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Vorprüfung des Einzelfalles: Reaktivierung des Wasserkraftstandortes Bad Ems Seite 1 Ergänzende Vorprüfung des Einzelfalles zum Wasserrechtlichen Antrag: „Reaktivierung des Wasserkraftstandortes Bad Ems“ Bauherrin u. Antragstellerin: Wasserkraft Bad Ems GmbH & Co. KG mit Sitz in Bad Ems Verfasser: Ingenieurbüro für Umweltplanung Dr. Jochen Karl, Beratender Ingenieur und Stadtplaner IngKH Dr. Dietmar Simmering Staufenberger Str. 27 35460 Staufenberg [email protected] 06406/92329-0 Auftraggeber: Steinhoff Energieanlagen GmbH Dr. Ronald und Maren Steinhoff Beratende Ingenieure Weiler Weg 2 61276 Weilrod Tel.: 06083 / 95 83 49 Mobil: 0151 / 5 17 13 12 8 E-Mail: [email protected] Vorgelegt im Dezember 2015

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Vorprüfung des Einzelfalles: Reaktivierung des Wasserkraftstandortes Bad Ems Seite 1

Ergänzende Vorprüfung des Einzelfalles

zum Wasserrechtlichen Antrag:

„Reaktivierung des Wasserkraftstandortes Bad Ems“

Bauherrin u. Antragstellerin:

Wasserkraft Bad Ems GmbH & Co. KGmit Sitz in Bad Ems

Verfasser:Ingenieurbüro für Umweltplanung

Dr. Jochen Karl, Beratender Ingenieur und Stadtplaner IngKH

Dr. Dietmar Simmering

Staufenberger Str. 27

35460 Staufenberg

[email protected]

06406/92329-0

Auftraggeber:Steinhoff Energieanlagen GmbHDr. Ronald und Maren Steinhoff

Beratende IngenieureWeiler Weg 261276 Weilrod

Tel.: 06083 / 95 83 49Mobil: 0151 / 5 17 13 12 8

E-Mail: [email protected]

Vorgelegt im Dezember 2015

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Im Zusammenhang mit dieser Vorprüfung des Einzelfalles verweisen wir auf folgende verwendete Unterlagen:

Die Inhalte der hier aufgeführten Quellen sind Grundlage für die Erstellung der vorliegenden Vor­prüfung des Einzelfalles.

[1] UVP-Vorprüfung zum Wasserrechtlichen Antrag zur Reaktivierung des Wasserkraft­standortes Bad Ems, Heft 3, Steinhoff Energieanlagen GmbH, Björnsen Beratende Inge­nieure GmbH, Feb. 2011

[2] Eingriffsanalyse und -bewertung der Qualitätskomponenten nach OGewV und WRRL Anhang V; Ergänzungen zum Wasserrechtlichen Antrag zur Reaktivierung des Wasser­kraftstandortes Bad Ems vom 23. Januar 2012, Steinhoff Energieanlagen GmbH, Okto­ber November 2015

[3] Wasserrechtlicher Antrag zur Reaktivierung des Wasserkraftstandortes Bad Ems. Erläu­terung und Antrag auf Planfeststellung und Planunterlagen, Steinhoff Energieanlagen GmbH Jan. 2012

[4] Fachbeitrag Naturschutz zum wasserrechtlichen Antrag zur Reaktivierung des Wasser­kraftstandortes Bad Ems, Heft 1, Steinhoff Energieanlagen GmbH, Björnsen Beratende Ingenieure GmbH, Feb. 2011

[5] Fachbeitrag Artenschutz zum wasserrechtlichen Antrag zur Reaktivierung des Wasser­kraftstandortes Bad Ems, Heft 2, Steinhoff Energieanlagen GmbH, Björnsen Beratende Ingenieure GmbH, Feb. 2011.

[6] Fischbestandserfassung und Bewertungsergebnisse nach FiBS, LUWG Rheinland-Pfalz 2013

[7] Wasserkörper-Steckbrief Untere Lahn, Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht Stand 2013

[8] DWA-Regelwerk, Merkblatt DWA – M 509, Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V., Mai 2014

[9] Untersuchungen des Makrozoobenthos 2007-2010 und 2013, LUWG Rheinland-Pfalz

[10] Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) in der gültigen Fassung von 24.02.2010.

[11] Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) in der gültigen Fassung

[12] Wasserhaushaltsgesetz (WHG) in der derzeit gültigen Fassung vom 31. Juli 2009

[13] Oberflächengewässerverordnung (OGewV) vom 20. Juli 2011

[14] Wassergesetz für das Land Rheinland-Pfalz (Landeswassergesetz – LWG) zuletzt ge­ändert am 30. Jul. 2015. http://landesrecht.rlp.de/jportal/?quelle=jlink&query=WasG+RP&psml=bsrlpprod.psml.

[15] Landesfischereigesetz (LFischG) in der derzeit gültigen Fassung

[16] Landesfischereiordnung in der derzeit gültigen Fassung

[17] EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) 2000/60/EG mit Anhängen

[18] FFH-Richtlinie 92/43/EG, insbesondere Anhang IV und V

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[19] Koordinierungsbericht Mittelrhein 22.12.2009, Umsetzung der Europäischen Wasserrah­menrichtlinie (Richtlinie 2000/60/EG)

[20] International koordinierter Bewirtschaftungsplan für die internationale Flussgebietsein­heit Rhein (Teil A = übergeordneter Teil) Dezember 2009

[21] Fischschutz und Fischabstieg an Wasserkraftanlagen, Guntram Ebel, 2012, ISBN 978-3-00-039686-1

[22] Einsatz des Leitrechen-Bypass-Systems nach Ebel, Gluch & Kehl an Wasserkraftan­lagen – Grundlagen, Erfahrungen und Perspektiven, Guntram Ebel, Arne Gluch, Martin Kehl, Wasserwirtschaft 7/8 2015

[23] Umsetzungsstrategie „Durchgängigkeit Lahn“, Datenerhebung, Bewertung und Maßnah­menplanung zur Optimierung der aquatischen Durchgängigkeit, Endbericht, Ingenieur­büro Floecksmühle Aachen, Feb. 2013

Inhaltsverzeichnis1. Einleitung und Aufgabenstellung..................................................................................................32. Kriterien für die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls................................................................53. Zusammenfassende Bewertung.................................................................................................23

Allgemeine Vorprüfung der Einzelfalles (überschlägige Prüfung) ge­mäß Anlage 2 des UVPG (Stand 24.02.2010)

1. Einleitung und Aufgabenstellung

Gemäß Anlage 1 UVPG Nr. 13.14 ist für die Errichtung und den Betrieb einer Wasserkraftan­

lage eine Vorprüfung des Einzelfalles gemäß §3c UVPG vorgesehen (UVP-Pflicht im

Einzelfall).

Demnach ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn das Vorhaben nach Ein­

schätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung

der in der Anlage 2 UVPG aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen

haben kann, die nach § 12 UVPG zu berücksichtigen wären. Bei den Vorprüfungen ist zu be­

rücksichtigen, inwieweit Umweltauswirkungen durch die vom Träger des Vorhabens vorgese­

henen Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen offensichtlich ausgeschlossen werden.

Im weiteren soll entlang der Anlage 2 UVPG (Kriterien für die Vorprüfung des Einzelfalls im

Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung) geprüft werden, ob das Vorhaben erhebliche

nachteilige Umweltauswirkungen, wie beispielsweise die in §19 BNatSchG beschriebenen

Schäden haben kann.

Die vorliegende Vorprüfung des Einzelfalles ergänzt die gewässerbezogenen Teile von

[1]. Insbesondere die Qualitätskomponente Fischfauna und die hydromorphologischen

Qualitätskomponenten werden gegenüber [1] vertieft.

Die UVP-Pflicht wird durch eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls gemäß § 3c UVPG fest­

gestellt. Die Vorprüfung im Einzelfall erfolgt nach Anlage 2 UVPG anhand der Merkmale des

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Vorhabens, des Standorts des Vorhabens und der Merkmale der möglichen Auswirkungen auf

die im UVPG genannten Schutzgüter.

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2. Kriterien für die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls

Bemerkungen

1.Merkmale des Vorhabens

Die Merkmale eines Vorhabens sind insbesondere hinsichtlich folgender Kriterien zu beurteilen:

1.1 Größe des VorhabensReaktivierung eines Wasserkraftstandortes zwecks regenerativer Stromerzeugung zur Versorgung von im Mit­tel ca. 1000 Haushalten (Jahresenergie rd. 3.000.000 kWh, Kraftwerksleistung 800 kW), was ca. 1/3 der Haus­halte der Verbandsgemeinde Bad Ems entspricht. Ausbauwassermenge beträgt 30 m³/s (0,59 MQ). Zusätzlich soll eine Fischaufstiegsanlage als Hassinger-Borstenfischpass neben dem Krafthaus errichtet werden (Dotati­on 550 l/s, Zusatzdotation 300 l/s). Die Wasserkraftanlage wird mit einem dem Stand der Technik entspre­chenden und praxiserprobten Fischschutzsystem (Fisch- und Treibgutableiter nach Gluch/Ebel) und dem da­zugehörigen Fischabstieg ausgerüstet (Stababstand 12 mm, Anströmwinkel 45°, Normalgeschwindigkeit 0,335 m/s). Das Fischschutzsystem ist damit als erhöhter Fischschutz mit Vorbildcharakter anzusehen.

Folgende Baumaßnahmen sind erforderlich:

Verbreiterung des bestehenden Turbinengrabens von 10 m auf 13,5 m auf einer Länge von 100 m (350 m²)

Montage eines Stahlstegs (Gehweg) am oberen Ende des Turbinengrabens (nicht aufstehend, 1 m breit und 13,5 m lang).

