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VATIKANISTAN

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Alexander Smoltczyk, Jahrgang 1958, hat fürdie taz, Geo, mare und andere Magazine geschrieben. Für seine Reportagen erhielt erzahlreiche Auszeichnungen, darunter den»Egon-Erwin-Kisch-Preis« und zuletzt 2007

den »Henri-Nannen-Preis« für eine Repor-tage über die Regensburger Vorlesung vonBenedikt XVI. Er ist Rom-Korrespondent

für den Spiegel und lebt mit seiner Familie in unmittelbarer Nach-barschaft zum Vatikan. Seit April 2007 erscheint von Smoltczykwöchentlich Deutschlands erstes Vatikan-Blog »Uups! - et orbi«auf Spiegel online.

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Alexander Smoltczyk

VATIKANISTAN

Eine Entdeckungsreise durch den kleinsten

Staat der Welt

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Redaktion: Johann Lankes

Copyright © 2008 by Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbH

www.heyne.dePrinted in Germany 2008

Umschlagillustration und -gestaltung: Hauptmann und Kompanie Werbeagentur, München – Zürich

Kartographie (Vor- und Nachsatz): © Henning Marchfeld, www.das-byro.deSatz: Matthias Reinhard Grafik-Design, Nürnberg

Druck und Bindung: Kösel, Altusried-Krugzell

ISBN: 978-3-453-15434-6

Die aus der Bibel zitierten Passagen stammen aus

der Bibel-Einheitsübersetzung.

Die auf S. 139 zitierten Passagen stammen aus: Dan Brown, Illuminati.

Aus dem Englischen von Axel Merz.

Copyright © 2003 Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach

Umwelthinweis:

Dieses Buch wurde auf chlor- und säurefreiem Papier gedruckt.

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Inhalt

0. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

i. Wie hineinkommen? Die vatikanische Mauer und ihre Lücken . . . . . . . . . . 15

ii. Ist hier jemand? Land und Leute hinter der Mauer . . . . . . . . . . . . . . . . 39

iii. Wie Kontakt aufnehmen? Hilfreiche Nummern im Gottesstaat . . . . . . . . . . . . . 69

iv. Tabus, Fettnäpfchen und wie man sie sicher ansteuert: Kleine Sittenlehre der Kurie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

v. Topografie der Civitas Dei: ein Benedikt-Baedeker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

vi. Being Benedikt – Unser Privatleben als Papst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

vii. Kleine Ikonografie des Benedikt-Styles: Wieso trägt der das? Der päpstliche Kleiderschrank undseine Wandlungen zwischen Ritus und bellezza . . . . . 171

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viii. Habemus Mamam: Das ganz andere Geschlecht im Vatikan . . . . . . . . . . 189

ix. Deus caritas est: Sex und Eros hinter den Mauern . . . . . . . . . . . . . . . . 197

x. Der innerste Zirkel: Wer ist in, und wer ist out? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

xi. Was tun, wenn der Teufel kommt? Weshalb auch ein Kirchenstaat ohne Exorzisten nicht auskommt, und wohin man sich in hart-näckigen Fällen wenden kann . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

xii. Himmelsfahrten mit Benedikt: Wie komme ich auf den Papst-Flieger, und was soll ich dort? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247

xiii. »Pompöse Demut« – das Innenleben von St. Peter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

xiv. Klerikale Kulinarik: Wer isst wo, warum und was? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

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xv. Passt hier jemand auf? Der kalte Krieg zwischen Schweizern und Gendarmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

xvi. Wer den Peterspfennig nicht ehrt. Die Finanzen des Vatikans oder: Weshalb die Vertreibung aus dem Steuerparadies nie stattgefunden hat . . . . . . . . . . . . . 293

xvii. Castel Gandolfos Geheimnisse: Vom Fleckvieh bis zu den versteckten Flüchtlingen . . 303

xviii.Die Hand Gottes: Fußball-Liga Vatikan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309

xix. Die Außenposten: Vom Heiligen-TÜV bis zum Reliquienhandel en gros . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

Serviceanhang: Pilgerherbergen in Vatikannähe . . . . . . . . . 343

Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349

Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351

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0.

