Ihr er-kennt, dass dies auf früheren Tendenzen beruht. Ihr seid noch sehr davon abhängig, denn es ist schwie-rig, dieses Anhaften aufzulösen und frei von diesem Wunsch nach Glück zu werden."

M 13.15-16: „An Sinneserfahrungen [„Sinnesvergnügen“ im weitesten Sinne] zu haften ist die Ursache, die Quelle, die Grundlage, warum sich Leute dem Fehlverhalten in Körper, Rede und Geist hingeben. Wenn sie dies getan haben, erscheinen sie bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, in Umstän-den wieder, die von Entbehrungen geprägt sind, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderb-nis, ja sogar in der Hölle. ... – Durch das Beseitigen, das Überwinden von Begierde und Gier nach Sin-nesvergnügen entkommt man den Gefahren des Haftens an Sinnesvergnügen.“ ...Und das Gleiche gilt für das Haften an Form und selbst den subtilsten Meditationserfahrungen (M 13.18-37).

37. Was beeinflusst die Auswirkungen von Handlungen?

� Übung 7: Spielen Sie anhand einer beliebigen Handlung durch, wie verschiedene Faktoren Einfluss auf deren Auswirkungen haben. Wiederholen Sie im Geiste dieselbe Handlung immer wieder unter leicht veränderten Bedingungen. Untersuchen Sie dabei die in der folgenden Liste aufgezählten Faktoren. Wir können folgende, recht anschauliche Situation wählen:

Eine junge Frau geht spazieren. Es ist Herbst. Vor ihr überquert ein fünfjähriges Mädchen eine Brücke. Es lehnt sich zu weit über das Geländer, weil es ein im Wind segelndes Blatt zu erhaschen versucht, und fällt in den rauschenden Fluss, kann aber nicht schwimmen. Die Frau hat den Im-puls, das Kind zu retten. (Anregung von R. Leisner)

Spielen Sie folgende Szenarios durch und versuchen Sie dabei zu erahnen, was alles die unterschiedli-chen Auswirkungen sein könnten. Stellen Sie sich vor, Sie seien diese Frau. Was fühlen Sie vor, während und nach der Handlung. Wie wirkt sich diese Handlung aus – auf unseren Körper, unsere Wahrneh-mung, Gefühle, Gedanken, jetzt und später, auf andere usw.?

− Sie springt, ohne überhaupt nachzudenken, in voller Kleidung hinterher. − Sie zögert nicht, zieht aber vorher besonnen ihr schweres Gewand aus. − Sie hat Angst, überwindet sich aber. − Sie springt aus Streben nach Anerkennung. − Sie springt unter Druck. − Es gelingt ihr bzw. gelingt ihr nicht, das Kind zu retten. − Sie ist (a) eine schlechte Schwimmerin, (b) eine routinierte Rettungsschwimmerin, die schon mehre-

re Menschen gerettet hat, (c) kann selber nicht schwimmen. − Es sind (a) keinerlei andere Personen anwesend, (b) die Familie des Kindes ist da oder (c) es sind

sogar Journalisten anwesend. − Sie ist wütend auf die Eltern, die nicht aufgepasst haben, springt aber trotzdem.

Karma-Lesebuch, Seite 30

− Bei dem Kind handelt es sich (a) um ein Obdachlosenkind, (b) um das Kind des Präsidenten des Landes oder (c) um ein Milliardärskind.

− Bei der Frau handelt es sich um (a) um eine völlig Unbekannte, (b) um eine buddhistische Nonne, (c) eine Frau, die unter Anklage des Mordes oder der Kindesmisshandlung steht oder (d) um die Frau des Präsidenten.

− Sie bekommt aufgrund des kalten Wassers eine schwere Lungenentzündung und (a) bereut nachträg-lich, gesprungen zu sein, bzw. (b) freut sich jedes Mal, wenn sie daran denkt über diese Handlung, auch noch Jahre danach oder (c) reagiert stolz und prahlend oder (d) widmet die Handlung der Er-leuchtung.

− (a) Es gelingt ihr oder (b) es gelingt ihr nicht, das Kind zu retten. − Sie wird (a) gelobt oder (b) getadelt für ihre Handlung.

Die Auswirkungen einer gegebenen Handlung sind von folgenden Faktoren abhängig :

− der Art der Emotion bzw. Motivation, die der Handlung zugrunde liegt − der Intensität der Emotion bzw. Motivation − der Art der Handlung − dem Erfolg der Handlung − der Häufigkeit der Handlung − dem Objekt oder Gegenüber der Handlung − dem persönlichen Entwicklungsstand − dem nachträglichen Verstärken oder Abschwächen der Handlung − Wechselwirkungen mit anderen bereits ausgeführten Handlungen − der jetzigen globalen Situation und Geisteshaltung

Die eben aufgezählten Bedingungen beeinflussen auch den Zeitpunkt des Heranreifens dieser Auswir-kungen, denn alle diese Faktoren können auch bewirken, dass eine Handlung genau jetzt ihre vollen Auswirkungen haben kann oder eben gerade jetzt nicht. Wenn wir z.B. unmittelbar nach einer Handlung den Ort verlassen, dann können uns bestimmte Reaktionen von Betroffenen nicht sofort treffen. Wir entziehen uns den unmittelbaren Konsequenzen. Aber “aufgeschoben ist nicht aufgehoben”.

Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe S.18-19: “Ferner wird man als Höllenwesen, hungriger Geist oder Tier wiedergeboren, je nachdem ob die nichtheilsamen Handlungen riesenhaft, mittelmäßig oder gering, bzw. ob diese Handlungen von Hass, Begierde oder Dummheit motiviert waren. Aus kleinen heilsamen Handlungen folgt eine Wiedergeburt als Mensch, aus mittleren eine Wiedergeburt als Gott der Sinnlichkeit und aus großen eine Wiedergeburt als Gott im Reich der meditativen Vertiefung oder in den formlosen Bereichen.”

Auf jeden dieser Faktoren werden wir im Folgenden eingehen. Doch zunächst zitieren wir die traditio-nellen Unterweisungen zu dem, was die Stärke der Auswirkungen einer Handlung beeinflusst.

38. Was ist unter starken Handlungen zu verstehen?

Starke Handlungen sind:

- Handlungen, die stark genug sind, die Auswirkungen einer nichtheilsamen Handlung abzupuffern - alle absichtsvollen heilsamen Handlungen - alle absichtsvollen nichtheilsamen Handlungen, die nicht abgepuffert werden - alle absichtsvollen Handlungen, die mit Bestimmtheit Folgen haben.

Asanga, S. 87/88: “Das Sutra erwähnt ‚starke Handlungen’ (balavatkarma) und ‚schwache Handlungen’ (durbalakarma). Was ist nun eine starke Handlung?

(1) Das ist die absichtsvolle nichtheilsame Handlung einer Person, bei der starke entgegengesetzte Qua-litäten (pratipaksa) zum Tragen kommen. Da die Kraft der entgegengesetzten Qualitäten (pratipaksaba-laviskambhana) dies verhindert, zeigt eine Handlung, die Auswirkungen in den Höllenbereichen hervor-rufen müsste, nur Auswirkungen in diesem Leben und eine Handlung, die Folgen in diesem Leben her-

Karma-Lesebuch, Seite 31

vorrufen müsste, zeigt keinerlei Auswirkungen. Hier wird die Handlung aufgrund der Stärke des Wir-kens der entgegengesetzten Qualitäten ‚stark’ genannt.

(2) Jede absichtsvolle heilsame Handlung wird ‚stark’ genannt (aufgrund der Kraft des Wirkens der dem Nichtheilsamen entgegengesetzten Qualitäten, die aus Samsara herausführen). Sich auf solche Handlun-gen beziehend sagte der Buddha: Meine edlen Schüler entwickeln eine heilsame geistige Ausrichtung auf die grenzenlosen und großen Handlungen (apramanavaipulya); was aber die bedingten und begrenz-ten Handlungen (abhisamskrta sapramana) angeht, so weisen sie diese nicht zurück, vergessen sie nicht, fallen aber auch nicht in diese Kategorie (bedingter und begrenzter Handlungen).

(3) Eine absichtsvolle nichtheilsame Handlung bei einer Person mit schwachen entgegengesetzten Qua-litäten wird ebenfalls ‚stark’ genannt (weil sie starke Auswirkungen haben wird).

(4) Weiterhin wird jede absichtsvolle Handlung ‚stark’ genannt, die mit Bestimmtheit Folgen hervorruft oder die nicht durch den Edlen Achtfachen Pfad ausgelöscht wird oder die auch unbekannt sein mag. – In Anbetracht all dessen heißt es:

Alle (absichtsvollen) heilsamen und nichtheilsamen Handlungen, die mit Bestimmtheit Folgen hervorru-fen, werden ‚stark’ genannt.

Nichtheilsame Handlungen im Bereich der Sinnesfreuden, gewohnheitsmäßig ausgeführte Handlungen der Vergangenheit, zu opportunen Zeiten5 ausgeführte Handlungen, sowie Handlungen, die nicht aufzu-heben sind (asadhya), weil sie von ihrem Wesen her unvereinbar mit dem Parinirwana sind – all diese Handlungen sind von Natur aus ‚stark’.” (Ende des Zitates)

39. Die 51 Gestaltungsfaktoren

Karma entsteht aus Sicht des Abhidharma aus den Gestaltungskräften (samskara). Sie gestalten unsere Welt, da sie unsere Sicht der Welt und unser Handeln prägen. Hierzu gehören in erster Linie die 51 Geistesfaktoren (caitta) oder Gestaltungsfaktoren: 5 stets vorhandene; 5, die ein Objekt jeweils genauer ergründen; 11, die heilsam sind; 6 grundlegende Geistesgifte oder „Gebrechen“, die für emotionale Ver-blendung verantwortlich sind; 20 weitere Faktoren emotionaler Verblendung, die sich aus den Erstge-nannten ergeben; sowie 4 veränderliche Faktoren, deren heilsame oder nichtheilsame Qualitäten von ihren wechselnden Objekten abhängen. Natürlich könnten der Liste noch weitere Gestaltungsfaktoren hinzugefügt werden, aber im Grunde ist hiermit die gesamte Palette geistiger Funktionen und Stimmun-gen erfasst.

„Heilsam“ (kushala) steht hierbei für: den Geist weitend, öffnend, klärend, zu Freude und Befreiung führend. Die heilsamen Geistesfaktoren werden oft unter Mitgefühl und Weisheit zusammengefasst. Dazu zählen auch die heilsamen Geistesregungen wie Liebe, Freude usw.

„Nichtheilsam“ (akushala) bzw. „Befleckung“, „Gebrechen“ (Skt: klesha, Pali: kilesa) ist, was den Geist verengt, verschleiert, verdunkelt und zu Leid und Verwirrung führt. Nichtheilsame Geistesfakto-ren entstehen alle aus Unwissenheit oder mangelnder Bewusstheit (avidya), deren unmittelbare Erfah-rung Angst oder Enge ist. Aus mangelnder Bewusstheit kommt es zu Anhaften (Begierde) und Abnei-gung (Hass). In diesen dreien werden alle verschleiernden Geistesregungen zusammengefasst. Die grundlegenden verschleiernden Geistesregungen werden auch als Trübungen oder „Ausflüsse“ bezeich-net. Ihr gemeinsames Merkmal ist das dualistische Haften, das Haften an vermeintlicher Existenz von Subjekt und Objekt.

40. Die vier Triebflüsse (M 2)

Es gibt, wie es der Buddha ausdrückte, vier prinzipielle „Triebflüsse“ oder „Strömungen“ (Skt: asrava; Pali: asava, Tib: zag-pa), die den Daseinskreislauf bedingen: (1) den Triebfluss des Verlangens nach Sinnlichkeit, Begehren (kama), (2) den Triebfluss des Verlangens nach Dasein, Existenz oder „Werden“

5 opportune Zeiten: Eine Handlung in der Jugend wird als stärker betrachtet als eine Handlung in der Kindheit oder im hohen Alter. Eine Handlung bei voller Gesundheit ist stärker als die Handlung eines Kranken.

Karma-Lesebuch, Seite 32

(bhava), (3) den Triebfluss des Festhaltens an Standpunkten und Ansichten (dhitti) und (4) den Trieb-fluss der Unwissenheit oder mangelnder Bewusstheit (avidya).6

Das Wort „Triebfluss“ – asava – kommt von a-savati: fließen oder hinzufließen. Es beschreibt das un-bemerkte Strömen, Hinfließen oder Ausfließen des von diesen vier Triebflüssen aufgewühlten Bewusst-seins zu den Objekten der Sinne mit dem sich daraus ergebenden Anhaften, welches dann wiederum ‚Einfluss’ aufs Bewusstsein hat. Die Triebflüsse sind die unbemerkten Schwärme kleiner Fische (unbe-merkter Gedanken) in unserem aufgewühlten Bewusstsein. Das Bewusstsein verwickelt sich, ohne es zu bemerken, in dualistische Projektionen und verliert dabei die Klarheit und Kraft des zeitlosen Gewahr-seins. Das Anzeichen für den Einfluss der Triebflüsse ist das Entstehen von „Durst“ (tanha), Habenwol-len, Anhaften. Die vier Triebflüsse drängen nach Manifestation durch die Tore des Denkens, Sprechens und Tuns; sie wollen gelebt werden, wir werden von ihnen zum Handeln getrieben. Aus ihnen entstehen die spezifischen Trübungen oder getrübten Emotionen (klesha) des Herzens oder Geistes. Ihr Vorhan-densein trübt den Geist und es kommt zu getrübten, d.h. von Dualität geprägten, geistigen, sprachlichen und körperlichen Handlungen. Diese können nichtheilsam aber auch heilsam sein. Von Triebflüssen geprägte (Skt: sasrava; Tib: zag-bcas) Geisteszustände und Handlungen sind der Motor weiterer Wie-dergeburten im Daseinskreislauf. Die Triebflüsse haben uns geschaffen; sie sind es, die zu dieser samsa-rischen Existenz geführt haben.

Wenn wir heilsam handeln, so sind diese heilsamen Handlungen zunächst noch von Triebflüssen ge-prägt, allerdings in schwächerer Form, und die Handlungen sind somit im alten Sprachgebrauch heilsam aber „unrein“. Erst wenn die grundlegende Unwissenheit aufgelöst wird, können Handlungen vollkom-men „rein“, d.h. frei von Triebflüssen ausgeführt werden.

Die Praxis zur Überwindung der vier Triebflüsse beruht, wie der Buddha in der Lehrrede über alle Triebflüsse (M 2, Sabbasava Sutta) beschreibt, auf einem weisen Umgang mit den Emotionen durch: (1) Einsicht, (2) Zügelung, (3) rechten Umgang, (4) Hinnehmen, (5) aus dem Weg gehen, (6) Vertreiben und (7) Entfalten. Wer in die tiefe Meditation hineinfindet, die völlig ungetrübt von Triebflüssen, d.h. frei von dualistischen Projektionen, frei von Ich-Dünkel, der ist befreit vom Kreislauf leidvoller Wie-dergeburten. Ein solcher wird auf Pali Khinasava genannt: einer, bei dem die Triebflüsse versiegt sind.

(Weitere Stellen im Palikanon: M 20.4/7; M 118; S 46.5/7/11/17/22/38; A 10.102)

41. Das Entstehen von Emotionen und Tendenzen

Wenn sich das grundlegende dualistische Haften, wie es mit den vier Triebflüssen beschrieben wird, auf nichtheilsame Objekte ausrichtet, führt es zu emotionaler Verwicklung, den emotionalen „Gebrechen“ (Skt: klesa, Pali: kilesa, Tib: nyon-mong) oder kurz: Emotionen. Die, eigentlich stets unbemerkten Triebflüsse führen also zu den verschiedenen Anzeichen emotionaler Verblendung, den Kleshas, die uns bewusst werden können.

Die wiederholte Verwicklung in immer wieder ähnliches Haften, immer wieder ähnliche Kleshas, prägt Neigungen in unserem Geist aus. Wiederholte, ähnliche Emotionen bahnen den Weg für erneutes, ähnli-ches Verhalten in Zukunft. Dies führt zum Entstehen von emotionalen Mustern oder Tendenzen (Pali: anusaya,7 Tib: bag-chags), die immer wieder ähnliche Emotionen im Geist entstehen lassen. So bildet sich ein Temperament oder Charakter. Und diese Neigungen setzen sich über den Tod hinaus fort, bestimmen unsere Erfahrungen im Nachtodzustand und das Eintreten in die nächste Existenz. die ihrer-seits.

„Emotionen“ (kleshas) wie Begierde, Hass usw. sind also im buddhistischen Sinne emotionale Gebre-chen oder Trübungen, die von entsprechenden Mustern genährt werden. Diese Muster entstehen durch die wiederholte Bejahung der Kleshas und verstärken ihrerseits das Auftreten, die Häufigkeit und die

6 Oft spricht der Buddha auch nur von drei Triebflüssen; in solchen Aufzählungen lässt er den dritten Triebfluss fort. Im Pali-Buddhismus heißt es, dass der Sinnestrieb auf der dritten Stufe des Erwachens (Nichtwiederkehr) überwunden wird und Werdens- sowie Unwissen-heitstrieb erst bei Erlangen der Arhatschaft. Dies dürft im Mahayana den hohen Bodhisattvas ab der 8. Stufe entprechen.

7 Der Sanskrit-Ausdruck für Muster ist vermutlich vasanas („Gewohnheitskräfte“, wörtlich: „Düfte“), doch sind damit eher neutrale und heilsame Muster gemeint, welche die heilsamen Kräfte des Herzens stärken, wie das Entwickeln der befreienden Qualitäten (Paramitas).

Karma-Lesebuch, Seite 33

Intensität von weiteren Geistestrübungen. Ihre gemeinsame Grundlage ist mangelnde Bewusstheit (avi-dya): die Trübung oder das „Ausfließen“ (asrava) des Geistes aufgrund von dualistischem Haften. Jedes Mal wenn wir in unserer Praxis einem Klesha nicht nachgeben, schwächen wir das zugrunde liegende Muster und umgekehrt.

Mit dem „Stromeintritt“, dem ersten großen Erwachen, sind wir zum ersten Mal gewahr, was Nicht-Haften ist, das Nicht-Verweilen in dualistischen Mustern. Das Nicht-Selbst offenbart sich, das zeitlose Gewahrsein. In diesem ersten Schritt werden grundlegende Unwissenheit und Angst überwunden und wahre Freude stellt sich ein. Dies ist das in diesem Leben durchaus erreichbare Ziel des Arbeitens mit unseren Emotionen aus buddhistischer Sicht.

42. Wovon hängt die Stärke einer Handlung ab?

Abgesehen von den eben genannten vier Faktoren:

− die Kraft der entgegengesetzten Qualitäten − die Kraft, aus Samsara herauszuführen − die Kraft, Leid hervorzurufen − die Kraft, mit Bestimmtheit Folgen hervorzurufen

hängt die Stärke einer Handlung laut Asanga S.88-89 von neun weiteren Faktoren ab:

1. vom “Feld” (ksetra) der Handlung: So wirkt z.B. die Sangha oder ein verwirklichter Meister als ein verstärkendes “Feld der Ansammlung” (punyaksetra) für das Erwerben von Verdiensten.

2. von den “Objekten” (vastu) der Handlung: So haben z.B. die Qualität und Quantität von ge-schenkten Opfergaben (danavastu) einen Einfluss auf die karmische Stärke der freigebigen Handlung.

3. vom “Wesen” (svabhava) der Handlung selbst: So zeitigt z.B. Disziplin (shila) von ihrem We-sen her stärkere Auswirkungen als Freigebigkeit (dana) und Meditation (bhavana) ist stärker als Disziplin.

4. von der “Basis” (asraya) einer Handlung, d.h. die handelnde Person selbst: So wirkt z.B. die heilsame Handlung einer in ihrer Disziplin reinen Person stärker als die einer undisziplinierten Person. Hierzu zählt wohl auch die Befindlichkeit der Person (was oben als “opportune Zeit” bezeichnet wurde): Eine Handlung bei voller körperlicher und geistiger Kraft, d.h. bei voller Zu-rechnungsfähigkeit, wirkt stärker als die gleiche Handlung bei Krankheit und Hinfälligkeit (z.B. im Alter bei Morbus Alzheimer; aber Niederwerfungen trotz Hinfälligkeit auszuführen ist natür-lich stärker als bei einem voll Gesunden).

5. von der eine Handlung begleitenden “Bewusstheit” (manasikara): So verstärkt z.B. eine tiefe, hingebungsvolle Achtsamkeit die karmische Kraft einer Handlung (ebenso auch Weisheit).

6. von der eine Handlung begleitenden “Absicht” (asaya): So verstärkt z.B. die Absicht, Nirwana zu erlangen, die karmische Kraft einer Handlung. Hierzu zählt auch der eine Handlung beglei-tenden “Entschluss” oder “Wunschpfad” (pranidhana): So hat z.B. der Entschluss, ein voll-kommener Buddha zum Wohle der Wesen zu werden (abhisambodhipranidhana) einen enorm verstärkenden Einfluss auf die Kraft aller in diesem Kontext ausgeführten Handlungen.

7. von der “Beihilfe” (sahaya) zu einer Handlung: So sind z.B. gemeinsam ausgeführte heilsame Handlungen stärker als allein ausgeführte.

8. von der “Häufigkeit” (bahulikara) des Ausführens einer Handlung: Das Wiederholen einer Handlung verstärkt deren karmische Spuren. Dies beinhaltet auch die Auswirkungen von Aus-dauer bei Hindernissen.

9. von ihrer Verbindung mit vielen Lebewesen (bahujanya): Handlungen, die für das Wohl einer großen Anzahl Wesen ausgeführt werden, sind stärker als vergleichsweise begrenzte Handlun-gen.

So gibt es insgesamt 13 Faktoren, die eine Handlung “stark” werden lassen.

“Schwache Handlungen” (durbalakarma) sind jeweils als das Gegenstück zu den starken zu verstehen.

Karma-Lesebuch, Seite 34

Gendün Rinpotsche in Gesetz des Karma, Seite 9:

“Hinsichtlich der Tragweite einer Handlung und der Bedeutsamkeit ihres Ergebnisses unterscheidet man mehrere Arten von Handlungen. Gewisse Taten sind sehr schädlich, und ihr Ergebnis ist Wiedergeburt in einem Höllenzustand von großem Leid. Andere schädliche Taten sind von mittlerer Stärke; sie führen zur Wiedergeburt in den Bereichen der hungrigen Geister. Wenn die schädliche Handlung nicht so schwerwiegend ist, hat sie die Wiedergeburt als Tier zur Folge. Ist die schädliche Tat sehr geringfügig, kann man als Mensch wiedergeboren werden, aber man begegnet Schwierigkeiten, die direkt der Art der Handlung entsprechen, die man in der Vergangenheit vollbracht hat. Hat man zum Beispiel viele schäd-liche Handlungen durch die Rede begangen, etwa getäuscht oder gelogen, kann man in der Welt der Menschen wiedergeboren werden, aber man hat dann immer Problem, nicht glaubwürdig zu wirken, und man wird ständig mit Lüge und Täuschung assoziiert und nie ernst genommen.”

43. Wie wirken sich Emotionen und Stimmungen aus? (D 33, A X.174)

Gleiche äußere Handlungen haben je nach begleitender Emotion unterschiedliche Auswirkungen.

� Übung 8a: Stellen Sie sich vor, Sie würden dieselbe Handlung (ein Geschenk machen, durch die Stadt spazieren gehen, ein Gespräch führen, einen Brief schreiben, ein Wesen töten, usw.) mit unter-schiedlichen Emotionen oder Gefühlsstimmungen ausführen, z.B. erfüllt von Angst, Hass, Begierde oder müde, gelangweilt, frisch usw. Was sind die jeweiligen Auswirkungen in ihrem eigenen Geist und für andere?

Zwei Leute gehen z.B. am selben Tag durch die Stadt, selber Weg, selbe Situationen. Der eine geht in einem geistigen Klima von Ruhe, Heiterkeit, Gelassenheit und Klarheit. Der andere geht mit ei-nem Geist voller Chaos, Unruhe, Unsicherheit und Angst. Welche Erfahrungen machen sie? Wie wirken diese Erfahrungen auf die beiden zurück? Was sind die Konsequenzen für die beiden, ihre nächsten Handlungen wie auch deren künftige Ergebnisse? (Anregung R. Leisner)

Wenn stets die gleiche emotionale Stimmung vorherrscht, so führt das zu einer Kette, einer Spirale, die in dieselbe Richtung geht. Ärger erzeugt Ablehnung, erzeugt noch mehr Wut und Feindseligkeit, er-zeugt noch mehr Ärger usw. Was die langfristigen Folgen einer in unserem Leben dominanten Emotion angeht, schreibt Nagarjuna lapidar in der Juwelenkette:

“Aus Begierde wirst du zu einem hungrigen Geist, Hass schleudert dich in die Höllen, Verblendung führt meist zu einem Dasein als Tier.”

Um sich diese sich selbst verstärkende Spirale noch klarer zu machen, können Sie folgende Übung be-nutzen:

� Übung 8b: Stellen wir uns einen miesem Tag in ihrem Leben vor, ein Tag, an dem wir "mit dem linken Fuß aufgestanden" sind. Welche Erfahrungen machen wir? Wie begegnen wir den anderen? und sie uns? Wie erscheint uns die Welt? Wie sähe unser Leben aus, wenn wir immer so wären? (Anregung R. Leisner)

Natürlich führt auch die Intensität der Emotion oder der inneren Beteiligung zu unterschiedlich intensi-ven Auswirkungen.

� Übung 8c: Stellen Sie sich vor, Sie würden die selbe Handlung mal mit starker innerer Beteiligung, dann schwächer und dann fast ohne innere Beteiligung ausführen. Vielleicht erinnern Sie sich auch an Handlungen, die Sie bereits mit sehr verschiedener Beteiligung ausgeführt haben. Was verändert die Intensität der inneren Anteilnahme?

Buddha Shakyamuni in D 33:

„Es gibt die folgenden Wurzeln des Nichtheilsamen: Gier, Hass und Verblendung; und es gibt drei Wurzeln des Heilsamen: Gierlosigkeit, Hasslosigkeit und Nicht-Verblendung.“

Buddha Shakyamuni in A X.174:

Karma-Lesebuch, Seite 35

„Töten, so erkläre ich, ihr Praktizierenden, wird dreifach veranlasst: durch Begierde, Hass und Verblen-dung. Auch das Nehmen von Nichtgegebenem, sexuelles Fehlverhalten, Lügen, Verleumdung, verlet-zende Rede, Geschwätz, Habgier, Böswilligkeit und falsche Anschauungen – alle diese so erkläre ich, werden dreifach veranlasst: durch Begierde, Hass und Verblendung. So ist also, ihr Praktizierenden, Begierde ein Urheber der Wirkensverkettung, Hass ein Urheber der Wirkensverkettung und Verblen-dung ein Urheber der Wirkensverkettung. Durch die Vernichtung von Begierde, Hass und Verblendung aer kommt es zur Aufhebung der Wirkensverkettung.“ (siehe auch A VI.39 und A III.34)

44. Wie wirkt sich die Motivation aus?

Gleiche äußere Handlungen haben je nach begleitender Motivation unterschiedliche Auswirkungen.

� Übung 9: Stellen Sie sich vor, Sie würden dieselbe Handlung mit verschiedenen Motivationen oder Absichten ausführen, z.B. auf persönlichen Gewinn bedacht, auf Anerkennung bedacht oder auf das Wohl der anderen Personen bedacht. Was sind die jeweiligen Auswirkungen in ihrem eigen Geist und für andere, kurz- und langfristig?

Gendün Rinpotsche in seiner letzten öffentlichen Unterweisung, Dhagpo 1997: “Die Ausgangsmotivati-on, unsere Verpflichtung gegenüber allen Wesen, ist die Basis unseres Weges, von der abhängt, wie sich unsere Praxis entwickeln wird. Wir sollten sorgfältig darauf achten, mit welcher Motivation wir begin-nen. Nehmen wir hierzu das Beispiel von zwei Männern, die jeder einen Baum pflanzen: Der eine sagt sich dabei: ‚Dies ist mein Boden, und wenn dieser Baum einmal Früchte trägt, werde ich mich an ihnen erfreuen. Dieser Baum und seine Früchte gehören mir.‘ Er identifiziert sich mit seinem Besitz. Sein Nachbar pflanzt ebenfalls einen Baum, aber mit anderer Absicht: ‚Wenn der Baum Früchte trägt, wün-sche ich mir, dass alle, die an ihm vorbeikommen, seine Früchte kosten können und sich daran freuen. Dieser Baum gehört allen.‘ Das Bäumepflanzen dieser beiden wird ganz unterschiedliche Auswirkungen haben, weil ihre Ausgangsmotivation verschieden ist. Und genauso ist es auch bei der Dharmapraxis: Die Motivation bestimmt das Ergebnis.”

45. Wie wirkt sich die Häufigkeit einer Handlung aus?

� Übung 10: Stellen Sie sich vor, Sie würden eine bestimmte Handlung nicht nur einmal, sondern wiederholt, oft oder gar ständig ausführen. Spielen Sie dies für eine heilsame und für eine nichtheil-same Handlung durch. Was sind die kurz- und langfristigen Auswirkungen? Wie verändert sich ihr Geist eventuell auch über den Tod hinaus?

Unabhängig davon, welche Emotion oder Form der Ichbezogenheit bei unseren Handlungen dominie-rend ist, hat allein die Häufigkeit nichtheilsamer Handlungen bereits vorhersehbare Folgen.

Je häufiger eine Handlung ausgeführt wird, desto dominanter ihre Auswirkungen.

So schreibt Gampopa, im Schmuck der Befreiung, Kapitel 6: “Zahllose (ständige) nichtheilsame Hand-lungen führen zur Geburt in Höllenbereichen. Viele nichtheilsame Handlungen führen zur Geburt als hungriger Geist. Einige (wenige) solcher Handlungen führen zur Geburt als Tier.”

46. Das Abpuffern der Auswirkungen von Handlungen (Dh 173, A III.101)

Vereinzelte nichtheilsame Handlungen in einem ansonsten unaufhörlichen Strom heilsamen Handelns haben keine so katastrophalen Auswirkungen, da sie von den vielen heilsamen Handlungen abgepuffert werden.

� Übung 11: Stellen Sie sich vor, ein Freund, der sonst sehr achtsam und liebevoll ist, begeht eine nichtheilsame Handlung. Wie reagieren Sie und andere? Würden Sie anders reagieren, wenn die gleiche Handlung von jemandem ausgeführt würde, der schon viele schädliche Handlungen began-gen hat? Wird sich der Geistesstrom des Freundes entscheidend verändern, wenn er unmittelbar nach dem 'Ausrutscher' zu heilsamem Handeln zurückfindet?

Karma-Lesebuch, Seite 36

Der Buddha verglich (in A III, 98) heilsame Handlungen mit klarem, süßen Trinkwasser und nichtheil-same Handlungen mit Salz. Die geringe Anzahl nichtheilsamer Handlungen eines ansonsten heilsam handelnden Menschen ist wie eine Handvoll Salz, die in den Ganges geworfen wird. Die kleine Menge Salz reicht nicht aus, um die riesigen Mengen Süßwasser im Ganges zu versalzen. Was jedoch einen Menschen angeht, der wenig Heilsames ausgeführt hat, so wäre es bei ihm so, als würde die selbe Handvoll Salz in ein kleines Gefäß mit Trinkwasser geworfen und dadurch das gesamte Wasser unge-nießbar machen.

Das bedeutet für uns, dass alles Handeln in Beziehung setzen müssen zur Gesamtheit des Wirkens (mit Körper, Rede und Geist) einer Person. Dieses Verhältnis bestimmt die Ernte, nicht die einzelne Hand-lung. Je mehr wir unser Denken, Reden und Tun auf Heilsames ausrichten, desto weniger wird das Salz unserer schädlichen Handlungen zu schmecken sein.

Buddha Shakyamuni sagt demgemäß im Wahrheitspfad (Dhammapada, Vers 173):

„Wer einst begangenes übles Werk mit besserem Wirken ganz durchsetzt, dem lichtet sich die Finsternis, wie wenn der Mond durch Wolken bricht.“

Paul Debes (Begriffe der Buddha-Reden, S.160f.): „Man kann also in der Finsternis, die man durch schädliches Wirken geschaffen hat, ein Licht aufgehen lassen. Zwar kann man geschehenes Wirken nicht ungeschehen machen, aber man kann Gutes hinterher schicken, bis das Trinkwasser aus gutem Wirken allmählich das Salz aus üblem Wirken so weit überwiegt, dass man das Salz immer weniger schmeckt. Man kann jetzt und hier nachträglich noch seine Ernte nicht nur genießbar, sondern immer süßer machen, indem man immer weiter gute Gedanken, Worte und Taten den üblen nachfolgen lässt.“

Laut Paul Debes in Begriffe der Buddha-Reden, S.112 sagt Buddha Shakyamuni in A III, 101, dass die Früchte ein und desselben Wirkens, wenn sie an einen hochsinnigen, von Trieben (emotionaler Ver-blendung) weitgehend befreiten Menschen herantreten, bei diesem fast keine Reaktion auslösen, wäh-rend ein anderer, der ‚vielbedürftig’ ist (d.h. ständig nach Befriedigung durch Sinnesvergnügen sucht) durch dieselben karmischen Früchte so stark getroffen werden kann, dass sein dadurch veranlasstes Wirken ihn in die Unterwelt (niederen Bereiche) gelangen lässt.

47. Wie wirkt sich das Feld oder Gegenüber der Handlung aus?

� Übung 12: Stellen Sie sich vor, sie würden dieselbe unaufrichtige Handlung zunächst einem unbe-kannten Menschen gegenüber ausführen, dann einem Freund oder den Eltern gegenüber, dann ih-rem spirituellen Lehrer gegenüber, dann gegenüber jemandem, der selber unaufrichtig ist, gegen-über einem armen oder einem reichen Menschen. Was verändert sich? Was bedarf es, um diese Handlung auszuführen?

Je mehr wir einer Person zu Dank verpflichtet sind (oder auch je hilfsbedürftiger sie ist), desto schwer-wiegender wird eine nichtheilsame Handlung ihr gegenüber.

Wir merken, dass wir innerlich eine größere negative Energie aufbauen müssen, um solch eine Hand-lung ihnen gegenüber überhaupt ausführen zu können. Entsprechend der Intensität unserer negativen Haltung sind auch die Auswirkungen. Warnend schreibt Gampopa, im Schmuck der Befreiung, Kapitel 6, zu den langfristigen Folgen solcher Handlungen:

“Sind die von einer Handlung Betroffenen (das ‚Objekt‘ der Handlung) etwas Besonderes, so ist das Ergebnis Wiedergeburt im Höllenbereich. (Besondere Objekte sind hier Verwirklichte, spirituelle Leh-rer, die edle Gemeinschaft sowie Stupas, Dharmatexte und Statuen als Repräsentationen der Buddhas sowie Eltern und Kranke.) Bei Betroffenen mittlerer oder gewöhnlicher Stellung ist das Ergebnis Wie-dergeburt im Bereich der hungrigen Geister. Bei Betroffenen geringerer Stellung ist das Ergebnis Wie-dergeburt als Tier.”

Karma-Lesebuch, Seite 37

48. Karmische Tendenzen

Die Karmalehre ist die Darstellung der Lehre vom abhängigen Entstehen auf einer mehr relativen, all-täglichen Ebene, wo wir von konkreten Personen sprechen, während wir auf einer höheren Ebene nur noch vom Zusammenspiel verschiedener Daseinsfaktoren (Skandhas) oder eben von den zwölf Gliedern abhängigen Entstehens sprechen. Letztere Darstellung ist vollkommen unpersönlich, da sie sich nicht mehr der Hilfskonstruktion einer handelnden Person bedient. In der Karmalehre hingegen bedient sich der Buddha konventioneller Ausdrücke und vieler bildlicher Beispiele, die unserem Erleben als han-delndem Subjekt sehr nahe sind, aber keine letztendliche Gültigkeit beanspruchen können.

Gampopa beschreibt im Schmuck der Befreiung, Kapitel 16, die ersten vier der zwölf Glieder abhängi-gen Entstehens für den Menschenbereich folgendermaßen:

„Den Anfang bildet das, was wir verblendete Unwissenheit in Bezug auf das einzig zu Kennende (d.h. die Wirklichkeit) nennen. Unter ihrem Einfluss kommt es zu ‚befleckten‘ (d.h. dualistisch eingefärbten) heilsamen, nichtheilsamen (und unbeweglichen) Handlungen, den karmischen Tendenzen. Diese nennen wir durch Unwissenheit bedingte karmische Tendenzen (Gestaltungskräfte)8. Den Geist, der die Samen dieser Handlungen weiter kultiviert, nennen wir durch karmische Tendenzen bedingtes Bewusstsein. Der durch die Kraft des Karmas dieser Handlungen getrübte Geist tritt in die Gebärmutter ein, verbindet sich mit der Essenz (Same und Eizelle) und durchläuft die embryonale Entwicklung. Das nennen wir durch Bewusstsein bedingte Name und Form.9“ Dabei wird offensichtlich, wie entscheidend Handlungen und die aus ihnen entstehenden karmischen Tendenzen sind. Sie sind, zusammen mit der zugrunde liegenden Unwissenheit, die Ursache von allem Leid.

Unwissenheit führt zu dualistischem Handeln, das karmische Tendenzen erzeugt.

Mit karmischen Tendenzen ist eine Handlungs- oder Reaktionsbereitschaft gemeint, d.h. Einstellungen oder Verhaltensmuster, die sich tief in unseren Geist eingeschliffen haben, wie ein immer wieder be-nutzter Weg, der zu einem Hohlweg geworden ist. Dazu gehören auch Veranlagungen und Begabungen. Gampopa gibt ein Beispiel zu den zwölf Gliedern abhängigen Entstehens:

“Unwissenheit ist wie ein Sämann, Karma entspricht dem Boden, Bewusstsein ist wie der Same, Ver-langen entspricht der Feuchtigkeit, Name und Form sind wie der Keim, und die anderen Glieder sind wie Zweige, Blätter usw.”

Abschließend weist er darauf hin, dass “das (bloße) Vorhandensein von Unwissenheit bewirkt, dass sich karmische Tendenzen manifestieren...”

Gendün Rinpotsche in Meditation jenseits von Hoffnung und Furcht: “Gedanken erscheinen aufgrund von Tendenzen, die latent im Geist vorhanden sind. Diese Tendenzen beruhen ihrerseits auf Anhaften. Dieses ist die Ursache von allem, was sich in unserem Geist zeigt. Wenn wir den Strom der Gedanken aufmerksam beobachten, können wir sehen, wie – ohne dass wir eine Kontrolle darüber haben – ein Gedanke nach dem anderen auftaucht. Sie erscheinen unvermittelt, wie von selbst, auch ohne dass wir etwas Bestimmtes denken wollten. All diese Gedanken entstehen unter dem Einfluß unserer vergange-nen Handlungen.”

Unser Karma und unsere karmischen Tendenzen entscheiden, welche Gedanken auftauchen.

Gendün Rinpotsche in Weg des Bodhisattva, Seite 35: “Unser Körper und alle Erfahrungen von Körper, Rede und Geist sind das Resultat von unseren Handlungen, Worten und Gedanken in diesem Leben und in anderen Existenzen – in unzählbaren Existenzen. Unsere jetzige Existenz ist bedingt durch die ange-sammelte Kraft von Gewohnheiten und Neigungen, die unsere Reaktionen bestimmen. Wenn wir jetzt aufgrund von karmischen Bedingungen bestimmte Situationen erleben, dann reagieren wir aufgrund dieser Gewohnheiten, ohne überhaupt nachzudenken.

8 Karmische Tendenzen (Tib: 'du.byed) bedeutet wörtlich «gesammelte Handlungstendenzen«. Es sind die handlungsauslösenden Impulse, die ihrerseits das Resultat früherer Handlungen sind. Sie färben das Bewusstsein im Nachtod-Zwischenzustand.

9 Form steht für das physische Aggregat und Name für die mentalen Aggregate.

Karma-Lesebuch, Seite 38

Unsere gewohnheitsmäßigen Reaktionen schaffen neues Karma und verstärken die karmischen Kräfte und Tendenzen, die unsere zukünftigen Leben bestimmen.”

49. Karmische Sicht oder reine Sicht?

Handlungen hinterlassen als Spur die karmische Tendenz zu weiteren gleichartigen Handlungen und Sichtweisen, im positiven wie im negativen Sinn. Mit karmischer Sicht ist die uns eigene, für unsere emotionalen Schleier typische Sicht der Welt gemeint, unsere Welt der Projektionen, eine uns fast stän-dig begleitende Verschleierung. Jeder nimmt die Welt und Situationen anders wahr, denn jeder hat seine eigene karmische Sicht, seine eigene karmische Brille. Reine Sicht wäre eine Sicht frei von emotionalen Schleiern, frei von Ichbezogenheit.

Gendün Rinpotsche in Gesetz des Karma, Seite 14:

“Die Dinge erscheinen uns unter dem Einfluss des Karmas, das unseren Geist verdunkelt: Unsere Wahr-nehmung der Außenwelt ist eine Projektion des Geistes und die Konsequenz unseres Karmas.”

Gendün Rinpotsche in Geist des Erwachens, Seite 7: “Ein Geisteszustand, der durch störende Gefühle verwirrt ist, ist die Quelle von Schwierigkeiten und lässt uns in einem ständig von uns selbst aufrechter-haltenem Leid versinken. Der Geist befindet sich unter der Macht der fünf Geistesgifte wie Stolz, Eifer-sucht, Begierde, Unwissenheit und Wut. Aufgrund des Hervorbringens dieser fünf Arten von störenden Gefühlen projizieren wir unseren verwirrten Geisteszustand auf andere und unsere Sicht der anderen ist gefärbt durch unseren emotionalen Zustand: Wir sehen sie voller Emotionen, voller Stolz, Eifersucht und Zorn. Diese Geisteshaltung bringt uns viel Leid, in dem Maße, wie sie dauernd den Geist verwirrt und damit ein sehr negatives Karma schafft. Dies hängt grundlegend damit zusammen, dass es uns nicht möglich ist, unsere inneren Haltungen zu sehen und dass wir keine achtsame Prüfung unseres Geistes-zustandes vornehmen.”

50. Karmische Tendenzen und Dharmapraxis

Unsere unterschiedlichen karmischen Sichtweisen und Neigungen haben einen erheblichen Einfluss auf unsere Begegnung mit dem Dharma und auf das Einschätzen von dem, was wir für Qualitäten und für Fehler halten.

Djamgön Kongtrul im Licht des wahren Sinnes, Seite 53: “In unserer Zeit ist ein Lama, der frei von allen Fehlern ist und alle Qualitäten vervollkommnet hat, nicht mehr zu finden. Selbst wenn wir einmal einem solchen Lama begegnen würden, so würden wir aufgrund unserer unreinen Wahrnehmung seine Qualitäten ungeachtet dessen, wie viele er auch besitzen mag, als Fehler betrachten – genauso wie zum Beispiel Devadatta Fehler in dem Siegreichen (Gautama Buddha) gesehen hat.

Heute sind die meisten Menschen vor allem reich an negativem Karma, das sie mit schädlichen Hand-lungen angesammelt haben. Deshalb betrachten sie das, was in Wirklichkeit Fehler sind, als Qualitäten.

So geschieht es unter anderem, dass sie Leute als heilige Menschen betrachten, die nicht einmal eine einzige echte Dharmaqualität besitzen, weder in der Öffentlichkeit noch im Privaten. Von daher ist es schwierig, eine korrekte Einschätzung (eines potentiellen Lehrers) vorzunehmen.”

Djamgön Kongtrul im Licht des wahren Sinnes, Seite 62: “Da die Lebewesen auf unterschiedlichen Stufen in der Entwicklung ihrer Fähigkeiten sind, sind sie nicht nur mit Hilfe einer einzigen Meditati-onsgottheit oder einer einzigen Dharmalehre zu bezähmen.

Die verschiedenen karmischen Neigungen der Wesen führten zu den verschiedenen Lehren Buddhas.

Als Folge davon entstanden die Überlieferungen der verschiedenen Schulen mit ihren unterschiedlichen Weisen, die Unterweisungen zu praktizieren und zu bewahren.”

Licht des wahren Sinnes, Seite 69: “Da die Schüler allesamt das weniger gute Karma haben, in dieser Zeit des Verfalls geboren zu werden, verstehen sie nicht die Bedeutung der essentiellen Dharma-Unterweisungen und viele von ihnen laufen bloß leerem Gerede hinterher. Selbst Shakyamuni Buddha könnte sie wohl nicht von diesen Verirrungen und Fehlern abhalten.”

Karma-Lesebuch, Seite 39

Gendün Rinpotsche in Drei Siegel, Seite 27: “Es ist wichtig zu wissen, dass die Wahl des Lehrers in den Händen des Schülers liegt. Dieser wählt, in Abhängigkeit von seinem eigenen Karma, den Lama, zu dem er sich natürlicherweise hingezogen fühlt und der seinem augenblicklichen Karma entspricht.”

� Übung 13: Stellen Sie sich vor, dass dieselbe Situation von mehreren unbeteiligten Zeugen wahrge-nommen wird, beispielsweise: Ein Lehrer wird verbal von jemandem aus der Zuhörerschaft ange-griffen. Wie würden die verschiedenen Anwesenden unter Umständen reagieren? Was würden sie denken? Was steht hinter ihren unterschiedlichen Reaktionen?

Karmische Tendenzen erschweren oder erleichtern unsere Dharmapraxis. Sie können sich ändern auf-grund der jetzt von uns ausgeführten Handlungen.

Djamgön Kongtrul im Licht des wahren Sinnes, Seite 10: “Um den Dharma wirklich rein zu praktizie-ren, müssen wir unbelastet von den sechzehn hinderlichen Umständen sein. Hierzu gehören die acht hinderlichen Umstände, die auf augenblicklichen Bedingungen beruhen:

(1) einen aufgewühlten Geist zu haben, weil die fünf Geistesgifte sehr stark und heftig sind (2) von schädlichen Gefährten beeinflusst zu sein (3) verkehrte Anschauung und Praxis (4) große Faulheit (5) eine Springflut von Hindernissen, weil früheres, schlechtes Karma wach wird (6) wie ein Knecht oder Sklave von anderen abhängig zu sein (7) sich nicht dharmagemäß zu verhalten, weil wir (nur) aus Furcht vor dem Tod oder aus Angst,

keine Nahrung und Kleidung zu finden, zum Dharma (bzw. ins Kloster) gekommen sind (8) des Gewinnes oder des Ansehens willen den Dharma (in Verhalten und Rede) vorzutäuschen.”

Alle diese hinderlichen Umstände sind durch Karma bedingt. Um aus hinderlichen Tendenzen auszu-steigen, müssen wir als erstes innehalten und nicht weiter mit dem Muster fortfahren.

Licht des wahren Sinnes, Seite 12: “Allgemein wird jemand, der eine Neigung zum Ausführen bestimm-ter Handlungen hat, als “jemand mit karmischen Neigungen” bezeichnet.10 So besitzen solche mit kar-mischen Neigungen zur Dharmapraxis aus früheren Leben auch in diesem Leben ein Vertrauen und eine Bereitschaft zu lernen, die sich auf den Dharma sowie auf den Lama, bei dem sie praktiziert haben, rich-ten. Dies ist ein Zeichen für das Wiedererwachen von positivem Karma.”