Errichten eines Krafthauses (Abmessungen aufstehend 170 m²) mit Einlaufbereich und Fischschutzsys­tem (150 m² nicht aufstehend) mit zwei langsam drehenden Turbinen.

Bau eines Auslaufbereiches (rd. 400 m² nicht aufstehend)

Bau eines Fischaufstieges (rd. 100 m² nicht aufstehend)

Anlegen einer Unterwasser- und Flachwasserzone mit Schilfgras entlang des gesamten Turbinengra­bens (ca. 80 m Länge und 2 m Breite, Kompensationsmaßnahme vgl. [4] Kap. 7 ).

Sich daraus ergebende Flächennutzung als Übersicht:

Wasserfläche (Grabenerweiterung, Einlauf, Auslauf, Fischaufstieg): ca. 1000 m²

Krafthaus: 170 m²

Summe Gesamtflächenverbrauch: rd. 1150 m²

Zusätzlich geschaffene Wasserfläche: ca. 910 m².

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1.2 Nutzung und Gestaltung von Wasser, Boden, Natur und Landschaft

Wasser: Entnahme von Wasser durch den bestehenden Turbinengraben bis zu 30 m³/s zum Betrieb der Was­serkraftanlage zzgl. den Mengen für den Betrieb des Fischauf- und Fischabstiegs an der Anlage. Vollständige Wiedereinleitung des Wassers nach 140 m.

Während der Bauphase zeitlich begrenzter Eingriff in das Gewässer durch Schutzdamm der Baugrube und Wasserhaltung. Geringe störende und zeitlich begrenzte Einflüsse während der Bauphase. Genehmigungsauf­lagen und Ausführungsbestimmungen in diesem Bereich sichern die Begrenztheit der Eingriffe.

Gewässerflora: Während des Baus geringfügige Auswirkungen auf Gewässerflora möglich. Eingriffe jedoch auf­grund der begrenzten Fläche des Eingriffs (s.o.) sehr gering und zeitlich begrenzt, da sich insbesondere durch die Anlage einer Unterwasser- und Flachwasserzone und natürliche Sukzession eine gleich- bis höherwertige Gewässerflora ansiedeln wird.

Gewässerfauna: Turbinen können Fische schädigen oder sogar töten. Maßnahmen zum erhöhten Fischschutz werden ergriffen (Fisch- und Treibgutableiter nach Gluch/Ebel mit zugehörigem Fischabstiegssystem). Ein be­währtes und auf dem neusten Stand der Forschung befindliches System (Stababstand 12 mm, Anströmwinkel 45°, Normalgeschwindigkeit 0,335 m/s) sichert Fischarten und -bestände. Die Planung geht erheblich über die gesetzlichen Regelungen und die übliche Praxis bei Fischschutzsystemen an Wasserkraftanlagen hinaus. Eine Beeinträchtigung der Fischbestände ist auszuschließen (vgl. Abs. 2.2 und [2, 3]).

Benthische wirbellose Fauna: Benthische wirbellose Fauna kann die Kraftanlage passieren und dabei geschä­digt werden. Es besteht jedoch kein nennenswerter Eingriff durch das Vorhaben. Insbesondere der Betrieb der Wasserkraftanlage stellt keinen Eingriff in diese Qualitätskomponente dar. Maßgeblich hierfür ist, dass die Stau­haltung bereits besteht.

Der Borstenfischpass ist auch für benthische wirbellose Fauna passierbar. Er besitzt bodennahe Anbindung im Einstiegs- und Ausstiegsbereich, um die aufwärtsgerichtete Durchgängigkeit für Makrozoobenthos zu ermögli­chen. Die Durchgängigkeit der Staustufe wird für diese Fauna durch das Vorhaben verbessert.

Wasserhaushalt: Abfluss und Abflussdynamik werden im Normalbetrieb und im Hochwasserfall verbessert. Grundwasser wird nicht tangiert. Wasserstandsdynamik und Wassererneuerungszeit werden zu Zeiten niedriger Abflüsse in der Ausleitungsstrecke etwas herabgesetzt (vgl. [2, 3]). Ausreichende Wassererneuerungszeit ist je­doch bei einem vollständigen Austausch der Wassermenge in der Ausleitungsstrecke nach ca. 30 min gegeben. Die Ausleitungsstrecke wird vorrangig mit einem Mindestabfluss von 7,2 m³/s beaufschlagt. Es bestehen daher keine Bedenken der Eutrophierung. Negative Auswirkungen auf Wasserhaushalt sind nicht zu befürchten.

Aufwärtsgerichtete Durchgängigkeit / Fische: Wird durch die zweite Fischaufstiegsanlage am linksseitigen Ufer verbessert. Die zweite Fischaufstiegsanlage wird als Borstenfischpass gemäß gültigen Standards (DWA 509) errichtet, mit einem ständigen Abfluss von Q = 550 l/s dotiert und mit Zusatzdotation (300 l/s) am Einstieg zur besseren Auffindbarkeit versehen. Die Auffindbarkeit wird durch die in den gültigen Standards empfohlene Ein­stiegsgeometrie sichergestellt. Für sohlnah wandernde Fischarten wird sowohl im Einstiegsbereich als auch im Ausstiegsbereich eine Sohlanbindung mit natürlicher Oberfläche hergestellt.

Die Durchgängigkeit der Ausleitungsstrecke bleibt durch die beträchtliche Wassertiefe bei allen Abflusssituatio­

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nen gesichert. Die Mittlere Wassertiefe liegt bei Ca. 1,6 m. Der Betrieb der Wasserkraftanlage hat keinen Ein­fluss auf die Durchwanderbarkeit der Ausleitungsstrecke, da diese bei jedem Stauziel und Abflusssituation voll­kommen rückgestaut ist. Die Durchwanderbarkeit bleibt auch bei Niedrigwasser gesichert. Die gute Auffindbar­keit der Rampe wird durch deren vorgeschriebene Mindestdotation von 3,27 m³/s sichergestellt sie bleibt somit durch das Vorhaben unberührt. Die derzeit über weite Teile des Abflussjahres vorliegende hydraulische Über­lastung der Rauen Rampe wird durch die automatische Stauzielhaltung der Wasserkraftanlage verhindert. Durch die automatische Stauregelung der Wasserkraftanlage bleiben Leistungsdichten in den Rampenbecken weite Teile des Jahres unterhalb des gültigen Grenzwertes für Barben von 150 W/m3 (derzeit liegen die Leis­tungsdichten bei Niedrigwasser schon bei 175 W/m3 und steigen schon bei Mittelwasser stark an). Die Verle­gung der Rauen Rampe mit Schwemmgut wird durch den Betrieb der Wasserkraftanlage stark abnehmen. Posi­tive Auswirkungen des Vorhabens auf die aufwärtsgerichtete Durchgängigkeit sind zu erwarten. Nachteile könn­ten sich durch mangelnde Wartung des neuen Fischpasses ergeben. Nebenbestimmungen im Bescheid sichern die ordnungsgemäße Herstellung und Auffindbarkeit sowie den dauerhaften korrekten Betrieb und damit die Funktion aller Fischwege.

Abwärtsgerichtete Durchgängigkeit / Fische: Eine sichere Passage für Fische und Rundmäuler an der Anlage vorbei wird durch den Horizontalrechen mit Leitfunktion (Fisch- und Treibgutableiter) mit maximalem Stabab­stand von 12 mm, Aalleitkante und Fischabstieg nach Gluch/Ebel sichergestellt. Unter Berücksichtigung dieser planerischen Konzeption des Fischschutzes und Fischabstieges zusammen mit den Turbinendaten sind die artspezifischen Mortalitätsraten der Wasserkraftanlage für abwärtswandernde Fische prognostiziert worden (vgl. [2]). Hintergrund sind wissenschaftlich anerkannte und hochsignifikante Prognosemodelle (vgl. [2, 21]), die unter verschiedenen Szenarien unter Berücksichtigung der hydrologischen, hydraulischen sowie relevanten geometri­schen Daten des Standortes und der Anlagenkonzeption angewendet wurden.So ergibt sich für die Leitart Barbe für das realistische Szenario eine Mortalitätsrate von M = 0,06 % (unrealistisches Pessimalszenario ergab M = 0,56 %), für den diadromen Aal M = 0,25 % (unrealistisches Pessimalszenario ergab M = 0,67 %) und für den Lachssmolt M = 0,018 % (unrealistisches Pessimalszenario ergab M = 0,226 %) der abwärts wandernden Fische. Nebenbestimmungen im Bescheid sichern die ordnungsgemäße Funktion der Fischwege (Funktionskon­trolle).

Morphologie: Die Untere Lahn ist morphologisch stark verändert (HMWB, heavily modified water body). Ge­schiebedynamik und damit einhergehende Strukturierungen und Kiesumlagerungen finden lediglich in den Aus­leitungsstrecken der Wasserkraftanlagen Ahl, Nievern und Hollerich statt. Derzeit erfolgt der Geschiebetransport bei bettbildenden Abflüssen, ohne dass nennenswerte Kiesakkumulationen unterhalb des Wehres in Bad Ems verbleiben. Aufgrund des zusätzlichen Abflussquerschnittes durch den Turbinengraben und die Wasserkraftan­lage (30 m³/s zzgl. Fischabstieg und FAA) wird sich die Kiesakkumulation unterhalb des Wehres in der Auslei­tungsstrecke verstärken. Die Ausleitungsstrecke Bad Ems wird dadurch strukturell aufgewertet, was mit der Nut­zung als Schifffahrtsweg an dieser Stelle (Wehrarm) unmittelbar verträglich ist und gleichzeitig eine der wenige Möglichkeiten struktureller Aufwertung an der unteren Lahn darstellt.

