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Klimafreundliche Autos brauchen keine Verbotsschilder Automatisiertes Fahren: Sicherheit hat oberste Priorität Auf dem Prüfstand – die Fahrzeugzulassung in der Europäischen Union 02 04 06 Stopp dem Verbrenner! So ist es nicht nur aus dem Lager der NGOs zu hören. Nein – auch politische Stimmen sind laut geworden, die ein ... Das automatisierte Fahren ist ein Schlüsselthema für die individuelle Mobilität der Zukunft. Schon heute sind viele Neuwagen mit modernen ... Ob Sicherheitsvorschriften oder Emis- sionsgrenzwerte – ein Fahrzeug muss zahlreiche gesetzliche Regelungen erfüllen, damit es auf dem ... Politikbrief 02/2016 Informationsdienst für Entscheider in Politik und Wirtschaft Inhalt Automobilindustrie forciert Zusammenarbeit mit Start-ups Auslandsaktivitäten der deutschen Zulieferer 08 09 Die Digitalisierung hat erheblichen Einfluss auf die Automobilindustrie: durch neue Mobilitätsdienste, durch das vernetzte und automatisierte ... Regelmäßig befragt der VDA seine Mitgliedsunternehmen über deren Auslandsaktivitäten, Produktions- standorte sowie die vor Ort ...

VDA - Politikbrief 02/2016 · 2016. 12. 6. · Automatisiertes Fahren: Sicherheit hat oberste Priorität Das automatisierte Fahren ist ein Schlüsselthema für die individuelle Mobilität

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  • Klimafreundliche Autos brauchen keine Verbotsschilder

    Automatisiertes Fahren: Sicherheit hat oberste Priorität

    Auf dem Prüfstand – die Fahrzeugzulassung in der Europäischen Union

    02 04 06

    Stopp dem Verbrenner! So ist es nicht nur aus dem Lager der NGOs zu hören. Nein – auch politische Stimmen sind laut geworden, die ein ...

    Das automatisierte Fahren ist ein Schlüsselthema für die individuelle Mobilität der Zukunft. Schon heute sind viele Neuwagen mit modernen ...

    Ob Sicherheitsvorschriften oder Emis-sionsgrenzwerte – ein Fahrzeug muss zahlreiche gesetzliche Regelungen erfüllen, damit es auf dem ...

    Politikbrief 02/2016Informationsdienst für Entscheider in Politik und Wirtschaft

    Inhalt

    Automobilindustrie forciert Zusammenarbeit mit Start-ups

    Auslandsaktivitäten der deutschen Zulieferer

    08 09

    Die Digitalisierung hat erheblichen Einfluss auf die Automobilindustrie: durch neue Mobilitätsdienste, durch das vernetzte und automatisierte ...

    Regelmäßig befragt der VDA seine Mitgliedsunternehmen über deren Auslandsaktivitäten, Produktions- standorte sowie die vor Ort ...

  • POLITIKBRIEF 02/2016 INFORMATIONSDIENST FÜR ENTSCHEIDER IN POLITIK UND WIRTSCHAFT 2

    Stopp dem Verbrenner! So ist es nicht nur aus dem Lager der NGOs zu hören. Nein – auch politische Stimmen sind laut geworden, die ein Zulassungsverbot für Verbrennungs- motoren ab dem Jahr 2030 fordern. Für den Diesel wird sogar über Fahrverbote in Städten schon ab 2018 debat-tiert. Doch ist dieser Weg klima- und industriepolitisch gangbar? Einfach Verbotsschilder aufstellen, um die Industrie vermeintlich „aufzuwecken“?

    Wohl kaum. Deutsche Hersteller und Zulieferer brauchenkeinen Weckruf. Sie sind schon längst hellwach, wenn es um die Entwicklung klimafreundlicher Antriebe geht. Das zeigt nicht nur die weltweite Beliebtheit unserer Fahr- zeuge, sondern auch der Blick auf die stetig sinkenden Emissionen deutscher Modelle. Der Verkehrssektor in Deutschland und Europa leistet bereits heute einen erheblichen Beitrag zur CO2-Reduzierung. Dieser wird in den kommenden Jahren noch steigen. Mit dem 95-Gramm-Ziel, das die EU für Pkw-Neuzulassungen im Jahr 2020/2021 vorschreibt, verfolgt sie die weltweit anspruchsvollste Klimaschutzstrategie.