Einleitung

E in Pilgerbrevier über den Vatikan zu schreiben, ist ein ketzerisches Unterfangen. Schließlich geht einen der

Kirchenstaat nichts an. Wir müssen leider draußen bleiben, wirNichtgeistlichen. Auch fremdenverkehrstechnisch ist solch einBrevier eine heikle Unternehmung. Wer würde sich ernsthaft für ein Land interessieren, in dem die Kriminalitätsrate pro Kopfhöher ist als in São Paulo, wo mehr Singles wohnen als in Man-hattan und gleichzeitig ständig über Familienwerte geredet wird?Es gibt kein Kino, kein Restaurant und nur ein Fernsehpro-gramm. Auch die Kleidermode wechselt nur alle zwei-, dreihun-dert Jahre. Sämtliche Kater sind kastriert, und ihre menschlichenGeschlechtsgenossen haben Keuschheit gelobt. Der Fun-Faktorliegt unterhalb der Nachweisbarkeitsgrenze. Eigentlich funktio-niert nur die Post besser als in den Nachbarstaaten.

Das Nationalstä(d)tchen Vatikan ist kleiner als die US-Botschaftin Bagdad, aber immerhin größer als das Berliner Kanzleramt.Und es ist mit Sicherheit der wichtigste Tuffsteinhügel der Welt.Auf rätselhafte Weise wird von hier aus auf eine gute MilliardeMenschen Einfluss genommen, in allen Winkeln des Planeten.

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Der Vatikan ist auch der einzige Staat, der komplett als Welt-kulturerbe eingetragen ist. Der einzige, dessen CO2-Bilanz aus-geglichen ist, und das, obwohl der Papst das Kyoto-Protokoll nieunterschrieben hat. Ein erstaunlicher Staat, und auf jeden Fallgehört er zu jenen »Mirabilia Romae«, jenen Wundern Roms, zudenen sich schon Martin Luther einst zu Fuß aufgemacht hat.Wie lang man sich auch mit ihm beschäftigt, er wird immerfremd bleiben, staunenswert, abstrus und doch einer inneren, un-durchschaubaren Logik gehorchend. Mehr Vatikanistan eben alsVatikan.

Das Land ist leicht zu finden, und nicht nur mit der Seele. Esliegt hinter der einzigen Mauer Roms, auf die kein Graffiti ge-sprüht ist. Da findet sich kein »Juve Merda«, kein Liebesschwur,Hakenkreuz oder Fußballergebnis angepinselt. Keine Plakate,keine Werbung, keine Verbotsschilder, noch nicht mal kirchen-kritische Einwände wie »Gott ist tot!« o. Ä. sind zu entdecken.Nichts. Und das, obwohl hier keine Wachen stehen. Wenig inRom wird respektiert, diese Mauer schon. Als sei sie den Römernunheimlich. Als könne man nicht wissen, ob nicht doch eine unsichtbare Kraft aufpasst. Immerhin ist »allwissend, allsehend,allmächtig« ein ziemlich starker Eintrag im Curriculum Vitae.

Doch was passiert hinter dieser Mauer? Und wer entscheidet,was der Papst morgens anzieht? Wieso gibt es dort ein Standes-amt, und was machen all die Leute, die frühmorgens mit demHenkelmann zur Schicht antreten, an der Porta Sant’Anna? Daswaren die Fragen eines staunenden Neurömers, der gerade mitFrau und Kind in Sichtweite des Papstpalastes Quartier bezogenhatte. Ich komme, das sei vorweg eingestanden, aus jenem Teil

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Deutschlands, der »Rosenkranz« für einen Begriff aus der Gar-tenzeitschrift hält. Es sei gebeichtet: Hier schreibt ein Protestantund frommer Zweifler.