Durch den Betrieb der Wasserkraftanlage werden im Oberwasser der Staustufe befindliche Sedimentablagerun­gen im normalen Betrieb und insbesondere auch bei Hochwasser schneller und umfangreicher in das Unterwas­ser abgeführt. Verlandungen im Rückstaubereich mit Feinsedimenten werden tendenziell verringert, was positiv

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zu bewerten ist.

Chemische oder physikalisch-chemische Auswirkungen: Der Betrieb der Wasserkraftanlage vermindert den Ab­fluss über das Wehr. Bei Mittelwasser fließen 30 m³/s von 51 m³/s (mittlerer Abfluss, MQ) über die Wasserkraft­anlage ab. Der Wehrüberfall trägt in geringem Maße zur Sauerstoffanreicherung und und Entgasung von im Wasser enthaltenen gasförmigen Stoffen bei. Aber auch das Abführen der o.g. Wassermenge durch die Turbine bewirkt ebenfalls eine Sauerstoffanreicherung und auch Entgasung in sehr ähnlichem Umfang. In der Summe kompensieren sich so diese beiden geringfügigen Effekte der Abflussminderung am Wehr und der Sauerstoffan­reicherung beim Turbinendurchgang. Die Auswirkungen sind somit als sehr gering anzusehen. Ansonsten hat der Betrieb der Wasserkraftanlage keinerlei physikalisch-chemische Auswirkungen.

Aufgrund der Bautätigkeiten können Belastungen physikalisch-chemischer Art hervorgerufen werden (Belastung von Baustoffen, Treibstoffe, Altlasten, Boden u.v.m.). Insgesamt wird der Gewässerschutz durch Schutz- und Ausführungsbestimmungen (Nebenbestimmungen) im Genehmigungsbescheid und eine dementsprechende Bauausführung sichergestellt.

Das Vorhaben hat somit nur vernachlässigbare chemische oder physikalisch-chemischen Auswirkungen.

Boden: Beplante Flächen erstrecken sich über Straßenfläche (darunter Widerlager/Fundament der alten Remy-Brücke), Böschungsfläche und den bestehenden Turbinengraben mit angrenzenden Beton-Natursteinwall, Stützmauer und Wasserflächen im Bereich der Fundamentpfeiler der alten Remybrücke. Alle Flächen sind stark anthropogen überformt und sichtbar durch ehemalige industrielle Nutzung gekennzeichnet. Wertvoller Boden kann lediglich im Uferbereich anfallen. Die Insel Silberau ist zu Teilen mit Rückständen aus der Erzaufbereitung aufgefüllt worden (kartierte Altlast). Auf der Kalkspitze, dem vorderen Teil der Insel Silberau, dem ehemaligen Flurstück 33, sind jedoch bisher keine Altlasten kartiert und ein evtl. Schadstoffinventar und Ausdehnung dem­nach bisher unbekannt ist. Es handelt sich um eine altlastenverdächtige Fläche welche im Altlastenkataster (Bo­denschutzkataster) unter der Erhebungsnummer 141 01 006-0202 erfasst ist. Nebenbestimmungen und Auf­lagen im Genehmigungsbescheid sichern den regelkonformen Umgang mit Bodenaushub über die gesamte Bauphase hinweg.

Natur und Landschaft: Geringe Beeinträchtigung durch wegfallende Gehölze bzw. Brutstätten. Ausgleich durch Neuanpflanzungen, Nisthilfen und Vernetzung der Lebensräume im Gewässer (Verbesserung Durchgängigkeit durch Bau des zweiten Fischaufstiegs) und Beruhigung der anthropogen stark durch Schaulustige (Flusssauna) belasteten Böschungsbereiche. Zeitliche Regelungen vermeiden Eingriffe und Störungen. Aufgrund der gerin­gen Höhe (Firsthöhe unterhalb des ehemaligen Pförtnerhäuschens) und den Anpflanzungen im Süden und der umgebenden Gehölze gibt es kaum Fernwirkung der Anlage.

Insgesamt werden die ökologischen Funktionen und Schutzwerte über die Bauphase hinweg und im Betrieb durch Schutz- und Ausführungsbestimmungen im Genehmigungsbescheid und dem Fachbeitrag Naturschutz (vgl. [4]) sichergestellt.

Der Betrieb der Wasserkraftwerks Bad Ems vermeidet Eingriffe in das Schutzgut Natur und Landschaft, Boden und auch Wasser, indem der Abbau von Braun- und Steinkohle unmittelbar vermindert wird. Um die jährliche Energiemenge der Wasserkraftanlage Bad Ems von rund 3 Mio. kWh mit dem derzeitigen deutschen Kohlekraft­werkspark zu erzeugen, sind ca. 965 t SKE (Steinkohleeinheiten, Petrolkoks) bzw. ca. 2.900 t Braunkohle erfor­

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derlich. Dabei sind die Energieverluste bzw. Aufwände für den Abbau, den Transport der Kohle und die Übertra­gungsverluste der Netzverteilung noch nicht berücksichtigt.

Diese Menge Braunkohle entspricht einer Ressourcenschonung mit einem Volumen von ca. 4.500 m³ Braun­kohle pro Jahr. Dieses von der Wasserkraftanlage Bad Ems jährlich vermiedene Braunkohleäquivalent ent­spricht bei einem fiktiven Braunkohletagebau auf der Fläche eines Fußballfeldes einer jährlichen Abbautiefe von ca. 70 - 90 cm und einer Grundwasserabsenkung um etwa einen Meter pro Jahr. Wasserkraftstrom ist stetig und sehr gut prognostizierbar. Er erfordert zur Netzintegration keine Speicher und lässt sich nicht durch volatilen Wind- oder Solarstrom ersetzen. Demnach entlastet er die fossile Stromproduktion unmittelbar und vermeidet diese Eingriffe.

Der genannte Rohstoffverbrauch stellt Eingriffe in Natur und Umwelt dar. Er wird durch den Betrieb der Wasser­kraftanlage Bad Ems Jahr für Jahr vermieden. Die Eingriffe sind hier beispielhaft für Braunkohle quantifiziert worden. In gleicher Weise kann dies auch für andere fossile oder atomare Energieträger getan werden, die teils für erheblich größere Eingriffe in Natur und Umwelt herangezogen werden können.

1.3 Abfallerzeugung Bodenaushub, belastetes Material und ggf. Baustellen- oder sonstige Baustellenabfälle werden einer ordnungs­gemäßen Verwertung bzw. Entsorgung zugeführt. Dies wird zusätzlich durch Bestimmungen im Bescheid si­chergestellt. Die Wasserkraftanlage erzeugt keine Abfälle oder Emissionen während des Betriebes.

Durch den Betrieb der Wasserkraftanlage Bad Ems kommt es vielmehr zu erheblichen jährlichen Abfalleinspa­rungen im Vergleich zum deutschen Strommix von

1.721 t Kohlendioxid (BMU 2012), 85 t Schwefeldioxid, 1730 t Flugasche und Schlacke, 2595 kg schwermetallige Stäuben und 24 Millionen Liter Grundwasser (Quelle: Hohmeyer, „Soziale Kosten des Energieverbrauches“, Fraunhofer Institut, Berlin 1990.)

Zusätzlich werden jährlich ca. 2,1 kg radioaktiver Abfall vermieden (Quelle: Lichtblick AG).

1.4 Umweltverschmutzung und Belästi­gungen

Bauzeitlich ist mit vorübergehenden Lärm- und Schadstoffemissionen durch Baufahrzeuge und Lkw-Transporte zu rechnen. Es werden ca. 180 Lkw zum Abtransport des Aushubs erforderlich sein. Bedingt durch die gute An­bindung an B 260 (Malbergtunnel in 200 m Entfernung) bleibt der Lastverkehr außerhalb der Stadt. Durch ord­nungsgemäße Bauausführung und Betrieb keine Umweltverschmutzung und Begrenzung auf Belästigungsni­veau. Naherholungssuchende können die Insel Silberau während der Bauphase nur eingeschränkt nutzen. Für Anwohner sind Belästigungen durch den großen Abstand zu Wohngebieten auszuschließen.

Belästigung durch Lärmentwicklung im Betrieb ist bei Turbinenanlagen aufgrund der Bauausführung vernachläs­sigbar. Geräuschentwicklung durch die Wasserkraftanlage liegen in jedem Fall wesentlich unterhalb der Schal­lemissionen der umgebenden Verkehrswege. Eine diesbezügliche Belästigung kann ausgeschlossen werden.

Verschmutzungen des Gewässers während der Bauphase werden durch eine sachgerechte Ausführung und entsprechende Nebenbestimmungen im Bescheid vermieden.

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Betriebsbedingt wird durch die Anlage Umweltverschmutzung in erheblichem Umfang vermieden (siehe 1.3)

1.5 Unfallrisiko, insbesondere mit Blick auf verwendete Stoffe und Technolo­gien

Risiken sind durch Einhaltung der Unfallschutzauflagen während der Bauzeiten und durch geeignete Siche­rungsmaßnahmen im Betrieb auszuschließen. Gefahren für die Schifffahrt und den Kanutourismus gehen von der Wasserkraftanlage nicht aus. Entsprechende Nachweise hierzu sind erbracht worden [3].