    Das Gros der Autos auf der Straße sind heute Benziner und Diesel. Beide sind immer effizienter geworden. So konnte in den vergangenen zehn Jahren der durch-schnittliche Kraftstoffverbrauch neu zugelassener Pkw in der EU um gut ein Viertel reduziert werden, entsprechend sanken die CO2-Emissionen. Und das Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft. Wir rechnen damit, dass wir die Effi- zienz von Benziner und Diesel in den kommenden Jahren noch um mindestens 10 bis 15 Prozent steigern können.

    Luftqualität verbessern

    Ebenso wie der Verbrauch sinken auch die Abgaswerte. Moderne Euro-6-Diesel bestehen jeden Schadstofftest. Ein kurzfristiges Fahrverbot für Dieselfahrzeuge in den Städten würde das Gewerbe und viele Mittelständler treffen ebenso wie Millionen Autofahrer. Um die Luft-qualität in den Städten rasch zu verbessern, gibt es intelligentere Maßnahmen als Fahrverbote. So bringen allein grüne Welle und ein gleichmäßiger Verkehrsfluss eine Reduktion der Stickoxidemissionen um fast ein Drittel. Busse und Taxis sollten durch modernste Fahr-zeuge ersetzt werden. Wer genau hinsieht, erkennt: die CO2-Bilanz des Verbrenners ist nicht so schlecht wie sein Ruf. So kann ein moderner Diesel-Pkw bessere

    CO2-Werte aufweisen als ein Elektrofahrzeug, dessen Batterien mit Kohlestrom geladen werden. Es kommt also stets auf den Energiemix an. Nur wenn Strom aus regenerativen Quellen kommt, sind Elektroautos wirklich emissionsfrei.

    Darüber hinaus bietet der Verbrennungsmotor mittel- und langfristig eine klimaneutrale Perspektive – nämlich durch den Einsatz synthetischer Kraftstoffe. Aktuell sind diese Projekte noch in der Forschungsphase, aber langfristig haben sie das Potenzial, den Verkehrs- und Stromsektor zu dekarbonisieren. Der künftige Stellen-wert dieser Technologie wird daher aus gutem Grund sowohl von der EU als auch von der Bundesregierung hervorgehoben. Der Weg „weg vom Öl“ wird damit auf intelligente Weise beschritten. Auch aus dieser Perspektive wäre ein politisch erzwungenes Ende des Verbrennungs-motors für den Klimaschutz kontraproduktiv.

    Mix der Antriebsarten

    Aktuell sind in Deutschland nicht einmal ein Prozent aller verkauften Neuwagen elektrisch angetrieben. Doch das wird sich spürbar ändern. Im Jahr 2025 könnte der Anteil von E-Fahrzeugen an den Neuzulassungen weltweit bei 15 bis 25 Prozent liegen.

    Das zeigt: es wird in den kommenden Jahren einen Mix an Antriebsarten geben. Die deutsche Automobilindustrie bietet hierfür die gesamte Palette an: vom optimierten Verbrenner bis zum E-Motor mit Batterie oder Brenn-stoffzelle. Wahrscheinlich werden wir erst Mitte des nächsten Jahrzehnts genau wissen, welcher Motor sich in welchem Land der Welt durchsetzt. Deutschland als Heimat der Automobilindustrie und als global ausge-richteter Anbieter von Fahrzeugen kann es sich nicht erlauben, auch nur auf eine einzige dieser Technologien zu verzichten oder sie gar zu verbieten. Es ergibt wirt-schaftlich, ökologisch und sozial keinen Sinn, die eine Antriebsart gegen die andere in Stellung zu bringen. Deswegen ist für den Straßenverkehr eine zweigleisige Dekarbonisierungsstrategie sinnvoll. Der hocheffiziente Verbrenner, eventuell auch auf Basis regenerativ herge-stellter Kraftstoffe, und das Elektrofahrzeug sind keine Gegner, sondern komplementäre Pfade. Beide sind notwendig, wenn die Politik die ambitionierten Klima-ziele erreichen will.