Kaum hatten wir die Umzugskisten ausgepackt, wurde der altePapst sterbenskrank. Vielleicht gab es da einen Zusammenhang.Von nun an jedenfalls waren wir Papst. Nachrufe waren zu schrei-ben, Konklave zu beäugen, diskrete Bande über die Mauer zuspannen. Als am 19. April dann ein weißes Wölkchen über jenemDach in unserer Nachbarschaft aufstieg und irgendjemand vomPortikus des Petersdoms herunter verkündete: »Eminentissimumac Reverendissimum Dominum Josephum ...« – dachte ich nur:»Mein Gott ...!« – und erbleichte bei der Vorstellung, die nächs-ten Jahre als Korrespondent mit J. R. zu tun haben zu dürfen.Von Joseph Ratzinger wusste ich nicht viel mehr, als dass er dieBefreiungstheologen zum Teufel gejagt hatte und mit begnadeterUrteilssicherheit immer genau jene gesellschaftspolitische Posi-tion vertrat, die wir Aufgeklärten nicht vertraten und im Übrigenfür völlig indiskutabel hielten.

Vier Jahre später schwächelt meine Glaubensstärke unver-ändert, aber es mischt sich ein leichtes Bedauern darunter. Aucheine wachsende Bewunderung für einen Achtzigjährigen, der inder europäischen Geistesgeschichte zu Hause ist wie andere in derBundesliga, und der den Mut hat, sich seines Verstandes zu be-dienen, auch wenn es keinen Beifall einbringt. Nach dem pol-nischen Mystiker führt nun ein abgeklärter Gelehrter die ka-tholische Kirche ins neue Jahrtausend. Dem kann man nur mit Sympathie beiwohnen. Es geht wohl allen Preußen so in Rom:»Für die Schwachen, die nichts bekennen, als was sie vor Augen

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sehen, ist die Erbärmlichkeit und Zerfallenheit unseres Protes-tantismus hinlänglich, sie irrezumachen, wenn sie späterhin reli-giöse Bedürfnisse fühlen«, schrieb im Juli 1818 der preußische Gesandte am Heiligen Stuhl, Christian Carl Bunsen. Und seinVorgänger Barthold Niebuhr notierte gar: »Von jeher sind Protes-tanten, welche Italien besucht haben, den Nachstellungen der katholischen Priester ausgesetzt gewesen, die durch Überredungund betörende Controversen, zuweilen auch durch dargeboteneVorteile und allerley Anlockungen ihre Zwecke zu erreichen ge-sucht haben.«

Die Anlockungen waren rasch zu spüren, die Neugierde nochmehr. Allerdings endeten alle Annäherungsversuche stets amFuße der hoch aufragenden Festungsmauer bzw. an den Schwei-zergarden, die einem den Zutritt verwehrten. Aber es musste docheinen Weg hinein geben. So beginnt auch dieses Brevier genauhier, am Fuße der vatikanischen Mauer, und tastet den Staat ander Außenhaut ab, bevor hineingeschaut wird: Ist hier jemand? Esfolgt ein virtueller Rundgang, ein Blick in den Palast hinein, ehedie elementaren Fragen in den Blick genommen werden: Wo gibtes was zu essen? Wie kleidet man sich, und warum braucht derKirchenstaat um Himmels willen einen Teufelsaustreiber?

Die meisten Vatikan- und Papstbücher leben davon, viel Ge-heimnis um ihre Gewährsleute zu machen und so zu tun, als hät-ten sie wirklich Ahnung davon, was im Kirchenstaat passiert. Dasvorliegende Brevier macht da keine Ausnahme. Etwaigen Irrtü-mern und Fehleinschätzungen, die allem Irdischen eigen sind,bitte ich mit pastoraler Nachsicht und einem »Te absolvo« zu be-gegnen. Doch jede Recherche im Lande hinter den Mauern ist

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schon allein durch den Umstand erschwert, dass nach Artikel 76

der Kuriensatzung eine Verletzung des Dienstgeheimnisses mitEntlassung bestraft wird. Wer redet da schon gern frei heraus? Sowird jedes Schreiben über das Innenleben des Systems Vatikanoft zu einem großen Mutmaßen. Manchmal hilft nur der Glaubean die Wahrhaftigkeit weiter und der Trost, dass auch langjährigeKuriale oft nicht den geringsten Schimmer haben von dem, wasum sie herum vorgeht.

Natürlich wird man dieses Land nicht verstehen, wenn man es nur als Kuriosum sieht. Der Vatikan ist ein Provisorium im Dienste eines Höheren. Wer hier lebt und arbeitet, der glaubt.Bei allen Abstrusitäten und irdischen Unzulänglichkeiten: Es gehtletztlich um Gottesdienst und nicht um Macht. Die Macht isthier nur Mittel zum Zweck, und darin unterscheidet sich dieserStaat von allen anderen. Deswegen ruht beispielsweise der ge-samte Beamtenapparat der Kurie vor Ostern für eine Woche, umgemeinsam Exerzitien zu treiben.

