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Fachthemen DOI: 10.1002/stab.201410197 614 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 83 (2014), Heft 9 In DIN EN 1993-1-8 steht mit der Komponentenmethode ein Ver- fahren zur Bemessung von Anschlüssen zur Verfügung, dessen Möglichkeiten von der Praxis u. a. wegen der aufwändigen Heran- gehensweise zurzeit noch wenig genutzt werden. Es besteht mit der Methode die Chance, Eigenschaften der Anschlüsse wie Trag- fähigkeit und Duktilität gezielt einzustellen. Allerdings fehlen zur- zeit im Konzept noch bestimmte Duktilitätskriterien, auch werden hier für duktile Anschlüsse nicht alle Trageffekte berücksichtigt. Das Entscheidende am Anschluss für die Duktilität und Tragfähig- keit ist das Zusammenspiel zwischen Stirnplatten- bzw. Stützen- flanschtragfähigkeit und Schraubentragfähigkeit. Die Stirnplatte bzw. der Stützenflansch müssen dabei eine hohe Verformungska- pazität bereithalten, um große Knotenrotationen zu ermöglichen und die Schrauben dürfen nicht vorzeitig versagen. Durch große Verformungen der Stirnplatte trägt diese nicht mehr nur über reine Biegetragwirkung ab, sondern zusätzlich über Membrantragwir- kung. Die Tragfähigkeit der Stirnplatte ist dadurch deutlich größer als unter reiner Biegetragwirkung. Die Verformung der Stirnplatte verursacht allerdings eine zusätzliche Biege- und Querkraftbean- spruchung der Schrauben. Das hier vorgestellte vereinfachte Bemessungsverfahren für ge- schraubte Stirnplattenanschlüsse ermittelt die Momententragfä- higkeit des Anschlusses in Abhängigkeit von der mittels eines Knotenkorrekturfaktors modifizierten Schraubenzugtragfähigkeit und des inneren Hebelarms. Der Knotenkorrekturfaktor berück- sichtigt dabei alle auf die ungestörte Schraubenzugtragfähigkeit ungünstig wirkenden Effekte am Anschluss. Des Weiteren wurde für das Verfahren ein Anwendungs- bzw. Gültigkeitsbereich er- arbeitet, um die maßgebenden Komponenten am Anschluss zu steuern. Zur Sicherstellung der Duktilität des Anschlusses wur- den zudem Duktilitätskriterien entwickelt. Mit Hilfe des neuen Be- messungsverfahrens können voll- und teiltragfähige Anschlüsse nun in wenigen Schritten mit ausreichender Duktilität und Tragfä- higkeit dimensioniert werden. Simplified design method for bolted partial-strength joints. The component method in DIN EN 1993-1-8 is a tool for designing joints which is at the moment not adequately utilized in practice due among others to the complex design procedure. The method how- ever offers the possibility to design joints for high resistance and ductility in a targeted way. But for ductile joints the method lacks more detailed ductility criteria and does not consider all carrying effects. The decisive factor for the ductility and bearing capacity of the con- nection is the interaction between endplate capacity (or column flange capacity) and bolts capacity. The endplate and the column flange have to sustain a high deformation capacity to allow large joint rotations and the bolts should not fail prematurely. By large Vereinfachtes Bemessungsverfahren geschraubter teiltragfähiger Stahl- und Verbundknoten Herrn Prof. Dr. Mario Fontana zur Vollendung seines 60. Lebensjahr gewidmet Lars Rölle Ulrike Kuhlmann deformations the endplate does not only develop pure bending, but also membrane effects. The load capacity of the endplate is therefore higher than resulting from pure bending load effect. But the deformations of the endplate also cause additional bending and shearing of the bolts. The simplified design method for bolted joints presented here de- termines the moment resistance of the joint based on the tensile capacity of the bolts modified by a connection correction factor and the inner lever arm. The connection correction factor consid- ers all unfavorable effects on the pure tensile capacity of the bolts which might occur at the joint. Furthermore, an application range has been defined for the method to control the relevant compo- nents at the joint. To ensure sufficient ductility of the joint additional ductility criteria have been developed. The new design method can now be used to dimension full and partial-strength joints with high resistance and ductility in only a few calculation steps. 1 Einfluss der Anschlussausbildung im System Rahmenkonstruktionen in der Stahl- und Verbundbau- weise konkurrieren im Hochbau (z. B. Parkhausbau, Hoch- hausbau) mit der Massivbauweise. Typisches und entschei- dendes Element der Rahmenkonstruktionen, bestehend aus Stützen und Riegeln, ist die Stützen-Riegel-Verbindung – der Anschluss. Die Wahl des Anschlusses entscheidet hier- bei nicht nur über die Anwendbarkeit der zur Verfügung stehenden Berechnungsverfahren und im Weiteren über Herstellkosten und Montagefreundlichkeit, also über die Wirtschaftlichkeit der gesamten Verbundkonstruktion, sondern auch über die Redundanz der globalen Tragstruk- tur. Die Ausbildung der Anschlüsse in Stahl-Verbundtrag- werken stellt demnach eine Schlüsselposition dar und ist ein entscheidender Faktor, der den architektonischen An- spruch, die Wirtschaftlichkeit aber auch die Robustheit als Eigenschaft der Tragstruktur beeinflusst. Dabei wird der Anschluss nicht mehr nur als Schnittstelle zwischen zwei Bauteilen begriffen, sondern wird zu einem eigenständigen Bauteil im statischen System. Diese Vorgehensweise bietet dem Tragwerksplaner größere Einflussmöglichkeiten für eine wirtschaftliche und zuverlässigere Bemessung des Tragwerks, aber auch die Möglichkeit zur Erhöhung der Strukturredundanz. Mit zuverlässigerer Bemessung sind hier die Idealisie- rung der Knotenpunkte in der statischen Berechnung und die zugehörige spätere konstruktive Umsetzung gemeint.