    Klimafreundliche Autos brauchen keine Verbotsschilder

  • POLITIKBRIEF 02/2016 INFORMATIONSDIENST FÜR ENTSCHEIDER IN POLITIK UND WIRTSCHAFT 3

    Auch außerhalb der Fahrzeugtechnik gibt es Reduktions- potenziale. Daher ist es richtig, dass die EU-Kommission über neue Ansätze zur Emissionssenkung im Verkehr nachdenkt. Eine wirksame CO2-Reduzierung muss über eine reine Grenzwertregulierung für Neuwagen hinaus-gehen, weil der Klimaeffekt eines Fahrzeugs von vielen Faktoren abhängt: Fahrzeugeffizienz, Fahrleistung und Lebensdauer des Fahrzeugs, der Fahrstil des Kunden, der Fahrzeugbestand oder der CO2-Gehalt der genutzten Energieträger (Kraftstoffe, Strom) spielen eine Rolle. Eine wirksame politische Strategie muss all das in den Blick nehmen. Die Verbesserung der Bestandsflotte um 1 g – etwa durch einen CO2-ärmeren Kraftstoff – ist so effektiv wie eine Verbesserung um 20 g in der Neuwagenflotte.

    Mobilitätswende

    Die Automobilunternehmen stehen im Zentrum einer Mobilitätswende, die von den Megatrends alternative Antriebe sowie dem vernetzten und automatisierten

    Alle Ansatzpunkte des CO2-Ausstoßes betrachten

    Technik Neuwagen (Austoß CO2 in g/km)

    CO2-Gehalt Energieträger(Kraftstoffe /Strom)

    Fahrweise undLaufleistung

    FahrzeugbestandInfrastruktur undDigitalisierung

    Quelle: VDA

    Einflussfaktoren auf die absoluten Verkehrsemissionen

    Konventionell Alternativ

    Ersetzen

    Quelle: VDA

    Dekarbonisierungsstrategie

    Optimierung von Fahrzeugen mitVerbrennungsmotor

    Zweigleisige Strategieder Dekarbonisierung

    Hochlauf alternativer Antriebe

    Fossile Kraftstoffe durchregenerative Kraftstoffe

    Fahren getrieben wird. In einer solchen Phase „auto- mobiler Disruption“ braucht die Industrie die Politik mit klugen Ideen an ihrer Seite. Zu einer modernen Umwelt- und Wirtschaftspolitik passen technologie- spezifische Regulierungen oder gar Verbote nicht. Denn Verbote blenden nicht nur die „Kundensouveräni-tät“ aus, die zum Kerngedanken jeder Marktwirtschaft gehört, sondern haben auch mögliche Auswirkungen auf die Exportstärke einer Schlüsselbranche – und damit auf die Arbeitsplätze.

    Deswegen fordert weder die Bundesregierung noch die EU-Kommission ein Verbot des Verbrennungsmotors ab 2030. Vielmehr setzt der Klimaschutzplan 2050 darauf, dass der Anteil von Elektrofahrzeugen bis 2030 kontinuierlich steigt. Auch die EU-Kommission will mit ihrer kürzlich vorgestellten Strategie für emissionsarme Mobilität die CO2-Emissionen des Verkehrs bis Mitte des Jahrhunderts signifikant reduzieren – mit vielfältigen Maßnahmen statt Verboten.

  • POLITIKBRIEF 02/2016 INFORMATIONSDIENST FÜR ENTSCHEIDER IN POLITIK UND WIRTSCHAFT 4

    Automatisiertes Fahren: Sicherheit hat oberste Priorität

    Das automatisierte Fahren ist ein Schlüsselthema für die individuelle Mobilität der Zukunft. Schon heute sind viele Neuwagen mit modernen Kommunikations-technologien und Fahrassistenzsystemen ausgestattet. Diese leisten bereits heute einen wichtigen Beitrag zur Verkehrssicherheit, indem sie den Fahrer in vielfältigen Situationen unterstützen oder ihn auf Gefahren hin-weisen – beim Stop-and-go, im Stau, bei monotonen Autobahnfahrten mit Geschwindigkeitsbegrenzung, beim Abstandhalten zum Vordermann, beim plötzlichen Abbremsen, beim Einparken in unübersichtlichen Park- häusern, beim Spurwechsel oder Abbiegen.

