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UNTERSUCHUNGEN ZU KLOSTER UND STIFT herausgegeben vorn Max-Planck-Institut für Geschichte GÖTTINGEN . VANDENHOECK & RUPRECHT· 1980

UNTERSUCHUNGEN ZU KLOSTER UND STIFTrenstifte und deren Vor- und Nebenformen undgelegentliche regional unterschiedliche Minderfor-men wie sog. Halbstifte u. dgl. 8 MGH Concilia 2 =Concilia

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UNTERSUCHUNGEN ZUKLOSTER UND STIFT

herausgegeben vorn

Max-Planck-Institutfür

Geschichte

GÖTTINGEN . VANDENHOECK & RUPRECHT· 1980

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Über Typologie, Chronologie und Geographie derStiftskirche im deutschen Mittelalter!

von

PETER MORAW

I.

Die Frage nach derTypologie, Chronologie und Geographie der Stiftskircheim deutschen Mittelalter und damit eine verhältnismäßig allgemeine Frage istbisher noch nicht gestellt worden; typische Stiftskirchenforschung ist vielmehrEinzelkirchenforschung- oder bestenfalls - besonders in neueren Beispielen -Regionalforschung>. Der Vortragende hat zu beiden Punkten etwas beizu-

1 In einigen Punkten veränderter und mit Belegen versehener Vortrag auf der Jahrestagung derGermania Sacra in Göttingen am 27.4.1979.

2 Einige neuere Arbeiten: Dietrich HÖROLDT,Das Stift St. Cassius zu Bann von den Anfängender Kirche bis zum Jahre 1580. (BonnerGb1l11) 1957; Franz Peter SONNTAG,Das Kollegiatstift St.Marien zu Erfurt von 1117-1400. (Erfurter TheolStud 13) 1962; Anton DIEDERIcH,Das Stift St.Florin zu Koblenz. (VeröffMPIGesch 16 Stud Germania Sacra 6) 1967; Ernst DÖLL,Die Kollegiat-stifte St. Blasius und St. Cyriakus zu Braunschweig. (Braunschweiger Werkstücke 36) 1967; Franz-Josef HEYEN,Das Stift St. Paulin vor Trier. (Germania Sacra NF 6) 1972; Gottfried WENTZu.Berent SCHWINEKÖPER,Die Kollegiatstifte St. Sebastian, St. Nicolai, St. Peter und Paul und St.Gangolf in Magdeburg. (Germania Sacra, Das Erzbistum Magdeburg 1,2) 1972.

3 Neben Klosterbüchern und anderen Übersichten (vg!. unten Anm. 84) vor allem: A. JohannaMARIS,Vorming van kapittelen van seculiere kanunniken in Gelderland voor di Reformatie (Ne-derlands Archivenblad 70. 1966) S. 148--172; Norbert BACKMUND,Die Kollegiat- und Kanonissen-stifte in Bayern. 1973; Die weltlichen Kollegiatstifte der deutsch- und französischsprachigenSchweiz. Red. von Guy P. MARCHAL.(Helvetia Sacra, hg. v, Albert BRUCKNER2,2) 1977. Sonstzusammenfassend: Paul HINSCHIUS,Das Kirchenrecht der Katholiken und Prorestanten inDeutschland. 2. 1878; P. TORQUEBIAU,Chanoines (Dictionnaire de droit canonique 3) 1942 Sp.417-488; Charles DEREINE,Chanoines (Dictionnaire d'histoire et de geographie ecclesiastique 12)1953 Sp, 353-405; Willibald M. PLÖCHL,Geschichte des Kirchenrechts. 221962; Hans Brich FEINE,Kirchliche Rechtsgeschichte. 41964.

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steuern versucht", aber im Unterschied vielleicht zu älteren Bemühungen gele-gentlich mit schlechtem Gewissen. Denn obwohl das Kollegiatstift normaler-weise kirchenrechtlich gesehen für sich steht, beunruhigte es ihn, wie unbe-kümmert man es hier von seinesgleichen isolierte und damit den hilfreichenGrundsatz hintanstellte, daß das Allgemeine zur Erkenntnis des Besonderenebenso, wenn auch nicht unbedingt im gleichen Maße und in gleicher Weise,beizutragen vermöge wie das Besondere zu einem Allgemeinen. Für jenes Man-ko ließen sich verschiedene Ursachen anführen, die hier nicht noch einmal>ausgebreitet werden müssen. Zu diesen hinzu kommt wohl noch, daß sichEinzel- und Regionalforschung über Stiftskirchen im Rahmen der klassischen,wohlgeordneten Kirchengeschichte des Mittelalters ohne weiteres geborgenfühlen konnten und damit im Hinblick auf Rechtslage und Institutionsformgattungsgeschichtlich stabilisiert erschienen; verhältnismäßig allgemeine Fra-gen mögen hingegen, wie sich zeigen wird, in bald bedenklichem Maße über dietraditionelle Kirchengeschichte hinausführen, ja diese in gewisser Weise in Fra-ge stellen. Solche störende Zweifel gelten übrigens nur für einen ersten Blick;bei näherem Zusehen mögen nämlich auch ungewohnte Gedanken in eine Ver-flochtenheit zurückführen, die Kirchengeschichte als notwendigen Teil einereinzigen, einheitlichen Vergangenheit erweist, aus welcher sie nur durch denanalysierenden Ansatz des Historikers - fürs erste fast zwangsläufig - gelöstworden ist.

Unter solchen Erwägungen sei heute der Blick auf das Allgemeine der Stifts-kirche gerichtet, und zwar in relativabstrakter Form. Dabei wird eine vorläufi-ge Auswahl aus diesem Themengebiet getroffen, da es entgegen der erstenVermutung für unser Objekt charakteristisch erscheint, daß es sich quantitativund im Hinblick auf Aspekte und Dimensionen, die sich ergeben und auftun,als recht umfänglich zeigt. Auch angesichts einer für spätere Zeit geplantenMonographie des Vortragenden auf der Basis eines schon einigermaßen weitgediehenen Überblicks über alle Stiftskirchen im Römisch-Deutschen Reichmögen die Ergebnisse als vorläufig gelten, da das gesamte Material noch nichtdurchgearbeitet ist; auch die wichtige ausländische Forschung soll einbezogenwerdens,

4 Peter MORAw,Das StiftSt. Philipp zu Zell in der Pfalz. (HeidelbergerVeröffLdgesch Ldkde 9)1964; ders., Das Stift St. Fabian in Hombach (pfalz). (ArchmrhKG 16. 1964) S. 110-138; ders.,Hessische Stiftskirchen im Mittelalter, (ArchDipl 23. 1977). S 425--458. Vg!. unten Anm. 14.

5 Ders., Hess, Stiftskirchen S. 425ff.6 Außer der Literatut inden Anm. 3, 15,28,63,67, 8Of. vg!. La vita comune dei clero nei secoli

XI e XII.2 vo!. (Miscellanea dei Centro di studi medioevali 3) Milano 1962 und aus der englischenForschung z.B. A. Hamilton THOMPSON, The English Clergy and their 'Organization in the LaterMiddle Ages. Oxford 1947; Kathleen EDwARDs, The English Secular Cathedrals in the MiddleAges. Manchester 1949; Margaret BoWKER,The Secular Oergy in the Diocese of Lincoln 1495-1520. Cambridge 1968.

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Über Typologie, Chronologie und Geographie der Stiftskirche im deutschen Mittelalter 11

Bemerkungen zur Typologie der deutschen Stiftskirche einerseits und zuihrer Chronologie und Geographie andererseits bilden die beiden Hauptpunktedieses Vortrags, die aufruhen mögen auf einigen einleitenden Gedanken überdie chronologische Abgrenzung der Thematik", über mögliche künftige For-schungsziele und über das Gründungsproblem der Stiftskirche.

Aus Gründen der Zweckmäßigkeit sprechen wir vom Kollegiatstift erst vomJahre 816 an, in welchem Kaiser Ludwig der Fromme im Zusammenhang mitseinen Reformbestrebungen in Aachen eine einschlägige lnstitutio beschließenlieB8.Für die Periode vor 816, von der hier nicht weiter die Rede sein wird, kannman Mönche und Kleriker nicht mit genügend Klarheit scheiden, wobei es sichnicht nur um eine Quellenfrage, sondern auch um eine Sachfrage handelt. Vor-läuferformen des Kollegiatstifts nennen wir Klerikergemeinschaften". Auchmit dem Ereignis von 816 war, wie es angesichts der praktisch-technischenRahmenbedingungen des Zeitalters als selbstverständlich zu gelten hat, gegen-über der Weite des Fränkischen Reiches Klarheit insbesondere für Ostfrankennoch nicht geschaffen. Nicht abstrakte Textinterpretation, sondern konkreteWirkungsgeschichte ist hier als entscheidend anzusehen, die jedoch mit großenQuellenschwierigkeiten zu kämpfen hat10•

Unser wichtigstes Forschungsziel gegenüber der Stiftskirche von 816 an istihre Rolle als Stätte der Begegnung von Kirche und Welt in ihrem Wandel vom9. bis zum 16. Jahrhundert. Für diese Kernfrage ist die Quellensituation erheb-lich günstiger als für die klassischen Fragen nach dem inneren religiösen Lebenund nach wesentlichen Teilen der älteren Stiftsverfassung (Vita communis undihr Ende, Entstehung der Pfründe u.a.). Diese Probleme werden bis heute eherunbefriedigend und methodisch manchmal an der Grenze des Zulässigen be-.handelt, weil man Zirkelschlüsse vom hier nur ganz vage bekannten Allgemei-nen auf das Besondere der Einzelkirehe kaum entbehren kann, Vermutungen

7 Der Sache nach ausgeschlossen sind hier die Domkapitel, die in vieler Hinsicht nächstenVerwandten der Kollegiatkapitel. ferner die Kapitel an Kanonissenstiften, die Augustinerchorher-renstifte und deren Vor- und Nebenformen und gelegentliche regional unterschiedliche Minderfor-men wie sog. Halbstifte u. dgl.

8 MGH Concilia 2 = Concilia aevi Karolini 1. Rec, Albert WERMINGHOFF.Hannover Leipzig1906 S. 308-421; J.F.A.M. van WAESBERGHE,De Akense regels voor canonici en canonicae uit816. Assen o.J. (1967?); Rudolf SCHIEFFER,Die Entstehung von Domkapiteln in Deutschland.(BonnerHistForsch 43) 1976 bes. S. 232ff. Weitere Lit. bei MORAw,Hess, Stiftskirchen Anm. lO-B.

9 Verwiesen sei für das Allgemeine auf verschiedene Arbeiten von Friedrich PRINZ, bes. auf:Frühes Mönchtum im Frankenreich. (Monographien z. Gesch. d. Mittelalters 2) 1965. Die Spezial-forschung genügt bisher kaum, auch nicht die einzige zusammenfassende, in Deutschland kaumbekannte Arbeit von Henri-Jacques LEGIER,Les eglises collegiales en France des origines au XVesiede. Ms. These Paris 1955.

10 Zuletzt SCHIEFFERS. 242ff.

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sich dabei allzu rasch in Tatsachen verwandeln und wenige Quellenstellen vielzu schwer belastet werden; das Umgehen mit dem Begriff "Reform", der dienötige Schärfe vermissen läßt, ist hierfür das beste Beispiel-l. Auf diesem Feldbleibt bisher die Stiftskirchenforschung weit hinter der Klosterforschung,wenn so vereinfacht zu formulieren ausnahmsweise gestattet ist, zurück.

Auch unsere Frage ist - wie die Reformproblematik - eine allgemeine Frage,die sich zugleich an Klöster und Stifte richten kann, aber die Stiftskirche istdiesmal ein wohl ergiebigeres und wertvolleres Studienobjekt als das Kloster.Denn während ein ganz oder einigermaßen realisiertes klösterliches Armutside-al Umweltbeziehungen einzuengen geeignet war, ist die Stiftskirche von ihrenVoraussetzungen her (Zusammenfassung von Weltklerikern mit Privateigen-tum und großem individuellen Handlungsspielraum, der obendrein leicht miß-bräuchlich zu erweitern war) eher als ein Verdichtungspunkt für soziale Bezie-hungen ganz verschiedener Art und im weitesten Sinne zu bezeichnen. Auf derSkala institutioneller kirchlicher Existenz scheinen mit (strengem) Kloster undmit dem Stift zwei Extrempunkte fixiert. Die für nicht wenige Orte naheliegen-de Frage nach der Bewegung lokal gebundener kirchlicher Institutionen aufdieser unserer Skala - gerade auch ein Problem der Stiftskirchenforschung -lenkt den Blick auf das Ausmaß von Wandlung und Wandlungsfahigkeit kirch-licher Organisation insgesamt. Diese Frage bezieht sich zuerst auf einen Be-reich, den man wohl abtrennen kann von der unmittelbaren Seelsorge unddamit von einem durch eine kirchliche Grundaufgabe und durch Praxisbezugeher stabilisierten Gebiet, auf die Existenz nämlich der von diesen Pflichtenweithin befreiten Gottes-Diener im unmittelbaren Sinn und auf deren Positionin der christlichen Umwelt, im Wandel von Generation zu Generation betrach-tet.