Vereinfachtes Bemessungsverfahren geschraubter teiltragfähiger Stahl- und Verbundknoten

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Fachthemen

DOI: 10.1002/stab.201410197

614 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 83 (2014), Heft 9

In DIN EN 1993-1-8 steht mit der Komponentenmethode ein Ver-fahren zur Bemessung von Anschlüssen zur Verfügung, dessen Möglichkeiten von der Praxis u. a. wegen der aufwändigen Heran-gehensweise zurzeit noch wenig genutzt werden. Es besteht mit der Methode die Chance, Eigenschaften der Anschlüsse wie Trag-fähigkeit und Duktilität gezielt einzustellen. Allerdings fehlen zur-zeit im Konzept noch bestimmte Duktilitätskriterien, auch werden hier für duktile Anschlüsse nicht alle Trageffekte berücksichtigt.Das Entscheidende am Anschluss für die Duktilität und Tragfähig-keit ist das Zusammenspiel zwischen Stirnplatten- bzw. Stützen-flanschtragfähigkeit und Schraubentragfähigkeit. Die Stirnplatte bzw. der Stützenflansch müssen dabei eine hohe Verformungska-pazität bereithalten, um große Knotenrotationen zu ermöglichen und die Schrauben dürfen nicht vorzeitig versagen. Durch große Verformungen der Stirnplatte trägt diese nicht mehr nur über reine Biegetragwirkung ab, sondern zusätzlich über Membrantragwir-kung. Die Tragfähigkeit der Stirnplatte ist dadurch deutlich größer als unter reiner Biegetragwirkung. Die Verformung der Stirnplatte verursacht allerdings eine zusätzliche Biege- und Querkraftbean-spruchung der Schrauben. Das hier vorgestellte vereinfachte Bemessungsverfahren für ge-schraubte Stirnplattenanschlüsse ermittelt die Momententragfä-higkeit des Anschlusses in Abhängigkeit von der mittels eines Knotenkorrekturfaktors modifizierten Schraubenzugtragfähigkeit und des inneren Hebelarms. Der Knotenkorrekturfaktor berück-sichtigt dabei alle auf die ungestörte Schraubenzugtragfähigkeit ungünstig wirkenden Effekte am Anschluss. Des Weiteren wurde für das Verfahren ein Anwendungs- bzw. Gültigkeitsbereich er-arbeitet, um die maßgebenden Komponenten am Anschluss zu steuern. Zur Sicherstellung der Duktilität des Anschlusses wur-den zudem Duktilitätskriterien entwickelt. Mit Hilfe des neuen Be-messungsverfahrens können voll- und teiltragfähige Anschlüsse nun in wenigen Schritten mit ausreichender Duktilität und Tragfä-higkeit dimensioniert werden.

Simplified design method for bolted partial-strength joints. The component method in DIN EN 1993-1-8 is a tool for designing joints which is at the moment not adequately utilized in practice due among others to the complex design procedure. The method how-ever offers the possibility to design joints for high resistance and ductility in a targeted way. But for ductile joints the method lacks more detailed ductility criteria and does not consider all carrying effects.The decisive factor for the ductility and bearing capacity of the con-nection is the interaction between endplate capacity (or column flange capacity) and bolts capacity. The endplate and the column flange have to sustain a high deformation capacity to allow large joint rotations and the bolts should not fail prematurely. By large

Vereinfachtes Bemessungsverfahren geschraubter teiltragfähiger Stahl- und VerbundknotenHerrn Prof. Dr. Mario Fontana zur Vollendung seines 60. Lebensjahr gewidmet

Lars RölleUlrike Kuhlmann

deformations the endplate does not only develop pure bending, but also membrane effects. The load capacity of the endplate is therefore higher than resulting from pure bending load effect. But the deformations of the endplate also cause additional bending and shearing of the bolts.The simplified design method for bolted joints presented here de-termines the moment resistance of the joint based on the tensile capacity of the bolts modified by a connection correction factor and the inner lever arm. The connection correction factor consid-ers all unfavorable effects on the pure tensile capacity of the bolts which might occur at the joint. Furthermore, an application range has been defined for the method to control the relevant compo-nents at the joint. To ensure sufficient ductility of the joint additional ductility criteria have been developed. The new design method can now be used to dimension full and partial-strength joints with high resistance and ductility in only a few calculation steps.

1 Einfluss der Anschlussausbildung im System

Rahmenkonstruktionen in der Stahl- und Verbundbau-weise konkurrieren im Hochbau (z. B. Parkhausbau, Hoch-hausbau) mit der Massivbauweise. Typisches und entschei-dendes Element der Rahmenkonstruktionen, bestehend aus Stützen und Riegeln, ist die Stützen-Riegel-Verbindung – der Anschluss. Die Wahl des Anschlusses entscheidet hier-bei nicht nur über die Anwendbarkeit der zur Verfügung stehenden Berechnungsverfahren und im Weiteren über Herstellkosten und Montagefreundlichkeit, also über die Wirtschaftlichkeit der gesamten Verbundkonstruktion, sondern auch über die Redundanz der globalen Tragstruk-tur. Die Ausbildung der Anschlüsse in Stahl-Verbundtrag-werken stellt demnach eine Schlüsselposition dar und ist ein entscheidender Faktor, der den architektonischen An-spruch, die Wirtschaftlichkeit aber auch die Robustheit als Eigenschaft der Tragstruktur beeinflusst. Dabei wird der Anschluss nicht mehr nur als Schnittstelle zwischen zwei Bauteilen begriffen, sondern wird zu einem eigenständigen Bauteil im statischen System. Diese Vorgehensweise bietet dem Tragwerksplaner größere Einflussmöglichkeiten für eine wirtschaftliche und zuverlässigere Bemessung des Tragwerks, aber auch die Möglichkeit zur Erhöhung der Strukturredundanz.