In diesem Buch wird natürlich nicht alles zu finden sein, was esüber den Vatikan zu wissen gäbe. Eher alles, was Sie noch nieüber den Vatikan wissen wollten – und es schade finden werden,nicht danach gefragt zu haben. Von der Schuhgröße des Papstesbis zur Notfallnummer des nächsten Exorzisten. Von den Passage- Wörtern am Lieferanteneingang bis zur Geheimsprache despäpstlichen Kleiderschranks.

»Vatikanistan« ist eben ein sonderbares, fantastisches Land. EinLand, das wie manche Kinder ein wenig altklug daherkommt,bespottet wird und eigentlich doch nur eines möchte: geliebt werden.

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i.

Wie hineinkommen?

Die vatikanische Mauer und ihre Lücken

Der Vatikan und seine Einwohner sind umgeben voneiner 3420 Meter langen Festungsmauer. Die Mauer

fühlt sich abgegriffen an und dort, wo die Kanten aus Travertinauf die Straße ragen, ganz glatt. Die Ziegel sind sienabraun, einheller, sonniger Ton. Uralte Haken sind eingelassen. In den Fugenhat sich Moos angesetzt und grüne Algenschlieren, als Zeichen,wie die Feuchtigkeit da drinnen wütet. Die Mauer ist so hoch undfest gemauert, als ginge es darum, einen antisäkularen Schutzwallgegen die Zumutungen der Gegenwart zu errichten. Und obwohlnirgendwo Wachen zu sehen sind und die Video-Alarmanlage dieReaktionszeit einer Zeitlupenübertragung hat, findet sich auf derMauer kein einziges Graffiti, kein Plakat und kein pathetisches»Ti amo x sempre Susanna«. Nur in den rebellischen Jahren 1968ff.hat es bisweilen Parolen auf der Mauer gegeben, unterm Moossind fortgekratzte Spuren noch zu ahnen. Doch heutzutage wirddiese Mauer von den Römern mehr respektiert als Kasernen-mauern oder der Palast des Premierministers. Keiner würde aufden Gedanken kommen, Protestplakate an den Vatikan zu kleis -tern. Und schon gar niemand würde hier Sätze brüllen wie:

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»Mister Pope, tear down this wall!«, wie einst, bei anderer Ge-le genheit, Präsident Ronald Reagan am Brandenburger Tor inBerlin.

Eigentlich sonderbar für eine säkulare, von »der Diktatur desRelativismus« (Benedikt XVI.) enthemmte Welt. Aber schon unsere Vorfahren, die Barbaren, hatten Skrupel, den Kirchenstaatanzugreifen oder zu plündern. Es scheint sich keiner recht zutrauen. Als könnte die so hoch aufragende Mauer von unsicht-baren Kräften beschützt sein. Als traute man denen, die hinterihr wirken, doch einiges mehr zu, als bei Tageslicht zugegeben.Als sei einem dieses Land hinter den Ziegeln nicht ganz geheuer.

»Das Wichtigste am Vatikan ist seine Mauer«, sagte einmalEberhard von Gemmingen, Jesuitenpater und Chef der deut-schen Abteilung des Radio Vatikan. Und fügte hinzu: »Dennohne diese Mauer gäbe es kein Geheimnis um den Vatikan. Jederwürde sehen, wie langweilig es da zugeht.« Doch weil Pater vonGemmingen innerhalb dieser Mauern durchaus den Ruf des Ket-zers hat, stachelt das die Neugier nur noch an. Zumal die Mauernicht nur Innen von Außen trennt, sondern auch Erlaubtes vonUnerlaubtem scheidet und derart eine feine Osmose zwischenbeiden Welten ermöglicht. Extra muros, so eine Binsenweisheitunter Kurialen, ist sehr viel möglich, Liebschaften, moralischeÜberschreitungen, diskrete Doppelleben. Doch wehe, etwas da -von dringt ins Innere und könnte so das Funktionieren der Jahr-tausendmaschine Kurie gefährden. Dann wird gestraft, mit alterVäter Zorn: Intra muros ist heiliger Boden.