Die Rolle der Stiftskirche in der Welt war in viel höherem Maße passivalsaktiv, was infolge des "Systemzwangs" der Einzelmonographien in diesenkaum angemessen zum Ausdruck kommt, aber wertvoll ist gerade als Indikatorfür weiterreichende Zusammenhänge. Die drei einschlägigen Hauptgebiete,das soziale, das wirtschaftliche und das politische Feld, können hier nur ange-deutet werdent-, indem wir uns auf einige Bemerkungen zum sozialen Momentbeschränken, insofern sie sich an unser überlokales Forschungsinteresse an-schließen.Hierbei geht es zuletzt um recht wesentliche Tatbestände unserer Vergan-

genheit, z. B. um die vor allem spätmittelalterliche Ausformung einer im ge-

11 Darunter leidet die sonst hilfreiche Arbeit von josef SIEGWART,Die Chorherren- und Chor-frauengemeinschaften inder deutschsprachigen Schweiz vom 6. Jahrhundert bis 1160 (StudiaFriburgensia NP 30) Freiburg i.Ue. 1962.

12 Dazu MORAW,Hess. Stiftskirchen S. 428f.

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Über Typologie, Chronologie und Geographie der Stiftskirche im deutschen Mittelalter 13

samtdeutschen Rahmen und darüber hinaus tätigen politischen Gruppe zumalvon Juristen, die auch ansehnlichen Anteil an der Verdichtung des Reiches imausgehenden Mittelalter gewann, und einer sich damit berührenden und über-schneidenden "wissenschaftlichen", vor allem mit den Universitäten'? verbun-denen Gruppe oder Schicht, ohne deren Existenz wichtige geistige und religi-öse Bewegungen des Zeitalters und der Folgezeit kaum vorstellbar erscheinen.Beide Gruppen ruhten wohl in hohem Maße auf Stiftskirchenpfründen auf. AusGründen, die mit dem Mittelalter weniger zu tun haben als mit den Histori-kern, sind diese Tatbestände wohl nicht genügend beachtet worden - vor derFolie einer in der Modeme geringer institutionalisierten Kirche, rue strenger aufihre religiöse Aufgabe bezogen wurde, und vor der Folie des abstrakten An-staltsstaats, der inzwischen viele Aufgaben an sich gezogen und die sozialePosition von Führungsgruppen radikalverändert hatte. Die Zeitgenossen ih-rerseits haben die mit unserem Zusammenhang verbundenen Begleitumständekritisiert, aus einer strengen religiösen Grundauffassung. wie Konzilsdebattenund Reformschriften des 15. Jahrhunderts zeigen, aber auch aus ganz anderenBeweggründen, die von der Diskrepanz älterer lokaler oder regionaler Pfrün-deninteressen einerseits und der Ansprüche neuer überregionaler Kandidaten-kreise andererseits herrühren, deren Auftreten und Vermehrung im Zusam-menhang mit den gerade angesprochenen Wandlungen ein Stück "Modernisie-rung" darstellen. Nach dem Gegensatz von lokal-regionalen und überregiona-len Interessen zu fragen mag auch für andere Probleme der Kirchengeschichtehilfreich sein. In unserem Zusammenhang könnte man es womöglich tragischnennen, daß infolge verhältnismäßig unveränderbarer Rahmenbedingungen sowesentliche Neuerungen wie die angeführten fast nur auf dem Weg über rechtnegativempfundene Verformungen des älteren Stiftsgefüges verwirklicht wur-den und daß es nicht gelang, für das Neue auch eine neue Basis zu erstellen. Sokam es in einem Zeitalter ohnehin beträchtlicher Juridifizierung der Kirche zuRegelungen, die vielen unverständlich und deswegen unpopulär waren. Mankann es aber auch anders sehen: Stifte und Pfründen haben sich offenbar unwi-derstehliehen langfristigen Prozessen nicht entziehen können, die z.B. Univer-sitätsbesucher immer mehr nach vorne treten und damit neben alter, ererbter,regionaler, sozialer Qualifikation neue, erworbene, überregionale, eher aus Lei-stung geborene Qualifikationen in zunehmendem Maße anerkannt sein ließen.Die komplementäre Frage nach lokalen Besitzständen von Gruppen in der

Stiftskirche hat sich gegenüber einer der wichtigsten, St. Bartholomäus in

13 Ders., Zur Sozialgeschichte der deutschen Universität im späten Mittelalter. (Gießener Uni-versitätsblärter 8,2. 1975) S, 44-60,

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Frankfurt am Main, als erhellend erwiesent+, wo die Herren von Eppstein aufdem Weg über die Besetzung der Propstei wohl eine Quasiterritorialisierungerstrebten, die dann angesichts der unüberwindlichen äußeren Hindernisse imwesentlichen gescheitert ist. Man könnte immer wieder statt vom Einzelstiftvon Familien oder von Gruppen ausgehen und deren unterschiedliche kirchli-che Interessen studieren. Kaum eine wichtige Adelsfamilie wird ohne irgendei-ne Form kirchlicher Patronage bis hinab zur Altarspfründe ausgekommensein 15, als Teil ihres Besitzstandes; und Stiftskirchen haben hierbei eine beson-dere Rolle gespielt. Wie dem aber sei: Die Pfründe ist eine außerordentlichwichtige, in ihrer Bedeutung wegen langer Diskriminierung immer wiederverkannte, am besten wertfrei zu analysierende Position im sozialen Gefüge desalten Europa. Es war der Mühe wert, sich um Pfründen zu bewerben und sie zuverteidigen 16.

Wir kommen zu der Frage nach den Gründungsumständen der Stifte. Siescheint uns eine oder eher noch die zentrale Frage des Historikers an die Stifts-kirche zu sein, gerade auch im Hinblick auf unser übergreifendes Interesse.Während man für die Zeit vor 816, auch infolge des Quellenmangels, wenigervon gegründeten als von allmählich "gewachsenen" Klerikergemeinschaftent?sprechen wird, die aus fränkischem Zusammenhang stammend nach 816 oftrecht ansehnliche Glieder der deutschen Stiftskirchenlandschaft wurden, kön-nen wir bei der großen Mehrzahl der Stifte mit Gewinn nach den Gründungs-umständen forschen. Dabei ist freilich die Frage nach der jeweiligen einschlägi-gen Überlieferung in gleicher Weise zu systematisieren wie die Frage nach der

14 Ders., Zur Sozialgeschichte der Propstei des Frankfurter Bartholomäusstifts im Mittelalter(HessJbLdgesch 27. 1977) S. 222-235.

15 R.I. JACK, The Ecclesiastical Patronage Exercised by a Baronial Family in the Late MiddleAges (journal of Religious History 3.1965) S. 275-295. Vgl. Anm. 6 u. Edouard de MOREAU, Lesfamiliers des dues de Bourgogne dans les canonicats des anciens Pays-Bas. (Miscellanea historica inhonorem Leonis van der Essen 1) 1947 S. 429--437.

16 Vgl. z. B. Erich MEUTHEN, Die Pfründen des Cusanus (MittForschbcrCusanusGes 2. 1962) S.15-66.

17 Wurzeln von Klcrikergemcinschaften sind Gruppenbildung an Märtyrergedenkstätten und anRuhestätten anderer Heiliger, Gemeinschaftsbildung in der Bischofsstadt und das Zusammenwir-ken von Geistlichen am Sitz großer (Land-)Pfarreien. Monokausalität, wie von der älteren For-schung ins Auge gefaßt, ist jedenfalls abzulehnen. Beispiele für diese Typen: St. Viktor in Xanten,St. Philipp in Zell (Pfalz), St. Gercon in Köln, St. Mauritius in Tholey; Literatur dazu in Anm. 4 u.35 sowie Johann Christian NAITERMANN,Die Goldenen Heiligen. Die Geschichte des Stifts St.Gereon zu Köln (VerölfKölnGesch Ver 22) 1960; Wilhelm LEVISON,Zur Geschichte des KlostersTholey (Historische Aufsätze, Aloys Schulte z. 70. Geburtstag gewidmet. Düsseldorf 1927) S. 62-81; wieder in: ders., Aus rheinischer und fränkischer Frühzeit. Düsseldorf1948 S. 96-117; Ferdi-nand PAULY,Die Siedlungs- und Pfarrorganisation im alten Erzbistum Trier. Zusammenfassungund Ergebnisse. 1976 S. 4171f.

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Über Typologie, Chronologie und Geographie der Stiftskirche im deutschen Mittelalter 15

Sache selbst. Denn im Hinblick auf die Gründungsdaten der ältesten Stiftskir-chen zeigt sich18, daß ohne eine vergleichende Untersuchung der Quellenbelegeim Sinne Otto Meyerst? nicht selten kaum Hoffnung besteht, mehr als rechtunsichere Ergebnisse zu gewinnen. Man muß hier über das Einzelstift hinaus-gehen. Die Schwierigkeiten sind deswegen besonders groß, weil die eigenenUrkunden der Stifte des 9. und 10. Jahrhunderts gewöhnlich erst im 13. Jahr-hundert einsetzenw. Stiftsüberlieferung und Stiftsverfassung hängen jedenfallseng miteinander zusammen. Ein stark von einem nahen Herrn abhängiges Stiftwar beiderseits benachteiligt'", Der Gründungsvorgang erweist sich in der Re-gel als langgestreckt. immer wieder selbst über Jahrzehnte hinweg, und dieDaten, die wir kennen, mögen sich auf verschiedene Stationen dieses Prozessesbeziehen und können daher nicht ohne weiteres nebeneinander gestellt werden.

Im Gründungsmoment jedenfalls hat das Stift unmittelbaren Anteil am sei-nerzeit aktuellen Denken und Handeln gefunden. Wir nennen sogar das Stift imVergleich zu anderen kirchlichen Institutionen in besonders hohem Maßegründungsbezogenw, und deshalb auch ist Vielfalt ein Grundelement stifts-kirchlicher Existenz. Noch der Codex luris Canonici von 1917 und nachfolgen-de päpstliche Sonderregelungen haben in Einzelbelangen die lokalen Statutenvon Stiftskirchen, d. h. zuletzt die Gründungsumstände, respektiert. So wirdman die Stiftskapitel unmittelbar in den Zusammenhang jeweiliger Geschichte,d. h. de facto der Landesgeschichte, und erst auf sie gestützt in den Zusammen-hang der allgemeinen, ebenfalls differenzierten Sozial- und Wirtschaftsge-schichte des Reiches rucken. Die einzelne Stiftskirche verweist natürlich auchvon hierher gesehen auf das Ganze einer womöglich recht abstrakt verstaude-

18 Jetzt am besten erkennbar bei den "Weltlichen Kollegiatstiften der Schweiz" passim, selbstbei so großen Kirchen wie SS. Felix und Regula (Großmünster) in Zürich (Ulrich HELFENSTEINu.Cecile SoMMER-RAMER,ebd. S. 565-596).

19 Otto MEYER,Die Klostergründung in Bayern und ihre Quellen vornehmlich im Hochmittelal-ter (ZSGR 51 KA 20. 1931) S. 123-201.

20 Offenkundig z.B. bei den wichtigen Lahnstiften, siehe: Urkundenbuch der Stadt Wetzlar.Bearb. v. Ernst WIESE,Meinhard SPONHElMER,Wolf Heino STRUCK.3 Bde. (VeröftHistKomHes-scnWaldeck 8) 1911-1969; Da5 Georgenstift, die Klöster, das Hospital und die Kapellen zu Lim-burg an der Lahn. Regesten 910-1500. Bearb. v. Wolf Heino STRUCK(Quellen zur Geschichte derKlöster und Stifte im Gebiet der mittleren Lahn bis zum Ausgang des Mittelalters 1 = VeröftHist-KomNassau 12,1) 1956; Die Kollegiatstifte Dietkirchen, Diez, Gemünden, Idstein und Weilburg.Regesten [vor 841]-1500. Bearb. v. Wolf Heino STRUCK(Quellen ... 2, = Veröff .... 12,2) 1959.

21 Vgl. unten Anm. 25.22 Dies gilt selbstverständlich, wie angesichts der immer wieder hervorzuhebenden Vielfalt un-

seres Stoffes kaum verwunderlich, nicht für jeden Einzelfall, so daß z. B. auch spätere äußere:Einflüsse: oder die absolute Größe des Stifts wesentlich werden können. Vgl. Andreas RÖPcKE,DasEutiner Kollegiatstift im Mittelalter 1309-1535. (QuForschGeschSchleswig-Holsteins 71) 1977 S.18.

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nen Kirchengeschichte, aber kaum an erster Stelle. Wenn der Zusammenhangder Stiftskirche mit der "Welt", d.h. mit einer vorerst meist kleinen Welt kon-stitutiv, durch die Stiftung selbst gegeben war, so heißt dies auch, daß es nichtviel Sinn hat, im Hinblick auf Weltlichkeit oder Verweltlichung einen Einzel-vorwurf zu erheben, sofern man nicht die gesamte Institution und im Grundedamit vieles von der gesamten Kirche meint.

