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Update Geriatrie Pharmakotherapie im Alter Engadiner Fortbildungstage, Scuol 9./10.09.2017 PD. Dr. med. Thomas Münzer Chefarzt Geriatrische Klinik St. Gallen AG Board Member European Academy for Medicine of Aging

Update Geriatrie - eft-aktuell.chUpdate Geriatrie Pharmakotherapie im Alter Engadiner Fortbildungstage, Scuol 9./10.09.2017 PD. Dr. med. Thomas Münzer Chefarzt Geriatrische Klinik

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Update Geriatrie Pharmakotherapie im Alter

Engadiner Fortbildungstage, Scuol

9./10.09.2017

PD. Dr. med. Thomas Münzer

Chefarzt Geriatrische Klinik St. Gallen AG

Board Member European Academy for Medicine of Aging

Fall Teil 1

• Was macht der Hausarzt?

• Er sucht nach des Pudels Kern und

liest das Procedere

Fall Teil 2

Fall Teil 3

Verlauf

• Bleibt im schwersten hyperaktives Delir

• Entfernt sich die Schmerzpumpe / Delir besser

• Fremdanamnestisch beginnende Demenz

• Steht ss auf, stürzt rezidivierend

• Schluckstörungen und Aspirationsgefahr

• Aufnahme ins Palliativprogramm, stirbt friedlich

• 1OP Xtandi sfr 4000 / 1 Amp Xgeva sfr 500

• 6x Radium-223 (ohne Applikation) srf. 216000

• Gewinn: survival versus Placebo 3.6 Monate

Zeit

Veränderungen mit der Zeit

Gute Funktion

Funktionsverlust

Fit / robust Frail / gebrechlich

Physiologie Pathologie

Zeit

Übergeordnete Phänomene

Sozialer Kontext

Funktion

Kognition Abhängigkeit

Persönlichkeit

• Meist Ergebnis von Expertenmeinungen

• Manche haben in bis zu 50% tiefe Evidenzklassen

• Zu sehr auf nur eine Krankheit fokussiert

• Werden gerne als Marketinginstrument eingesetzt

• Bei 44 Guidelines hatten 87% der Autoren

Verbindungen zur Industrie

• „One size fits all“ - Mentalität

• Für die Umsetzung im Alltag viel zu umfangreich

JAMA, February 25, 2009—Vol 301, No. 8

Zum Glück gibt es Guidelines

Heiat, A. et al. Arch Intern Med 2002;162:1682-1688.

Alter der Patienten mit

Herzinsuffizienz in Studien

• Meist sehr alte Menschen mit kognitiven

Problemen

• Unterschiedliche Formen der Polymorbidität

• Pseudostabilität

• Viele Jahre die gleiche Medikation

• Wenig longitudinales Wissen verfügbar

• 30 Jahre Aspirin wie weiter?

• «Wir haben gelernt Therapien zu beginnen, aber

nicht, sie zu beenden»

Probleme in der Geriatrie

Verschreibungsprozess

• Indikation

• Substanz

• Darreichungsform

• Dosierung

• Dosierintervall

• Dauertherapie?

