13
www.utfscience.de III/2012 Behrens, Huskic, Lüken: Massivumformung von Fe-Al-Legierungen S.1/13 Verlag Meisenbach GmbH, Franz-Ludwig-Str. 7a, 96047 Bamberg, www.umformtechnik.net Untersuchungen zur Massivumformung gegossener Eisen-Aluminium-Legierungen Bernd-Arno Behrens, Ingo Lüken, Adis Huskic* Institut für Umformtechnik und Umformmaschinen, Leibniz Universität Hannover *Korrespondenzautor: Dipl.-Wirtsch.-Ing. Adis Huskic Abteilung Massivumformung Tel: 0511-762 2428, Fax: 0511-762 3007 [email protected] Die Nachfrage nach hochfesten, gewichtsarmen Sicherheitsbauteilen aus ökologisch unbedenklichen Konstruktionswerkstoffen nimmt immer mehr zu. Schmiedeteile aus Aluminiumlegierungen weisen im Gegensatz zu Kunststoffteilen eine sehr gute Recyclingfähigkeit auf. Der Einsatz von Legierungen aus Stahl und Aluminium bietet gegenüber konventionellen Stahllegierungen das Potential, eine bis zu 40 prozentige Gewichtsersparnis bei gleich bleibenden Festigkeitseigenschaften wie Schmiede- stähle zu erzielen. Schlüsselwörter: Massivumformung, Eisen-Aluminium-Legierungen, mechanische Eigenschaften Einleitung Durch die gestiegene Motivation natürliche Ressourcen zu bewahren, wächst das Bestreben neue Leichtbaukonstruktionen zu entwickeln und umzusetzen. Ins- besondere die Reduzierung der bewegten Massen im Hinblick auf Energie- einsparung und Emissionsminderung steht dabei im Vordergrund [1]. Steigende Anforderungen an die Bauteile sind die Folge. Zur Erfüllung der erhöhten Ansprüche werden ständig verbesserte hochlegierte Stähle sowie alternative Leichtbau- werkstoffe entwickelt und eingesetzt. Für sicherheitsrelevante Bauteile müssen dabei Poren- und Lunkerfreiheit gewährleistet sein. Zur Herstellung solcher Bauteile sind zurzeit ausschließlich Verfahren der Massivumformung geeignet. Insbesondere das Schmieden hat sich bei metallischen Werkstoffen zur Produktion hochfester und fehlerfreier Bauteile bewährt [2].

Untersuchungen zur Massivumformung gegossener …... III/2012 Behrens, Huskic, Lüken: Massivumformung von Fe-Al-Legierungen S.1/13 Verlag Meisenbach GmbH, Franz-Ludwig-Str. 7a, 96047

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Verlag Meisenbach GmbH, Franz-Ludwig-Str. 7a, 96047 Bamberg, www.umformtechnik.net

Untersuchungen zur Massivumformung gegossener

Eisen-Aluminium-Legierungen

Bernd-Arno Behrens, Ingo Lüken, Adis Huskic*

Institut für Umformtechnik und Umformmaschinen, Leibniz Universität Hannover

*Korrespondenzautor:

Dipl.-Wirtsch.-Ing. Adis Huskic Abteilung Massivumformung

Tel: 0511-762 2428, Fax: 0511-762 3007 [email protected]

Die Nachfrage nach hochfesten, gewichtsarmen Sicherheitsbauteilen aus ökologisch

unbedenklichen Konstruktionswerkstoffen nimmt immer mehr zu. Schmiedeteile aus

Aluminiumlegierungen weisen im Gegensatz zu Kunststoffteilen eine sehr gute

Recyclingfähigkeit auf. Der Einsatz von Legierungen aus Stahl und Aluminium bietet

gegenüber konventionellen Stahllegierungen das Potential, eine bis zu 40 prozentige

Gewichtsersparnis bei gleich bleibenden Festigkeitseigenschaften wie Schmiede-

stähle zu erzielen.