Auf zweierlei Weise kann man über das schon Gesagte hinaus die Bedeutungder Geburtsstunde der Stiftskirche noch stärker hervorheben: (1) Die Grün-dungsumstände an sich und notfalls allein das Gründungsfaktum scheinen, beigroßzügig vergleichender Betrachtung, das vorerst einzige wirklich beweis-kräftige Zeugnis für die Frage nach sogenannten Kanonikerreformen zu sein,wobei man allein die kaum bezweifelbare Voraussetzung machen muß, daß derAnklang, den Reformwirken findet, Anstoß zu Neugründungen gibt; die soproblematische Verwertung eines stark formelhaften Reformwortschatzeskann dann hintangestellt werden. (2) Daß im Gegensatz zu allen Orden dasganze Mittelalter hindurch, bis zum Vorabend der Reformation, neue Stiftskir-chen gegründet worden sind, ist das wohl wesentlichste Moment für die ab-schließende Beurteilung und Einordnung des Phänomens "Stiftskirche" insge-samt.

n.

Wir gelangen zur Typologie des Kollegiatstifts. Das Bild, das sich heute vonden deutschen Stiftskirchen des Mittelalters bietet, scheint in vieler Beziehungverwirrend zu sein. Gleichwohlläßt sich die Stiftslandschaft, die sich vor derReformation im Reich ausbreitete, recht gut rückblickend in Gruppen oder garSchichten ordnen, unter der Voraussetzung freilich, daß man den Mut zu kräfti-ger Differenzierung findet: Wo der Rechtshistoriker vor einem einheitlichenPhänomen steht, sieht der Historiker recht unterschiedliche Tatbestände. Esbraucht heute kaum hinzugefügt zu werden, daß im Rahmen dieses VortragsVereinfachungen unumgänglich sind.

Schon vor 816 erkennt man die drei Hauptkräfte, die der Institution derStiftskirche im Laufe ihrer Geschichte gegenüberstanden und sie demnach -wie wir schon wissen - auch entscheidend bestimmt haben: Mönchtum, Epis-kopat und weltliches Herrschaftsgefüge. Diese Dreiteilung wird auch unsereTypologie leiten.

Wir kommen zuerst zum Ordenswesen und damit zum ersten Haupttypusder Stiftskirche. Mönchsgemeinschaften-Benediktinerklöster und Klerikerge-meinschaften-Stiftskirchen sind institutionsgeschichtlich gesehen jene beidengroßen kirchlichen Gemeinschaftsformen, die wohl vom 6. Jahrhundert an das

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Über Typologie, Chronologie und Geographie der Stiftskirche im deutschen Mittelalter 17

ganze Mittelalter hindurch nebeneinander Bestand gehabt haben. Nach 816 istdas Kollegiatstift in doppelter Weise in ein Verhältnis zum Benediktinerklostergetreten.

Zunächst ist ein Abhängigkeitsverhältnis festzustellen. Soweit die AachenerGesetzgebung Kaiser Ludwigs einen Impuls zum Neubilden von Stiften bot, istsie im später deutschen Bereich am pünktlichsten von großen Klöstern aufge-griffen worden, während man eine rasche Rezeption im Bereich der ostfränki-schen Bischofs-Kirchen kaum irgendwo hat feststellen können23. Fulda hat esschließlich auf sieben solcher Kapitel gebracht, eine in Deutschland unter Klö-stern unerreichte Zahl; das älteste ist das Kapitel auf dem Bischofsberg (späterFrauenberg) bei Fulda (gegründet oder neugeformt 802-817, also vielleicht816/817)24.Der zeitliche Vorsprung vor anderen Klöstern entspricht wohl derVorrangstellung Fuldas in Ostfranken. Hier allein scheint eine Art von Erfolgs-kontrolle der Aachener Ordnung möglich. Von der Mitte des 9. Jahrhundertsan findet man dann Ähnliches in Corvey, Hersfeld, Hornbach, Neuweiler,Prüm, St. Gallen, Weißenburg USw.25•Solche Stifte stehen neben Mönchszellen- Mönchspropsteien, wie sie auch sonst aus großen Klöstern bekannt sind. Eshandelt sich in der Regel um Schrumpfformen der klassischen Stiftsverfassung,die wir als Minderstifte bezeichnen könnten. Dies gilt insbesondere für die ersteder beiden Untergruppen, die zu unterscheiden sind, die am Klosterort selbstangesiedelten Kapitel, die wohl vor allem der Seelsorge dienten. Ihnen stehenals zweite Untergruppe Stifte im Mittelpunkt entfernterer Besitzschwerpunktedes Klosters gegenüber. Die meisten jener Kirchen waren zu einem Schattenda-sein verurteilt, oder anders und besser - vom Gründer her - formuliert: Der(bescheidene) Gründungszweck wurde festgehalten und die übliche Entwick-lung zur Selbstverfestigung und Selbstgenügsamkeit behindert. Es war einGrenz- und Sonderfall der Stiftskirche, der gerade nicht durch das sonst üblicheÜberdauern der Gründungsaufgabe gekennzeichnet ist.

Die an zweiter Stelle zu nennende komplementäre Verknüpfung von Klosterund Stift bezieht sich zunächst vor allem auf das 9. und 10. oder auch 11.

23 Vg!. SCHIEFFER,S. 242ff.24 Vg!. MORAW,Hess. Stiftskirchen S. 435f., 446f., 449f., 454f.; auch Konrad LÜBECK,Das

Kloster Fulda und seine Kollegiatstifte (ArchkathKirchenrecht 125. 1951/52) S. 301-309.25 Ludwig SCHMITZ-KALLENBERG,Monasticon Westfaliae. 1909 S. 36; Marce! BURG,Das St.

Adelphi-Stift zu Neuweiler unter Bischof Berthold n. von Bucheck 1328-1353 (Arche!sässKirchengesch 12. 1937) S. 57-71; Georges DESPY,Henri IV et la fondation du chapitre de Sclayn(Etudes sur l'histoire du pays mosan au moyen age) Bruxelles 1958 S. 221-236; Daniel MlsoNNE,Chapitres seculiers dependant d'abbayes benedictines au moyen age dans I'ancien diocese de Liege.(La vita comune 1) S. 412-432; MORAw, Stih St. Fabian passim; Georg KOHLSTEDT.Die Benedikti-nerpropstei und das spätere Kollegiatstift Großburschla an der Werra. (Studien z. kath. Bistums- u.Klostergesch. 9) 1965; PAULY,Siedlungsorganisation S. 424; josef Rscx, St. Mangen in St. Gallen.(Die weltlichen Kollegiatstifte der ... Schweiz) S. 429-433; MORAW,Hess, Stiftskirchen S. 447f.

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Jahrhundert und gehört räumlich besonders dem bayerischen Herzogtum an.Friedrich Prinz hat hier für das 9. Jahrhundert eine absteigende Linie monasti-scher Existenz festgestellt=. Es handelt sich - wie wir an diesem Ort nur in ganzkomprimierter Weise feststellen wollen - um die durch herzogliche Säkularisie-rung, bischöfliches Eigenklosterwesen und wohl auch durch Ungarnnot verur-sachte Reduzierung von einst in agilolfischer Zeit blühenden Klöstern zu mehroder minder ausgebildeten Stiftskirchen. Diese Stifte, etwa St. (Ulrich und)Afra vor Augsburg, Benediktbeuern, Metten, Niederaltaich, St. Pölren-", sindschlecht bezeugt; es waren oft Formen minimaler oder marginaler Existenz,und sie sind in ihrer Mehrzahl seit dem Ende des 10. Jahrhunderts und beson-ders im 11./12. Jahrhundert wieder Benediktinern oder dann auch Augustiner-chorherren übertragen worden. Diese trachteten gern danach, den "Schand-fleck" in der Klostergeschichte nach Möglichkeit zu tilgen, so daß heute vondiesem Stadium kaum die Rede ist.

Stiftskirchen auf Klosterbasis, die ihre Verfassung bewahrt haben, bildeneinen weiteren Untertypus, so das heute als Stift bestehende niederösterreichi-sehe Mattsee, oder auch der Sonderfall des Erfurter Marienstifts, das erst 1117als Stift erkennbar wird, aber im Kern auf der benediktinischen Gründung desBonifatius beruht, und weitere Kollegiatkirchen auf der Basis ansehnlicher alterKlöster, bei denen bischöfliches Machtstreben zur Umwandlung geführt hat.Denn bei dieser Gelegenheit konnte man einen großen Teil des Besitzes an sichziehen, wie es z.B. der Bischof von Eichstätt in Herrieden (nach 888) und derBischof von Würzburg in Ansbach (wohl um 1000) getan haben28•Der letzte Typus der Stiftskirche, der im Zusammenhang mit dem Mönch-

tum zu erörtern ist, wurzelt seit dem 14., zumal im 15./16. Jahrhundert in einerGruppe von Konventen, die als vornehme Benediktinerklöster durch Um-wandlung in ein Stift den Reformbestrebungen innerhalb des Ordens zu entge-

26 Friedrich PRINZ, Die innere Entwicklung. Staat, Gesellschaft, Kirche, Wirtschaft. (Handbuchder bayerischen Geschichte. Hg. v. Max SPINDLER1) 1967 S. 270--426 bes. S. 373ff. Aus derSpezialliteratur z. B. Gerd TELLENBACH,Die bischöflich passauischen Eigenklöster und ihre Vog-teien. (HistStudien 173) 1928. Zu den burgundischen Verhältnissen vgl. etwa Klemens ARNOLO,(Die weltlichen Kollegiatstifte der ... Schweiz) S. 493-535.

TT Vgl. PRINZ, Entwicklung S. 3751f.; BACKMUNDS. 39, 77, 86.28 Quellen zur Geschichte des Stiftes und der Herrschaft Mattsee, Hg. u. erl. v. Wilhelm ERBEN.

(Fontes rerum Austriacarum 2,49) Wien 1896; SoNNTAG;Adolf BAYER,St. Gumberts Kloster undStift in Ansbach (VeröffGesfränkGesch 9,6) 1948; Margarete ADAMSKI,Kloster, Stift und StadtHerrieden im Mittelalter bis zur Eroberung durch Ludwig den Bayern 1316 (SchrInsrfränkLd-forsch HistReihe 5) 1954; Aloys SCHMIDT,Zur Gründung des Marienstifts Erfurt. ArchmrhKG 17.1965) S. 255-258; BACKMUND,S. 3Off., 66ff. Zum Westen vgl. Jacques NAZET, La transformationd'abbayes en chapitres a la fin de l'epoque carolingienne: Le cas de Saint-Vincent de Soignies(Revue du Nord 49. 1967) S. 257-280.

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Über Typologie, Chronologie und Geographie der Stiftskirche im deutschen Mittelalter 19

hen suchten, z.B. St. Alban in Mainz (1419), St. Leodegar in Luzern (1450/56),St. Burkard in Würzburg (1464), Bleidenstadt in Hessen (1495), Wülzburg beiWeißenburg i.F. (1523/24). An der Spitze stehen die alten Abteien Weißenburgund Ellwangen, von denen Ellwangen als einzige Stiftskirche den reichsfürstli-chen Rang des Propstes und die Exemtion mit quasi-bischöflicher Jurisdiktionbis zum Ende des Alten Reiches behauptet hat29• Die Analyse der Einzelfällezeigt, daß diese Umwandlungen nur die längst bestehende Zersetzung der Or-densregellegalisiert und damit im Inneren kaum größere Veränderungen mitsich gebracht haben. Der Weg zum Stift war kürzer als in die Reformkongrega-tion. Damit hat die Realität über die Norm gesiegt, die bekanntlich zwar denWeg in die strengere Verfassungsform gestattet, nicht aber die umgekehrteRichtung. Auch hier mag freilich das Schlagwort "Verfall", wie anderswo dasSchlagwort "Reform" komplizierte, insbesondere auch auf unwiderstehlicherAußenwirkung beruhende Entwicklungen verdecken, die man dann kaum al-lein "moralisch" beurteilen kann.

Wir kommen zum zweiten Haupttypus der Stiftskirche. Der Diözesanbi-schof war bis zum Ende des Mittelalters der kirchenrechtlich wichtigste, nichtimmer willkommen geheißene Herr von Stiftskapiteln, dessen Gewalt im Laufedes Mittelalters auch mit den Rechten von Äbten als domini und patroni vonStiften immer erfolgreicher konkurrierte30, und hatte auch schon lange vor 816Klerikergemeinschaften geformt oder beeinflußt. Die Abhängigkeit war dannam ältesten und stärksten, wenn das Stift durch alte Abschichtung vom Bi-schofsgut oder durch episkopale Privatdotation entstanden-! oder auch ausKönigsbesitz vom Bischof übernommen worden war32• Der Episkopat hat frei-lich auf die Institetio von 816 weder mit einer Welle von Stiftsneugründungennoch auch mit einem verbreiteten, deutlich erkennbaren Streben nach Befesti-gung bestehender Kierikergemeinschaften innerhalb und außerhalb der Bi-schofsstädte reagiert. Es blieb beidesmal bestenfalls bei Einzelfällen, die wegen

29 Josef ZELLER,Die Umwandlung des Benediktinerklosters Ellwangen in ein weltliches Kolle-giatstift (1460) und die kirchliche Verfassung des Stifts. (WürttGeschqu to) 1910; AdolfFriedrichKIPKE,Die Abtei Bleidenstadt im Mittelalter. Diss. phil. Ms. Mainz 1952 (Autorenreferat in Nass-Ann 64. 1953 S. 121f.); Hans PFEIFER,Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der FürstpropsteiEllwlUlgen (VerötlKomgeschLdkde Baden-Württemberg B 7) 1959; BACKMUNDS. 109f.; FritzGLAUSER,St. Leodegar im Hof zu Luzern. (Die weltlichen Kollegiatstifte der ... Schweiz) S. 342-361. Vgl. Walter PETSCHAN,Spiitmirtelalterliche Klöster (1300-1500). Karte VIII,6 mit Beiwort imHistorischen Atlas von Baden-Württemberg. 1975.