2. Standort des Vorhabens

Die ökologische Empfindlichkeit eines Gebiets, das durch ein Vorhaben möglicherweise beeinträchtigt wird, ist insbesondere hinsichtlich folgender Nut­zungs- und Schutzkriterien unter Berücksichtigung der Kumulierung mit anderen Vorhaben in ihrem gemeinsamen Einwirkungsbereich zu beurteilen:

2.1 Bestehende Nutzung des Gebietes, insbesondere als Fläche für Siedlung und Erholung, für land-, forst- und fi­schereiwirtschaftliche Nutzungen, für sonstige wirtschaftliche und öffentli­che Nutzungen, Verkehr, Ver- und Entsorgung (Nutzungskriterien)

Die Wehranlage Bad Ems gehört zur Bundeswasserstraße Lahn und besteht aus einem Streichwehr (ca. 160 m Breite). Zu der Staustufe gehören der Schleusenkanal mit Schleusenkammer, Hafenanlage und der ehemalige Turbinengraben mit Wall. Hinzu kommt eine Vielzahl von Stegen und Anlegemöglichkeiten für Schiffe, die sich ebenfalls im Stadtgebiet befinden. Die Schifffahrt und der Wassertourismus ist untrennbar mit der Stadt Bad Ems, ihrer derzeitigen wirtschaftlichen Struktur und ihrer Historie verbunden. Die Staustufe wird derzeit wasser­wirtschaftlich zum Betrieb einer Wasserkraftanlage nicht genutzt. Der Rückbau der Staustufe ist auch in abseh­barer Zeit nicht vorgesehen bzw. nicht möglich. Gründe hierfür sind die Schifffahrt mit der erforderlichen Staure­gelung, der bestehende Grundwasserspiegel und der Hochwasserschutz. Dies steht im Zusammenhang mit der Auenbesiedlung der Stadt Bad Ems mit teils historischer Bausubstanz und den daraus resultierenden Anforde­rungen an die Gewährleistung der Standsicherheit der Gebäude durch den bestehenden Grundwasserspiegel.

Bestehende Anlagenteile wie Wehranlage (160 m breit), Zulaufbereich zwischen Wehr und Schifffahrtskanal, Turbinengraben 10 m breit und 100 m lang mit befestigtem Wall werden wiederverwendet. Das alte Brücken­lager mit Teilen der alten Grabenverdohlung soll abgerissen werden und an dieser Stelle das Krafthaus errich­tet werden.

Wasserwirtschaftliche Nutzungen: Derzeit keine wasserwirtschaftliche Nutzung des Turbinengrabens und des Wehres. Bei der Staustufe Bad Ems handelt es sich um den einzigen nicht genutzten Wasserkraftstandort an ei­ner Bundeswasserstraße in RLP. Raue Rampe (Planungsjahr 1994) am rechten Lahnufer mit eingeschränkter Funktion. Dotation der Rampe hat Vorrang vor dem Triebwasser der Kraftanlage.Stromerzeugungspotential Standort Bad Ems ca. 3.000.000 kWh/a (1000 Haushalte).

Siedlungsflächen: nicht betroffen

Flächen für Erholung: Im Straßenbereich wird die bestehende Skateranlage (Halfpipe) von Jugendlichen ge­nutzt. Diese wird um ca. 20 m verschoben. Das Denkmal der Schiffsveteranen bleibt bestehen. Die restliche Fläche mit den bestehenden Rasenwegen und Sitzbänken dient der Naherholung und ist als kleine Grünanlage mit Rasenfläche und Straßenpflaster gestaltet.

Nutzung der Flächen zur Naherholung während Bauphase stark eingeschränkt. Danach wieder im normalen Umfang möglich. Geringfügige Einschränkungen für Naherholung durch Flächenverlust (600 m²) sind erkannt

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worden und werden ausgeglichen.

Besucher der Flusssauna werden während der Bauphase geringfügiger Belästigung durch Geräuschemissio­nen des Baubetriebes ausgesetzt. Nach Inbetriebnahme keine Geräuschbelästigungen mehr zu befürchten. Zu­gang für Schaulustige am anderen Ufer wird stark eingeschränkt.

Landwirtschaft: Nicht betroffen

Forstwirtschaft: Nicht betroffen.

Fischerei: Der Abschnitt der Lahn wird zu Zwecken der Sportfischerei genutzt. Die fischereiliche Nutzung erlaubt je nach Region und Art die Entnahme von 20 - 30 % des operationalen Fischbestandes des Gewässers pro Jahr. Unter operationalem Bestand versteht man adulte und daher reproduktionsfähige, mehrjährige Tiere. Der Beifang (Jungstadien und geschützte Arten) müssen dem Fangergebnis hinzugerechnet werden. Auch der ge­schützte Aal darf entnommen werden. Die Entnahme der adulten und gewässerökologisch besonders wertvollen Tiere steht im Gegensatz zu dem Eingriff des Vorhabens, bei der gerade diese durch den Fischschutz der Was­serkraftanlage vollständigen Schutz erfahren.

Freier Zutritt zu den Uferbereichen der Lahn für die Sportfischerei bleibt bestehen. Durch die Verbesserung der Durchgängigkeit mittelbar positive Auswirkungen, da größere Anzahl der Arten und größere Anzahl der Fische in das Oberwasser wandern können und auf diese Weise Laich- und Nahrungshabitate in weiter oben gelege­nen Flussabschnitten und Zuläufen leichter erreicht werden können [2, 3]. Hauptwanderkorridor wird sich durch die neue Fischaufstiegsanlage und den Turbinengraben einrichten, so dass fischfressende Tiere wie Reiher und Kormoran beim Jagen in der Rampe weniger Erfolg haben werden. Für die örtliche Fischerei ergeben sich Vor­teile, da der Hauptwanderkorridor nun zum Fischen zugängig ist. Aufgrund des weit über den Standard hinaus­gehenden Fischschutzes (erhöhter Fischschutz) der Wasserkraftanlage sind keine Veränderungen der Fischbe­stände oder der Artenzusammensetzung durch den Betrieb der Wasserkraftanlage zu erwarten (vgl. Abs. 2.2).

Verkehr: Straßenverkehr ist während der Bauphase durch Baustellenverkehr betroffen. Es werden ca. 180 Lkw zum Abtransport des Aushubs erforderlich sein. Bedingt durch die gute Anbindung an die B 260 (Malbergtunnel in 200 m Entfernung) bleibt der Lastverkehr außerhalb der Stadt. Schifffahrt und Kanutourismus sind betroffen: Strömungsverhältnisse ändern sich zum Vorteil, so dass die Einfahrt in den Schleusenkanal vereinfacht wird.

Stromverbraucher: Regenerativer Strom wird in unmittelbarer Nähe durch die Anlage erzeugt und verbraucht. Leitungsverluste des jetzigen Stromtransportes und alle Nachteile der fossil-atomaren und zentralistischen Stromerzeugung werden weitgehend vermieden. Durch das Vorhaben wird 1/3 des Strombedarfes der Privat­haushalte der Stadt und Verbandsgemeinde Bad Ems durch Wasserkraft gedeckt. Direktanbindung von großen Verbrauchern (Emser Therme, Produktionsbetriebe) ist zusätzlich möglich.

2.2 Reichtum, Qualität und Regenerati­ Topographie / Relief: Lage des Plangebiets im Stadtgebiet von Bad Ems im Lahntal mit Höhen zwischen

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onsfähigkeit von Wasser, Boden, Natur und Landschaft des Gebietes (Qualitätskriterien)

79,50 m bis 77,50 m an der Südseite und 79,40 m bis 76,70 m an der Nordseite. Zum Gewässer teils steil abfal­lender mit Stützmauern befestigter Böschungsverbau im Randbereich des Turbinengrabens und des Schiff­fahrtskanals. Am Nordufer des Turbinengrabens befindet sich ein mit Wasserbaupflaster und Beton befestigter Damm von ca. 3 m Breite.

Boden: Boden der Auen und Niederterrassen. Standort praktisch ohne Auendynamik und mit Grundwasser­einfluss im Unterboden. Der Schichtaufbau zeigt unter Aufschüttungen Flusssand und Kies, tiefer dann mürbe und später feste Grauwacke. Eingriffsflächen werden derzeit durch Straßenfläche, gepflasterte Böschungsberei­che, Stützwände und bestehende Wege überformt. Es besteht kein Verlust an bisher nicht anthropogen über­formter Fläche. Die Insel Silberau ist zu Teilen mit Rückständen aus der Erzaufbereitung aufgefüllt worden (kar­tierte Altlast). Auf der Kalkspitze, dem vorderen Teil der Insel Silberau, dem ehemaligen Flurstück 33, sind je­doch bisher keine Altlasten kartiert und ein evtl. Schadstoffinventar und Ausdehnung demnach bisher unbekannt ist.

Oberflächengewässer: Fließgewässer im Bereich des Vorhabens ist die Lahn. Südlich der Insel Silberaue beste­hen Schleusengraben und Hafenanlagen. Entnahme von bis zu 30 m3/s (0,59 MQ) Wasser aus der Lahn. Wie­dereinleitung nach 140 m. Die Lahn ist in diesem Abschnitt eine Bundeswasserstraße und vollständig staugere­gelt. Gewässerstrukturgüte ist kartiert mit „7“ (vollständig verändert, HMWB). Bei der biozönotischen Region handelt es sich um eine Barbenregion.

Fischbestand: Die jüngsten Fischbestandserfassungen von 2013 [6] zeigen für die Qualitätskomponente Fische mit der Gesamtbewertung 2,46 ein sehr gefestigtes „mäßig“.

> 3,75: Sehr guter ökologischer Zustand;

> 2,50 – 3,75: Guter ökologischer Zustand;

> 2,00 – 2,50: Mäßiger ökologischer Zustand;

> 1,50 – 2,00: Unbefriedigender ökologischer Zustand;

≤ 1,50: Schlechter ökologischer Zustand

Die fischbasierte Bewertung erfolgte auf Grundlage der entsprechenden Referenzbiozönose unter Berücksichti­gung des Potentials der Lahn [6] durch das LUWG Rheinland-Pfalz.