Mit zuverlässigerer Bemessung sind hier die Idealisie-rung der Knotenpunkte in der statischen Berechnung und die zugehörige spätere konstruktive Umsetzung gemeint.

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L. Rölle/U. Kuhlmann · Vereinfachtes Bemessungsverfahren geschraubter teiltragfähiger Stahl- und Verbundknoten

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kann die Riegeltragfähigkeit nur teilweise ausgenutzt wer-den. Damit erreicht System 3, bei gleicher Knotentragfähig-keit aber verformungsarmem Knoten, eine deutlich kleinere Systemtragfähigkeit als System 2 mit duktilem teiltragfähi-gem Knoten und sogar eine kleinere Systemtragfähigkeit als System 1 mit gelenkigem Knoten. Durch die Ausbildung einer duktilen Stirnplatte in System 2 verfügt der Anschluss über die Eigenschaft, lokal große Verformungen bereitzustel-len. Dadurch kann er hohe Rotationskapazitäten vorhalten und damit neben der Knotentragfähigkeit auch die volle Riegeltragfähigkeit aktivieren. Durch das Zusammenspiel von Knoten, Riegel und Stütze beeinflusst das Knotentrag-verhalten das globale Systemverhalten. Zur gleichmäßigen Aktivierung aller Bauteile ist eine Umlagerung der Schnitt-größen nötig und diese lässt sich nur durch duktiles Verhal-ten, vor allem ein duktiles Knotenverhalten, erreichen.

Eine wirtschaftlich optimierte Berechnung versucht die Einspanneffekte, also die Anschlussmomententragfähig-keit bei der Auslegung der Tragstruktur zu berücksichtigen. Mit minimalem Mehraufwand lässt sich ein idealisiert ge-lenkiger Anschluss so ausbilden, dass die Momententrag-fähigkeit bei 15 bis 40 % der Riegeltragfähigkeit liegt. So-mit wird die Tragfähigkeit des Systems = Riegel + Knoten entsprechend gesteigert. Dies führt zur Aufnahme höherer Lasten oder bei gleicher Last zu kleineren Riegelprofilen.

Der oft verwendete idealisiert gelenkige Schraubanschluss hat tatsächlich meist ungewollte Einspanneffekte. Zur Ver-meidung einer Überlastung müssen deshalb ausreichend Umlagerungsmöglichkeiten und Verdrehbarkeit gewähr-leistet sein. Dabei kann das Potenzial teiltragfähiger An-schlüsse von zwei unterschiedlichen Seiten beleuchtet wer-den, die tendenziell in einem gewissen Widerspruch zu-einander stehen: zum einen die Systemoptimierung, die darauf abzielt, die einzelnen Bauteilwiderstände noch ef-fektiver auszunutzen, und zum anderen das Ziel, ein Trag-system mit ausreichend Tragreserven auszubilden, das möglichst unempfindlich auf lokale Schädigungen wie Ausfall einer Stütze durch Anprall, Explosion oder Brand reagiert (s. [10]). Die Herausforderung ist, einen ausgewo-genen Mittelweg zu finden, der beiden genannten Aspek-ten gerecht wird. Hier liegt die große Chance der teiltrag-fähigen duktilen Knoten.

Bild 1 zeigt anschaulich, wie die Art des geschraubten Stirnplattenanschlusses die Systemtragfähigkeit beeinflussen kann. Die dicke Stirnplatte des Systems 3 ermöglicht keiner-lei Umlagerung der Schnittgrößen in den Feldbereich, da der Knoten ein absolut verformungsarmes Verhalten aufweist und sich durch sprödes Schraubenversagen auszeichnet. Bei elastischer Schnittgrößenverteilung fällt das Stützmoment betragsmäßig größer aus als das Feldmoment. Infolgedessen

Bild 1. Abhängigkeit der Systemtragfähigkeit von der Art des geschraubten Stirnplattenanschlusses [10]Fig. 1. Load capacity of the structural system depending on the design of the bolted endplate connection

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L. Rölle/U. Kuhlmann · Vereinfachtes Bemessungsverfahren geschraubter teiltragfähiger Stahl- und Verbundknoten

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der Grundannahme aus, dass die Schraubentragfähigkeit maßgebend für die Anschlusstragfähigkeit ist. Das bedeu-tet, dass anhand eines Anwendungs- bzw. Gültigkeitsberei-ches sicherzustellen ist, dass tatsächlich die Schraube die schwächste Komponente am Anschluss darstellt. Für die Stirnplatten- und Stützenflanschtragfähigkeit waren in die-sem Modell zudem Verfestigungs- bzw. Überfestigkeitsef-fekte zu berücksichtigen. Desweiteren sollte das verein-fachte Bemessungsmodell für verformungsarme wie auch duktile Anschlüsse anwendbar sein und eine zufriedenstel-lende Genauigkeit erreichen. Nach dem ausführlichen Ver-fahren der Komponentenmethode in DIN EN 1993-1-8 [3] müssen zunächst alle Komponententragfähigkeiten be-rechnet und anschließend die kleinste maßgebende Kom-ponente bestimmt werden, um dann die plastische Mo-mententragfähigkeit des Anschlusses zu ermitteln. Da am Anschluss eine Vielzahl von Komponenten vorliegt, ist die händische Durchführung dieser Prozedur recht aufwändig. Des Weiteren besteht die Problematik, dass z. B. durch das gewählte Stützenprofil unter Umständen nicht die Stirn-platte auf Biegung die schwächste Komponente ist. Nach Wahl einer neuen Stirnplatte müsste die Prozedur wieder-holt werden, was zusätzlichen Arbeitsaufwand bedeutet. Dieser wird durch das neue Vorgehen mittels steuernder geometrischer Kriterien vermieden.