30 Vgl. MORAW,Zell S. 14411'.31 Z.B. HEYENoder Hans-Walter HEIlRMANN,Zur Frühgeschichte des Stifts St. Amual und des

Saarbrücker Talraumes (ZGeschSaargegend 19. 1971) S. 51-122.12 Hans K. SCHULZE,Das Chorherrenstift St. Peter zu Fritzlar im Mittelalter (Fritzlar im Mittel-

alter. Festschrift zur 12SO-Jahrfeier) 1974 S. 144-167; MORAw,Hess. Stiftskirchen S. 441£.

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der schlechten Überlieferung des 9. und 10. Jahrhunderts vorerst wohl systema-tisch kaum durchsichtig zu machen sind.

Vorausblickend weisen wir darauf hin, daß im deutschen Mittelalter nebender "Fremdbestimmung" des Kollegiatstifts durch den Bischof diejenige durchdas Domkapitel stehen kann. Sie mag sich zeigen - in seltenen Fällen wie inPrag33 - in der Zuordnung eines "Minderstifts" an die Domkirche selbst, diesich ganz ähnlich auswirkte wie die schon beschriebene Klosterabhängigkeit ;häufiger wird sie, zumal in Bischofsstädten, durch die Personalunion von Stifts-propstei und Domkanonikat dargestellt und kann auch in einen Zusammen-hang mit der Archidiakonatsverfassung gestellt werden-+, Diese Art von Ab-hängigkeit zeugt freilich auch von Verwandtschaft - und so sind im Laufe derdeutschen Kirchengeschichte in Mittelalter und Neuzeit auch alte Stiftskapitelzu Domkapiteln aufgestiegen (Wien, Bautzen-Meißen, vg!. Aachen).

Wir kehren zurück zum Bischof der stiftskirchlichen Frühzeit. Die am weite-sten westlich verankerte Großdiözese Trier hat kaum zufällig östlich des Rheinsmit bischöflichen Stiften den Anfang gemacht, nämlich mit Dietkirchen (836-41). Im Jahr 836 hatte man schon am Rhein das Stift St. Kastor in Koblenzgegründet. Damals wurden ältere, zuletzt in spätantiker Tradition, nämlich imReliquiendienst wurzelnde Zusammenhänge in einen (man könnte fast sagen)kolonialen Osten übertragen ". Auch das Erzbistum Köln36 war mit altenGründungen besonders gut versehen. Es nimmt neben dem Erzbistum Trier inder Frühgeschichte der deutschen Stiftskirche einen besonderen Platz ein. Mankann hier bis in karolingische Zeit hinein eine fortdauernde Einheit des städti-schen Klerus bei einer gleichzeitigen Mehrzahl von oft funktionell unterschie-denen Kirchen erkennen. Die Durchbrechung dieses aus der Spätantike über-kommenen Prinzips zugunsten einer festen und dauerhaften rechtlichen Bin-dung von Klerikern an bestimmte Einzelkirchen ist zuerst an den auswärtsgelegenen Grabbasiliken zu beobachten. Zum Beispielliegen die Anfänge desStifts Xanten mit dem hl, Viktor - wie es heißt - sicher vor 86337, sofern manüberhaupt bei einem "gewachsenen" Stift eine sinnvolle Grenze zur Kleriker-

33 Franz MACHILEK,Privatfrömmigkeit und Staatsfrömmigkeit. (Kaiser Kar! IV. Staatsmannund Mäzen. Hg. v. Ferdinand SEIBT)1978 S. 87-101 bes, 89; oder auch St. Willibald in Eichstärt

(BACKMuNDS. 51f.).34 Z.B. Alois GERLICH,Das Stift St. Stephan zu Mainz. S. 141f. (JbBistMainz Ergbd. 4) 1954.35 PAULY,Siedlungsorganisation S. 3951£. Ferner unten Anm. 59.36 Wilhe1m NEUSSund Friedrich Wilhe1m OEDIGER,Das Bistum Köln von den Anfangen bis

zum Ende des 12. Jahrhunderrs. (Geschichte des Erzbistums Köln 1). 21972 passim.37 Friedrich Wilhe1m OEDIGER,Monasterium beati Victoria Christi marryris (Hugo BoRGER und

F.W. OEDIGER,Beiträge zur Frühgeschichte des Xantener Viktorstifts = Rhein. Ausgrabungen 6)1969 S. 207-267, wieder in: F.W. OEDrGER,Vom Leben am Niederrhein. 1973 S. 117-185.

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gemeinschaft ziehen kann. Xanten zeigt auch archäologisch-architektonisch,daß die extrem urkundenarme Zeit des to. und l l , Jahrhunderts durchaus keinebescheidene Zeit gewesen sein muß. Die alten niederrheinischen Stiftskirchen(Xanten: St. Viktor, Köln: St. Gereon, Bonn: St. Cassius) sind dann im späte-ren römisch-deutschen Reich die größten und wohl auch angesehensten Kapitelgewesen und geblieben. Sie haben ein Beispiel gegeben, und nach ihrem Vor-bild offenbar haben sich auch an den Gedenkstätten jüngerer Heiliger Kleriker-gemeinschaften gebildet", die wir für heute ebenfalls dem bischöflichen Be-reich in einem weiteren Sinne zuordnen können. - Das Bistum Konstanz, viel-leicht im Hinblick auf die Gestalt Salomons L, kann man für das 9. Jahrhundertals ein drittes in unserem Zusammenhang erwähnen=',

Das Kollegiatstift ist ein Indikator politisch-kirchlicher Veränderungen ins-besondere insofern, als die große Zeit der Stiftskirchengründungen des Episko-pats in erstaunlicher chronologischer Exaktheit mit dem Zeitalter des otto-nisch-salischen Reichskirchensystems zusammenfällt. Unsere Betrachtung maggeeignet sein, diesem vieldiskutierten Thema einen neuen Aspekt abzugewin-·nen. Die Stiftskirche ist wohl eine typische Vertreterin jener vom theokrati-schen Königtum überwölbten Verbindung von Kirche und Welt, die noch alsunproblematisch erschierr'"; sie kam dem "Zeitgeist" besonders entgegen. Imfolgenden können wir uns hier allerdings nur ganz summarisch äußern. Mankann vermuten, daß die Gründung von Stiftskirchen dieses neuen Typs einsetz-te mit einem wohlbekannten Namen, mit Brun, dem Erzbischof von Köln undBruder Ottos I., und sich vielleicht in gewisser Weise parallel zu den von JosefFleckensteirr'! aufgezeigten Personenbeziehungen Bruns und der Hofkapelleweiter ausbreitete. Auf Brun folgte wohl die Schule Bruns, zuerst durch BischofNotker von Lüttich. In der nächsten Generation spielte z. B. Willigis von Mainzeine wichtige Rolle, und dessen Schüler Burchard von Worms hat neben ande-ren Stiften als Triumphzeichen auf der von ihm geschleiften Salierburg das Stift

38 Z. B. St. Goal', vg!. Franz- Josef HEYEN,St. Goal' im frühen und hohen Mittelalter (Kurtrier Jb1.1961) S. 87-105; PAULY,Siedlungsorganisation S. 411 ff. ; ders., Zur Topographie der Kollegiat-stifte in Boppard, St. Goar und OberweseI. (ArchmrhKG 30. 1978) S. 59-84.

39 Wemer KUNDERT, St. Pelagius in Bischofszel!. (Die weltlichen Kollegiatstifte der ...Schweiz) S.215-245.

40 Leo SANTIFALLER, Zur Geschichte des ottonisch-salischen Reichskirchensystems(Sitzungsber.Österr.Akad. Wiss, Phil-hist. Kt. 229,1) 21964; Oskar KÖHLER, Die OttonischeReichskirche. (Adel und Kirche. Festschrift f. Gerd TeIlenbach) 1968 S. 141-204; JosefFLECKEN'STEIN,Grundlagen und Beginn der deutschen Geschichte. Göttingen 1974 S.148ff.

41 Friedrich LoTTER,Die Vita Brunonis des Ruotger. (BonnerhistForsch 9) 1958 S.88ff.; JosefFLECKENSTEIN,Die Hofkapelle der deutschen Könige. 2. (SchrMGH 16,2) 1966 S.24ff., 30ff., 49ff.,55ff. u.ö,

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St. Paul errichtet+t, Dies könnte ein Anzeichen dafür sein, daß da~ Selbstbe-wußtsein großer Reichsbischöfe in Stiftsgründungen einen angemessenen Aus-druck gefunden hat und daß diese wesentlichen Anteil am bekannten Baueiferdes Zeitalters besitzen, ja daß eine Art von Wettbewerb stattfand. Auch Adal-bert von Bremen und Anno von Köln haben Stiftskirchen errichtet+'. Zwischen960 und 1060 ist das heilige Köln mit seinen zuletzt sieben Stiftskirchen entstan-den. Lüttich erreichte die gleiche Anzahl, und Mainz wollte kaum zurückste-hen+'. Oder: Mit der Gründung des salischen Doms in Speyer durch Konrad H.um 1030 errichtete etwa gleichzeitig derselbe Stifter die Kollegiatkirche St.Guido, und etwa 1040 geschieht die Gründung von Allerheiligen durch denSpeyerer Bischof. 1092 kann man dann St. German als Stift erfasserr=. Weiteresaufzuzählen erscheint unnötig; es genügt festzustellen, daß kein anderes Zeital-ter der deutschen Stiftsgeschichte vergleichbaren Rang besitzt.

Neben den großen Stiftskirchen in der Bischofsstadt sind bezeichnend eineAnzahl Kapitel an besonders wichtigen und ausgesetzten Punkten der Diöze-sen. Auch solche Stiftungen sind keineswegs im Gegensatz zu Klosterförde-rung oder auch Klosterreform zu sehen, sondern von ihrer Zweckbestimmungher zu beurteilen; es sollten neue Zentren der Gottesverehrung zum Nutzen derInteressen des Bischofs entstehen. In der riesigen Diözese Mainz, aber auch imBistum Köln zum Beispiel kann man solche "Stützpunktbildung" in klassischerForm beobachten=.

Gemäß dem Denken des Zeitalters wirkten auch Bischof und Kaiser bei derStiftsgründung zusammen, wie in St. Stephan in Bamberg (1007/08)46a.Inallen diesen Fällen suchte sich das Stift so weit wie nur möglich zu verselb-

ständigen, wie jede auf ein für allemal herausgegebenen Grundbesitz gegründe-te Institution des Mittelalters, die in einiger Entfernung von ihrem Herrn ent-

42 FLECKBNSTEIN,S.302, 308, 312; Godefroid KUllTH,Notker de Liege et la civilisation au Xesiede. 2 vol. Paris 1905.

43 Karl JORDAN,Adalbert Erzbischof von Hamburg-Bremen. (Lexikon des Mittelalters. 1,1)1977 Sp, 97 f.; - Monumenta Annonis. Köln 1975; Theodor SCHIEFFER,Anno n. Erzbischof vonKöln (Lexikon des Mittelalters. 1,4) 1979 Sp. 666-668.

44 Godefroid KURTH,La cite de Liege au moyen age. 2. Bruxelles 1910 bes, S.253; Alois GER-LlCH, Studien zur Verfassung der Mainzer Stifte (MainzerZ 48/49. 1953/54) 5.4-18; ders.,St. Stephan.

45 Hermann ISSLE,Das Stift St. German vor Speyer. (QuAbhmittelrhKirchengesch 20) 1974. AufHinweise auf andere Bistümer (Osnabrück, Hildesheim, Paderbom u.a.m.) sei bier verzichtet.

46 Z. B. Carl OSSEFORTH,Geschichte der St.Martini-Kirche und des Chorherrenstifts St. Peter zuNörten-Hardenberg. 1955; Alfred BllUNS,Das ArchidWtonat Nörten (VerölfMPIGesch 17 = Stu-dien GS 7) 1967 S.31 If. oder Rolf KÖHN, Die Anfänge des Soester Patroklistiftes (SoesterZ 84.1972) S. 5-23. Vergleichbar ist die Stiftskirchenpolitik des Erzbischofs von York, des Inhabers dergrößten englischen Diözese.

46. BACKMUNDS. 48f.

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Über Typologie, Chmnologie und Geographie der Stiftskirche im deutschen Mittelalter 23

standen war. Das Stift unterscheidet sich insofern nicht vom Verhalten einesAdelsherrn oder einer Stadt im Hinblick auf den König.