    Der Anteil entsprechender Technologie an der gesamten Wertschöpfung des Autos wird in den kommenden Jahren noch deutlich zunehmen. Derzeit befinden wir uns in der Phase, in der auf der Grundlage von Fahrerassistenz- systemen schrittweise automatisierte Fahrfunktionen entstehen. Bei diesen können Teile der Fahraufgabe vom System ausgeführt werden. Das System meldet selbst-

    ständig, wenn es an seine Funktionsgrenzen kommt und fordert den Fahrer aktiv zur Ausführung auf. Eines steht bei all dem aber fest: Bei automatisierten Fahrfunktionen wird in den kommenden Jahren weiterhin der Fahrer am Steuer sitzen, er muss wahrnehmungsbereit bleiben und im Bedarfsfall das „Kommando“ übernehmen. Bis es fahrer-lose, autonome Autos in Privatkundenhand gibt, wird es noch dauern.

    Den Aspekt der Sicherheit verliert die deutsche Automobil- industrie auch bei dieser bahnbrechenden Entwicklung nicht aus den Augen. Die Hersteller werden die Kunden informieren, was die Autos können und was nicht. Systeme werden zudem erst dann in den Markt gebracht, wenn sie technisch ausgereift und mit Sicherheits- und Kontrollsystemen ausgestattet sind. Schließlich muss die Technik jenen technischen Zulassungsvorschriften entsprechen, die zurzeit in der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) für diesen Anwendungsbereich erarbeitet werden.

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    Welt ohne Deutschland Deutschland

    Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln

    * Herausforderer: z. B. Google, Apple

    Zulieferer

    1.035

    850

    185

    Autohersteller

    1.498

    768

    730

    Elektronik Herausforderer * Gesamt

    114 3282

    202

    202

    2.838

    1.646

    1.192

    Weltweit

    Automatisiertes FahrenDeutsche Hersteller und Zulieferer im weltweiten Innovationswettbewerb führend

    Anzahl der weltweiten Patente nach Branchen seit 2010

  • POLITIKBRIEF 02/2016 INFORMATIONSDIENST FÜR ENTSCHEIDER IN POLITIK UND WIRTSCHAFT 5

    Zukunft – Made in Germany

    „Die beste Methode, die Zukunft vorherzusagen, besteht darin, sie zu erfinden“, sagte bereits in den 1970er Jahren der legendäre Informatiker Alan Kay. Das ist unsere Mission.

    Deutsche Automobilhersteller und Zulieferer ent- wickeln alternative Antriebe, vernetzte Autos und automatisierte Fahrfunktionen; sie erfinden intelligente Lösungen für urbane Mobilität. Wir erleben eine Entwicklung, die man „Zukunft – Made in Germany“ nennen könnte. Also die nachhaltige Neuerfindung der Individualmobilität mit den Mitteln der Ingenieurs- kunst. Zugegeben: Die Automobilindustrie hat zuletzt nicht immer das beste Bild abgegeben. Die Debatten der letzten Monate haben Vertrauen gekostet. Zweifel an der Dieseltechnologie sind aufgekommen und damit auch Zweifel an der Zukunftsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie.

    Mit der Initiative „Mobilität von morgen“ wollen wir zeigen, an welchen spannenden Innovationen wir arbeiten. Dahinter stehen die folgenden Mitglieds-

    unternehmen des Verbandes der Automobilindustrie (VDA): Audi, BMW, Bosch, Continental, Ford, Mercedes-Benz, Opel, Porsche, Volkswagen und ZF Friedrichshafen.

    Auf einer gemeinsamen Plattform zeigen wir span-nende Projekte deutscher Hersteller und Zulieferer, lassen Experten zu Wort kommen und gehen auf Entdeckungstour durch die Entwicklungsabteilungen, Think-Tanks und Testlabore.

    Begleiten Sie uns auf dieser spannenden Reise?

    Web: www.mobilitaet-von-morgen.de Twitter: @mobilmorgen

    Verlässliche Rahmenbedingungen

    Hersteller und Nutzer automatisierter Fahrzeuge sind auf einen verlässlichen normativen Rahmen angewiesen. Auto- matisierte Fahrfunktionen können nur sinnvoll entwickelt werden, wenn ersichtlich ist, welche rechtlichen Anfor-derungen erfüllt werden müssen. Ebenso muss für den Autofahrer erkennbar sein, welche Verhaltensanforder- ungen bei Verwendung eines bestimmten automatisierten Systems zu beachten sind. Dabei muss in der juristischen Auseinandersetzung nicht zwischen den technischen Automatisierungsstufen unterschieden werden, sondern danach, ob ein Fahrer existiert, der teilweise die Fahrauf-gabe übernehmen muss oder kann (automatisierte Systeme) oder ob der Fahrer nur Passagier ist beziehungsweise ob es gar keinen Fahrer gibt (autonome Systeme). Und nicht zuletzt muss klar sein, wer für die im Betrieb auftretenden Schäden einzustehen hat, sollten diese trotz aller Sicher-heitsvorkehrungen in seltenen Fällen auftreten.