Die prognostizierten Mortalitätsraten betreffen ausschließlich die stark durch Jäger (Prädatoren) gefährdeten Jungstadien, bei denen bis zur kritischen Länge eine natürliche Tötungsrate von über 90% vorliegt. Kleinfischar­ten bilden hier eine Ausnahme, diese wandern jedoch nur in sehr begrenztem Umfang und sind dadurch wenig gefährdet (vgl. [2]). Diadrome Arten wie Aal und Lachs erfahren bei dem Vorhaben einen nahezu vollständigen Schutz. Neben den Prädatoren ist die Entnahme durch die Sportfischerei zu berücksichtigen. Hier können je nach Art und Region 20 – 30 % des „operationalen“ Bestandes einer Art aus dem Gewässer entnommen wer­den.

Die Mortalitätsraten für abwärtswandernde Fische der Leitart Barbe mit M = 0,06 %, für den diadromen Aal mit M = 0,25 % und für den Lachssmolt M = 0,018 % ist dagegen als marginal zu bewerten und daher nicht geeig­

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net, die Gesamtbewertung der Gewässerkörpers Untere Lahn von dem sehr gefestigten „mäßig“ auf „unbefriedi­gend“ zu verändern. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich diese Zahl nur auf die abwandernden Fische be­zieht, während die konkurrierende Entnahme durch die Sportfischerei sich auf den gesamten „operationalen“ Bestand des Gewässers bezieht.

Die Länge des Wasserkörpers beträgt 53 km, die sich dadurch ergebende Gesamtfläche der Unteren Lahn be­trägt 3,1 Mio. m². Wasserkörper dieser Größe werden nur durch adulte Tiere und Lachssmolts durchwandert. Diese Gruppen erfahren einen nahezu vollständigen Schutz.

Die Bestandserfassung der Qualitätskomponenten Fische an der Unteren Lahn zwischen den bestehenden Kraftwerken Nassau und Dausenau erfolgte nach FiBS mit Note 2,46 (mäßig). Diese Anlagen bestehen ohne jeglichen Fischschutz. Sie besitzen die höchsten Mortalitätsraten aller Wasserkraftanlagen an der Unteren Lahn und ihre Mortalitätsraten liegen nach Art verschieden (Aal (TL = 60 cm) = 28,7% und Smolt (TL = 0,15 cm) = 8,7%), jedoch ungefähr um einen Faktor 50 im Falle des unrealistischen Pessimalszenarios und um einen Faktor 300 im Falle des Realszenarios über den prognostizierten Mortalitätsraten der Wasserkraftanlage Bad Ems. Trotz dieses Eingriffes besteht ein Fischbestand nahe dem Bewirtschaftungsziel der WRRL (Note 2,46, rechnerisch nahe an dem guten Potential). Demnach kann der Einfluss der Wasserkraftanlage Bad Ems auf die Fischfauna nur als unerheblich bewertet werden. Eine Abstufung ist damit vollkommen auszuschließen.

Es bestehen demnach sehr geringe Auswirkungen durch das Vorhaben, die durch die natürlichen Reprodukti­onsraten ohne weiteres ausgeglichen werden können. Das Vorhaben stellt einen sehr kleinen Eingriff in die Qualitätskomponente Fische dar, der mit den Vorgaben der WRRL verträglich ist.

Nach der Rechtsprechung des EuGH zum Verschlechterungsverbot liegt eine Verschlechterung im Sinne der WRRL nach Einordnung einer Qualitätskomponente oberhalb der niedrigsten Klasse - wie hier - nur vor, wenn ein Klassenabstieg von einer in die nächste Zustandsklasse erfolgt (Rechtssache C-461/13, Urteil vom 1. Juli 2015, Rn. 70). Eine erhebliche nachteilige Umweltauswirkung im Sinne des § 3c UVPG kann daher nur vorlie­gen, wenn mit einem Klassenabstieg eine Verschlechterung eintreten könnte. Dies ist für alle relevanten unter­suchten Qualitätskomponenten eindeutig auszuschließen. Der Eingriff ist selbst unter der Annahme des unrea­listischen Pessimalszenarios - wenn überhaupt vorhanden - als so geringfügig zu beurteilen, dass der Klassen­abstieg vom gesicherten "mäßig" in die nächste Kategorie "unbefriedigend" ausgeschlossen werden kann. Selbst nach Kriterien der Relevanz oder Erheblichkeit des Eingriffs liegt keine wesentliche Verschlechterung vor, weshalb die Maßnahme auch nach einem solchen Maßstab keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkun­gen haben kann.

Morphologie: Die untere Lahn ist morphologisch als stark verändertes Gewässer (HMWB) eingestuft. Für die Schifffahrt wird eine Fahrrinne von mind. 12 m Breite und 1,6 m Tiefe garantiert, was eine vollkommene Staure­gelung erzwingt. Frei fließende Bereiche mit Kiesbänken und Geschiebedynamik reduzieren sich auf die Auslei­tungsstrecken (Wehrarme) außerhalb des Schifffahrtsweges. Die Wiederinbetriebnahme des Turbinengrabens stellt eine Aufweitung des Abflussquerschnittes dar, die verstärkt Kiesakkumulation in der Ausleitungsstrecke för­dert. Die derzeit schon bei mittleren Abflüssen stark ausgeprägte hydraulische Beanspruchung der Ausleitungs­strecke wird dabei abgeschwächt, so dass Kiesakkumulation und damit Strukturbildung gefördert wird. Das Vor­

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haben setzt die Fließgeschwindigkeiten in den Randbereichen der Ausleitungsstrecke herab, so dass sich auch zeitweise Feinsedimente ablagern können. Sobald der Abfluss der Lahn den mittleren Abfluss übersteigt, wer­den diese jedoch zunehmend weitergetragen, da der Wehrüberfall über das Streichwehr und die hydraulische Beanspruchung zunimmt.

Dies stellt eine gegenüber dem derzeitigen Zustand verbesserte Dynamik und eine strukturelle Aufwertung der Ausleitungsstrecke dar. Zusammen mit der Sedimentabfuhr aus dem Rückstaubereich (vgl. auch Abs. 1.2) ist dies klar positiv zu bewerten. Negative Auswirkungen auf die Gewässermorphologie und Geschiebedynamik sind nicht zu befürchten.

Aufwärtsgerichtete Durchgängigkeit: Die aufwärtsgerichtete Durchgängigkeit der unteren Lahn ist durch elf Stau­anlagen unterbrochen. Die Staustufe Nievern ist als einzige gemäß gültigen Richtlinien als durchgängig anzuse­hen. Die Rauen Rampen in Bad Ems und Nievern können bei niedrigen Abflüssen als passierbar angesehen werden. Bei mittleren Abflüssen genügt die Rampe in Bad Ems jedoch heutigen Anforderungen an Fischauf­stiegsanlagen nicht mehr und hat außerdem ein erhebliches Problem mit Schwemmgutverlegung. Alle anderen Staustufen sind als als weitgehend unpassierbar anzusehen. Die Aufstiegsanlagen sind erheblich veraltet und teils schlecht auffindbar.

Die aufwärtsgerichtete Durchgängigkeit am Standort Bad Ems wird durch die zweite Fischaufstiegsanlage am linksseitigen Ufer verbessert. Die neue Fischaufstiegsanlage wird nach derzeit gültigen Standards errichtet. Gleichzeitig wird die Passierbarkeit der Rauen Rampe erheblich verbessert und deren Funktion über weite Teile des Jahres sichergestellt (vgl. Abs. 1.2). Insgesamt kann von einer Verbesserung der aufwärtsgerichteten Durchgängigkeit am Standort Bad Ems ausgegangen werden. Beidseitige Fischwanderung wird durch Auf­stiegsanlagen unterstützt. Die kräftezehrende Durchwanderung des ca. 100 m langen Tosbeckens am Wehrfuß mit vielen vergeblichen Aufstiegsversuchen über den Wehrrücken entfällt. Das Risiko dabei von Fischfressen­den Tieren erbeutet zu werden entfällt.

Abwärtsgerichtete Durchgängigkeit/Fische: Die abwärtsgerichtete Durchgängig ist durch elf Stauanlagen und neun Wasserkraftanlagen stark eingeschränkt. Fischschutz und insbesondere Fischabstieg an den Wasserkraft­anlagen entsprechen nicht derzeitigen Standards. Die Mortalitätsraten der Bestandsanlagen liegen für abwan­dernde Blankaale der Größe 60 cm zwischen 25 und 30 % (Dausenau 28,7 % nach Dumont mit Modell Ebel 2008 vgl. [23]). Es besteht erheblicher Modernisierungsbedarf an diesen Anlagen. Die Bestandsbewertung mit drei Probennahmen in 2013 weist den derzeitigen Fischbestand der Unteren Lahn als ein „sehr gefestigtes mä­ßig“ zu (Note 2,46 vgl. Abs. 2.2).

Das Vorhaben sieht in Bad Ems einen erhöhten Fischschutz und modernen Fischabstieg vor, was die geringen prognostizierten Mortalitätsraten bestätigen (0,25% für Aale und 0,06% für die Leitart Barbe, vgl. Abs. 1.2 u. 2.2, Fische). Einen erheblichen Einfluss auf den Fischbestand und insbesondere auf die Zustandsklasse durch das Vorhaben ist mit Sicherheit auszuschließen (s.o.).

Durch den Pilotcharakter des Vorhabens wird für die Untere Lahn ein technisch realisierbarer Standard erstmals etabliert und seine Machbarkeit im Hinblick auf den Fischschutz mit engen Rechenstabweiten bei gleichzeitig hohem Durchfluss unter den Bedingungen des Gewässerkörpers unter Beweis gestellt. Erstmals wird an der

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Unteren Lahn das Konzept von zwei Fischaufstiegen am Wehr und am Krafthaus vorgeschlagen. Dieses ver­meidet Sackgasseneffekte und würde bei Anwendung an den Bestandsanlagen die Durchgängigkeit erheblich verbessern. Mit diesem Vorbild würden wertvolle Erfahrungen im Hinblick auf Modernisierungen beim Fisch­schutz, Fischabstieg und Fischaufstieg gemacht, welche derzeitige regionale Standards maßgeblich beeinflus­sen könnten. Würden nur wenige der Bestandsanlagen mit ähnlichen Konzepten versehen, so wäre eine erheb­liche Verbesserung des Zustandes des Gewässerkörpers Untere Lahn erreicht.