Um die Jahrtausendwende könnte es eine Kanonikerreforrrr'" gegeben ha-ben. Ihr Ziel mag u. a. eine klare und endgültige Unterscheidung von Mönchenund Kanonikern gewesen sein. Allerdings haben wir schon angedeutet, daßman hier vorerst vielleicht besser zurückhaltend sein sollte. Klarer scheint einanderer Aspekt vor Augen zu. treten, nämlich der in ottonisch-frühsalischerZeit vollzogene relative regionale Ausgleich im Reich und damit erst die Aus-bildung einer "Reichskirche" in einem besser beglaubigten Sinne. Waren esanfangs nur die alten Bischofskirchen der Rhein- und Mosellande und des Sü-dens, die Anteil hatten an entwickelteren kirchlichen Organisationsformen, sofinden sich jetzt Stifte auch dort vor, wo es vor das 9. Jahrhundert zu datierendeKlerikergemeinschaften überhaupt nicht geben konnte.Die große Zeit der bischöflichen Stiftsgründungen ist mit dem Investitur-

streit schlagartig zu Ende gekommen und ist nie mehr in gleicher Weise wie-dergekehrt. Vielmehr erst nach einer Pause, im 12. Jahrhundert, kam die bi-schöfliche Initiative wieder in Gang, nun aber auf recht veränderte Art undWeise, die uns von einem neuen Typus mit mehreren Untertypen zu sprechennötigt, den man besser im Zusammenhang mit herrschaftlichen und städtischenLebensformen des Spätmittelalters im nächsten Abschnitt behandelt. Rein epis-kopale Gründungen wurden selten, sie dienten repräsentativen oder territoria-len Zwecken=, öfter wie diejenigen eines weltlichen Landesherrn. Es zog dieZeit des städtischen, an der Pfarrkirche errichteten Stifts herauf, wobei es sichfür den Bischof vielfach nur um die Legalisierung von Projekten Dritter han-delte. Vor allem an dieser Phase hatten die Hirten der auf Kolonialboden ent-standenen Bistümer Anteil. Recht bescheiden war daher z. B. die Mitwirkungder verhältnismäßig armen Bischöfe von Lübeck bei der Errichtung von Stifts-kirchen. Aber auch das reiche Bistum Breslau hat den größten Teil seiner Stifts-gründungen (ab 12. Jahrhundert) nicht mehr vom Bischof ausgehen seherr'".

47 Vgl. oben Anm. 11.48 Je ein Beispiel: St. Gangolphi in Magdeburg 1379 (WENTZ-SCHWINEKÖPER,wie in Anm. 2)

S.788ft'., Johannes Baptista in Amöneburg (Hessen) (1360), MORAW,Hess. Stiftskirchen S. 454.49 J.A. KOPIETZ,Das Collegiatstift von St.Nikolaus in Ottmachau (1386-1477) (ZVerGesch-

Schlesien 26.1892) S.131-163; Dr. WELTZEL,Das Kollegiatstift zum hi, Bartholomäus in Ober-Glogau (ebd. 30. 1896) S. 165-190; Cäcilie KUCHENDORP,Das Breslauer Kreuzstift in seiner persön-lichen Zusammensetzung von der Gründung (1288) bis 1456. (Zur schles. Kirchengesch. 29) 1937;R. VÖLKER,Die persönliche Zusammensetzung des Neißer Kollegiatkapitels während seiner Resi-denz in der Altstadt Neiße 1477-1650 an der Kollegiatkirche zu SS. Johannes Evangelista undNikolaus. Diss. Breslau 1937; Georg BERNHOPEN,Das KoUegiatstift Brieg in seiner persönlichenZusammensetzung von den Anfängen (1369) bis zur Säkularisation (1534) (HistStudien 356) 1939;Jöse{ SZnfANSKI, Les recherches sur I'histoire des chapitres polonais elfectuees de 1945 i 1960(RHE 57. 1962) S.484--493.

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Eine letzte Form bischöflicher Beschäftigung mit dem Kollegiatstift sei ab-schließend wenigstens erwähnt. Die Lebensform der Regularkanoniker'v, vonder hier nicht näher die Rede ist, konkretisierte sich seit dem letzten Drittel des11. Jahrhunderts, mit der Blütezeit in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts,ausgehend von einer allgemeinen Befolgung der "Vita apostolica" und der"Vita communis" der Urkirche, immer mehr in Richtung auf die von Augusti-nus wirklich oder angeblich überlieferten Vorschriften. Die Regularkanoniker-bewegung hat mindestens 150 Reformstifte, zum großen Teil Neugründungen.hervorgebracht - ohne die vielleicht ebenso große Zahl der Prämonstratenser-kirchen, Auch dies war vor allem eine bischöfliche Reform, zumal in den Diöze-sen Salzburg, Passau oder auch Halberstadt!", Ebendort, wo der bischöflicheEinfluß stark war, fand sie auch in höherem Maße auf Kosten von Kollegiatstif-ten statt. Anderswo aber, und dies war die große Mehrzahl der Fälle, setzte sichdie Reform gegenüber den Stiften herkömmlicher Art nicht durch. In Südwest-deutschland gab es im Spätmittelalter dreimal soviel Kollegiatstifte wie Augu-stinerklöster. In Hessen ist nur eine einzige Stiftskirche reformiert worden,diejenige in Hasungen im Jahre 1081, die erst 1074 an der Grabstätte einesEremiten errichtet worden war (und zwar aus einem betont religiösen Motiv imengeren Sinn) und sozialgeschichtlieh gesehen noch kaum eingewurzelt seinkonntev. Norbert, der spätere Gründer des Prämonstratenserordens, Kanoni-ker in Xanten, hat zwischen 1115 und 1118 gegenüber dem Stiftsleben seinerHeimatkirche reformierend nichts ausgerichtet. Der Erfolg der Neuerung,vom Gesichtspunkt der Geschichte des Kollegiatstifts betrachtet ein Einbruch,blieb also häufig sehr begrenzt. Mitentscheidend für dieses Beharrungsvermö-gen dürfte die sichere Verankerung der meisten Stifte in der" Welt", d. h. inihrem konkreten sozialen Umkreis gewesen sein, der sich von einer Verände-rung des Status der Kirchen keinen Vorteil versprach.

Die Laienmacht, zu welcher wir jetzt übergehen, das heißt der König, Großeoder später Fürsten und Herren oder gegen Ende des Mittelalters auch Städteoder Bürger, hat Kollegiatkirchen als fromme Stiftungen errichtet, aber dochauch in der Weise, daß diese im Hinblick auf irdische Zweckmäßigkeit sinnvoll

50 Zuletzt Stefan WEINFURTER,Neuere Forschungen zu den Regularkanonikern im DeutschenReich des 11. und 12.Jahrhunderts. (HZ 224. 1977) S.379-397.

51 PRINZ,Entwicklung S.390ff.; Karlotto BoCUMIL,Das Bistum Halberstadt im 12. Jahrhundert(MittddtForsch 69) 1972; Stefan WEINFURTER,Salzburger Bistumsreform und Bischofspolitik im12.Jahrhundert. (KölnerHistAbhh 24) 1975; ders., Salzburg unter Erzbischof Konrad 1. Modelleiner Bistumsreform. (Salzburg in der europäischen Geschichte = Salzburg-Dokumentation 19)Salzburg 1977 S.29--62.

52 MORAW,Hess. Stiftskirchen S. 445f.; Kar! Heinrich REXROTH,Hasungen zwischen Hersfeldund Hirsau (Ms. d. Konstanzer Arbeitskreises für mittelalter!. Gesch. e.V. Protokoll d. 74. Arbeits-tagung v. 16.Nov. 1973).

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beurteilt werden können. Stiftsgründung war hier, wie immer wieder auchbeim Kloster und meist beim Bischof, nach Wahl von Ort und Umständensymbolische und konkrete Demonstration von Herrenexistenz. oft mit räum-lich konzentrierender oder später gar zusätzlich "bürokratischer" Zielsetzung.Ungeachtet kirchenrechtlicher Wandlungen (statt Eigenkirche Patronat bzw.Präsentation) konnte sich zwar bald nicht mehr der König aus der Ferne, wohlaber der Territorialherr aus der Nähe oder der König in seiner Hausmachtentscheidend zur Geltung bringen: Fast alle Stifte fanden sich am Ende desMittelalters in Territorien vor.

Laienmacht hat vor allem vier Typen von Stiftskirchen hervorgebracht, imHochmittelalter die königlichen und die dynastischen (Pfalz-)Stifte und imSpätmittelalter das Residenzstift und das städtische Stift nichtherrschaftlicherGründer. Es sei schon an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß bei einer solchenGliederung neben dem Gründer selbst im Ablauf der Zeit zunehmend die Um-welt prägend hervortrat. Von spätmittelalterlichen Stiften in der Stadt kannman zusammenfassend reden, ob nun Kleriker oder Laien an ihrem Anfangstanden; entscheidend ist, daß sie den Lebensregeln der Kommune eingeordnetwaren.Beim königlichen Pfalzstift ist selbstverständlich einzusetzen mit der Marien-

kirehe in Aachen->, die wie bei kaum einem anderen unserer Typen als muster-bildendes Individuum am Anfang steht. Man sollte mit der Datierung derStiftsbildung von Aachen nicht zu ängstlich sein und könnte wohl noch anLudwig den Frommen denken. Aus dem 9. Jahrhundert nennen wir nochFrankfurt, Regensburg, Altötting oder auch Ranshofene+, Für das deutscheHochmittelalter ist dann - wohl nach einer Zäsur - besonders Kaiser HeinrichIll. zu erwähnen, der in Goslar St. Simon und Juda, das letzte der großenPfalzstifte, gründete und an zwei Heiligenstifte alten Typs anknüpfte, in Kai-serswerth und Maastricht; auch in den Pfalzen Quedlinburg, Pöhlde und auf

~3 Heinrich LICHIUS,Die Verfassung des Marienstifts zu Aachen bis zur französischen Zeit(ZAachenGV 37. 1915) S.1-14O; Theodor SCHIEFFEIl,Die älteste Kaiserurkunde der AachenerKirche (Festschrift f.1osefQuint) 1964 S.187-193; Erich MEUTHEN,Die Aachener Pröpste bis zumEnde der Sta~ferzeit (ZAachenerGV 78.1966/67) S. 5-95; MORAw,Hess. Stiftskirchen S. 439f.;Ludwig FALKENSTEIN,Erich MEUTHEN,Aachen (Lexikon des Mittelalters I, 1) 1977 Sp. 1-3.

>4 Joseph SCHMID,Die Urkundenregesten des Kollegiatsstiftes U.L. Frau zur Alten Kapelle inRegensburg. 1Bde. 1911/12; ders., Die Geschichte des Kollegiatstiftes U. L. Frau zur Alten Kapellein Regensburg. 1922; C].M. KÖNIG, Dreimal Chorherrenstift Altötting. 1950; FLEcKENsTEIN,Hofkapelle 1 (1959) S.551f., 151If., 2181f.; PRINZ,Entwicklung S.376£.; BACKMUND,S.271f., 91 If.;Günther RAucH, Pröpste, Propstei und Stift von St. Bartholomäus in Frankfurt (Studien z. Frank-furter Gesch. 8) 1975.

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der Harzburg sind Stifte bekannt=. Auf eine nähere chronologische und sachli-che Differenzierung muß an dieser Stelle leider verzichtet werden.

In den staufischen Pfalzen sind keine Stifte mehr gegründet worden. DasKönigtum hat von da an auch seine ursprünglich eigenkirchlichen Rechte anden alten Pfalzstiften Schritt für Schritt eingebüßt. Die Vogtei des Bartholo-mäusstifts in Frankfurt z.B. war wohl spätestens um 1200 im Besitz des HausesEppstein. In einigen anderen Kirchen behauptete der König Eingriffsmöglich-keiten bis ins 14. Jahrhundert, so die Präsentation auf die Propsteien in Wetzlarund in Gemünden im Westerwald56• Im ganzen nahm die Distanz der Stifte zumKönigtum - parallel zur allgemeinen Territorialisierung - immer mehr zu. Nureinige wenige Stiftskirchen waren schließlich reichsunmittelbar, z. B. das Ma-rienstift auf der Comburg in Württemberg, oder der Stiftspropst war garReichsfürst wie im schon erwähnten Ellwangens"; in diesen Fällen war dasbenediktinische Erbe ausschlaggebend.

Der zweite Typus der Laiengründungen ist das in Dynastenpfalzen und-burgen errichtete Stift. Ein Beispiel dynastischer Pfalzen bieten die Babenber-ger, deren Residenzmittelpunkte mit Pfalzstiften ausgestattet waren: Vom 10.bis 12. Jahrhundert St. Florian (vor 1002) und mit Einschränkung die über-nommenen Plätze Melk (I. Hälfte des 11. Jahrhunderts) und Klosterneuburg(vor 1108), die alle nicht mehr Kollegiatstifte sind58• Noch besser kann man dieGründung von Stiften an Burgen großer Dynasten des 9. bis 11. Jahrhundertsbei den Konradinern studieren. Deren Vorbilder, König und Bischof vonTrier, stehen klar vor Augen. Die Konradiner haben zwischen 841/845 und 940im Wettbewerb mit dem Trierer Hirten das Lahntal zu einer Stiftslandschaftwerden lassen, die einschließlich Koblenz zuletzt neun Stifte umfaßte'". Hier

55 Urkundenbuch des Stiftes Kaiserswerth. Bearb, v. Heinrich KELLETER.(Urkundenbücher dergeistI. Stiftungen des Niederrheins 1) 1904; Gerold MEYERVONKNONAU,Jahrbücher des Deut-schen Reiches unter Heinrich IV. und Heinrich V. 2.1894 S.230; Ono R. REDLICH,Die Bedeutungvon Stift und Burg Kaiserswerth für Kirche und Reich (AnnHistVNiederrhein 115.1929) S.61-75;Günther STICK, Das Kollegiatstift St. Suitbertus zu Kaiserswetth von der Gründung bis zumAusgang des Mittelalters. Diss. phi!. Ms. Bonn 1955; Rudolf MEIER,Die Domkapitel zu Goslarund Halberstadt in ihrer persönlichen Zusammensetzung im Mittelalter. (VeröffMPI Gesch S= Studien GS 1) 1967; Joachim DEETERs,Servatiusstift und Stadt Maastricht (RheinArchiv 73)1970.