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Die »von Gott gelegte Grundmauer der Kirche« (so das bau-statische Gutachten des Ersten Vatikanischen Konzils) ist aus flachen gebrannten Ziegeln in altrömischer Testaceum-Mauerarterrichtet. Sie ragt in steilem Winkel himmelwärts, fühlt sich anihren Travertin-Kanten glatt und speckig an und angenehm kühl.Sie ist an einer Stelle knapp 20 Meter hoch, das sind sechs Stock-werke, und durchgängig nach den neuesten Erkenntnissen derRenaissance-Festungsbaukunst entworfen. Mit Bastionen, einemZierwulst, Contrescarpen, zugemauerten Schießscharten und dazwischen die jeweiligen Wappen von Pius III.ff., Nikolaus V.,Alexander VI., Gregor XVI. etc. pp. Festungsarchitektonisch ge-sehen ist der Vatikan eine Defensivkaserne. Man kann in einerhalben Stunde um sie herumlaufen und wird in abgelegene Quar-tiere Roms geführt, auf der Rückseite an der Porta Pertusa (das istdie mit dem Ritterturm dahinter), wo schon die Leuchtfeuer despäpstlichen Heliports zu sehen sind. Dörflich verschlafen ist eshier und nicht selten im Immobilienbesitz der Una Sancta.

Papst Leo IV. (847–855) war es, der mit dem Mauerbau ange-fangen hatte, mitten im 9. Jahrhundert, weil auch er schon Angsthatte vor den Arabern. Bis dahin hatten sich, wie gesagt, selbstBarbaren vom Nimbus des Apostelnachfolgers einschüchtern las-sen. Die Sarazenen ihrerseits sahen dafür keinen sonderlichen An-lass und plünderten A. D. 846 fröhlich die päpstlichen KirchenSt. Paul und St. Peter. Es musste etwas geschehen, und schonPapst Leo hatte durchaus die Absicht, eine Mauer zu errichten.Für den Bau wurden zur Strafe sarazenische Kriegsgefangene eingesetzt (neben römischen Handlangern, die auch nicht vielbesser bezahlt wurden). Der Papst hatte die Stadtviertel, Vor-

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städte, Klöster und befestigten Landgüter der Umgebung zur frei-willigen Aufgabe verdonnert, jeweils einen Teil der Festungs-mauer hochzuziehen, aus Tuffblöcken unten und Ziegeln oben.Ausgefüllt wurde das Ganze mit einer Mischung aus Bruchstei-nen, Zement und dem »blauen Lehm« aus den Hügeln westlichder Stadt. Als alles fertig war, schenkte Papst Leo der Mauer zumDank seinen edlen Namen. Am 27. Juni 852 wurde die somit ge-nannte »Leonische Mauer« mit einer Prozession von Bischöfen,Ordensleuten und Prälaten eingeweiht. Sie liefen einmal ringsumim Rechteck, von der Engelsburg durch die Porta Angelica denVatikan-Hügel hinauf und dann über den Gianicolo-Hügel zu-rück zum Tiberufer. »Leostadt« übersetzte der Baedeker von 1872

die so ummauerte Città Leonina. Den letzten Rest des Original-baus, quasi das Mauermuseum des Papstes, sieht man noch inden Vatikanischen Gärten, gleich neben dem Hubschrauber -landeplatz.

Später wurde wieder alles eingerissen und umgebaut, je nachZeitläuften. Ein gewisser Michelangelo Buonarroti soll die »Belvedere-Bastion« am Risorgimento-Platz konstruiert haben,dort, wo die Touristenschlange sich knickt und heute nur nochdie apostolischen Tennisplätze sowie der Spielplatz geschützt hin-ter der Mauer liegen. Tatsächlich jedoch entwarf Antonio da San-gallo d. J. diesen Mauerabschnitt – der Albert Speer von PapstPaul III. (1534–1549). Sein Festungsplan war titanisch und hätteRom zur bestverteidigten Stadt der Welt gemacht, wurde abernur zu einem kleinen Teil realisiert. Ein Team von Bedenkenträ-gern um Michelangelo hatte Einspruch erhoben. Zu teuer, zuschwierig, zu irre. Nach dem Tod Sangallos im Jahr 1546 über-