    Entscheidend sind danach Änderungen des Straßen-verkehrsrechts (StVG) zum Fahrlässigkeitsmaßstab, zum führerlosen Parken und zum Datenspeicher. Dabei sind in der Praxis insbesondere zwei Punkte relevant: Zum einen – wie auch von der Bundesregierung in ihrer Strategie zum automatisierten und vernetzten Fahren von 2015 ange- sprochen – ist zu regeln, dass die ordnungsgemäße Nutzung automatisierter, vernetzter und autonomer Fahr-zeuge für sich gesehen keinen Gesetzesverstoß für den Fahrer begründet und ihn nicht dem Vorwurf von Sorgfalts- pflichtverletzungen im Straßenverkehr aussetzt. Der zweite Komplex sind der Sorgfaltsrahmen während der auto-

    matisierten Fahrt und damit auch die Möglichkeiten für so-genannte Nebentätigkeiten, denen ein Fahrer bei Nutzung automatisierter Systeme in seinem Fahrzeug nachgehen kann. Die erforderliche Änderung des StVG sollte auch regeln, inwieweit das Fahrzeug für eine bestimmte Zeit die Kontrolle übernehmen darf. Aus Sicht des VDA emp-fiehlt es sich in diesem Zusammenhang die gesetzliche Einführung eines Datenspeichers für das automatisierte Fahren auf den Weg zu bringen. Dieser zeichnet auf, wann das System aktiv war und wann der Fahrer das Fahrzeug gesteuert hat.

    Leitlinien für Risikosituationen

    Um auch moralische Fragen bei der Einführung des auto- matisierten Fahrens abzuklären, hat der Bundesverkehrs-minister zu Recht eine Ethikkommission eingesetzt. Deren Ziel ist die Festlegung von Leitlinien für die Programmie-rung automatisierter Fahrsysteme in Risikosituationen. Es ist ohne Frage richtig, dass hierbei besonders zwei Grundsätze gelten müssen: Sachschäden sind Personen-schäden vorzuziehen und ein Fahrzeug darf mögliche Un-fallopfer nicht klassifizieren, etwa nach Größe oder Alter.

    Sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Zu- lassung und Nutzung solcher automatisierten Fahrfunkti-onen in naher Zukunft geschaffen, hat das automatisierte und später auch das autonome Fahren viel Potenzial, die Verkehrssicherheit und den Verkehrsfluss weiter zu verbessern. Daher ist langfristig von einem Rückgang der Schadens- und Haftungsfälle insgesamt auszugehen.

  • POLITIKBRIEF 02/2016 INFORMATIONSDIENST FÜR ENTSCHEIDER IN POLITIK UND WIRTSCHAFT 6

    Auf dem Prüfstand – die Fahrzeugzulassung in der Europäischen Union

    Ob Sicherheitsvorschriften oder Emissionsgrenzwerte – ein Fahrzeug muss zahlreiche gesetzliche Regelungen erfüllen, damit es auf dem europäischen Markt ver-kauft werden kann. Nun soll das Prüfverfahren, das neue Fahrzeugmodelle für ihre Zulassung durchlaufen müssen, grundlegend überarbeitet werden. Dazu hat die EU-Kommission im Januar 2016 ihre Vorschläge vorge-legt. Die deutsche Automobilindustrie unterstützt das Ziel, die Transparenz und die Integrität des Zulassungs- verfahrens zu stärken. Zusätzliche bürokratische Struk-turen und damit verbundene Kosten sollten jedoch möglichst vermieden werden.

    Das heutige Verfahren

    Nationale Genehmigungsbehörden – wie das Kraftfahrt- Bundesamt in Deutschland – erteilen einem Fahrzeug-modell die Typgenehmigung, wenn es die geltenden technischen Anforderungen erfüllt. So muss sich ein Pkw beispielsweise bei einem Frontalaufprall bewähren, das Bremssystem einschließlich des ABS muss funktionieren und natürlich müssen die geltenden Abgasvorschriften eingehalten werden. Auch für bestimmte Bauteile wie die Scheinwerfer gibt es gesetzliche Vorgaben.