Chemische oder physikalisch-chemische Auswirkungen:

Messungen der Messstellen Lahnstein und Kalkofen von 2012 – 2014 zeigen, dass die gültigen Richt- und Grenzwerte für Salmonidengewässer gemäß EU-Fischgewässerrichtlinie für gelösten Sauerstoff, Sauerstoffsät­tigung zu jedem Zeitpunkt eingehalten worden sind. Die Eigenschaften bzgl. Anreicherung und Entgasung der geplanten Wasserkraftanlage sind vergleichbar mit denen des Wehrüberfalles. Nachteilige Veränderungen die­ser Gewässereigenschaften durch das Vorhaben sind auszuschließen.

Klima: Die Talbereiche der Lahn stellen aus klimatischer Sicht inversionsgefährdete Stagnationsgebiete dar. Die umliegenden Waldflächen übernehmen hier Luftfilterungsfunktionen. Bioklimatisch handelt es sich um klimatisch begünstigte Flächen.

Aufgrund des Vorhabens mit seiner sehr geringen Bauhöhe ergeben sich keine zu erwartenden Auswirkungen.

Arten und Biotope: Der Turbinengraben ist ein technisch ausgebauter Graben, der derzeit nur im Oberwasser angebunden ist und daher Stillgewässercharakter aufweist. Das Biotop erfährt eine Umwandlung vom Stillge­wässer zum Fließgewässer. Der Verlust an Stillgewässerbiotop wird durch Schaffung von Flachwasser- und Un­terwasserzonen ausgeglichen (vgl.[4,5]). Diesbezüglich sind keine Auswirkungen zu befürchten.

Die Turbinen der Wasserkraftanlage stellen aufgrund des erhöhten Fischschutzes keine Bedrohung für Bestän­de oder gar Arten dar (vgl. Abs. 1.2 und 3.1).

Die Verbesserung der Durchgängigkeit und insbesondere der Pilotcharakter des Vorhabens kann eine Schlüs­selfunktion für erhebliche Verbesserungen an der Unteren Lahn haben. Die Verbesserung der Durchgängigkeit am Wehr Bad Ems und der beispielhafte Fischschutz ist eine Voraussetzung für das Erreichen von oberhalb der Stauanlage liegenden Laichgebieten und Durchgängigkeit im allgemeinen. Würden nur einige der umliegenden Wasserkraftanlagen Modernisierungen mit ähnlichen Standards erfahren, so wäre eine erhebliche Verbesse­rung für Fischarten an der Unteren Lahn erreicht. Vgl. auch Durchgängigkeit und Morphologie.

Auswirkungen auf gewässerbezogene Biotope und Arten sind tendenziell positiv zu bewerten.

Natur und Landschaft

Im Norden zur Lahn hin ist eine kleine naturnahe Aue vorhanden. Diese wird z.Z erheblich durch schaulustige

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Spaziergänger belastet. Am Turbinengraben und im Böschungsbereich zur Grünanlage befinden sich Gehölze aus einheimischen Baumarten (rund 50 kleinere Bäume und Gehölze). Entlang der Nordseite des Turbinengra­bens liegt ein Damm mit einem gepflasterten Weg auf der Dammkrone. Im Westen Anschluss eines asphaltier­ten Zufahrtsbereichs an die B 261 zum ehemaligen Pförtnerhaus / Skateranlage / altes Brückenlager. Im Süden schließt eine Grünanlage mit einer Rasenfläche, Gehölzgruppen und teilweise unbefestigten Wegen an, die zum Turbinengraben und zur Lahnaue führen.

Empfindlichkeiten sind erkannt worden, Gehölzverlust wird durch Anpflanzungen ausgeglichen. Verluste an Au­enbereichen werden durch Strukturmaßnahmen und Beruhigung der Auenflächen sowie Maßnahmen, die zur Verbesserung der Gewässerzönose führen, ausgeglichen. Erhaltung des Landschaftsbildes wird durch niedrige Bauweise (tiefer als Pförtnerhaus) und Anpflanzungen sichergestellt.

Die Verträglichkeit wird durch technische und landschaftspflegerische Ausführungsbestimmungen und Aus­gleichsmaßnahmen gesichert. Zum Artenschutz werden Vorkehrungen getroffen, die die Vermeidung von Ver­botsbeständen sicherstellen und den kontinuierlichen Erhalt ökologischer Funktionalität sichern.Insgesamt werden Funktionen und Schutzwerte über die Bauphase hinweg und im Betrieb durch Schutz- und Ausführungsbestimmungen im Genehmigungsbescheid und dem Fachbeitrag Naturschutz sichergestellt.

Keine diesbezüglichen Auswirkungen zu erwarten, welche nicht ausgeglichen werden können.

2.3 Belastbarkeit der Schutzgüter unter besonderer Berücksichtigung folgender Gebiete und von Art und Umfang des ihnen jeweils zugewiese­nen Schutzes (Schutzkriterien):

2.3.1 Natura 2000-Gebiet nach § 7 Ab­satz 1 Nr. 8 des Bundesnaturschutz­gesetzes (BNatSchG),

Nicht zutreffend. Der Standort liegt nicht im Natura 2000 bzw. FFH-Gebiet. Dennoch ist die Durchwanderbar­keit der Staustufe für diadrome Arten Voraussetzung für das Auffinden der FFH-Gebiete (Laich und Aufwuchs­habitate) der oberen Lahn. Mit dem Vorhaben wird erstmals die Durchgängigkeit an der Staustufe Bad Ems gemäß den Vorgaben des DWA Merkblattes M-509 [8] hergestellt und derzeit gültige Kriterien für Fischwege zugrunde gelegt. Zusätzlich wird die Funktionsfähigkeit der Rampe erheblich verbessert. Der durchaus nicht gefahrlose Fischabstieg über das Wehr wird für einen Teil der abwandernden Fische durch die Abwanderung durch den Turbinengraben mit anschließendem Fischschutz und Fischabstieg nach Gluch ersetzt. Die sehr ge­ringen prognostizierten Mortalitätsraten schließen einen Eingriff in den Fischbestand auch für diadrome Arten sicher aus. Das Vorhaben hat auf die Durchwanderbarkeit der Anlagenkette von Marburg bis Lahnstein mit den unter 1.2 aufgeführten Mortalitätsraten nur marginalen Einfluss. Eine Abstufung der Qualitätskomponente Fische für den Wasserkörper Untere Lahn von der Gesamtbewertung 2,46 (sehr gefestigtes „mäßig“ rechne­risch nahe an „gut“ [>=2,50]) in die nächst tiefer Stufe „unbefriedigend“ (<=2,00) ist sicher auszuschließen. Der Lachssmolt sowie der Aal erfahren einen nahezu vollständigen Schutz. Zusätzlich sichern Nebenbestimmun­gen (Funktionskontrollen) die Einhaltung der Funktionskriterien des Fischschutzes und der Fischwege.

2.3.2

Naturschutzgebiete nach § 23 BNatSchG, soweit nicht bereits von Ziffer 2.3.1 erfasst,

nicht vorhanden

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2.3.3 Nationalparks nach § 24 BNatSchG, soweit nicht bereits von Ziffer 2.3.1 erfasst,

nicht vorhanden

2.3.4 Biosphärenreservate und Land­schaftsschutzgebiete nach den §§ 25 und 26 des BNatSchG,

Die Stadt Bad Ems liegt vollständig im Naturpark Nassau. Damit verbundene Auflagen werden erfüllt. (Siehe Antragsunterlagen)

2.3.5 Naturdenkmäler nach § 28 des BNatSchG,

nicht vorhanden

2.3.6 geschützte Landschaftsbestandteile, einschließlich Alleen, nach § 29 des BNatSchG

nicht vorhanden

2.3.7 gesetzlich geschützte Biotope ge­mäß § 30 des BNatSchG,

nicht vorhanden

2.3.8 Wasserschutzgebiete nach § 51 WHG, Heilquellenschutzgebiete nach § 53 Abs. 4 WHG, Risikogebiete nach § 73 Abs. 1 WHG sowie Über­schwemmungsgebiete nach § 76 WHG,

Trinkwasserschutzgebiet: nicht vorhanden

Heilquellenschutzgebiete: Vorhaben liegt im quantitativen Heilquellenschutzgebiet. Damit verbundenen Auf­lagen werden erfüllt (siehe Antragsunterlagen [3]). Es bestehen keine Bedenken.

Überschwemmungsgebiete: Plangebiet im gesetzlich bestehenden Überschwemmungsgebiet nach § 88 Abs.1.

Maßnahmen zum Hochwasserschutz sind in den Planunterlagen dargestellt und werden eingehalten.

2.3.9 Gebiete, in denen die in den Gemein­schaftsvorschriften festgelegten Um­weltqualitätsnormen bereits über­schritten sind,

trifft nicht zu

2.3.10 Gebiete mit hoher Bevölkerungsdich­te, insbesondere zentrale Orte im Sin­ne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Raumord­nungsgesetzes,

trifft nicht zu

2.3.11 in amtlichen Listen oder Karten ver­zeichnete Denkmale, Denkmalensem­bles, Bodendenkmale oder Gebiete, die von der durch die Länder be­stimmten Denkmalschutzbehörde als

nicht vorhanden

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archäologisch bedeutende Landschaf­ten eingestuft worden sind.