56 Vgl. oben Anm. 20.57 Vgl, Beiträge zur Geschichte der Komburg (= Württembergisch Franken 56.1954) u. oben

Anm.29.58 Wolf HANNS,Die Anfange des Stiftes Klostemeuburg ObLdkdeNiederösterreich NF 29.

1944/48) S.82-117; Gerhard FLOssMANN,Melk und die Babenberger. (1000 Jahre Babenberger inÖsterreich) 1976 S.240-248.

59 Vgl, oben Anm. 20; Wolf Heino STRUCK,Die Stiftsgründungen der Konradiner im Gebier dermittleren Lahn (RheinVjbll 36. 1972) S.28-52; MORAw,Hess. Stiftskirchen S. 437ff.

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Über Typologie, Chronologie und Geographie der Stiftskirche im deutschen Mittelalter 27

war die Stiftskirche offenbar ein frühes Mittel der Herrschaftssicherung und desLandesausbaus. Die erste Konradinergründung (Kettenbach 841/845) war älterals die Schöpfung der Familie Widukinds im sächsischen Wildeshausen (imdritten Viertel des 9. Jahrhunderts) und der Uodalrichinger in Aadorf (886-99)in Schwabens". Wer im 9. Jahrhundert als weltlicher Herr ein Stift errichtete, tatetwas, was sonst vor allem nur der Karolingerkönig tat, also etwas Hervorge-hobenes und Hervorhebendes. So sind die Konradiner auch Nachfolger derKarolinger geworden: Aemlllatio war hier wohl bei der Stiftsgründung derzweite Gesichtspunkt neben Herrschaftsverdichtung. Kettenbach war aller-dings noch kein Burgstift im vollen Sinne; damit ging tatsächlich das höchstentwickelte Flandern voraus. Dies gilt für das mit Balduin, dem SchwiegersohnKarls des Kahlen, in Zusammenhang gebrachte Stift St. Donat inBrügge, dasKastell, Münzstätte und Portus aufwies (bald nach 866). Die nächsten Beispieleaus dieser Region sind die Stifte in Brüssel (bald nach 977), in Löwen und inNamur (um 1000)61.Hierher gehören dann auch noch Herzog Liudolf vonSachsen und Ida von Schwaben mit ihrem Stift in Aschaffenburg (wohI947-57,spätestens 974); Brun hat 1004 oder etwas später ein Stift an der Burgkirche inQuerfurt errichten lassen, und noch später schufen die Brunonen ein geistlichesZentrum an der Burg in Braunschweig mit dem Stift St. Blasius (um 1030);recht dunkel ist die Situation in Beromünster im Hinblick auf die Grafen vonLenzburg (vor 1036)62.Was gegenüber dem schwachen französischen Königtum bei den ungebärdi-

gen Vasallen jener Periode eine Art Regel gewesen zu sein scheint, die "Colle-giale castrale" oder "CoIU:giale feodale"63, hat sich jedenfalls im Reich derOttonen und Salier nicht in gleicher Zahl verbreitet.Die kirchliche Geographie des späten Mittelalters wird vorn Residenzstift

und vom städtischen Stift maßgeblich bestimmt. Das Residenzstift des Spätmit-telalters, der dritte Typus, ist aus den Voraussetzungen des Territorialstaatsoder auch der königlichen Hausmacht geboren und nicht selten in Konkurrenzzur Diözesangewalt herangewachsen. Der Brückenschlag vom dynastischen

60 Kar! SCHMID,Die Nachfahren Widukinds (DA 20. 1964) S.I--47; Elisabeth MEYER-MARTHA-LER,St.Alexander in Aadorf. (Die weltlichen Kollegiatstifte der ... Schweiz) S.103-106.

61 Heinrich SPROEMBERG,Die Entstehung der Grafschaft Flandern (HistStudien 282) 1935 bes.5.35; ders., Residenz und Territorium im niederländischen Raum (RhVjbll6. 19365.113-139 bes.S.1201f.; wieder in: ders., Beiträge zur belgisch-niederländischen Geschichte. 19595.224-248.

61 Helmut LöTZKE,Die Burggrafen von Magdeburg aus dem Querfurter Hause. Diss. phil. Ms.Greifswald 1951 S.279 If. ; DÖLL(wie oben Anm. 2); Rudolf MEIER,Die Pröpste der Braunschwei-ger Kollegiatstifte St.Blasius und 5t.Cyriakus im Mittelalter. (BraunschwJb 51. 1970) S.19-61;BACKMUNDS.33-38.

61 jean-Francois LEMARIGNJER,Aspects politiques des fondations des collegiales dans leroyaume de France au Xle siede. (La vita comune 1) S.19--40; Patrick CoRBET,Les collegialescomtales de Champagne (v. 1150--v. 1230) (Annales de l'Est 5 ser, 29.1977) S.195--241.

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Stift her läßt sich wohl dort am ehesten annehmen, wo das Territorium früh gutentwickelt war: abgesehen von Flandern in Böhmen (schon im 11. Jahrhundertein Stift in Altbunzlau um 1052, St. Stephan in Leitmeritz 1057 und St. Peterund Paul auf dem Wischehrad bei Prag um 1080)64.Normalerweise wird manvom Residenzstift vom 13. Jahrhundert an sprechen. Hierfür gibt es zahlreicheBeispiele: Herzog Barnim I.von Pommern hat in Stettin an St. Peter ein Stiftgegründet (ab 1263 in St. Marien), wie üblich als Grablege der Herrscherfami-lie, zur liturgischen Repräsentation und zur Indienstnahme des Stiftsklerus.Andere Residenzstifte sind St. Lambertus in Düsseldorf, gegründet 1288 vonGraf Adolf von Berg im Zusammenhang mit der Schlacht von Worringen undmit der Stadt- und Residenzwerdung Düsseldorfs, oder St. Marien in Bielefeld,1293 errichtet von Graf Otto Ill. von Ravensberge>. Ähnliches findet man baldin zahlreichen Fürstentümern und Grafschaften. Residenzstifte in gräflichenTerritorien können ganz kleine, sozusagen familiäre Verhältnisse widerspie-geln. Die Zahl der Pfründen war hier gering, der Aufwand wurde in ganzbescheidenen Grenzen gehalten. Aber auch die Entstehung einer solchen Stifts-kirche war ein Stück Residenzbildung wie die bessere Ummauerung der Stadt,der Bau einer neuen Burg und anderes mehr.

Die Möglichkeiten von Residenzstiften als potentielle landeskirchliche Mit-telpunkte des Territoriums treten z. B. in St. Martin in Kassel anläßlich derdreifachen Spaltung des Papsttums zwischen den Konzilien von Pisa und Kon-stanz deutlich hervor, als der Landgraf von Hessen unter Ausnützung derZwangslage von Kurie und Erzstuhl Mainz den Dekan des Martinsstifts von1410 an für kurze Zeit innerhalb des Territoriums zum päpstlichen Kommissar,apostolischen Subdelegaten und Administrator des Mainzer Bischofsamts erhe-ben ließ und damit die ordentliche Diözesangewalt kurzerhand außer Funktionsetzte. Es gibt hierzu Parallelen in der Oberpfalz und mutatis mutandis inBem66• Stiftskirchen waren Mittel herrscherlicher und städtischer Politik auf

64 Joh. SCHLENZ,Geschichte des Propsteistiftes St.Stephan in Leitmeritz (QuForschGebiet-Gesch 13) Prag 1933; Zdenka HLEDiKovA, Kapituly s biskupskou kolaci v Cechäch do dobyhusitske a jejich misto v cirkevni spraye. (Z pomocnych ved historickjch. In memoriam ZdenkaFialy). Praha 1978 S,41---U1.

65 W. HEYDEN,Kirchengeschichte Pommerns. 1. 21957 S.84f.; St. Lambertus. Stifts- und Pfarr-kirche in Düsseldorf. 1925; Urkundenbuch der Stadt und des Stiftes Bielefeld. Hg. v. BernhardVOLLMER.1937 S.XIX, vgl. Nr. 70, 72. Oder: Wertheim 1419: Alfred FRIESE,Pfarrei und Kolle-giatstift St. Marien in Wertheim (Wertheimer Jb 1959) S.51-57; Baden-Baden 1453: Die Geschichteder Stiftskirche in Baden-Baden. 1956.

66 joseph SCHMITT,Zur Geschichte der Beziehungen zwischen Hessen und Mainz im Ausgangedes großen Schismas. Diss. phil. Marburg 1909 S.33ff., 51, 56ff.; Klöster, Stifte und HospitälerderStadt Kassel und Kloster Weißenstein. Regesten und Urkunden. Bearb. v. johannes SCHULTZE(VerölJHistKomHessenWaldeck 9,2) 1913; Guy P. MARCHAL,St. Vinzenz in Bern. (Die weltlichenKollegiatstifte der ... Schweiz) S.151-161; MORAW,Hess. Stiftskirchen S. 451.

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dem kirchlichen Feld, besonders für die großen Territorien, solange das Lan-desbistum noch nicht zu erreichen war; sie stellten eine fast unentbehrlicheVorstufe und ein einigermaßen brauchbares Surrogat dafür dar. In andererWeise kann man Residenzstifte verwaltungsgeschichtlich einordnen und sie alsMittelpunkte landesherrlichen Beamtentums auffassen, wie z. B. das henneber-gisehe Stift in Schrnalkalden=".

Der wichtigste Untertypus des Residenzstifts ist wohl das königliche Resi-denzstift, Als König Eduard Ill. von England nach dem großen Sieg von Crecy(1346) den Hosenbandorden gründete, fixierte er ihn in dem von ihm dafür1348 neu errichteten St. Georgsstift im Schloß Windsor; er hat in seiner ande-ren Hauptresidenz Westminster ein weiteres Stift gegründet67• Aus der gleichenSchlacht von Crecy entfloh als Geschlagener ein anderer Stiftskirchengründer.der spätere Kaiser Karl IV. Er hatte kurz zuvor (1338/41) auf der Prager Burgdas Allerheiligenstift68 als politischen Mittelpunkt seiner noch unsicheren Herr-schaft errichtet, das er dann 1366 als politisch Gefestigter in ein Universitätsstiftumwandelte, dem in der folgenden Generation bedeutende Gelehrte angehör-ten. Das Allerheiligenstift war das erste königliche Residenzstift spätmittelal-terlichen Stils im Reich, Ludwig der Bayer hatte lieber das benediktinische Ettalgeschaffen. Das Allerheiligenstift war zunächst zentrale Organisationsform dergeistlichen Königsdiener. eine ortsfest gewordene Hofkapelle. Schon in dieserForm wirkte es auf Wien weiter, vorbildlich in höherem Maße wurde es dannaber als Universitätsstift ; denn ihm entsprechen Stifte in Heidelberg, Tübin-gen, Basel, Greifswald69 und anderswo an Universitätsorten. Wie wir schonwissen, ist die Stiftskirche wichtig als Substrat und Organisationsform dermittelalterlichen deutschen Universität. An der Universität hat übrigens diesonst ungewöhnliche Bevorzugung der kanonikalen gegenüber der klösterli-chen Tradition durch die Historiker wohl zu einer etwas ungeschichtlichenPerspektivenverschiebung geführt: Daß man heute retrospektiv die ältere

66, Hanns von HESSBERG,Zur Stiftungsurkunde der Ecclesia collegiata in Schmalkalden(Wün:bDiözgeschb1l20. 1958) S.140--153; Alfred WENDEHORST,Die Statuten des Stifts Schmalkal-den (1342) und ihre Herkunft (Festschrift für Hermann Heimpel2 = VeröffMPIGesch 36,2) 1972S.266-276.

67 A.K.B. ROBERTS,St.George's Chapel Windsor Castle 1348-1416. WINDSORo. J. (1948); vg!.auch Pierre QUARRE, La chapelle du duc de Bourgogne ä Dijon. Lieu, chapitre et college de I'ordrede la toison d'or (Publications du Centre europeen d'etudes burgondo-medianes 5) 1963 S.5H4.

611 MACHILEKS.89.69 Johann Baptist SPROLL,Verfassung des St. Georgenstifts zu Tübingen und sein Verhältnis zur

Universität in dem Zeitraum von 1476-1534 (FreibDiözArch 30.1902) S.105-192 (31. 1903)S. 141-197; Eberhard ZAHN,Die Heiliggeistkirche zu Heidelberg. 1960; Herbert DERWEIN,Ge-schichte der Stadt (Die Stadt Heidelberg und die Gemeinden des Landkreises Heidelberg = DieStadt- und Landkreise in Baden-Württemberg, Amtliche Kreisbeschreibung) 1968 S.8-82 bes.S.43f.