Schlüsselwörter: Massivumformung, Eisen-Aluminium-Legierungen, mechanische

Eigenschaften

Einleitung

Durch die gestiegene Motivation natürliche Ressourcen zu bewahren, wächst das

Bestreben neue Leichtbaukonstruktionen zu entwickeln und umzusetzen. Ins-

besondere die Reduzierung der bewegten Massen im Hinblick auf Energie-

einsparung und Emissionsminderung steht dabei im Vordergrund [1]. Steigende

Anforderungen an die Bauteile sind die Folge. Zur Erfüllung der erhöhten Ansprüche

werden ständig verbesserte hochlegierte Stähle sowie alternative Leichtbau-

werkstoffe entwickelt und eingesetzt. Für sicherheitsrelevante Bauteile müssen dabei

Poren- und Lunkerfreiheit gewährleistet sein. Zur Herstellung solcher Bauteile sind

zurzeit ausschließlich Verfahren der Massivumformung geeignet. Insbesondere das

Schmieden hat sich bei metallischen Werkstoffen zur Produktion hochfester und

fehlerfreier Bauteile bewährt [2].

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Eisen-Aluminium-Legierungen (Fe-Al-Legierungen) wurden bereits 1934 von Skyes

und Bamphylde nach ihrem Verformungsverhalten in die zwei Gruppen „duktil“ und

„spröde“ eingeteilt [3]. Die duktilen Legierungen weisen einen Al-Gehalt von ca. 0 bis

5 Gew.-% auf, sind kalt umformbar und weisen vergleichbare mechanische

Eigenschaften wie reines Eisen auf. Warm umformbar sind die spröden Legierungen,

die mit einem Al-Gehalt von ca. 5 bis 16 Gew.-% klassifiziert werden.

Aktuell werden Fe-Al-Legierungen hauptsächlich als Tiefziehwerkstoffe eingesetzt

[1]. Aufgrund der Dichteverhältnisse bei dieser Art von Legierungen im Vergleich zu

Stahl ergibt sich ein großes Potential in Bezug auf Gewichtseinsparungen, z. B. bei

Karosserien im Fahrzeugbau und als innovativer Leichtbauwerkstoff [4, 5]. Die

Materialkosten für Fe-Al-Legierungen sind geringer als für hochlegierte Stähle, so

dass in der Großserienfertigung eine Kostenersparnis zu erwarten ist [6]. Aus

ökonomischer und ökologischer Sicht ist die sehr gute Recyclingfähigkeit von

Aluminium und Eisen vorteilhaft [7]. Durch die höhere spezifische Festigkeit der

Fe-Al-Legierungen gegenüber üblichen Tiefziehstählen können Bauteile mit

verminderten Querschnittsabmessungen bei gleicher Gestaltfestigkeit hergestellt

werden. Infolgedessen wäre eine Gewichtsreduzierung einer Fahrzeugkarosserie

von 25 bis 28% denkbar [8].

Weiterhin eignen sich diese Legierungen aufgrund ihrer hohen spezifischen

Festigkeit, der guten Korrosionsbeständigkeit und ihres hohen Schmelzpunktes

sowohl als Hochtemperaturwerkstoffe als auch für die Anwendung in der Luft- und

Raumfahrtindustrie [9]. Ein Einsatz als Werkstoff von thermisch, mechanisch oder

chemisch stark beanspruchten Komponenten wie in Gas- bzw. Dampfkraftwerken ist

wirtschaftlich realisierbar [10]. Für die petrochemische Industrie sind Fe-Al-

Legierungen aufgrund ihrer guten Korrosionsbeständigkeit in sulfidreichen Um-

gebungen interessant [11].

In der Gitterstruktur der Fe-Al-Legierungen stellen sich temperatur- und legierungs-

bedingt unterschiedliche Ordnungszustände ein. Abhängig vom Al-Gehalt bilden sich

drei verschiedene Kristallstrukturen, deren Ordnungsphasen kubisch raumzentrierte

(krz) Gitter aufweisen [9]. In Abbildung 1 ist vom Phasendiagramm nach [12] die

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Seite des Systems Fe-Al mit bis zu 50 At.-%-Aluminium dargestellt. Die A2-Struktur

weist ein ungeordnetes Kristallgitter auf, während die B2-Struktur und die D03-

Struktur geordnete Gitter bilden.