Der Grundgedanke des entwickelten Modells zur Be-stimmung der Momententragfähigkeit geschraubter Stirn-plattenanschlüsse beruht auf dem Ansatz Moment = Kraft × Hebelarm, d. h. die ansetzbare Schraubenzugkraft wird mit ihrem Hebelarm multipliziert (s. Bild 2). Die Momen-tentragfähigkeit an sich kann dann in drei Rechenschritten bestimmt werden. Zunächst wird die ungestörte Schrau-benzugkraft nach Tabelle 3.4 in DIN EN 1993-1-8 [3] be-rechnet. Anschließend wird im zweiten Schritt ein Knoten-korrekturfaktor ermittelt, der die Randbedingungen am Knoten und deren abmindernde Effekte, wie Schrauben-biegung und Abstützkräfte, auf die ungestörte Schrauben-zugtragfähigkeit berücksichtigt. Zum Schluss kann das Tragmoment des Knotens über das Produkt von Schrau-benzugkraft, Abminderungsfaktor und innerem Hebelarm berechnet werden. Begleitend zum Tragmodell, wird auch

Andererseits erlaubt die Ausbildung von teiltragfähi-gen duktilen Knoten, die im System vorhandenen Tragreser-ven durch eine Umlagerung der Schnittgrößen zu mobilisie-ren. Verformbare, teiltragfähige Anschlüsse in der Stahl- oder auch Verbundrahmenbauweise erlauben somit gegenüber gelenkigen Anschlüssen die Ausbildung von redundanter globaler Tragstruktur ([5], [6], [7], [10]). Die Forderungen in DIN EN 1990 [1] und DIN EN 1991-1-7 [2] hinsichtlich der Zuverlässigkeit von Tragwerken führen dazu, dass zu-künftig bei Gebäuden höherer Schadensfolgeklassen ein statisch bestimmtes Tragsystem nicht mehr genügt. Da die statische Bestimmtheit oder Unbestimmtheit maßgeblich durch die bauliche Durchbildung der Knoten beeinflusst wird, sind teiltragfähige Knoten gegenüber gelenkigen Knoten deutlich im Vorteil. Indirekte Entwurfskriterien, die die Ausbildung teiltragfähiger robuster Knoten erleich-tern, wären für die tägliche praktische Anwendung hilf-reich, sind aber bisher nicht vorhanden.

Bisher ist die Anwendung teiltragfähiger Stahl- und Verbundknoten in der Praxis noch relativ selten, was dem Mehraufwand in der Planungsphase sowie der schwierigen Herangehensweise bei Verwendung solcher Anschlüsse geschuldet sein dürfte. Das Werkzeug zur Bemessung und Konstruktion dieser Knoten, die Komponentenmethode, ist nach dem Baukastenprinzip logisch aufgebaut, d. h. eine Vielzahl an Stahl- und Verbundkomponenten sind verfüg-bar, um das Tragverhalten der gängigen geschraubten und geschweißten Stützen-Riegel-Verbindungen zu bemessen. Abschreckend für den erstmaligen Anwender mag die Aus-führlichkeit der Komponentenmethode sein. Ein paralleles vereinfachtes Bemessungsverfahren, das einen Großteil der Anschlussvariationen abdeckt, würde sicherlich auch für mehr Akzeptanz der teiltragfähigen Anschlüsse in der Praxis sorgen.

2 Ableitung eines vereinfachten Modells zur Bestimmung der Knotentragfähigkeit

2.1 Allgemeines

Das in [8] und [11] entwickelte vereinfachte Bemessungs-modell geschraubter Stirnplattenverbindungen geht von

Bild 2. Mechanisches Modell zur Bestimmung der KnotentragfähigkeitFig. 2. Mechanical model for determination of the joint resistance

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noch die Überprüfung eines Anwendungsbereiches sowie die Einhaltung so genannter Duktilitätskriterien vom An-wender abverlangt.

2.2 Duktilitätskriterien

Das entwickelte vereinfachte Bemessungsverfahren für ge-schraubte Stirnplattenanschlüsse im Stahl- und Verbundbau ist gültig, solange die Zugzone des Anschlusses für das Ver-sagen maßgebend ist. Grundsätzlich lassen sich beim Versa-gen von Stirnplattenanschlüssen im Zugbereich drei Versa-gensarten nach der Definition auch von DIN EN 1993-1-8 [3] unterscheiden (vgl. Bild 3): Modus 1 zum Beispiel infolge Durchstanzen der Schraube durch die dünne Stirnplatte, Modus 3 als reines verformungsarmes Schraubenversagen und Modus 2 als Mischversagen mit Plastizierung der Stirn-platte, aber letztendlich doch einem Schraubenversagen.

Für die Zugzone des Stahlanschlusses und die dort definierte Komponente des T-Stummels sollte möglichst der Versagensmodus 2 oder 3 versagensbestimmend sein, um Schraubenversagen zu erreichen. Damit sichergestellt ist, dass die T-Stummelkomponente des Anschlusses für die Knotentragfähigkeit maßgebend ist, muss ein bestimm-ter Anwendungs- bzw. Gültigkeitsbereich des Verfahrens eingehalten werden. Zur Einschränkung des Versagensmo-

dus der T-Stummelkomponente dienen Duktilitätskriterien. Versagensmodus 3 wäre für die Anwendbarkeit des Verfah-rens unproblematisch, steht aber im Konflikt mit dem an-gestrebten Ziel duktiler Knoten für vollplastische Bemes-sung im Grenzzustand der Tragfähigkeit oder hochduktiler Knoten unter dem Aspekt robuster Rahmentragwerke. Hierfür wurde eine obere Schranke abgeleitet, die den ge-wünschten Versagensmodus 2 zuverlässig von Modus 3 abgrenzt und so für ausreichend Duktilität sorgt. Das bis-her bestehende Duktilitätskriterium in DIN EN 1993-1-8 [3], Kapitel 6.4 wird dadurch erweitert.