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nahm Buonarroti selbst die Bauleitung, ließ die Bastion mit Zie-geln verkleiden und an den vorspringenden Winkeln mit Traver-tin verstärken. Zur Zier trägt die Prachtmauer ein monumentalesWappen Pauls III., das rechts und links von denjenigen des Kar-dinals Sforza und des »Römischen Senats und Volkes« flankiertwird. Der achteckige Turm, passend dahinter, heißt Belvedere-Turm und war schon vom Baumeister Bramante als Antiquariumvorgesehen; offenbar glaubte bereits in der Spätrenaissance nie-mand wirklich an einen Angriff aus Richtung Monte Mario. Derletzte Teil der Mura Vaticane wurde erst nach dem Konkordat mitBenito »Duce« Mussolini fertiggestellt, im Jahr 1929 unter Pius XI.(1922–1939). Sein Wappen findet sich in der Via di Porta Angelica.

Anders als einstmals die Berliner Mauer verläuft die vatikanischenicht genau auf den Staatsgrenzen. In der Via di Porta Angelicaetwa ist die Mauer etwas zurückgenommen, sodass etwa ein etwaanderthalb Meter breiter Streifen vor der Mauer schon vatikani-sches Staatsgebiet ist. Auch der Petersplatz ist staatsrechtlich ge-sehen ein Tohuwabohu. Er gehört hoheitlich zum Vatikan, hataber exterritorialen Charakter, weil ihn jeder ohne Grenzkon-trollen betreten kann. Auf dem Petersplatz hat die römische Polizei das Sagen, die Schweizergarden müssen schweigen. Außerwenn der Papst auf dem Platz herumfährt. Dann laufen rechtsvon ihm Schweizergardisten, links italienische Polizisten. Job-sharing. Die Staatsgrenze verläuft, ganz ohne Mauer, genau aufdem 60 Zentimeter breiten Travertinstreifen, der die beidenEnden der Kolonnaden verbindet. Die Kanaldeckel auf der Tiberseite der Absperrkette tragen die Aufschrift SPQR (Senatus

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Populusque Romanus), diejenigen ein paar Schritt weiter gehörenSCV, dem Staat Vatikanstadt. Nichtsdestotrotz sind beide Gulli-deckel in derselben Gießerei hergestellt, der »Fonderia Bastia-nelli«.

Niemanden wird verwundern, dass es durchaus unterschied -liche Kartierungen der Grenze zwischen Italien und dem Vatikangibt, je nachdem ob man in der »Gazzetta Ufficiale« der RepublikItalien nachschaut oder in den gleichzeitig erschienenen »ACTAAPOSTOLICAE SEDIS« des Heiligen Stuhls. Es musste damalseben sehr schnell gehen. Die Geometer zeichneten ihre Kartenauf den letzten Drücker, hektisch und in einer einzigen Nacht,damit das Konkordat endlich verkündet werden konnte. Da kannes schon zu Fehlern kommen. Der Konkordatstext war nie alsheilige Schrift gedacht. Die umstrittenen Gebiete liegen dort, woder Mauergang Passetto an der Porta Angelica die Vatikanmauerntrifft. Der dortige Kiosk des Osservatore Romano liegt auf einemkeilförmigen Gelände, das von beiden Staaten zu ihrem jeweili-gen Hoheitsgebiet gerechnet wird. Es ist der lang gezogene Strei-fen zwischen Außenrand der Kolonnaden und dem vatikanischenPostamt bzw. den sich anschließenden Toiletten.

Zu seinem 80. Geburtstag im Jahr 2009 wird der Vatikanstaatdann einen neuen Stadtplan herausgeben, nach klassischen Vor-gaben auf Pergament ausgeführt und in einer Auflage von 330

Drucken. Ein Exemplar wird der Uno überreicht werden. Umetwaigen Grenzkonflikten vorzubeugen.