Abbildung 1: Ausschnitt aus dem Fe-Al-Phasendiagramm nach [12]

Im Bereich des Systems Fe-Al mit dem größten Fe-Anteil befindet sich ein aus-

gedehntes α-Mischkristall-Gebiet. Hier liegt eine statistische Verteilung der Atome

auf den Positionen des krz-Gitters (A2-Struktur) vor [13]. Bei dem trikritschen Punkt

findet ein so genannter Phasenübergang 2. Ordnung statt. Dabei richten sich die

nächsten Nachbaratome im Kristallgitter neu aus, so dass aus der ungeordneten

A2-Struktur die geordnete B2-Struktur wird. Die intermetallische Phase Fe3Al liegt in

der D03-Struktur vor. Diese Phase besitzt eine kubisch komplexe Einheitszelle mit

12 Fe- und 4 Al-Atomen und weist eine geringere Duktilität als die beiden anderen

Phasen auf [8]. Sie erstreckt sich von 22,5 At.-% bis 36 At.-% Al und tritt bis maximal

552 °C auf.

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Mechanische Eigenschaften von Fe-Al-Legierungen

Der größte Vorteil von Fe-Al-Legierungen gegenüber technischen Stahllegierungen

ist die gute spezifische Festigkeit. Die Dichte ρ sowie die relative Dichtereduzierung

von Fe-Al-Legierungen in Abhängigkeit von der Konzentration an Aluminium ist der

Abbildung 2 zu entnehmen, dabei ist ρ0 die Dichte von reinem Eisen.

rela

tive D

ichte

redu

zie

rung

(-

/[%

]

00

Dic

hte

[g/c

m]

3

0 1 2 3 4 5 6 7 8 96,9

7,0

7,1

7,2

7,3

7,4

7,5

7,6

7,7

7,8

7,9 0

2

4

6

8

10

12

Aluminiumkonzentration C [Masse-%]Al

Abbildung 2: Dichte und relative Dichtereduzierung ferritischer Fe-Al-Mischkristalle

in Abhängigkeit des Al-Gehalts [1]

Für die Erhöhung der Festigkeitseigenschaften und der Korrosionsbeständigkeit ist

ein hoher Al-Gehalt in Fe-Al-Legierungen einzustellen [14]. Anhand von Abbildung 3

wird verdeutlicht, dass mit zunehmendem Al-Anteil der absolute E-Modul in

polykristallinem Fe-Al abnimmt, während der dichtebezogene Modul E/ρ in

polykristallinem Fe-Al im Vergleich zu konventionellen Tiefziehstählen zunimmt [1].

Durch die abnehmende Verformbarkeit von Fe-Al-Legierungen bei steigendem

Al-Gehalt ergibt sich eine Einschränkung in der umformtechnischen Anwendbarkeit

dieser Legierungen. Durch die dadurch auftretende zunehmende Sprödigkeit wird für

Tiefziehbleche ein maximaler Al-Gehalt von 6,5 At.-% verwendet [8].

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0

20

40

60

80

100

120

140

160

180

200

220

Tiefziehstahl Fe-5Al Fe-7Al Al

E-M

od

ul [G

Pa]

0

5

10

15

20

25

30

35

sp

ezif

isch

er

E-M

od

ul E

/ρ [

GP

a c

m³/

g]

E-Modul spezifischer E-Modul

Abbildung 3: E-Modul und spezifischer E-Modul von Fe-Al-Legierungen im

Vergleich mit Tiefziehstahl und Aluminium nach [15]

Die Festigkeitswerte verlaufen mit steigendem Al-Gehalt linear [13]. Die Dehngrenze

Rp0,2 bei Erhöhung des Al-Gehalts ist in Abbildung 4 dargestellt. Des Weiteren ist die

Dehngrenze bei Fe-Al-Legierungen abhängig von der Verformungsgeschwindigkeit.