Um ein reines Versagen des Bleches, also ein Durch-stanzen auszuschließen, ist eine Mindestblechdicke oder -flanschdicke erforderlich. Zudem hat sich in eigenen Ver-suchen ([5], [8]) herausgestellt, dass bei sehr dünnen Stirn-blechen mit Durchstanzversagen, also Modus 1 mit kreis-förmigem Fließmuster, zwar eine gute Duktilität erzielt wird, aber auch relativ kleine Tragfähigkeiten und sehr geringe Anfangssteifigkeiten. Hohe Duktilität des Knotens kann aber auch im Versagensmodus 2 erzielt werden. Ver-sagensmodus 1 dagegen ist so weder unter dem Gesichts-punkt der Wirtschaftlichkeit noch unter dem Gesichts-punkt der Gebrauchstauglichkeit erstrebenswert.

In Bild 4 ist für den Parameter Stirnplattendicke tEP die Idee der Einführung einer oberen und unteren Schranke

Bild 3. Versagensmodi von geschraubten Stirnplattenanschlüssen im Zugbereich (T-Stummel)Fig. 3. Failure mechanism of the ten-sion zone of bolted endplate connec-tion (T-Stub)

Bild 4. Angestrebter Zielbereich für das T-Stummelversagen in Bezug auf die StirnplattendickeFig. 4. Target area of the T-Stub failure mechanism relating to endplate thick-ness

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zur Sicherstellung des tatsächlichen Versagensmodus 2 an-schaulich aufgezeigt. Für einen vernünftig konstruierten Stahlknoten wird in aller Regel die Stirnplatte immer dün-ner sein als der Stützenflansch und damit auch maßgebend für den Durchstanznachweis. Die Kriterien im Einzelnen sind in [8], [11] hergeleitet worden. Die Zusammenstellung der Duktilitätskriterien ist in Abschnitt 5 aufgeführt.

3 Herleitung eines Knotenkorrekturfaktors3.1 Modell

Das mechanische Modell zur Bestimmung des Tragmomen-tes des Knotens basiert auf der Annahme, dass die Zug-kraftresultierende im Schwerpunkt der Schrauben angreift und die resultierende Druckkraft ihre Lage in der Schwer-linie des Druckflansches hat (vgl. Bild 2). Damit ist der innere Hebelarm klar definiert und anhand der geometri-schen Verhältnisse einfach zu berechnen. Für überstehende Stirnplatten kann bei symmetrischer Anordnung der Zug-schrauben zum Zugflansch des Riegels die Annahme ge-troffen werden, dass sich die Zugkraftresultierende in der Schwerlinie des Zugflansches befindet (s. Bild 2 Mitte).

Betrachtet werden nur symmetrische Schraubenan-ordnungen, wie sie auch den typisierten Anschlüssen [9] zugrunde liegen. Prinzipiell wäre es denkbar, das Modell auch für eine unsymmetrische Anordnung der Schrauben zu erweitern.

Zur Erfassung aller Effekte, die die ungestörte Schrau-benzugtragfähigkeit beeinflussen, wird ein Knotenkorrek-turfaktor eingeführt, der die Zugtragfähigkeit der Schraube je nach Randbedingungen am Knoten unterschiedlich ab-mindert. Das Modell zur Berechnung der Knotenmomen-tentragfähigkeit für reine Stahlknoten mittels vereinfach-tem Verfahren wurde zunächst für den Bruchzustand auf Mittelwertniveau entwickelt und folgt Gl. (1).

M F · k · zj,u t,u j=

(1)

mitFt,u ungestörte Zugkrafttragfähigkeit einer Schraube

(Bruchniveau)kj Knotenkorrekturfaktorz innerer Hebelarm nach Bild 2

Der Herleitung des Modells und der Bestimmung der Kno-tenkorrekturfaktoren liegen sehr umfangreiche numeri-sche Untersuchungen zugrunde. Es wurden insgesamt für 164 Knotentypen mit bündiger Stirnplatte, 68 Knotenty-pen mit überstehender Stirnplatte und ca. 20 T-Stummel Berechnungen durchgeführt [8]. Diese waren durch ausführ-liche Nachrechnungen an experimentellen Ergebnissen (11 Stahlknotenversuche, 5 Verbundknotenversuche und ca. 60 T-Stummelversuche [5]) verifiziert. Maßgebende Pa-rameter waren das Verhältnis von Stirnplatte zu Schrau-bendurchmesser tEP/dB, der horizontale Schraubenab-stand m, der vertikale Schraubenabstand m2, die Stahlgüte und das Verhältnis Blechdicke des Stützenflansches zu Schraubendurchmesser tfc/dB (s. Bild 9). Anschließend wurde anhand eines Vergleichs mit den Ergebnissen der FE-Berechnungen eine statistische Auswertung nach DIN EN 1990 [1] durchgeführt.

Damit das vereinfachte Bemessungsverfahren parallel zum bestehenden Komponentenverfahren in DIN EN 1993-1-8 [3] anwendbar ist, muss das Berechnungsmodell auf plastisches Niveau mit Nennwerten der Festigkeit ad-aptiert werden (s. Gl. (2))

M F · k · · zj,pl,Rd t,Rd j= α

(2)

mitFt,Rd Bemessungswert der Zugkrafttragfähigkeit einer

Schraubea pauschaler Faktor für plastische Knotentragfähigkeit

Die plastische Momententragfähigkeit, bestimmt mit dem vereinfachten Bemessungsverfahren, sollte im Vergleich zum plastischen Knotenmoment nach DIN EN 1993-1-8 [3] Mj,pl,Rd,EC3 keine zu großen Streuungen aufweisen und tendenziell eher leicht auf der sicheren Seite liegen. Des-halb musste noch ein pauschaler Faktor a eingeführt wer-den, um die plastischen Knotentragfähigkeiten des verein-fachten Verfahrens an die Werte nach der Komponenten-methode anzugleichen.