Männlich, 59J

2 chronische Probleme

95 kg

Weiblich, 85J

6 chronische Probleme

55 kg

Das Wichtigste auf einen Blick

Clinical Interventions in Aging 2016:11 857–866

Häufige Situationen

• Behandlungsrichtlinien Myokardinfarkt

– Akute Magenblutung unter 3fach

Aggregationshemmung

• Therapie des Lymphoms nach Schema

– Langdauerende, schwere Aplasie

• Grosszügige Antibiotikatherapie

– Delirien, C.difficile Kolitis

• Cumarine und Antibiotika

– INR Entgleisung

Zusätzliche Probleme

• Ungeduld im Spital

– Zu hohe Startdosis

– Zu schnelle Dosissteigerungen

– Im Spital muss man schlafen wie zuhause

• (Kritiklose) Anwendung aller

Behandlungsrichtlinien

• Mangelnde Kommunikation mit den Betroffenen

oder zwischen den Akteuren

• Fehlende Kenntnis der funktionellen Kapazität

• Suboptimale Austrittsplanung

Unerwartete Effekte

Zeit

Effe

kt d

es M

ed

ika

me

nte

s

Unerwartete Effekte

• Transdermale Systeme

– Lange wenig Wirkung, dann Delirium

• Sedativa und Hypontika mit langer HWZ

– Lange keine Wirkung, dann Delirium

• Unzureichende oder fehlende Information

– «plötzliches» Entzugsdelirium

• Alkohol, Benzodiazepine, Z-Substanzen

• Kombination Analgetika und Sedativa

– Stürze

• Je mehr Medikamente, desto grösser das

Risiko einer unerwünschten Wirkung

• Ein zusätzliches Medikament erhöht das

Risiko einer unerwünschten Wirkung um

rund 10%

• Je mehr verschreibende Ärzte oder

Ärztinnen, desto grösser ist das Risiko einer

unerwünschten Wirkung

• Helfen Listen?

Gandhi TK et al. N Engl J Med 2003; 348: 1556-64

Risiken

Priscus Liste

• 83 (wichtige) Medikamente

• Verschiedene Substanzgruppen

• Bedenken versus Alternativen

• Wichtige Probleme:

• Delirien

• Stürze

• Mangelnde Evidenz

• Ungünstiges Nutzen / Risikoverhältnis

www.priscus.net

Zitate aus Interviews

• «Die Liste ist ein nicht umsetzbar, wenn

ich das konsequent machen würde,

könnte ich keine Medikamente mehr

verschreiben»

• «Ich versuche die Zahl zu reduzieren, aber

wenn sie vom Spezialisten oder aus dem

Spital kommen…»

• «Es gibt auch Patienten, die nach Pillen

verlangen»

Medication Appropriateness

Index

• Indikation vorhanden?

• Medikament für die Indikation das richtige?

• Stimmt die Dosis?

• Anweisung zur Einnahme korrekt?

• Anweisung praktikabel?

• Klinisch wichtige drug-drug Interaktionen?

• Klinisch wichtige drug-disease Interaktionen?

• Unnötige Duplikate

• Ist die Behandlungsdauer adäquat?

• Gibt es eine kostengünstige Alternative?

«Deprescribing» in der Praxis

Liste erstellen

PIM identifizieren Kontrolle &

Dokumentation

Priorisieren Absetzplan

Primary and Hospital Care 2017;17(7) 141-142

Kernfragen

• Was will die Patientin / der Patient?

• Was ist das Behandlungsziel?

Primärprävention/Sekundärprävention

Stabilisation, Kuration oder Palliation?

• Löst das Medikament das Problem?

• Wenn nein, was ist die Konsequenz?

Statine und Lebenserwartung

Lancet. 2011; 378(9808):2013–2020

JAMA Intern Med. 2015 May ; 175(5): 691–700

Effekte nach zirka 2 Jahren Therapie

Stürze und Antihypertensiva

Tinetti, ME et al. JAMA 2014;174(4): 588-95

Die Frage nach einem Sturz in der

Vorgeschichte gehört (theoretisch) vor

jede Hypertoniebehandlung im Alter

Zusammenfassung

• Bei Polymorbidität Diagnosen «priorisieren»

• Der «MAI» kann helfen

• Sprechen Sie mit Ihren Patienten

• Weniger kann mehr sein

• Lebensqualität versus Quantität

• When in doubt, take it out

• «Reduzieren riskieren»

Aktuelles Beispiel

Ann Intern Med. 2017;167:181-191

Der junge Arzt beginnt

seine Karriere mit 20

verschiedenen Pillen für

eine Krankheit, der

Erfahrene braucht eine

Pille für 20 Krankheiten.

Sir William Osler