    Die Konformität prüfen unabhängige Technische Dienste (zum Beispiel TÜV oder Dekra), die von der Genehmi-gungsbehörde autorisiert sind. Sobald sämtliche Einzel-genehmigungen nach erfolgreicher Typprüfung vorliegen, kann als Gesamtergebnis die sogenannte EU-Typgeneh-migung beantragt werden. Wird sie erteilt, muss der Her-steller für jedes produzierte Fahrzeug ein Konformitäts- zertifikat erstellen („Certificate of Conformity“, COC), mit dem das Fahrzeug dann in allen EU-Mitgliedsstaaten für

    den Straßenverkehr zugelassen werden kann. Der Her-steller hat also dafür Sorge zu tragen, dass alle von ihm gefertigten Fahrzeuge oder Fahrzeugteile dem geneh-migten Typ entsprechen.

    Die Genehmigungsbehörde führt zusätzliche Überprü-fungen durch. Stellt sie fest, dass ein Fahrzeugtyp die Anforderungen nicht erfüllt, muss der Fahrzeughersteller Maßnahmen erarbeiten, um die Mängel zu beseitigen. Gegebenenfalls muss eine Rückrufaktion erfolgen. Die Typgenehmigung ist gültig, solange keine wesentlichen Änderungen am Fahrzeug oder einem Bauteil vorge-nommen werden.

    Die Vorschläge der EU-Kommission

    Mit ihrem Reformentwurf will die EU-Kommission erreichen, dass die nationalen Typgenehmigungsbehörden die europäischen Vorschriften künftig einheitlicher inter-pretieren. Insbesondere die Marktüberwachung soll gestärkt werden. Vorgeschlagen wird, dass künftig auch die EU-Kommission das Recht erhält, Nachprüfungen durchzuführen und bei festgestellten Verstößen die Typgenehmigung zu entziehen. Die zusätzlichen Über-wachungsmaßnahmen sollen finanziert werden über ein neues nationales Fonds-System, das die Hersteller über Genehmigungsgebühren speisen.

    Ferner soll die Typgenehmigung für das Gesamtfahrzeug, für Systeme und Teile auf fünf Jahre begrenzt werden. Vorgesehen ist schließlich, dass die Software in elekt-ronischen Systemen den Genehmigungsbehörden und Technischen Diensten offengelegt wird. So sollen insbe-sondere Manipulationen unterbunden werden.

  • POLITIKBRIEF 02/2016 INFORMATIONSDIENST FÜR ENTSCHEIDER IN POLITIK UND WIRTSCHAFT 7

    Ein Blick in die Praxis

    Grundsätzlich weisen die Kommissionsvorschläge den Weg in die richtige Richtung. Klar ist: Eine praxistaugliche Weiterentwicklung des Regelwerks bietet die Chance, das Vertrauen der Kunden in ein bewährtes Zertifizie-rungssystem zu stärken. Um dieses gemeinsame Ziel zu erreichen, sollten aber auch die realen technischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge berücksichtigt werden.

    So kollidiert insbesondere die Forderung nach einem automatischen Auslaufen der Typgenehmigung nach fünf Jahren mit der automobilen Realität, denn die Produktionszyklen – bei Pkw und erst recht bei Nutz-fahrzeugen – sind deutlich länger. In diesem Zeitraum können sich die enormen Entwicklungsaufwendungen für moderne Sicherheits- und Umwelttechnik sowie die Investitionen in Fertigungseinrichtungen nicht amortisieren. Folglich entstünde ein neues Hemmnis für Innovationen und Investitionen – und damit für die Wettbewerbsfähig-keit der Automobilindustrie.

    Über das Ziel hinaus schießt auch die Maßgabe der EU-Kommission, dass die CO2-Emissionswerte, die auf dem Prüfstand über das WLTP-Verfahren ermittelt werden, ebenso für den praktischen Fahrbetrieb repräsentativ sein sollen. Hier spielen allerdings äußere Einflüsse, die Fahrweise und das Streckenprofil eine ganz entscheidende Rolle. Etwaige CO2-Vergleiche sind folglich wenig aussagekräftig und erhöhen zwangsläufig die Verunsicherung – zumal es für die CO2-Emissionen keine absoluten Grenzwerte gibt.