Für Verbundknoten sieht das mechanische Modell des vereinfachten Verfahrens eine Addition der beiden Zug-kraftanteile aus Bewehrung und Stahlteil des Knotens, wie bisher, vor. Unterschied ist nur, dass der Traganteil des Stahlknotens nach Gl. (2) bestimmt wird. Die negative Momententragfähigkeit für Verbundknoten bestimmt sich nach Gl. (3) (vgl. Bild 2 rechts)

M F · k · · z F · zj,pl,Rd t,Rd j 1 T,RFT,Rd 2= α +

(3)

mitFT,RFT,Rd Bemessungswert der Bewehrungszugtragfähigkeit

Mit Hilfe des neuen Modells lassen sich die Knotentragfä-higkeiten sowohl auf plastischem Tragniveau wie auch für den Bruchzustand bestimmen. So kann für Versagensmo-dus 2 (nahe Modus 1) der Stirnplatte oder des Stützenflan-sches zukünftig auch die Grenzmomententragfähigkeit des Knotens Mj,u bestimmt werden, was mit der Komponen-tenmethode bisher nicht möglich ist.

3.2 Knotenkorrekturfaktor für bündige Stirnplatten

Drei Effekte beeinflussen die Knotentragfähigkeit bei Stirn-plattenanschlüssen über die üblichen plastischen Tragbie-gemodelle hinaus maßgeblich: Abstützkräfte, Membrantrag-effekte und Schraubenbiegung (s. Bild 5).

Bei sehr dicken Stirnplatten und relativ gedrungenen Stützenprofilen liegt ein rein elastisches Verhalten des Stirnbleches und des Stützenflansches vor. Dadurch, dass die Bleche nahezu keine Verformung aufweisen, treten Ef-fekte wie Schraubenbiegung oder Abstützkräfte nicht auf, was wiederum eine volle Ausnutzung der ungestörten Schraubenzugtragfähigkeit ermöglicht. Zudem ist die bis-herige Konstruktionspraxis, die Schrauben möglichst nahe an Steg und Flansch anzuordnen, was ein steifes Verhalten und damit die Ausnutzung der vollen Schraubenzugtragfä-higkeit noch mehr begünstigt.

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L. Rölle/U. Kuhlmann · Vereinfachtes Bemessungsverfahren geschraubter teiltragfähiger Stahl- und Verbundknoten

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Da hier das angestrebte Ziel die Ausbildung duktiler bis hochduktiler Knoten ist und die Verformungskapazitä-ten der Stirnplatte und des Stützenflansches die Basis die-ser duktilen Knotenverbindungen darstellen, ist die unge-störte Schraubenzugtragfähigkeit nicht mehr gegeben. In Abhängigkeit der Randbedingungen der Stirnplattenver-bindung stellen sich durch die Verformung des Stirnble-ches bzw. des Stützenflansches Effekte ein, die die maxi-mal mögliche Zugtragfähigkeit der Schraube reduzieren. Durch die Verformung der Stirnplatte findet eine Verdre-hung des Schraubenkopfes bzw. der -mutter statt, die eine zusätzliche Biegebeanspruchung der Schraube auslöst. Bei zunehmender Verformung der Stirnplatte stellt sich eine Membrantragwirkung des Bleches ein, dadurch hängt sich das Blech in die Schrauben und verursacht eine zusätzli-che Querkraftbeanspruchung. Der dritte Effekt, der sich negativ auf die aufnehmbare Zugtragfähigkeit der Zugzone auswirkt, sind Hebelkräfte der sich abstützenden Kanten der Stirnplatte auf den Stützenflansch, wenn sich beide ähnlich verformen.

Im Rahmen der Dissertation Rölle [8] wurden alle am Anschluss maßgebenden Parameter untersucht und für je-den Parameter ein einzelner Knotenkorrekturfaktor kj,i abgeleitet, begründet und anhand der FE-Ergebnisse veri-fiziert. Um nun alle Effekte am Knoten gleichzeitig berück-sichtigen zu können, müssen die einzelnen Faktoren zu einem Gesamtfaktor zusammengeführt werden. Dazu wird ein Produkt aus allen Einzelfaktoren gebildet.

Der Knotenkorrekturfaktor kj zur Berücksichtigung der abmindernden Effekte auf die ungestörte Schrauben-zugtragfähigkeit setzt sich nun wie folgt zusammen:

k k · k · k · k · kj j,1 j,2 j,3 j,4 j,5=

(4)

mit kj,1 für den Einfluss des Verhältnisses von Stirnplatte zu Schraubendurchmesser tEP/dB, mit kj,2 für den Einfluss des Verhältnis Blechdicke des Stützenflansches zu Schrau-bendurchmesser tfc/dB, mit kj,3 für den Einfluss des hori-zontalen Schraubenabstands m, mit kj,4 für den Einfluss des vertikalen Schraubenabstands m2 und mit kj,5 für den Einfluss die Stahlgüte.