3. Merkmale der möglichen Auswirkungen

Die möglichen erheblichen Auswirkungen eines Vorhabens sind anhand der unter den Nummern 1 und 2 aufgeführten Kriterien zu beurteilen; insbe­sondere ist folgendem Rechnung zu tragen:

3.1 dem Ausmaß der Auswirkungen (geo­graphisches Gebiet und betroffene Bevölkerung),

Hochwasserabfluss: Hochwasserauswirkungen durch das Projekt sind hinreichend geprüft worden und die Pla­nungen diesbezüglich mit verbessertem Abfluss gegenüber der Bestandssituation ausgelegt worden. Hochwas­serauswirkungen während der Bauphase werden durch angepasste Baudurchführung vermieden. Gefahr durch Hochwasserabfluss kann generell ausgeschlossen werden (vgl. [3]).

Auswirkungen auf berechtigte Nutzungsansprüche von Ober- oder Unterliegern entstehen nach planerischer Prüfung nicht.

Bedingt durch den geringen Umfang des Eingriffes sind keine negativen Auswirkungen zu befürchten.

3.2 dem etwaigen grenzüberschreitenden Charakter der Auswirkungen,

nicht grenzüberschreitend

3.3 der Schwere und der Komplexität der Auswirkungen,

Erholung und Landschaftsbild: Reduzierung der Erholungsfläche um 600 m² durch die Erweiterung des Turbi­nengrabens in südlicher Richtung. Wird durch Ausgleichsmaßnahmen kompensiert. Skateranlage bleibt in vol­lem Umfang bestehen. Geringe Auswirkungen

Boden: Geringer Verlust von Boden durch die Grabenerweiterung in südlicher Richtung, geringe Versiegelung im Bereich des Kraftwerkneubaus. Eingriffsminderung durch die Nutzung vorhandener versiegelter Bereiche und bestehender technisch ausgebauter Grabenstrukturen. Geringe Auswirkungen durch das Vorhaben.

Die Insel Silberau ist zu Teilen mit Rückständen aus der Erzaufbereitung aufgefüllt worden (kartierte Altlast). Auf der Kalkspitze, dem vorderen Teil der Insel Silberau, dem ehemaligen Flurstück 33, sind jedoch bisher keine Alt­lasten kartiert und ein evtl. Schadstoffinventar und Ausdehnung demnach bisher unbekannt ist. Gutachterliche Begleitung des Vorhabens im Hinblick auf Altlasten wird durchgeführt.

Bei korrekter Bauausführung sind keine Auswirkungen auf Schutzgüter durch das Vorhaben zu befürchten.

Natur und Landschaft: Gehölzbestand wird nicht forstwirtschaftlich genutzt. Zu fällende Bäume werden mit au­en- und standortgerechten Arten wieder angepflanzt/ersetzt.

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Wasser: (Die Prüfungsergebnisse entlang der Kriterien aus Abs. 1.2 und Abs. 2.2 seien hier nochmals aufge­führt und im Sinne der Merkmale möglicher Auswirkungen geprüft.)

Entnahme von Wasser bis zu 30 m³/s zum Betrieb der Wasserkraftanlage zzgl. den Mengen für den Betrieb des Fischauf- und Fischabstiegs. Vollständige Wiedereinleitung nach ca. 140 m.

Während der Bauphase zeitlich begrenzter Eingriff in das Gewässer durch Schutzdamm der Baugrube und Wasserhaltung. Geringe störende und zeitlich begrenzte Einflüsse während der Bauphase. Genehmigungsauf­lagen und Ausführungsbestimmungen in diesem Bereich sichern die Begrenztheit und Verträglichkeit der Ein­griffe.

Gewässerflora: Während des Baus geringfügige Auswirkungen auf Gewässerflora möglich. Eingriffe jedoch auf­grund der begrenzten Fläche des Eingriffs vernachlässigbar.

Gewässerfauna: Turbinen können Fische schädigen oder sogar töten. Maßnahmen zum erhöhten Fischschutz werden ergriffen (Fisch- und Treibgutableiter nach Gluch/Ebel mit zugehörigem Fischabstiegssystem). Bewähr­tes und auf dem neusten Stand der Forschung befindliches System (Stababstand 12 mm, Anströmwinkel 45°, Normalgeschwindigkeit 0,335 m/s) sichert Fischarten und -bestände. Die Planung geht erheblich über die ge­setzlichen Regelungen und die übliche Praxis bei Fischschutzsystemen an Wasserkraftanlagen hinaus. Das Fischschutzsystem ist damit als erhöhter Fischschutz anzusehen.

Unter Berücksichtigung dieser planerischen Konzeption des Fischschutzes und Fischabstieges zusammen mit den Turbinendaten sind die Mortalitätsraten der Wasserkraftanlage für abwärtswandernde Fische nach Fischar­ten prognostiziert worden (vgl. [2]). Hintergrund sind wissenschaftlich anerkannte und hochsignifikante Progno­semodelle (vgl. [2, 21]), die unter verschiedenen Szenarien unter Berücksichtigung der hydrologischen, hydrauli­schen, sowie relevanten geometrischen Daten des Standortes und der Anlagenkonzeption angewendet wurden. So ergibt sich für die Leitart Barbe für das realistische Szenario eine Mortalitätsrate von M = 0,06 % (unrealisti­sches Pessimalszenario ergab M = 0,56 %), für den diadromen Aal M = 0,25 % (unrealistisches Pessimalszena­rio ergab M = 0,67 %) und für den Lachssmolt M = 0,018 % (unrealistisches Pessimalszenario ergab M = 0,226 %) der abwärts wandernden Fische.

Die Bewertung für die Qualitätskomponente Fische mit Note 2,46 („mäßig“ vgl. [6]) besteht trotz der bestehen­den erheblichen Eingriffe in den Fischbestand. Hierzu zählt der Eingriff durch Wasserkraftanlagen ohne zeitge­mäße Schutzvorrichtungen (Mortalitätsrate Dausenau, ca. 20 – 30% der abwandernden Blankaale). Gleichsam stellt die Entnahme durch Sportfischerei einen Eingriff dar. Insbesondere in den wertvollen Aufwuchshabitaten der Zuflüsse Gelbach, Mühlbach, Emsbach und anderen Seitenbächen werden 20 – 30 % der adulten Fische unterschiedlich nach Art entnommen. Ein weiterer Eingriff erfolgt durch zunehmende fischfressende Tiere wie Kormoran und Reiher (weitere 20 – 30 % kann geschätzt werden). Das Bewertungsergebnis mit Note 2,64 zeigt, das ein geringfügigen verbesserungswürdiger Zustand gemäß WRRL besteht (ein gutes Potential für HMWB Wasserkörper ist zu erreichen). Trotz dieser massiven Eingriffe besteht eine mäßige Bestandssituation rechne­risch nahe am Bewirtschaftungsziel (Note 2,5). Die im Promille-Bereich liegenden Mortalitätsraten des Vorha­bens sind schon demnach kaum geeignet, die Gesamtbewertung der Gewässerkörpers Untere Lahn maßgeb­lich zu beeinflussen.

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Um das sehr gefestigte „mäßig“ (Note 2,46, rechnerisch nahe an „gut“ mit Note 2,50) auf „unbefriedigend“ (Note <= 2,00) zu verändern (Abwertung um eine ganze Note von 2,64 auf z. B. 1,95) und damit eine Verschlechte­rung für die Qualitätskomponente Fische im Sinne der WRRL herbeizuführen, müsste rechnerisch nach FiBS [6] der Bestand von mehreren Leitarten im gesamten Wasserkörpers deutlich reduziert werden. Dies ist aufgrund der im Promille-Bereich liegenden Schädigungsraten der Wasserkraftanlage Bad Ems nicht möglich. Ebenfalls ist durch die enorme Ausdehnung des Wasserkörpers von 53 km (Gesamtfläche ca. 3,1 Mio. m²) ist eine derarti­ger Veränderung durch das Vorhaben mit den prognostizierten Mortalitätsraten vollkommen auszuschließen. Adulte potamodrome Tiere, die zu einer Mitteldistanzwanderung durch den Wasserkörper imstande sind und als laichreife Tiere zur Reproduktion flussaufwärts wandern und damit die Komponente Fische ihrer Art im gesam­ten Wasserkörper beeinflussen könnten, erfahren durch die Fischschutz und Abstiegseinrichtungen des Vorha­bens einen nahezu vollständigen Schutz. Gleiches gilt für den katadromen Aal und die anadromen Arten wie Lachssmolt und Meerforelle (bei diesen Überlegungen sei selbstverständlich ein intaktes Gewässerkontinuum vorausgesetzt).

Benthische wirbellose Fauna: Benthische wirbellose Fauna kann die Kraftanlage passieren und dabei geschä­digt werden. Schädigungen Wirbelloser in Wasserkraftanlagen sind bisher in der Literatur kaum untersucht wor­den. Bei den vorliegenden geringen Fallhöhen sind sie jedoch vermutlich marginal und stellen keinen Eingriff für die in Nahrungskette dahinterliegenden Prädatoren dar. Zudem stellt der Wehrüberfall einen ähnlichen Eingriff dar. Die natürliche Reproduktion gleicht diesen Eingriffe aufgrund der überaus hohen Reproduktionsraten zu­dem leicht aus. Die Gesamtbewertung für den Wasserkörper Untere Lahn für Makrozoobenthos ist mit schlecht benotet worden. Die Gründe hierfür liegen in den kommunalen Einleitungen und in den gewässerstrukturellen Gegebenheiten (HMWB). Der Betrieb der Wasserkraftanlagen hat daran keinen Anteil.