51. Karmische Schleier

Gendün Rinpotsche in Drei Siegel, Seite 33: “Die Unreinheiten (ichbezogenen Muster) unseres Geistes, deren Ursache Unwissenheit ist, zeigen sich als dreierlei emotionale Reaktionen: Anhaften, Abneigung und Gleichgültigkeit (Begierde, Hass und Dummheit). Diese drei Muster beeinflussen alle Handlungen, die wir mit Körper, Rede und Geist ausführen und sind die Ursache für das Ansammeln von Karma. Solche von Verwirrung getrübten Handlungen bewirken, dass unsere geistigen Schleier weiter zuneh-men, und erschweren so das Erkennen unserer wahren Natur.”

Je mehr auf Unwissenheit beruhende Handlungen wir ausführen, desto stärker werden unsere karmi-schen Schleier.

Gendün Rinpotsche in Gesetz des Karma, Seite 8: “Hinsichtlich des Körpers geht es dabei um alle schädlichen physischen Handlungen, die man begangen hat und die anderen geschadet haben. Dies sind Handlungen, die in einem Kontext von Verwirrung stattgefunden haben, denn wir nahmen die Situation dualistisch wahr. Es gab das Ich und den Anderen, wobei das Ich Subjekt und der Andere Objekt war. Dieser dualistischen Beziehung entsprangen Taten: in unserem Zustand der Unwissenheit haben wir womöglich getötet, gestohlen, betrogen, uns sexuell unangemessen verhalten, Leute erschreckt, ver-sucht, der Beste zu sein, jemand körperlich eingeschüchtert. Solches Handeln bedeutet Taten, deren Resultat die Verhüllung der Buddhanatur ist. Es bedeutet Schleier, die durch die Aktivität des Körpers geschaffen werden.”

10 Jemand mit karmischen Neigungen, Tibetisch: las-phro (gesprochen: lä-tro), hat aufgrund früherer Gewöhnung eine Tendenz, dieselben Handlungen in diesem Leben zu wiederholen. Sie fallen ihm leicht und machen ihm meist Freude.

Karma-Lesebuch, Seite 40

Gendün Rinpotsche in Gesetz des Karma, Seite 7: Wenn dies der Fall ist, warum ist die Buddhanatur dann nicht wahrnehmbar und warum offenbart sie sich uns nicht? Weil sie von Schleiern und Unreinhei-ten verdeckt wird. Diese Schleier des Geistes sind die Frucht der Unwissenheit, und der gewichtigste unter ihnen rührt vom negativen Karma her, das in der Vergangenheit durch Körper, Rede und Geist angesammelt wurde. Er bildet eine Art dunkle Schicht, welche die Buddhanatur verdeckt und verhin-dert, dass man sie erkennt, aber diese Schicht kann beseitigt werden. Sind die vorübergehenden Befle-ckungen erst einmal entfernt, manifestiert sich die Buddhanatur: Man nimmt sie unmittelbar wahr, weil sie bereits da ist.”

Alle Schleier können aufgelöst werden. Sind sie einmal aufgelöst, kommt die Buddhanatur zutage.

Gendün Rinpotsche in Gesetz des Karma, Seite 8: “Die Schleier, welche die Buddhanatur verdecken und verhindern, dass sie sich offenbart, sind das Ergebnis einer Anhäufung negativen Karmas in der Vergangenheit durch Handlungen, die von der Emotion Unwissenheit motiviert wurden. Diese Hand-lungen wurden auf drei Ebenen vollbracht: auf der von Körper, Rede und Geist. Alle Handlungen wur-den durch den Körper, die Rede oder den Geist vollzogen; es gibt keine anderen Möglichkeiten des Handelns. Die karmischen Schleier, die sich aus diesen Handlungen ergeben, stehen folglich in Bezie-hung zu Körper, Rede und Geist, und wenn man sich auf den Buddhazustand zubewegen will, nutzt man das Handeln von Körper, Rede und Geist derart, dass man die Schleier entfernt, die aus vorheriger schlechter Verwendung dieser Möglichkeiten des Handelns entstanden sind.”

Schleier sind nicht nur Verzerrungen in der Wahrnehmung, sondern auch aktive Projektion von etwas, das es gar nicht gibt. Im zwischenmenschlichen Bereich spielen solche Projektionen eine große Rolle und sind verantwortlich für die meisten Probleme. Um Projektionen zu reduzieren, ist es hilfreich, akti-ves, aufmerksames Zuhören zu üben und die Fähigkeit zu entwickeln, Gehörtes exakt wiederzugeben. Wenn wir über Gefühle sprechen sollten wir in der Ichform sprechen, damit der andere merkt, dass wir zumindest die Möglichkeit offen lassen, dass wir eventuell gerade in einer Projektion gefangen sind. Mit Hilfe dieser Methoden tasten wir uns an eine weniger verzerrte Wahrnehmung der Wirklichkeit heran.

Paul Debes in Begriffe der Buddha-Lehren, S.158: „Die Welt, die wir erleben, ist bereits die Ernte unse-res bisherigen Handelns in Gedanken, Worten, Taten. Sie ist nicht eine objektive Gegebenheit an sich, die unabhängig von uns bestünde und die wir nun nach unseren Wünschen ausbauen könnten, sondern sie ist die auf für uns verborgenen Wegen, daher heimlich-unheimlich entstandene Ernte unseres Wir-kens.“

52. Übungen zum Ermessen der Größe unseres eigenen Karmas

� Karmische Bestandsaufnahme, Übungen 14-16: Auch vor den folgenden Übungen entspannen wir uns zunächst für einige Minuten in bewusstem Nichtstun. Dann denken wir über folgende Fragen nach und gehen dabei zurück bis in unsere Kindheit. Wir lassen die Gesamtheit aller Handlungen seit unserer Geburt an unserem Auge vorbeiziehen, ohne sie zu werten. Dabei versuchen wir zu er-spüren, wie sich die heutige Person im Laufe der Jahre durch die Rückwirkungen zahlloser Hand-lungen geformt hat, ein fließender, sich ständig fortsetzender Prozess:

1. Handlungen des Körpers (Übung 14)

� Wir denken über all die Handlungen nach, die wir mit dem Körper ausgeführt haben. Obwohl wir vielleicht so manche schädliche Handlung nicht selbst ausgeführt haben, können wir auch darüber nachdenken, ob wir uns gefreut und es gutgeheißen haben, dass andere sie ausführten? Dabei gehen wir die drei Bereiche körperlicher Handlungen durch, die in den Texten der Überlieferung erwähnt werden:

a) Habe ich in diesem Leben getötet – angefangen bei Insekten bis hin zu größeren Tieren und Men-schen? Habe ich Lebewesen gequält, geschlagen, mißbraucht, genötigt und ihnen sonstwie durch körperliche Handlungen Schaden zugefügt? Oder habe ich ihr Leben geschützt, ihre Schmerzen ge-lindert, ihren Hunger gestillt, sie gepflegt und mit Respekt behandelt?

b) Habe ich gestohlen, mir Dinge angeeignet, die mir nicht gegeben wurden? Habe ich den Besitz an-derer beschädigt? Oder war ich großzügig und habe gegeben, was andere brauchten?

Karma-Lesebuch, Seite 41

c) Habe ich durch mein sexuelles Verhalten Leid erzeugt, sei es durch Mangel an Feinfühligkeit oder durch Eindringen in bestehende Beziehungen? Oder habe ich an das Wohl meiner Partner gedacht und bestehende Beziehungen gepflegt und respektiert?

2. Handlungen der Rede (Übung 15)

� In einer weiteren Kontemplation schauen wir uns an, was wir für Tendenzen in unserem Redever-halten haben. Dabei gehen wir die vier Bereiche von Handlungen der Rede durch, die traditionell erwähnt werden, und betrachten eingehend, wie wir mit Worten umgegangen sind:

a) Habe ich gelogen oder unumwunden und ehrlich, mit offenem Herzen gesprochen?

b) Streite ich mich ständig, beschimpfe andere mit groben, verletzenden Worten? Habe ich andere verleumdet, heruntergemacht, öffentlich bloßgestellt und beleidigt? Oder habe ich unterstützende und feinfühlige Worte gesprochen, die Qualitäten anderer gestärkt und Kritik auf angemessene und hilfreiche Weise geäußert?

c) Habe ich Intrigen angezettelt, Freunde durch Bemerkungen auseinandergebracht, Streit gesät und schlecht über Dritte geredet? Oder habe ich harmonisierend gewirkt, Streit geschlichtet und ver-sucht, Verständnis für Dritte zu wecken?

d) Habe ich meine Zeit mit unnützem Geschwätz, Tratsch und geistlosen Witzen vertan? Oder habe ich über Sinnvolles geredet, die Privatsphäre anderer respektiert und guten Humor gepflegt?

3. Geistige Handlungen (Übung 16)

� Dann schauen wir uns unsere Gedankenwelt und Emotionen an. Was für karmische Impulse haben wir mit dem Geist gesetzt? Dabei untersuchen wir die drei klassischen Bereiche nichtheilsamer geistiger Handlungen Böswilligkeit, Habsucht und verkehrte Anschauungen (sowie die fünf Emotio-nen Unwissenheit, Begierde, Haß, Stolz und Eifersucht):

a) Sind oder waren meine Gedanken von Böswilligkeit geprägt? War oder bin ich eher nachtragend, voller Ärger und schädlicher Absichten? Bin ich ungeduldig, leicht gereizt, deprimiert und ver-schlossen? Was habe ich schon an haßerfüllten Gedanken gehabt? Hege ich langen Groll? Oder war und bin ich eher zum Heilsamen geneigt, liebevoll und mitfühlend? Bin ich geduldig, freudig und aufgeschlossen? Kann ich verzeihen?

b) Sind oder waren meine Gedanken von Habsucht geprägt? Bin ich neidisch auf den Besitz oder die Qualitäten anderer? Will ich alles für mich haben? Bin ich eifersüchtig oder ehrgeizig? Oder gönne ich anderen ihren Besitz, ihr Glück und ihren Erfolg? Freue ich mich aufrichtig mit, wenn andere etwas Heilsames tun, wenn es ihnen gut geht und sie glücklich sind? Teile ich meinen Besitz gerne mit anderen und verzichte freudig, wenn sie etwas haben möchten?

c) Sind oder waren meine Gedanken vom Festhalten an verkehrten Anschauungen geprägt? Halte ich stur an Dogmen fest und mache anderen Vorschriften, was sie zu glauben haben? Bin ich eingebil-det, immer davon überzeugt, dass ich Recht habe? Bin ich leicht im Stolz gekränkt? Oder lasse ich mir etwas sagen und nehme Kritik an? Bin ich bereit, meine Meinung zu überprüfen und eventuell zu ändern? Ist mein Geist offen und aufnahmebereit für neue Sichtweisen? Ist es mit möglich, auch einmal unbeachtet zu bleiben, ohne gelobt und gepriesen zu werden?

Die Liste der Fragen, die wir uns stellen können, ist schier unerschöpflich. Wenn wir uns ehrlich darauf antworten, bekommen wir einen recht exakten Eindruck davon, was für karmische Tendenzen in diesem Leben aktiv sind und was für Kräfte wir zudem bereits in diesem Leben in Gang gesetzt haben. Es wird wohl kaum ein Engel unter uns sein...

Unser karmisches Gepäck ist die für uns charakteristische Mischung aus heilsamen und nichtheilsamen karmischen Tendenzen.

Bei genauerem Hinschauen drängt sich folgende Frage auf:

Karma-Lesebuch, Seite 42

53. Habe ich schon einmal frei von Ichbezogenheit gehandelt ?

� Übung 17: Kontemplieren Sie auch über diese Frage erst nach einer vorangehenden Phase des Los-lassens und Entspannens. Dann versuchen wir, uns zu erinnern: Wie viele Handlungen können wir in unserem Leben finden, die wirklich frei von Ichbezogenheit waren? Gibt es welche mit völlig rei-ner Motivation, wo keine Beimengung von Eigeninteressen dabei war? Haben wir nicht auch beim Helfen oftmals den Wunsch nach Anerkennung und Dank verspürt?

Der Wunsch nach Anerkennung und Dank ist normal, doch er ist Ausdruck unserer persönlichen Erwar-tungen. Idealerweise, um der Beschreibung “wirklich frei von Ichbezogenheit” zu genügen und voll und ganz ‚weiß‘ zu sein, sollte eine heilsame Handlung von allen Erwartungen frei sein, so verständlich die-se auch sind. Wir dachten vielleicht, wir hätten viele wirklich heilsame Handlungen ausgeführt, doch wieviel Ego entdecken wir da bei genauerem Hinsehen!

Bisher waren wir kaum einmal bei einer Handlung völlig frei von Eigeninteressen.

54. Zu was für schädlichen Handlungen bin ich potentiell fähig ?

Ein anderer Aspekt unseres karmischen Make-ups, den wir uns anschauen sollten, sind unsere 'sponta-nen' oder besser gesagt: automatisch-zwanghaften Reaktionen, wenn unser Geist durch bestimmte Situa-tionen unter großen emotionalen Druck gerät. Was ist latent in unserem von Ichbezogenheit geprägten Geist an nichtheilsamen Tendenzen vorhanden?

� Übung 18: Mit dieser Kontemplation lassen wir uns auf ein unangenehmes Gedankenspiel ein. Bitte führen Sie es nur aus, wenn Sie sich bereit dazu fühlen und den Sinn der Frage verstehen.

Wir stellen uns äußerst schlimme Situationen vor, die unseren Hass, unsere Angst, unsere Begierde, unseren Stolz und Neid provozieren. Wie würden wir handeln, wenn in einer solchen Situation unsere empfindlichsten emotionalen Knöpfe gedrückt werden? Können wir uns vorstellen, jemanden zu schla-gen? Können wir uns Situationen vorstellen, in denen wir zur Waffe greifen würden? Wie sehr muß man uns reizen, bis sogar ein Mord möglich wäre? Haben wir im Traum vielleicht schon einmal jemanden umgebracht? Haben wir bereits Mordphantasien oder eine schier mörderische Wut gehabt? Was braucht es, bis wir stehlen, vergewaltigen, foltern, lügen, Streit und Krieg anzetteln?

Wir haben die meisten dieser Handlungen in diesem Leben wohl noch nicht ausgeführt, aber es ist vor-stellbar, dass wir dies tun könnten oder bereits in früheren Leben einmal getan haben. Wenn wir den Buddhas glauben können, dann haben wir bereits unzählig viele Leben hinter uns und waren in nahezu alle vorstellbaren Situationen verwickelt.

Unser jetziges Leben ist wie ein Spiegel für unsere Handlungen in der Vergangenheit. Auch die Ten-denzen, die sich nur in unseren Träumen und Vorstellungen zeigen, sind Teil unseres karmischen Erbes. In diesem Spiegel sind viele, aber nicht alle unserer karmischen Tendenzen zu sehen. So manche karmi-sche Tendenzen, heißt es, sind für uns im Moment nicht zu entdecken, weil die Bedingungen gerade nicht zusammenkommen, die ihr Erscheinen auf des Spiegels Oberfläche bewirken würden.

Unser “karmischer Ballast” sind die Kräfte, die von unseren schädlichen, ichbezogenen Handlungen in Gang gesetzt wurden, und unser “karmischer Schatz” sind die Kräfte, die von unseren hilfreichen, selbstlosen Handlungen bewirkt wurden.

Wir haben die Wahl, welche Kräfte wir stärken wollen. Das ist unsere Freiheit. Aber die Schwierigkei-ten im Ausführen unserer bevorzugten Wahl zeigen auch unsere Unfreiheit. Allzu leicht werden wir von den tief eingeprägten ichbezogenen Tendenzen mitgerissen. Es braucht viel Kraft, um ihnen zu wider-stehen!

Der Weg der Befreiung besteht darin, mehr Geistesgegenwart, Entspannung und Mitgefühl zu kultivie-ren. Sie geben uns die Kraft, den ichbezogenen Tendenzen zu widerstehen.

Diese ermöglichen uns, mehr und mehr heilsame Handlungen auszuführen. Wenn die Kraft heilsamer Handlungen zunimmt, wird der Weg allmählich leichter und wir stecken nicht mehr so fest in eingefah-renen Reaktionsmustern.

Karma-Lesebuch, Seite 43

Wenn wir erkennen, wie sehr wir in den Klauen unserer Emotionen stecken, erscheint uns die viel ge-priesene menschliche Freiheit wie eine Illusion. Kaum taucht etwas Angenehmes vor unseren Sinnen auf, reagieren wir schon mit Anhaften, und kaum taucht etwas Unangenehmes auf, reagieren wir mit Ablehnung. Das geht so schnell, dass uns kaum eine Wahl bleibt. So sieht es jedenfalls aus. Zum Glück gibt es aber Möglichkeiten, den “Fuß in die Tür” zu schieben und unseren Freiheitsspielraum zu vergrö-ßern, statt alten Tendenzen auf den Leim zu gehen.

55. Wie findet Karma sein Ende?

Alles Karma hat ein Ende. Karmische Wirkungen erschöpfen sich in ihrem zur Reife Kommen. Doch wenn sie reifen, müssen wir aufpassen, uns nicht mit Reaktionen in neues Karma zu verstricken.

Karma manifestiert sich als Gedanke, Erfahrung, Situation, Emotion. Das sich Manifestieren dieser geistigen Eindrücke wird das “zur Reife Kommen von Karma” genannt. In dem Moment, in dem sich diese Eindrücke in unserem Geiste manifestieren, ist ihre karmische Kraft zur Wirkung gekommen und hat sich dadurch erschöpft. Im unmittelbar darauffolgenden Moment kann sich bereits anderes, weiteres Karma manifestieren und erschöpfen. Dies setzt aber voraus, dass wir diesen Prozess nicht ungünstig mit emotionalen Reaktionen beeinflussen.

Ein beliebiges, sich manifestierendes Karma kann entweder (a) einfach in unserem Geist verpuffen oder (b) zum Ausgangspunkt für das Verstärken von heilsamen oder nichtheilsamen Tendenzen werden.

Da liegt unsere Wahl. Nehmen wir einmal an, es würde ein ärgerlicher Gedanke in unserem Geist auf-tauchen, eine Erinnerung an eine Beleidigung, die wir einstecken mussten. Wenn wir nicht auf diesen Gedanken reagieren, verpufft er ohne nennenswerte weitere Auswirkungen. Wenn wir aber reagieren, werden wir mit Sicherheit neues Karma erzeugen. Wenn wir wütend werden und uns ausmalen, wie wir es der Person zurückzahlen können, kultivieren wir ärgerliche, rachsüchtige Tendenzen in unserem Geist. Wenn wir uns statt dessen vorstellen, wie unfrei der andere in seinem Verhalten war und wie wir selbst Auslöser dieser Situation waren, dann kultivieren wir Tendenzen des Mitgefühls, des Verständ-nisses usw.

Nachdem ein Karma gereift ist, kommen die latenten Auswirkungen anderer Handlungen zum Tragen – vorausgesetzt, wir sind nicht im ständigen Erzeugen neuen Karmas gefangen. So wird ein Karma nach dem anderen reif.

56. Kann jedes mögliche Karma jederzeit reif werden?

In einer bestimmten Situation können sich nur diejenigen karmische Wirkungen manifestieren, die in das jeweilige Umfeld hineinpassen.

Wenn ich z.B. Mönch bin und mich an die Gelübde halte, kann das Karma, viele Kinder zu bekommen, nicht zur Reife kommen. Es muss warten, bis sich eine geeignete Situation manifestiert. Wenn ich Mann bin, kann mein Frauenkarma nicht reifen, und umgekehrt. Ebenso, ein mehr traditionelles Beispiel, kann im Götterbereich nicht das Karma früherer hasserfüllter Handlungen reif werden. Dafür braucht es Be-dingungen, die im Götterbereich nicht zusammenkommen.

� Übung 19: Stellen Sie sich vor, welche Situationen verhindern können, dass wir z.B. einen Autoun-fall haben, an Blitzschlag sterben, mit bestimmten Ideen in Berührung kommen, usw. Können wir, zumindest für eine Weile, verhindern, dass bestimmtes Karma reift, und eventuell Situationen erzeu-gen, in denen bevorzugt anderes Karma reift?

Wenn wir heute zu einer Unterweisung im Dharma gehen, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass in der sich daraus ergebenden Situation spirituelles Karma reif wird. Gleichzeitig verstärken wir dharmi-sche Tendenzen in uns. Wenn wir statt dessen ins Kino gehen, kann es zwar auch sein, dass dort dhar-mische Tendenzen gestärkt werden, aber die Situation bietet auch viele Möglichkeiten für das Reifwer-den anderer Arten von Karma. Jede Situation bietet andere Möglichkeiten für das Heranreifen von Kar-ma. Wenn ich nicht zu einem Treffen gehe, werde ich – zumindest jetzt gerade – nicht die Leute kennen lernen, die dort zusammenkommen.

Karma-Lesebuch, Seite 44

Welches Karma äußerlich reif wird, hängt zu einem erheblichen Teil von unseren Entscheidungen ab.

Ein Berg von latentem Karma, heißt es, wartet darauf, reif zu werden. Karma braucht aber entsprechen-de Situationen, um zur Reife zu kommen. Solange die entsprechenden Bedingungen nicht zusammen-kommen, kann es sich nicht zeigen. Aber es wird sich sofort zeigen, sobald geeignete Bedingungen zu-sammenkommen und das zuvor wirkende Karma erschöpft ist.

Jemand, der z.B. die Genüsse göttlicher Freuden erlebt, ist sich nicht bewusst, was latent alles an Karma darauf wartet, abgetragen zu werden. Er kann sich nicht vorstellen, wie drastisch sich seine Situation verändern kann.

Deswegen schreibt Nagarjuna im Brief an einen Freund: “Selbst wenn du Weltenherrscher geworden bist, wirst du im Laufe der Daseinszyklen wieder ein Sklave werden. Selbst wenn du der verehrungs-würdige (Götterkönig) Indra geworden bist, wirst du kraft deines Karmas wieder auf die Erde fallen.”

Gampopa im Schmuck der Befreiung, Kapitel 15: “Selbst wenn du den Körper und die Genüsse von Indra, dem Herrscher der Götter, erlangtest, würdest du schließlich sterben und in niedere Daseinsfor-men fallen.”

Das Gleiche gilt auch für Menschen, die in vermeintlich hoffnungslosen Situationen leben. Wenn die jetzt wirksamen karmischen Kräfte erschöpft sind, werden auch sie anderes erleben.

� Übung 20: Wie erschöpft sich Karma? Kennen Sie aus ihrem Erleben, das Gefühl, mit den Folgen einer Handlung oder einer karmischen Tendenz hätten Sie nun abgeschlossen?

57. Ist Karma am Entstehen der Welt und der Wesen beteiligt?

Es ist offensichtlich, dass Karma (also ichbezogene Handlungen) für die Erfahrungen der verschiedenen Lebewesen verantwortlich ist, wie es Gampopa im Schmuck der Befreiung, Kapitel 6, schreibt: “Fragst du dich nun, aus welcher Ursache die beschriebenen Leiden entstehen, so wisse, dass sie aus unreinen (d.h. dualistischen) Handlungen entstehen.” Doch ob auch die Erfahrungsgrundlage, d.h. die Welt und die Wesen selbst, durch karmische Kräfte hervorgebracht werden, ist vielleicht nicht so klar. Das Hun-dert Handlungsweisen Sutra sagt hierzu: “Handlungen, die sehr vielfältig sind, bringen die Vielfalt der Wesen hervor.”

Karmaśataka-Sutra: “Aus vielfältigen Handlungen sind die vielfältigen Lebewesen gemacht.”

Im Sutra Weißer Lotus des großen Mitgefühls heißt es: “Die Welt ist aus Handlungen (Karma) gemacht; sie manifestiert sich aufgrund von Handlungen. Die Lebewesen sind aus Handlungen gemacht, die Ur-sache ihres Entstehens sind Handlungen und aufgrund von Handlungen unterscheiden sie sich.”

Auch in der Abhidharma-Schatzkammer (Kap.4, S.1) steht: “Die verschiedenen Welten sind aus Hand-lungen (karma) von Lebewesen entstanden.”

Die unterschiedlichen Erfahrungsbereiche der Wesen sind der Spiegel ihres Karmas.

Die Welt oder das Universum wird als Summe der Erfahrungsbereiche der in ihr lebenden Wesen ver-standen. Diese Erfahrungsbereiche werden traditionell in sechs große Daseinsbereiche unterteilt.

58. Wie entstehen die verschiedenen Daseinsbereiche?

Gendün Rinpotsche in Weg des Bodhisattva, Seite 44:

“Aufgrund der Vielfalt von heilsamen und nichtheilsamen Handlungen, die jeder ausgeführt hat, gibt es eine solche Vielzahl von persönlichen Erfahrungen.

In dieser Vielfalt des Erlebens läßt sich jedoch eine grobe Einteilung machen: Wir sprechen von sechs großen Familien oder Daseinsformen, in denen die jeweiligen Wesen ungefähr ähnliche Erfahrungen haben.

Drei dieser sechs Daseinsbereiche sind dadurch charakterisiert, dass in ihnen sehr viel Leid erfahren wird, das sind die drei sogenannten niederen Daseinsbereiche. In den anderen dreien, den höheren Da-

Karma-Lesebuch, Seite 45

seinsbereichen, gibt es mehr Raum für Glück und ähnliche Erfahrungen. Aber alle sechs Welten sind durch Karma bedingt.”

Gendün Rinpotsche in Gesetz des Karma, Seite 16:

“Im Inneren des Höllenbereichs selbst gibt es eine starke Abstufung, die sich aus dem Schweregrad der nichtheilsamen Taten ergibt, welche die Wiedergeburt in diesen Zuständen herbeigeführt haben. Es gibt eine Abstufung der Verweildauer und eine Abstufung des Schweregrades. Dauer und Schweregrad ent-sprechen dem Karma. Ganz gleich in welchem Höllenzustand man wiedergeboren wird, dieser stellt nur die Auswirkung der schädlichen Neigungen unseres Geistes und der negativen Geisteszustände der Ver-gangenheit dar, die zur Reife gelangen. Die Empfindung, die man innerhalb dieser Zustände hat, ist unverkennbar die großen Leidens, dessen Intensität, wie auch die Verweildauer in einem solchen Zu-stand, in direkter Beziehung zum Schweregrad der in der Vergangenheit begangenen Taten steht.”

Gampopa im Schmuck der Befreiung, Kapitel 5:

“Die gelegentlichen Höllen entstehen durch Handlungen, die von zwei, mehreren oder vielen Wesen oder auch von einzelnen begangen wurden.”

Gendün Rinpotsche in Gesetz des Karma, Seite 16f.:

“Nach den Höllenbereichen ist der Bereich der Yidaks oder hungrigen Geister am stärksten bevölkert. Es gibt fünf Arten von Bereichen hungriger Geister. Die dort durchgemachten Erfahrungen sind unter-schiedlich und hängen vom Karma ab, das zu einer solchen Wiedergeburt geführt hat.

Anschließend folgt das Tierreich, das traditionell in drei Bereiche unterteilt wird: die wilden oder frei lebenden Tiere, die domestizierten oder unterjochten Tiere und die Tiere, die in den Lüften fliegen. Die Welt der Tiere ist den Menschen zugänglich, die sich der ungeheuren Vielfalt an Formen in der Tierwelt bewußt sind, wenngleich sie wissen, dass der Grund der Ozeane die größte Vielfalt an Tieren birgt.

Die Höllenzustände, die Bereiche der Yidaks und die Welt der Tiere bilden die drei niederen Bereiche. Dort wiedergeboren zu werden ist die Konsequenz eines Mangels an heilsamen Handlungen (Tugend). Die Wesen erleben dort nur die Auswirkung der schädlichen Taten, die sie in der Vergangenheit reich-lich angesammelt haben. Sobald ein Wesen in einem dieser Bereiche wiedergeboren wird, ist seine ein-zige Erfahrung die des Leidens, das sich aus der erwirkten Wiedergeburt ergibt, wobei die Art der Wie-dergeburt vom Karma der Vergangenheit abhängt. Und es ist fast unmöglich, dort heilsame Taten zu vollbringen, denn man befindet sich nun in einem Daseinsbereich, wo man ohne Unterlaß von den fünf Geistesgiften verwirrt wird.

Wurde man erst einmal in einen der sechs Daseinsbereiche hineingeboren, ist es fast unmöglich, aus diesem Kreislauf herauszukommen. Daher spricht man von einem Leiden ohne Ende. Wenn man sich in einem der niederen Daseinsbereiche befindet, neigt man dazu, noch mehr negatives Karma anzuhäufen, denn der Geist, der völlig von den fünf Giften durchdrungen ist, vollbringt weiterhin zahlreiche schädli-che Taten.

Im Bereich der Menschen ist die Situation etwas anders. Die Menschen besitzen eine Mischung aus po-sitivem und negativem Karma, so dass sich die menschliche Existenz als eine Abfolge von günstigen Umständen und Leiden erweist.

...Jenseits der Welt der Menschen liegen die Götterbereiche. Die Wesen, die dort wiedergeboren wer-den, leben unter sehr günstigen Umständen, ohne jedes Leid. Der Grund dafür ist ihre große Ansamm-lung von Verdiensten durch das Ausführen zahlreicher heilsamer Handlungen in vergangenen Leben.

Ihre Verdienste und heilsamen Handlungen haben sie aber nicht zum Erwachen geführt, weil sie weder die Fähigkeit noch die Kraft besaßen, diese Handlungen in einen wirklichen Weg der Erleuchtung zu verwandeln. Sie haben die sich aus ihren Handlungen ergebenden Verdienste nicht Anderen gewidmet und ihre heilsamen Taten waren nicht vom Wunsch motiviert, die vollkommene Erleuchtung zu erlan-gen. Die Auswirkungen solcher nicht gewidmeten, heilsamen Handlungen bleiben im Bewusstseins-strom ihres Urhebers, aber reifen nicht zu Umständen heran, welche die vollkommene Erleuchtung be-günstigen. Sie wirken sich in günstigen Umständen aus, die aber auf die Götterbereiche innerhalb Sam-

Karma-Lesebuch, Seite 46

saras begrenzt sind. Die Urheber dieser Handlungen erfahren dadurch, solange ihr Leben in diesen Be-reichen währt, große Freude.

Doch vor ihrem Tod, das heißt in dem Augenblick, wo sich das in der Vergangenheit angesammelte positive Karma erschöpft hat, begegnen sie sehr großem Leid. Sie werden sich bewusst, dass der Zu-stand großen Glücks, den sie bisher erlebt haben, sein Ende erreicht. Aufgrund ihrer göttlichen Fähig-keiten können sie sehen, in welchem Zustand sie demnächst wiedergeboren werden − und dies ist zu-meist in den niederen Bereichen, weil sie alles positive Karma und jede Segnung aus den Taten der Vergangenheit erschöpft haben. Das einzige Karma, das ihnen nun bleibt, ist die Erfahrung der niederen Bereiche. Die Erfahrung des zu Ende gehenden Glücks bedeutet großes Leid für sie und ihr Geist wird dadurch sehr beunruhigt. Bis zu diesem Augenblick haben Wesen in den Götterzuständen keinerlei Be-wusstsein davon, was Leid ist. Plötzlich stehen sie dann dieser unabwendbaren Erfahrung gegenüber und stürzen von der Höhe ihres Glücks in einen Zustand sehr großen Leides hinab.”

Karma ist auch die treibende Kraft aller Erfahrungen im Menschenbereich, angefangen von der Ent-wicklung des Embryos. Gampopa beschließt seine Beschreibung der Embryonalentwicklung im Schmuck der Befreiung, Kapitel 5, mit folgendem Satz und Zitat:

“So wird das Kind während all dieser Zeit im Mutterleib wie in einem Kochtopf gekocht und gebraten und von achtundzwanzig verschiedenen Winden berührt und geschüttelt. Vom Mutterblut genährt und gekräftigt, wächst es vom Oval-Stadium zum voll entwickelten Fötus heran.”

Hierzu aus dem Sutra Eintritt in den Mutterschoß:

“Aus dem ersten ovalen Stadium heraus entsteht eine fleischige, längliche Blase. Aus dieser Blase ent-steht ein Klümpchen, das Klümpchen verfestigt sich. Wenn es sich ganz verfestigt hat, entstehen Kopf und Glieder. Indem sich Knochen bilden, entsteht der Körper. All dies geschieht aufgrund von Karma.”

Diskussionspunkte:

− Haben wir selbst unsere Welt erschaffen, oder wurde sie von vielen Wesen gemeinsam erzeugt? − Teilen wir überhaupt die selbe Welt mit anderen? − Wodurch kommt es zur Erfahrung konkreter Gegenstände? − Lässt sich mit dem Mechanismus karmisch bedingter Projektion das Entstehen der Welt und ihrer

Daseinsbereiche erklären?

59. Wie ist das zu verstehen, das Karma „unabwendbar“ sein soll? (Dh 127)

Buddha Shakyamuni im Dhammapada, Vers 127:

„Nicht in der Luft, nicht in der Meerestiefe, nicht in dem Herzen fernster Bergeshöhle, nicht findet in der Welt man eine Stätte, wo man der eigenen Saat entfliehen könnte.“

Karmapa im Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe S.18-19:

“Jede heilsame und untugendhafte Handlung hinterlässt einen Samen im Geist, aus dem untrüglich die entsprechende vollgereifte Frucht von Glück oder Leid erwächst, sobald Umstände zusammentreffen, die ihn aktivieren.

Die Früchte meiner eigenen Handlungen werde ich ausschließlich selber ernten, sie werden nicht mit anderen oder sonst irgendwie geteilt. Die Samen (meiner Handlungen) bleiben für endlose Zeitalter un-verwüstlich latent bestehen. Untrüglich werden entsprechende Früchte daraus hervorgehen, es sie denn, die Samen würden durch Gegenmittel zerstört.”

Wir können den Auswirkungen unserer Handlungen nicht entkommen, denn sie hinterlassen kurz- und langfristig wirksame Spuren in unserem Geist.

Im Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe S.19, wird Asangas Abhidharmasamuccaya zitiert:

“Wie ist das mit den karmischen Anteilen? Wir erfahren die Früchte dessen, was wir selbst getan haben. Denn heilsame und schädliche Handlungen führen zur jeweiligen Erfahrung (von Glück und Leid).”

Karma-Lesebuch, Seite 47

Selbst wenn wir das Gefühl haben, ‚ungeschoren’ davongekommen zu sein, und meinen, die Auswir-kungen unserer Handlungen nicht erfahren zu müssen, so werden die Wellen doch irgendwann auf uns als den Wellenerzeuger, den Urheber der Handlung zurückkommen. Das ist, so heißt es “unabwendbar”. Die Wellen hinterlassen einerseits unmittelbar beim in seiner Badewanne Planschenden selbst ihre Auswirkungen und andererseits werden sie auch von der Umgebung wieder zu ihm zurückgeworfen. Das ist auf der äußeren, unmittelbar erfahrbaren Ebene leicht nachzuvollziehen: Wir sagen z.B. etwas und irgendwann kehren die Auswirkungen des Gesagten nicht nur von innen sondern auch von außen wieder zu uns zurück.

Im Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe S.18-19 wird das Karmaśataka-Sutra zitiert: “Die Handlun-gen der verkörperten Wesen erschöpfen sich selbst in Hunderten von Zeitaltern nicht: Einmal angesam-melt, werden sie zu Früchten reifen, sobald die Zeit dafür gekommen ist.”

Im Kleinen Manual achtsamer Meditation (Smrtyupasthana) lesen wir: “Feuer mag erkalten, Wind mag mit dem Lasso eingefangen werden, Sonne und Mond mögen auf die Erde fallen, doch das Heranreifen von Karma ist unfehlbar.”

Gampopa, im Schmuck der Befreiung, Kapitel 6: “Wenn man nicht die richtigen Gegenmittel anwendet, so werden die noch nicht zur Reifung gekommenen Auswirkungen von Handlungen auch in unzähligen Zeitaltern nie verloren gehen. Denn selbst nach langer Zeit, in der sie nur latent vorhanden sind, werden sie – sobald die entsprechenden Bedingungen zusammentreffen – zum Vorschein kommen.”

Im Hundert Handlungsweisen Sutra heißt es: “Die (Samen der) Handlungen von Wesen erschöpfen sich selbst in Hunderten von Zeitaltern nicht. Sobald die Bedingungen dafür zusammenkommen, werden sie zur Frucht heranreifen.”

Gampopa in der Kostbaren Girlande, Kapitel 6: “Verstehe, dass sämtliches Glück und Leid der Wesen auf Karma beruht und unweigerlich heranreift.”

Kostbare Girlande, Kapitel 9: “Bedenke die Unausweichlichkeit der Auswirkungen deiner Handlungen und sporne dich an, schädliche Handlungen aufzugeben.”

60. Irreführende Darstellungen der Unabwendbarkeit von Karma

Ein wesentlicher Unterschied der Karmalehre des Buddha zu der damals in Indien vorherrschenden An-schauung zu Karma war die Betonung des Handlungsspielraums des Einzelnen, wodurch Karma kein bloß zu ertragendes Schicksal bleibt, sondern zu einer Herausforderung wird, verantwortlich mit unserer karmischen Situation umzugehen. Asanga zitiert auf S.89 des Abhidharma-Kompendiums den Buddha und weist damit auf verkehrte Formulierungen hin, die zu der Annahme verleiten könnten, Karma sei wie ein unentrinnbares Schicksal:

Der Buddha sagte: “Würde die Behauptung stimmen: ‚So wie eine Person Handlungen (karma) begeht und ansammelt, genauso wird sie die Folgen (vipaka) erfahren’, dann gäbe es keine Möglichkeit für einen reinen Lebenswandel (brahmacaryavasa) und keine Möglichkeit, Leid völlig auszulöschen und zu beenden. Sagen wir aber: ‚So wie eine Person Handlungen begeht und ansammelt, deren Auswirkungen erfahren werden müssen, genauso wird sie in Übereinstimmung damit die Folgen erfahren’, dann gibt es die Möglichkeit eines reinen Lebenswandels und die Möglichkeit, Leid völlig auszulöschen und zu be-enden.”

Der springende Punkt bei dieser etwas anderen Formulierung des Buddhas ist, dass es:

(a) möglich ist, Handlungen ausführen, deren Auswirkungen nicht erfahren werden müssen (Handlun-gen frei von Ichbezogenheit) und dass es

(b) möglich ist, eigentlich noch zu erfahrene Auswirkungen bereits begangener Handlungen durch die Auswirkungen anderer Handlungen, die ihnen entgegengesetzt sind, zu annullieren (so wie Überlage-rung entgegengesetzter Wellen zu ihrer Auslöschung führt).

Asanga führt die Möglichkeiten der Auswirkungen von Handlungen differenziert aus (S.89):

Karma-Lesebuch, Seite 48

“Was bedeutet diese Aussage im Sutra? Der Buddha möchte hier falsche Darstellungen widerlegen wie: ‚Eine heilsame Handlung hat nur heilsame (angenehme) Auswirkungen; eine nichtheilsame Handlung hat nur nichtheilsame (unangenehme) Auswirkungen; eine neutrale (weder heilsame noch nichtheilsa-me) Handlung hat nur neutrale (weder angenehme noch unangenehme) Auswirkungen.’

Eine korrekte Darstellung könnte wie folgt lauten: ‚Was heilsame Handlungen angeht: Bei jenen, die heilsame Erfahrungen bewirken sollten, werden heilsame Auswirkungen zu sehen sein; bei jenen, die nichtheilsame Erfahrungen bewirken sollten, werden nichtheilsame Auswirkungen zu sehen sein; bei jenen die neutrale Erfahrungen bewirken sollten, werden neutrale Auswirkungen zu sehen sein.

Ebenso, was nichtheilsame Handlungen angeht: Bei jenen, die heilsame Erfahrungen bewirken sollten, werden heilsame Auswirkungen zu sehen sein; bei jenen, die nichtheilsame Erfahrungen bewirken soll-ten, werden nichtheilsame Auswirkungen zu sehen sein; bei jenen die neutrale Erfahrungen bewirken sollten, werden neutrale Auswirkungen zu sehen sein.

Ebenso, was neutrale (weder heilsame noch nichtheilsame) Handlungen angeht: Bei jenen, die heilsame Erfahrungen bewirken sollten, werden heilsame Auswirkungen zu sehen sein; bei jenen, die nichtheil-same Erfahrungen bewirken sollten, werden nichtheilsame Auswirkungen zu sehen sein; bei jenen die neutrale Erfahrungen bewirken sollten, werden neutrale Auswirkungen zu sehen sein. Das ist die Bedeu-tung dieses Sutra.”

Das bedeutet für uns: Handlungen können je nachdem, was für zusätzliche (neutrale, verstärkende, ab-schwächende, annullierende oder ins Gegenteil verkehrende) Handlungen ins Spiel kommen, in ihrer Gesamtheit (!) entweder ihre ursprünglich vorhersehbaren Auswirkungen beibehalten oder aber ver-stärkte, abgeschwächte, keine oder gegenteilige Auswirkungen zeitigen (z.B. eine großzügige Gabe, die im Nachhinein bereut wird oder gar Anlass zu heftigem Zorn wird oder aber eine nichtheilsame Hand-lung, die zu tiefem Bereuen und radikaler Änderung des Lebenswandels führt.

61. Selbst für unser Leid verantwortlich

Gendün Rinpotsche in Gesetz des Karma, Seite 13:

“Jedes Mal, wenn man mit dem Leiden in Berührung kommt, wenn man unter einer Krankheit oder Schwierigkeiten leidet, muss man sich in Erinnerung rufen, dass dies von den in der Vergangenheit vollbrachten Taten abhängt. Man sollte sich nicht sagen, dass diese Schwierigkeiten von den anderen herrühren, denn alle Situationen, denen wir in unserem Leben begegnen, sind nur die Konsequenz von Taten, die wir in der Vergangenheit vollbracht haben. Wir selbst sind für alles verantwortlich. Man darf nichts den anderen zuschreiben.”

Schwierig zu verstehen ist, warum z.B. ein Säugling stirbt, der kaum das Licht der Welt erblickt hat. Hier sind unserem Verständnis Grenzen gesetzt. Wir sehen die Zusammenhänge nicht, was vermutlich daran liegt, dass unsere Sicht und Erinnerung nur auf dieses Leben beschränkt sind. Könnten wir weiter schauen, würden wir höchstwahrscheinlich die Zusammenhänge entdecken. Doch wir besitzen nicht die Schau eines Erleuchteten. So ist es nur natürlich, dass wir uns fragen: Ist dieses Sterben das Karma des Säuglings? Ist es das Karma der Eltern? Oder von allen Beteiligten? Welche Handlungen sind dem vo-rausgegangen?

Natürlich stellt sich in Hinblick auf die Frage der Eigenverantwortlichkeit auch die Frage des Verhält-nisses zwischen Opfer und Täter. Wenn ich heute angegriffen werde, sind das die Auswirkungen aus früheren Leben? Auf welche Weise funktioniert das? Registriert der Täter auf einer unbewussten Geis-tesebene durch Kontakt mit den karmischen Eindrücken des Opfers, dass dies das ‚richtige‘ Opfer ist?

62. Gibt es Zufall?

Gibt es Zufall oder ist stets persönliches, völlig spezifisches Karma im Spiel? Was ist mit einem Blitz-schlag, der mich tötet, aber den Menschen neben mir überleben lässt? Für den Normalmenschen ist dies zumeist nicht erkennbar verschieden von reinem Zufall. Für den Buddha ist dies die logische Konse-quenz früheren Handelns. Natürlich habe ich mit meinem Handeln dazu beigetragen, dass ich z.B. bei Gewitter auf offenem Feld bin. Aber welches nichtheilsame Handeln dafür verantwortlich ist, dass den

Karma-Lesebuch, Seite 49

einen der Blitz trifft und nicht den anderen, entzieht sich völlig unserer Wahrnehmung. Da bleibt uns nur das Vertrauen in die Worte Buddhas, denn wir wissen nicht, welche Handlungen aus weit zurücklie-gender Vergangenheit hierzu geführt haben mögen.

Ist es überhaupt wichtig das zu wissen? Reicht es nicht auch, einfach zu akzeptieren, dass uns Dinge passieren, bloß weil wir als Menschen auf dieser Erde in dieser Zeit leben? Wüssten wir all die Gründe für all das, was uns zustößt, wäre uns damit wirklich geholfen?

Im Rahmen der aufgrund meines Karma sich ergebenden Lebenssituation mag es durchaus 'Zufälle' geben, die jedoch durchaus alle in die karmische Grundsituation hineinpassen. Wenn ich das Karma einer Frau in dieser Welt habe, dann werden mir die entsprechenden, typischen Zufälle dieser Situation begegnen können. Ob es sich dabei wirklich um Zufälle handelt, sei dahingestellt. Aber wenn ich z.B. in die Stadt gehe, muss ich damit rechnen, dass mir die für einen Stadtgang typischen Zufälle passieren. Es ist nur merkwürdig, dass unterschiedlichen Leuten auf ihrem Stadtgang am selben Tag zur selben Zeit recht verschiedene Zufälle passieren.

63. Gibt es kollektives Karma? Beispiel Krieg und Völkermord

Die Frage eines kollektiven Karmas wird auch unter buddhistischen Gelehrten diskutiert, denn wenn man sich dem Thema von der individuellen Erfahrung her nähert, dann gibt es keine Gruppenerfahrung; jeder erfährt ein- und dieselbe Situation anders in Abhängigkeit von seinen karmischen Tendenzen. Dies angefangen vom Wetter für alle Situationen, denen wir gemeinsam begegnen. Bevor wir uns der Frage auf andere Weise nähern, zunächst einmal ein Zitat von Asanga, S.87:

“Das Sutra erwähnt ‚kollektives Karma’ (sadharanakarma) und ‚nicht-kollektives Karma’ (asadhara-nakarma). Was ist ‚gemeinsames’ oder ‚kollektives’ Karma? Das sind die Handlungen, welche die ver-schiedenen Veränderungen in der unbelebten Welt hervorrufen (z.B. die Entstehung der Welt, die Jah-reszeiten, das Klima, die alle gemeinsam erfahren und die nicht vom individuellen Wollen abhängen).

Was ist ‚nicht-kollektives’ Karma? Das sind die Handlungen, welche (das Entstehen und) die verschie-denen Veränderungen der Lebewesen hervorrufen sowie die Handlungen der Lebewesen, die diese wechselseitig beherrschen.

In Hinblick auf die Kraft dieser Handlungen, welche die Wesen beherrschen, spricht man auch von den ‚beherrschenden wechselseitigen Bedingungen’ (anyonyadhipatipratyaya) der Lebewesen. In Anbet-racht (des Ausmaßes) dieser wechselseitig beherrschenden Kräfte nennt man diese ebenfalls ‚kollektives Karma’. So sagt das Sutra: Dies entspricht der gemeinsamen Sichtweise usw. der Wesen, wobei es nicht zulässig ist, diese gemeinsame Erfahrung zu verneinen.”

“Nichtkollektiv” sind also die Auswirkungen der absichtsvollen Handlungen eines Individuums, die nur von ihm selbst erfahren werden und nicht gemeinsam mit den anderen. Von “kollektiv” kann man in gewisser Hinsicht also sprechen in Bezug auf die wechselseitigen Beziehungen zwischen Individuen, durch die sich diese gegenseitig beeinflussen.