Ungewöhnlich ist auch der Grenzverlauf im Audienzsaal »Paul VI.« im Südzipfel des Landes. Die Bühne liegt im Ho-heitsgebiet des Papstes, das Publikum hingegen applaudiert schon

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aus dem Ausland, von Italien herüber. Rätselhaftes Vatikanistan.Es gibt 16 Türen in dem Mauerbauwerk. Zwei führen zu den

Vatikanischen Museen, mit Statuen darüber, die Michelangelound Raffael darstellen sollen, zwei sind zugemauert, eine mit einerEisentür versperrt und eine nur per Zug zu befahren. Ein Tür-chen führt in eine Suppenküche, ein anderes direkt zur Glau-benskongregation, und das neueste, am Risorgimento-Platz,wurde von Prof. theol. Benedikt XVI. eingeweiht und sieht auswie vier aufgeräumte bronzene Buchrücken. Es ist das erste Bauwerk im Ratzinger-Pontifikat, und deswegen steht auch »BENEDICTUS XVI PONT. MAX ANNO DOMINI MMVPONT. I« darauf: »Benedikt XVI., Pontifex Maximus, im Jahredes Herrn 2005, im ersten Jahr des Pontifikats«. Hinter der Pfortegeht es in einer Rechtskurve tief hinunter in den Orkus, zur Tief-garage des Vatikanstaats. Und wenn einer sagt, unter dem deut-schen Papst habe es keine Öffnung im Katholizismus gegeben,hier ist sie: 3,70 Meter in der Breite und 5 Meter in der Höhe.

Tricks und Codes an der Porta S. Anna

Die erste und entscheidende Frage ist natürlich: Wie komme ichhier rein? Noch bis vor einiger Zeit wurde an den Pforten in derRegel vom Bischofsrang aufwärts kein Visum und keine Dauer-karte (Tessera) mehr verlangt. Auch in sich gekehrte junge Män-ner mit schwarzem Hemd und weißem Kragen wurden nichtunbedingt zurückgepfiffen, wenn sie sich hierher verloren. Danun von den Schweizergarden nicht verlangt werden kann, allezurzeit tätigen 4784 Bischöfe von Angesicht zu kennen, würde

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es folglich ausreichen, sich bei einem einschlägigen Klerus- Bedarfs-Geschäft wie »Gammarelli« oder »Vincenzo Serpone« alsBischof einkleiden zu lassen, was, ohne Mitra und Ring und inunterer Preisklasse, 550 Euro kostet. Schon könnte man, ein ge-wisses Alter und Geschlecht vorausgesetzt, den Vatikan ungehin-dert betreten. Aber das ist natürlich illegal und Sünde sowiesound wird mit Fegefeuer nicht unter zwei Äonen bestraft.

Nach der Regensburger Vorlesung von Benedikt XVI. wurdendie Sicherheitskontrollen ein wenig verschärft. Vielleicht auch,weil im Sommer 2007 ein Wirrkopf aus Süddeutschland versuchthatte, aufs Papamobil zu springen. Auf jeden Fall wurden dieMienen der Posten strenger und Besucher müssen sich seithereine Besucherkarte anheften. Doch wie alles in Rom, ist auch dieJahrtausendmauer rund um den Staat Vatikanstadt nicht un-überwindlich. Es gibt vier, fünf Schlupflöcher, durch die auchder an sich Unbefugte die Civitas Dei betreten kann.

Lücke 1: Das Segensbüro

Wer durch Vatikanistan streifen möchte, muss zur St.-Anna-Pforte gehen, dem Wirtschafts- und Gesindeeingang des Kirchen -staats. Hier ist das Codewort zu sagen: »Ufficio Benedizioni«.Oder auch auf Deutsch: »Zum Segensbüro, bitte.« Das genügt,um die Garden salutieren zu lassen und den Eingang freizuge-ben. Denn jeder Mensch ist befugt, sich einen päpstlichen Segenzu kaufen, wenn er will. Auf dem Weg zum Segensbüro ist manjetzt schon mal auf heiligem Boden, spürt die Kamerablicke derTouristen im Rücken und schlendert gleich rechts um die Ecke

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200 Meter die Via del Pellegrino entlang, mit aller nötigen Muße,sich umzuschauen.