Der Fischaufstieg ist aufgrund seiner natürlichen Sohlstruktur und der sohlnahen Anbindungen auch für benthi­sche wirbellose Fauna passierbar. Die Durchgängigkeit für diese Fauna wird verbessert.

Das Vorhaben wirkt sich neutral auf diese Qualitätskomponente aus, von einer Verschlechterung im Sinne der WRRL kann nicht ausgegangen werden.

Wasserhaushalt: Abfluss und Abflussdynamik wird im Betrieb und im Hochwasserfall für den Rückstaubereich verbessert. Grundwasser wird nicht tangiert, da das Stauziel nicht verändert wird.

Morphologie: Geschiebetransport durch die Stauanlage wird durch den Betrieb der Anlage und bei Hochwasser durch den breiten Leerschuss der Anlage verbessert. Unerwünschte Sedimentablagerungen im Oberwasser werden durch das Vorhaben besser abgeführt.

Die Wiederinbetriebnahme des Turbinengrabens stellt eine Aufweitung des Abflussquerschnittes durch das Vor­haben dar, welche die Kiesakkumulation bei bettbildenden Abflüssen in der Ausleitungsstrecke fördert. Bei Ab­flüssen unterhalb der Ausbauwassermenge 30 m³/s. Das Vorhaben setzt die Fließgeschwindigkeiten in den Randbereichen der Ausleitungsstrecke herab, so dass sich auch zeitweise Feinsedimente ablagern können. Dies gilt insbesondere für den linksseitigen schmalen Auenstreifen, der damit als Stillwasserbereich eine Auf­wertung erfährt. Sobald der Abfluss der Lahn den mittleren Abfluss übersteigt, werden diese Ablagerungen je­doch zunehmend weitergetragen, da der Wehrüberfall über das Streichwehr und die hydraulische Beanspru­chung wieder stark zunimmt.

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Die erhöhte Kiesakkumulation in der Ausleitungsstrecke zusammen mit der Sedimentabfuhr aus dem Rückstau­bereich (vgl. auch Abs. 1.2) sind positiv zu bewerten. Negative Auswirkungen auf die Gewässermorphologie und Geschiebedynamik sind kaum zu befürchten. Insgesamt wird der bestehende morphologische Eingriff durch die Staustufe Bad Ems abgeschwächt.

Aufwärtsgerichtete Durchgängigkeit: Die aufwärtsgerichtete Durchgängigkeit wird durch die zweite Fischauf­stiegsanlage und die verbesserte Funktion der Rauen Rampe insgesamt positiv beeinflusst. Die Verbesserung des Gewässerkontinuums/Durchgängigkeit wirkt sich positiv auf Arten und Bestände aus, da oberhalb der Stau­stufe gelegene Laichplätze und Nahrungshabitate von den unterhalb der Staustufe lebenden Arten erreicht wer­den können. Der bestehende morphologische Eingriff durch die Staustufe Bad Ems wird abgeschwächt.

Abwärtsgerichtete Durchgängigkeit / Fische: Die abwärtsgerichtete Durchgängigkeit wird durch erhöhten Fisch­schutz und ein gefahrloses Abstiegssystem nach Gluch/Ebel sichergestellt. Diese hier aufgeführte Technik ist wegweisend für die Region und den Wasserkörper Untere Lahn und kann mit ihrem Pilotcharakter erheblich po­sitiven Einfluss auf zukünftige Modernisierungen der umliegenden Bestandsanlagen haben. Der Eingriff durch das Vorhaben in die Qualitätskomponente Fische ist sicher prognostizierbar. Die Mortalitätsraten für abwärts­wandernde Fische der Leitart Barbe mit M = 0,06 %, für den diadromen Aal mit M = 0,25 % und für den Lachss­molt mit M = 0,018 % sind gegenüber den konkurrierenden Einflüssen marginal und nicht geeignet, die Gesamt­bewertung der Wasserkörpers Untere Lahn von dem sehr gefestigten „mäßig“ (Note 2,46, rechnerisch nahe an „gut“ mit Note 2,50) maßgeblich nachteilig bzw. gar auf die Note „unbefriedigend“ zu verändern.

Der Eingriff in die Qualitätskomponente Fische kann als marginal betrachtet werden. Auswirkungen auf den Fischbestand durch den Betrieb der Anlage sind auszuschließen.

Chemische oder physikalisch-chemische Auswirkungen: Das Vorhaben hat keinerlei relevante chemische oder physikalisch-chemischen Auswirkungen auf das Gewässer. Dies gilt insbesondere für Größen wie den Sauer­stoffgehalt, Sauerstoffsättigung und auch den pH-Wert. Sedimenttransport und Verbesserung der Morphologi­schen Strukturen haben sogar geringfügig positive Auswirkungen und können die Methanproduktion in den Rückstaubereichen marginal verringern.

Aufgrund der Bautätigkeiten können Belastungen physikalisch-chemischer Art hervorgerufen werden (Belastung von Baustoffen, Treibstoffen, Altlasten, Boden u.v.m.). Insgesamt wird der Gewässerschutz durch Schutz- und Ausführungsbestimmungen (Nebenbestimmungen) im Genehmigungsbescheid und eine dementsprechende Bauausführung sichergestellt.

Das Vorhaben hat somit nur vernachlässigbare chemische oder physikalisch-chemischen Auswirkungen.

Arten und Biotope: Der Turbinengraben ist ein technisch ausgebauter Graben, der derzeit nur im Oberwasser angebunden ist und daher Stillgewässercharakter aufweist. Das Biotop erfährt Umwandlung vom Stillgewässer zum Fließgewässer. Der Verlust an Stillgewässerbiotop wird durch Schaffung von Flachwasser- und Unterwas­serzonen ausgeglichen (vgl. [4,5]). Diesbezüglich sind keine Auswirkungen zu befürchten.

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Vgl. auch Gewässerfauna, Abwärtsgerichtete Durchgängigkeit / Fische

3.4 der Wahrscheinlichkeit von Auswir­kungen

Die bau- und anlagebedingten Auswirkungen bleiben wegen der technischen Schutzvorrichtungen zum Fisch­schutz und Fischabstieg sowie Ausführungsbestimmungen auf ein sehr geringes Niveau begrenzt. Die prognos­tizierte Mortalitätsraten liegen im Promille-Bereich. Die Wahrscheinlichkeit von Auswirkungen auf Schutzgüter ist dadurch stark herabgesetzt und letztlich sehr gering.

3.5 der Dauer, Häufigkeit und Reversibili­tät der Auswirkungen

Die Bauphase ist binnen Jahresfrist abzuschließen, Hochwasserauswirkungen während der Bauphase werden durch angepasste Baudurchführung vermieden. Durch vorgezogene Maßnahmen und Ausgleichsmaßnahmen wird Kontinuität in Erhaltung der Lebensräume an Land während der Bauphase und nach Fertigstellung gesi­chert. Reversibilität ist gegeben. Die Auswirkungen auf die Fische im Betrieb ist dauerhaft, jedoch sind diese Auswirkungen sehr gering.

Auswirkungen auf berechtigte Nutzungsansprüche von Ober- oder Unterliegern entstehen nach planerischer Prüfung nicht.

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3. Zusammenfassende Bewertung

Auswirkungen bzw. erhebliche Auswirkungen ergeben sich weder für das Schutzgut Mensch

(hinsichtlich Beeinträchtigung von Siedlungsflächen, Verkehr, Land-, Forst und Fischwirtschaft)

noch für die Schutzgüter Tiere, Pflanzen, Biologische Vielfalt (jeweils terrestrisch) sowie Boden,

Wasser, Luft, Klima und Landschaft (Landschaftsbild). Ebenso sind keine negativen Auswirkun­

gen für Kulturgüter und sonstige Sachgüter zu befürchten.

Geringe Auswirkungen können aufgrund der Baumaßnahme im Gewässer auftreten. Dies be­

trifft Oberflächengewässer, Gewässerflora, Gewässerfauna, Arten und Biotope und Boden. Ge­

eignete technische Ausführungsbestimmungen werden befolgt, sowie Vermeidungs- und Ver­

minderungsmaßnahmen vorgesehen, um diese Auswirkungen zu minimieren bzw. zu vermei­

den.

Im Betrieb ergibt sich ein sehr geringer Eingriff in das Schutzgut Gewässerfauna (Qualitätskom­

ponente Fische). Dieser Eingriff ist aufgrund der erhöhten Schutzmaßnahmen jedoch sehr ge­

ring und liegt innerhalb der natürlichen Regenerationsfähigkeit der Arten. Geringfügig positive

Auswirkungen ergeben sich für Gewässermorphologie und die aufwärtsgerichtete Durchgängig­

keit.

Durch den Bau der zweiten Fischaufstiegsanlage und der Verbesserung der Funktionstüchtig­

keit der Rauen Rampe wird die Durchgängigkeit der Staustufe insgesamt verbessert und die

bereits vorhandenen Eingriffe des Wehres weiter minimiert. Die geplante Reaktivierung des

Wasserkraftpotentials trägt in positiver Weise zur Abfallvermeidung, Ressourceneinsparung und

zum Klimaschutz bei und leistet einen Beitrag zur regenerativen, stetigen Stromerzeugung (be­

zogen auf die Stadt Bad Ems mit Verbandsgemeinde gilt dies für ca. 1/3 der Privathaushalte).

Gutachterliche Einschätzung / Fazit:Die Bewertung nach UVPG vom 24. Februar 2010 und § 19 BNatSchG vom 01.03.2010 hat er­

geben, dass aus gutachterlicher Sicht aufgrund der Ausführungsregelungen keine erheblichen

nachteiligen Auswirkungen für die in UVPG §2 Abs. 1 genannten Schutzgüter zu erwarten sind.

Die Durchführung eines UVP-Verfahrens ist daher nicht erforderlich.

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