Es gibt nun Situationen, die von ganzen Gruppen erfahren werden und zu denen der Einzelne offensicht-lich in diesem Leben nichts oder zumindest nicht viel beigetragen hat. Dazu gehören zum Beispiel Krie-ge oder die Ermordung und Verfolgung ganzer Volksgruppen, wie der Indianer, Juden, Tibeter, Huge-notten usw. Im Folgenden seien einige Überlegungen dazu in den Raum gestellt:

Wenn ich zu einer Gruppe gehöre, sei es zu einer Familie, einem Berufsstand, einer Partei, einer ethni-schen Gruppe oder zu einer Religionsgemeinschaft usw., so werde ich ohne mein weiteres Zutun zur Zielscheibe der Projektionen anderer, die sie in Bezug auf diese Gruppen haben. Als Frau werde ich allein aufgrund der Zugehörigkeit zur Gruppe der Frauen zur Zielscheibe von Projektionen, genauso wie auch als Mann, Deutscher, Franzose usw. Diesen Projektionen werde ich unweigerlich im Kontakt mit anderen Menschen begegnen.

Sobald ich zu einer Gruppe gehöre, erfahre ich deren 'Gruppenkarma'. Und ich gehöre zu dieser Gruppe, weil ich das zu dieser Gruppe passende Karma habe.

Karma-Lesebuch, Seite 50

Innerhalb einer Gruppe finden sich viele Einzelne, die im Gruppenbereich ein ähnliches Karma haben. Aufgrund dieses verwandten Karmas finden sie sich in der selben Gruppe, auch wenn sie ansonsten sehr verschieden sein können. Das 'Gruppenkarma' ist wie die Schnittmenge des Karmas der Einzelnen. und spiegelt ihre Gemeinsamkeiten.

Es haben sich im Laufe der Zeit aufgrund von vielfältigen Wechselwirkungen zwischen einzelnen Men-schen in unserer Welt Meinungen, Vorurteile und dergleichen über sämtliche Gruppen herausgebildet, die auch an folgende Generationen weitergegeben werden. So haben wir Anschauungen über Russen, Indianer, Juden, Mohammedaner usw., obwohl wir vielleicht noch nie einen einzigen Menschen aus dieser Gruppe kennen gelernt haben.

Diese Meinungen und Vorurteile sind die treibende Kraft für z.B. die Missachtung ganzer Volksgruppen bis hin zu ihrer Verfolgung. Wie entstanden diese Projektionen? Sie entstanden aufgrund der Wechsel-wirkung von Handlungen von einzelnen Angehörigen dieser Gruppen mit den Handlungen und Emotio-nen anderer, welche diesen Gruppenangehörigen begegneten. Wir haben es bei all diesen Begegnungen von Anfang an nicht mit objektiver, sondern mit emotional gefärbter Wahrnehmung der anderen zu tun. Bestimmte Handlungen der Gruppenmitglieder fachen die wechselseitigen Projektionen an, andere schwächen sie ab und modifizieren sie.

So haben z.B. die vielen auf Freundschaft bedachten Handlungen zwischen Deutschen, Franzosen, Eng-ländern usw. die starken Feindbilder der Weltkriege abgeschwächt. Das ist den Anstrengungen vieler Einzelner zu verdanken. Die emotionale Wahrnehmung der Gruppen ändert sich.

Das 'Karma' einer Volksgruppe lässt sich aus diesen historischen, sozialen und emotionalen Prozessen erklären.

'Gruppenkarma' ist etwas sehr Dynamisches. Kleine Handlungen (z.B. von Staatsmännern oder von Ver-tretern der jeweiligen Gruppe) können dabei große Folgen für andere Angehörige der Gruppe haben. So brauchen die Angehörigen einer Gruppe keineswegs selbst gemordet zu haben, um ihrerseits ermordet zu werden.

Was z.B. die Verfolgung und Ermordung tibetischer Mönche durch die chinesischen Truppen angeht, so war dafür unter anderem einfach die Tatsache ausschlaggebend, das in den tibetischen Klöstern vieler-orts seit Jahrhunderten nicht das praktiziert wurde, was anderen gepredigt wurde. So hatte es die chine-sische Propaganda nicht allzu schwer, auf die Klostergemeinschaften als Ausbeuter hinzuweisen und das bereits vorhandene Misstrauen zu schüren.

Der Punkt hierbei ist, dass es gravierende Folgen für eine Religionsgemeinschaft hat, wenn sie nicht zu ihren Werten auflebt. Das kann letzten Endes zu ihrem völligen Verschwinden von dieser Erde führen. Wenn ein Mönch lügt, so hat das z.B. viel stärkere Auswirkungen, als wenn ein Mensch ohne Gelübde lügt. Genauso hat auch das Verhalten eines Staatspräsidenten sehr viel gravierender Folgen als das eines gewöhnlichen Bürgers.

Um das obige Beispiel abzurunden, sei darauf hingewiesen, dass der Buddhismus Tibets eine erstaunli-che Ausbreitung nach seiner Vertreibung aus der Heimat erfahren hat, was wiederum Zeichen dafür ist, wieviel echte, inspirierende Kraft immer noch in dieser Übertragung steckt. Dieses 'Gruppenkarma' ist all den aufrichtigen Praktizierenden der Vergangenheit zu verdanken.

Es reicht aus, dass eine bestimmte Gruppe aufgrund ihrer oft weit in die Vergangenheit zurückreichen-den Geschichte als Zielscheibe für den Zorn, die Eifersucht, die Habgier usw. anderer in Frage kommt, und schon beginnt ein Prozess sich verdichtender aggressiver Projektionen. Aufgrund von kleinen Aus-lösern, ungeschicktem Verhalten, verletzenden Ereignissen und oft auch von Missverständnissen kommt eine Spirale wechselseitiger Ablehnung in Gang, aus der es zunehmend schwieriger wird, wieder auszu-steigen. An dieser Spirale wirken viele Einzelpersonen mit ihren karmischen Tendenzen mit.

Wenn viele einzelne Personen einer Gruppe ähnliche Schleier und Emotionen haben, dann kommt es zu Projektionen ihrer Emotionen auf andere Gruppen.

Die Verantwortung für die Zuspitzung der Ereignisse bis hin zu Krieg oder Verfolgung liegt karmisch bei all den einzeln Handelnden, die sich mit Körper, Rede und Geist am Anheizen dieser Spirale und an

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der Ausführung der sich daraus ergebenden Handlungen beteiligen oder sie gutheißen. (Auch das Gut-heißen von Handlungen anderer ist eine Handlung mit karmischen Folgen.) Die aktiv Handelnden haben bei jeder ihrer Handlungen durchaus die Wahl, sie könnten ihren Freiheitsspielraum nutzen und sich anders entscheiden, statt mitzumachen, sich aufstacheln zu lassen usw.

Handelnde sind keineswegs Erfüllungsgehilfen eines Karmas, das sich unausweichlich jetzt auf diese Art vollziehen muss. Sie treffen stets Entscheidungen.

Um ein konkretes Beispiel zu geben: Wir sind gerade dabei, uns als buddhistische Praktizierende im Westen zusammenzufinden. Ob wir es wollen oder nicht, treten wir dabei das Erbe all der Projektionen an, die bereits in Hinblick auf Buddhisten im Umlauf sind. Wenn wir uns in diesem Prozess geschickt verhalten, mag es uns gelingen, einige verkehrte Anschauungen über Buddhisten zu korrigieren. Aber nie wird es uns gelingen, dass andere Bevölkerungsgruppen, die nicht selber diesen Weg praktizieren, wirklich verstehen, worum es sich dabei handelt. Sie werden uns immer durch ihre ganz persönlichen Filter und durch die Filter der Journalisten wahrnehmen. So wird es passieren, dass wir gelegentlich Vorurteilen begegnen, die nicht das Geringste mit uns selbst zu tun haben. Wir haben halt das Karma, Buddhist zu sein. Das ist unser persönliches Karma, aber was sich daraus ergibt, ist zudem die Folge der Handlungen der Gruppe aller bisherigen Buddhisten als Gesamtes in Wechselspiel mit den Emotionen der Umwelt. In diesem Sinne können wir sagen, wir teilen ein kollektives Karma.

Letztendlich ist der Begriff des 'kollektiven Karmas' natürlich absurd, denn in wessen Geist sollte dieses Karma reifen?

Karma kann nur im Geist Einzelner reifen – und jeder wird auf seine persönliche Weise damit umgehen. Von daher gibt es nur individuelles Karma. Auch wurden ja die Handlungen dieser Gruppe stets von Einzelnen ausgeführt. Diese werden in ihrem eigenen Geist die unmittelbaren Folgen ihrer Handlungen erfahren. Alle anderen sind nur von den mittelbaren, äußeren Folgen betroffen.

So wurden zwar Millionen von Angehörigen bestimmter Volksgruppen umgebracht, aber jeder starb auf seine Art – einige voller Hass, andere voller Angst, manche voller Sorgen oder Trauer, einige erfüllt von Mitgefühl, manche mit einem Gebet auf den Lippen, andere mit einem Fluch... und manche entkamen auch. Als Gruppe erlebten sie dasselbe äußere Karma der Verfolgung, aber ihr inneres Erleben war indi-viduell verschieden und die Spuren dieser Ereignisse in ihrem Geist sind zwangsläufig ebenfalls ver-schieden.

Wir sollten uns bewusst sein, dass wir allein aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Gruppe Situationen begegnen werden, die wir zunächst nicht mit unserem persönlichen Verhalten erklären können.

Wir sollten es darüber hinaus vermeiden, das Schicksal Einzelner nur aus ihrem persönlichen Verhalten und ihrer persönlichen Vorgeschichte heraus erklären zu wollen.

Dies gilt insbesondere auch für z.B. die Vergewaltigung von Frauen. Frauen erleben dabei in erster Li-nie die Folgen von ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der 'Frauen'. Den Vergewaltiger damit zu entlasten, dass es ja sicherlich auch das Karma der jeweiligen Frau war, misshandelt zu werden, ist aus Sicht des Dharma nicht gerechtfertigt. Sie hatte vielleicht nur das Karma, als Frau dem potentiellen Vergewaltiger zum falschen Zeitpunkt zu begegnen. Was in der Begegnung dieser beiden letzten Endes geschieht, ist keineswegs vorprogrammiert. Aggressive Handlungen bleiben wie alle anderen Handlungen die volle Verantwortung des Handelnden.

Der Handelnde trifft stets eine Entscheidung – und diese hat er voll zu verantworten.

Aus praktischer Sicht, d.h. für unsere Praxis auf dem Dharmaweg, ist es relativ unerheblich, was für Situationen wir begegnen und aus welchem Grund, denn alle Erfahrungen können für die Dharmapraxis genutzt werden.

Entscheidend ist nicht, was wir erleben, sondern wie wir damit umgehen.

Karma-Lesebuch, Seite 52

64. Was ist “Zugehörigkeit von Handlungen”? Erlebe ich fremdes Karma?

Wir wollen mit unseren Handlungen etwas bei anderen oder in unserer Umwelt bewirken und bemerken dabei oft nicht, dass uns die Auswirkungen unserer Handlungen wie ein Bumerang selbst wieder treffen.

Wir können den Auswirkungen unserer Handlungen nicht entkommen.

Sie werden auf jeden Fall – und zumeist auf vielfältige Weise – in unserem Erleben zur Reife kommen. Die karmischen Auswirkungen von Handlungen sind mit dem Geistesstrom der handelnden Person auf innige Weise verknüpft. Wir können uns ihnen nicht entziehen, können sie nicht loswerden oder auf andere abschieben. Es ist unmöglich, den Geist vor den Auswirkungen seiner eigenen Handlungen ab-zuschotten.

In einem Sutra des Buddha: “Die von Dewadatta begangenen Handlungen werden nicht in der Erde, im Wasser oder sonst wo zur Reife kommen, sondern allein in den Aggregaten und im Feld der Wahrneh-mung dessen, der sie begangen hat. Wer sonst sollte ihre Früchte ernten!”

� Übung 21: Kann ich mich dem eigenen Bumerang entziehen? Stellen Sie sich einmal vor, dass Sie Gedanken des Hasses, der Begierde usw. denken. Können Sie sich den Auswirkungen dieser geisti-gen Handlungen entziehen?

Ich erlebe zwar jetzt im Leben ständig auch die konkreten Auswirkungen der Handlungen anderer in Form von Situationen, für die ich nicht direkt verantwortlich bin. Aber wie ich in diesen Situationen reagiere und was nach dem Tod in meinem Geist an Tendenzen zurückbleibt und die zukünftigen Erfah-rungen bestimmt, dafür bin allein ich selbst verantwortlich. Niemand kann mich zwingen, so oder so zu fühlen und zu denken.

� Übung 22: Kann uns der Bumerang anderer treffen? Stellen Sie sich einmal vor, wie es sich verhält, wenn ein anderer Mensch Gedanken des Hasses, der Begierde usw. hat. Werden Sie in ihrem Geist die Auswirkungen seines geistigen Handelns erfahren müssen? Oder anders herum: Können Sie mit hundertprozentiger Sicherheit die Geisteszustände anderer Menschen erzeugen? Können Sie ande-ren ihre Emotionen aufzwingen? Ist nicht alles davon abhängig, welche Tendenzen die Person be-reits mitbringt, wie sie reagiert?

Wenn mich ein anderer Mensch in eine schwierige Situation verwickelt, mich zum Beispiel verbal an-greift, so bin ich nicht gezwungen, in dieser Situation seine Emotionen zu erleben, z.B. Angst, Ärger und dergleichen. Ich kann auch mitfühlende, verständnisvolle Gedanken haben.

Von meinen eigenen Reaktionen in einer jeweiligen Situation, den von mir getroffenen Entscheidungen und ausgeführten Handlungen, wird es abhängen, welche karmischen Auswirkungen dieser Situation mich begleiten werden.

Die Spuren, die in unserem Geist entstehen, hängen von unserem eigenen Verhalten ab. In der selben Situation machen unterschiedliche Menschen aufgrund ihrer unterschiedlichen karmischen Tendenzen unterschiedliche Erfahrungen und erzeugen aufgrund ihrer unterschiedlichen Reaktionen auch wiederum unterschiedliches Karma. Es ist unmöglich, dass mein Geist nach dem Tod von den Emotionen anderer Wesen gefüllt ist. Er wird geprägt sein, von all den von mir selbst erzeugten karmischen Spuren.

Gampopa, im Schmuck der Befreiung, Kapitel 6: “Die Auswirkungen von Taten, die man selbst began-gen hat, wird man auch selbst erfahren. Ihre Früchte reifen in den Aggregaten des Handelnden selbst und nicht bei anderen.”

Abhidharma-Kompendium: “Handlungen werden als ‚zu uns gehörig’ bezeichnet, weil wir selbst die vollen Auswirkungen unserer Handlungen erfahren und weil wir diese nicht mit anderen Wesen ge-meinsam haben.”

Gampopa: “Wäre dies nicht der Fall, dann könnte sich Karma erschöpfen (d.h. die Wirkungen von Handlungen könnten ausbleiben) oder wir würden den üblen Auswirkungen von Handlungen begegnen, die wir nicht selbst begangen haben.”

Karma-Lesebuch, Seite 53

Gendün Rinpotsche in Geist des Erwachens, Seite 9: “Jede Handlung bringt ein besonderes Resultat mit sich und dieses Resultat wird unvermeidlich vom Urheber der Handlung erfahren. Es ist unmöglich, Resultate von Handlungen zu erfahren, die von anderen begangen worden sind.”

Wenn hier von “Resultaten” gesprochen wird, so bezieht sich dies vorwiegend auf die geistige Ebene und auf den Weg zur Befreiung, denn natürlich erfahren wir die Auswirkungen davon, wenn z.B. unsere Eltern umziehen. Die Handlungen anderer bestimmen aber nicht, was wir denken, welche Tendenzen wir innerlich kultivieren, welche Wiedergeburt wir nach dem Tod annehmen werden usw. Nach dem Tod wird ganz deutlich, was unser persönliches Karma ist.

Nie werde ich nach dem Tod das Karma anderer erfahren. Es bleiben allein die Spuren in meinem eige-nen Geist.

Djamgön Kongtrul im Licht des wahren Sinnes, Seite 19:

“Handlungen, die von uns selbst ausgeführt werden, kommen stets zur Reife, und zwar in uns selbst und nie bei jemandem anders. Die Ausnahme hierzu bilden nur solche Handlungen, die durch entgegenge-setzte Kräfte annulliert werden: Heilsame Handlungen werden beispielsweise durch Stolz11 oder nach-trägliches Bedauern zunichte gemacht, und schädliche Handlungen werden durch Bereuen und Beken-nen aufgehoben. Selbst wenn viele Zeitalter verstreichen (ohne dass sich ihre Frucht manifestiert), so ist es doch völlig unmöglich, dass sie verloren gehen oder sich erschöpfen würden.”

Djamgön Kongtrul im Licht des wahren Sinnes, Seite 20:

“Handlungen, die von anderen begangen wurden und die du selbst weder beabsichtigt noch ausgeführt hast, können sich unmöglich auf deinen eigenen Geistesstrom übertragen.

Wenn du also die Kraft hast, dich gemäß den Lehren Buddhas über die Folgen von Handlungen zu ver-halten, das heißt Heilsames zu üben und Schädliches zu lassen, dann können andere noch so schlecht sein, aber für dich werden keinerlei Kräfte wirksam, die dich in die drei niederen Daseinsbereiche schleudern könnten.

Deshalb: Untersuche in jeder Situation ausschließlich deine eigenen Fehler und bringe in Hinblick auf andere die Weite der reinen Sichtweise hervor. Da dies der wichtigste Punkt in bezug auf Karma ist, wird er von allen bisherigen Kagyü-Meistern aufs höchste geschätzt und empfohlen.”

Djamgön Kongtrul im Licht des wahren Sinnes:

“Wenn du ganz alleine durch die niederen Daseinsbereiche irrst, wirst du das Leid, welches die Frucht all der von dir verübten schädlichen Handlungen ist, nicht auf andere abschieben können, sondern du wirst es selbst – und nur du – erfahren müssen.”

65. Was ist mit “genau entsprechendem Ergebnis” gemeint? (A III, 101)

� Übung 23: Untersuchen Sie am Beispiel heilsamer und nichtheilsamer Handlungen, ob die Mög-lichkeit besteht, dass die Auswirkungen anders als die Ursache sind.

Wenn wir mit heilsamer Motivation handeln, so werden die Spuren in unserem Geist immer dement-sprechend sein. Wenn wir mit ichbezogener Motivation handeln, so kann es nicht plötzlich passieren, dass diese Handlung unsere Ichbezogenheit auflöst. Es ist nicht möglich, dass schädliche Handlungen heilsame Auswirkungen haben und somit ihre Qualität ändern könnten.

Die Qualität der Auswirkungen von Handlungen entspricht stets der Qualität der ursprünglichen Hand-lung selbst.

Was aber die Stärke oder den quantitativen Aspekt der Handlung und somit die Stärke der Auswirkun-gen angeht, so sind sehr viel zusätzliche Faktoren zu berücksichtigen, auf die anderen Ortes eingegan-gen wird. Auch sind ja die meisten Handlungen “gemischter” Art und haben dementsprechend gemisch-te Auswirkungen.

11 Mit Stolz ist hier gemeint, sich mit heilsamen Handlungen wie Dharmastudium, Durchführen von Zurückziehungen usw. zu brüsten.

Karma-Lesebuch, Seite 54

Buddha Shakyamuni wies selbst energisch darauf hin, dass Handlugen und nicht ihre Folgen nicht in einem simplen Eins-zu-Eins Verhältnis miteinander verbunden sind (A III, 101):

„Würde, ihr Mönche, die Behauptung zutreffen, dass ein Mensch für jedwede Tat, die er verübt, jedes Mal die selbe, ihr genau entsprechende Wirkung erfährt, so wäre ein Weg der Befreiung („heiliger Wandel“) ausgeschlossen und es bestünde keinerlei Möglichkeit völlige Leidfreiheit zu verwirklichen. Trifft aber die Behauptung zu, dass der Mensch für eine Tat – je nach den zur Wirkung kommenden unterschiedlichen Bedingungen – eine ihr entsprechende Wirkung erfährt, dann allerdings sind ein Weg der Befreiung und völlige Leidfreiheit möglich.“

Und der Buddha fährt fort mit dem Beschreiben seiner Beobachtungen:

„Da hat einer, ihr Mönche, nur ein kleines Vergehen verübt, und dieses bringt ihn zur Hölle. Ein anderer aber hat dasselbe kleine Vergehen verübt, doch es reift noch bei Lebzeiten, und nicht einmal die kleinste Wirkung tut sich [in künftigen Leben] kund, geschweige denn eine große.

Welcherart ist so ein Mensch, den ein kleines, von ihm verübtes Vergehen in die Hölle bringt? So je-mand hat [den Einblick in] den Körper nicht entfaltet, hat kein heilsames Verhalten entfaltet, keine me-ditative Stabilität entfaltet und keine Weisheit entfaltet. Er ist beschränkt, von kleinlicher Gesinnung, und selbst infolge von Kleinigkeiten hat er zu leiden. Einen solchen Menschen mag selbst ein kleines Vergehen zur Hölle bringen.

Welcherart aber ist der Mensch, bei dem dasselbe kleine Vergehen noch bei Lebzeiten zur Reife gelangt und [in künftigen Leben] nicht einmal die kleinste Wirkung zeigt, geschweige denn eine große? So je-mand hat [den Einblick in] den Körper entfaltet, er hat heilsames Verhalten, meditative Stabilität und Weisheit entfaltet. Er ist nicht beschränkt, hat eine große Gesinnung, einen weiten Geist, der nicht be-grenzt ist [durch emotionale Verblendung]. Bei einem solchen Menschen gelangt dasselbe kleine Ver-gehen noch bei Lebzeiten zur Reife und [in künftigen Leben] zeigt sich nicht einmal die kleinste Wir-kung, geschweige denn eine große.

Was meint ihr wohl, ihr Mönche, wenn jemand einen Klumpen Salz in ein Glas mit wenig Wasser wür-fe, wäre das Wasser nicht versalzen und ungenießbar? – Gewiss, o Herr. – Was aber passiert, wenn je-mand so einen Klumpen Salz in den Strom des Ganges würfe; wäre das Wasser dann auch versalzen und ungenießbar? – Das wohl nicht, o Herr, denn es befindet sich ja eine gewaltige Menge Wasser im Gan-ges. – Ebenso, ihr Mönche, ist es mit den Vergehen: Einer wird durch ein kleines Vergehen in die Hölle gebracht, während ein anderer, der dasselbe Vergehen verübt hat, die Auswirkungen bereits in diesem Leben erfährt und nicht einmal die kleinste Auswirkung [in zukünftigen Leben], geschweige denn eine große.“

Es kann zum Beispiel passieren, dass eine nichtheilsame Handlung solch einen Schock in unserem Geist hervorruft, dass sie zum Ausgangspunkt vieler heilsamer Handlungen wird. Diese sind aber nicht die Folge der nichtheilsamen ersten Handlung, sondern die Folge der anschließenden heilsamen Handlun-gen des Eingestehens, Bereuens, Entwickelns einer anderen Motivation usw. Diese annullieren in ihrer Stärke allmählich die Folgen der ursprünglichen nichtheilsamen Handlung und führen sogar zu vielen heilsamen Auswirkungen.

Gampopa, im Schmuck der Befreiung, Kapitel 6: “Die Auswirkungen heilsamer und schädlicher Hand-lungen werden unweigerlich als Glück beziehungsweise als Leid erfahren. Die Folge des Ansammelns heilsamer Handlungen sind glückliche Erfahrungen und die Folge des Ansammelns schädlicher Hand-lungen sind leidvolle Erfahrungen.”

Aus dem Abhidharma-Kompendium: „Was bedeutet ‚ein der Handlung entsprechendes Ergebnis’? Wir erfahren die vollen Auswirkungen dessen, was wir selbst getan haben, denn heilsame und schädliche Handlungen haben ein ihnen jeweils genau entsprechende Ergebnis.“

Gendün Rinpotsche in Geist des Erwachens, Seite 9:“Diese doppelte Verknüpfung von heilsamen Han-deln und Glück sowie von nichtheilsamen Handeln und Leid ist absolut unumstößlich. Es verhält sich wie mit dem Säen der Samen eines Orangenbaumes und eines Apfelbaumes. Jeder Same wird beim Keimen zu einem Baum, der das Erscheinen von entsprechenden Früchten bewirkt: Es ist nicht möglich, Orangen auf dem Apfelbaum zu bekommen und umgekehrt. Wenn wir den Wunsch haben, Leid zu

Karma-Lesebuch, Seite 55

vermeiden, werden wir jede Form von nichtheilsamen, schädlichen Handlungen aufgeben. Wünschen wir uns Glück, werden wir uns bemühen, jegliche Art von heilsamen, hilfreichen Handlungen auszu-üben.”

Gendün Rinpotsche in Gesetz des Karma, Seite 11: “Jeder Art von Handlung entspricht unmittelbar ein Ergebnis. Dies ist das unfehlbare Gesetz von Ursache und Wirkung, das man umfassend verstehen muss.

Alles Heilsame, was man unternimmt, hat früher oder später Glück zur Folge. Jede nichtheilsame Hand-lung bedingt über kurz oder lang die Erfahrung von Leid.

Diese enge und unausweichliche Beziehung zwischen Handlung und Ergebnis, zwischen Ursache und Wirkung kann mit dem Heranreifen eines Baumsamens verglichen werden. Wenn man einen Zitronen-kern pflanzt, ist der daraus wachsende Baum ein Zitronenbaum und seine Früchte werden Zitronen sind. Wenn man einen Orangenkern pflanzt, ist der daraus entstehende Baum ein Orangenbaum und seine Früchte sind Orangen. Kostet man eine Zitrone, findet man sie vielleicht etwas bitter oder sauer, ja sogar unangenehm. Wenden wir uns dem Orangenbaum zu und kosten eine Orange, erscheint uns diese viel süßer und angenehmer. Dies gilt genauso für eine Handlung und ihr Ergebnis. Ist die Handlung heilsam, ist das Ergebnis angenehm. Handelt es sich um eine schädliche Tat, ist das Ergebnis viel bitterer. Dies ist die Unfehlbarkeit des Gesetzes vom Karma.”

66. Was ist die dynamische Seite von Karma?

Viele oberflächliche Leser buddhistischer Lektüre bleiben bei einem rein statischen Verständnis von Karma stehen, nach dem Motto: “Wer gibt, wird reich. Wer tötet, wird selbst getötet. Ich werde ge-schlagen, weil ich früher selbst jemanden geschlagen habe, usw.” Das ist in dieser Vereinfachung falsch und sogar gefährlich. Falsch ist es, weil es nicht berücksichtigt, dass Handlungen auf allen Ebenen unse-res Seins Auswirkungen haben, und weil es nicht berücksichtigt, welche verstärkenden und abschwä-chenden Faktoren eine Rolle spielen. Gefährlich ist eine solche Vereinfachung, weil man dann nicht mehr nachdenkt und zu so absurden Aussagen kommt, wie “Du hast dir das Bein gebrochen, weil du früher jemandem anders das Bein gebrochen hast”, oder: “Die Tibeter, die Juden, die Hugenotten usw. wurden verfolgt, weil sie früher selbst in gleichem Maße andere verfolgt haben.” Wann denn, wo denn? Das sind oft billige Ausreden, mit denen wir uns das Nachdenken sparen wollen und Verantwortung, die unter Umständen woanders liegt, eventuell sogar bei uns, auf die Opfer abschieben.

Die Gleichung des alten Testamentes „Auge um Auge, Zahn um Zahn” hat nichts mit Karma zu tun. Karmische Gesetzmäßigkeiten funktionieren viel subtiler und komplexer als simple Eins-zu-eins Ab-rechnungen.

Karma ist aber durchaus auch manchmal recht banal. Wir brauchen die Erklärungen nicht immer weit zurückliegend in vergangenen Leben zu suchen. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Wir können uns das Bein brechen ganz einfach, weil wir zu dumm sind aufzupassen. Das ist die unmittelbare karmi-sche Folge der Dummheit, z.B. die Skibindung nicht gewartet zu haben. Das Gleiche gilt für Autounfäl-le durch zu hohe Geschwindigkeit. Das ist das Karma von Dummheit, Stress, Ehrgeiz usw. Wenn ich in Regen und Kälte hinaus gehe, ohne mich entsprechend zu kleiden, brauche ich mich nicht zu wundern, dass ich eine Erkältung bekomme. Auch das ist das Karma der Dummheit. Natürlich sind auch damit nicht alle Faktoren der Situation erfasst, aber es ist zumindest offensichtlich, dass dieses Karma ver-meidbar gewesen wäre.

Was zum Beispiel Kriege auslöst und die Ausrottung ganzer Volksgruppen, dazu haben unsere Ge-schichtswissenschaftler viel zu sagen. Ihre Analysen und die sich daraus ergebenden Hypothesen bzw. Erkenntnisse beleuchten karmische Zusammenhänge in oft durchaus zutreffender Weise, wenn die Ana-lysen auch naturgemäß auf das uns historisch Bekannte beschränkt sind. Das Gleiche gilt für die Analy-sen menschlicher Entwicklung durch Psychologen und Soziologen. Sie alle öffnen uns die Augen für subtile karmische Zusammenhänge im Rahmen der ihnen zur Verfügung stehenden Beobachtungen. Aus Sicht des Dharma sind diese Analysen akzeptabel, auch wenn sie nur einen Ausschnitt des gesam-ten Spiels von Ursache und Wirkung berücksichtigen. Wir müssen einfach ihrer Begrenztheit gewahr sein, um diese Erklärungsansätze nicht zu verabsolutieren.

Karma-Lesebuch, Seite 56

Die buddhistischen Meister wollen uns darauf aufmerksam machen, dass die Auswirkungen von Hand-lungen nicht etwas Statisches sind. Je länger die Spuren von Handlungen in unserem Geistesstrom aktiv sind, desto mehr Kraft entfalten sie, es sei denn, es werden abschwächende Einflüsse wirksam.

Karmische Kräfte haben eine Eigendynamik, ähnlich wie schnell wachsende Pflanzen, die alles andere überwuchern können.

Auch scheinbar unbedeutende Handlungen können von daher große Auswirkungen haben, selbst wenn es sich dabei um rein geistige Handlungen handelt, wie z.B. hasserfüllte oder begehrende Gedanken. So können hasserfüllte Einstellungen gegenüber anderen, auch wenn sie nicht in Beschimpfungen und Mord umgesetzt werden, durchaus gravierende Folgen haben. Dies gilt auch wenige, scheinbar unbe-deutende Worte, die – wenn nicht zurückgenommen – starke Auswirkungen haben können. Dies scheint um so mehr zu gelten, wenn es sich bei den Beteiligten um spirituell Praktizierende oder einflussreiche Personen handelt. Die Rahmenbedingungen sind in einem solchen Fall anders.

Gampopa, im Schmuck der Befreiung, Kapitel 6: “Kleine Handlungen können zu großen Resultaten heranreifen, (wie ein Same zu einem Baum). Bezogen auf schädliche Handlungen bedeutet dies, dass – wie gelehrt wird – einzelne Gedankenmomente eine gleiche Anzahl von Zeitaltern höllischer Qualen nach sich ziehen können.”

So heißt es bei Shantideva in Eintritt in die Bodhisattva-Praxis: “Der mächtige Erwachte sprach: ›Wer Übles gegen wohltätige Bodhisattvas sinnt, der wird für jeden Moment seiner negativen Einstellung ein Zeitalter in den Höllen schmachten‹.”

Gampopa im Schmuck der Befreiung: “Es heißt auch, dass wir für jeden Ausbruch schädlicher Rede (gegen einen Bodhisattva) fünfhundert und mehr Wiedergeburten lang Leid erfahren werden.”

Aus Dharma-Essenz in Versen: “Selbst kleine Vergehen werden in der nächsten Welt starke Furcht und große Schwierigkeiten bewirken, gleich einem ins Innerste vorgedrungenen Gift.”

“Selbst kleine verdienstvolle Handlungen führen in der nächsten Welt zu großem Glück und bewirken großen Nutzen, gleich dem Reifen von hervorragendem Saatgut.”

Djamgön Kongtrul im Licht des wahren Sinnes, Seite 19: “Auch Handlungen, die ursprünglich zum Zeitpunkt ihrer Ausführung nur klein (und scheinbar unbedeutend) waren, besitzen eine dynamische Kraft, durch die sich ihr Karma vervielfältigt. Bei äußerst starken Handlungen, wie jemanden aufgrund von heftigem Zorn zu töten oder aber jemanden aus völlig reiner, wohlwollender Geisteshaltung vor dem sicheren Tod zu bewahren, da lässt sich das Ausmaß dieser dynamischen Kraft überhaupt nicht abschätzen. Sogar heilsame und schädliche Handlungen von äußerst geringer dynamischer Kraft, wie unbedachte Worte oder körperliche Handlungen, vermehren sich ums Hundert- und Tausendfache.”

und:

“Handlungen jedweder Art – ob heilsam oder schädlich – mögen zum Zeitpunkt ihrer Ausführung noch klein sein. Aber dann, wenn sich ihre Früchte zeigen, sind sie um ein Vielfaches größer.”

Djamgön Kongtrul weist uns in diesen beiden Zitaten darauf hin, dass zum bloßen Ausführen einer Handlung stets dynamische Faktoren hinzukommen, welche die Auswirkungen mitbestimmen werden. Dies gilt für alle Handlungen. Ein einziges Wort kann ungeahnte Folgen haben, wenn es plötzlich in die Presse kommt und zudem aus dem Mund eines Kanzlers oder eines kirchlichen Würdenträgers stammt. Für den, der diese Rahmenbedingungen und die nachträglich verstärkenden oder abschwächenden Fak-toren kennt, sind solche Auswirkungen vorhersehbar, doch für jemanden, der in Unkenntnis dieser Ge-setzmäßigkeiten lebt, wirken sie überraschend.

Kleine Handlungen können große Folgen haben, wenn entsprechend verstärkende Faktoren wirksam werden.

Große Handlungen können kleine Folgen haben, wenn entsprechend abschwächende Faktoren wirksam werden.

Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe S.21: “Heilsame Handlungen werden unerschöpflich, indem wir uns darüber freuen; schädliche Handlungen sollten wir mit den vier Kräften ehrlich bekennen und uns

Karma-Lesebuch, Seite 57

verpflichten (sie nie wieder zu begehen). So wie ein kleiner Funke einen ganzen Wald in Brand setzen kann, so hat heilsames Handeln die Kraft, große Mengen schädlicher Handlungen zu besiegen – voller Freude sollten wir dies in die Tat umsetzen.”

Udanavarga: “Selbst für eine kleine verdienstvolle Handlung Wirst du in der nächsten Welt großes Glück kosten. Sie bewirkt einen ebenso großen Gewinn, wie das Reifen von hervorragendem Saatgut.”

Diskussion:

− Was für verstärkende und abschwächende Faktoren sind uns bekannt? − Welche dieser Faktoren können wir bewusst einsetzen?

� Übung 24: Können Sie sich an einzelne Gedanken erinnern, die große Auswirkungen hatten? Kön-nen Sie sich an intensive Gedanken erinnern, die nicht zu großen Auswirkungen geführt haben? Ha-ben Sie bemerkt, wie sich bestimmte Gedanken, Einstellungen oder Tendenzen in ihrem Geist breit machen können? Können Sie die dabei wirksamen verstärkenden bzw. abschwächenden Faktoren erkennen?

67. Wie können Verdienste zunehmen?

Vasubandhu in der Abhidharma-Schatzkammer, S.20:

“Die alten Meister sagen: Die Natur der Dinge (dharmata) ist so beschaffen, dass Verdienste zunehmen, wenn Personen, die eine Spende bekommen haben, diese benutzen. Das hängt, was materielle Gaben angeht, zusammen:

− mit den Qualitäten dieser Personen (z.B. mit ihrer tiefen Güte, ihren meditativen Versenkungen, ihrer Verwirklichung usw.)

− mit dem Nutzen, den sie für sich oder für alle Wesen aus dieser Spende ziehen

− mit den (auf die Handlung folgenden) geistigen Prozessen (samtatayas) der Spender, je nach-dem ob sie schädliche und unbestimmte Gedanken hatten oder aber weiterhin “parfümiert sind” (paribhavita) von der heilsamen Absicht, dem jeweiligen Empfänger zu spenden (d.h., dass die Absicht, die der bereits ausgeführten Handlung vorausging, immer wieder bestärkt wird).

Aufgrund dieser Faktoren erfahren die geistigen Prozesse der Spender eine zunehmende subtile Trans-formation, bis sie im Endstadium solche Kraft besitzen, dass sie große Früchte zeitigen. – In diesem Sinne heißt es in den Texten: ‚Die Verdienste nehmen intensiv und ununterbrochen zu, die Verdienste summieren sich.’

Aber wie erklärt sich die Zunahme von Verdiensten bei nicht-materiellen verdienstvollen Handlungen (niraupadhika)? Die geistigen Prozesse wandeln sich aufgrund des Wiederholens der Absicht, die den Sogegangenen oder seine Schüler, die “Hörer”, als Objekt hat. Selbst in den Träumen wird sich das Wiederholen dieser Absichten fortsetzen… (S.21) und dies allein aufgrund der Freude im Denken an den Sogegangenen und seine Schüler.”

68. Wo überall gilt das Gesetz von Karma?

Karmische Gesetzmäßigkeiten gelten überall, wo es Handlungen und Handelnde gibt.

Gampopa im Schmuck der Befreiung, Kapitel 7: “Wo immer es Raum gibt, da gibt es auch Lebewesen. Wo es Lebewesen gibt, da gibt es Karma und emotionale Verblendung. Wo diese vorhanden sind, da gibt es Leid. Sie alle von Leid zu befreien ist das Anliegen dieser Geisteshaltung.”

So lesen wir in Samantabhadras Wunschgebet der rechten Lebensweise: “Was immer die Grenzen des Weltalls sind, das erst sind auch die Grenzen aller Lebewesen. Dort ist ebenfalls die Grenze von Karma und emotionalem Leid − und erst dort ist die Grenze meiner Wunschgebete erreicht.”

Karma-Lesebuch, Seite 58

69. Erzeugt ein Erwachter noch Karma? (A IV.232; M 57; A III, 34)

Buddha Shakyamuni erwähnt in A IV.232 und M 57 ein Wirken, das nicht zu karmischer Verstrickung und Wiedergeburt führt:

„Es gibt dunkles Wirken, das dunkle Ergebnisse bringt; helles Wirken, das helle Ergebnisse bringt; teils helles und teils dunkles [„gemischtes“] Wirken, das teils helle und teils dunkle Ergebnisse bringt; und weder helles noch dunkles [„reines“] Wirken, das weder helle noch dunkle Ergebnisse bringt und zur Erschöpfung des Wirkens (Pali: kamma-kkhaya) führt.“

Wir lesen bei Nyanaponika in Die Wurzeln von Gut und Böse, S.63:

„Die guten Handlungen eines Arahants sind der spontane Ausfluss eines vollkommen geläuterten her-zens, das ohne Zögern auf Situationen, in denen Hilfe nötig und möglich ist, reagiert. Obwohl in den Handlungen des Arahants innere Agelöstheit und tiefe Abgeklärtheit herrschen anstelle von gefühlsmä-ßigem Einbezogensein, so entbehren seine Handlungen doch nicht der menschlichen Sympathie und Mitfühlsamkeit.“

Das Ende von Karma ist das Ende von Täuschung und somit das Ende von emotionaler Verwicklung und Leid. Dies ist Buddhaschaft, der Zustand jenseits aller Bedingtheit durch karmische Tendenzen, jenseits aller Schleier, wo sich alle Qualitäten unverhüllt und spontan manifestieren. Sämtliche Schleier der Ichbezogenheit sind erschöpft und können nicht mehr entstehen, es gibt kein Geborenwerden mehr, die Kette abhängigen Entstehens ist durchbrochen.

Ein Buddha hat völlige Freiheit von Karma erlangt. Er setzt keine neuen karmischen Samen des Leides mehr und hat alle Früchte früherer Handlungen gereinigt.

Gampopa beschreibt Buddhaschaft im Schmuck der Befreiung, Kapitel 18, demgemäß als das Ende der Bedingtheit durch Ursache und Wirkung:

“In Hinblick auf das Sich-Erschöpfthaben aller Ursachen und das Nichtentstehen weiterer Früchte spre-chen wir also von dem ursprünglichen Gewahrsein des Sich-Erschöpfthabens und des Nichtwiederent-stehens.”

Für einen Buddha gibt es “nichts mehr zu lernen”, was die Beherrschung der Zusammenhänge von Ur-sache und Wirkung angeht. Sein Gewahrsein ist vollkommen.

Gendün Rinpotsche in Weg des Bodhisattva, Seite 9:

“Erleuchtetes Gewahrsein hat keine Grenzen. Auch unser Geist kann dies erfahren. In welchem der drei großen Daseinsbereiche sich die Wesen auch befinden mögen, sei es im Bereich der Begierde, im Be-reich der Form oder im Bereich der Formlosigkeit – alle drei Ebenen sind vom Geist durchdrungen. Das erleuchtete Gewahrsein kann alle Einzelheiten dieser drei Welten wahrnehmen, jegliche Bewegung und Absicht sowie das Potential, d.h. das positive oder negative Karma der dort lebenden Wesen. Dieses Gewahrsein ist überall zugleich. Wenn jemand die erleuchtete Dimension des Geistes verwirklicht, wird er natürlicherweise durch sein Mitgefühl die entsprechenden Mittel finden, um anderen Wesen zu helfen – ganz spontan – damit alle Wesen die Transformation ihres Bewußtseins ausführen können. Dharma ist nichts anderes als das.”

Gendün Rinpotsche in Gesetz des Karma, Seite 10:

„Hat man Körper, Rede und Geist vollständig geläutert, findet man sich mit Körper, Rede und Geist im Zustand vollkommener Reinheit wieder: im Buddhazustand. Der Körper wird zum Ausstrahlungskörper oder Nirmanakaya, die Rede wird zum Freudenkörper oder Sambhogakaya, und der Geist wird zum Wahrheitskörper oder Dharmakaya. Sind erst einmal alle Schleier geläutert und ist die vollkommene Erleuchtung verwirklicht, ist man in der Lage, die Aktivität eines Buddha jenseits gewöhnlicher Aktivi-tät zu manifestieren.”

Handeln frei von allem Haften erzeugt kein Karma. Handeln frei von Haften ist erleuchtete Aktivität.

Bei den heilsamen Handlungen wird in der Pali-Tradition in weltliches Heilsames (lokiya-kusula) und überweltliches Heilsames (lokutara-kusula) unterschieden. Die heilsamen Handlungen eines von der

Karma-Lesebuch, Seite 59

Welt, d.h. vom Haften an einem vermeintlichen Ich, Befreiten erzeugen keine Kräfte, die zu einer Frucht führen, die in erneuten Existenzen erfahren werden müsste.

Hierzu heißt es in A III, 34: „So wie mit verbrannten Samen, die nichts mehr hervorbringen können, ist es mit einem Wirken, das in Gierlosigkeit, Hasslosigkeit und Nicht-Verblendung getätigt wurde. Wenn Gier, Hass und Verblendung vollständig geschwunden sind, dann ist ein solches Wirken dadurch aufge-hoben, an seinen Wurzeln abgeschnitten, unfruchtbar gemacht wie ein Palmstumpf, zum Nichtsein ge-bracht und nicht länger fähig, künftig in Erscheinung zu treten.“

Karmapa schreibt im Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe, S.20 zu den Handlungen von Erwachten: „Reine neutrale Handlung kann vierfach sein: Reifung erfolgt, Tätigkeit, Handwerk und geistige Aus-strahlungen.”

70. Können mehrere Handlungen zugleich ihre Auswirkungen zeigen?

Ja, wenn sie ihre Auswirkungen auf verschiedenen Ebenen haben.

Vasubandhu, S.112: “Drei Arten von Handlungen können gleichzeitig reifen. …(1) die Auswirkungen einer Handlung, die angenehm zu fühlen sind, d.h. ein sog. materielles Phänomen im Bereich der Sin-neserfahrungen; (2) die Auswirkungen einer Handlung, die unangenehm zu fühlen sind, d.h. als gedank-liche oder geistige Wahrnehmung; (3) die Auswirkungen einer Handlung, die weder angenehm noch unangenehm zu fühlen sind, d.h. Auswirkungen jenseits gedanklicher Wahrnehmung (im nichtbegriffli-chen Bereich).

71. Sind alle Erscheinungen karmisch bedingt?

Das Universum besteht aus vielfältigen Ursache-Wirkungsbeziehungen. Laut Buddha “geschieht alles aufgrund einer Ursache.”

Alle Phänomene erscheinen in Abhängigkeit von Bedingungen.

Alle Erscheinungen sind somit bedingt. Wenn diese Bedingungen ein Ende haben, haben auch diese Phänomene ein Ende. Das bedeutet aber noch nicht, dass alle Phänomene karmisch bedingt sind. Es kann aber so verstanden werden, weil ja die Wahrnehmung aller Phänomene in unserem Geist stattfindet und sich darüber hinaus nichts über die Existenz oder Nichtexistenz von Erscheinungen sagen lässt.

Karma bezieht sich laut Buddha auf sämtliche Erfahrungen und Ursache-Wirkungsbeziehungen, die durch körperliche, sprachliche oder geistige Handlungen bedingt sind.

Sangharakshita in Karma, Seite 94:

“Der unaufhörliche Fluss des Seins − der materiellen Ereignisse wie auch der Geisteszustände − ist ein Prozess wechselseitig abhängiger Phasen, die alle durch das Vorhandensein von Bedingungen entstehen und die selbst wiederum die auf sie folgenden Phasen bedingen. ... Und es ist unser Gewahrwerden die-ses Gesetzes der Konditionalität, das uns allmählich von allen Bedingungen befreit und zur frei wirken-den, spontanen Schöpferkraft der Erleuchtung führt.”

Allgemeine Erscheinungen von Bedingtheit, wie z.B. die einfachen Tatsachen, dass ein Apfel zu Boden fällt, dass Feuer brennt, die Sonne scheint, der Wind übers Land fegt usw. sind bei einer ersten Betrach-tung kein Ausdruck von Karma. Es sind physikalische Naturgesetze und zunächst einmal nicht die wahrnehmbaren Auswirkungen unserer Handlungen. Das Gleiche gilt für chemische und biologische Gesetzmäßigkeiten. Dazu gehört z.B. auch, dass man durch gezielte Stimulation bestimmter Hirnareale bestimmte Prozesse im Geist auslösen kann.

Obwohl sie unser Erleben deutlich beeinflussen, haben wir nicht den Eindruck, dass es zu diesen Ge-setzmäßigkeiten aufgrund von unserem Handeln gekommen wäre. Wir machen unser Handeln deshalb auch nie für die Beschränkungen durch physikalische Gesetze oder biologische Notwendigkeiten ver-antwortlich. Und der Buddha fordert uns auch keineswegs auf, irgendwie zu versuchen, an diesen Ge-setzmäßigkeiten unserer Welt zu rütteln. Innerhalb dieser von uns zu akzeptierenden Beschränkungen

Karma-Lesebuch, Seite 60

weist er uns den Weg zur Befreiung durch bewusstes, auf das Erwachen aller Wesen gerichtetes Han-deln.