Bei höherer Umformgeschwindigkeit liegt die Dehngrenze über der bei geringerer

Umformgeschwindigkeit. Dies lässt bei der Erforschung der mechanischen

Eigenschaften von Fe-Al-Legierungen in der Massivumformung Potential erkennen.

= 10 s-4 -1

= 10 s-2 -1

R (10 s )= 37,0 MPa + 23,0*At.-% Alp0,2

-4 -1

Al-Konzentration [At.-%]

R [M

Pa

]p0,2

R (10 s )= 90,5 MPa + 21,0*At.-% Alp0,2

-2 -1

Abbildung 4: Rp0,2 Dehngrenze von Fe-Al-Legierungen bei Raumtemperatur [13]

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In Abbildung 5 sind die Verläufe der Gleichmaßdehnung und der Bruchdehnung für

Raumtemperatur dargestellt. Diese werden im Bereich von 4 bis 15 At.-% Al mit

steigendem Al-Anteil geringer. Bei bis zu 17 At.-% Al werden Werte bis 20% Bruch-

dehnung festgestellt. Ab 17 At.-% Al tritt eine signifikante Verringerung der Bruch-

dehnung auf. Die Bruchdehnung der Legierung mit einem Al-Gehalt von 18 At.-%

liegt bei 10%.

Abbildung 5: Kennwerte von Fe-Al-Legierungen in Abhängigkeit des Al-Anteiles [13]

Die Legierungen von 14 bis 18 At.-% erreichen nur noch geringe Dehnungen und

brechen ohne einzuschnüren. Bruch- und Gleichmaßdehnungen fallen bei den Al-

Gehalten zusammen [13]. Der Verlauf der Bruchdehnungswerte laut Abbildung 5

weist mit steigender Aluminiumkonzentration auf eine grundsätzliche Veränderung

des Verformungsverhaltens der Werkstoffe ab ca. 14 At.-% Aluminiumgehalt hin. Das

gleiche Verhalten zeigen die Spröde-Duktil-Übergangstemperaturen (Brittle to Ductile

Transition Temperature) (BDTT), die in Abbildung 6 dargestellt sind. Es wird

ersichtlich, dass die Verformungsfähigkeit sinkt. Die Ordnungseinstellung in der

Gitterstruktur hat dabei jedoch nach [16] keinen messbaren Einfluss auf das

mechanische Verhalten von Fe-Al-Legierungen. Zudem wirkt sich der Ordnungs-

zustand auch nicht auf die Lage der BDTT aus.

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0-100 -60 -20 0 20 60 100 140 180 220

20

40

60

80

100

120

Temperatur [°C]

Ke

rbschla

gzä

hig

ke

it [J/c

m²]

Abbildung 6: Kerbschlagzähigkeit-Temperatur-Kurven [16]

Die entstehenden Versetzungsstrukturen von langsam und schnell abgekühlten

Fe-Al-Legierungen spiegeln das unterschiedliche Verhalten wieder. Beim Ab-

schrecken entstehen Leerstellen, welche die Versetzungsbewegungen blockieren,

was eine größere Sprödigkeit und eine Festigkeitssteigerung zur Folge hat [17].

Durch die Rekristallisation, die durch langsames Abkühlen ermöglicht wird, kann bei

ofenabgekühlten Fe-Al-Legierungen generell eine geringere Sprödbruchneigung als

bei abgeschreckten Legierungen nachgewiesen werden (Abbildung 7) [13].

In Abbildung 8 sind die Spröde-Duktil-Übergangstemperaturen im Kerbschlagbiege-

versuch für steigende Al-Konzentrationen von langsam abgekühlten und

abgeschreckten Legierungen im Gusszustand gegenübergestellt. Es wird ersichtlich,

dass mit zunehmendem Al-Gehalt der Bereich der BDTT bei langsam abgekühlten

sowie bei abgeschreckten Legierungen von -50°C bei 4 At.-% Al bis 140°C bei

18 At.-% Al zunimmt. Der Verlauf ist bis etwa 8 At.-% Al in etwa stetig linear für beide

Abkühlungsarten. Ab etwa 13 At.-% Al verläuft der Anstieg deutlich steiler [13], was

wiederum eine auffallende Änderung des Werkstoffverhaltens vermuten lässt.