    Ein weiterer sensibler Punkt ist der Know-how-Schutz, der natürlich aus Wettbewerbsgründen zwingend zu gewährleisten ist. Wichtig ist, die Marktüberwachung transparent und ausgewogen durchzuführen und zu finanzieren. Eine neue Gebührenordnung sollte den Wettbewerb zwischen den Prüfstellen nicht unnötig einschränken. Vielmehr sollte das Spezialwissen, das für bestimmte Prüftätigkeiten erforderlich ist, maßgeb-lich bleiben. Die sogenannten „Third-Party-Labore“ können auch künftig einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Engpässe an Prüfstandskapazitäten und damit eventuelle Produktionsverzögerungen zu vermeiden. Für kleine Serien, Einzelgenehmigungen oder auch auslaufende Serien sollten angemessene Vorgaben gefunden werden.

  • POLITIKBRIEF 02/2016 INFORMATIONSDIENST FÜR ENTSCHEIDER IN POLITIK UND WIRTSCHAFT 8

    Die Digitalisierung hat erheblichen Einfluss auf die Auto-mobilindustrie: durch neue Mobilitätsdienste, durch das vernetzte und automatisierte Fahren oder in der Produk-tion unter dem Stichwort „Industrie 4.0“. Die Automobil-industrie stellt sich auch auf neue Akteure in der Wert-schöpfungskette ein.

    Dazu gehören junge, kreative Software- und Digital- Start-ups. Schon heute arbeiten Hersteller und Zulieferer mit vielen dieser Unternehmen intensiv zusammen, um deren Innovationen zu nutzen. Außerdem gilt es, Start-ups zu fördern und zu unterstützen und so den Innovations- standort Deutschland zu stärken.

    Kooperation von VDA und Start-up-Verband

    Um diese Zusammenarbeit weiter zu forcieren, hat der Verband der Automobilindustrie (VDA) mit verschiedenen Projekten und Initiativen eine neue Plattform für den Austausch zwischen Automobilindustrie und Start-ups geschaffen. Dazu hat der VDA seine Strukturen für Start-ups als Mitglieder geöffnet: Mit dem Berliner Unternehmen „ally“ wurde erstmals ein Mobilitäts- Start-up VDA-Mitglied. Das ist nur der Anfang. Außer-dem trat der Bundesverband Deutsche Startups (BVDS) bei. Der VDA wurde seinerseits auch Mitglied des Start-up-Verbands. Beide Verbände binden sich künftig gegenseitig in die Verbands- und Gremienstrukturen ein.

    VDA und BVDS begleiten damit einen Weg, den Her-steller und Zulieferer vermehrt gehen. Die Gründungen von unternehmenseigenen Inkubatoren, „Data Labs“ und „Innovation Hubs“, zeigen: Industrieunternehmen beziehen Start-ups mehr und mehr in ihre Innovations-strategie ein. Diese Zusammenarbeit mit Start-ups kann mehrere Ebenen umfassen: vom gemeinsamen Evaluieren von Produktideen, über die Entwicklung von Prototypen bis zu Kooperationen, in denen die Unternehmen Kunden von Start-ups werden. Auch Beteiligungen an oder Über- nahmen von Start-ups werden immer häufiger.

    Automobilindustrie forciert Zusammenarbeit mit Start-ups

    Nach einer Studie der Unternehmensberatung Accenture aus dem Jahr 2015 bestehen für die deutsche Industrie Umsatzpotenziale von rund 100 Milliarden Euro aus der Kooperation mit Start-ups bis 2020.

    Notwendige Rahmenbedingungen

    Die Zusammenarbeit zwischen Start-ups und Industrie erfordert allerdings noch innovationsfreundlichere Rahmenbedingungen in Deutschland. Der Rechtsrahmen muss der Agilität und Geschwindigkeit von Innovation Rechnung tragen und gleichzeitig hinreichende Sicher-heit für die Menschen und Bewahrung legitimer Strukturen bieten. Auch auf das Investitionsklima kommt es an. Deutschland sollte sich das Ziel setzen, das bevorzugte Land für Start-ups zu werden, inklusive optimaler Be- dingungen für die Finanzierung mit Wagniskapital. FürMobilitäts-Start-ups ebenso wie für etablierte Unternehmen ist die Ausstattung von staatlicher Infrastruktur mit moderner Kommunikationstechnologie zum Beispiel an Ampeln und Verkehrsschildern so wichtig wie der zügige Breitbandausbau. Darüber hinaus müssen rasch die recht-lichen und politischen Voraussetzungen für vernetztes und automatisiertes Fahren geschaffen werden. Deutsch-land kann hier Technologieführer werden, wenn die neuen Fahrzeuge so früh wie möglich auf die Straße können. Dann können Start-ups und Industrie gemeinsam dafür sorgen, dass Mobilitätstechnologie „Made in Germany“ auch weiter Maßstäbe in der Welt setzt.