Der Buddha weist uns jedoch darauf hin, dass die Art und Weise, wie die Wahrnehmung dieser von Naturgesetzen bedingten Phänomene zustande kommt und verarbeitet wird, und der Grund, warum wir überhaupt in einer Welt leben, wo es Äpfel, Feuer, Sonne und Wind gibt, wiederum Ausdruck unseres Karmas ist. Um uns die Augen hierfür zu öffnen, spricht er von anderen Daseinsbereichen, in denen nicht die selben Naturgesetze gelten, wo es z.B. keinen physischen Körpers gibt, wo weder Äpfel noch Schwerkraft existieren. Er spricht davon, dass in jedem dieser Daseinsbereiche karmische Gesetzmäßig-keiten wirken und dass wir, abhängig von unserem Karma, durchaus auch schon Existenzen in diesen anderen Bereichen verbracht haben.

Wenn wir mit solch einer erweiterten Vision von unserer Menschenwelt als nur einer der vielen mögli-chen Welten arbeiten, dann liegt der Schluss nahe, dass die Tatsache, dass wir uns in genau dieser Welt befinden und ihren Naturgesetzen unterliegen, ebenfalls etwas mit unserem Karma zu tun hat.

Der Buddha und andere große buddhistische Meister gehen so weit zu sagen, dass die Welt, in der wir leben, durch unseren Geist bedingt ist. Der an der Ich-Illusion anhaftende, sich als Subjekt fühlende Geist erschaffe diesen illusorischen Körper, der Ausdruck und Spiegel der subtilen Tendenzen ist, die unseren Geist beherrschen. In der gleichen Weise würde unser an der konkreten Existenz äußerer Objek-te haftende Geist die illusorische, äußere Welt erzeugen. Aus dieser erweiterten Perspektive ließe sich sagen: “Alles ist Ausdruck unseres verwirrten Geistes” und somit: “Alles ist durch Karma bedingt”. Dies beinhaltet, dass unsere gesamte Wahrnehmung, selbst von konkreten Gegenständen, vom Filter dualistischer Täuschung getrübt ist.

Wir sehen also, ohne näher auf diese Argumente eingehen zu wollen, dass es zwei Ebenen der Betrach-tung gibt, eine engere und eine weitere Sichtweise von Karma, die beide in der buddhistischen Literatur ihren Niederschlag gefunden haben.

Praktisch relevant für uns ist zunächst die engere Sicht, wo wir uns mit dem bewussten, von uns zu be-einflussenden Handeln befassen und daran arbeiten, unsere körperlichen, sprachlichen und geistigen Handlungen auf das Wohl aller Wesen auszurichten.

Mit zunehmender Meditationspraxis erfahren wir Karma dann als die gesamte Konditionierung unserer Sichtweise, wobei sich auch unser Glauben an die vermeintlich konkrete Existenz eines Ichs und an ein vermeintlich außerhalb von uns bestehendes Universum als Täuschung enthüllt.

Dabei spielt es keine Rolle, welche Naturgesetze unser Universum beherrschen. Solange wir uns auf die relative Wirklichkeit dieses Universums einlassen, unterliegen wir den darin auf relativer Ebene wirk-samen Ursache-Wirkungsbeziehungen. Und es ist müßig, sich zu fragen, wodurch sie entstanden sind. Wir müssen sie einfach hinnehmen, bis sich eines Tages mit zunehmender Freiheit des Geistes vielleicht neue Freiräume auch auf der relativen Ebene auftun. Wenn die Naturgesetze unseres Universums tat-sächlich von dem in Täuschung gefangenen Geist erzeugt wurden, dann sollte der vollkommen von Täuschung befreite Geist nicht länger daran gebunden sein.

Wie weit sich das auch auf den Körper auswirkt, ist dann noch eine weitere Frage. Es scheint, dass auch der Körper eines Erleuchteten, dessen Geist vollkommen frei von Täuschung ist, sich die meiste Zeit zumindest zeitweise den Naturgesetzen entsprechend verhält. Doch scheint es bei Erleuchteten immer wieder Situationen zu geben, wo diese Bedingungen durch die Kraft des Geistes aufgehoben werden.

72. Wirkt Karma auch auf der letztendlichen Ebene der Wirklichkeit?

Die Unterweisungen zu karmischen Gesetzmäßigkeiten handeln allesamt von der relativen Ebene der Wirklichkeit.

Das ist die Ebene, wo es Wesen gibt, die Glück und Leid erfahren, die Ebene dualistischer Wahrneh-mung. Karma wirkt nur auf dieser Ebene.

In der Nondualität, der letztendlichen Ebene der Wirklichkeit, gibt es kein Karma.

Karma-Lesebuch, Seite 61

Karma ist an die Illusion eines Ich oder Selbst gebunden. Karmische Kräfte werden durch Ichbezogen-heit in Bewegung gesetzt. Handlungen, die vollkommen frei von Ichbezogenheit und Ich-Illusion sind, nennen wir erleuchtete Aktivität. Durch sie entsteht kein Karma. Die karmischen Kräfte begleiten uns, solange wir uns in der Ich-Identifikation befinden. Sie sind nicht wirksam, wenn jemand in der Natur des Geistes verweilt, aber werden wieder wirksam, wenn diese Person sich wieder mit einem Ich identi-fiziert. Die Unterweisungen über Karma machen uns mit den Gesetzmäßigkeiten vertraut, die auf der relativen Ebene wirken, wo wir in Ichbezogenheit, und sei sie auch noch so subtil, gefangen sind.

Im Sutra Unerschütterliche wahre Natur:

“Ihrem Wesen nach sind alle Phänomene ungeboren, von Natur aus nicht verweilend, frei von allen Begrenzungen durch Karma und Handlungen, jenseits des Bereiches von Denken und Nichtdenken.”

Es sei aber ausdrücklich gewarnt vor einem falschen Verständnis dieser Lehren.

Licht des wahren Sinnes, Seite 72:

"Wir sollten auf die geringsten karmischen Auswirkungen unserer Handlungen achten, statt mit einem trockenen12, konzeptuellen Verständnis der Leerheit zu meinen: 'In der wahren Natur gibt es weder Nut-zen noch Schaden.' Solch oberflächliche Praxis führt zu primitiven Anschauungen und verrücktem Ver-halten − von manchen Leuten mit unreinem Karma wird man vielleicht gar als hoher Verwirklichter betrachtet. In Wirklichkeit aber ist solch eine Sicht die Hauptursache für den Ruin von sich selbst und anderen. Es ist von daher äußerst wichtig, achtsam zu sein!"

Padmasambhava in den Dakini-Lehren:

“Wenn du die Meditation über Leerheit übst, achte gleichzeitig darauf, daß diese Meditation dein heil-sames Handeln fördert und den Geistesgiften entgegenwirkt.”

Kjeme Schang, zitiert in Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe S.124: “Dieser Augenblick, in dem du die Natur der Gedanken erkennst, wird “Mahamudra-Erkenntnis” genannt oder “Entstehen tiefer Medi-tation” oder “in Meditation enthüllt”. In diesem Augenblick, in dem du die Natur der Gedanken er-kennst, ist das seit anfangsloser Zeit im Samsara angesammelte negative Karma vollständig überwunden und gereinigt.”

73. Unser jetziges Sein als Spiegel früherer Handlungen

Gendün Rinpotsche in Geist des Erwachens, Seite 8/9:

“Alle Wesen ohne Ausnahme versuchen, Leid zu vermeiden und Glück zu erlangen. Trotz dieser An-strengungen entziehen sich Glück und Leid völlig unserer Kontrolle, denn unsere gegenwärtige Situati-on und Erfahrung hängen vollkommen von unseren vergangenen Handlungen und dem Karma ab, das wir in unseren früheren Leben angesammelt haben. Buddha Shakyamuni sprach:

Wenn wir wissen möchten, welches unsere vergangenen Handlungen waren, genügt es, unsere gegen-wärtige Situation zu betrachten. Wenn wir unsere zukünftigen Lebensbedingungen erahnen möchten, brauchen wir uns nur die Folgen unserer jetzigen Handlungen vorzustellen.

Durch eine achtsame Überprüfung unserer gegenwärtigen Lebensbedingungen – Gesundheit, Krankheit, Glück, Traurigkeit usw. – können wir ziemlich klar schließen, welches unsere vergangenen Handlungen waren. Alles was wir erfahren, ist das direkte Resultat vergangener Handlungen. Die Kraft dieser Hand-lungen schafft all die Lebensbedingungen, die wir zur Zeit erfahren.

Karma ist weder etwas Erwünschtes, noch etwas, was sich willkürlich ereignet. Es handelt sich um ein natürliches und spontan zur Wirkung kommendes Gesetz. Welche Handlung auch immer ausgeführt wird, sie zieht ein Karma nach sich. Jeder versucht, Leid zu vermeiden und Glück zu erlangen, aber trotz aller Anstrengungen treten die erwarteten Ergebnisse nicht ein, denn unser momentanes Glück oder Leid hängen nicht von den Handlungen ab, die wir jetzt ausführen. Wir können das Glück nicht

12 Solch ein Verständnis der Leerheit ist in mehrerlei Hinsicht trocken: Es ist nutzlos wie ausgedörrter Boden, es entbehrt jeglicher Erfahrung, und es fehlt das die Praxis nährende, befeuchtende Element des echten Mitgefühls (Bodhicitta).

Karma-Lesebuch, Seite 62

kontrollieren. Selbst wenn es uns gelegentlich gelingt, ein wenig Glück zu erlangen und Leid zu ver-meiden, so sind die meisten in einer Situation wirkenden Kräfte nicht unter unserer Kontrolle. Das liegt daran, dass alle Bedingungen vom Gesetz des Karma gelenkt werden.”

Gendün Rinpotsche in Gesetz des Karma, Seite 15:

“...Jede in diesem Leben durchgemachte Erfahrung hängt vom Karma ab; sie ist das Ergebnis des Zu-sammenwirkens von Taten, die wir in der Vergangenheit vollbracht haben. Dies gilt nicht nur für die Menschen, sondern genauso für alle Lebewesen. In welchem Zustand wir uns auch immer befinden mö-gen, dieser ist die Frucht von Taten der Vergangenheit. Handelt ein Lebewesen in einer bestimmten Geistesverfassung, so schafft dies ein potentielles Ergebnis, das gemäß dem Gesetz des Karma heran-reift. Das Ergebnis besteht in der Geburt in der einen oder anderen Daseinsform, in der das, was einem widerfährt, ebenfalls vom Karma abhängt:

Alle Situationen, denen man begegnet, sind nur Illusionen, die durch das zuvor angesammelte Karma geschaffen werden.”

74. Ist unser Anhaften am Körper Quelle für negatives Karma?

Gampopa, im Schmuck der Befreiung, Kapitel 4:

“Der Körper ist jetzt wie auch in der Zukunft eine Quelle von Leid. In diesem Leben verursacht er man-cherlei Ungemach, weil er keine Krankheiten, keine Hitze, keine Kälte, keinen Hunger und keinen Durst erträgt. Aus Befürchtung, geschlagen, getötet, gefesselt und geschunden zu werden (d.h. aufgrund unse-rer Anhaftung an den Körper), entsteht großes Leid (Streit, Verstrickung usw.). In späteren Leben wer-den wir als Folge des aufgrund des Körpers entstandenen Karmas in niederen Bereichen wiedergebo-ren.”

75. Wie setzt sich Karma ins nächste Leben fort? (Dh 219f.; M 60)

Buddha Shakyamuni im Dhammapada, Verse 219 und 220:

„Den lang entbehrten teuren Mann, der heil aus fernen Landen kommt, begrüßet bei der Wiederkehr all seiner Lieben traute Schar. So wahrlich auch empfangen ihn, der Gutes tat, im neuen sein die guten Ta-ten insgesamt wie Freunde eine lieben Freund.“

Der Buddha beschreibt an verschiedenen Stellen, wie ihm diese Erkenntnis des Wirkens von Karma über den Tod hinaus zuteil geworden ist: durch Meditation. Er sagt von sich und anderen erwachten Praktizierenden in der Unbestreitbaren Lehre (M 60:53, Apannaka Sutta):

„Nachdem sein Herzensgeist solcherart geeint, geläutert, klar, makellos, trübungsfrei, sanft, fügsam (nutzbar) und ohne Willkür (stetig) und vollkommen still (unerschütterlich) geworden ist, da richtet er es auf die Erkenntnis des Sterbens und Wiedererscheinens der Wesen. So kann er mit dem himmlischen Auge, dem geläuterten, über menschliche Grenzen hinausreichenden Auge, die Wesen sterben und wie-dererscheinen sehen: gemeine und edle, schöne und hässliche, glückliche und elende. Er versteht, wie die Wesen ihren Handlungen gemäß weiterwandern:

‚Diese geschätzten Wesen sind in Taten dem Schädlichen zugetan, in Worten dem Schädlichen zugetan, in Gedanken dem Schädlichen zugetan, sie missbilligen die Edlen, hegen falsche Ansicht und kommen aus falscher Ansicht zu falschem Wandel. Wenn der Körper stirbt, nach dem Tod, gelangen sie auf eine schlechte Bahn, in Umstände, die von Entbehrung, Unglück und Verderbnis geprägt sind, ja sogar in die Tiefen der Schmerzenswelt.

Jene geschätzten Wesen aber sind in Taten dem Heilsamen zugetan, in Worten dem Heilsamen zugetan, in Gedanken dem Heilsamen zugetan. Sie missbilligen nicht die Edlen, hegen rechte Ansicht und kom-men aus rechter Ansicht zu rechtem Wandel. Wenn der Körper stirbt, nach dem Tod, gelangen sie auf eine gute Bahn, in glückliche Umstände, ja sogar in himmlische Welten.’ – So sieht er die Wesen je nach ihrem Wirken weiterwandern.“

Karma-Lesebuch, Seite 63

Wie lässt sich das verstehen, dass wir auch in späteren Leben noch die Auswirkungen der Handlungen z.B. dieses Lebens erfahren sollen?

Ein Erklärungsversuch: Bei jeder geistigen, verbalen oder körperlichen Handlung entstehen Eindrücke in unserem Geist. Die meisten von uns sind sich nur der Eindrücke auf der konzeptuellen Ebene be-wusst, auf der Ebene bewusster Erinnerung. Es werden aber auch Spuren auf einer tieferen Ebene in unserem Geistesstrom hinterlassen, auf einer nonkonzeptuellen Ebene, die traditionell das Alaya-Speicherbewusstsein genannt wird. Jede Handlung hat unmittelbare Wirkungen auf dieser nichtbegriffli-chen Ebene, die jenseits des Intellekts liegt, so etwa wie die Oberflächenwellen eines Sees als feine, ihnen ähnliche Vibrationen den Grund eines Sees erreichen und dort feinste Spuren hinterlassen. Diese Spuren in unserem nichtbegrifflichen Bewusstsein prägen unsere Sichtweise und Handlungstendenzen auch in späteren Leben, d.h. solange sie nicht getilgt werden, und prädisponieren uns für Erfahrungen und Situationen, die den ursprünglichen Handlungen früherer Leben ähnlich sind.

Es stellt sich natürlich sofort die Frage: Was passiert im Tod?

Im Tod lösen sich alle groben Bewusstseinsformen auf. Nur die beiden Aspekte des nichtbegrifflichen Bewusstseins, die Natur des Geistes und das Alaya-Bewusstsein, setzen sich weiter fort. Der Tod ist wie ein Nadelöhr. Beim Durchgang durch dieses Nadelöhr müssen alle groben, begrifflichen Identifikatio-nen, Erinnerungen und dergleichen zurückbleiben. Das normale Ich kann nicht über den Tod hinaus bestehen. Aber die nicht bereinigten, subtilen Spuren der von diesem Geistesstrom ausgeführten Hand-lungen wirken im nichtbegrifflichen Bewusstsein weiter. Nach dem Durchgang durch das Klare Licht bzw. den totalen Verlust allen begrifflichen Bewusstseins unmittelbar nach dem Tod, welches das Band der Identifikation mit dem vergangenen Leben auflöst, kommen diese Spuren wieder zur Wirkung. Die dem Geist innewohnende Dynamik bewirkt, dass die im Speicherbewusstsein vorhandenen Eindrücke, traditionell "Samen" genannt, nach und nach aktiviert werden. Ihre Aktivierung bewirkt das Erscheinen von Gedanken, also konzeptueller Aktivität im Geist, Traumbilder, Emotionen usw. Und so setzt sich die Reise fort. Es ist nicht die selbe Person und doch ist da eine feine, unabänderliche Kontinuität.

Die Gedanken, die wir beim Meditieren erleben, die Eindrücke, die plötzlich aufsteigen, erscheinen allesamt als Folge der Aktivierung dieses Speicherbewusstseins. Die begriffliche und die nichtbegriffli-che Ebene unseres Geistes sind in ständigem Austausch miteinander. Altes wird aktiviert, Neues wird abgespeichert. Alte Spuren werden gelöscht, neue werden erzeugt. So manche karmische Muster fahren sich auf diese Weise immer tiefer ein, andere werden durch korrigierendes Eingreifen bzw. bewusstes Nichtreagieren abgeschwächt. So findet ein Prozess kontinuierlicher Umgestaltung auf nichtbegriffli-cher Bewusstseinsebene statt.

Das ganze Leben über ist Karma die gestaltende Kraft unserer Erfahrungen und Wahrnehmungen. Dies setzt sich bis in den Tod hinein fort und auch darüber hinaus.

Gendün Rinpotsche in Gesetz des Karma, Seite 14:

"Im Augenblick des Todes wird der physische Körper zerstört, der Geist besteht weiter und bringt in Übereinstimmung mit unserem Karma einen anderen Körper hervor. Dieser Körper ist das Ergebnis der vergangenen Taten, und alles, was ihm widerfährt, ist nur die Frucht dieser Taten. Es gibt daher keinen Grund, unsere Schwierigkeiten auf die Außenwelt zu projizieren und andere wegen unseres Unglücks anzuklagen."

In den traditionellen Unterweisungen wird immer wieder darauf hingewiesen, dass das was wir den “Herrn des Todes” nennen mögen, den “Sensenmann” des Mittelalters, immer nur unser Karma ist.

So heißt es im Rat an den König:

“Großer König! Wenn dich der Herr des Todes (dein Karma) an den Pfahl schlägt und martert, dann schwindet alle Überheblichkeit. Es gibt dann keine Zuflucht, keine Schützer und keine Verbündeten. Du bist von Krankheit geschlagen, der Mund ist trocken, das Gesicht verändert sich. Die Glieder geben nach, du kannst nichts tun und besudelst deinen Körper mit Speichel, Rotz, Urin und Erbrochenem. Die Stimme wird brüchig, der Arzt gibt dich auf. Zum letzten Mal schläfst du in deinem Bett. Du sinkst in den Strom des Daseinskreislaufes hinab und die Boten des Todesherrn ängstigen dich. Die Atembewe-

Karma-Lesebuch, Seite 64

gungen brechen ab, weit offen klaffen Mund und Nasenlöcher. Du lässt diese Welt zurück und gehst in die nächste, der große Umzug führt dich weiter.

Du betrittst die große Dunkelheit, fällst in eine abgründige Tiefe und wirst von einem mächtigen Meer davon gespült. Die Winde des Karmas treiben dich – du gehst dorthin, wo es keinen festen Boden gibt. Es gibt keinen Besitz, keine Kleidung mehr zu verteilen. ›Oh weh, Mutter! Oh, Vater! Oh, meine Kin-der!‹ wirst du rufen. Aber wisse, Großer König, zu jenem Zeitpunkt gibt es keine andere Zuflucht, kei-nen Schützer und keinen Verbündeten außer der edlen Lehre.”

Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe S.16: “Der vom Körper getrennte Geist irrt machtlos im Bardo des Nachtodzustandes umher, nur vom eigenen Karma gefolgt, und kraft dieses Karmas ergreift er die nächste Geburt.”

Djamgön Kongtrul im Licht des wahren Sinnes, Seite 13:

“Lawinen, Waffen, Blitz, Schlaganfall, Darmverschluss, usw. – es gibt wirklich eine Menge möglicher Todesursachen. Und wir wissen nicht, welche uns ereilen wird und wann es passieren wird. Da wir je-doch Karma angesammelt haben, besteht keine Möglichkeit, dass der Tod uns nicht ereilt. Auch Nah-rung, Besitz, Kleidung, Freunde, Begleiter, Diener und dergleichen können zu Ursachen unseres Todes werden. Wir wissen nicht, wie es geschehen wird. Wann wir sterben ist unvorhersehbar. Deshalb sollte ich jetzt mit ganzer Kraft darüber meditieren, was mir alles geschehen kann.

Es gibt keinerlei Grund zu denken, irgendeine schädliche Handlung sei unumgänglich und du müßtest sie ausführen, weil sie nutzbringend ist. Dies ist nie nötig, auch nicht um Feinde zu bekämpfen, Freunde zu beschützen oder wegen Geld, Besitz, Ansehen, Nahrung, Kleidung oder was auch immer. Was du auch anstellen und ansammeln magst – all dies wird dir im Tod nicht die Spur (wörtlich: “keinen Se-samsamen”) von Nutzen sein. Es wird dir unmöglich sein, auch nur einen einzigen Bissen Nahrung oder ein einziges Kleidungsstück mitzunehmen – ganz zu schweigen von deinem Ansehen, deinem Besitz, deiner Frau und dem übrigen.”

und: “...Problemlos werden Feinde zu Freunden und Freunde zu Feinden (d.h. auf nichts ist Verlass). Von daher bin (auch) ich jemand, der fähig ist, Schädliches zu tun. Mara hat mich im Griff, ich bin von Dämonen verwirrt und bin sehr dumm und unwissend. Dennoch habe ich bisher noch nicht einmal über einen einzigen der Nachteile von Samsara nachgedacht, und es gibt da niemanden, der sagt: “Höre nicht auf, tue das nicht.” Werde ich wohl noch die Gelegenheit haben, meine schädlichen Handlungen zu rei-nigen, bevor meine Lebenskraft erschöpft ist und der unvorhersehbare Tod mich erreicht?

Denke beispielsweise darüber nach: “Was für Leiden werde ich in den niederen Daseinsbereichen erfah-ren, wenn ich bis zum Tod nicht einmal ein bisschen davon reinigen konnte?” Du solltest dich selbst untersuchen und darüber meditieren, bis du nicht mehr sitzen bleiben kannst und dir innerlich unwohl wird (d.h. bis du dir des Ausmaßes der auf dich wartenden Folgen deiner schädlichen Handlungen be-wusst wirst und du unverzüglich mit der Dharmapraxis beginnst).

76. Karma und die Lehre des Nicht-Selbst

Nyanatiloka in Das Wort des Buddha, S.36f.:

„Das Begehren ist es, das allem lebensbejahenden Wirken des Menschen (Pali: kamma, Skt. karma) zugrunde liegt; und dieses Wirken in Werken, Worten und Gedanken ist es, das je nach seiner Beschaf-fenheit den Charakter und das Geschick des des Menschen bestimmt und ihn die Folgen dieses Wirkens in immer neuen Existenzen erfahren lässt. Das Dasein, oder besser der „Werdeprozess“, gliedert sich also in einen aktiven, verursachenden Karma-Prozess (kamma-bhava) und seine Auswirkung, den Wie-dergeburtsprozess (uppatti-bhava).

In der Betrachtung von Karma darf die Lehre des Nicht-Selbst nicht außer Acht gelassen werden. Eben-so wie die auf dem Wasserspiegel eines Teiches dahineilende Welle nichts weiter ist als durch den Wind erzeugter Vorgang, der sich als fortgesetztes Sichheben und Sichsenken äußert: genauso ist es keine wirkliche Ichheit, die das Meer des Daseins durcheilt, sondern nur ein durch Begehren erzeugter Wer-deprozess, der je nach Art des karmischen Wirkens bald als Mensch, bald als Tier, bald als unsichtbares

Karma-Lesebuch, Seite 65

Wesen in Erscheinung tritt, wobei das sich beständig wiederholende Aufleben und Ableben dieser We-sen mit den unaufhörlichen Hebungen und Senkungen des Wassers verglichen werden mag.“

77. Was ist der Tod eigentlich?

Gendün Rinpotsche in Drei Siegel, Seite 60: “Wir sprechen oft in weltlichen Begriffen vom Tod, aber was ist der Tod eigentlich aus der Sicht des Dharma? Tod ist eine Veränderung der Wahrnehmung. Alle Erscheinungen, die wir in dieser Welt wahrnehmen, hören auf, um einer anderen Form der Wahrneh-mung Platz zu machen. Aber da ist gibt keine wirkliche Unterbrechung: der Geist nimmt auf dieselbe Weise wahr und hat dieselbe Art von Erfahrungen; der Zusammenhang ist verschieden, aber grundsätz-lich ist es derselbe Prozess. In Wahrheit ist der Tod eine Illusion. Es gibt ihn nicht in dem Sinne, wie wir ihn wahrnehmen, als “Ende des Lebens und danach ist gar nichts mehr”.

Tod ist Kontinuität: Man wechselt zwar die Ebene der Wahrnehmung und nimmt nicht mehr dieselben Dinge wahr, aber man nimmt immer noch mit denselben Tendenzen wahr. Was nach dem Tod wahrge-nommen wird, ist die sich fortsetzende Manifestation des karmischen Potentials, das zur Reife kommt.

Man erlebt es durch die Sinne als geistige Erfahrung (in einem feinstofflichen Körper) und je nachdem, ob es sich um positives oder negatives Karma handelt, ob es angenehme oder unangenehme, erschre-ckende oder friedvolle Erfahrungen sind, reagiert man mit Anhaftung oder Ablehnung.

Der Tod kann mit einem Umzug verglichen werden. Man lebt in einem Haus, in dem man bestimmte Gewohnheiten hat, und eines Tages stirbt man; man zieht um und nimmt seine karmischen Koffer, um woanders zu leben, in einer anderen Situation und einem anderen Zusammenhang."

Drei Siegel, Seite 60: “Man spricht von “Bardo”, wenn man die Nachtodphase meint, aber das Wort Bardo bedeutet an sich nur “Zwischenraum”, und auch in genau diesem Moment sind wir in einem Zwi-schenzustand, demjenigen zwischen Geburt und Tod. Alle unseren gegenwärtigen Erlebnisse sind eben-falls Bardo-Erfahrungen. Der Unterschied zum Bardo nach dem Tod besteht nur darin, dass unsere Er-fahrungen dann intensiver sein werden als jetzt. Was wir im Moment erleben und was wir seit zahllosen Existenzen gelebt haben, ist die Folge des guten und schlechten Karmas, das wir angesammelt haben; unsere gegenwärtigen Erlebnisse sind das Reifen der karmischen Samen, die in wir unzähligen Leben gesät haben. Seit unserer Geburt haben wir Vieles erlebt. Wir haben in einer bestimmten Umgebung gelebt, bestimmte Menschen getroffen, viele verschiedene Dinge getan und angenehme und unange-nehme Bedingungen kennengelernt. All dies ist die Frucht des Karmas, das wir in unseren früheren Le-ben angehäuft haben.”

Licht des wahren Sinnes: “(Aufgrund unserer nichtheilsamen Handlungen) wird der Sterbeprozess qual-voll und von großer Furcht begleitet sein. Auch die Visionen im Nachtodzustand werden äußerst heftig sein. Nach dem Tod wird man dann für lange Zeit entsprechend der eigenen großen, mittleren und klei-nen schädlichen Handlungen die intensiven Leiden in den drei niederen Daseinsbereichen erfahren.

Selbst wenn man in den höheren Daseinsbereichen wiedergeboren wird, so ist die Lebensspanne kurz, man wird viel krank, trifft unschuldig auf Feinde, Konflikte und Hass, und das Land erlebt Missernten, Epidemien, Krieg und dergleichen. Aufgrund der Übereinstimmung zwischen Ursache und Wirkung wird man Freude an schädlichen Handlungen haben und das Leid wird ununterbrochen zunehmen.”

Die praktische Anwendung der Karmalehren

Buddhistische Ethik und der Weg der Befreiung

Karma-Lesebuch, Seite 66

78. Worin besteht unser Freiheitsspielraum?

Zumeist bin ich nicht gezwungen, bestimmte Handlungen auszuführen. Ich könnte mich oft auch anders entscheiden, wenn mir meine Emotionen nur einen größeren Spielraum ließen. Doch solange ich kaum Spielraum habe, sind meine Handlungen recht leicht vorhersehbar und ich handle wie unter Zwang. Es gibt (siehe Asanga, S.84) auch eine Kategorie von Handlungen, deren Ausführung als Folge von frühe-ren Handlungen (Karma) notwendig oder unvermeidbar wird. Da stellt sich die Frage: Wie frei bin ich eigentlich? und inwieweit bin ich verantwortlich für meine Situation?

Gendün Rinpotsche in Weg des Bodhisattva, Seite 44:

“Wir haben kaum Freiheiten, was die Auswirkungen unserer Vergangenheit angeht. Dieses Erbe formt unsere Welt und unsere Erfahrungen. Da haben wir wenig Spielraum. Wir können nicht irgend etwas anderes schaffen oder unsere karmische Spur willentlich verändern. Wir haben bestimmte Bedingungen geschaffen und können jetzt nur aus diesen Bedingungen das Beste machen, um die zukünftige Spur in Richtung auf größere Freiheit zu verändern. Das Erbe der Vergangenheit betreffend, können wir nur lernen, anders zu reagieren und unsere Tendenzen umzuwandeln.”

Allerdings haben wir durchaus einen Freiheitsspielraum, was unsere gegenwärtigen Handlungen angeht. der mag zur Zeit sehr gering sein, weil unsere karmischen Tendenzen stark sind. Aber die Dharmapraxis wird helfen, diesen Spielraum mehr und mehr zu vergrößern. So werden uns in Situationen zunehmend mehr Handlungsmöglichkeiten offen stehen. Ein Buddha hat hundert Prozent Handlungsfreiheit. Wir haben im Moment vielleicht fünf Prozent. Oder ist das bereits zu hoch gegriffen?

� Übung 25: Schwierige Situationen in mehreren Alternativen durchspielen: Wählen Sie als Beispiel Situationen, in denen Sie das Gefühl haben, nur sehr wenig Entscheidungsspielraum zu haben, auch fast aussichtslose Situationen. Überlegen Sie einmal, welche Handlungsmöglichkeiten auf den Ebe-nen von Körper, Rede und Geist in solch einer Situation noch offenstehen. Das lässt sich auch als Gruppe durchspielen, wobei jeder seine Einfälle beisteuert. Versuchen Sie, die in der gegebenen Si-tuation noch vorhandenen Entscheidungsspielräume zu entdecken. Welche Fähigkeiten müssten wir innerlich entwickeln, um diese Spielräume nutzen zu können? (Anregung von R. Leisner)

Die ethischen Richtlinien für Dharmapraktizierende leiten sich alle aus folgenden Überlegungen ab:

− Welche Handlungen führen zu Leid und sind deshalb zu vermeiden?

− Welche Handlungen führen zu Glück und Befreiung für alle Beteiligten und sind deshalb zu för-dern?

Der Maßstab bei allem Handeln ist die Weite des Geistes. Ein weiter Geist ist charakteristisch für heil-same Handlungen, ein enger Geist für nichtheilsame.

� Übung 26a: Meine Zukunft gestalten: Jetzt lassen wir einmal unseren Vorstellungen von unserem Lebenstraum vollen Lauf. Wir würde das aussehen, wenn man Lebenstraum sich erfüllen würde? Wie würde ich gerne sein? zusammen mit wem? wo? welche Beschäftigung? usw. Für die Übung spielt es keine Rolle ob dies Dharmaträume oder völlig weltliche Träume sind. Der springende Punkt ist: Welche Verbindung besteht zwischen mir heute und einer möglichen Erfüllung dieses Traums? Wie wäre es möglich dorthin zu gelangen? Was muss ich dafür tun? (Anregung R. Leisner)

� Übung 26b: Eine ähnliche Übung zur Zukunftsgestaltung ist, dass wir uns eine Liste von Eigen-schaften und Fähigkeiten aufschreiben, die wir gerne entwickeln würden, und uns dann fragen: Was kann ich in den nächsten Wochen tun, um diese zu fördern? Und wir kann ich obendrein die Quali-täten, die ich mir bei anderen wünsche, bei mir selbst fördern? (Anregung S. Wetzel)

Die allgemeine Richtschnur in Hinblick auf das Vermehren von Glück und das Vermeiden von Leid ist:

− Indem wir jetzt all unsere Handlungen auf Heilsames und Uneigennütziges ausrichten, vermehren wir den Anteil glückbringender Kräfte an dem Gesamtpotential aller Kräfte, welche unsere Zukunft bestimmen.

Karma-Lesebuch, Seite 67

− Und in dem Maße, wie wir unsere Schwierigkeiten annehmen und nicht mit erneuter Negativität auf sie reagieren, verringert sich der Anteil leidbringender Kräfte am zukunftsbestimmenden Gesamtpo-tential.

Wenn wir dies verstehen, können wir unseren Freiheitsspielraum nutzen und unser Schicksal selbst in die Hand nehmen. Es braucht allerdings etwas Beharrlichkeit im Ausführen des Heilsamen und Geduld im Durchstehen von Unangenehmem. Dann werden wir “des eigenen Glückes Schmied”, allerdings nicht im selbstherrlichen Sinne, sondern im allmählichen Auflösen der Ichbezogenheit.

79. Was ist mit Handlungen, die wir nicht selbst oder freiwillig ausgeführt haben?

Djamgön Kongtrul im Licht des wahren Sinnes:

“Schädliches Handeln beinhaltet alles, was wir selbst an Schädlichem getan haben, wozu wir andere angestiftet haben, schädliche Handlungen, über die wir uns gefreut haben und über die wir lobend ge-sprochen haben und dergleichen.” und:

“Da viel Leid aus diesen Handlungen entsteht, führe sie unter keinen Umständen selber aus, halte andere davon ab, und bereue jene, welche du schon verübt hast.”

Asanga, S.84: “In den Lehrreden Buddhas wird absichtsvolles Handeln (cetanakarma) erwähnt. Was sind solche absichtsvollen Handlungen? Das sind: (1) absichtsvolle Handlungen bedingt durch den Befehl eines anderen, (2) absichtsvolle Handlungen bedingt durch den Einfluss, Vorschlag oder die Andeutung eines anderen, (3) absichtsvolle Handlungen ausgeführt ohne (den Unterschied von heilsam und nichtheilsam) zu ken-nen, (4) absichtsvolle Handlungen ausgeführt unter dem Einfluss der Wurzeln (des Nichtheilsamen, akusu-lamula) (5) absichtsvolle Handlungen bedingt durch verkehrte Anschauungen. Von diesen werden die Folgen von absichtsvollen Handlungen unter dem Einfluss der Wurzeln (des Nichtheilsamen) und von absichtsvollen Handlungen bedingt durch verkehrte Anschauungen, die be-gangen oder erworben wurden, auf jeden Fall erfahren. ‚Begangen’ bedeutet ‚durch ein Verhalten her-vorgerufen’ und ‚erworben’ bedeutet ‚durch die Spuren (vasana) angesammelt.”

80. Die zehn nichtheilsamen Handlungen

Gampopa schreibt im Schmuck der Befreiung, Kapitel 6 (leicht gekürzt):

„Allgemein gesprochen gibt es sehr viele Arten nichtheilsamer Handlungen. Man kann sie jedoch als die zehn Nichtheilsamen zusammenfassen. Von diesen werden drei mit dem Körper begangen, vier mittels der Rede und drei durch den Geist.”

Asanga, S.83: „Was ist nichtheilsam? Das sind die zehn Arten von nichtheilsamen Handlungen: Töten (pranatipata), Nehmen, was nicht gegeben wurde, d.h. Stehlen (adattadana) und sexuelles Fehlverhal-ten (kamamithyacara), Lügen (mrsavada), Verleumdung (pisunavak), verletzende Rede (parusavak) und Geschwätz (sambhinnapralapa), Habsucht (abhidya), Böswilligkeit (vyapada) und falsche An-schauungen (mithyadrsti).“

81. Was sind nichtheilsame Handlungen mit dem Körper?

Töten

Definition: Töten bedeutet, wissentlich den Lebensfluss eines Wesens zu unterbrechen.

Ein Tötungsversuch zählt noch nicht als Töten; die Handlung muss Erfolg haben und absichtlich sein. Bei unwissentlichem Töten, wie z.B. unbemerkt auf eine Ameise treten, sind die Auswirkungen anders, als wenn man es bewusst tut.

Karma-Lesebuch, Seite 68

� Übung 27: Überlegen Sie sich einleuchtende Gründe, warum Töten eine Handlung ist, die wir auf-geben sollten. Was für Geisteszustände fördert diese Handlung? Was für Folgen hat sie?

Gampopa im Schmuck der Befreiung:

− “Töten aufgrund von Begierde (Anhaftung) geschieht aus Verlangen nach Fleisch, Fellen oder was auch immer, zum Vergnügen, für Geld und um sich oder die eigenen Freunde zu schützen.

− Töten aufgrund von Hass (Abneigung) geschieht, wenn durch Feindschaft, Rivalität und dergleichen Hass entsteht.

− Töten aufgrund von Verblendung (Unwissenheit) kommt bei Opferritualen vor.”

Asanga, S.87: “Bei der Vorbereitung der Handlung des Tötens spielen Begierde, Hass und Unwissenheit eine Rolle, aber ihre Ausführung geschieht allein durch Hass (Abneigung).”

Djamgön Kongtrul im Licht des wahren Sinnes, Seite 16:

“Wissentlich das Leben zu nehmen bezieht sich selbst auf (kleinste Insekten wie) Ameisen, denn was das Töten angeht, gibt es keinen Unterschied zwischen groß und klein.”

“Die voll gereifte Auswirkung von Töten ist Wiedergeburt im Höllenbereich. Die der Ursache entspre-chende Auswirkung ist, dass im Falle einer Wiedergeburt als Mensch dessen Leben kurz und voller Krankheiten sein wird. Die einflussnehmende Auswirkung ist Wiedergeburt in einer wenig anziehenden Gegend eines Landes mit vielerlei Unglück.”

Die schwerwiegendstes Form des Tötens sind die Ermordung des eigenen Vaters oder der Mutter sowie eines Bodhisattvas oder Arhats. Bodhisattvas sind Wesen, die Bodhicitta hervorgebracht haben. Arhats sind hoch verwirklichte Praktizierende. Das Schlimmste wäre, Eltern zu töten, die Bodhisattva oder Arhat sind.

Körperverletzung in jeder Form ist natürlich auch eine karmisch schwerwiegende körperliche Handlung. Die schlimmste dieser Handlungen heißt es, sei es, einen Buddha, einen vollkommen erwachten Meis-ter, zu verletzen und zum Bluten zu bringen. Als beinahe ebenso extreme Handlung wird das Töten ei-nes Mönches oder einer Nonne erwähnt.

Diskussionspunkte:

− Gibt es Situationen, wo ein Bodhisattva jemanden töten würde? − Was ist mit Notwehr? Darf sich ein Buddhist verteidigen, und wie? − Wie steht es mit dem Verteidigen eines Landes oder seiner Angehörigen? − Sollten buddhistische Staaten eine Armee haben? − Was wäre, wenn der Dharma in Gefahr wäre, ausgerottet zu werden? − Ist Gartenarbeit Töten? Häufen Bauern ständig das Karma des Tötens an?

Nehmen, was nicht gegeben wurde (Stehlen)

Definition (nach Djamgön Kongtrul): “Nehmen, was nicht gegeben wurde, bedeutet, sich den Besitz eines anderen anzueignen.”

� Übung 28: Überlegen Sie sich einleuchtende Gründe, warum Stehlen eine Handlung ist, die wir aufgeben sollten. Was für Geisteszustände fördert diese Handlung? Was für Folgen hat sie?

Laut Gampopa im Schmuck der Befreiung zählen hierzu Raub, Stehlen und Betrug:

− “Raub ist, etwas unberechtigt und gewaltsam wegzunehmen. − Stehlen ist, heimlich etwas wegzunehmen, indem man in ein Haus oder Ähnliches einbricht. − Betrug geschieht durch gefälschte Maße, Gewichte und dergleichen.

Asanga, S.87: “Bei der Vorbereitung der Handlung des Stehlens spielen Begierde, Hass und Unwissen-heit eine Rolle, aber ihre Ausführung geschieht allein durch Begierde (Anhaftung).”

Die voll gereifte Auswirkung ist Geburt als hungriger Geist. Die der Ursache entsprechende Wirkung ist, seinen Besitz zu verlieren, falls man als Mensch geboren wird (sowie arm zu sein und oft von Räu-

Karma-Lesebuch, Seite 69

bern und Dieben heimgesucht zu werden). Die einflussnehmende Auswirkung zeigt sich als Geburt in einem Land mit viel Frost und Hagel.

Die schwerwiegendste Form von Diebstahl ist das Entwenden des Eigentums eines spirituellen Lehrers oder der drei Juwelen.

Zu diesen schwerwiegenden Handlungen gehört es, Nahrung zu stehlen, die jemandem in meditativer Zurückziehung gehört und die Ritualgegenstände eines Yogis zu stehlen.

Auch Gewalt gegen Objekte wird als karmisch schwerwiegende Handlung eingestuft. Die schwerwie-gendste Formen solcher Gewaltanwendung sind die Zerstörung oder Verstümmelung von Bildwerken des Buddhas sowie von Dharmatexten, Tempeln und Praxisräumen.

Diskussionspunkte:

− Wie steht es mit Raubkopien von Computerprogrammen? − Ist das Fotokopieren von Büchern eine Form von Stehlen? − Was mache ich, wenn ich aus Versehen etwas mitgenommen habe? − Wie steht es mit dem Verschweigen von steuerpflichtigen Einkünften?

Sexuelles Fehlverhalten

Definition: Sexuelles Fehlverhalten beinhaltet Formen sexueller Beziehungen, die für die Beteiligten oder für dritte Personen zu Leid und zur Verstärkung leiderzeugender Tendenzen führen. Es beinhaltet Geschlechtsverkehr mit jemandem, ohne das Recht dazu zu haben.

Djamgön Kongtrul unterscheidet in Licht des wahren Sinnes vier Arten von sexuellem Fehlverhalten: in Hinblick auf den Partner, auf die Zeit, auf den Ort und auf die Art und Weise des Verhaltens:

− Unangemessene Partner für eine sexuelle Beziehung sind: (1) solche, die Keuschheitsgelübde ha-ben, sei es auch nur für kurze Zeit, oder die unter der Obhut des Dharma stehen, wie die Gefährtin des Lamas; (2) Mutter, Vater, Schwester und Bruder sowie alle anderen direkten Blutsverwandten; (3) Personen, die bereits eine feste Beziehung pflegen; (4) Personen, wo es aufgrund rechtlicher Si-tuationen untersagt ist, z.B. waren dies früher die Königin oder andere Angehörige eines Harems. Hierzu zählen auch Minderjährige, die sich noch unter Vormundschaft befinden.

Diese Hinweise sind auch Ausdruck der Rücksicht auf die Grundsätze und Regeln der jeweiligen Gesellschaft.

− Als unangemessener Zeitpunkt für die sexuelle Vereinigung werden die Schwangerschaft und manchmal auch die Stillzeit genannt, sowie Zeiten, während derer man Keuschheitsgelübde ge-nommen hat. Auch heißt es, man solle sich nicht am hellichten Tag vereinigen und nicht mehr als fünfmal hintereinander.

− Unangemessene Orte sind zum Beispiel: in der Nähe eines Lamas oder spirituellen Lehrers, in ei-nem Schreinraum oder einem Gebäude, welches die Stützen der Dharmapraxis beherbergt, bei ei-nem Stupa oder einem Tempel, sowie an Orten, wo viele Menschen versammelt sind.

− Unangemessenes Verhalten sind Zwangs- und Gewaltanwendung sowie analer oder oraler Verkehr mit Personen vom gleichen Geschlecht, mit Eunuchen oder mit Zwittern (Bisexuellen).

Asanga, S.87: “Bei der Vorbereitung der Handlungen sexuellen Fehlverhaltens spielen Begierde, Hass und Unwissenheit eine Rolle, aber ihre Ausführung geschieht allein durch Begierde (Anhaftung).”

Die voll gereifte Auswirkung von sexuellem Fehlverhalten ist Wiedergeburt als hungriger Geist. Die der Ursache entsprechende Auswirkung ist, dass man einen feindseligen Partner bekommt, falls man als Mensch geboren wird oder dass sich deine Partner und Mitarbeiter die gegenüber gleichgültig und auf viele Weise undankbar zeigen. Die einflussnehmende Auswirkung ist, an einem sehr staubigen Ort ge-boren zu werden.

Die schwerwiegendsten Sexualvergehen sind sexuelles Fehlverhalten mit der eigenen Mutter oder das Erzwingen von Geschlechtsverkehr mit einem Arhat oder Arhati (einer hoch verwirklichten Nonne).

Karma-Lesebuch, Seite 70

Vergewaltigung in jeder Form zählt ebenso hierzu, und als nahezu ebenso schlimm gilt das Verführen gewöhnlicher Mönche oder Nonnen.

� Übung 29: Überlegen Sie sich einleuchtende Gründe, warum z.B. Fremdgehen, also das Eindringen in eine bzw. das unaufrichtige Verlassen einer bestehenden Beziehung eine Handlung ist, die wir aufgeben sollten. Was für Geisteszustände fördert diese Handlung? Was für Folgen hat sie?

Diskussionspunkte:

− Wieso heißt es, dass Oral- und Analverkehr unangemessenes Verhalten seien? --- Weil das Beson-dere an der Vereinigung von Menschen ist, dass man sich dabei anschauen und von Herz zu Herz begegnen kann?

− Gilt das auch für heterosexuelle Beziehungen? − Sind solche Empfehlungen evtl. kulturell bedingt und heute in unserer Gesellschaft nicht mehr an-

gebracht? − Wieso sind Schwangerschaft und evtl. sogar die Stillzeit unangemessene Zeiten für die sexuelle

Vereinigung? − Warum nicht am helllichten Tag? − Welchen Wert haben Keuschheitsgelübde? Und welche Gefahren?

82. Was sind nichtheilsame Handlungen mit der Rede?

Padmasambhava in Dakini-Lehren:

“Wer seine Zunge nicht zähmen kann, wird nicht glücklich werden.”

Lügen

Definition: Lügen bedeutet, etwas als wahr hinzustellen, was nicht wahr ist. Lügen ist aktives Vortäu-schen. Das Verschweigen von Wahrheit gilt noch nicht als Lüge.

− Vernichtende Lügen sind, spirituelle Verwirklichung (oder besondere spirituelle Fähigkeiten und Wahrnehmungen) vorzutäuschen. Sie heißen “vernichtend”, weil sie die Gelübde brechen.

− Mit großen Lügen schaden wir anderen und nutzen uns selbst (zumindest beabsichtigen wir das).

− Kleine Lügen bringen weder Schaden noch Nutzen (wie z.B. die eines Greises, der an Alters-schwachsinn leidet).

Asanga, S.87: “Bei der Vorbereitung der Handlung des Lügens spielen Begierde, Hass und Unwissen-heit eine Rolle, ihre Ausführung geschieht dann durch eine von den dreien.”

Die voll gereifte Auswirkung von Lügen ist, so heißt es, die Geburt als Tier (aber man kann auch in den anderen niederen Daseinsbereichen wiedergeboren werden). Die der Ursache entsprechende Auswir-kung ist, dass im Falle einer Geburt als Mensch oft Falsches von einem behauptet wird (und dass die eigenen Worte kraft- und wirkungslos sind). Die einflussnehmende Auswirkung ist unangenehmer Mundgeruch (das kann allerdings auch einfach ein vorübergehendes Verdauungsproblem sein).