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Sprö

de-D

uktil-

Überg

angste

mpera

tur

[°C

]

Abschrecktemperatur [°C]

BDTTmin

Abbildung 7: Spröde-Duktil-Übergangstemperatur im Kerbschlagbiegeversuch von

Fe-16At.-% Al (40 ppm C) [13]

-100

-80

-60

-40

-20

0

20

40

60

80

100

120

140

160

180

200

Al-Konzentration [At.-%]

Sprö

de-D

uktil-Ü

berg

angste

mpera

tur

[°C

]

Abbildung 8: Spröde-Duktil-Übergangstemperaturen im Kerbschlagbiege-

versuch [13]

Für industrielle Anwendungen sind derzeit Legierungen mit einem Al-Gehalt bis zu

6,5 At.-% als Blechwerkstoffe im Einsatz, da die eingeschränkte Verformbarkeit von

Fe-Al-Legierungen bei höherem Al-Gehalt stark reduziert wird. Interessant für weiter-

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führende Untersuchungen ist ein deutlich höherer Al-Gehalt in den Legierungen zur

Steigerung der gewünschten mechanischen Eigenschaften. Weiterhin von Interesse

ist der hohe spezifische E-Modul für gute Festigkeitseigenschaften, die geringe

Dichte zur Gewichtseinsparung sowie die verbesserte Korrosionsbeständigkeit im

Bereich der Massivumformung.

Aufgrund der genannten Vorteile von Fe-Al als Leichtbauwerkstoff sowie der auf-

tretenden Änderung des Verformungsverhaltens im System Fe-Al ab einem Al-Anteil

von 13 At.-% besteht ein großes Interesse, die Legierung Fe-Al als neuartigen

Schmiedewerkstoff zu qualifizieren. Primär besteht die Motivation darin, das

Verformungsverhalten dieser Legierungen zu untersuchen. In diesem Rahmen ist es

wichtig zu erforschen, inwieweit der günstige Faserverlauf im Gefüge die

mechanischen Eigenschaften von Fe-Al-Legierungen verbessert.

Erhöhung mechanischer Eigenschaften durch die Warmmassivumformung

Am Institut für Umformtechnik und Umformmaschinen (IFUM) wurden Fe-Al-

Legierungen mit einem Anteil von 8 At.-% Al untersucht, um erste Erkenntnisse über

einen Einfluss von Umformvorgängen auf das Gefüge und die mechanischen

Eigenschaften zu erzielen. In Abbildung 9 ist das Gussgefüge dieser Legierung

dargestellt. Im Vergleich zu technisch relevanten Stahllegierungen ist das Gefüge

sehr grobkörnig. Einzelne Körner sind in der Bruchfläche makroskopisch sichtbar.

Abbildung 9: Gussgefüge einer Fe-Al-Legierung mit 8 At.-% Al

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Die genannte Fe-Al-Legierung wurde geschmiedet und untersucht. Dafür wurden

zylindrische Proben bei 1100°C unter einem Hammer mit mehreren Schlägen

umgeformt. In Abbildung 10 sind die Zugfestigkeit Rm und die 0,2 %-Dehngrenze

Rp0,2 einer Fe-Al-Legierung mit 8 At.-% Al vor und nach dem Schmieden dargestellt,

welche durch Zugversuche ermittelt wurden. Sowohl die Zugfestigkeit als auch die

Dehngrenze weisen nach dem Umformvorgang über 25% höhere Werte auf.

398

497

442

564

0

100

200

300

400

500

600

Gusszustand Schmiedezustand

Rp0,2

Rm

Abbildung 10: Zugfestigkeit Rm und 0,2 %-Dehngrenze Rp0,2

Zusätzlich wurden Fließkurven von Fe-Al-Legierungen im Vergleich zum

Schmiedestahl C45 aufgenommen. Eine Gegenüberstellung erfolgt in Abbildung 11.