Werden die im Rahmen der Dissertation [8] erarbeite-ten linearen Terme für die Einzelfaktoren eingesetzt, ergibt sich folgende Formel für kj:

(5)

k k · k · k · k · k

0,65 0,35 1,4 ·t

d· 0,65 0,35 1,2 ·

t

d

1,12 0,12 · m1,5d

· 1,1 0,1 ·m

2,0d

0,9 0,28·f

f

j j,1 j,2 j,3 j,4 j,5

EP

B

ef

B

B

2

B

y

uB

=

= +

+

×

× −

×

× +

mitfy Streckgrenze BaustahlfuB Zugfestigkeit Schraube(übrige Bezeichnungen s. auch Bild 9)

Diese Formel ist das direkte Ergebnis der zusammengefass-ten einzelnen Einflüsse der fünf wichtigsten Parameter am geschraubten bündigen Stirnplattenanschluss auf das Trag-verhalten. Da für eine schnelle und praktikable Anwen-dung die Formel in Gl. (5) zu umständlich ist, wurde im nächsten Schritt eine ingenieurmäßige Vereinfachung an-gestrebt. Ziel war es, alle Parameter in einem einzigen Pro-dukt zusammenzufassen und dabei trotzdem den Einfluss aller einzelnen Parameter zufriedenstellend zu berücksich-tigen. Da sich ein linearisierter Reduktionsfaktor in der oben durchgeführten Betrachtung für einzelne Parameter nicht über den gesamten Wertebereich als optimal heraus-gestellt hatte, wurde auf eine Exponentialfunktion zurück-gegriffen. Entsprechend der Herleitung gelten für die Para-meter entsprechende Bezugswerte und untersuchte An-wendungsbereiche: – Parameter tEP/dB – [(tEP/dB)/0,72]

mit 0,5 ≤ tEP/dB ≤ 1,25 – Parameter tcf/dB – [(tcf/dB)/0,83]

mit 0,5 ≤ tcf/dB ≤ 1,25

Bild 5. Numerisches Modell eines ge-schraubten Stirnplattenanschlüssen im Bruchzustand mit zusätzlichen Trag-effektenFig. 5. Numerical model of a bolted end-plate connection at limit state taking into account additional bearing effects

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– Parameter m – [1,5dB/m] mit 1,5 ≤ m/dB ≤ 4,5

– Parameter m2 – [2,0dB/m2] mit 1,5 ≤ m2/dB ≤ 4,0

– Parameter fy/fuB – [(fy/355)(1000/fuB)]

Dabei ist für jeden Parameter sein zulässiger Wertebereich, wie oben angegeben, einzuhalten

k

t /d

0,72

t /d

0,83

1,5d

m

2,0d

m

f ·1000

355 · f

j FEP*

EP B cf B B B

2

y

uB

0,25

=

=

( )

(6)

Durch Auflösen der Gl. (6) ergibt sich folgender Ausdruck für den Reduktionsfaktor kj:

(7)k 1,95 ·

t · t · f

m · m · f1,0

j FEP* EP cf y

2 uB

0,25

=

≤( )

Werden die beiden Korrekturfaktoren kj und kj* hinsicht-

lich der Streuungen in Bezug auf die genauen FE-Re-chenergebnisse verglichen, ergeben sich nur kleine Un-terschiede [8]. Bei Betrachtung der statistischen Kenn-größen schneidet der vereinfachte Knotenkorrekturfaktor kj

* sogar fast mit den gleichen günstigen Werten von Mit-telwert, Standardabweichung und Variationskoeffizient ab.

Mit dem Modellvergleich in Bild 6 wird die Qualität des erarbeiteten Knotenkorrekturfaktors kj

* im Vergleich zu den FE-Rechnungsergebnissen demonstriert. Der Mo-dellvergleich bestätigt, dass der Faktor kj

* sehr gut die Ein-flüsse auf das Tragverhalten geschraubter Anschlüsse wi-derspiegelt. Der Faktor kj bzw. kj

* wurde zunächst für bün-dige Stirnplatten entwickelt, deshalb der Index FEP für Flush Endplate. Um die Zuverlässigkeit des rechnerischen Modells im Detail zu bewerten, wurde im Rahmen der Ar-

beit zudem ein standardisiertes Auswerteverfahren nach DIN EN 1990 [1] durchgeführt.

3.3 Knotenkorrekturfaktor für überstehende Stirnplatten

Anhand einer Vielzahl von FE-Berechnungen wurde in Rahmen der Arbeit [8] aufgezeigt, dass sich die Einflüsse der maßgebenden Parameter am Knoten für überstehende Stirnplatten denen der bündigen Stirnplatten sehr ähnlich sind. Deshalb konnte die Annahme getroffen werden, dass die erarbeiteten Reduktionsfaktoren auch für überste-hende Stirnplattenverbindungen Gültigkeit haben. Damit das Bemessungsmodell des vereinfachten Verfahrens auch wirklich einfach und benutzerfreundlich gehalten wurde, sollte der zusammengesetzte Reduktionsfaktor kj

* aus Gl. (7) auch für überstehende Stirnplatten weiterverwen-det werden.

Werden die in Gln. (6) und (7) einfließenden Grenz-verhältnisse bei überstehenden Stirnplatten eingehalten oder sogar überschritten, so haben die numerischen Unter-suchungen gezeigt, dass im Vergleich zu den bündigen Stirnplatten die Knotentragfähigkeit bei voller ungestörter Schraubenzugtragfähigkeit trotzdem deutlich unterschrit-ten wird. Die Auswertung ergab, dass sich bedingt durch die vorherrschenden Abstützkräfte eine Abminderung der ungestörten Schraubenzugkraft um ca. 25 % einstellte. Dies wird auch durch den Vergleich ausgewählter FE-Rechnungs-ergebnisse in Bild 7 veranschaulicht.

Während für bündige Stirnplatten bei Einhaltung der Grenzverhältnisse die maximale Knotentragfähigkeit für ungestörte Schraubenzugkraft gerade noch erreicht wer-den konnte, ist für überstehende Stirnplatten eine Reduk-tion zwischen 15 % und 35 % zu beobachten, wie Bild 7 zeigt. Im Mittel ist das eine Reduktion von ca. 25 %.