Die schwerwiegendsten Lügen sind verleumdende Lügen über einen vollkommen erwachten Buddha und auch das Belügen des geistigen Lehrers oder ehrwürdiger Sangha-Mitglieder. Als schwerwiegende Lüge gilt auch, einen verkehrten Sachverhalt zu beschwören, um damit seine Schuld zu verbergen.

� Übung 30: Überlegen Sie sich einleuchtende Gründe, warum Lügen eine Handlung ist, die wir auf-geben sollten. Was für Geisteszustände fördert diese Handlung? Was für Folgen hat sie?

Verleumdung (Zwietracht säen)

Definition: Verleumden bedeutet, Freunde durch Zwist verursachendes, aufwühlendes Gerede zu ent-zweien.

− Heftige Verleumdung entzweit Freunde durch direktes Verleumden, d.h. man unterhöhlt Freund-schaften im Beisein der Freunde selbst.

Karma-Lesebuch, Seite 71

− Indirekte Verleumdung entzweit Freunde durch Andeutungen und Umschreibungen, d.h. man lässt Vorurteile entstehen, indem man unauffällig und versteckt schlecht über jemanden spricht.

− Heimliche Verleumdung entzweit Freunde durch Gerüchte, d.h. man sät im Geheimen Zwietracht und intrigiert mittels Drittpersonen, welche die Gerüchte weitertragen.

Asanga, S.87: “Bei der Vorbereitung der Handlung des Verleumdens spielen Begierde, Hass und Un-wissenheit eine Rolle, ihre Ausführung geschieht dann durch eine von den dreien.”

Die voll gereifte Auswirkung ist Geburt im Höllenbereich. Die der Ursache entsprechende Auswirkung ist, dass man im Falle einer Geburt als Mensch von seinen Freunden getrennt wird. Man wird wenige Freunde haben und dafür viel Streit und Auseinandersetzungen. Man wird oft verklagt werden, unbe-liebt sein und die eigenen Worte werden wirkungslos sein. Die einflussnehmende Auswirkung ist, in einer unebenen, zerklüfteten und entlegenen Gegend geboren zu werden.

Die schwerwiegendste aller Arten von Verleumdung ist, die edle Gemeinschaft (Sangha) durch üble Nachrede zu entzweien und eine Spaltung hervorzurufen.

� Übung 31: Überlegen Sie sich einleuchtende Gründe, warum Verleumdung eine Handlung ist, die wir aufgeben sollten. Was für Geisteszustände fördert diese Handlung? Was für Folgen hat sie?

Verletzende Rede

Definition (nach Djamgön Kongtrul): Verletzende Rede sind Worte, die einem anderen weh tun, z.B. ihn ‚Dieb‘, ‚Krüppel‘ und dergleichen zu nennen, ihre Fehler zu entblößen und sie in ihrem Innersten zu treffen.

− Öffentlich verletzende Rede ist das Herziehen über die Fehler und Schwächen eines anderen in ver-schiedener Form in Gegenwart von Außenstehenden.

− Mit indirekt verletzender Rede sind die vielfältigen Arten sarkastischer Rede gemeint, die zum Teil mit leichtfertig-witzelnder Rede gemischt sind und andere verletzen.

− Unter dem Verbreiten verletzender Worte wird das sich Auslassen über Fehler und Schwächen einer (nicht anwesenden) Person in Gegenwart ihrer Freunde oder anderer verstanden.

Asanga, S.87: “Bei der Vorbereitung der Handlung verletzender Rede spielen Begierde, Hass und Un-wissenheit eine Rolle, aber ihre Ausführung geschieht allein durch Hass (Abneigung).”

Padmasambhava in Dakini-Lehren:

“Das Feuer verletzender Worte verbrennt sowohl dein eigenes Herz wie das der anderen. Mit der Waffe verletzender Worte tötet man die Lebenskraft der Befreiung.”

Die voll gereifte Auswirkung ist Geburt in den Höllenbereichen. Die der Ursache entsprechende Aus-wirkung ist, dass man im Falle einer menschlichen Geburt sehr viel Unangenehmes zu hören bekommt. Die eigenen Worte werden von anderen stets als beleidigend empfunden und ein Ärgernis sein. Die ein-flussnehmende Auswirkung ist, in einem dürren, heißen Land geboren zu werden, wo die Menschen viel Schädliches tun. (Die Menschen dort sind laut Khenpo Chödrak aufgrund der kargen Lebensumstände gezwungen, ihr Leben mit schädlichen Handlungen wie z.B. dem Töten von vielen Tieren durch Fischen und Schlachten zu bestreiten.)

Die schwerwiegendste Art verletzender Rede ist das Beleidigen von Vater und Mutter, von verwirklich-ten Wesen und Mitgliedern der Sangha.

� Übung 32: Überlegen Sie sich einleuchtende Gründe, warum verletzende Rede eine Handlung ist, die wir aufgeben sollten. Was für Geisteszustände fördert diese Handlung? Was für Folgen hat sie?

Geschwätz

Karma-Lesebuch, Seite 72

Definition (nach Djamgön Kongtrul): Geschwätz ist, Zeit mit nutzlosem Gerede zu vergeuden. Es ist müßiges Gerede über Krieg, Geschäfte, Frauen und Männer, sowie Gesang, Zeitvertreib, Blödeleien und dergleichen.

− Falsches Gerede ist das Rezitieren der magischen Formeln, schamanischen Beschwörungen, Rituale und dergleichen von Leuten mit irreführenden Anschauungen, deren Lehren nicht zur Befreiung von Leid führen.

− Weltliches Gerede ist leichtfertige Unterhaltung, sinnloses Geschwätz, Wortspiele, ausschweifendes Reden und Erzählen dummer Geschichten.

− Wahres, aber unnützes Gerede ist, jemandem die edle Lehre zu erklären, der keinen Respekt vor ihr hat und kein geeignetes Gefäß dafür ist.

Asanga, S.87: “Bei der Vorbereitung der Handlung des Geschwätzes spielen Begierde, Hass und Un-wissenheit eine Rolle, ihre Ausführung geschieht dann durch eine von den dreien.”

Die voll gereifte Auswirkung ist Geburt als Tier (oder in tieferen Bereichen). Die der Ursache entspre-chende Auswirkung ist, dass die Worte von so jemandem, falls er doch als Mensch geboren werden sollte, keinerlei Beachtung finden. Seine Rede wird unzusammenhängend sein und wenig Sinn machen. Die einflussnehmende Auswirkung ist, an einem Ort zu leben, wo die Jahreszeiten durcheinandergeraten oder wo das Klima schnell wechselt.

Die schwerwiegendste aller Arten von Geschwätz ist Gerede, das diejenigen ablenkt, die sich in der Lehre üben wollen und über das Wesen der Nichtzweiheit meditieren.

� Übung 33: Überlegen Sie sich einleuchtende Gründe, warum Geschwätz eine Handlung ist, die wir aufgeben sollten. Was für Geisteszustände fördert diese Handlung? Was für Folgen hat sie?

Gendün Rinpotsche in Gesetz des Karma, Seite 9:

Es bieten sich zahlreiche Gelegenheiten, schädliche Handlungen durch die Rede zu begehen. Die schlimmsten davon bestehen darin, schlecht vom Dharma zu sprechen, die Lamas und die Sangha her-abzuwürdigen. Alle negativen Worte, die in Bezug auf Dharma und Sangha ausgesprochen werden, sind Taten von sehr großer Tragweite.

Des weiteren gibt es schädliche Handlungen durch die Rede, die unter dem Einfluß von Stolz begangen werden. Wenn diese Emotion den Geist durchdringt, denkt man, man sei das bedeutendste Lebewesen, betrachtet die Anderen von oben herab und gibt ihnen schließlich zu verstehen, dass sie uns unterlegen sind. Vielleicht gebraucht man ihnen gegenüber böse Worte, beleidigt sie oder sagt ihnen unter dem Einfluß des Zorns völlig negative Dinge.

Eifersucht kann uns ebenfalls dazu veranlassen, Worte auszusprechen, die Quelle von Spannung und Streit sind, denn wenn man von der Eifersucht beeinflußt wird, freut man sich darüber, bei anderen Schwierigkeiten zu erzeugen. Hierbei handelt es sich eindeutig um nichtheilsame Handlungen. Dazu gehört auch, wenn man z.B. in angenehmer Gesellschaft ohne Verstand daherschwätzt, also seine Spra-che benutzt, um Dinge zu sagen, die im Grunde keinen Wert oder Sinn haben.

Ein anderer Fall nichtheilsamen Redens ist z.B. beim Geschäftemachen oder Einkaufen. Man diskutiert und versucht, die andere Person zu manipulieren und zu erhalten, was man wünscht, oder sie zu veran-lassen, das zu tun, was man will. Dies schafft eine Anhäufung negativen Karmas durch die Rede."

83. Was sind nichtheilsame Handlungen mit dem Geist?

Habgier (Begehren)

Definition (nach Djamgön Kongtrul): Habgier ist das Begehren schöner, erstrebenswerter Dinge, das sich in Gedanken ausdrückt, wie: “Hätte ich doch den Besitz oder die Frau/den Mann, das Ansehen usw. des anderen.”

Karma-Lesebuch, Seite 73

− Habgier in Hinblick auf Eigenes ist Verlangen und Anhaften in Hinblick auf den Status der eigenen Familie, körperliche Erscheinung, Qualitäten und Besitz und drückt sich in Gedanken aus wie: “Keiner kommt mir gleich!” Habgier will den eigenen Besitz nicht mit anderen teilen.

− Habgier in Hinblick auf Dinge, die anderen gehören, ist Verlangen nach den vortrefflichen Dingen, die andere besitzen, und drückt sich in Gedanken aus wie: “Warum sollte seines nicht meines sein?”

− Habgier in Hinblick auf Dinge, die niemandem gehören, ist zum Beispiel das Verlangen nach Bo-denschätzen, die weder einem selbst noch anderen gehören, und drückt sich in Gedanken aus wie: »Wenn ich das nur haben könnte!”

Asanga, S.87: “Bei der Vorbereitung der habgieriger Handlungen spielen Begierde, Hass und Unwis-senheit eine Rolle, aber ihre Ausführung geschieht allein durch Begierde (Anhaftung).”

Padmasambhava in Dakini-Lehren:

“Sehne dich nicht nach materiellem Besitz. Dharmapraktizierende, die nicht um Vergänglichkeit wissen, können nicht glücklich sein.”

Voll gereifte Auswirkung bedeutet Geburt als hungriger Geist. Die der Ursache entsprechende Auswir-kung im Falle einer menschlichen Geburt ist, voller Habgier und Verlangen zu sein. Die einflussneh-mende Auswirkung ist, in einem Land mit schlechten Ernten, kleinen Früchten und wenig Nahrung ge-boren zu werden, wo es viel Hunger und Durst gibt.

Die übelste Form von Habgier ist der Wunsch, diejenigen ihrer Habe zu berauben, die der Welt entsagt haben, und gierig nach dem Besitz zu schielen, der den drei Juwelen gestiftet wurde.

� Übung 34: Überlegen Sie sich einleuchtende Gründe, warum Habgier eine Handlung ist, die wir aufgeben sollten. Was für Geisteszustände fördert diese Handlung? Was für Folgen hat sie?

Böswilligkeit

Definition: Böswilligkeit ist eine feindselige Einstellung und die Absicht, jemandem schaden zu wollen.

− Aufgrund von Hass entstehende Böswilligkeit ist, jemanden umbringen zu wollen, weil man ihn hasserfüllt wie in Kriegszeiten als Feind betrachtet.

− Aufgrund von Neid (Eifersucht, Rivalität) entstehende Böswilligkeit ist, jemanden umbringen oder ihm schaden zu wollen, weil man Angst hat, er könne einem als Rivale überlegen sein.

− Aufgrund von Groll entstehende Böswilligkeit ist, gegenüber jemandem Rachegefühle zu haben, der einem früher geschadet hat – wie ein Knoten, der sich fest gezogen hat – und ihn deshalb töten oder ihm schaden zu wollen.

Asanga, S.87: “Bei der Vorbereitung böswilliger Handlungen spielen Begierde, Hass und Unwissenheit eine Rolle, aber ihre Ausführung geschieht allein durch Hass (Abneigung).”

Die voll gereifte Auswirkung ist Geburt in den Höllenbereichen. Die der Ursache entsprechende Aus-wirkung im Falle einer Geburt als Mensch ist, voller Hass und Ablehnung zu sein. Andere werden sich ohne Grund ablehnend verhalten, es werden Klagen gegen einen erhoben und man wird ständig mit Feindschaft konfrontiert sein. Die einflussnehmende Auswirkung ist, in einer rauhen Gegend mit bitte-ren Früchten und Nahrung von schlechter Qualität geboren zu werden.

Die schwerwiegendste Form von Böswilligkeit ist eine Geisteshaltung, die zu den fünf extremen Verge-hen mit sofortigen Folgen führt (Vater, Mutter oder hoch Verwirklichte zu töten, das Blut eines Buddha zu vergießen oder die Sangha zu spalten).

Ein Anzeichen für aufkeimende Böswilligkeit ist, sich nicht am Glück und Wohlergehen anderer freuen zu können.

� Übung 35: Überlegen Sie sich einleuchtende Gründe, warum Böswilligkeit eine Handlung ist, die wir aufgeben sollten. Was für Geisteszustände fördert diese Handlung? Was für Folgen hat sie?

Falsche Anschauungen

Karma-Lesebuch, Seite 74

Definition: Mit falschen Anschauungen ist gemeint, kein Vertrauen in Wiedergeburt, Karma, die Quali-täten der Juwelen usw. zu haben. Falsche Anschauungen entstellen die Wirklichkeit, indem ihr etwas hinzugefügt oder abgesprochen wird.

Gampopa:

− “Wer falsche Anschauungen über Handlungen und deren Folgen hat, der glaubt nicht, dass heilsame und schädliche Handlungen die Ursache für Glück beziehungsweise für Leiden sind.

− Wer falsche Anschauungen über die Wahrheiten hegt, glaubt, dass selbst wenn man die Wahrheit des Weges praktiziert, die Wahrheit des Aufhörens (jeglichen Leides) nicht erreichbar ist.

− Falsche Anschauungen über die Zufluchtsjuwelen zu haben bedeutet, die drei Juwelen für unwahr (und deshalb irrelevant) zu halten und abschätzig über sie zu reden.”

Padmasambhava zählt zu den falschen Anschauungen:

− “Der Glaube an etwas Unvergängliches, ewig Bestehendes, oder nihilistische Anschauungen, die mit der buddhistischen Sicht unvereinbar sind.

− Rituale für das Wichtigste zu halten, wie zum Beispiel in der ‚Askese von Hunden und Hühnern‘ (ein hinduistisches Lehrsystem, in dem behauptet wird, man könne Erleuchtung erlangen, indem man das Verhalten von Tieren nachahmt).

− Der Glaube an die ‚vergängliche Anhäufung‘ (die falsche Anschauung, dass die fünf Aggregate (Anhäufungen) ein Loch beinhalten, welches eine eigenständige, ihm innewohnende Existenz hat).”

Ausdruck von verkehrten Anschauungen sind auch die acht Verwirrungen: Heilsames zu verachten, Schädliches zu verherrlichen, Sucher der Wahrheit zu behindern, den spirituellen Lehrer zu verlassen, den Sangha zu spalten, spirituelle Brüder und Schwestern im Stich zu lassen und ein heiliges Mandala zu entweihen.

Asanga, S.87: “Bei der Vorbereitung von Handlungen falscher Anschauung spielen Begierde, Hass und Unwissenheit eine Rolle, aber ihre Ausführung geschieht nur durch Unwissenheit.”

Die voll gereifte Auswirkung falscher Anschauungen ist Geburt als Tier. Die der Ursache entsprechende Auswirkung im Falle einer Geburt als Mensch ist große Dummheit oder Geburt unter unzivilisierten Volksgruppen in Gegenden, wo der Dharma nicht bekannt ist. Die beeinflussende Auswirkung ist, in einer Gegend geboren zu werden, in der es überhaupt keine Früchte, Ernten und Nahrung gibt.

Die schwerwiegendste Art falscher Ansichten ist, die eigene Anschauung uneinsichtig für die höchste zu halten, den wahren Sinn gering zu schätzen und trotz empfangener Erläuterungen an falschen Anschau-ungen festzuhalten, d.h. nicht bereit zu sein, seine eigene Überzeugung auch nur in Frage zu stellen und andere zu falscher Praxis anzuleiten. So wird der Weg zum Erwachen für einen selbst und für andere unmöglich, denn eine dogmatische Einstellung verhindert jegliche innere Entwicklung.

� Übung 36: Überlegen Sie sich einleuchtende Gründe, warum falsche Anschauungen, eine dogmati-sche Einstellung und dergleichen Handlung sind, die wir aufgeben sollten. Was für Geisteszustände fördern diese Handlungen? Was für Folgen haben sie?

Auch hochmütiges Verhalten gegenüber anderen wird als schwerwiegende Handlung betrachtet, beson-ders auf (im Dharma) gelehrte Menschen herabzublicken und heilige Persönlichkeiten sowie Mönche oder Nonnen auf eine herablassende Art und Weise zu behandeln.

Es gibt viele weitere nichtheilsame Handlungen, die hier nicht extra aufgeführt wurden. Dazu gehören auch alle Übertretungen von Verpflichtungen und Versprechen, die wir eingegangen sind, sei es mit anderen Menschen oder mit dem Dharma, wie die Gelübde persönlicher Befreiung, Bodhisattva-Gelübde und Vajra-Bande.

Karma-Lesebuch, Seite 75

84. Was bewirkt das Unterlassen nichtheilsamer Handlungen?

Wer diese zehn nichtheilsamen Handlungen unterlässt, wird, so heißt es bei Padmasambhava in den Dakini-Lehren, in den höheren Daseinsbereichen wiedergeboren, eine angenehme äußere Erscheinung und Stimme haben und wohlhabend sein. Er wird gelehrt und intelligent sein und auf den Dharma tref-fen und ihn praktizieren. Er wird sich in allen späteren Leben ebenfalls bemühen, die zehn nichtheilsa-men Handlungen zu meiden.

� Übung 37: Stellen Sie sich ihr eigenes Leben vor, wie es wäre, wenn Sie keinerlei nichtheilsame Handlungen mehr ausführen würden. Was für Geisteszustände würde dies fördern? Was für lang-fristige Folgen würde das wohl haben?

� Übung 38: Stellen Sie sich ihr eigenes Leben vor, wie es wäre, wenn Sie alle heilsamen Handlungen unterlassen würden und nur noch ichbezogen handeln würden. Was für Geisteszustände würde dies fördern? Was für langfristige Folgen würde das wohl haben?

85. Was sind “gemischte Handlungen”?

Bei gemischten Handlungen sind Motivation und Art der Handlung nicht gleich.

Djamgön Kongtrul im Licht des wahren Sinnes, Seite 19: “Es gibt Handlungen, die schädlich in der Ausführung aber heilsam in der Absicht sind, wie zum Beispiel das Töten von Lebewesen, um rituelle Opfer darzubringen oder das Schlagen und Beschimpfen von einem Rüpel in der Hoffnung, dass es ihm nutzen möge.

Handlungen, die heilsam in der Ausführung aber schädlich in der Absicht sind, sind zum Beispiel das Errichten von Stützen der Praxis (wie Tempel, Stupas usw.) mit dem Wunsch, dadurch berühmt zu wer-den, oder aus Konkurrenzstreben (den Dharma) zu studieren oder aus Angst vor Beschämung sich den Anschein eines reinen Mönches zu geben.”

Asanga (S.93) und Karmapa in Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe S.19 und 20, beschreiben vier Möglichkeiten:

1. Schwarze Handlungen – nichtheilsam in der Absicht und nichtheilsam in der Ausführung (wie Tö-ten, um Fleisch zu essen) –, die dementsprechend schwarze Früchte hervorbringen, sind nichtheil-same Handlungen (akusalakarma) im Bereich der Sinnlichkeit. Diese Handlungen führen zu dem Leid der Lebewesen in den leidvollen Daseinsbereichen, wo sie zudem fast ausnahmslos weiter so handeln.

2. Weiße Handlungen – weiß in der Absicht und weiß in der Ausführung (wie Freigebigkeit aus reiner Motivation) –, die dementsprechend weiße Früchte hervorbringen, sind heilsame Handlungen in al-len drei Daseinsbereichen (traidhatuka akusalakarma). Diese Handlungen führen zu dem Glück ei-nes Lebewesens in den glücklichen Daseinsbereichen, , wo die Möglichkeit besteht, weiter so zu handeln.

3. Schwarz-weiße (“gemischte”) Handlungen mit schwarzweißen Früchten (krsnasuklam krsnasukla-vipakam karma) sind Handlungen im Bereich der Sinnlichkeit mit einem heilsamen und einem nichtheilsamen Anteil. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten:

– (3a) nichtheilsam in der Absicht und weiß in der Ausführung, wie z.B. Freigebigkeit als Beloh-nung für Töten. Diese erste Variante steht in Beziehung zu dem Glück der Lebewesen in den drei leidvollen Daseinsbereichen.

– (3b) weiß in der Absicht und nichtheilsam in der Ausführung, wie z.B. der Kapitän, der aus gro-ßem Mitgefühl jemanden umbringt, der sonst viele Menschen ermorden würde. Diese zweite Vari-ante steht in Beziehung zu dem Leiden der Lebewesen in den drei glücklichen Daseinsbereichen.

4. Handlungen, die weder schwarze noch weiße Früchte hervorbringen (akrsnasuklavipakam karma) und die (zur Reifung kommendes) Karma zum Verschwinden bringen (karmaksaya) sind so genann-te ‚nicht leckende’ oder reine/makellose Handlungen (anasravakarma), die auf dem Pfad der An-wendung und auf dem unmittelbaren Pfad ausgeführt werden, die zur Auflösung anhaltender emoti-onaler Verblendung (klesa) und damit zu Erkenntnis und Befreiung führen. Das zur Reifung kom-

Karma-Lesebuch, Seite 76

mende Karma ist entweder erfreulich, unerfreulich oder gemischt, während das ‚makellose Karma’ bewirkt, dass sich dieses vorherige Karma erschöpft.

Karmapa im Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe S.18-19: „Selbst der äußeren Erscheinung nach heilsame Handlungen – wie das Üben von Selbstdisziplin, Studium, Reflexion und Meditation – bleiben künstlicher Pseudo-Dharma, wenn sie unter dem Einfluss der Geistesgifte ausgeführt werden; sie ent-sprechen dann nicht dem wahren Dharma.”

Kongtrul: “Gemischte Handlungen gehören zu den indirekt nichtheilsamen Handlungen, die du wie Gift von dir weisen solltest – ganz zu schweigen von den direkt nichtheilsamen Handlungen!”

86. Die Praxis heilsamen Verhaltens: Die 5 Siiiilas (Dh 246, 247)

Die Grundlage eines Lebens, das dem Erwachen und dem Wohl aller Wesen gewidmet ist, ist heilsames Verhalten (Pali: sila, Tib: tsultrim). Heilsames Verhalten ist die erste der drei Schulungen (sikkha) aller Dharmapraktizierenden: sila – samadhi – prajña; auf Deutsch: heilsames Verhalten – tiefe Meditation – Weisheit. Die unerlässliche Grundlage heilsamen Verhaltens wiederum ist die fünffache Praxis heilsa-men Verhaltens – pañca-sila – die „fünf Silas“ aller Dharmapraktizierenden. Sie werden von allen buddhistischen Traditionen gepflegt.

Hierbei ist es wichtig zu verstehen, dass es sich um eine völlig natürliche (pakati) Praxis des Heilsamen handelt: alle Erwachten unterlassen ganz von selbst diese Handlungen und verweilen natürlicherweise in den korrespondierenden heilsamen Geisteshaltungen. Als noch nicht erwachte Praktizierende nähern wir uns dem heilsamen Verhalten der Erwachten an, indem wir uns in dem entsprechenden heilsamen Ver-halten als Übungsregeln (sikkhapada) schulen und die fünf Siiiilas praktizieren. Dabei ist das Unterlassen der Handlungen, die offenkundig Leid verursachen, die Grundlage für das Ausführen heilsamer Hand-lungen:

1. jede Form des Tötens von Lebewesen unterlassen (auch von Tieren, Insekten)

2. jede Form des Nehmens von Nichtgegebenem (Stehlen) unterlassen

3. jede Form von Leid erzeugendem sexuellen Verhalten unterlassen (Eindringen in Partnerschaf-ten, Verführen Minderjähriger usw.)

4. jede Form von Lügen und trügerischer Rede unterlassen

5. keinerlei Rauschmittel zu sich nehmen oder andere Substanzen, welche die Klarheit des Geistes und die Selbstkontrolle mindern

Diese Regeln beinhalten, sie 1. selber zu befolgen, 2. keinen anderen zu ihrer Übertretung zu veranlas-sen und 3. ihre Übertretung durch andere nicht gutzuheißen. (A IV, 261; A X, 212; S 55,7)

Buddha Shakyamuni (im Dhammapada, Verse 246, 247):

„Wer Leben zerstört, lügt, stielt, Ehe bricht oder sich berauscht, der reißt die eigenen Wurzeln heraus.“

87. Die 10 heilsamen Handlungen (M 41)

Die zehn heilsamen Handlungen bestehen darin, die zehn nichtheilsamen Handlungen aufzugeben und sich den entsprechenden heilsamen Handlungen zu widmen (siehe Asanga, S.83-84):

(1) Leben nicht zu nehmen, sondern das Leben aller Wesen zu respektieren und in jeder Hinsicht zu schützen

(2) nichts zu nehmen, was einem nicht gegeben wurde, sondern die eigene Nahrung und den eigenen Besitz freigebig und reichlich weiterzugeben

(3) nicht fremd zu gehen, sondern stets – in der Öffentlichkeit wie auch im Privaten – reine Disziplin zu wahren und auch reines sexuelles Verhalten pflegen

(4) nicht zu lügen, sondern aufrichtig die Wahrheit zu sagen

Karma-Lesebuch, Seite 77

(5) keine Zwietracht zu stiften, sondern Streit zu schlichten, üble Nachrede aufzulösen und Zerstrittene oder Befeindete auszusöhnen

(6) keine verletzende Rede zu gebrauchen, sondern freundliche, sanfte Worte zu verwenden und ruhig und vertrauenswürdig zu sprechen

(7) nicht sinnlos daherzureden, sondern Sinnvolles zu reden (8) statt voller Verlangen zu sein, sich am Wohlergehen anderer zu erfreuen, wenig zu begehren und

zufrieden zu sein (9) statt voller Böswilligkeit zu sein, ausschließlich mit einer auf das Wohl anderer gerichteten Moti-

vation zu handeln, Geduld, Liebe und Mitgefühl zu üben (10) statt verkehrte Anschauungen zu hegen, Vertrauen in die Worte Buddhas zu haben und auch wenn

wir von den Qualitäten von Angehörigen einer anderen Religion oder Lebensanschauung hören, diese nicht herabzuwürdigen, sondern uns dem wahren Sinn zuzuwenden: dem Dharma bzw. der vollen Erkenntnis der Natur des Geistes, die uns befähigt, anderen zu helfen.

Buddha Shakyamuni spricht hierüber an verschiedenen Stellen im Palikanon (M 41; D 33 X; A X, 176). Hier sei die Lehrrede an die Brahmanen von Sala (M 41, Saleyyaka Sutta) in etwas gekürzter Form wie-dergegeben.

Die Brahmanen von Sala fragen Buddha Shakyamuni:

„Meister Gotama, was ist die Ursache und Bedingung dafür, dass manche Wesen nach Versagen des Körpers, nach dem Tode in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wiedererscheinen, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderbnis, ja sogar in der Hölle? – Und was ist die Ursache und Bedingung dafür, dass manche Wesen nach Versagen des Körpers, nach dem Tode an einem glückli-chen Bestimmungsort wiedererscheinen, ja sogar in der himmlischen Welt?“

Buddha Shakyamuni erklärt ihnen, dass leidvolle Wiedergeburt aufgrund von nichtheilsamen Verhalten, dass nicht im Einklang mit dem Dharma13 ist, erfahren wird und das glückliche Wiedergeburt die Folge von heilsamem Verhalten ist, das in Übereinstimmung mit dem Dharma ist. Auf weiteres Nachfragen erklärt er:

„Es gibt drei Arten von körperlichem Verhalten, die nicht im Einklang mit dem Dharma und nicht heil-sam sind:

(1) Jemand tötet lebende Wesen; er ist mordlustig, mit Blut an den Händen, zum Kämpfen und zur Ge-walt geneigt, gnadenlos gegenüber lebenden Wesen.

(2) Jemand nimmt, was ihm nicht gegeben wurde; er nimmt sich auf diebische Weise den Reichtum und den Besitz anderer im Dorf oder im Wald.

(3) Jemand übt Fehlverhalten bei Sinnesvergnügungen; er hat Geschlechtsverkehr mit (minderjährigen) Frauen (Männern), die unter Obhut von Mutter, Vater, Bruder, Schwester oder anderen Verwandten stehen, mit Frauen (Männern), die einen festen Ehemann (Ehefrau) haben, mit Frauen (Männern), die vom Gesetz (oder durch Keuschheitsgelübde) geschützt sind, oder mit Frauen (Männern), die den Schmuck der Verlobten tragen (in festen Partnerschaften leben).

Es gibt vier Arten von sprachlichem Verhalten, die nicht im Einklang mit dem Dharma und nicht heil-sam sind:

(4) Jemand sagt die Unwahrheit; er legt falsches Zeugnis ab vor Gericht, vor einer Versammlung, vor seinen Verwandten, vor seiner Zunft oder der königlichen Familie. Ganz bewusst sagt er die Unwahr-heit, zum eigenen Nutzen, zum Nutzen eines anderen oder zum Nutzen irgendeiner unbedeutenden welt-lichen Angelegenheit.

(5) Jemand spricht gehässig; er verbreitet, was er gehört hat, um Menschen, die vorher vereint waren, zu entzweien. Er betreibt Spaltung, sät Zwietracht und hat seine Freude an Zwietracht.

13 Dharma ist hier die Erkenntnis der Wahrheit (also dessen, wie die Dinge sind), durch die wir Befreiung von Leid erlangen können.

Karma-Lesebuch, Seite 78

(6) Jemand äußert grobe, harte, verletzende, beleidigende Worte, die dem Zorn nahe und der Sammlung abträglich sind.

(7) Jemand ist ein Schwätzer; er redet zur falschen Zeit, sagt, was nicht den Tatsachen entspricht, redet nutzloses, maßloses, unvernünftiges oder sinnloses Zeug und spricht gegen den Dharma und heilsames Verhalten.

Es gibt drei Arten von geistigem Verhalten, die nicht im Einklang mit dem Dharma und nicht heilsam sind:

(8) Jemand ist habgierig; es verlangt ihn nach dem Reichtum und Besitz anderer, indem er denkt: ‚O möge das, was anderen gehört, mein sein!’

(9) Jemand hat einen Geist voll von Übelwollen und hasserfüllten Absichten, indem er denkt: ‚Mögen diese Wesen getötet und niedergemetzelt werden, mögen sie zerstückelt werden, zugrunde gehen, ver-nichtet werden!’

(10) Jemand hat falsche Ansichten, verdrehte Anschauungen, wie: ‚Es gibt keine [Früchte von] Gaben, nichts Dargebrachtes oder Geopfertes; es gibt keine Frucht, keine Ergebnis guter und schlechter Taten; es gibt weder diese Welt noch andere Welten; es gibt keine [Früchte von unserem verhalten gegenüber der] Mutter, keinen Vater, keine spontan geborenen Lebewesen, keine guten und tugendhaften Mönche und reine Wesen auf der Welt, die diese und die andere Welt durch Verwirklichung mit höherer Geis-teskraft erfahren haben und erläutern.

Also, ihr Haushälter, geschieht es aufgrund von solchem nichtheilsamen Verhalten, dass manche Wesen nach dem Tode in Umständen, die von Entbehrung geprägt sind, wiedererscheinen, an einem unglückli-chen Bestimmungsort, in Verderbnis, oder sogar in der Hölle.“

88. Die Auswirkungen von heilsamen Handlungen

Gampopa, im Schmuck der Befreiung, Kapitel 6:

“Auch bei den heilsamen Handlungen gibt es drei Auswirkungen:

– Die voll gereifte Auswirkung ist, als Gott des sinnlichen Bereiches oder als Mensch geboren zu werden.

– Die der Ursache entsprechende Auswirkung ist das Gegenstück des bei nichtheilsamen Handlungen Beschriebenen. So wird zum Beispiel jemand, der das Töten aufgibt und das Leben anderer schützt, selbst lange leben.

– Für die einflussnehmende Auswirkung gilt das Gleiche. So wird jemand, der nicht tötet, in einem Land wiedergeboren, wo die Dinge von guter Qualität und kraftvoll (gehaltvoll) sind.”

Aus der Juwelenkette:

“Abwesenheit von Begierde, Hass und Verblendung sowie die daraus entstehenden Handlungen sind heilsam. Heilsames führt zu allen höheren Daseinsbereichen und zu Glück in allen Leben.”

Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe S.18-19: “Wer die zehn heilsamen Handlungen ausführt, erhält einen Körper, in dem er sich wohl fühlt, in den angenehmen Daseinsformen, und er wird in einem an-mutigen Land geboren.”

Djamgön Kongtrul im Licht des wahren Sinnes, Seite 17:

“Führe die zehn heilsamen Handlungen selber nach bestem Vermögen aus, ermutige andere dazu und freue dich über jene, die bereits ausgeführt wurden.”

“Sich hierin zu üben, führt zu Geburt in den höheren Bereichen mit langem Leben und großem Wohlstand sowie vielen weiteren Vorzügen und Qualitäten. Du könntest deine Zeit auch mit verschie-densten (neutralen) Aktivitäten wie Gehen, Bewegen, Schlafen, Sitzen und dergleichen verbringen –

Karma-Lesebuch, Seite 79

Handlungen, die weder heilsam noch nichtheilsam sind und über die (von Buddha) nichts weiter erklärt wurde, denn diese reifen weder zu angenehmen noch zu unangenehmen Erfahrungen heran. Doch verbringe deine Zeit ausschließlich mit heilsamen Handlungen, und sei dabei achtsam und bewusst, um nicht unter den Einfluss von Ablenkung und Faulheit zu geraten und das Leben als Mensch nicht sinnlos zu vergeuden. Vermeide auch die kleinste schädliche Handlung und handle nie unachtsam. Erinnere dich daran, dass ‚bereits eine kleine Menge Gift tötet‘. Halte auch eine kleine heilsame Handlung nicht für zu gering und führe sie aus, indem du dich daran erinnerst, dass ‚der Sack durchs Sammeln von Gerstenkörnern voll wird‘.”

“Zudem solltest du parallel dazu die Basis für das Verwirklichen großer und weiter Ansammlungen in zukünftigen Leben praktizieren. Diese sind als die acht Qualitäten der höheren Daseinsbereiche be-kannt:

(1) Aufzuhören anderen zu schaden oder sie zu gefährden bringt ein langes Leben. (2) Lichter zu opfern und Kleider und dergleichen zu verschenken verleiht ein gutes Aussehen. (3) Dem Lama und Dharmafreunden frei von Stolz Respekt zu erweisen bringt edle Geburt. (4) Solchen mit Qualitäten (z.B. Lehrern) sowie Kranken, Armen und anderen von Leid Geplagten

alles Notwendige zu spenden bringt Wohlstand und eine einflussreiche Stellung. (5) Die Rede ausschließlich heilsam zu gebrauchen bringt Respekt für das, was man sagt. (6) Den (drei) Juwelen, Vater, Mutter usw. vortreffliche Gaben darzubringen und gute Wunschgebete

zu machen bringt großen Einfluss. (7) Sich an Männern zu erfreuen und Kastration zu verhindern lässt einen den Körper eines Mannes

erlangen. (8) Nützlich und hilfreich zu handeln, ohne Erwartungen bei dharmischen Handlungen14 zu haben,

verleiht Stärke.

Dies sind die vortrefflichen (Qualitäten) – übe dich in ihren Ursachen! Wer nun kein Verlangen mehr nach Samsara hat, sollte sich darin üben, von jetzt an dessen Ursachen, nämlich nichtheilsame Handlun-gen, aufzugeben. Praktiziere zudem frei von Scheinheiligkeit die hier erklärten und ähnliche heilsame Handlungen, die zu Verdiensten (heilsamer Kraft) führen, sowie die heilsamen Handlungen, die zur Befreiung führen, wie Gelübde, Samayas usw. – und betrüge dich dabei nicht.”

Padmasambhava erwähnt in den Dakini-Lehren zehn Stützen, die helfen, die heilsamen Handlungen in unserem Bewusstseinsstrom zu verankern:

– “Vertrauen in die wahre Lehre – Selbstachtung und ein reines Gewissen wahren – Glücksspiel und Gezänk meiden – sich von geschäftigem Markttreiben fernhalten – stets gewissenhaft handeln – Trägheit abstreifen – sich nicht mit skrupellosen Menschen anfreunden – Körper, Rede und Geist zum gefügigen Werkzeug machen – Meditation üben, die zur Verwirklichung der vier formlosen Bereiche führt – und insbesondere den Geist auf den Weg der edlen Wesen ausrichten.”

Des weiteren gehören zu den heilsamen Handlungen aller Formen der Praxis der sechs bzw. zehn be-freienden Qualitäten (Paramitas): Freigebigkeit, Disziplin, Geduld, freudige Ausdauer (Tatkraft), medi-tative Stabilität und Weisheit, sowie Stärke, geschickte Mittel, Wunschgebete und ursprüngliches Ge-wahrsein.

Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe S.21: “Wir sollten somit das Ausführen und Unterlassen von heilsamen bzw. schädlichen Handlungen nicht durcheinander bringen, sondern unablässig heilsames Handeln praktizieren, ohne die drei Tore (Körper, Rede und Geist) je neutral zu lassen und fortwährend diese drei Tore überprüfen.”

14 Dharmische Handlungen beinhalten Meditationspraxis sowie alle anderen Handlungen, die anderen helfen, wie z.B. Dharmazentren aufzubauen usw.

Karma-Lesebuch, Seite 80

89. Warum ist es sinnvoll, heilsame Handlungen auszuführen?

Ohne heilsame Handlungen ist es unmöglich, die ichbezogenen Tendenzen unseres Geistes aufzulösen. Ohne Heilsames ist es unmöglich, Befreiung von Leid und Erleuchtung zu erlangen. Ohne heilsame Handlungen gäbe es kein Glück in der Welt. Wir würden uns nicht einmal der Möglichkeiten einer menschlichen Existenz erfreuen.

Gampopa, im Schmuck der Befreiung, Kapitel 2:

“Warum ist das kostbare Menschendasein schwierig zu erlangen? Weil die mit den Freiheiten und güns-tigen Bedingungen versehene Existenz durch das Ansammeln verdienstvoller Handlungen erlangt wird. Dazu sind die Wesen der drei niederen Existenzbereiche nicht fähig, weil sie nicht wissen, wie die dafür notwendige heilsame Kraft aufgebaut wird und weil sie ihr Leben ausschließlich mit nichtheilsamem Tun verbringen. Nur wenn Wesen der drei niederen Bereiche wenige schädliche Handlungen ausführen und das Karma haben, dass sie die Folgen der von ihnen angesammelten Handlungen erst in zukünftigen Leben erfahren werden, nur dann können sie bessere Wiedergeburten erlangen.”

Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe S.21: “Wenn wir selbst die kleinste schädliche Handlung ver-meiden und jede noch so kleine heilsame Handlung ausführen und beharrlich Liebe, Mitgefühl und die erwachte Geisteshaltung üben, erfüllen wir den Sinn von Buddhas Lehre: ‚Nicht die geringste schädli-che Handlung zu begehen, Höchst heilsam zu handeln und den eigenen Geist zu zähmen: Das ist die Lehre der Buddhas.’”

Diskussion:

− Gibt es Handlungen, die heilsam sein können, wenn man sie nur selten ausführt, und die nichtheil-sam werden, wenn man sie oft ausführt?

− Was entscheidet, ob und wann eine Handlung heilsam ist oder nicht? − Was bewirkt das ständige Ausführen heilsamer Handlungen?

90. Heilsames Handeln als Voraussetzung für geistige Ruhe

Geistige Ruhe entsteht, wenn sich Körper und Geist aus Geschäftigkeit lösen. Buddha Shakyamuni sagt im Palikanon, Potaliya Sutta, M 54:4-13, „Die Lehrrede an Potaliya“, in der es um heilsames Handeln als Grundlage für das Auflösen von Geschäftigkeit geht:

„Haushälter, es gibt diese acht Dinge in der Disziplin des Edlen, die zum Abschneiden von Geschäftig-keit führen. Was sind diese acht? ‚Gestützt auf Nicht-Töten von Lebewesen ist das Töten von Lebewe-sen zu überwinden. Gestützt auf Nehmen von nur dem, was gegeben wurde, ist das Nehmen von dem, was nicht gegeben wurde zu überwinden. Gestützt auf wahrhaftige Rede, ist falsche Rede zu überwin-den. Gestützt auf nichtgehässige, ist gehässige Rede zu überwinden. Gestützt auf Enthalten von Raffgier (Habgier), ist Raffgier zu überwinden. Gestützt auf Enthalten von boshaftem Schimpfen, ist boshaftes Schimpfen zu überwinden. Gestützt auf Enthalten von zorniger Verzweiflung, ist zornige Verzweiflung zu überwinden. Gestützt auf Nicht-Überheblichkeit, ist Überheblichkeit zu überwinden.“ ...

‚Gestützt auf Nicht-Töten von Lebewesen ist das Töten von Lebewesen zu überwinden.’ So wurde es (vom Erwachten) gesagt. Und in Bezug worauf wurde dies gesagt? Da erwägt ein edler Schüler Folgen-des: ‚Ich übe mich im Weg zum Überwinden und zum Abschneiden jener Fesseln, aufgrund derer ich Lebewesen töten könnte. Wenn ich Lebewesen töten würde, würde ich mich selbst dafür tadeln; und die Weisen, die nachgeforscht haben, würden mich dafür tadeln; und bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, wäre ein unglücklicher Bestimmungsort, wegen des Tötens von Lebewesen, zu erwarten. Aber dieses Töten von Lebewesen ist selbst eine Fessel und ein Hindernis15. Und während Triebe (emo-tionale Verblendung), Ärger und Fieber (Unrast) durch das Töten von Lebewesen aufsteigen könnten, gibt es keine Triebe, keinen Ärger und kein Fieber in einem der sich des Tötens von Lebewesen ent-hält.’“

15 Fessel und Hindernis in dem Sinne, dass solches Verhalten jeglichem spirituellen Fortschritt im Wege steht, weil es dessen Basis – heilsames Verhalten (sila) – erschüttert.

Karma-Lesebuch, Seite 81

Und in gleicher Weise, so fährt der Erwachte fort, ist die Praxis mit den anderen sieben Dingen, die zum Abschneiden von Geschäftigkeit führen, zu verstehen. Dann erklärt er dem Haushälter Potaliya die Ge-fahren und das Leid, die im Anhaften an Sinnesvergnügen stecken, und wie er wahren Gleichmut und das endgültige Abschneiden von Geschäftigkeit entwickeln kann.

91. Wie kann mir die Karmalehre helfen, Geduld zu entwickeln?

Ein Gewahrsein von Karma kann uns helfen zu sehen, dass wir mit unseren eigenen Handlungen ent-scheidenden Anteil an einer Situation haben. Im Schmuck der Befreiung, Kapitel 14, nennt Gampopa die Betrachtung unseres eigenen Karma als Hilfe, Geduld in schwierigen Situationen zu entwickeln:

“Was ich jetzt an Unangenehmem erfahre, ist Folge ähnlicher früherer Handlungen meinerseits. Da die Schuld also eigentlich bei meinen eigenen schädlichen Handlungen liegt, ist es nicht gerechtfertigt, mit Vergeltung zu antworten: ‚Da ich früher Lebewesen ähnliches Leid zufügte, ist es begreiflich, dass ich dementsprechendes Leid nun selbst erfahre.‘”

Gendün Rinpotsche im Weg des Bodhisattva, Seite 43:

“Die Person, die uns angreift oder aggressiv uns gegenüber ist, ist nur Ausführender einer karmischen Schuld, die wir selbst geschaffen haben. Wenn wir nicht sehen, dass wir die Situation selbst verursacht haben, fangen wir an, auf Aggression zu reagieren, und erzeugen neue karmische Saat. Jegliche Aggres-sion, die uns widerfährt, wird aus dem Karma geboren, den Ursachen, die wir selbst einmal geschaffen haben. Wenn wir das verstehen, können wir auf intelligente Weise mit der Situation umgehen. Wir ver-stehen, dass uns eine gute Möglichkeit geboten wird, dieses Karma jetzt zu beenden.”

Gendün Rinpotsche in Weg des Bodhisattva, Seite 44:

“Alles, was wir jetzt erleben, ist das Resultat von dem, wie wir vorher gehandelt haben. Wenn wir das verstehen, können wir andere nicht mehr für etwas beschuldigen, denn alles entsteht aus unseren eige-nen vergangenen Handlungen. Wir sollten versuchen, dieses Erbe der Vergangenheit anzunehmen und damit zu arbeiten, um die Zukunft vorzubereiten, das heißt, sich ein Beispiel zu nehmen an der Vergan-genheit und zu sehen, was uns hierher geführt hat.

Warum erleben wir solch stete Wechsel von Glück und Unglück? Weil wir abwechselnd heilsame und schädliche Handlungen ausgeführt haben. Jetzt, in der Gegenwart, können wir versuchen, Disziplin zu entwickeln und nicht auf Angriffe mit Gegenangriffen zu reagieren. Dadurch vermeiden wir, dass neues Leiden geschaffen wird und können diese ständig laufende Maschine anhalten – denn sonst wird sie unendlich weiter laufen. Das Erbe der Vergangenheit anzunehmen und die Gegenwart zu nutzen, damit die Zukunft anders aussehen wird, ist der beste Weg zum Erwachen.”

Gendün Rinpotsche in Gesetz des Karma, Seite 15:

“Wenn jemand uns gegenüber Zorn entwickelt, können wir uns auch klarmachen, dass dieser Zorn und diese Aggressivität nicht von der jeweiligen Person herrühren, sondern das Reifwerden zuvor begange-ner schädlicher Taten darstellen: In der Vergangenheit haben wir anderen Wesen gegenüber Zorn und Aggressivität entwickelt und diese vergangenen Handlungen haben Ursachen geschaffen, die bewirken, dass sich die gegenwärtige Situation gegen uns richtet. Durch eine solche Sichtweise gelingt es uns, den Angreifer als jemand zu erkennen, der sehr nützlich und uns gegenüber von Güte erfüllt ist, denn durch sein Angreifen ermöglicht er es uns, uns zu läutern und uns von den Konsequenzen schädlicher Taten zu befreien, die wir in der Vergangenheit begangen haben. Durch ein solches Durch ein solches Verständ-nis der Erscheinungen empfinden wir auch Dankbarkeit gegenüber dieser Person und versuchen, ihr gegenüber heilsam zu handeln, indem wir den Wunsch entwickeln, das negative Karma, welches sie durch ihren Zorn ansammelt, möge nicht von ihr selbst, sondern von uns erfahren werden.”