Bei einer höheren Umformgeschwindigkeit ist das Fließverhalten von C45 und der

Fe-Al-Legierung mit 8 At.-% Al höher als bei geringerer Umformgeschwindigkeit.

Grundsätzlich ist am Fließverhalten der Fe-Al-Legierung mit 8 At.-% Al erkennbar,

dass die Fließspannungen bei gleicher Temperatur niedriger sind als für den

Schmiedestahl. Im Vergleich zu Abbildung 3 wird ersichtlich, dass der E-Modul von

Fe-Al-Legierungen gegenüber Eisen um etwa 20% abnimmt und der spezifische

E-Modul gleich bleibt, während die Fließspannungen von Fe-Al-Legierungen gegen-

über Eisen um etwa 40% abnehmen. Bei einer entsprechend auf die jeweilige

Legierung bezogenen Parameterwahl können Fe-Al-Legierungen ein besseres

Umformverhalten als konventionelle Schmiedestähle aufweisen.

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Fließspannung kf [N/mm2]

0

100

200

300

0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1

Umformgrad

Werkstoff: C45

T=900°C

Fließspannung kf [N/mm2]

0

100

200

300

0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1

Umformgrad

Werkstoff: FeAl

T=900°C

Fließspannung kf [N/mm

2]

0

100

200

300

0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1

Umformgrad

Werkstoff: C45

T=1000°C

Fließspannung kf [N/mm2]

0

100

200

300

0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1

Umformgrad

Werkstoff: FeAl

T=1000°C

Abbildung 11: Gegenüberstellung der Fließkurven des Stahls C45 und einer

Fe-Al-Legierung mit 8 At.-% Aluminiumanteil

Ausblick

In weiteren Untersuchungen werden die Eisen-Aluminium-Legierungen Fe9Al,

Fe28Al und Fe38Al (alle in At.-%) hinsichtlich ihrer Umformbarkeit untersucht.

Zunächst werden anhand von Fließkurvenaufnahmen Formgebungsgrenzen

identifiziert und anschließend auf das Voll-Vorwärts-Fließpressen übertragen. Beim

Voll-Vorwärts-Fließpressen werden die umformtechnischen Prozessparameter

Umformgeschwindigkeit, -grad und -temperatur kombinatorisch variiert. Darüber

hinaus erfolgen mechanische Untersuchungen des Gusszustandes sowie der

fließgepressten Bauteile, um geeignete Kenngrößen zu identifizieren. Des Weiteren

soll die Gefügeevolution der unterschiedlichen FeAl-Legierungen numerisch

abgebildet werden.

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Danksagung

Wir danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die finanzielle

Unterstützung innerhalb des folgenden Projektes: „Untersuchungen mechanischer

Eigenschaften massivumgeformter Eisen-Aluminium-Legierungen“ (Be 1691/103-1).

Literatur:

[1] Frommeyer, G.; Brüx, U.: „Hochfeste Leichtbaustähle auf der Basis von Eisen-Aluminium“, Kolloquiumsband des Dritten Industriekolloquiums, S. 51-58, 2002

[2] Behrens, B.-A.: „Handbuch Umformtechnik, Grundlagen, Technologien, Maschinen“, Springer Verlag Berlin, 2006

[3] Sykes, C.; Bampflyde, J. W.: „The Physical Properties of Iron-Aluminium Alloys”, The Journal of the Iron And Steel Institute, London, 1934

[4] Frommeyer, G.; Brüx, U.: „Hochleistungswerkstoffe für Fahrzeugbau und Energietechnik”, Ingenieur-Werkstoffe Leichtbau, Konstruktion, Mai 2001

[5] Engl, Bernhard; Kruse, Jochen: „Entwicklung neuer dichtereduzierter Leichtstähle für den Automobil-Leichtbau“, Tagung, Thyssen Krupp Stahl AG, Dortmund, 1999

[6] Denkena, B.; Friemuth, T.; Ben Amor, R.; Boehnke, D.: „Eisen-Aluminium-Werkstoffe in der Zerspanung – Charakteristika beim Außenlängsdrehen einer FeAl-Legierung mit 10m%Al“, Stahl - Formen - Fügen - Fertigen, Heft 2, 2003