Die Kirche gleich rechts hinter dem Tor ist St. Anna, dieHauptkirche des Vatikans, weil hier in tagtäglicher Arbeit umsSeelenheil der etwa tausendköpfigen Pfarrgemeinde gerungenwird. Der geldspeicherartige, mit Moos bewachsene Rundturmlinks vorne ist der Geldspeicher des Vatikan, der Sitz der Vati-kanbank I. O. R., und von so dicken Mauern umgeben, dass dieAngestellten zum Telefonieren per Handy vor die Tür gehen müs-sen. Nikolaus V. (1447–1455) ließ das Ding bauen, und keiner sei-ner Nachfolger hatte den Mut, den Bunker einfach abzureißen.Ganz oben sind die Fenster eines äußerst ansprechenden Gäste-appartements zu sehen, mit einem, so wird erzählt, sagenhaftenBlick über Rom.

Das Leben hier hinter der Mauer erscheint etwas verlangsamt.Ein Brunnen plätschert. Wie in einem umbrischen Dörfchenläuft es sich ruhig über das grob geflickte Kopfsteinpflaster, dieSchritte verlangsamen sich, vielleicht stellt auch gerade eineDame in den besten Jahren ihr Fahrrad in einen Hof (es ist danndie ehemalige Haushälterin und Vertraute des Papstes, Frau Ingrid Stampa, die hier wohnt). Man hört das Rattern der Druck-maschinen der Tipografia Vaticana, man hört Maurerrufe undden Klang der eigenen Schritte. Ein Gabelstapler wuchtet Palet-ten voll Alkoholika ins Lager des Supermarkts, und man fragtsich, wo man eigentlich ist.

Im ersten Hinterhof zur Rechten nun findet sich eine Zweig-stelle des Päpstlichen Almosenamts (Elemosineria Apostolica). Esist ein kleiner Raum mit Tresen und am Vormittag so drängelnd

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Alexander Smoltczyk

VatikanistanEine Entdeckungsreise durch den kleinsten Staat der Welt

Gebundenes Buch, Leinen, 352 Seiten, 11,5 x 16,0 cmISBN: 978-3-453-15434-6

Heyne

Erscheinungstermin: September 2008

Geheimwege, sinnlose Mülltrennung und die Telefonnummer des Heiligen Vaters:Was Sie schon immer über das Reich des Papstes wissen wollten Was sieht man durchs Schlüsselloch von Benedikts Appartement? Wieso gibt es im Vatikan einStandesamt, und warum ist die Kriminalitätsrate dort höher als in São Paulo? Und wie kommeich an der Schweizergarde vorbei? Alexander Smoltczyk, Vatikan-Kolumnist bei »Spiegelonline«, verrät die kleinen und nicht immer ganz sauberen Geheimnisse aus dem Reich desPapstes. Von der Notfallnummer des Exorzisten bis zu einer kleinen Sittenlehre der Kurie.Genüsslich-ironisch und unterhaltsam-aufschlussreich! Das Reich des Heiligen Vaters ist ein Ort voller Mysterien – und bei genauem Hinsehenauch wieder sehr banal. Ein Staat, kleiner als die US-Botschaft in Bagdad, aber gewisseinflussreicher. Was verbirgt sich hinter den Mauern? Mit »Vatikanistan« im Gepäck erfährt derjunge Papstfan, der gläubige Katholik oder auch der ganz gewöhnliche Rom-Reisende endlichalles, was er schon immer über den kleinsten Staat der Welt wissen wollte: Welche Tricks undCodes an der St.-Anna-Pforte fruchten. Wie man mit dem Heiligen Vater Kontakt aufnimmt, anein VIP-Ticket für die Audienz kommt und vom Leibfotografen Benedikts dann sein persönlichesFoto erhält. Welche Aufgaben Frauen im Vatikan haben, wo die Kardinäle essen und warumzwischen den Gendarmen und der Schweizergarde erbitterte Feindschaft herrscht. Alexander Smoltczyk, Rom-Korrespondent für den »Spiegel« und Vatikan-Kenner, verrätÜberraschendes, Spannendes und Kurioses über Land und Leute, Essen und Wohnen, Gesetzeund Finanzen, Frauen und Liebe im Vatikan. Dieser Reiseführer sollte auf keiner Rom-Reisefehlen!