Gendün Rinpotsche in Drei Siegel, Seite 56:

“Für eine authentische Erleuchtungshaltung ist die Qualität der Geduld unerlässlich. Daher sollten wir alle Umstände des Lebens benutzen, um uns in Geduld zu üben. Wir brauchen geradezu Feinde und Situationen, in denen andere versuchen, uns zu schaden, denn sie stellen eine Gelegenheit dar, um Ge-duld zu praktizieren.

Karma-Lesebuch, Seite 82

Wenn jemand wütend auf uns ist und versucht, uns zu schaden, müssen wir uns zunächst der Situation wie sie ist bewusst werden. Diese Person versucht deshalb, uns zu schaden, weil wir unsererseits in der Vergangenheit versucht haben, ihr zu schaden. Die gegenwärtige Erfahrung ist nur das Ergebnis unseres früheren Karmas. Der Moment des Ärgers ist der Augenblick, in dem unser früheres Karma gereinigt wird. Die betreffende Person bietet uns jetzt die Gelegenheit zu vermeiden, dass dieses Karma in schwierigeren Umständen reif wird. Wir entwickeln den Wunsch, dass die Wut, die sie uns gegenüber empfindet, nicht zu negativem Karma für sie in der Zukunft heranwächst. Im Gegenteil, wir wünschen, den Ärger und das Karma, das daraus folgen könnte, auf uns zu nehmen.

Wenn wir wirklich eine Situation wie diese auf heilsame Weise annehmen können, sind wir fähig, Ge-duld zu üben und Situationen umzuwandeln. Wenn wir hingegen auf die übliche Art daran haften und mit Wut reagieren, steigert das noch unser negatives Karma, dessen Auswirkungen wir eines Tages er-leben werden.

Wenn wir trotz allem gegen jemanden Wut empfinden, sollten wir ihn nicht als einen Feind betrachten, sondern als jemanden, der uns zeigt, dass es uns immer noch an Geduld mangelt. Er gibt uns einen wertvollen Hinweis, und deshalb sollten wir ihn respektvoll betrachten und ihm danken. Um eine Kon-fliktsituation auf diese Art benutzen zu können, ist es nötig, ununterbrochen sehr aufmerksam zu sein. Man muss sich jeder Situation voll bewusst und sehr aufmerksam jedem ihrer Aspekte gegenüber sein, so dass man sie nutzen kann; ansonsten fällt man in seine gewöhnlichen Reaktionen zurück. Die Auf-merksamkeit bewahrt uns davor, unbesonnen zu reagieren.”

92. Karma und Achtsamkeit

Wenn wir Kontrolle über unsere Handlungen haben wollen, brauchen wir Achtsamkeit. Wir müssen gewahr sein, wie wir handeln und mit welcher Motivation. Wenn die Situationen schwierig werden, brauchen wir Achtsamkeit, um die richtigen Entscheidungen zu treffen und diese dann auch unserer Intention gemäß auszuführen.

Ohne Achtsamkeit – keine Kontrolle über Karma.

Gampopa in der Kostbaren Girlande, Kapitel 16:

“In Hinblick auf die karmischen Folgen von Handlungen so wachsam zu sein, als ginge es um das Au-genlicht, ist ein Zeichen edler Menschen.”

� Übung 39: Halten Sie zum Beispiel einmal in der Stunde (beim Piepsen Ihrer Armbanduhr) abrupt inne, um zu schauen, welche Motivation Sie gerade haben, was Sie gerade denken und tun. (Anre-gung Rei Shin Sensei)

93. Karma und Entsagung

Gendün Rinpotsche in Meditation jenseits von Hoffnung und Furcht:

“Bisher – von der Geburt bis zum gegenwärtigen Augenblick – waren wir in vollkommen unnütze Handlungen verstrickt, mit denen wir Samsara beständig fortgesetzt haben. Jetzt haben wir die Mög-lichkeit, uns von den Verlockungen und Gewohnheiten, die uns an Samsara binden, zu lösen. Dafür müssen wir wahre Entsagung entwickeln und uns auf authentische Weise innerlich von ihnen lösen, nicht nur in Worten. Deshalb sollten wir genau hinschauen, was die Ergebnisse all der Handlungen wa-ren, die wir bisher ausführten und uns eingestehen, wie sinnlos all diese aus Anhaftung ausgeführten Handlungen sind.

Wir handelten weltlich, weil wir unter dem Einfluß der Unwissenheit waren, doch nun können wir uns dank der Lehre in Richtung Erleuchtung entwickeln. Wir sehen, dass alle Wesen unter dem Einfluß die-ser Unwissenheit sind und aus diesem Grunde schädlich handeln. Die meisten haben keinen Kontakt mit der Lehre und deshalb keine Möglichkeit, ihre Unwissenheit zu erkennen und sich zu befreien. Dies läßt uns Mitgefühl entwickeln.

Wir haben viel negatives Karma in der Vergangenheit angesammelt, das uns jetzt an Samsara bindet. Doch nun haben wir, dank unserem Lehrer, die Möglichkeit, die Lehre kennenzulernen und zu praktizie-

Karma-Lesebuch, Seite 83

ren. Dadurch wiederum entwickeln wir Vertrauen in den Lehrer und in die Lehre. Wenn es uns hier-durch gelingt, uns vom Anhaften am Daseinskreislauf zu befreien, wird der Geist von selbst zur Ruhe kommen."

Entsagung bedeutet, nichtheilsame Handlungen mit Körper, Rede und Geist zu unterlassen.

94. Karma und das Hervorbringen des Geistes des Erwachens

Die beste Anwendung der Karmalehre ist das Hervorbringen des Geistes des Erwachens, um mit dieser Motivation dann alle Handlungen auszuführen.

Gendün Rinpotsche in Geist des Erwachens, Seite 2:

“Wenn wir den Wunsch entwickeln, vollkommene Erleuchtung zu verwirklichen, so müssen wir be-stimmte Punkte bedenken. Zunächst machen wir uns klar, dass überall da, wo es Raum gibt, Wesen le-ben, die ihrem unterschiedlichen Karma ausgeliefert sind, die von mannigfaltigen Emotionen angetrie-ben werden und die deshalb alle Arten von Leid erfahren. Dann denken wir daran, dass alle diese leben-den Wesen – menschlicher oder nichtmenschlicher Art – in unseren vorherigen Leben mehrmals unser Vater oder unsere Mutter gewesen sind.”

Gendün Rinpotsche im Weg des Bodhisattva, Seite 42:

“Aufgrund von karmischen Tendenzen, dem persönlichem Karma, erzeugt jeder sein persönliches Leid, und so sehen wir vielfältigste Variationen von Leid und zugleich auch das Gemeinsame des Leides aller Wesen. Das sollte nicht zu Depression oder Traurigkeit führen, sondern enorme Energie freisetzen, für die Befreiung aller Wesen zu arbeiten und so vielen Wesen wie möglich den Schlüssel zur Befreiung zu geben.”

95. Wie wenden wir “Karma” auf dem Weg zur Befreiung an?

Auf dem Weg zur Auflösung allen Leides, der “Großen Freude”, geht es um eine geschickte Anwen-dung der karmischen Gesetzmäßigkeiten:

− Zunächst müssen wir kein weiteres negatives Karma ansammeln, indem wir nichtheilsame Anhand-lungen aufgeben.

− Dann geht es darum, positives Karma anzusammeln, indem wir heilsame Handlungen ansammeln.

− Zugleich tun wir alles, um altes und neues Karma zu reinigen, indem wir uns in der Einsicht in die wahre Natur der Dinge üben. Wir beginnen zu erkennen, dass es kein Ich als Wesenskern gibt.

− Durch das Abnehmen der auf Täuschung beruhenden Ich-Illusion in unserem Geist sind unsere Handlungen immer weniger von Dualität geprägt. Die Handlungen transzendieren zunehmend den Bereich karmischer Bedingtheit, wodurch sich schließlich vollkommene Befreiung manifestiert.

Um es mit anderen Worten noch einmal zusammenzufassen:

Zuerst verwandeln wir den schlechten Traum (Alptraum) in einen guten Traum, indem wir heilsame statt nichtheilsame Handlungen ausführen. Und dann sind wir in der Lage, den Traum als Traum zu erkennen und sind nicht mehr von ihm gefangen.

Es ist nicht möglich, vom Alptraum in die Befreiung zu springen, da unsere Ichbezogenheit einfach noch zu groß ist. Es braucht deshalb den Zwischenschritt des heilsamen Traumes.

Wenn wir schädliche, ichbezogene Handlungen ausführen, ist Leid die Folge. Wenn wir heilsame, auf das Wohl aller Wesen ausgerichtete Handlungen ausführen, sind Glück und Befreiung die Folge.

Disziplin ist, sich schädlichen Handlungen zu enthalten und heilsamen zu widmen.

Alfred Weil in Karma, Seite 13:

Karma-Lesebuch, Seite 84

“Die Lehre des Erwachten ist uneingeschränkt eine Lehre der Befreiung. Sie will nicht den Geist be-schäftigen und unterhalten. Wir sollen nicht unablässig über das Karmagesetz nachgrübeln oder bloß Meinungen darüber austauschen. Diese Lehre legt keinen Wert auf ausgefallene Thesen und spitzfindige Argumente. Sie will nicht originell sein, besonders beachtet oder bewundert werden. Ihre Bedeutung liegt ausschließlich in ihren praktischen Konsequenzen und ihrer emanzipatorischen Wirkung.”

Djamgön Kongtrul im Licht des wahren Sinnes, Seite 18:

“Als Ursache für das Erlangen der Befreiung braucht es als erstes die völlig reine Disziplin, die entsteht, wenn der Wunsch, Samsara gänzlich hinter sich zu lassen, wirklich stabil geworden ist. Auf dieser Basis entsteht die tiefe Meditation eines einsgerichteten Geistes. Diese ihrerseits ist die ursächliche Vorausset-zung für Weisheit, welche das Nicht-Ich erkennt und mittels derer die gemeinsamen und spezifischen Merkmale, sowie Vergänglichkeit, Leiden, Leerheit usw. verstanden werden. Dies wiederum reinigt die in der Vergangenheit angesammelten Schleier, was bewirkt, dass sich von da an die karmischen Früchte nicht mehr manifestieren können und das Leiden von Samsara ein Ende findet. Man verweilt dadurch im Zustand des Gewahrseins frei von allen Extremen, was mit dem Wort Befreiung bezeichnet wird. Aber man ist keineswegs woanders hingegangen oder zu jemandem anderes geworden – das wäre nicht, was man das Erlangen der Befreiung oder Nirwana (“Jenseits allen Leidens”) nennt.”

Ohne Disziplin keine tiefe Meditation. Ohne tiefe Meditation keine Weisheit. Ohne Weisheit keine Befreiung.

Disziplin, tiefe Meditation und Weisheit (auf Sanskrit: Shila, Samadhi und Prajna) werden die drei Schulungen genannt. Sie sind die Essenz aller buddhistischen Wege.

Djamgön Kongtrul im Licht des wahren Sinnes, Seite 59:

“Lasse deinen Geist einzig von Hingabe, Respekt und reiner Sichtweise erfüllt sein, ohne auch nur einen einzigen Moment in verkehrte Anschauungen abzugleiten. Sollten beispielsweise aufgrund von schlech-tem Karma unangemessene Gedanken in dir aufsteigen, so werde ihrer unmittelbar gewahr und kontrol-liere sie, ohne ihnen jemals durch Worte oder Taten Ausdruck zu verleihen.”

Djamgön Kongtrul im Licht des wahren Sinnes, Seite 32:

“Da die Motivation beim Bodhisattva-Gelübde das Wichtigste ist, bemühe dich stets bei allen Aktivitä-ten mit dem Körper und der Rede innerlich die erleuchtete Geisteshaltung zu wahren. Übe dich im be-ständigen Vermehren der beiden Ansammlungen, die den Geist des Erwachens mehr und mehr anwach-sen lassen.”

In dem Von Sagaramati erbetenen Sutra werden zehn Hinweise gegeben, die wir uns zu Herzen nehmen können:

“Es heißt, dass es zehn Handlungen eines Bodhisattvas gibt: 1. voller Vertrauen einem spirituellen Freund zu folgen 2. mit ganzem Einsatz und frei von Vorurteilen nach dem wahren Dharma zu suchen 3. es nie aufzugeben, sich mit starkem Streben um das Ausführen heilsamer Handlungen zu bemühen 4. indem man achtsam ist, sein (gutes) Karma und seine Handlungen nicht (für Unsinniges und Schäd-

liches) zu verschwenden 5. die Wesen zur Reife zu bringen, ohne an den eigenen heilsamen Handlungen zu haften 6. sich ohne Rücksicht auf den Körper und Leben an den edlen Dharma zu halten 7. sich niemals mit seiner Ansammlung von Verdiensten (heilsamer Kraft) zufrieden zu geben 8. sich beharrlich der Ansammlung von Gewahrsein zu widmen 9. nie vom wahren, völlig reinen Sinn getrennt zu sein 10. geschickt in Methoden (d.h. unter Anwendung aller dir zur Verfügung stehenden Dharma-Methoden

in allen Situationen) überall den Weg auf vollkommene Weise zu suchen.”

Karma-Lesebuch, Seite 85

96. Wie hilft mir das Bedenken von Karma, mit Leid umzugehen?

Djamgön Kongtrul im Licht des wahren Sinnes, Seite 34:

“Wenn dich zum Beispiel körperliche Krankheiten oder geistige Probleme plagen, wenn dich der Klatsch trifft oder du eine Aufwallung von Emotionen durchlebst, dann sammle obendrein all das Un-angenehme, das Lebewesen widerfährt, und nimm es auf dich. Wenn du leidest, verstehe, dass es dein Karma von früher ist. Sei nicht unglücklich, sondern nimm das Leid anderer auf dich.”

Gendün Rinpotsche in Geist des Erwachens, Seite 9:

“Welchem Leid wir auch begegnen – Krankheiten, Hindernissen oder Problemen – häufig bleiben wir darin stecken, haften daran und greifen danach. Wenn wir dies tun, bekommt das Leid eine beachtliche Bedeutung, es wird riesengroß und vereinnahmt die Gesamtheit unseres Bewußtseinsfeldes. Das Fest-halten von Leid vergrößert nur noch das Gefühl von Schmerz und läßt die Niedergeschlagenheit an-wachsen.

Im Gegensatz dazu kann Leid als Reifwerden von negativem Karma betrachtet werden, das sich dank der Güte der Drei Juwelen in diesem Leben vollzieht. In diesem menschlichen Leben ist das Ausmaß unseres Leidens relativ begrenzt, verglichen mit dem Leiden, das wir in den anderen Daseinszuständen ertragen würden. Das Leid, dem wir hier begegnen, ist unendlich viel geringer als das Leid, dem wir in den Höllenbereichen begegnen müßten, wenn dieses Karma nicht in diesem Leben gereinigt wird: Unser jetziges Leid ist nichts im Vergleich zu den Qualen in den Höllen. Das Verständnis und das Akzeptieren unserer kleinen Leiden ermöglicht uns, auf effektive Weise all das negative Karma zu reinigen, das wir bis jetzt angesammelt haben.

Seite 10: Wenn wir Leid erfahren, sollten wir uns den Grund dafür eingestehen, nämlich das Ausführen früherer Handlungen, die in direkter Verbindung mit unserem Ichanhaften stehen: Durch das Verlangen, unser Ego zu schützen, haben wir in der Vergangenheit eine Menge ichbezogener Handlungen ausge-führt, und diese Handlungen ziehen jetzt Leid nach sich. So können wir Leid als eine Unterweisung betrachten, die uns zeigt, zu welchem Ergebnis ichbezogene Handlungen führen. So wird Leid zu einem Katalysator, der uns abschreckt, weiterhin unter dem Einfluß ichbezogener Anhaftung zu handeln. Da wir das Leid als kostbare Unterweisung schätzen, begegnen wir ihm mit einer fröhlichen Geisteshaltung. Es gibt viele Methoden, die wir angesichts von Leid anwenden können. Ihr unmittelbares Ergebnis ist zunehmende Befreiung von diesem Leid, und auf höchster Ebene führen sie uns zu dem Erwachen, das frei von jeglichem Leiden ist.”

Gendün Rinpotsche in Gesetz des Karma, Seite 14:

“Wenn einem in diesem Leben Leiden, Krankheiten und Hemmnisse begegnen, wird alles noch schlimmer, wenn man die Schwierigkeiten festhält. Sich an Leiden zu klammern ist keine Lösung; im Gegenteil besteht die Gefahr, dass sich die Situation noch verschlechtert. Besser ist es, Krankheit, Hemmnisse und Leiden insgesamt als bloßes Ergebnis dessen zu betrachten, was wir in der Vergangen-heit getan haben. Wir sind voll dafür verantwortlich und müssen es auf uns nehmen. Da wir Menschen sind, sind unsere Leiden äußerst geringfügig im Vergleich zu den Leiden, die jene Wesen erfahren, die in den niederen Daseinsbereichen leben. Wenn wir uns der Relativität des Leidens bewußt sind, können wir uns darüber freuen, als Mensch zu leben. Und wir werden uns dessen bewußt, dass wir uns nur dank des Einflusses der Lamas und der Drei Juwelen in dieser Lage befinden, in der wir alles in allem nur ganz geringfügige Leiden erdulden. Es ist daher wichtig, sich dieses Segens der Drei Juwelen bewußt zu werden, denn alle Schwierigkeiten, die unser Leben beeinträchtigen, sind nur das Reifwerden negativen Karmas. Man freut sich, dass sich durch diese Schwierigkeiten unser negatives Karma nach und nach erschöpft, wie sich auch die negativen Neigungen im Inneren unseres Geistes erschöpfen. Wenn wir widrigen Umständen begegnen und sie solcherart betrachten, hilft uns das, die inneren Neigungen zu läutern, die uns dazu veranlassen, schädliche Taten zu begehen.”

Gendün Rinpotsche in Drei Siegel, Seite 56:

“Man sollte auf keinen Fall an seinem Leid, sei es körperlicher Natur wie Krankheiten oder geistiger Natur wie Ängste, haften, denn das vergrößert das Leid nur. Wenn Anspannung und Anhaftung des Geistes noch zu dem Leid selbst hinzukommen, verschlimmert sich das Leid und wird zur Gewohnheit.

Karma-Lesebuch, Seite 86

Wir vergessen allmählich, wie es ist, frei von Leid zu sein. Dadurch werden wir in allen nur möglichen Situationen leicht anfällig für Leid und halten es schließlich sogar selbst aufrecht.

Um diesen Teufelskreis zu vermeiden, müssen wir uns jedes Mal, wenn wir leiden, klar machen, dass alle Wesen im Universum dieselben Leiden ertragen müssen wie wir. Zusätzlich zu unserem eigenen Leid nehmen wir das Leid der anderen auf uns. Wir erzeugen den Wunsch, dass unsere schmerzhafte Erfahrung das Leid der anderen mit einschließen und ihm ein Ende bereiten möge, damit sie, so befreit, sich dem Glück öffnen können.

Praktizieren wir jedes Mal, wenn wir einer schmerzhaften Situation begegnen, auf diese Weise, werden wir nie mehr wirklich leiden, da wir bereit sind, das Leid mit Freude anzunehmen, es umzuwandeln und als Mittel zu benutzen, um anderen zu helfen. Da wir die Situation freudig annehmen und als nützlich betrachten, leiden wir nicht mehr.

Wenn wir während der Meditation Schmerzen an den verschiedensten Stellen des Körpers verspüren, ist es wichtig, nicht die Dharmapraxis dafür verantwortlich zu machen, sondern zu erkennen, dass alle kör-perlichen Schwierigkeiten, die wir in der Meditation erfahren, von unserem früheren Karma herrühren. Wir dürfen den Dharma nicht beim kleinsten Schmerz zurückweisen. Wenn wir bei der Dharmapraxis Leid erleben, reinigen wir damit unsere Schleier und Unreinheiten, welche die Folge unserer schädli-chen Handlungen in früheren Leben sind. Wenn wir während der Meditation einen körperlichen Schmerz fühlen, müssen wir ihn als das Ergebnis des Mitgefühls der drei Juwelen ansehen, denn durch dieses kleine Leid wenden wir zukünftiges Karma ab, das andernfalls nach dem Tod reifen würde, wenn wir Gefahr laufen würden, dadurch direkt in die niedrigen Daseinsbereiche zu fallen. Dass wir dieses Leid jetzt erfahren können, während dieses menschlichen Lebens, in dem das Ausmaß des Leiden be-grenzt ist, ist das Zeichen des Mitgefühls der drei Juwelen, und wir müssen ihnen dafür dankbar sein. Vertrauensvoll das gegenwärtige Leid anzunehmen, erlaubt es uns, alles negative Karma, das wir seit anfangsloser Zeit angesammelt haben, zu reinigen. Vertrauen und Zuversicht sind die wirkungsvollste Form der Reinigung, wenn man leidet.

Eine andere Methode, die man bei Krankheit oder Leid aufgrund von Hindernissen anwenden kann, besteht darin, zu erkennen, dass alle Schwierigkeiten, denen wir begegnen, lediglich vom Standpunkt des Ego aus Schwierigkeiten oder Hindernisse sind. Das Vorhandensein dieses Leides erinnert uns an die Nachteile des Ego, indem es uns zeigt, dass wir diese Art von Leid immer wieder erleben werden, solange wir noch ein Ego haben. Aus diesem Grund ist jeder Moment, in dem wir leiden, sehr kostbar für uns.

Wir müssen alle leidvollen Erfahrungen - seien sie körperlicher oder geistiger Art, Schmerzen oder Krankheiten, Hindernisse oder problematische Erfahrungen - auf dem Weg zum Erwachen nutzen. Sie sollten uns anspornen, schnellere Fortschritte zu machen.

Wenn wir leiden, suchen wir normalerweise sofort einen Verantwortlichen und denken, dass der Fehler bei dieser oder jener Person liegt, welche die Situation erzeugt hat, unter der wir jetzt leiden. Das stei-gert unseren Zorn noch, und dadurch wird wiederum unser Leid vergrößert. Durch solch eine Haltung vervielfacht sich das Leid, bis wir schließlich viel größeres Leiden ertragen müssen als es das ursprüng-liche karmische Leid gewesen wäre.

Man muss sich in Erinnerung rufen, dass Leid nichts wirklich Ernstes ist. Es ist lediglich Karma, das, wie alles andere auch, vergänglich ist; dieses Leid ist zeitlich begrenzt. Man darf sich daher nicht davon beeinflussen lassen, sondern muss lediglich warten, dass das Karma sich erschöpft. Man muss sich da-von lösen und es von selbst abklingen lassen, wenn das Karma sich erschöpft hat. Karma ist nichts, das man erzeugen oder zurückweisen könnte: Es erscheint, wenn man karmische Schulden zu begleichen hat, und wenn diese erschöpft sind, verschwindet es von selbst. Es ist nicht nötig, es zurückzuweisen.?

97. Nicht Reagieren, sondern tiefer Loslassen

Gendün Rinpotsche in Weg des Bodhisattva, Seite 35:

"Wir sind das Resultat dessen, was wir vorher getan haben, und alles, was wir in Zukunft erleben wer-den, ist davon abhängig, was wir jetzt tun.

Karma-Lesebuch, Seite 87

Mit diesem Verständnis ist es möglich, alle Erfahrungen unseres Lebens einfach kommen und gehen zu lassen, ohne nach ihnen zu greifen. Wenn uns unser Karma schwierige Situationen oder Emotionen bringt, sehen wir diese als Ausdruck unseres Geistes, als die Frucht unserer eigenen Tendenzen. Wir erkennen sie als Bewegungen unseres Geistes, die wir einfach kommen lassen, anschauen und wieder verschwinden lassen. Dabei haften wir nicht im geringsten an und greifen nicht ein, denn diese Emotio-nen entstehen ja gerade aufgrund von Anhaftungen in unserem eigenen Geist. Wir sollten einfach alles geschehen lassen, den Prozeß ungestört ablaufen lassen, denn sonst werden wir weiterhin die Sklaven unserer Emotionen sein und keine Freiheit erlangen. Wenn wir die Dinge sehen, wie sie sind, werden wir nicht die Sklaven unserer Emotionen bleiben, da wir nicht wie bisher reagieren und dadurch keine neuen karmischen Samen ansammeln. Wenn wir Gedanken und Emotionen einfach kommen und wieder gehen lassen, befreien sie sich von selbst. Dann können wir alles als Bewegung des Geistes erkennen und vorbeiziehen lassen. Reinigung vollzieht sich, indem wir einen karmischen Samen nach dem ande-ren erfahren und ihn sich befreien lassen, ohne neue hinzuzufügen.”

98. Kann ich Karma reinigen? (Dh 173, 239)

Buddha Shakyamuni sagt, das Beispiel des Serienmörders Angulimala anführend, der noch im selben Leben die Arhatschaft verwirklichte (Dhammapada, Vers 173):

„Wer mit Heilsamem seine schädlichen Handlungen überwindet, erhellt die Welt wie der Mond, der hinter den Wolken hervorkommt.“

Gendün Rinpotsche in Drei Siegel, Seite 33:

„Alles Karma, das wir angesammelt haben, wurde von Körper, Rede oder Geist geschaffen. Deshalb müssen wir diese drei Aspekte unseres Wesens reinigen. Um den Geist von ichbezogenen Mustern zu befreien, benutzen wir im unzerstörbaren Fahrzeug, dem Vajrayana, Methoden, die den Geist in tiefer Meditation der wahren Natur aller Dinge verweilen lassen. Dies reinigt den Geist. Um unseren Körper zu reinigen, meditieren wir uns als Meditationsgottheit (Jidam), und um die Rede zu reinigen, rezitieren wir ihr Mantra. Durch diesen dreifachen Prozess lösen wir nach und nach alle karmischen Schleier auf, die unseren Körper, Rede und Geist gewöhnlich und unrein machen. So vollzieht sich allmählich eine völlige Auflösung sämtlicher Schleier, die es uns ermöglicht, unseren wahren Körper, unsere wahre Rede und unseren wahren Geist, welche die eines Buddha sind, zu sehen.

Wenn wir vom Hervorbringen des reinen Körper, Rede und Geistes der Buddhaschaft sprechen, heißt das nicht, dass wir etwas Neues erzeugen, sondern wir erkennen lediglich die wahre Natur von dem, was immer schon da war: Körper, Rede und Geist wie sie seit anfangsloser Zeit wirklich sind, wenn der Geist nicht unter dem Einfluss von Verwirrung ist.”

Buddha Shakyamuni (Dhammapada, Vers 239):

„Weise Menschen beseitigen ihre Unreinheiten Stückchen um Stückchen, von Moment zu Moment, so wie Silberschmiede Verunreinigungen im Silber entfernen.“

Gendün Rinpotsche in Gesetz des Karma, Seite 8:

„Handelt man schädlich, sei es durch Körper, Rede oder Geist, so ist es wichtig, den negativen Aspekt des eigenen Tuns zu erkennen. Man muß sodann diese Negativität läutern, die den Geist zu beschmut-zen droht, und sich von der schädlichen Handlung befreien. Wenn man nicht achtsam ist, könnte man meinen, sich doch anständig zu verhalten, und glauben, dass man gute Eigenschaften hat; man entwi-ckelt Stolz und sieht keinen Grund dafür, irgend etwas einzugestehen oder zu bereuen. Wenn man sich der Negativität, die man erschafft, nicht bewußt ist und daher nicht zu Reue und Läuterung neigt, zieht dies eine Anhäufung negativen Karmas nach sich, die dazu führen kann, dass wir in einem der drei nie-deren Daseinsbereiche wiedergeboren werden, die sich durch sehr große Leiden auszeichnen. Handelt man in negativer Weise, muß man dies erkennen und bereuen. Sobald es Erkennen und Reue gibt, so-bald man seine Irrtümer eingesteht, läutert sich das negative Karma, und man beseitigt das Leiden, das sich daraus ergeben würde.

Karma-Lesebuch, Seite 88

Häufig meint man, dass der Gedanke an all die schädlichen Handlungen, die man seit sehr langer Zeit begangen hat, großes Leiden verursacht, und dass man angesichts ihrer Vielzahl Gefahr läuft, niederge-drückt zu sein. Man wäre eher versucht, sein Gesicht zu verhüllen und so wenig wie möglich daran zu denken! Diese Einstellung ist jedoch nicht richtig. Man muß von einem solchen Verhalten Abstand nehmen und einsehen, dass man ohne ein Wahrnehmen der begangenen Irrtümer diese nicht läutern kann. Selbst wenn man es vorzieht, in Unwissenheit zu verharren, reifen die schädlichen Handlungen heran! Besser bemüht man sich also, an sie zu denken, damit man in der Lage ist, sie zu beseitigen; an-dernfalls stehen wir, wenn der Tod kommt, einem Ballast schädlicher Taten gegenüber, der uns beglei-tet.

Das Einzige, was den Geist zum Zeitpunkt seines Todes begleitet, sind in der Tat die Spuren und Kon-sequenzen schädlicher Taten, die früher oder später zu Leiden heranreifen. Hat man viele schädliche Taten begangen und sind diese nicht geläutert worden, kann man in einem der drei niederen Daseinsbe-reiche wiedergeboren werden. Es ist daher sehr wichtig, sich an möglichst viele der schädlichen Taten zu erinnern, die man begangen hat, und sich ihres Schweregrades und ihrer Intensität bewußt zu werden, denn dann ist es möglich, sie zu läutern. Läuterung bedeutet, sich seiner Taten bewußt zu sein, sie zu bereuen und es zu vermeiden, sie von neuem zu begehen. Wenn man so vorgeht, kann die Frucht, die in Form von Leiden daraus reifen sollte, verschwinden. Und je mehr man das Reifen negativen Karmas beseitigt, desto mehr verschwinden die Schleier, bis zu dem Augenblick, wo man den Buddhazustand verwirklicht.

Wir müssen uns alle in diesem Leben angehäuften schädlichen Taten bewußt machen und sie im Ge-dächtnis behalten. Man erkennt, dass wir dank der Güte der Drei Juwelen und der Lamas diese Fähigkeit des Erinnerns haben. Wenn uns die Drei Juwelen nicht diese Gelegenheit geben würden, uns unserer schädlichen Taten bewußt zu sein, sie zu bereuen und sie zu bekennen, würden diese früher oder später heranreifen. Die Dankbarkeit hierfür ist mit der Gewißheit verbunden, dass es möglich ist, die schädli-chen Handlungen zu läutern. Dies ist unbedingt notwendig, damit Läuterung wirksam wird.”

Gendün Rinpotsche in Gesetz des Karma, Seite 10:

“Um die schädlichen Auswirkungen negativer Geisteszustände zu beseitigen, muß man Meditation praktizieren, sei es die Meditation der geistigen Ruhe oder die des Mahamudra. Diese beiden Arten von Meditation tragen dazu bei, jegliche geistige Aktivität zu beseitigen, die auf einer Vorstellung von Dua-lität beruht: Dualität von Subjekt und Objekt, vom Ich und dem Anderen. Die Meditationspraxis ermög-licht es also, die negativen Schleier zu beseitigen, die aus früher begangenen Taten reifen.” und:

Gendün Rinpotsche in Gesetz des Karma, Seite 12:

“Wenn man sich der Praxis zuwendet und lernt, wie man Schutz in der Zuflucht findet, wenn man zu den Drei Juwelen betet, wenn man sich bemüht, den Dharma zu praktizieren, so ist es jedem Lebewesen möglich, seine schädlichen Taten umzuwandeln. Durch die Dharmapraxis verwandeln sich die potentiel-len Leiden, die aus vorherigem Schädlichen herrühren in etwas Heilsames. Man hat auch die Fähigkeit, die gewöhnlichen Neigungen umzuwandeln, die uns dazu verleitet hätten, andere schädliche Taten zu begehen. So verwandelt man nicht nur die Taten der Vergangenheit, sondern auch die Neigung, in der Zukunft schädliche Taten zu vollbringen. Und wenn die Praxis wirklich aufrichtig ist, entwickelt man durch das Gebet zu den Drei Juwelen und die Zufluchtnahme die Fähigkeit, das Leiden und das Karma anderer Wesen umzuwandeln. Läßt man sich mit großer Aufrichtigkeit auf den Weg der Lehren des Dharma ein, wird es möglich, alle Wesen auf den Weg der Befreiung zu führen.”

Djamgön Kongtrul im Licht des wahren Sinnes, Seite 37ff:

“Die Anzeichen für das Reinigen schädlicher Handlungen werden in den maßgeblichen Abhandlungen erklärt. Besondere Zeichen sind zum Beispiel, dass sich der Körper leicht anfühlt, dass man wenig Schlaf braucht, eine gute gesundheitliche Verfassung und eine klare Auffassungsgabe besitzt und dass sich Momente von meditativer Erfahrung und Erkenntnis einstellen.

Der Hauptpunkt, um den es hier geht, ist allgemein ausgedrückt: Gib schädliche Handlungen auf, und führe heilsame Handlungen aus. Der Einzige, der genau weiß und anderen aufzeigt, was hierbei zu tun und zu lassen ist, das ist der vollendete Buddha. Wer Vertrauen in seine Worte hat, wird sie in die Praxis umsetzen und wird in seinem Innersten ihre essentielle Bedeutung erfassen.”

Karma-Lesebuch, Seite 89

Djamgön Kongtrul in Licht des wahren Sinnes, Seite 39ff.:

“Wenn du deine Fehler versteckst und verheimlichst, werden sie immer weiter anwachsen. Der Dünger der Unaufrichtigkeit nährt die Saat der schädlichen Handlungen. Wenn du sie hingegen nicht verheim-lichst und deine Fehler erkennst und offen mit anderen darüber sprichst, so werden sie nicht zunehmen, sondern ihre Kraft wird abnehmen. Es heißt, dass “die Wahrheit ihnen ein Ende setzt.”

Wenn du dich darüber hinaus durch intensives Bereuen und Bekennen in den Methoden bemühst, wel-che Negativität reinigen, dann können schädliche Handlungen und Gelübdeübertretungen ohne Schwie-rigkeiten voll und ganz (wörtlich: “von der Wurzel her”) gereinigt werden. Wenn du zudem geschickt im Anwenden der Methoden geworden bist, dann kann eine einzige heilsame Handlung eine große Menge Negativität zunichte machen.

Zu sagen: “Ich habe diesen oder jenen Fehler begangen” – das nennen wir Offenlegen. Bekennen ist, voller Reue und echt bekümmert darüber zu sein. Ein wichtiger Punkt beim Bekenntnis ist, diejenigen, die keine Fehler haben, zutiefst zu bewundern und voller Achtung ihnen gegenüber zu sein, sowie Scham und Gewissensbisse zu haben, weil man selbst Fehler begangen hat. Aus dieser Haltung heraus sagt man von ganzem Herzen, um das Geheimgehaltene auszudrücken: “Ihr, die Ihr von Mitgefühl und Liebe erfüllt seid, bitte bewirkt, dass dieses Karma gereinigt wird.

Um eine vollständige Reinigung zu bewirken, müssen vier Kräfte zusammenkommen:

1. die Kraft gründlichen Verwerfens in Form starken, tiefes Bedauern über die in der Vergangenheit verübten schädlichen Handlungen, so als hätte man Gift getrunken.

2. die Kraft der Abkehr vom Übel als fester Entschluss: “So etwas werde ich in Zukunft, auch wenn mein Leben auf dem Spiel steht, nicht wieder tun.”

3. die Kraft des Rückhaltes durch Nehmen der Zuflucht und Hervorbringen des Geistes des Erwachens 4. die Kraft des gründlichen Anwendens von Gegenmitteln, also das Ausführen von so viel wie mögli-

chen heilsamen Handlungen mit dem Ziel, schädliche Handlungen zu reinigen, wie das Anwenden der “sechs Arten von Gegenmitteln” und dergleichen.

zu 1) Wenn wir unsere früheren Handlungen nicht bereuen, wird das bloße, äußerliche Bekennen die schädlichen Handlungen nicht reinigen.

zu 2) Wenn wir keinen Entschluss im Hinblick auf die Zukunft fassen, werden Bekenntnis und das Ausführen heilsamer Handlungen dadurch bedeutungslos.

zu 3) Ein einziges Bekenntnis von jemandem, der Zuflucht und Den Geist des Erwachens besitzt, hat größere Kraft, schädliche Handlungen zu reinigen, als hunderttausend Bekenntnisse von jeman-dem, der keine Zuflucht genommen und den Geist des Erwachens nicht hervorgebracht hat. Da die Kraft des Rückhaltes mehr und mehr anwächst, ist ein Tag des Bekennens von jemandem der (eine Vajrayana-) Ermächtigung erhalten hat, kraftvoller im Reinigen von Negativität als viele Jahre des Bekennens schädlicher Handlungen von jemandem der nur Zuflucht und Geist des Er-wachens hervorgebracht hat. Die gleichen Faktoren bewirken auch das entsprechende Vervielfäl-tigen schädlicher und heilsamer Handlungen.

zu 4) Die sechs Arten von Gegenmitteln sind:

− Rezitiere für dich oder sprich für andere (z.B. für Kranke in deren Gegenwart) die Namen von Buddhas und Bodhisattvas, die dafür bekannt sind, karmische Schleier zu reinigen, wie zum Bei-spiel von Amitabha, Medizinbuddha Sangyä Menla oder Akshobya.

− Stelle Statuen her, drucke Dharmatexte oder errichte Stupas.

− Bringe den drei Stützen der Praxis (Statuen, Texte und Stupas) Gaben dar, diene der Sangha, ver-ehre sie und opfere Mandalas. Falls du dich dem Mantrayana angeschlossen hast, führe Mandalas

Karma-Lesebuch, Seite 90

(Jidampraktiken) aus und opfere Ganachakras (Festopfer). Insbesondere bringe die fünf Verhal-tensweisen dar, die den Lama erfreuen.16

− Rezitiere (hörbar) die vom Siegreichen gelehrten Sutras und Tantras, wie die Prajnaparamita-Texte, das Sutra der großen Befreiung und dergleichen.

− Rezitiere die tiefgründigen Dharanis von Vairocana, Akshobya und das “Hundertsilbige Mantra des Sogegangenen”.

− Meditiere voller Vertrauen in die Buddhanatur über die wahre Bedeutung des Nicht-Selbst und verweile in der Dimension frei von Bezugspunkten der drei Kreise: (frei vom Haften an) zu rei-nigenden, schädlichen Handlungen und Schleiern, (frei vom Haften an) Gottheit und Mantra, welche die Reinigung bewirken, sowie (frei von Haften an) dir selbst an dem, der die Reinigung ausführt. Praktiziere so den wahren, tiefgründigen Yoga der Leerheit. Als Einstieg übe dich in dem Streben, alles als unwirklich und illusionsgleich zu erkennen.

Jedes dieser Mittel hat – wenn man damit zum entscheidenden Punkt vorstößt – die Fähigkeit, Ursache und Wirkung von schädlichen Handlungen zu Ende zu bringen. Doch um ganz unmittelbar die starke Negativität und die groben Schleier zu reinigen, welche das Entstehen der Erfahrung und der Verwirkli-chung von Mahamudra, unserer Hauptpraxis, verhindern, wird die Meditation und Rezitation von Dord-sche Sempa gelehrt.” (Ende des Zitates von Djamgön Kongtrul)

Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe S.39-41:

Wenn wir all unsere schädlichen Taten offen bekennen, werden sie gereinigt. Dieses Bekenntnis sollte mit Hilfe von vier Kräften geschehen:

l. Der Kraft des Verwerfens aus Reue über früher begangene Taten

2. Der Kraft der Anwendung von Gegenmitteln

3. Der Kraft der Abkehr vom Übel

4. Der Kraft des Rückhalts.

1. Die Kraft des Verwerfens

a. Bedenke, wie sinnlos schädliche Taten sind: Alle meine schädlichen Handlungen, sei es um Feinde zu vernichten, Freunde zu beschützen oder um materiellen Besitzes willen, sind ausschließlich zum Nutzen für dieses jetzige Leben bestimmt, doch Besitz wird mir zum Zeitpunkt des Todes nicht nachfolgen. Einzig und allein meine Handlungen (Karma) werden mir wie ein Schatten folgen. Selbst wenn mir die-se erwähnten Vorhaben gelingen, so bleiben doch all die Schwierigkeiten und die Ermüdung letztlich fruchtlos. Viradatta-grhapatipariprccha-Sutra:

«Eltern, Geschwister, Kinder und Ehefrau, Diener, Besitz und die Schar deiner Freunde Wer-den dir nicht In den Tod folgen. Doch alle deine Taten werden dir dorthin folgen.»

Bodhicaryavatara:

«Da ich nicht verstand, dass ich alles zurücklassen und gehen muss, habe ich um Freund und Feindes willen vielerlei schädliche Taten begangen.»

b. Die Folgen schädlicher Taten sind äußerst angsteinflößend: Vor dem Tod erfahren wir schwere Krankheiten, beim Sterben kommen die Gesandten des Todesherrn Yama und nach dem Tod nehmen wir Wiedergeburt in den drei niederen Daseinsbereichen, den Höllen und den anderen.

16 Die fünf Verhaltensweisen, die den Lama erfreuen, sind: (1) Verehrung darbringen (2) Dienste anbieten (3) Hingabe und Vertrauen entwickeln (4) Gehorsam (5) seine Unterweisungen (d.h. den Dharma) praktizieren

Karma-Lesebuch, Seite 91

c. Wir müssen schädliche Taten sofort reinigen. Denn ihre Folgen sind erschreckend, und wenn wir plötzlich sterben, ohne die schädlichen Handlungen gereinigt zu haben, besteht die große Gefahr, in ein Loch zu fallen, aus dem es keine Befreiung gibt. Bodhicaryavatara:

«Ohne meine schädlichen Taten gereinigt zu haben. Werde ich vorher eines natürlichen Todes gestorben sein. Bitte beschützt mich schnell, Um mich endgültig davon zu befreien... Auf den Herrn des Todes ist kein Verlass, Er wartet nicht darauf, ob ich meine Arbeit Verrichtet habe oder nicht. Ob krank oder gesund, niemand kann sich Auf das unberechenbare Leben verlassen.»

Aus diesen Gründen entwickeln wir Reue und legen vor einem “besonderen gesegneten Gegenstand Bekenntnis ab. Dies ist, wie wenn wir einen mächtigen Herrn bitten, uns die Schulden zu erlassen.

2. Die Kraft der Anwendung von Gegenmitteln

Die zweite Kraft besteht darin, als Gegenmittel zu schädlichen Handlungen heilsame Handlungen aus-zuführen. Selbst zahlreiche schädliche Taten können durch eine einzige heilsame Tat überwunden wer-den. Mahaparinirvana-Sutra:

«Wer tausend Zeitalter lang Ungeheuerlich schädliche Taten begangen hat, Kann diese durch ein einmaliges Vollständiges Bekenntnis alle reinigen.»

Dies ist, wie wenn etwas Verschmutztes gewaschen und mit Duftwasser besprenkelt wird.

3. Die Kraft der Abkehr vom Übel

Die dritte Kraft besteht darin, aus Angst vor dem Reifen schädlicher Handlungen zu geloben, solche fortan zu unterlassen:

«Ihr spirituellen Führer, bitte nehmt meine Reue Über meine schädlichen Handlungen an. Da solche Handlungen nicht heilsam sind, Werde ich sie in Zukunft nie mehr begehen.»

Dies ist, wie wenn Wasserrohre umgeleitet werden.

4. Die Kraft des Rückhalts

Die vierte Kraft besteht darin, Zuflucht zu den Drei Juwelen zu nehmen und die erwachte Geisteshal-tung zu entwickeln. Im Sukarikavadana heißt es:

«Wer Zuflucht zum Buddha genommen hat, Wird nicht in die niederen Daseinsbereiche gehen. Nachdem er den gegenwärtigen Menschenkörper verlassen hat, Wird er einen göttlichen Körper erhalten.»

Bodhicaryavatara:

«Wie ungeheuerlich ihre schädlichen Taten auch sein mögen, Warum sollten sich die Furchtsamen nicht auf das stützen, Wodurch sie sich augenblicklich davon befreien können, Genauso wie panische Angst vergeht, Wenn man sich auf einen Helden stützt.»

Karma-Lesebuch, Seite 92

Dies ist, wie wenn sich ein schwacher Mensch an einem starken Menschen festhält, oder wie wenn Gift mit Mantras überwunden wird.

In früheren Zeiten haben Angulimala, der 999 Menschen umgebracht hatte, Udayana, der seine Mutter ermordete, Nanda, der so an Frauen verhaftet war, und Ajatasatru, der seinen Vater tötete, ihre Untaten durch die vier Kräfte gereinigt und die Arhat- bzw. die Srotapanna-Stufe erlangt:

«Wer früher gewissenlos gewesen Und später gewissenhaft wird, Wird so anmutig wie der Mond am wolkenlosen Himmel. Genauso wie Nanda, Angulimala, Ajatasatru und Udayana.»

Gendün Rinpotsche in Drei Siegel, Seite 22:

"Die Bitte, den Dharma zu lehren: Als weiteren Teil der grundlegenden Praktiken bringen wir die Bitte zum Ausdruck, dass die Buddhas das Rad der edlen Lehre drehen mögen, damit all die verschiedenen Unterweisungen, die den unterschiedlich weit entwickelten Lebewesen entsprechen, weiterhin verfügbar sind. Diese Bitte trägt dazu bei, das negative Karma zu reinigen, das wir in der Vergangenheit anhäuf-ten, als wir die Lehre Buddhas noch nicht kannten und dachten, unsere Sichtweisen und Philosophien seien allen anderen überlegen."

Gendün Rinpotsche in Drei Siegel, Seite 23:

"Unsere schädlichen Handlungen zu reinigen bedeutet auch, sie offen einzugestehen. Wir tun dies mit dem Wunsch, von schädlichen Verhaltensweisen und Tendenzen frei zu werden, weil wir erkennen, dass sie die Ursache allen Leides sind. Da wir nach dem vollkommenen Erwachen streben, müssen wir von den Konsequenzen unserer schädlichen Handlungen frei werden. Solange wir diese Negativität nicht gereinigt haben, ist es nicht möglich, Befreiung zu erlangen. Deshalb bekennen wir all unsere schädlichen Handlungen und Tendenzen. Das können wir mit Hilfe einer vorgegebenen Struktur wie der Dordsche Sempa Praxis tun.

Wie diese Praxis des Offenlegens und Reinigens auszuführen ist, können wir im Detail in einem der Kommentare nachlesen, wo sie ausführlich beschrieben wird.17 Wir beginnen damit, Dordsche Sempa über unserem Kopf zu visualisieren, so wie er im Text der vorbereitenden Übungen beschrieben wird. In seiner Gegenwart bekennen wir alle schädlichen Handlungen, die wir in der Vergangenheit begangen haben."

Die Bedingungen für ein wirksames Eingeständnis

"Damit dieses Bekennen seine Wirkung tut, müssen verschiedene Bedingungen zusammenkommen:

Gewahrwerden: Zunächst müssen wir uns der schädlichen Handlungen, die wir begangen haben, be-wusst werden. Dafür ist es nötig, so weit wie möglich zurückzuschauen in diesem Leben, bis in die frü-heste Kindheit, und genau zu untersuchen, was wir alles an Schädlichem in all diesen Jahren begangen haben. Wir sollten uns auch der geringsten Details bewusst werden, da uns nur so klar wird, wieviel Zeit wir schon mit schädlichen Handlungen verbracht haben. Schauen wir nicht äußerst genau hin, bleiben wir überzeugt, nie etwas wirklich Schädliches getan zu haben, und denken, es sei gar nicht nötig, irgend etwas zu bekennen.