[7] Eumann, Markus: „Phasengleichgewichte und mechanisches Verhalten im ternären Legierungssystem Fe-Al-Mo“, Dissertation, Technische Hochschule Aachen, 2002

[8] Brüx, U.; Frommeyer, G.: „Tiefziehfähige Eisen-Aluminium-Leichtbaustähle”, Fachaufsatz Leichtbau-Stahl, Konstruktion, April 2002

[9] Eggersmann, Martin: „Diffusion in intermetallischen Phasen des Systems Fe-Al“, Dissertation, Fachbereich Physik der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, 1998

[10] Sauthoff, Gerhard: „Entwicklung neuartiger Eisen-Chrom- und Eisen-Aluminium-Legierungen für Anwendungen bei hohen Temperaturen“, Tätigkeitsbericht, Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH, Düsseldorf, 2004

[11] Specht, Petra: „Verformung und Bruchverhalten stöchiometrischer FeAl- und NiAl-Einkristalle“, Dissertation, Fakultät für Bergbau, Hüttenwesen und Geowissenschaften der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, 1996

[12] Kubaschewski, Ortrud; Kubaschewski, Oswald: „Iron – binary phase diagrams, Iron-Aluminium, Fe-Al”, Springer Verlag, Berlin, 1982

[13] Herrmann, Jutta: „Untersuchungen zur Struktur und zum mechanischen Verhalten von Fe-reichen Fe-Al-Legierungen“, Fortschrittberichte VDI, Reihe 5, VDI Verlag Düsseldorf, 2000

Page 13: Untersuchungen zur Massivumformung gegossener …... III/2012 Behrens, Huskic, Lüken: Massivumformung von Fe-Al-Legierungen S.1/13 Verlag Meisenbach GmbH, Franz-Ludwig-Str. 7a, 96047

www.utfscience.de III/2012 Behrens, Huskic, Lüken: Massivumformung von Fe-Al-Legierungen S.13/13

Verlag Meisenbach GmbH, Franz-Ludwig-Str. 7a, 96047 Bamberg, www.umformtechnik.net

[14] Skrotzki, Prof. Dr. W.: „Texturentwicklung in verformten und rekristallisierten Fe-Al Legierungen“, Schlussbericht zum Forschungsbericht, Institut für Strukturphysik der Technischen Universität Dresden, 2003

[15] Schneider, André: „Strukturen und mechanische Eigenschaften von Eisen-Aluminium-Legierungen“, Tätigkeitsbericht, Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH, Düsseldorf, 2003

[16] Drewes, E.-J.: „Höherfester Leichtbauwerkstoff auf der Basis von Eisen-Aluminium-Legierungen“, Abschlussbericht Forschungsvorhaben, Universität Erlangen-Nürnberg, 30.06.1999

[17] Köhler, Bernd: „Untersuchungen zur Wanderung und Charakterisierung thermischer Defekte in geordneten FeAl-Legierungen mit der Positronenannihilation“, Dissertation, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät Georg-August-Universität, Cuvillier Verlag, Göttingen, 1999

Autoren:

Prof. Dr.-Ing. Bernd-Arno Behrens studierte Maschinenbau an der Universität

Hannover und promovierte am Institut für Umformtechnik und Umformmaschinen

(IFUM) in Hannover. Nach einer leitenden Tätigkeit bei der Salzgitter AG wurde er im

Oktober 2003 als Leiter des IFUM an die Leibniz Universität Hannover berufen.

Dipl.-Wirtsch.-Ing. Adis Huskic studierte Wirtschaftingenieurwesen mit der

technischen Fachrichtung Maschinenbau an der Universität Kassel. Seit Ende 2010

ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Massivumformung am IFUM.

Dipl.-Ing. Ingo Lüken studierte Maschinenbau an der Leibniz Universität Hannover.

Seit Anfang 2011 ist er Leiter der Abteilung Massivumformung am IFUM.