  • POLITIKBRIEF 02/2016 INFORMATIONSDIENST FÜR ENTSCHEIDER IN POLITIK UND WIRTSCHAFT 9

    Auslandsaktivitäten der deutschen Zulieferer – Globalisierungstrend setzt sich fort

    Nordamerika

    336139

    433

    Europa (ohne D)

    675

    440

    941

    Afrika

    5461 69

    Asien

    371220

    624

    Quelle: VDA1996 20152010

    Australien/Ozeanien

    1112 13

    Südamerika

    11079 132

    Kfz-Zulieferer (Herstellergruppe III)Ausbau von Auslandsstandorten seit 1996

    Regelmäßig befragt der VDA seine Mitgliedsunternehmen über deren Auslandsaktivitäten, Produktionsstandorte sowie die vor Ort gefertigten Produkte. Die jüngst durch-geführte Umfrage bestätigt den Trend der zunehmenden Internationalisierung insbesondere in der Zulieferindustrie. Im Jahr 2015 wurden fast zehn Millionen Fahrzeuge von deutschen Automobilkonzernen im Ausland produziert. Ohne die Zulieferindustrie, die den Herstellern bei der Globalisierung folgt, wäre dieser Erfolg nicht möglich.

    Während von 2010 bis 2015 die Auslandsstandorte der Automobilhersteller um 80 Prozent gewachsen sind, haben die Zulieferer im gleichen Zeitraum um 130 Prozent zuge-legt. Dies belegt zweierlei: erstens, dass es die deutsche Zulieferindustrie schafft, schnell und flexibel den Stand-ortverschiebungen der Automobilhersteller zu begegnen und zweitens, dass sie ihre Auftraggeber zunehmend global akquiriert.

    Eine Studie aus dem Frühsommer 2016, die der VDA gemeinsam mit dem Center of Automotive Management

    (CAM) durchgeführt hat, zeigt auf, dass deutsche wie ausländische Automobilhersteller noch überwiegend mit heimischen Zulieferern zusammenarbeiten, wenn sie Innovationen in den Markt bringen. Jedoch löst sich diese feste Bindung vor allem in der Zusammenarbeit bei Themen rund um die Digitalisierung und Automatisierung mehr und mehr auf.

    In dieser Entwicklung liegen Chancen und Risiken zu-gleich. Die weitreichende Internationalisierung ermöglicht es den deutschen Zulieferern, neues Wissen und damit neue Produkte zu konzipieren, mit denen sie für den globalen Wettbewerb gut gerüstet sind. Der Langzeittrend seit 1996 zeigt zudem, dass es trotz des massiven Ausbaus von Auslandsstandorten noch zu keinem signifikanten Abbau von Produktionsstätten im Inland gekommen ist. Vielmehr kann man anhand der vorliegenden Zahlen bis heute ein positives Fazit ziehen: Die Internationalisierung macht die Zulieferer wettbewerbsfähiger und stützt die Beschäftigung an den inländischen Standorten.

  • POLITIKBRIEF 02/2016 INFORMATIONSDIENST FÜR ENTSCHEIDER IN POLITIK UND WIRTSCHAFT 10

    Impressum

    Herausgeber Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA) Behrenstraße 35, 10117 Berlin www.vda.de

    Copyright Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA)

    Verantwortlich Dr. Kay Lindemann [email protected]

    Redaktion Dr. Christoph Muhle, Angela Pasch Politische Kommunikation [email protected], [email protected]

    Mitarbeiter dieses Sandra Courant, Hans-Thomas Ebner, Marko Gustke, Politikbriefes Serena Klein, Dr. Martin Koers, André Kunkel, Peter Mair, Jens Stuhr

    Satz/Layout DANGEROUS. Werbeagentur GmbH

    Stand November 2016

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