Bereuen: Dann bedenken wir die Folgen dieser schädlichen Handlungen und uns wird klar, wie drin-gend es ist, sie zu reinigen. Reinigen wir sie nicht, laufen wir Gefahr, in Daseinsbereichen mit großem Leid wiedergeboren zu werden, wie in den Bereichen unaufhörlicher Qual, den sogenannten Höllen oder im Bereich der von Hunger und Durst Gequälten. Sich so der Folgen schädlicher Handlungen bewusst zu werden, weckt Angst und Befürchtungen und spornt uns an, wirklich unsere schädlichen Tendenzen zu reinigen, bevor sie zu neuem Leid heranreifen. Nur indem wir uns unserer schädlichen Verhaltens-weisen und Tendenzen vollständig bewusst werden, können wir sie reinigen. Aus diesem Grund ist das Nachdenken über die Handlungen der Vergangenheit unumgänglich.

17 Diese Kommentare heißen Ozean des Wahren Sinnes und Licht des Wahren Sinnes

Karma-Lesebuch, Seite 93

Vertrauensvoll Gegenmittel anwenden: Natürlich können wir uns nur an Handlungen aus diesem Leben erinnern, aber wir können aus ihnen schlussfolgern, dass wir in früheren Leben auf ähnliche Weise ge-handelt haben. Wir haben eine große Menge negatives Karma zu reinigen. Dies tun wir, indem wir unse-re Handlungen offen eingestehen. Die beste Praxis dafür ist Dordsche Sempa (Vajrasattva). Dabei visua-lisieren wir ihn über unserem Scheitel und stellen uns vor, dass von seinem Körper starkes Licht aus-strahlt, mit uns verschmilzt und uns von unserem negativen Karma reinigt. Wenn wir ganz tiefes Ver-trauen in Dordsche Sempas Mitgefühl und in seine Fähigkeit haben, Reinigung zu bewirken, dann voll-zieht sie sich tatsächlich.

Versprechen: Die Reinigung wird noch verstärkt durch unser Versprechen, in Zukunft keine solchen Handlungen mehr mit Körper, Rede und Geist auszuführen. Wenn wir uns an dieses Versprechen halten, können wir sicher sein, dass all die negativen Handlungen, die wir seit anfangsloser Zeit angesammelt haben, durch und durch gereinigt werden. Ein Bekennen ohne diese innere Verpflichtung, in Zukunft keine solchen schädlichen Handlungen mehr auszuführen, bleibt unvollständig. Wenn wir meinen, dass wir sie ja dann reinigen können, falls wir wieder welche begehen, ist das nur ein Hinweis darauf, dass wir aufgrund mangelnder Entschlusskraft nicht wirklich fähig sind, unsere früheren schädlichen Hand-lungen zu reinigen. Vielleicht haben wir auch nicht genug Vertrauen in Dordsche Sempa und bezwei-feln, selbst nach der Meditation, dass unsere schädlichen Handlungen wirklich gereinigt sind. Bei sol-chen Zweifeln können wir vielleicht unsere kleineren schädlichen Handlungen reinigen, aber nicht die schwerwiegenden Vergehen.

Für eine vollständige und endgültige Reinigung all unserer schädlichen Handlungen braucht es zwei Dinge: den sehr festen Entschluss, solche Handlungen in Zukunft nicht mehr zu begehen, und ein uner-schütterliches Vertrauen in die Fähigkeit Dordsche Sempas, all unser negatives Karma zu reinigen."

Gendün Rinpotsche in Drei Siegel, Seite 47:

"Am Ende jeder Sitzung stellen wir uns vor, dass Lichtstrahlen von Körper, Rede und Geist des Buddha ausgehen, als Segen in unseren eigenen Körper, Rede und Geist schmelzen und all unsere Schleier und Negativität reinigen. Dann stellen wir uns vor, dass sich der Körper des Buddha in Licht auflöst und mit uns verschmilzt, so dass kein Unterschied mehr zwischen ihm und uns besteht. Das ist, als wenn man Wasser in Wasser schüttet - es mischt sich untrennbar. Unser Geist verweilt völlig ungekünstelt und lässt sich in großer Entspannung und ohne jegliche Anhaftung in der letztendlichen Wirklichkeit nieder.

Diese Praxis erlaubt es, geistige Stabilität zu entwickeln und gleichzeitig den Segen des Buddha zu empfangen. Dadurch entstehen Erfahrungen und Erkenntnisse und wir reinigen unser Karma. Diese Meditation ist also sehr nützlich."

99. Wie kann ich gezielt Handlungen des Körpers reinigen?

Gendün Rinpotsche in Gesetz des Karma, Seite 9:

"Man läutert nichtheilsame Handlungen des Körpers, indem man heilsame Handlungen mit dem Körper vollbringt, wie etwa Verbeugungen, die eine Übung mit sehr großem Wert sind und das Heranreifen aller in der Vergangenheit unter dem Einfluss von Stolz begangenen Taten beseitigen. Oft zeigen wir aus Stolz schädliches Verhalten mit dem Körper, und dies droht in Form von Leiden zur Reife zu gelan-gen. Sich zu verbeugen oder niederzuwerfen beseitigt die Schleier und das Reifen fehlerhafter Handlun-gen, weil man sich vor etwas Authentischem niederwirft, das besser ist als wir selbst, und das ist es, was die Folgen des Stolzes beseitigt. Man wirft sich nicht dem Lama oder dem Buddha zuliebe nieder; die Niederwerfungen sind einfach eine Art und Weise, die Schleier des Geistes zu läutern. Eine andere heil-same Handlung des Körpers besteht darin, heilige Objekte zu umkreisen, wie etwa Stupas, Tempel etc. Eine letzte Weise, die Schleier schädlicher Handlungen des Körpers zu läutern, ist die Praxis von Medi-tationen, bei denen man den eigenen Körper als Gottheit visualisiert. Unsere gewöhnliche Dimension wird dann völlig beseitigt und von der Meditation über die Reinheit des Körpers der Gottheit hinwegge-fegt."

Karma-Lesebuch, Seite 94

100. Wie kann ich Handlungen der Rede reinigen?

Gendün Rinpotsche in Gesetz des Karma, Seite 10:

Es gilt, die auf der Ebene der Rede begangenen schädlichen Taten zu läutern. Dies geschieht durch rich-tigen Gebrauch der Rede, etwa durch die Rezitation von Mantras, eine sehr heilsame Handlung. Man kann verschiedene Mantras rezitieren: das Mantra des Mitgefühls oder das hundertsilbige Mantra des Dordsche Sempa. Diese heilsame Aktivität der Rede bewirkt die Beseitigung der Schleier und des po-tentiellen Heranreifens schädlicher Handlungen durch vorherigen schlechten Gebrauch der Rede.

101. Wir müssen unser Karma erfahren, um es zu reinigen

Gendün Rinpotsche (in einem Gespräch):

"Durch Eure Praxis werdet Ihr all die früheren Tendenzen, all das frühere Karma in diesem Körper erle-ben, damit es in diesem Leben gereinigt wird. Dieses Auftauchen vergangenen Karmas kann sehr kraft-voll, sehr erschütternd sein, weil es schon so lange Zeit angesammelt wurde. Es ist keine leichte Ange-legenheit, sondern ein hartes Geschäft. Ihr solltet daran denken, dass all das, was ihr jetzt in diesem Le-ben, in diesem Körper erfahrt, die Folge früherer Leben ist...

Ihr solltet völliges Vertrauen haben, dass Ihr alle diese Tendenzen reinigen müsst, um Erleuchtung zu erlangen, nichts anderes. Um diese Tendenzen reinigen zu können, müsst Ihr sie erfahren. Und Ihr er-fahrt sie durch die Praxis und den Segen des Lamas. Die Frage dabei ist nur, ob man das voll akzeptiert und sogar darum bittet, indem man den Lama aufrichtig darum bittet: "Ich möchte von all diesen Ten-denzen, diesem Karma in diesem Leben gereinigt werden. Bitte gewähre mir Deinen Segen, gewähre mir Zuflucht. Ich gebe mich Dir vollkommen hin und akzeptiere von ganzem Herzen, gereinigt zu wer-den. Mögen all diese Tendenzen zum Vorschein kommen, erfahren und gereinigt werden bis nichts mehr von ihnen übrig ist!...

Und Ihr solltet wirklich hoffen und Euch zutiefst freuen, dass all das Karma hochkommt. Betet, dass Ihr noch mehr davon erfahrt, so dass Ihr noch mehr davon reinigen könnt und noch mehr Freude erlebt und immer mehr Segen vom Lama erfahrt."

Licht des wahren Sinnes, Seite 71:

"Wenn wir uns mit großer Beharrlichkeit der Praxis widmen, dann wird altes, negatives Karma zum Vorschein kommen. Es werden unangenehme Erfahrungen, wie körperliche Krankheiten oder geistiges Leid, auftauchen. Doch dies sind, so heißt es, die Anzeichen beginnender Reinigung unseres Wesens-stromes, genauso wie beim Auswaschen eines Behälters Schmutz zum Vorschein kommt. Lasse dich nicht durch schwierige Umstände deiner Praxis berauben, sondern zeige große, freudige Ausdauer."

102. Die Praxis in Traum und Nachtodzustand

Drei Siegel, Seite 59:

"Gelingt es uns, in dieser Weise während des Wachzustandes zu üben, können wir auch mit Träumen arbeiten, denn da erleben wir ebenfalls schwierige Situationen. Wir können uns von Alpträumen und von Ängsten im Traum befreien, indem wir Gebete und Wünsche an den Lama richten. Haben wir es uns zur Gewohnheit gemacht, während des Tages zu den drei Juwelen und zum Lama Zuflucht zu neh-men, wird das Zufluchtnehmen auch während des Schlafes und Träumens eine automatische Reaktion des Geistes, und so können wir uns von aller Angst und allem Schrecken befreien. Wenn wir lernen, dies ganz natürlich und automatisch während des Lebens zu tun, so haben wir im Tod und im Bardo eine Chance, uns von den Erscheinungen und Ängsten zu befreien, die wir dann als Ergebnis unseres Karmas wahrnehmen werden. Es ist wichtig, uns von jetzt an darin zu üben, um auf den Moment des Todes und die Nachtodphase vorbereitet zu sein."

103. Persönlicher Entschluss

Als Teil unserer täglichen Praxis können wir folgende Sätze zu uns sprechen:

Karma-Lesebuch, Seite 95

Zur Todesstunde erlange ich keine Freiheit, denn aufgrund des Gesetzes von Ursache und Wirkung wird mich mein Karma weiter begleiten. Daher sollte ich nichtheilsame Handlungen aufgeben und mich un-aufhörlich heilsamen Handlungen widmen. Ich werde jeden Tag, bei allen Aktivitäten, darauf achten, was für Handlungen ich ausführe und mit welcher Motivation ich handle, und darauf hinarbeiten, im-mer achtsamer in Hinblick auf die Auswirkungen meiner Handlungen zu werden.

Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe S.21: “Kurz zusammengefasst besteht die Meditation darin, sich folgendes zu überlegen: Wenn ich Kontrolle über meine nächste Wiedergeburt nach dem Tode hät-te, so würde dies in sich selbst genügen. Meine nächste Geburt hängt jedoch von meinen jetzigen Hand-lungen ab. Ich werde deshalb das Tun und Lassen von Handlungen im Hinblick auf karmische Ursache und Wirkung nicht durcheinander bringen, sondern fehlerlos praktizieren. Daraufhin überprüfe ich den eigenen Geist und bemühe mich, schädliche Handlungen zu unterlassen und heilsame Handlungen aus-zuführen.”

Bodhicaryavatara:

«Aus Untugend erwächst Leiden. ‹Wie kann ich mich nur endgültig davon befreien!› Tag und Nacht darüber nachzudenken Ist das einzig Angebrachte.»

104. Merksprüche des Geistestrainings zum Thema Karma:

Beginne mit dem Annehmen bei dir selbst

Sieh dein eigenes Leid, nimm es vollständig an, und bereinige es, bevor du den Austausch mit anderen beginnst. Mache den Wunsch, dass dein schlechtes Karma so schnell wie möglich in diesem Leben reif wird, so dass es gereinigt werden kann, solange noch Zeit ist. Höre auf, dich vor dir selbst zu verstecken.

Öffne dich, und gib jegliches Ego-Hoheitsgebiet auf.

Was von den beiden auch eintreten mag, sei geduldig

Ob Glück oder Leid, bleibe ausgeglichen und nutze alles für die Praxis. In Schwierigkeiten nimm alles Leid auf dich, und im Glück widme alles den anderen. Nutze jede Situation, um leidvolles Karma zu reinigen und auf das Erwachen gerichtetes, positives Karma aufzubauen. Verzage nicht bei Leid, und verliere dich nicht im Glück, denn beides ist die Folge früherer Handlungen.

105. Was sind die Früchte der Meditation über Karma?

• Das Nachdenken über Karma ist eine wesentliche Hilfe, um zu verstehen, warum uns dieses oder jenes im Leben begegnet oder zustößt und warum wir so sind, wie wir sind. Es zeigt uns die Ursa-chen von Glück und Leid.

• Ein Verständnis karmischer Gesetzmäßigkeiten ermöglicht uns, unsere Zukunft bewusst zu gestalten und aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, denn ein Verständnis der karmischen Bedingtheit von Situationen lässt uns unsere Freiheitsspielräume wie auch die Beschränkung durch bereits wirk-same Kräfte und Bedingungen erkennen. Es lässt uns dieses kostbare Menschendasein schätzen, welches uns ermöglicht, uns von Leid zu befreien und Befreiung von karmischen Zwängen zu errei-chen.

• Die Gesetzmäßigkeiten von Ursache und Wirkung zu verstehen ist ein elementarer Faktor für unser Zufluchtnehmen in den Dharma, der diese Gesetzmäßigkeiten wie auch die zum ihrem geschickten Anwenden in Hinblick auf die Befreiung notwendigen Methoden erläutert. Es entsteht ein Gefühl von Dringlichkeit in der spirituellen Praxis, wenn wir erahnen, was für ein "Berg" negativen Karmas darauf wartet, zur Reife zu kommen.

Karma-Lesebuch, Seite 96

• Die Ursachen von Leid und Glück zu verstehen vertieft zudem unser Mitgefühl und bereitet allem Selbstmitleid ein Ende. Es ermöglicht uns, anderen zu helfen, weil wir nun dann wissen, wie das zu bewerkstelligen ist.

• Ein Verständnis von Karma hilft uns, Geduld zu entwickeln und langfristig sinnvolle Ziele anzu-streben, die nicht auf der immer wieder leiderzeugenden Suche nach weltlichem, persönlichem Glück aufbauen.

• Ein Verständnis von Karma lässt uns erahnen, was ein Buddha und was erleuchtete Aktivität ist.

Gendün Rinpotsche in Drei Siegel, Seite 6:

Wenn wir uns durch die Kontemplation über Karma und Vergänglichkeit bewusst werden, worum es in Wirklichkeit geht, entsteht ein Gefühl der Dringlichkeit.

Die Angst, zu sterben und in niederen Daseinsbereichen wiedergeboren zu werden, wird zum Antrieb, sofort zu handeln. Wir denken an nichts anderes mehr als den Dharma, und unser Geist beruhigt sich und wird klar. Er ist nicht mehr von weltlichen Ambitionen aufgewühlt und das Meditieren wird sehr viel leichter.

Aus obiger Zusammenstellung wird offensichtlich, dass der Karmalehre innerhalb buddhistischer Dharmapraxis eine eminente Position zukommt. Buddhas Lehre wäre ohne die Erläuterung der Zusam-menhänge zwischen Handlungen und ihren Folgen des wichtigen Bindeglieds beraubt, welches unseren jetzigen Zustand der Verwirrung mit dem Zustand vollkommener Befreiung verbindet. Der Buddha lehrte:

Ändere dein Handeln und du erlangst Befreiung von allem Leid.

106. Zusammenfassung der Karmalehren

Als Zusammenfassung all dessen, was wichtig zum Thema “Handlungen und ihre Folgen” ist, sei zum Abschluss die folgende Unterweisung zitiert.

Gendün Rinpotsche in Eine Quelle der Wohltat und Freude, Seite 53-56 (überarbeitet):

“Was ist die eigentliche Ursache all des Leidens, das wir erfahren? Wir sollten verstehen, daß Leid auf-grund von Handlungen entsteht, die aufgrund von Verwicklung in Emotionen ausgeführt wurden. Diese reifen dann zu schmerzhaften Erfahrungen für den Handelnden heran.

Die unterschiedlichen Situationen der Wesen sind durch ihre unterschiedlichen Handlungen verursacht. Das Universum selbst ist durch Handlung (Karma) hervorgebrachte Illusion, und die große Verschie-denartigkeit der Erfahrung der Wesen darin ist auf die Verschiedenartigkeit ihrer Handlungen zurückzu-führen.

Im allgemeinen können wir sagen, daß jegliche Handlung zwei Stufen hat:

a) die Bildung allgemeiner Einstellungen im Geist und b) die Bildung einer Absicht, bestimmte Hand-lungen auszuführen, die dann durch Körper oder Rede zum Ausdruck kommen können.

Dabei gibt es drei Gruppen von Handlungen:

(l) Nichtheilsame Handlungen: Zu allererst treten Erscheinungen in unserem Geist auf. Dieses Auftreten von Gedanken beinhaltet stets die Möglichkeit, dass wir unangemessen oder negativ auf sie reagieren. Haften wir an diesen Gedanken, dann erleben wir Gefühle wie Begierde, Hass oder Unwissenheit. Das Umsetzen dieser Gefühle durch die zehn nichtheilsamen oder “unangemessenen” Handlungen hat schließlich zur Folge, dass wir die Leiden der drei niedrigen Existenzbereiche erfahren.

(2) Heilsame Handlungen: Geben wir das Anhaften an potentiell schädliche Gedanken auf, so praktizie-ren wir heilsames Handeln. Das heißt, wir führen die zehn heilsamen oder “angemessenen” Handlungen aus. Alle diese Handlungen tragen zur Ansammlung von Verdiensten bei. Diese Ansammlung heilsamer

Karma-Lesebuch, Seite 97

Kraft wiederum hat zur Folge, dass wir einen vorteilhaften menschlichen oder göttlichen Körper erlan-gen.

(3) Unbewegliche Handlungen (in meditativer Versenkung): In den vier samsarischen Zuständen medi-tativer Sammlung, in denen der Meditierende an seiner Meditationserfahrung haftet, kann große Freude entstehen. Durch die Kraft dieses Wohlgefühls tritt der Praktizierende in einen Zustand tiefer Versen-kung ein. Als Folge hiervon wird er später als Gott in einem geistigen Bereich meditativer Sammlung geboren,

Glücklich oder unglücklich, all die verschiedenen Erfahrungen in diesem Universum entspringen der Ansammlung von Karma, die wir selbst durch unsere verschiedenen Handlungen in früheren Leben geschaffen haben. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass sich heilsame Handlungen immer als Glück für den Handelnden auswirken und dass nichtheilsame Handlungen immer zu Leid für den Handelnden führen. Dieses Gesetz von Ursache und Wirkung der Handlungen ist unfehlbar.

Niemand außer dem Handelnden selbst wird die zur Reife kommenden Auswirkungen seiner Handlun-gen erfahren. Das Gesetz von Ursache und Wirkung ist untrüglich. Und wie heilsam die Handlungen anderer auch sein mögen, man selbst wird niemals die Folgen der Handlungen anderer erleben. Jede Handlung hat ihre Wirkung. Selbst wenn ein ganzes Zeitalter bis zum ihrem Heranreifen vergeht, ist es völlig unmöglich, dass eine Handlung keine Wirkung haben wird. Alles, was wir erfahren, ist das Er-gebnis des Heranreifens der Ansammlung unserer eigenen früheren Handlungen.

Wenn wir schädlich handeln, sollten wir uns dies stets eingestehen, denn das Gesetz von Ursache und Wirkung ist unfehlbar. Wir sollten uns dann vornehmen, von jetzt an nicht mehr in dieser Weise zu handeln. Nach dem Eingestehen sollten wir rein, frei von Negativität sein.

Wir sollten uns niemals nach Erleichterung für unser körperliches Wohlergehen sehnen, niemals wün-schen, den Reichtum oder das Glück anderer zu besitzen, und anderen gegenüber niemals böswillig sein. Wir sollten einfach zufrieden sein mit dem, was auch immer wir haben und sind. Lediglich mit der ge-ringen Menge an Verdiensten, die wir bisher erst angesammelt haben, sollten wir nicht zufrieden sein.

Verringert sich unsere Falschheit gegenüber anderen, so werden wir fähig, schädliche Handlungen ihnen gegenüber aufzugeben. Dann sollten wir damit beginnen, ihnen zu nützen wie immer wir können. Wenn wir tun, was anderen hilft, erlangen wir schließlich das große Glück der Erleuchtung.

Nehmt euch als wesentliche Unterweisung über das Gesetz von Ursache und Wirkung folgende geistige Einstellung zu Herzen und haltet euch unbedingt daran:

Hege nicht die Spur von Feindschaft gegenüber anderen, sondern den Wunsch, ihnen stets und aus-schließlich zu helfen.”

107. Fragen zur weiteren Diskussion:

− Welche Folgen unseres Tuns sind unmittelbar und zweifelsfrei in diesem Leben erkennbar? − Karma und wechselseitige Abhängigkeit – gibt es überhaupt ein unabhängiges Karma einzelner

Personen? Ist nicht alles ein ständiges Spiel sich wechselseitig bedingender Beeinflussungen? Sind Täter nicht zugleich auch Opfer und umgekehrt...?

− Welche Rolle spielen subtile oder unbewusste Prozesse? − Haben bestimmte Handlungen (immer) bestimmte Ergebnisse? − Kann oder soll man "in das Karma anderer eingreifen"? − Warum genügen Ethik und Moral alleine nicht? − Wie kommt karmisches Wirken zur Ruhe? − Gibt es "Gnade"? − Wie kann ich heilsames Verhalten einüben?

Karma-Lesebuch, Seite 98

Fragen, die schriftlich von Kursteilnehmern gestellt wurden (Croizet, Neujahr 1999):

− Ist Karma etwas Unveränderliches? − Muss ich all mein Karma leben, oder kann ich mich heute schon davon befreien? Wenn ja, wie? − Was kann ich tun, wenn sich mein weltliches und mein spirituelles Karma widersprechen? − Ist es nicht etwas oberflächlich, kaltherzig und sogar verantwortungslos der Gesellschaft gegen-

über, große Verbrechen wie z.B. den Holocaust und Sexualverbrechen mit Karma zu erklären? − Den Verlust eines geliebten Wesens ertragen und traurig ohne dieses Wesen weiterleben zu müssen

ist schon schwierig genug. Das auch noch mit dem Begriff Karma belegt zu bekommen, ist für mich kein Trost. Ist das alles, was der Dharma da zu bieten hat?

− Kann ich zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt handeln, ohne Karma zu erzeugen? Gibt es karmafreies Handeln? Wie ist es zu bewerkstelligen?

− Sind Täter nur Erfüllungsgehilfen des Karmas ihrer Opfer? Haben weder Täter noch Opfer eine Wahl? Sind wir total dem Karma ausgeliefert? Das Leben wäre dann furchtbar eingeengt, aber man könnte es sich dann auch furchtbar einfach machen. Keiner trüge eine Verantwortung.

− Ist mein Leben und wie ich mein Leben führe von Geburt über mein Wirken bis hin zu meinem Tod vorherbestimmt?

− Warum ist die Welt wie sie ist? Warum führen ständig wiederkehrende Ursache-Wirkungs-Effekte nicht zu einer Verbesserung des Miteinanders? Warum wiederholen wir so oft, mit all seinen fatalen Folgen, bereits gemachte Fehler? Sind Ursache und Wirkung eine niemals endende Spirale? Oder wo führt der Weg hin?

− Wie kommt es, dass meine Fragen zu diesem Thema immer mehr werden, je mehr ich mich damit beschäftige?

− Hat es einen Sinn, Spekulationen über die karmischen Ursachen von Schicksalsschlägen anzustel-len? Bringt es etwas, sich zu fragen: Warum?

− Wie lassen sich überhaupt karmische Ursachen aufspüren? − Wie können/sollen wir uns mit kollektivem Karma der Vergangenheit, z.B. dem Faschismus in

Deutschland, in der Praxis auseinandersetzen? Wie können wir es reinigen? − Wenn wir Loslassen praktizieren, Hingabe an den Lama, was hat das für Auswirkungen auf unser

Karma? Wird unser Leben dann nicht viel weniger vorhersagbar? − Sollten wir unser Vertrauen in Karma setzen, so wie in unseren Lama? Abschließender Rat von Karmapa im Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe S.21:

“Die ausführliche Behandlung dieses Themas sowie die klaren Originaltextworte finden sich im Kapitel über Karma des Abhidharmakosha, im Karmasataka-Sutra und im Ratnavali. Diese sind so in die Praxis umzusetzen, wie es dort erklärt ist.”

Es ist also an uns, dort nachzulesen, um tiefer zu verstehen…

108. Subtilere Aspekte der Karmalehre: Information und Nichtinformation

Vasubandhu in der Abhidharma-Schatzkammer (Kap.4, S.3): “Körperliche und sprachliche Handlungen sind Information (vijnapti) oder Nichtinformation (avijnapti). Wir haben also körperliche Information, sprachliche Information, körperliche Nichtinformation und sprachliche Nichtinformation.”

“Information” (vijnapti) ist eine Handlung, die “etwas wissen lässt”, die sichtbare oder hörbare Manifes-tation eines Gedanken, sei es durch Gesten als körperliche Mitteilung (kayavijnapti) oder durch das Er-klingen der Stimme als sprachliche Mitteilung (vagvijnapti).

“Nichtinformation” (avijnapti) ist eine Handlung, die “andere nichts wissen lässt” und die nur geistig (im dharmayatana) wahrgenommen werden kann. (Vielleicht könnte man diesen Begriff auch als “nicht direkt sicht- und hörbare Information” oder “äußerst subtile Information” übersetzen. Gemeint ist der subtile Aspekt von Handlungen, der einer absichtsvollen, geistigen Handlung entspricht.)

Vasubandhu (S.14-16) erklärt diese subtile Information (“Nichtinformation”) als unsichtbare, nicht ver-letzbare Form (rupa), die “rein” (anasrava) ist, im Sinne von: “kein Auslöser von Anhaftung und Ab-

Karma-Lesebuch, Seite 99

neigung”. Das Vorhandensein dieser subtilen Information, die einen Geistesstrom begleitet, erklärt das Anwachsen von Verdiensten unabhängig vom momentanen Geisteszustand. Auch erklärt dies, warum jemand, der eine Handlung befiehlt, das volle Karma, d.h. den vollen “Handlungsweg” (karmapatha) der in seinem Auftrag ausgeführten Handlung zu tragen hat. Zudem erklärt dies, warum ein in meditati-ver Vertiefung (samadhi) weilender Yogi das Karma von rechter Rede, rechtem Handeln und rechter Lebensweise erwirbt und wie das Unterlassen von Handlungen (z.B. durch die Gelübde der individuel-len Befreiung) eine tatsächliche Handlung mit karmischen Auswirkungen darstellt.

Vasubandhu (S.30): Diese subtile Information ist nie unbestimmt, sondern stets heilsam oder nichtheil-sam. Unbestimmte Absichten sind zu schwach, solch eine starke Kraft hervorzurufen wie diese “Nicht-information”, die sich immer weiter fortsetzt nachdem die anfängliche Ursache vorbei ist. (S.58:) Aber selbst schwache verdienstvolle materielle Handlungen, (die zumindest so stark sind, dass sie eine sicht-bare Handlung darstellen) erzeugen ebenso wie alle mit voller karmischer Kraft ausgeführten Handlun-gen (“Handlungspfade”) eine solche subtile Information. Vasubandhu (S.94:) Handlungen, die einem starken “Feld” gegenüber ausgeführt werden (z.B. hoch Verwirklichte), das Nehmen von Gelübden und voller Ernst, Hingabe oder Leidenschaft ausgeführte Handlungen bringen solche “Nichtinformation” hervor.

1. Beispiel: Jemand, der einen Mord begeht oder jemand, der die Mönchsgelübde nimmt, bringt auf-grund einer Absicht mit Gesten oder Worten körperlich oder sprachlich “informative” Handlungen her-vor. Zugleich bringt er eine unsichtbare Handlung, die ihn weiterhin begleiten und anwachsen wird, aufgrund derer er ein Mörder oder Mönch ist.

Die unsichtbare Handlung, die von bestimmten sicht- und hörbaren Handlungen hervorgerufen wird und die (im nicht seh- und hörbaren Bereich) informiert, wird “Nichtinformation” genannt. Je nachdem ob diese “nicht direkt sicht- und hörbare Information” eine körperliche oder eine sprachliche Handlung begleitet, wird sie “körperliche Nichtinformation” bzw. “sprachliche Nichtinformation” genannt.

2. Beispiel: Wenn jemand einen Mord befiehlt, führt er nicht die Geste aus, durch die der Mord ausge-führt wird. Seine Befehl ist nur eine Vorbereitung des Mordes und es haftet ihm keine “körperliche In-formation des Mordes” an. Aber in dem Moment, wo der Ermordete stirbt, entsteht im Auftraggeber eine “Nichtinformation des Mordes”, die ihm als Schuldigem anhaftet. (Dies wird von den Vaibhasika – zitiert von Vasubandhu, S.21-22 – so erklärt, dass die geistigen Prozesse des Auftraggebers im Moment der Ausführung des von ihm befohlenen, d.h. verursachten Mordes, eine subtile Wandlung erfahren, so als hätte er den Mord selbst ausgeführt.)

3. Beispiel: Wenn jemand in tiefe meditative Versenkung (dhyana) eintritt – jenseits allen Verwickelt-seins in Anhaften und Ablehnen von Sinneseindrücken und dergleichen –, dann spricht er keine Gelüb-de aus, durch die er die “sprachliche Information” wie auch die sie begleitende “sprachliche Nichtin-formation” des Entwickelns von Disziplin (samvara) erzeugen würde. Aber die Handlung des Vertieft-seins ist für sich allein stark genug, um ohne sonstige Handlungen die “Nichtinformation” der Disziplin hervorzurufen, die diesen Praktizierenden von da begleitet.

Vasubandhu (Kap.4, S.8): “Körperliche Information” (kayavijnapti) ist nicht eigentlich Ortswechsel oder Bewegung, sondern wird korrekter als von Moment zu Moment entstehende “Figuren” (samstha-na) beschrieben.

Vasubandhu (Kap.4, S.12): “Körperliche Handlung” hat den Körper als Objekt, d.h. Absicht (cetana) setzt den Körper auf verschiedene Weisen in Aktivität . “Sprachliche Handlung” hat die Rede als Objekt und “geistige Handlung” ist das Handeln des Geistes (manas) oder Handeln verbunden mit dem Geist.

109. Erstantrieb und Zweitantrieb von Handlungen

Vasubandhu in der Abhidharma-Schatzkammer (Kap.4, S.36-37):

“Es gibt zwei Dinge, die eine Handlung hervorrufen (samutthana): Dies sind (a) die hervorrufende Ur-sache (hetu-samutthana), die der Initiator oder Erstantrieb (pravartaka) der Handlung ist, und (b) das, was die eigentliche Handlung hervorruft (tatksana-samutthana), der zweite Antrieb (anuvartaka), ohne den die eigentlich beabsichtigte Handlung nicht ausgeführt würde. … Bereits der Erstantrieb führt zu

Karma-Lesebuch, Seite 100

einer “Information” (bzw. “Nichtinformation”), diese ist aber klarer (sputa, vyakta), wenn auch ein Zweitantrieb vorliegt.”

Dies entspricht (a) dem Entwickeln der Absicht (“absichtsvolles Handeln”) und (b) dem Ausführen der Absicht (“beabsichtigtes Handeln”). Nun stellt sich die Frage (Vasubandhu S.40-41):

“Ist der Zweitantrieb von gleicher Natur wie der Erstantrieb? (Antwort): Auf einen heilsamen Erstan-trieb können drei Arten von Zweitantrieb folgen: heilsam, nichtheilsam oder unbestimmt. Das gleiche gilt auch für einen nichtheilsamen oder unbestimmten Erstantrieb. Was aber einen Buddha angeht, so sind Erst- und Zweitantrieb stets von gleicher Natur und nichtheilsame Antriebe treten bei einem Budd-ha nicht auf.

110. Literaturverzeichnis (unvollständig)

Asanga : Abhidharmasamuccaya, “Le Compendium de la Super-Doctrine”, traduit par Walpola Rahula 1970 Buddha Shakyamuni: Auswahl aus dem Palikanon, Fourier Verlag, Zitate zu Karma auf den Seiten 62, 128, 132, 134, 148, 158, 202, 263f., 283, 332ff., 384ff., 402, 419, 446, 448, 490-501, 656ff., 709ff., 717f., 737, 788, 796, 823 Debes, Paul: Begriffe der Buddha-Reden mit Erklärung, 1979 und 2006, Herausgeber: Buddhistisches Seminar, D-95463 Bindlach Gendün Rinpotsche: - Der Weg des Bodhisattva, unveröffentlicht

- Das Gesetz des Karma, Mai 1991, unveröffentlicht - Geist des Erwachens, Unterweisungen in Dhagpo März 1990, unveröffentlicht - Die drei Siegel, unveröffentlicht - Eine Quelle der Wohltat und der Freude, Kagyü Dharma Verlag (vergriffen), 95 S.

Kongtrul, Djamgön: Licht des wahren Sinnes, noch nicht veröffentliche Neuübersetzung des “Lichtes der Gewissheit” (bisher Aurum Verlag) Gampopa: - Der kostbare Schmuck der Befreiung, Theseus Verlag, 301 Seiten

- Die Kostbare Girlande des höchsten Weges, Theseus Verlag (Frühjahr 1999), ca. 80S. Karmapa Wangtschug Dordje: Ozean des Wahren Sinnes, 3 Bände, Theseus Verlag Kornfield, Jack, Frag den Buddha und geh den Weg des Herzens, Kösel Verlag, S.362f. Lhundrup (Sönam): - Der rote Faden, unveröffentlicht - The 51 mental factors Norlha, Lama: Meditation von Chagme Rinpoche zu Karma, auf S.206ff. in Kalu Rinpoche, Der Dhar-ma, Nyānaponika Thera: „Kamma und seine Frucht“, S. 265-275 in Im Lichte des Dhamma, Verlag Christi-ani, Konstanz Nyānatiloka, Das Wort des Buddha, Verlag Beyerlein und Steinschulte, 116 S. Padmasambhava, Dakini-Lehren, O.W.Barth Verlag (?) Weil, Alfred (Hrsg.): Karma (DBU-Schriftenreihe mit Beiträgen mehrerer Autoren), Theseus Verlag, 282 S.

Anhang 1: Das kürzere Sutra zu den Handlungen

Die kürzere Darlegung zu den Handlungen (M 135)18

18 Quelle: „Die Lehrreden des Buddha aus der Mittleren Sammlung – Majjhima Nikaya“ Bd. 3, Jhana Verlag, 2001 (übersetzt v. Kay Zumwinkel) S. 318-324

Karma-Lesebuch, Seite 101

(Cūkakammavibhaoga Sutta, Majjhima Nikāya 135)

1. So habe ich gehört. Einmal hielt sich der Erhabene bei Sāvatthi im Jeta Hain, dem Park des Anāthapindika auf.

2. Da ging der brahmanische Student Subha, der Sohn von Todeyya, zum Erhabenen und tauschte Gruß-formeln mit ihm aus. Nach diesen höflichen und freundlichen Worten setzte er sich seitlich nieder und fragte den Erhabenen:

3. „Meister Gotama, was ist die Ursache und Bedingung dafür, dass man unter den menschlichen Wesen schlechter gestellte und besser gestellte sieht? Denn man sieht kurzlebige und langlebige Menschen, kränkli-che und gesunde, hässliche und schöne, Menschen ohne Einfluss und einflussreiche, arme und reiche, von niedriger und hoher Geburt, dumme und weise. Was ist die Ursache und Bedingung dafür, Meister Gotama, dass man unter den menschlichen Wesen schlechter gestellte und besser gestellte sieht?“

4. „Student, die Wesen sind die Eigentümer ihrer Handlungen, Erben ihrer Handlungen; sie entspringen ihren Handlungen, sind an ihre Handlungen gebunden, haben in ihren Handlungen ihre Zuflucht. Es ist die Handlung, die die Wesen in schlechter gestellte und besser gestellte unterscheidet.“

„Ich verstehe die Bedeutung der Äußerung von Meister Gotama nicht in allen Einzelheiten, da er sich kurz gefasst hat, ohne die Bedeutung näher darzulegen. Es wäre gut, wenn Meister Gotama mich das Dham-ma lehren würde, so dass ich die Bedeutung der Äußerung von Meister Gotama möglicherweise in allen Einzelheiten verstehe.“

„Dann, Student, höre zu und verfolge aufmerksam, was ich sagen werde.“ − „Ja, Herr“, erwiderte der brahmanische Student Subha. Der Erhabene sagte folgendes:

5. „Student, da tötet irgendein Mann oder eine Frau lebende Wesen und ist mordlustig, mit Blut an den Händen, zum Kämpfen und zur Gewalt geneigt, gnadenlos gegenüber lebenden Wesen. Weil er solch eine Handlung begeht und auf sich nimmt, erscheint er bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode in Um-ständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wieder, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderb-nis, ja sogar in der Hölle. Wenn er aber bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode nicht in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wiedererscheint19, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderb-nis, in der Hölle, sondern stattdessen in das menschliche Dasein zurückkehrt, dann ist er kurzlebig, wo im-mer er auch wiedergeboren wird. Dies ist der Weg, Student, der zu einem kurzen Leben führt, nämlich wenn man lebende Wesen tötet und mordlustig ist, mit Blut an den Händen, zum Kämpfen und zur Gewalt geneigt, gnadenlos gegenüber lebenden Wesen.“

6. „Aber, Student, da enthält sich irgendein Mann oder eine Frau davon, Lebewesen zu töten, indem er es aufgegeben hat, Lebewesen zu töten; Stock und Waffen beiseite gelegt, sanft und freundlich, lebt er voll Mitgefühl für alle Lebewesen. Weil er solch eine Handlung begeht und auf sich nimmt, erscheint er bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode an einem glücklichen Bestimmungsort wieder, ja sogar in der himm-lischen Welt. Wenn er aber bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode nicht an einem glücklichen Be-stimmungsort wiedererscheint, in der himmlischen Welt20, sondern stattdessen in das menschliche Dasein zurückkehrt, dann ist er langlebig, wo immer er auch wiedergeboren wird. Dies ist der Weg, Student, der zu einem langen Leben führt, nämlich wenn man sich davon enthält, Lebewesen zu töten, indem man es aufge-geben hat, Lebewesen zu töten; Stock und Waffen beiseite gelegt, sanft und freundlich, lebt man voll Mitge-fühl für alle Lebewesen.“

7. „Student, da ist irgendein Mann oder eine Frau dazu geneigt, Lebewesen mit der Hand zu verletzen, mit einem Erdklumpen, mit einem Stock oder mit einem Messer. Weil er solch eine Handlung begeht und auf sich nimmt, erscheint er bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode in Umständen, die von Entbeh-rungen geprägt sind, wieder, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderbnis, ja sogar in der Hölle.

19 Wenn das Kamma des Tötens der gewichtigste Faktor bei der Bestimmung des Wiedergeburtsorts ist, fruchtet es in der Wiedergeburt in einem niederen Daseinsbereich. Wenn heilsames Kamma vorhanden ist, das zu einer menschlichen Geburt führt, modifiziert das schlechte Kamma des Tötens die Begleitumstände des menschlichen Daseins und führt zu widrigen Umständen, wie zum Beispiel Kurzlebigkeit. Ähnlich sind die ande-ren Abschnitte zu verstehen.

20 Heilsames Kamma, wie zum Beispiel sittliches Verhalten, führt entweder zu guter menschlicher Geburt oder zu himmlischer Geburt, je nachdem, was sonst noch an heilsamem Kamma vorhanden ist, wie zum Beispiel Ausübung von Großzügigkeit, Meditationspraxis und ähnliches.