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deutsche Universität des Spätmittelalters weniger differenziert und wenigerlocker gefügt sieht, als sie es wohl war, weil sie immer wieder scharf in Bettelor-densstudien einerseits und in kanonikale Elemente andererseits zerfiel, hängtwohl mit dem späteren Sieg der Kontinuität Pfründe - Lehrstuhl zusammen,während die Ordensstudien keine derartige Nachfolge fanden/",

Das Kapitel von St. Stephan in Wien71, das dann auch konsequenterweise einDomkapitel wurde (1469), ist das klassische Beispiel für ein zunächst verhinder-tes königliches Stift. Der Ehrgeiz Herzog Rudolfs IV. von Österreich (1358-1365) galt nicht nur dem Privilegium Maius und der Wiener Universität, son-dern auch einer geradezu kardinalsartigen Kanonikerausstattung seiner Haupt-residenz, die dann doch nicht realisiert wurde. Rudolf hat auch die Exemtionseiner Gründung gegenüber dem Bischof von Passau vom Papst bestätigt erhal-ten. Daß der Propst von Wischehrad den böhmischen Fürstentitel führte, woll-te Rudolf im Hinblick auf seine Gründung ebenfalls nicht ruhen lassen.

Außer dem Residenzstift gab es in unserer Periode, ähnlich wie schonim früheren Mittelalter, als territorialen Sondertyp das "Grenzstift", das in derAußen- und Grenzposition einer Landesherrschaft einen Mittelpunkt bildensollte72•

Neben den weltlich-herrschaftlichen Kräften wirkten auch privat-bürgerli-che und privat-geistliche, die Stifte, schufen. Den Rahmen dieser Aktivität botdie Stadt, die Basis stellten oft städtische Pfarrkirchen dar. Es kam in der Stadtohnehin schon durch herrschaftliche, städtische oder auch bischöfliche Initiati-ve zum Ausbau größerer Pfarrkirchen zu Stiften, die von den schon erörtertenResidenz- und "Grenz"stiften oft nur schwer zu scheiden sind'". Privat-bürger-

70 Vg!. MORAw wie oben in Anm. 14.71 Hermann ZSCHOKKE,Geschichte des Metropolitan-Capitels zum Heiligen Stephan in Wien.

Wien 1895; Hermann GOEHLER,Das Wiener Kollegiat-, nachmals Domkapitel zum h!. Stephan inseiner persönlichen Zusammensetzung in den ersten zwei Jahrhunderten seines Bestandes 1365-1554. Diss. phil. Ms. Wien 1932; Nikolaus GIlASS,Der Wiener Stephansdom als capella regiaaustriaca. (Festschrih Karl Pivec). Innsbruck 1966 S.91-129; ders., Zur Rechtsgeschichte desAllerheiligen-Pfalzkapitels, des Vorgängers des Metropolitan-Kapitels zu St. Stephan in Wien (Stu-dia Gratiana 14. 1967) S.459-493; vg!. Rupert FEUCHTMÜLLER,Die "Imitatio" Karls IV. in denStiftungen der Habsburger (Kar! IV. Staatsmann und Mäzen. Hg. v. Ferdinand SEIBT)1978. S.378-386.

72 Z.B. das Stift in Rotenburg a. d. Fulda (seit 1353/61) in der Landgrafschah Hessen (MORAW,Hess, Stiftskirchen S. 452).

73 Städtische Initiative z.B. in Freiburg i. Ue, zugunsten von St. Niklaus 1512, vg!. Hugo VON-LANTHENu. Hubert FOERSTER(Die weltlichen Kollegiatstihe der ... Schweiz) 5.275-293; nieder-adlige Gründungen, in gewisser Hinsicht auch Residenzstihe sind z.B. St.Johann Baptist in Hil-poltstein (1372) und Vilshofen (1376) und SS. Philipp und Jakob in Grönenbach (1479) (BACK-MUNOS.62ff., 69f., 106f.); bischöfliche Gründung ist St. Martin in Forchheim (1354) (BACKMUNOS.56f.).

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liehe Stiftungsfreude tat das ihre dazu. Geld der Städter hat sich bekanntlich inganz verschiedener Weise in Stiftungen konkretisiert, zum Beispiel an vielenOrten in Hospitälern, aber auch in Stiftskirchen. Das Liebfrauenstift in Frank-furt, gegründet 1325, war eine Stiftung der eng verbundenen Großbürgerfami-lien Wannebach und Frosch. Ein anderer diesmal geistlicher Privatmann, Magi-ster Berthold Fullschüssel, errichtete 1386 das Stift in Ortmachau in Schlesien,auf ähnliche Weise entstanden St. Johann in Konstanz und das Liebfrauenstiftin überwesel am Rhein. In Frankfurt am Main wiederum, in St. Leonhard,errichteten sich im Jahr 1317 zwölf wohlhabende Kleriker ihr Stift selbst74•

Die drei Frankfurter Stifte, von recht unterschiedlicher Genesis, sind dannim Laufe der Zeit nach mancherlei schmerzlichen Erfahrungen zusammenge-rückt und erweisen uns damit, was hier schon einmal betont wurde: Das indivi-duelle Gründungsmoment kann überholt werden durch verändernde, hier ver-einheitlichende Herausforderungen späterer Generationen 75.

Ill.

Wir kommen zum zweiten Hauptpunkt des Vortrags, zu einigen vorläufigenAussagen über Chronologie und Geographie der mittelalterlichen Stiftskircheim Reich. Beide Aspekte hängen eng miteinander zusammen, und beide sindschon durch das Vorausgegangene vorbereitet worden.

Im großen und im allgemeinen - von einzelnen Sonderfallen abgesehen -unterscheiden wir (soweit wir zur Zeit sehen) drei Perioden von Stiftsgründun-gen : Erstens die karolingisch-vordeutsche Periode, in welche die alten Kleri-kergemeinschaften seit 816 einmünden, zu denen dann die Neugründungen des9. Jahrhunderts hinzutreten. Ungefähr um 900 stellt sich dann eine Pause wohlaufgrund der allgemeinen krisenhaften Situation ein. Ihr folgt etwa von derMitte des 10. bis zum ausgehenden dritten Viertel des 11. Jahrhunderts diezweite Gründungsperiode. die man die frühdeutsch-archaische nennen könnte.Sie ist aufs Engste mit dem sogenannten ottonisch-salischen Reichskirchensy-stem verbunden, ja könnte als eine von dessen Hauptausdrucksformen gelten.

74 KOPIETZ(wie oben Anm. 45); Konrad BEYERLE,Die Geschichte des Chorstifts und der PfarreSt. Johann zu Konstanz. 1908; Herben NATALE,Die St. Leonhardskirche im Spiegel der Frankfur-ter Stadt- und Kirchengeschichte. (ArchmrhKG 18. 1966) S.9-26; PAULYS.426£.; Roben J. BoCK,St. Johann in Konstanz. (Die weltlichen Kollegiatstifte der ... Schweiz) 5.308-324; MORAw,Hess,Stiftskirchen S. 455f.

75 Herben NATALE,Das Verhältnis des Klerus zur Stadtgemeinde im spätmittelalterlichenFrankfun. Diss. phil. Frankfun a.M. 1957. Vgl. auch Hans WOLTER,Die Visitation der dreiStiftskirchen von Frankfun am Main im Jahre 1548 (ArchmrhKG 27. 1975) S.81-105.

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Sie wird beendet durch das Zeitalter der Kirchenreform, das abermals eine,diesmal vielfach längere Pause mit sich bringt. Hier liegt auch aus anderen,noch zu nennenden Gründen die tiefste Zäsur in unserem Zusammenhang, anderen Ende ganz neue Verhältnisse stehen. Vor allem im 13. Jahrhundert setztdann die dritte, alteuropäisch-territoriale Phase ein, die bis zur Reformationreicht. Den jetzt neugeschaffenen Rahmenbedingungen mußten sich auch dieälteren Stifte immer mehr anpassen 76.

Zu dieser dritten, zahlenmäßig wichtigsten Gründungsphase sind wohl nochein paar Worte angebracht. Neue Stifte konnten jetzt an einer bestehendenPfarrkirche errichtet werden, neue Stifte konnten auch leichter verlegt werden.Sie waren also kaum mehr ruhender Mittelpunkt einer wie auch immer ausge-bildeten Grundherrschaft, vielmehr amtierende Korporation in einem vorge-gebenen, gewöhnlich städtischen Kirchenbau. Bescheidene Ausstattung warjetzt die Regel.

Weit ist daher der Abstand zu den klassischen zumal hochmittelaltedichenStiftskirchen, die mit den "Herrschaftszeichen" einer Ministerialität undLehnsmannschaft, der Verfügung über Schultheißenamt, Marktabgaben undso weiter ausgestattet sein konnten. Das Ziel der gehobenen Pfarrei ist jetzterkennbar. Auf ein extensives, großräumiges Zeitalter folgt also jetzt ein inten-sives, kleinräumiges, verdichtetes, "modernes". Die Stiftskirche schafft nichtmehr so, wie sie es als agrarisches Zentrum vermochte, ihre nähere Umwelt,sondern sie wird in vollem Maße in eine neuartige Umwelt eingefügt. Sie wirdterritorialstaatlichen Gegebenheiten dienend eingeordnet und ist quasi als pri-vater Grundbesitzer aufzufassen. Sie wird auch stärker als bisher der bestehen-den Kirchenverfassung eingefügt und dient innerhalb ihrer den Ordnungs- undZentralisierungsbestrebungen eines Herrn. Die neuen Verhältnisse der Stifts-kirche korrespondieren ganz deutlich mit dem Zustand der Reichsverfassung

. im weitesten Sinne - auch insofern z.B., als der neue Typ des Residenzstiftsanstelle des alten Burgstifts die Fortentwicklung des Herrschaftsmittelpunktesvon der Burg zur Stadt deutlich macht. All' dies heißt: Die große Wende zumterritorialen Zeitalter hat die kirchenrechtliche Figur des Kollegiatstifts radikalverändert, war ein Einschnitt wie sonst nur die Absonderung von Mönchtumund Weltklerus, von Kloster und Stift. Man ist beinahe bestrebt zu versuchen,diese Veränderung für den Stiftsbegriff auch terminologisch zum Ausdruck zubringen.

Zu den Zahlenverhältnissen wagen wir uns heute nur vorsichtig und vorläu-fig zu äußern. Es hat offensichtlich im Gesamtreich (in seiner spätrnittelalterli-

76 Siehe z.B, die Veränderungen am uralten Stift in Beromünster: Konrad LÜTOLP,Das Reichs-stift Beromünster. Übergang an Österreich ,und an Luzem (ZSchweizKirchengesch 21. 1927)S.125-14O,174-193.

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chen Ausdehnung einschließlich des Ordenslandes Preußen im Zustand vor1466) nach unserer überschlägigen Zählung, die auf die Lebensdauer der Stiftekeine Rücksicht nimmt, etwa zwischen 450 und 500 Stiftskirchen gegeben. Vondiesen Kirchen entfallen ungefähr 40% auf die Provinz Mainz, 20% auf dieProvinz Köln, etwa 12-13% auf die Provinz Trier,10%, auf die Provinz Salz-burg und zusammen 10% auf die drei Kirchenprovinzen Harnburg-Bremen,Magdeburg und Prag. Der Rest, deutlich weniger als 10% betrifft die ProvinzRiga, die exemten Bistümer und die deutschen Randbistümer auswärtiger Kir-chenprovinzen. Es verwundert nicht, daß das stiftsreichste Einzelbistum mitetwa 10% der Gesamtzahl Mainz gewesen ist; danach folgen mit mehr als 5%der Gesamtzahl die Bistümer Köln, Lüttich und Konstanz. Ein Fünftel derBistümer ist ohne Stiftskirche geblieben.Die Stiftskirchengeographie wird sich vermutlich schrittweise über die Ein-

heit der Diözese hinausentwickeln in Richtung auf aus inneren Kriterien abzu-leitende "Stiftslandschaften". Solange man nicht noch weiter differenziert,kann man hierfür vorerst fünf Großlandschaften unterscheiden. In dieser Hin-sicht sollte man erstens das linksrheinische Gebiet sowie zweitens das Gebietsüdlich der Donau gesondert betrachten und abheben von drittens dem Bereichdes Altsiedellandes östlich des Rheins und nördlich der Donau und viertensvom östlich anschließenden Neusiedelland. Ein fünfter Bereich sind die alt-christlich-slawischen Gebiete (Böhmen, Mähren, z.T. Schlesien).

Die Verhältnisse links des Rheines sind natürlich gallisch-fränkischen Ur-sprungs. So ist es z.B. für den linksrheinischen Anteil des Bistums Trier charak-teristisch, daß die Zahl seiner Stifte, die im eigentlichen Sinne für uns erkennbargegründet worden sind, sehr klein ist; fast alle sind "gewachsen". Der Bereichsüdlich der Donau spielt eine Sonderrolle, die schon kurz angesprochen wor-den ist. Rechts des Rheines und nördlich der Donau scheint sich der ältesteTatbestand beim Kloster Fulda zu ergeben. Weiteres geht dann unmittelbar ausunserer Typologie hervor. Aufs ganze gesehen nimmt die Zahl der Stiftskir-chen ab, wenn man vom rheinischen Raum in Richtung auf den Nordostenzuschreitet, aber auch schon inRichtung Nord-Nord-Ost. Das ganze Preußen-land hat nur ein einziges Stift (Guttstadt von 134177). Sehr arm an Stiftskirchensind auch die Bistümer der Kirchenprovinz Harnburg-Bremen mit Ausnahmedes namengebenden Erzbistums selbst, dann die Bistümer Brandenburg, Ha-velberg, Merseburg, Naumburg, auch das Bistum Olmütz. Es gibt eine Reihevon Bistümern, die überhaupt keine Stiftskirche aufweisen. Dazu gehören Rat-zeburg, drei der vier altpreußischen Bistümer, Lebus, Leitomischi in Böhmen,

77 Anneliese BIRCH-HIRSCHFELD, Geschichte des Kollegiatstiftes in Gurtstadt 1341-1811(ZGesch AltertkdeErmlands 25. 1932) S.273-438, 595-758.

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auch Chiemsee und Seckau. Ausgenommen von diesem Gefälle sind zum TeilLandschaften mit kontinuierlich slawisch-kirchlichen Traditionen, zumal Böh-men. Die Differenzierung der stiftskirchlichen Entwicklung im Reich, die zeit-weise eine allgemeine "kulturelle" Differenzierung widerspiegeln wird, zeigtanschaulich die außerordentlichen Schwierigkeiten der Integration eines Gebil-des, das Voraussetzungen des spätantiken Römischen Reiches (an der Mosel)mit Voraussetzungen zusammenfassen sollte, die denen von Skandinavien amRande der mittelalterlichen Christenheit glichen 78.

Bemerkenswert ist eine Karte, in welcher jeweils die früheste Stiftsgründungje Bistum eingetragen ist. Daran zeigt sich der Zusammenhang mit der Bekeh-rungs- und Siedlungsgeschichte, auch mit der Siedlungsdichte. was alles hiernur summarisch erwähnt sei. Was an (für deutsche Verhältnisse) alt-kirchlicherund auch ottonisch-salischer Tradition fehlte, ist nicht mehr eingeholt worden.Ohne Frage sind diese Tatbestände lehrreich für die einmal zu stellende Fragenach der regional-differenzierten Beschaffenheit, insbesondere nach der unter-schiedlichen Dichte mittelalterlichen Kirchenwesens im Reich, die wieder aufdie Dichte der Bevölkerung und auf den allgemeinen sozial-wirtschaftlichenEntwicklungsstand verweist 79.

Bei alledem ist abschließend zu bedenken, daß sich die deutschen Verhältnis-se als Teilstücke der abendländischen Gesamtkirche in ein größeres Ganzeseinordnen. Wir müssen es uns versagen, davon noch zu sprechen, möchten aberwenigstens andeuten, daß ein Überblick zumal über die französischen, Randri-

78 Neben der schon etwas ausführlicher bibliographisch unterbauten Stiftslandschaft Schlesien(oben Anm. 49) vgl. man zur Illustration der Differenziertheit die Verhältnisse in Kärnten und inder Stadt Köln. Aus der Lit.: Franz PAGITZ,Die Geschichte des Kollegiatstiftes Maria Wörth.(ArchvaterlGeschTopogr 56)1960; Alfred OGRIS, Zwei Urkundenfunde zu den Anfängen desKollegiatkapitels Völkermarkt in Kärnten (MIÖG SO. 1972) S.338-355. Köln: Oben Anm. 17 u.NEUSS-OEDlGER(wie oben Anm.36); Joseph BREuER,Die Stifts- und Pfarrkirche St. Andreas zuKöln. 1925; Hermann Heinrich ROTH,St. Severin in Köln (Germania Sacra, Abt. Rhenania sacra AI) 1925; Carl HEINEMANN,Die Kollationsrechte des Stiftes St. Kunibert zu Köln. (VeröffHist Mu-seumStadtKöln 3) 1932; Kar! CoRSTEN,Geschichte des Kollegiatstiftes St.Georg in Köln (1059-1802) (AnnHistVerNiederrhein 146{147. 1948) S.64-150; Brich WISPLlNGHOFF,Die ältesten Ur-kunden der Stifte St. Georg, Mariengraden und St. Severin in Köln ObKÖlnGV33. 1958) S.99-128;Das Stift St.Georg zu Köln. Urkunden und Akten 1059-1802. Bearb, v. Anna-Dorothee von denBRINCKEN(MittStadtarchiv Köln 51) 1966; Das Stift St.Mariengraden zu Köln. Urkunden undAkten 1059-1817. Bearh. v. Anna-Dorothee von den BRINCKEN(Mitt .... 57-58) 1969.

79 Das Vorwalten des rheinischen Raumes (im weiteren Sinne) innerhalb der Stiftskirchengeo-graphie im Gesamtreich korrespondiert wohl u. a. mit dem eindeutigen Übergewicht des finanzid-Ien Interesses des spätmittelalterlichen Papsttums an der gleichen Kirchenlandschaft im Vergleichzum Gesamtreich (vg!. Christiane SCHUCHARD,Die päpstlichen Kollektoren im spätmittelalterli-chen Reich. Ms. Staatsexamensarbcit Gießen 1979.) Die von uns oben angedeuteten Ausgleichsvor-gänge haben auch hier den Vorsprung des Westens nur gemindert, nicht egalisiert.

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Über Typologie, Chronologie und Geographie der Stiftskirche im deutschen Mittelalter 35

sehen, spanischen (insbesondere katalanischen) und englischen Stiftskirchens?lehrreich auch für deutsche Verhältnisse ist. Es bestehen natürlich Zusammen-hänge über die Grenzen hinweg, und es konkretisiert und verdichtet sich dieTypologie. In Frankreich gab es sehr viele Stiftskirchen, offenbar auch diegrößte (St. Martin in Tours'"), die katalanischen sind wichtig für den Vergleichder Verhältnisse im 10. und 11. Jahrhundert, die flandrischen fürdie Fragenachder Beziehung von Stift und Stadt. Im Hinblick auf Nordeuropa, damit einkonkretes Beispiel geboten sei, setzten sich die deutschen Verhältnisse nachaußen hin insofern kontinuierlich' fort, als der deutschen Verdünnung derStiftskirchen zur Ostsee hin ihr fast völliges Fehlen in Skandinavien entspricht.Die vier nördlichsten kontinentalen Stifte lagen in Eutin (Holstein, gegr. 1309),Hadersleben, Kopenhagen und Os1082.Es hat eben im Umkreis der Ostsee imSpätmittelalter eine relativeinheitliche historische Großlandschaft gegeben, die- abkürzend gesagt - hansisch geprägt war. Die Verhältnisse in Schottlandentsprechen, um ein letztes Exempel zu geben, etwa denjenigen deutscherLandschaften, die keine ottonisch-salische Phase durchgemacht haben und vorallem erst im Spätmittelalter im territorialen Rahmen verdichtet wurden=,

IV.Der Schlußabschnitt sei nicht der Zusammenfassung eines ohnehin schon

stark komprimierten Stoffes, sondern zwei allgemeineren Bemerkungen gewid-met.

Weil man kaum annehmen kann, daß in einem einigermaßen entwickeltenpolitischen oder sozialen Gefüge Kirchen und Pfründen von einigem Gewichtallein abstrakten Rechtsnormen überlassen. und damit einem Kräftespiel vonInteressenten entzogen gewesen seien, kann man die Frage nach Selbstbestim-mung oder Fremdbestimmung der Stiftskirche stellen. Es zeigt sich, daß nor-

IKJ Außer oben Anm. 6 Johannes Josef BAUER,Die vita communis an den katalanischen Kolle-giatkirchen im 10. und I1.Jahrhundert (Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens 21)1963 S.~2; Odilo ENGELs, Episkopat und Kanonie im mittelalterlichen Katalonien. Ebd. S.83-135.

81 Außer LEGIERE.-R. VAUCELLE,La collegiale de Saint-Martin de Tours depuis l'origine jusqu'a l'avenement des Valois (397-1328). Paris 1908; J. BoUSSARD,Le tresorier de Saint-Martin deTours (Revue d'histoire de l'eglise de France 51. 1961) S.67-88; Documents comptab!es de Saint-Martin-de-Tours a l'epoque merovingienne. Publies par Pierre GASNAULT.Paris 1975. Aus derreichen Lit. über andere Stiftskirchen z. B. M. VEISSIERE,Une cornmunaute canonicale au MoyenAge. Saint Quiriace de Provins (Xle-XIIle siecles), Provins 1961.

82 RÖPcKES.9.8l D. E. EASSON,Medieval Religious Houses. Scotland. London usw. 1957 S.173ff.

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malerweise das Stift, als Institution für sich genommen, einem auswärtigenAnspruch nicht nur keine Macht, sondern auch keine eigentliche, auf seinekirchliche Existenz bezogene Funktion im Dienste einer Selbstbehauptung hatentgegensetzen können. So verlangte dieser Typ von Kirche geradezu nacheinem Herrn, und ihr Lebenszweck wurde ihr von außen auferlegt. Oder allge-meiner formuliert: Die Geschichte der Stiftskirche war auch oder gar zuerst dieGeschichte der Gemeinschaften, der Lebenskreise, denen sie angehörte. Unter-schiedliche kirchenrechtliche Formen konnten letztlich dazu dienen, die glei-chen sozialen Tatbestände, z. B. diejenigen von Patronat und Vererbung, in sichwechselnden Zeitverhältnissen und in verschiedenen konkreten Augenblickssi-tuationen durchzusetzen. Kirchenrechtliche Tatbestände sind durch Realitätenabgewandelt worden, ja konnten ihres Erkenntniswerts für den Historikerweithin beraubt werden. Stiftskirchen waren Glieder einer Sozial- und Herr-schaftslandschaft ; sie waren wichtige Knotenpunkte, die die Verflechtung vonkirchlichen und laikaien Elementen verwirklichten und Raum hatten sowohlfür individuelles Schicksal als auch für langfristige, fast unwiderstehlicheWandlungen. Im Ablauf von siebenhundert Jahren mochte die kirchenrecht-lich faßbare Substanz des Stifts, die durch großes Beharrungsvermögen ge-kennzeichnet ist, umstürzende Wandlungen der kanonischen Lebensform ver-decken, die vor allem durch einen nicht primär kirchengeschichtlichen Ansatzsichtbar gemacht werden können.Gleichwohl gehört die Stiftskirche in die allgemeine Kirchengeschichte hin-

ein. Dies sei hier nur für ein Thema angesprochen: Ein wichtiger Punkt vorallem für die Zukunft scheint der vergleichende Blick von der Stiftskirche aufdie gesamte Kloster- und Stiftslandschaft der jeweiligen Region zu sein, da manin älterer Zeit der Region sehr große Prägekraft zumessen muß. Wenn für eineLandschaft genügend Einzelmonographien (die freilich auch die Quellen aus"Systemzwang" kanalisieren) und besser noch allgemeine Übersichten= vorlie-gen, wird man diesen zweiten Schritt tun können. Bei der Frage z. B., wie manUniversitäten ausstatten sollte, schrumpften am Ende des Mittelalters die Un-

84 Hierzu benötigt man regionale Geschichtsatlanten, Klosterbücher oder landesgeschichtlicheZusammenfassungen, z.D.: G. BoURGEATet N.DoRVAUX,Atlas historique du diocese de Metz.Metz 1907; Kirchenhistorischer Atlas von Österreich. Redigiert u. hg. v. Ernst DERNLEITHNER.Wien 1966. Karte: Ordenswesen (I) oder PETSCHAN(wie Anm. 29). - Hermann HooGEWEG,Ver-zeichnis der Stifter und Klöster Niedersachsens vor der Reformation. 1908; Medard DARTH,Hand-buch der elsässischen Kirchen im Mittelalter. (Archives de l'eglise d' Alsace 27-29). Straßburg196()....{j3.- Waiter SCHLESCNGER,Kirchengeschichte Sachsens im Mittelalter. 2. (MitteldtForsch27,2) 1962 5. 165If. ;Klemens HONsELMANN,Das Klosterwesen im Raum der oberen Weser (Kunstund Kultur im Weserraum. 1) 31966 5.223-234; Hans K. SCliULZB,Die Kirche im Hoch- undSpätmittelalter (Geschichte Thüringens. Hg. v. Hans PATZEu. WaIter 5CHLESINGER.2,2) 19735.50-149,323-336.

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terschiede zwischen Stift und Kloster und der Klöster untereinander zusam-men. Vielleicht wird die Kirchengeschichte eines Tages dazu übergehen, Fra-gen eher gleichsam "horizontal" zu stellen und den "vertikalen" Aspekt zu-rücktreten zu lassen, der so charakteristisch ist für all' dieses, was wir heutegegenüber Stiftskirchen erörtern. Unser ganzer Vortrag ist im Grunde nichtsanderes als der Versuch zu prüfen, ob nicht das "horizontale" Fragen an einigenPunkten dem "vertikalen" Fragen gleichrangig oder gar in Teilen methodischüberlegen sei.