Karma-Lesebuch, Seite 102

Wenn er aber bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode nicht in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wiedererscheint, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderbnis, in der Hölle, sondern stattdessen in das menschliche Dasein zurückkehrt, dann ist er kränklich, wo immer er auch wiedergeboren wird. Dies ist der Weg, Student, der zur Kränklichkeit führt, nämlich wenn man dazu geneigt ist, Lebewesen mit der Hand zu verletzen, mit einem Erdklumpen, mit einem Stock oder mit einem Messer.“

8. „Aber, Student, da ist irgendein Mann oder eine Frau nicht dazu geneigt, Lebewesen mit der Hand zu verletzen, mit einem Erdklumpen, mit einem Stock oder mit einem Messer. Weil er solch eine Handlung begeht und auf sich nimmt, erscheint er bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode an einem glücklichen Bestimmungsort wieder, ja sogar in der himmlischen Welt. Wenn er aber bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode nicht an einem glücklichen Bestimmungsort wiedererscheint, in der himmlischen Welt, son-dern stattdessen in das menschliche Dasein zurückkehrt, dann ist er von guter Gesundheit, wo immer er auch wiedergeboren wird. Dies ist der Weg, Student, der zu guter Gesundheit führt, nämlich wenn man nicht dazu geneigt ist, Lebewesen mit der Hand zu verletzen, mit einem Erdklumpen, mit einem Stock oder mit einem Messer.“

9. „Student, da ist irgendein Mann oder eine Frau von zornigem und reizbarem Charakter; sogar, wenn er nur ein wenig kritisiert wird, fühlt er sich gekränkt, wird zornig, feindselig und ärgerlich, und zeigt Zorn, Hass und Bitterkeit. Weil er solch eine Handlung begeht und auf sich nimmt, erscheint er bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wieder, an einem unglückli-chen Bestimmungsort, in Verderbnis, ja sogar in der Hölle. Wenn er aber bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode nicht in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wiedererscheint, an einem unglück-lichen Bestimmungsort, in Verderbnis, in der Hölle, sondern stattdessen in das menschliche Dasein zurück-kehrt, dann ist er hässlich, wo immer er auch wiedergeboren wird. Dies ist der Weg, Student, der zur Häss-lichkeit führt, nämlich wenn man von zornigem und reizbarem Charakter ist; sogar, wenn man nur ein wenig kritisiert wird, fühlt man sich gekränkt, wird zornig, feindselig und ärgerlich, und zeigt Zorn, Hass und Bit-terkeit.“

10. „Aber, Student, da ist irgendein Mann oder eine Frau nicht von zornigem und reizbarem Charakter; sogar, wenn er viel kritisiert wird, fühlt er sich nicht gekränkt, wird nicht zornig, feindselig und ärgerlich, und zeigt nicht Zorn, Hass und Bitterkeit. Weil er solch eine Handlung begeht und auf sich nimmt, erscheint er bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode an einem glücklichen Bestimmungsort wieder, ja sogar in der himmlischen Welt. Wenn er aber bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode nicht an einem glückli-chen Bestimmungsort wiedererscheint, in der himmlischen Welt, sondern stattdessen in das menschliche Dasein zurückkehrt, dann ist er schön, wo immer er auch wiedergeboren wird. Dies ist der Weg, Student, der zur Schönheit führt, nämlich wenn man nicht von zornigem und reizbarem Charakter ist; sogar, wenn man viel kritisiert wird, fühlt man sich nicht gekränkt, wird nicht zornig, feindselig und ärgerlich, und zeigt nicht Zorn, Hass und Bitterkeit.“

11. „Student, da ist irgendein Mann oder eine Frau neidisch, jemand, der andere um Zugewinn beneidet, um Ehre, Respekt, Verehrung, Ehrerbietung und Achtung, jemand, der sich darüber ärgert und es anderen missgönnt. Weil er solch eine Handlung begeht und auf sich nimmt, erscheint er bei der Auflösung des Kör-pers, nach dem Tode in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wieder, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderbnis, ja sogar in der Hölle. Wenn er aber bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode nicht in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wiedererscheint, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderbnis, in der Hölle, sondern stattdessen in das menschliche Dasein zurückkehrt, dann ist er ohne Einfluss, wo immer er auch wiedergeboren wird. Dies ist der Weg, Student, der dazu führt, ohne Einfluss zu sein, nämlich wenn man neidisch ist, wenn man jemand ist, der andere um Zugewinn be-neidet, um Ehre, Respekt, Verehrung, Ehrerbietung und Achtung, jemand, der sich darüber ärgert und es anderen missgönnt.“

12. „Aber, Student, da ist irgendein Mann oder eine Frau nicht neidisch, jemand, der andere nicht um Zugewinn beneidet, um Ehre, Respekt, Verehrung, Ehrerbietung und Achtung, jemand, der sich nicht dar-über ärgert und es anderen nicht missgönnt. Weil er solch eine Handlung begeht und auf sich nimmt, er-scheint er bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode an einem glücklichen Bestimmungsort wieder, ja sogar in der himmlischen Welt. Wenn er aber bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode nicht an einem glücklichen Bestimmungsort wiedererscheint, in der himmlischen Welt, sondern stattdessen in das menschli-che Dasein zurückkehrt, dann ist er einflussreich, wo immer er auch wiedergeboren wird. Dies ist der Weg, Student, der dazu führt, einflussreich zu sein, nämlich wenn man nicht neidisch ist, wenn man jemand ist, der

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andere nicht um Zugewinn beneidet, um Ehre, Respekt, Verehrung, Ehrerbietung und Achtung, jemand, der sich nicht darüber ärgert und es anderen nicht missgönnt.“

13. „Student, da gibt irgendein Mann oder eine Frau den Mönchen und Brahmanen kein Essen, Trinken, Kleidung, Fahrzeuge, Girlanden, Duftstoffe, Salben, Betten, Unterkunft und Lampen. Weil er solch eine Handlung begeht und auf sich nimmt, erscheint er bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode in Um-ständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wieder, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderb-nis, ja sogar in der Hölle. Wenn er aber bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode nicht in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wiedererscheint, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderb-nis, in der Hölle, sondern stattdessen in das menschliche Dasein zurückkehrt, dann ist er arm, wo immer er auch wiedergeboren wird. Dies ist der Weg, Student, der zur Armut führt, nämlich wenn man den Mönchen und Brahmanen kein Essen, Trinken, Kleidung, Fahrzeuge, Girlanden, Duftstoffe, Salben, Betten, Unterkunft und Lampen gibt.“

14. „Aber, Student, da gibt irgendein Mann oder eine Frau den Mönchen und Brahmanen Essen, Trinken, Kleidung, Fahrzeuge, Girlanden, Duftstoffe, Salben, Betten, Unterkunft und Lampen. Weil er solch eine Handlung begeht und auf sich nimmt, erscheint er bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode an einem glücklichen Bestimmungsort wieder, ja sogar in der himmlischen Welt. Wenn er aber bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode nicht an einem glücklichen Bestimmungsort wiedererscheint, in der himmlischen Welt, sondern stattdessen in das menschliche Dasein zurückkehrt, dann ist er reich, wo immer er auch wie-dergeboren wird. Dies ist der Weg, Student, der zum Reichtum führt, nämlich wenn man den Mönchen und Brahmanen Essen, Trinken, Kleidung, Fahrzeuge, Girlanden, Duftstoffe, Salben, Betten, Unterkunft und Lampen gibt.“

15. „Student, da ist irgendein Mann oder eine Frau starrsinnig und überheblich; er huldigt demjenigen nicht, der Huldigung empfangen sollte, er steht nicht für denjenigen auf, in dessen Gegenwart er aufstehen sollte, er bietet demjenigen keinen Sitzplatz an, der einen Sitzplatz verdient, er macht demjenigen nicht Platz, dem er Platz machen sollte, er ehrt, respektiert, würdigt und verehrt denjenigen nicht, der geehrt, respektiert, gewürdigt und verehrt werden sollte. Weil er solch eine Handlung begeht und auf sich nimmt, erscheint er bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wieder, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderbnis, ja sogar in der Hölle. Wenn er aber bei der Auflö-sung des Körpers, nach dem Tode nicht in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wiedererscheint, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderbnis, in der Hölle, sondern stattdessen in das menschliche Dasein zurückkehrt, dann ist er von niedriger Geburt, wo immer er auch wiedergeboren wird. Dies ist der Weg, Student, der zu niedriger Geburt führt, nämlich wenn man starrsinnig und überheblich ist; man huldigt demjenigen nicht, der Huldigung empfangen sollte, man steht nicht für denjenigen auf, in dessen Gegenwart man aufstehen sollte, man bietet demjenigen keinen Sitzplatz an, der einen Sitzplatz verdient, man macht demjenigen nicht Platz, dem man Platz machen sollte, man ehrt, respektiert, würdigt und verehrt denjenigen nicht, der geehrt, respektiert, gewürdigt und verehrt werden sollte.“

16. „Aber, Student, da ist irgendein Mann oder eine Frau nicht starrsinnig oder überheblich; er huldigt demjenigen, der Huldigung empfangen sollte, er steht für denjenigen auf, in dessen Gegenwart er aufstehen sollte, er bietet demjenigen einen Sitzplatz an, der einen Sitzplatz verdient, er macht demjenigen Platz, dem er Platz machen sollte, er ehrt, respektiert, würdigt und verehrt denjenigen, der geehrt, respektiert, gewürdigt und verehrt werden sollte. Weil er solch eine Handlung begeht und auf sich nimmt, erscheint er bei der Auf-lösung des Körpers, nach dem Tode an einem glücklichen Bestimmungsort wieder, ja sogar in der himmli-schen Welt. Wenn er aber bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode nicht an einem glücklichen Be-stimmungsort wiedererscheint, in der himmlischen Welt, sondern stattdessen in das menschliche Dasein zurückkehrt, dann ist er von hoher Geburt, wo immer er auch wiedergeboren wird. Dies ist der Weg, Student, der zu hoher Geburt führt, nämlich wenn man nicht starrsinnig und überheblich ist; man huldigt demjenigen, der Huldigung empfangen sollte, man steht für denjenigen auf, in dessen Gegenwart man aufstehen sollte, man bietet demjenigen einen Sitzplatz an, der einen Sitzplatz verdient, man macht demjenigen Platz, dem man Platz machen sollte, man ehrt, respektiert, würdigt und verehrt denjenigen, der geehrt, respektiert, ge-würdigt und verehrt werden sollte.“

17. „Student, da besucht irgendein Mann oder eine Frau einen Mönch oder Brahmanen und fragt nicht: ‚Ehrwürdiger Herr, was ist heilsam? Was ist unheilsam? Was ist tadelnswert? Was ist ohne Tadel? Was soll-te gepflegt werden? Was sollte nicht gepflegt werden? Welche Art von Handlung wird lange zu meinem Schaden und Leid gereichen? Welche Art von Handlung wird lange zu meinem Wohlergehen und Glück gereichen?’ Weil er solch eine Handlung begeht und auf sich nimmt, erscheint er bei der Auflösung des Kör-

Karma-Lesebuch, Seite 104

pers, nach dem Tode in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wieder, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderbnis, ja sogar in der Hölle. Wenn er aber bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode nicht in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wiedererscheint, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderbnis, in der Hölle, sondern stattdessen in das menschliche Dasein zurückkehrt, dann ist er dumm, wo immer er auch wiedergeboren wird. Dies ist der Weg, Student, der zur Dummheit führt, nämlich wenn man nicht einen Mönch oder Brahmanen besucht und nicht solche Fragen stellt.“

18. „Aber, Student, da besucht irgendein Mann oder eine Frau einen Mönch oder Brahmanen und fragt: ‚Ehrwürdiger Herr, was ist heilsam? Was ist unheilsam? Was ist tadelnswert? Was ist ohne Tadel? Was soll-te gepflegt werden? Was sollte nicht gepflegt werden? Welche Art von Handlung wird lange zu meinem Schaden und Leid gereichen? Welche Art von Handlung wird lange zu meinem Wohlergehen und Glück gereichen?’ Weil er solch eine Handlung begeht und auf sich nimmt, erscheint er bei der Auflösung des Kör-pers, nach dem Tode an einem glücklichen Bestimmungsort wieder, ja sogar in der himmlischen Welt. Wenn er aber bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode nicht an einem glücklichen Bestimmungsort wieder-erscheint, in der himmlischen Welt, sondern stattdessen in das menschliche Dasein zurückkehrt, dann ist er weise, wo immer er auch wiedergeboren wird. Dies ist der Weg, Student, der zur Weisheit führt, nämlich wenn man einen Mönch oder Brahmanen besucht und solche Fragen stellt.“

19. „Somit, Student, macht der Weg, der zur Kurzlebigkeit führt, die Leute kurzlebig, der Weg, der zur Langlebigkeit führt, macht die Leute langlebig; der Weg, der zur Kränklichkeit führt, macht die Leute kränk-lich, der Weg, der zu guter Gesundheit führt, macht die Leute gesund; der Weg, der zur Hässlichkeit führt, macht die Leute hässlich, der Weg, der zur Schönheit führt, macht die Leute schön; der Weg, der dazu führt, ohne Einfluss zu sein, macht die Leute einflusslos, der Weg, der dazu führt, einflussreich zu sein, macht die Leute einflussreich; der Weg, der zur Armut führt, macht die Leute arm, der Weg, der zum Reichtum führt, macht die Leute reich; der Weg, der zu niedriger Geburt führt, macht, dass die Leute niedrig geboren wer-den, der Weg, der zu hoher Geburt führt, macht, dass die Leute hoch stehend geboren werden; der Weg, der zur Dummheit führt, macht die Leute dumm, der Weg, der zur Weisheit führt, macht die Leute weise.“

20. „Die Wesen sind die Eigentümer ihrer Handlungen, Student, Erben ihrer Handlungen; sie entspringen ihren Handlungen, sind an ihre Handlungen gebunden, haben in ihren Handlungen ihre Zuflucht. Es ist die Handlung, die die Wesen in schlechter gestellte und besser gestellte unterscheidet.“

21. Nach diesen Worten sagte der brahmanische Student Subha, der Sohn des Todeyya, zum Erhabenen: „Großartig, Meister Gotama! Großartig, Meister Gotama! Das Dhamma ist von Meister Gotama auf vielfäl-tige Weise klar gemacht worden, so als ob er Umgestürztes aufgerichtet, Verborgenes enthüllt, einem Verirr-ten den Weg gezeigt oder in der Dunkelheit eine Lampe gehalten hätte, damit die Sehenden die Dinge erken-nen können. Ich nehme Zuflucht zu Meister Gotama und zum Dhamma und zur Sangha der Bhikkhus. Möge Meister Gotama mich von heute an als Laien-Anhänger, der zu ihm lebenslang Zuflucht genommen hat, annehmen.“

Anhang 2: Das längere Sutra zu den Handlungen

Die längere Darlegung zu den Handlungen (M 136)21 (Mahākammavibhaoga Sutta, Majjhima Nikāya 136)

1. So habe ich gehört. Einmal hielt sich der Erhabene bei Rājagaha, im Bambushain, dem Eichhörnchen-Park auf.

2. Bei jener Gelegenheit lebte der ehrwürdige Samiddhi in einer Waldhütte. Da ging der Wanderasket Potaliputta, als er zum Zwecke körperlicher Ertüchtigung umher ging und wanderte, zum ehrwürdigen Sa-middhi und tauschte Grußformeln mit ihm aus. Nach diesen höflichen und freundlichen Worten setzte er sich seitlich nieder und sagte zum ehrwürdigen Samiddhi:

21 Quelle: „Die Lehrreden des Buddha aus der Mittleren Sammlung – Majjhima Nikāya“ Bd. 3, Jhana Verlag, 2001 (übersetzt v. Kay Zumwinkel) S. 325-334

Karma-Lesebuch, Seite 105

„Freund Samiddhi, ich hörte und erfuhr dies aus Meister Gotamas eigenem Munde: ‚Körperliche Hand-lung ist nichtig, sprachliche Handlung ist nichtig, nur geistige Handlung ist wirklich22.’ Und: ‚Es gibt jenen Erreichungszustand, bei dem man überhaupt nichts fühlt, wenn man in ihn eingetreten ist.’“

„Sag so etwas nicht, Freund Potaliputta, sag so etwas nicht. Stelle den Erhabenen nicht falsch dar; es ist nicht gut, wenn man den Erhabenen falsch darstellt. Der Erhabene würde nicht so sprechen: ‚Körperliche Handlung ist nichtig, sprachliche Handlung ist nichtig, nur geistige Handlung ist wirklich.’ Aber, Freund, es gibt jenen Erreichungszustand, bei dem man überhaupt nichts fühlt, wenn man in ihn eingetreten ist.“

„Wie lange ist es her, seit du in die Hauslosigkeit gezogen bist, Freund Samiddhi?“

„Nicht lange, Freund, drei Jahre.“

„Nun denn, was werden wir zu den ordensälteren Bhikkhus sagen, wenn ein junger Bhikkhu denkt, dass der Lehrer auf solche Weise zu verteidigen ist? Freund Samiddhi, wenn man eine willentliche Handlung mit Körper, Sprache oder Geist begangen hat, was fühlt man dann?“

„Wenn man eine willentliche Handlung mit Körper, Sprache oder Geist begangen hat, fühlt man Leiden, Freund Potaliputta.“

Ohne die Worte des ehrwürdigen Samiddhi gutzuheißen oder abzulehnen, erhob sich da der Wanderasket Potaliputta von seinem Sitz und nahm Abschied.

3. Kurz nachdem der Wanderasket Potaliputta gegangen war, ging der ehrwürdige Samiddhi zum ehr-würdigen Ānanda und tauschte Grußformeln mit ihm aus. Nach diesen höflichen und freundlichen Worten setzte er sich seitlich nieder und berichtete dem ehrwürdigen Ānandaseine gesamte Unterhaltung mit dem Wanderasketen Potaliputta. Nachdem er gesprochen hatte, sagte der ehrwürdige Ānandazu ihm: „Freund Samiddhi, diese Unterhaltung sollte dem Erhabenen erzählt werden. Komm, lass uns zum Erhabenen gehen und ihm dies erzählen. Wie es der Erhabene uns erklärt, so werden wir es uns merken.“ − “ Ja, Freund“, er-widerte der ehrwürdige Samiddhi.

4. Dann gingen der ehrwürdige Ānanda und der ehrwürdige Samiddhi zusammen zum Erhabenen, und nachdem sie ihm gehuldigt hatten, setzten sie sich seitlich nieder. Der ehrwürdige Ānanda berichtete dem Erhabenen die gesamte Unterhaltung zwischen dem ehrwürdigen Samiddhi und dem Wanderasketen Potali-putta.

5. Nachdem er geendet hatte, sagte der Erhabene zum ehrwürdigen Ānanda: „Ānanda, ich erinnere mich nicht einmal daran, den Wanderasketen Potaliputta jemals auch nur gesehen zu haben, also wie hätte da diese Unterhaltung stattfinden können? Doch obwohl die Frage des Wanderasketen Potaliputta analysiert werden sollte, bevor sie beantwortet wird, hat dieser fehlgeleitete Mann Samiddhi sie einseitig beantwortet.“

6. Nach diesen Worten sagte der ehrwürdige Udāyin zum Erhabenen: „Ehrwürdiger Herr, vielleicht sprach der ehrwürdige Samiddhi so in Bezug auf das Prinzip: ‚Was immer auch gefühlt wird, ist Dukkha23 .’“

Da richtete sich der Erhabene an den ehrwürdigen Ānanda: „Sieh, Ānanda, wie sich dieser fehlgeleitete Mann Udāyin einmischt. Ich wusste, Ānanda, dass sich dieser fehlgeleitete Mann Udāyin genau zu diesem Zeitpunkt unweise einmischen würde. Von Anfang an hatte der Wanderasket Potaliputta nach den drei Arten von Gefühl gefragt. Dieser fehlgeleitete Mann Samiddhi hätte dem Wanderasketen Potaliputta richtig geant-wortet, wenn er, so befragt, erklärt hätte:

‚Freund Potaliputta, wenn man eine willentliche Handlung mit Körper, Sprache oder Geist begangen hat, deren Ergebnis als angenehm gefühlt werden muss, fühlt man Angenehmes. Wenn man eine willentliche Handlung mit Körper, Sprache oder Geist begangen hat, deren Ergebnis als schmerzhaft gefühlt werden

22 Möglicherweise kam diese falsche Darstellung aufgrund der Auseinandersetzung mit der Kamma-Vorstellung der Niganthas zustande. Die Ni-ganthas behaupteten, dass körperliche Handlung die maßgeblichste sei, während der Buddha lehrte, geistige Handlung sei die maßgeblichste, weil ja auch jeder sprachlichen und körperlichen Handlung geistige Handlung vorausgeht (vgl. M56). Die Aussage von Potaliputta könnte auf der ver-zerrten Wiedergabe dieses Standpunkts beruhen.

23 Dies ist eine Aussage des Buddha, die besagt, dass alle Arten von Gefühl (wie überhaupt alle Gestaltungen) letztendlich nicht-zufriedenstellend (dukkha) sind; das heißt aber nicht, dass alle Gefühle schmerzhaft bzw. leidhaft (auf Pāli ebenfalls dukkha) sind. In dieser Obersetzung wird, je nach Anwendung, das Wort dukkha mit „schmerzhaft“ und „Leid“ übersetzt, oder es bleibt unübersetzt als eingedeutschtes Wort dukkha. Der ehr-würdige Samiddhi scheint aber nicht nur einem etymologischen Irrtum erlegen zu sein, sondern das Dhamma falsch aufgefasst zu haben, da sich die Frage von Potaliputta ziemlich offensichtlich auf den „schmerzhaft- neutral- angenehmen“ Aspekt bezog.

Karma-Lesebuch, Seite 106

muss, fühlt man Schmerz. Wenn man eine willentliche Handlung mit Körper, Sprache oder Geist begangen hat, deren Ergebnis als weder-schmerzhaft-noch-angenehm gefühlt werden muss, fühlt man Weder-Schmerz-noch-Angenehmes.’

Aber wer sind diese törichten, gedankenlosen Wanderasketen der anderen Sekten, dass sie die große Dar-legung des Tathāgata zu den Handlungen wissen könnten? Ānanda, du solltest dem Tathāgata zuhören, wäh-rend er die große Darlegung zu den Handlungen erläutert.“

7. „Jetzt ist die Zeit, Erhabener, jetzt ist die Zeit, Vollendeter, dass der Erhabene die große Darlegung zu den Handlungen erläutern möge. Wenn die Bhikkhus diese vom Erhabenen gehört haben, werden sie es sich merken.“

„Dann höre zu, Ānanda, und verfolge aufmerksam, was ich sagen werde.“

„Ja, ehrwürdiger Herr“, erwiderte der ehrwürdige Ānanda. Der Erhabene sagte folgendes:

8. „Ānanda, es gibt vier Arten von Personen, die man in der Welt finden kann. Welche vier? Da tötet ir-gendeine Person Lebewesen, nimmt, was nicht gegeben wurde, übt Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen, spricht die Unwahrheit, spricht gehässig, äußert grobe Worte, schwätzt; sie ist habgierig, hat einen Geist voller Übelwollen, und hat falsche Ansicht. Bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode erscheint sie in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wieder, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Ver-derbnis, ja sogar in der Hölle.“

„Aber da tötet irgendeine Person Lebewesen, nimmt, was nicht gegeben wurde, übt Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen, spricht die Unwahrheit, spricht gehässig, äußert grobe Worte, schwätzt; sie ist habgierig, hat einen Geist voller Übelwollen, und hat falsche Ansicht. Bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode erscheint sie an einem glücklichen Bestimmungsort wieder, ja sogar in der himmlischen Welt.“

„Da enthält sich irgendeine Person davon, Lebewesen zu töten, zu nehmen, was nicht gegeben wurde, enthält sich vom Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen, von falscher Rede, von gehässiger Rede, von grober Rede, vom Geschwätz; sie ist nicht habgierig, hat einen Geist ohne Übelwollen, und sie hat richtige Ansicht. Bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode erscheint sie an einem glücklichen Bestimmungsort wieder, ja sogar in der himmlischen Welt.“

„Aber da enthält sich irgendeine Person davon, Lebewesen zu töten, zu nehmen, was nicht gegeben wur-de, enthält sich vom Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen, von falscher Rede, von gehässiger Rede, von grober Rede, vom Geschwätz; sie ist nicht habgierig, hat einen Geist ohne Übelwollen, und sie hat richtige Ansicht. Bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode erscheint sie in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wieder, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderbnis, ja sogar in der Hölle.“

9. „ Ānanda, da erlangt irgendein Mönch oder Brahmane mittels Eifer, Anstrengung, Hingabe, Umsicht und richtiger Aufmerksamkeit solche Konzentration des Herzens, dass er, wenn sein Geist konzentriert ist, mit dem Himmlischen Auge, das geläutert und dem menschlichen überlegen ist, jene Person hier sieht, die Lebewesen tötet, nimmt, was nicht gegeben wurde, Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen übt, die Unwahrheit spricht, gehässig spricht, grobe Worte äußert, schwätzt; die habgierig ist, einen Geist voller Übelwollen hat, und falsche Ansicht hat, und er sieht, dass sie bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wiedererschienen ist, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Ver-derbnis, ja sogar in der Hölle. Er sagt: ‚In der Tat, üble Handlungen gibt es, ein Ergebnis von Fehlverhalten gibt es; denn ich sah eine Person, die da Lebewesen tötete, nahm, was nicht gegeben wurde, Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen übte, die Unwahrheit sprach, gehässig sprach, grobe Worte äußerte, schwätzte; die hab-gierig war, einen Geist voller Übelwollen hatte, und falsche Ansicht hatte, und ich sehe, dass sie bei der Auf-lösung des Körpers, nach dem Tode in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wiedererschienen ist, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderbnis, ja sogar in der Hölle.’ Er sagt: ‚Bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode erscheint jeder, der Lebewesen tötet, nimmt, was nicht gegeben wurde, Fehl-verhalten bei Sinnesvergnügen übt, die Unwahrheit spricht, gehässig spricht, grobe Worte äußert, schwätzt; der habgierig ist, einen Geist voller Übelwollen hat, und falsche Ansicht hat, in Umständen, die von Entbeh-rungen geprägt sind, wieder, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderbnis, ja sogar in der Hölle. Jene, die es so wissen, wissen es richtig; jene, die es anders wissen, sind im Irrtum.’ So bleibt er stur bei dem, was er selbst weiß, gesehen und entdeckt hat, und beharrt: ,Nur dies ist wahr, alles andere ist falsch.’“

10. „Ānanda, da erlangt irgendein Mönch oder Brahmane mittels Eifer, Anstrengung, Hingabe, Sorgfalt und richtiger Aufmerksamkeit solche Konzentration des Herzens, dass er, wenn sein Geist konzentriert ist,

Karma-Lesebuch, Seite 107

mit dem Himmlischen Auge, das geläutert und dem menschlichen überlegen ist, jene Person hier sieht, die Lebewesen tötet, nimmt, was nicht gegeben wurde, Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen übt, die Unwahrheit spricht, gehässig spricht, grobe Worte äußert, schwätzt; die habgierig ist, einen Geist voller Übelwollen hat, und falsche Ansicht hat, und er sieht, dass sie bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode an einem glücklichen Bestimmungsort wiedererschienen ist, ja sogar in der himmlischen Welt. Er sagt: ‚In der Tat, üble Handlungen gibt es nicht, ein Ergebnis von Fehlverhalten gibt es nicht; denn ich sah eine Person, die da Lebewesen tötete, nahm, was nicht gegeben wurde, Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen übte, die Unwahrheit sprach, gehässig sprach, grobe Worte äußerte, schwätzte; die habgierig war, einen Geist voller Übelwollen hatte, und falsche Ansicht hatte, und ich sehe, dass sie bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode an einem glücklichen Bestimmungsort wiedererschienen ist, ja sogar in der himmlischen Welt.’ Er sagt: ‚Bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode erscheint jeder, der Lebewesen tötet, nimmt, was nicht gegeben wurde, Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen übt, die Unwahrheit spricht, gehässig spricht, grobe Worte äußert, schwätzt; der habgierig ist, einen Geist voller Übelwollen hat, und falsche Ansicht hat, an einem glücklichen Bestimmungsort wieder, ja sogar in der himmlischen Welt. Jene, die es so wissen, wissen es richtig; jene, die es anders wissen, sind im Irrtum.’ So bleibt er stur bei dem, was er selbst weiß, gesehen und entdeckt hat, und beharrt: ‚Nur dies ist wahr, alles andere ist falsch.’“

11. „Ānanda, da erlangt irgendein Mönch oder Brahmane mittels Eifer, Anstrengung, Hingabe, Sorgfalt und richtiger Aufmerksamkeit solche Konzentration des Herzens, dass er, wenn sein Geist konzentriert ist, mit dem Himmlischen Auge, das geläutert und dem menschlichen überlegen ist, jene Person hier sieht, die sich davon enthält, Lebewesen zu töten, zu nehmen, was nicht gegeben wurde, sich vom Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen enthält, von falscher Rede, von gehässiger Rede, von grober Rede, vom Geschwätz; die nicht habgierig ist, einen Geist ohne Übelwollen hat, und richtige Ansicht hat, und er sieht, dass sie bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode an einem glücklichen Bestimmungsort wiedererschienen ist, ja sogar in der himmlischen Welt. Er sagt: ‚In der Tat, gute Handlungen gibt es, ein Ergebnis von gutem Verhalten gibt es; denn ich sah eine Person, die sich da enthielt, Lebewesen zu töten, zu nehmen, was nicht gegeben wurde, vom Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen enthielt, von falscher Rede, von gehässiger Rede, von grober Rede, vom Geschwätz; die nicht habgierig war, einen Geist ohne Übelwollen hatte, und richtige Ansicht hatte, und ich sehe, dass sie bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode an einem glücklichen Bestim-mungsort wiedererschienen ist, ja sogar in der himmlischen Welt.’ Er sagt: ‚Bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode erscheint jeder, der sich davon enthält, Lebewesen zu töten, zu nehmen, was nicht gegeben wurde, sich vom Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen enthält, von falscher Rede, von gehässiger Rede, von grober Rede, vom Geschwätz; der nicht habgierig ist, einen Geist ohne Übelwollen hat, und richtige Ansicht hat, an einem glücklichen Bestimmungsort wieder, ja sogar in der himmlischen Welt. Jene, die es so wissen, wissen es richtig; jene, die es anders wissen, sind im Irrtum.’ So bleibt er stur bei dem, was er selbst weiß, gesehen und entdeckt hat, und beharrt: ‚Nur dies ist wahr, alles andere ist falsch.’“

12. „Aber, Ānanda, da erlangt irgendein Mönch oder Brahmane mittels Eifer, Anstrengung, Hingabe, Sorgfalt und richtiger Aufmerksamkeit solche Konzentration des Herzens, dass er, wenn sein Geist konzent-riert ist, mit dem Himmlischen Auge, das geläutert und dein menschlichen überlegen ist, jene Person hier sieht, die sich davon enthält, Lebewesen zu töten, zu nehmen, was nicht gegeben wurde, sich vom Fehlver-halten bei Sinnesvergnügen enthält, von falscher Rede, von gehässiger Rede, von grober Rede, vom Ge-schwätz; die nicht habgierig ist, einen Geist ohne Übelwollen hat, und richtige Ansicht hat, und er sieht, dass sie bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wie-dererschienen ist, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderbnis, ja sogar in der Hölle. Er sagt: ‚In der Tat, gute Handlungen gibt es nicht, ein Ergebnis von gutem Verhalten gibt es nicht; denn ich sah eine Person, die sich da enthielt, Lebewesen zu töten, zu nehmen, was nicht gegeben wurde, vom Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen enthielt, von falscher Rede, von gehässiger Rede, von grober Rede, vom Geschwätz; die nicht habgierig war, einen Geist ohne Übelwollen hatte, und richtige Ansicht hatte, und ich sehe, dass sie bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wiederer-schienen ist, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderbnis, ja sogar in der Hölle.’ Er sagt: ‚Bei der Auflösung des Körpers, nach dein Tode erscheint jeder, der sich davon enthält, Lebewesen zu töten, zu neh-men, was nicht gegeben wurde, sich vom Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen enthält, von falscher Rede, von gehässiger Rede, von grober Rede, vom Geschwätz; der nicht habgierig ist, einen Geist ohne Übelwollen hat, und richtige Ansicht hat, in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wieder, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderbnis, ja sogar in der Hölle. Jene, die es so wissen, wissen es richtig; jene, die es anders wissen, sind im Irrtum.’ So bleibt er stur bei dem, was er selbst weiß, gesehen und entdeckt hat, und beharrt: ‚Nur dies ist wahr, alles andere ist falsch.’“

Karma-Lesebuch, Seite 108

13. „Darin, Ānanda, wenn ein Mönch oder Brahmane sagt: ‚In der Tat, üble Handlungen gibt es, ein Er-gebnis von Fehlverhalten gibt es’, dann gestehe ich ihm dies zu. Wenn er sagt: ‚Ich sah eine Person, die da Lebewesen tötete, nahm, was nicht gegeben wurde, Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen übte, die Unwahrheit sprach, gehässig sprach, grobe Worte äußerte, schwätzte; die habgierig war, einen Geist voller Übelwollen hatte, und falsche Ansicht hatte, und ich sehe, dass sie bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wiedererschienen ist, an einem unglücklichen Bestim-mungsort, in Verderbnis, ja sogar in der Hölle’, dann gestehe ich ihm auch dies zu. Aber wenn er sagt: ‚Bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode erscheint jeder, der Lebewesen tötet, nimmt, was nicht gegeben wurde, Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen übt, die Unwahrheit spricht, gehässig spricht, grobe Worte äußert, schwätzt; der habgierig ist, einen Geist voller Übelwollen hat, und falsche Ansicht hat, in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wieder, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderbnis, ja sogar in der Hölle’, dann gestehe ich ihm dies nicht zu. Und wenn er sagt: ‚Jene, die es so wissen, wissen es richtig; jene, die es anders wissen, sind im Irrtum’, dann gestehe ich ihm dies auch nicht zu. Und wenn er stur bei dem bleibt, was er selbst weiß, gesehen und entdeckt hat, und beharrt: ‚Nur dies ist wahr, alles andere ist falsch’, dann gestehe ich ihm dies auch nicht zu. Warum ist das so? Weil, Ānanda, das Wissen des Tathāgata über die große Darlegung zu den Handlungen etwas anderes besagt.“

14. „Darin, Ānanda, wenn ein Mönch oder Brahmane sagt: ‚In der Tat, üble Handlungen gibt es nicht, ein Ergebnis von Fehlverhalten gibt es nicht’, dann gestehe ich ihm das nicht zu. Wenn er sagt: ‚Ich sah eine Person, die da Lebewesen tötete, nahm, was nicht gegeben wurde, Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen übte, die Unwahrheit sprach, gehässig sprach, grobe Worte äußerte, schwätzte; die habgierig war, einen Geist vol-ler Übelwollen hatte, und falsche Ansicht hatte, und ich sehe, dass sie bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode an einem glücklichen Bestimmungsort wiedererschienen ist, ja sogar in der himmlischen Welt’, dann gestehe ich ihm dies zu. Aber wenn er sagt: ‚Bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode erscheint jeder, der Lebewesen tötet, nimmt, was nicht gegeben wurde, Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen übt, die Unwahrheit spricht, gehässig spricht, grobe Worte äußert, schwätzt; der habgierig ist, einen Geist voller Ü-belwollen hat, und falsche Ansicht hat, an einem glücklichen Bestimmungsort wieder, ja sogar in der himm-lischen Welt’, dann gestehe ich ihm dies nicht zu. Und wenn er sagt: ‚Jene, die es so wissen, wissen es rich-tig; jene, die es anders wissen, sind im Irrtum’, dann gestehe ich ihm dies auch nicht zu. Und wenn er stur bei dem bleibt, was er selbst weiß, gesehen und entdeckt hat, und beharrt: ‚Nur dies ist wahr, alles andere ist falsch’, dann gestehe ich ihm dies auch nicht zu. Warum ist das so? Weil, Ānanda, das Wissen des Tathāgata über die große Darlegung zu den Handlungen etwas anderes besagt.“

15. „Darin, Ānanda, wenn ein Mönch oder Brahmane sagt: ‚In der Tat, gute Handlungen gibt es, ein Er-gebnis von gutem Verhalten gibt es’, dann gestehe ich ihm dies zu. Wenn er sagt: ‚Ich sah eine Person, die sich da enthielt, Lebewesen zu töten, zu nehmen, was nicht gegeben wurde, vom Fehlverhalten bei Sinnes-vergnügen enthielt, von falscher Rede, von gehässiger Rede, von grober Rede, vom Geschwätz; die nicht habgierig war, einen Geist ohne Übelwollen hatte, und richtige Ansicht hatte, und ich sehe, dass sie bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode an einem glücklichen Bestimmungsort wiedererschienen ist, ja sogar in der himmlischen Welt’, dann gestehe ich ihm dies zu. Aber wenn er sagt: ,Bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode erscheint jeder, der sich davon enthält, Lebewesen zu töten, zu nehmen, was nicht gegeben wurde, sich vom Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen enthält, von falscher Rede, von gehässiger Rede, von grober Rede, vom Geschwätz; der nicht habgierig ist, einen Geist ohne Übelwollen hat, und richtige Ansicht hat, an einem glücklichen Bestimmungsort wieder, ja sogar in der himmlischen Welt’, dann gestehe ich ihm dies nicht zu. Und wenn er sagt: ‚Jene, die es so wissen, wissen es richtig; jene, die es anders wissen, sind im Irrtum’, dann gestehe ich ihm dies auch nicht zu. Und wenn er stur bei dem bleibt, was er selbst weiß, gese-hen und entdeckt hat, und beharrt: ‚Nur dies ist wahr, alles andere ist falsch’, dann gestehe ich ihm dies auch nicht zu. Warum ist das so? Weil, Ānanda, das Wissen des Tathāgata über die große Darlegung zu den Hand-lungen etwas anderes besagt.“

16. „Darin, Ānanda, wenn ein Mönch oder Brahmane sagt: ‚In der Tat, gute Handlungen gibt es nicht, ein Ergebnis von gutem Verhalten gibt es nicht’, dann gestehe ich ihm dies nicht zu. Wenn er sagt: ‚Ich sah eine Person, die sich da enthielt, Lebewesen zu töten, zu nehmen, was nicht gegeben wurde, vom Fehlverhal-ten bei Sinnesvergnügen enthielt, von falscher Rede, von gehässiger Rede, von grober Rede, vom Ge-schwätz; die nicht habgierig war, einen Geist ohne Übelwollen hatte, und richtige Ansicht hatte, und ich sehe, dass sie bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wiedererschienen ist, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderbnis, ja sogar in der Hölle’, dann gestehe ich ihm dies zu. Aber wenn er sagt: ‚Bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode erscheint jeder, der sich davon enthält, Lebewesen zu töten, zu nehmen, was nicht gegeben wurde, sich vom Fehlver-

Karma-Lesebuch, Seite 109

halten bei Sinnesvergnügen enthält, von falscher Rede, von gehässiger Rede, von grober Rede, vom Ge-schwätz; der nicht habgierig ist, einen Geist ohne Übelwollen hat, und richtige Ansicht hat, in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wieder, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderbnis, ja sogar in der Hölle’, dann gestehe ich ihm dies nicht zu. Und wenn er sagt: ‚Jene, die es so wissen, wissen es rich-tig; jene, die es anders wissen, sind im Irrtum’, dann gestehe ich ihm dies auch nicht zu. Und wenn er stur bei dem bleibt, was er selbst weiß, gesehen und entdeckt hat, und beharrt: ‚Nur dies ist wahr, alles andere ist falsch’, dann gestehe ich ihm dies auch nicht zu. Warum ist das so? Weil, Ānanda, das Wissen des Tathāgata über die große Darlegung zu den Handlungen etwas anderes besagt.“

17. „Darin, Ānanda24, was die Person anbelangt, die da Lebewesen tötet, nimmt, was nicht gegeben wur-de, Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen übt, die Unwahrheit spricht, gehässig spricht, grobe Worte äußert, schwätzt; die habgierig ist, einen Geist voller Übelwollen hat, und falsche Ansicht hat, und bei der Auflö-sung des Körpers, nach dem Tode in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wiedererscheint, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderbnis, ja sogar in der Hölle: entweder hat sie früher eine üble Handlung begangen, die als schmerzhaft gefühlt werden muss, oder sie hat später eine üble Handlung began-gen, die als schmerzhaft gefühlt werden muss, oder sie hat zum Zeitpunkt des Todes falsche Ansicht erwor-ben und angenommen. Aufgrund dessen ist sie bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode in Umstän-den, die von Entbehrungen geprägt sind, wiedererschienen, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderbnis, ja sogar in der Hölle. Und da sie hier Lebewesen getötet hat, genommen, was nicht gegeben wurde, Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen geübt, die Unwahrheit gesprochen, gehässig gesprochen, grobe Worte geäußert, geschwätzt hat; da sie habgierig gewesen ist, einen Geist voller Übelwollen gehabt hat und falsche Ansicht gehabt hat, wird sie das Ergebnis davon entweder hier und jetzt, oder in ihrer nächsten Ge-burt oder in irgendeiner der folgenden Existenzen erleben25.“

18. „Darin, Ānanda, was die Person anbelangt, die da Lebewesen tötet, nimmt, was nicht gegeben wurde, Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen übt, die Unwahrheit spricht, gehässig spricht, grobe Worte äußert, schwätzt; die habgierig ist, einen Geist voller Übelwollen hat, und falsche Ansicht hat, und bei der Auflö-sung des Körpers, nach dem Tode an einem glücklichen Bestimmungsort wiedererscheint, ja sogar in der himmlischen Welt: entweder hat sie früher eine gute Handlung begangen, die als angenehm gefühlt werden muss, oder sie hat später eine gute Handlung begangen, die als angenehm gefühlt werden muss, oder sie hat zum Zeitpunkt des Todes richtige Ansicht erworben und angenommen. Aufgrund dessen ist sie bei der Auf-lösung des Körpers, nach dem Tode an einem glücklichen Bestimmungsort wiedererschienen, ja sogar in der himmlischen Welt. Aber da sie hier Lebewesen getötet hat, genommen, was nicht gegeben wurde, Fehlver-halten bei Sinnesvergnügen geübt, die Unwahrheit gesprochen, gehässig gesprochen, grobe Worte geäußert, geschwätzt hat; da sie habgierig gewesen ist, einen Geist voller Übelwollen gehabt hat und falsche Ansicht gehabt hat, wird sie das Ergebnis davon entweder hier und jetzt, oder in ihrer nächsten Geburt oder in ir-gendeiner der folgenden Existenzen erleben.“

19. „Darin, Ānanda, was die Person anbelangt, die sich da enthält, Lebewesen zu töten, zu nehmen, was nicht gegeben wurde, sich vom Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen enthält, von falscher Rede, von gehässi-ger Rede, von grober Rede, vom Geschwätz; die nicht habgierig ist, einen Geist ohne Übelwollen hat, und richtige Ansicht hat, und bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode an einem glücklichen Bestim-mungsort wiedererscheint, ja sogar in der himmlischen Welt: entweder hat sie früher eine gute Handlung begangen, die als angenehm gefühlt werden muss, oder sie hat später eine gute Handlung begangen, die als angenehm gefühlt werden muss, oder sie hat zum Zeitpunkt des Todes richtige Ansicht erworben und ange-nommen. Aufgrund dessen ist sie bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode an einem glücklichen Be-stimmungsort wiedererschienen, ja sogar in der himmlischen Welt. Und da sie sich hier enthalten hat, Lebe-wesen zu töten, zu nehmen, was nicht gegeben wurde, sich vom Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen enthal-ten hat, von falscher Rede, von gehässiger Rede, von grober Rede, vom Geschwätz; da sie nicht habgierig gewesen ist, einen Geist ohne Übelwollen gehabt hat, und richtige Ansicht gehabt hat, wird sie das Ergebnis

24 Hier beginnt die eigentliche Darlegung.

25 Das Kamma, das zur schlechten Wiedergeburt führt, kann das beobachtete schlechte Kamma sein, es kann aber auch aus früheren Zeiten stammen. Analog in den folgenden Abschnitten: gutes Kamma aus früheren Leben kann schlechtes Kamma in diesem Leben überlagern und zu guter Wie-dergeburt führen. Gute Wiedergeburt ist die Frucht von gutem Kamma, aber es ist nicht gewiss, dass es das beobachtete gute Kamma des letzten Lebens ist, es kann auch aus früheren Leben stammen. Ebenso kann schlechtes Kamma aus früheren Leben das gute Kamma in diesem Leben über-lagern und zu schlechter Wiedergeburt führen. Der Buddha bestätigt allerdings, dass jegliches gute und schlechte Kamma irgendwann einmal zur Frucht gelangt. Die vielen kammischen Zusammenhänge von Ursache und Wirkung sind mit einer simplifizierenden Betrachtung nicht zu erfassen. Dass viele buddhistische Lehrer, vor allem in asiatischen Ländern, dennoch so vereinfacht lehren, hat aber wohl eher pädagogische Gründe.

Karma-Lesebuch, Seite 110

davon entweder hier und jetzt, oder in ihrer nächsten Geburt oder in irgendeiner der folgenden Existenzen erleben.“

20. „Darin, Ānanda, was die Person anbelangt, die sich da enthält, Lebewesen zu töten, zu nehmen, was nicht gegeben wurde, sich vom Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen enthält, von falscher Rede, von gehässi-ger Rede, von grober Rede, vorn Geschwätz; die nicht habgierig ist, einen Geist ohne Übelwollen hat, und richtige Ansicht hat, und bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode in Umständen, die von Entbehrun-gen geprägt sind, wiedererscheint, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderbnis, ja sogar in der Hölle: entweder hat sie früher eine üble Handlung begangen, die als schmerzhaft gefühlt werden muss, oder sie hat später eine üble Handlung begangen, die als schmerzhaft gefühlt werden muss, oder sie hat zum Zeit-punkt des Todes falsche Ansicht erworben und angenommen. Aufgrund dessen ist sie bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode in Umständen, die von Entbehrungen geprägt sind, wiedererschienen, an einem unglücklichen Bestimmungsort, in Verderbnis, ja sogar in der Hölle. Aber da sie sich hier enthalten hat, Le-bewesen zu töten, zu nehmen, was nicht gegeben wurde, sich vorn Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen ent-halten hat, von falscher Rede, von gehässiger Rede, von grober Rede, vom Geschwätz; da sie nicht habgierig gewesen ist, einen Geist ohne Übelwollen gehabt hat, und richtige Ansicht gehabt hat, wird sie das Ergebnis davon entweder hier und jetzt, oder in ihrer nächsten Geburt oder in irgendeiner der folgenden Existenzen erleben.“

21. „Somit, Ānanda, gibt es Handlung, die nicht imstande ist, zu guten Ergebnissen zu führen, und die nicht imstande zu sein scheint; es gibt Handlung, die nicht imstande ist, zu guten Ergebnissen zu führen, und die imstande zu sein scheint; es gibt Handlung, die imstande ist, zu guten Ergebnissen zu führen, und die imstande zu sein scheint; und es gibt Handlung, die imstande ist, zu guten Ergebnissen zu führen, und die nicht imstande zu sein scheint26.“

Das ist es, was der Erhabene sagte. Der ehrwürdige Ānanda war zufrieden und entzückt über die Worte des Erhabenen.

26 Eine Ausnahme bildet das so genannte unmittelbare Kamma, das derart potent ist, dass es das unmittelbar folgende Dasein determiniert. Darin führen folgende Handlungen unmittelbar zu schlechter Wiedergeburt: Töten von Vater oder Mutter, Töten eines Arahants, Verletzen eines Buddha, Spalten der Sangha. Umgekehrt wird durch Erreichen einer der Erleuchtungsstufen niedrige Wiedergeburt ausgeschlossen.

Karma-Lesebuch, Seite 111

Anhang 3: Sonderfälle der Karmalehre

Vasubandhu, S.106: In Sonderfällen ist es sogar ungewiss, ob überhaupt Auswirkungen einer Handlung erfahren werden. Dies bezieht sich aber nur auf die Auswirkungen der früheren Handlungen von Arhats, die sich aufgrund des Verweilens in Nondualität dem Reifen des Karmas für die Zeit ihrer Versenkung entziehen können. Vasubandhu erwähnt, S.116, die Schule der Darstantikas unterscheide aufgrund die-ser zusätzlichen Möglichkeit vier Arten von Handlungen:

1. Handlungen, bei denen es nicht mit Bestimmtheit zu Auswirkungen kommt, aber wenn, dann in einem bestimmten der oben genannten drei Zeiträume. (Ihre Auswirkungen werden aber nur dann nicht erfahren, wenn man aufgrund von Samadhi oder Verwirklichung nie mehr in dem entspre-chenden Daseinsbereich geboren wird – Vasubandhu S.122.)

2. Handlungen, bei denen es mit Bestimmtheit zu Auswirkungen kommt, wo aber der Zeitraum unbe-stimmt ist. (Diese kommen normalerweise in diesem Leben zur Reife – Vasubandhu S.122)

3. Handlungen, bei denen es mit Bestimmtheit zu Auswirkungen kommt und wo auch der Zeitraum bestimmt ist.

4. Handlungen, bei denen sowohl die Auswirkungen wie auch der Zeitraum unbestimmt sind.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die “in diesem Leben zu erfahrenen” Auswirkungen von Handlungen in jedem Fall mit Bestimmtheit eintreten und dass nur die Auswirkungen der unbestimmten Handlungen nicht unbedingt erfahren werden müssen.

Unbewegliches Handeln oder Handlungen mit feststehender Auswirkung Mit „unbeweglichem“ Handeln (aninjyakarma) sind Handlungen mit feststehender (‚unbeweglicher’) Auswirkung gemeint. Asanga S.86: „Was ist unbewegliches Handeln? Heilsames Handeln innerhalb der Bereiche der subtilen Form und Formlosigkeit.”

Djamgön Kongtrul im Licht des wahren Sinnes, Seite 15f: „Unbewegliche Handlungen sind von Anhaf-tung begleitete meditative Stabilität, die unweigerlich ihre Auswirkungen nur in Wiedergeburten in den Bereichen der Form und Formlosigkeit zeigt.”

Asanga, S.92: „Was sind Handlungen, die zur Erfahrung von weder Glück noch Leid (oder Gleichmut) führen (aduhkhasukhavedaniyakarma)? Das sind all die (heilsamen, „unbeweglichen“) Handlungen von der vierten Stufe meditativer Versenkung des Bereichs subtiler Form an aufwärts (einschließlich der formlosen Bereiche).“

Unbewegliche Handlungen sind Zustände meditativer Versenkung innerhalb der Bereiche der subtilen Form und Formlosigkeit. Sie sind ‚unbeweglich‛ (aninjya), da der Ort ihrer Auswirkungen festgelegt ist.

Diese Sonderform heilsamer Handlungen findet sich nicht im Menschenbereich. Asanga, S.86:

“Was ist unbewegliches Handeln (aninjyakarma)? Heilsames Handeln innerhalb der Bereiche der subti-len Form und der Formlosigkeit.”

Vasubandhu, S.108: “Im Gegensatz (zu den beweglichen Handlungen) kann keinerlei Ursache bewir-ken, dass die Auswirkungen von Handlungen in den Bereichen der subtilen Form und der Formlosigkeit irgendwo anders als auf den ihnen entsprechenden Stufen (bhumi) erfahren werden (weshalb sie unbe-weglich genannt werden).”

Das anhaltende Kultivieren von dualistischen (!) Versenkungszuständen führt im nächsten Leben laut Gampopa im Schmuck der Befreiung (S.91f.) zu einer Wiedergeburt unter den siebzehn Arten von Göt-tern im Bereich der Form bzw. unter den vier Arten von Göttern im formlosen Bereich. Alle diese Göt-ter verweilen auf verschiedenen Stufen meditativer Versenkung.

Die Voraussetzung für eine solche Wiedergeburt ist allgemein ausgedrückt das Ausführen der zehn heil-samen Handlungen. Die spezifische Voraussetzung für jede dieser Stufen meditativer Sammlung ist die Praxis ihrer jeweiligen Vor- und Hauptstufe. Dabei werden zunächst die groben Anhaftungen an Sin-neserfahrungen und intellektuelle Überlegungen aufgegeben und dann die immer subtileren Anhaftun-gen an rein geistigen Erfahrungen aufgelöst. Es bleibt jedoch ein feiner Dualismus zurück, Ein feines

Karma-Lesebuch, Seite 112

Unterscheiden zwischen Ich und Anderem bleibt bestehen, da diese Form der Praxis nicht von Einsicht in die Leerheit aller Phänomene begleitet ist. Aber es handelt sich dennoch um heilsame Geisteszustän-de. So schreibt Gampopa:

“Gemeinsames Merkmal aller acht Hauptstufen ist es, dass sie völlig auf Heilsames ausgerichteter, ge-sammelter Geist sind.”

Ozean des Wahren Sinnes, A4-Ausgabe S.25: Selbst in den (Reichen der subtilen Form der) vier medi-tativen Vertiefungen und in den vier formlosen Reichen der vier Erfahrungen grenzenloser Wahrneh-mung ist das alldurchdringende Leid alles Zusammengesetzten nicht aufgehoben. Die emotionalen Schleier sind schlummernd vorhanden, doch, berauscht von meditativer Vertiefung, sind diese Götter ohne Wunsch nach Befreiung. Vorübergehend leiden sie zwar nicht, aber da sie nicht frei von Geburt und Tod sind, müssen sie diesen Zustand wieder verlassen, sobald ihr heilsames Karma aufgebraucht ist. Sie werden dann in einem der niederen Daseinsbereiche geboren, wo sie wieder Leid erfahren.

Anhang 4: Was noch einzuarbeiten bleibt

Noch einzuarbeiten in dieses Lesebuch sind: � die zweite Hälfte der Unterweisungen von Vasubandhu in der Abhidharma-Schatzkammer

(Kap.4, S.128-255). � Zitate aus dem Dhammapada: (fett = bereits eingearbeitet) 1-2, 15-18, 50, 66-69, 71, 84, 116,

117, 118, 119, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 127, 129, 130, 133, 134, 136, 137, 138, 139, 140, 161, 163, 172, 173, 183, 219, 220, 231, 232, 233, 234, 239, 240, 246, 247, 248, 281

� weitere Sutras aus dem Palikanon