Diese zusätzlichen abmindernden Effekte der für überstehende Stirnplatten höheren Abstützkräfte müssen entsprechend berücksichtigt werden. Die Abstützkräfte tre-ten größtenteils am kragarmähnlichen Bereich der Stirn-platte auf, fließen aber der Einfachheit halber mit einem pauschalen Faktor d in den Reduktionsfaktor mit ein. Für

Bild 6. Vergleich der rechnerischen Traglast mit FE-Rech-nungsergebnis für kj

* (Gl.(7))Fig. 6. Comparison of calculated ultimate load with numeri-cal result for factor kj

*

Bild 7. Erreichte Knotentragfähigkeiten bei FE-Berechnun-gen im Vergleich zu max. Mu nach Gl. (6) bei ungestörter Schrau benzugtragfähigkeit – 100 % Fu,Bolt (die Abkürzungen stehen für bestimmte Anschlussparameterkonstellationen, die hier exemplarisch ausgewählt wurden), s. auch [8], [11]Fig. 7. Ultimate load of numerical calculation in compari-son ultimate load of analytical model according to eq. (6)

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L. Rölle/U. Kuhlmann · Vereinfachtes Bemessungsverfahren geschraubter teiltragfähiger Stahl- und Verbundknoten

621Stahlbau 83 (2014), Heft 9

überstehende Stirnplatten ergibt sich damit ein Knotenkor-rekturfaktor nach Gl. (8):

k ·1,95 ·t · t · f

m · m · f1,0

j FEP*

pfEP cf y

x uB

0,25

= δ

≤( ) (8)

mitmx vertikaler Abstand zwischen Flansch und Schraube im

überstehenden Stirnblech

Aus Bild 7 und den entsprechenden Untersuchungen konnte näherungsweise für den Reduktionsbeiwert zur Berück-sichtigung der Abstützkräfte bei überstehenden Stirnplat-ten dpf angegeben werden:

0,75pfδ = (9)

Wird nun dpf = 0,75 in Gl. (8) eingesetzt und der so modi-fizierte Reduktionsfaktor kj

* für überstehende Stirnplatten auf die Berechnung der Momententragfähigkeit angewen-det, ergibt sich der Modellvergleich nach Bild 8.

Die Qualität des erarbeiteten Knotenkorrekturfaktors kj

*(EEP) im Vergleich zu den FE-Berechnungsergebnissen ist sehr zufriedenstellend, die Streuungen um die Winkel-halbierende sind klein. Bei Betrachtung der statistischen Kenngrößen - Mittelwert, Standardabweichung und Varia-tionskoeffizient - weist das Modell, inklusive des modifi-zierten Reduktionsfaktors für überstehende Stirnplatten, akzeptable Werte auf (s. Bild 8). Der Index EEP steht hier für Extended Endplate.

Die Zuverlässigkeit des rechnerischen Modells wurde auch für überstehende Stirnplatten mit dem standardisier-ten Auswerteverfahren nach DIN EN 1990 [1] überprüft.

3.4 Überprüfung der Knotenkorrekturfaktoren auf plastischem Bemessungsniveau

Zur Anwendung des vereinfachten Bemessungsverfahrens geschraubter Stirnplattenanschlüsse im Grenzzustand der Tragfähigkeit (GZT) war es erforderlich, die plastische

Momententragfähigkeit des Anschlusses Mj,pl,Rd und nicht das Grenzmoment (Bruchmoment) Mj,u zu bestimmen, Das Modell auf Mittelwertniveau zur Bestimmung des Grenzmoments diente zum Abgleich mit Versuchs- und FE-Ergebnissen. Das Modell zur Bestimmung der plasti-schen Momententragfähigkeit des Knotens wurde dann mit den Werten der plastischen Knotentragfähigkeit nach der Komponentenmethode in DIN EN 1993-1-8 [3] vergli-chen. Das vereinfachte Verfahren sollte das bestehende ausführliche Verfahren der Komponentenmethode ergän-zen und musste deshalb vergleichbare Ergebnisse liefern, um eine konfliktfreie parallele Einführung zu ermögli-chen.

Hierzu wurde für alle untersuchten bündigen Stirn-platten sowie für die untersuchten überstehenden Stirn-platten die plastische Momententragfähigkeit Mj,pl,Rd,EC3 mit der plastischen Momententragfähigkeit Mj,pl,Rd,kj

* nach Gl. (2) verglichen.

Der Modellvergleich für bündige Stirnplatten zeigte, dass mit dem vereinfachten Verfahren die plastische Mo-mententragfähigkeit des ausführlichen Verfahrens nach der Komponentenmethode leicht überschätzt wird. Das resul-tierte aus der Tatsache, dass hier vor allem duktile Knoten mit Stirnplattenversagen im Versagensmodus 2 nahe Ver-sagensmodus 1 untersucht wurden. Hier liefert das Verfah-ren der Komponentenmethode eher konservative Ergeb-nisse.

Zur Anpassung des vereinfachten Modells an DIN EN 1993-1-8 [3] wurde ein zusätzlicher pauschaler Anpas-sungsfaktor a eingeführt (vgl. auch Gl. (2)). Mit einem Wert a = 0,9 überschätzen die Ergebnisse des vereinfach-ten Verfahrens die Werte der Komponentenmethode weni-ger oft und wenn, dann auch nur noch leicht.

Die Überprüfung des Modells der plastischen Tragfä-higkeit für überstehende Stirnplatten ergab, dass das ver-einfachte Modell in Bezug auf die Ergebnisse nach der Komponentenmethode gute Übereinstimmung liefert und hier eigentlich auf einen zusätzlichen Anpassungsfaktor a verzichtet werden könnte. Einschränkend muss aber erwähnt werden, dass sich der Großteil der FE-Simula-tionen für überstehende Stirnplatten in einem Parameter-bereich mit tEP/dB > 0,72 und tcf/dB > 0,83 bewegte. Da-mit lag für viel mehr Berechnungen mit überstehender Stirnplatte Versagensmodus 2 mit deutlicherem Abstand zu Versagensmodus 1 vor, als das für die bündigen Stirn-platten der Fall war. Hierfür fallen die Ergebnisse der Komponentenmethode weniger konservativ aus und des-halb passte der Modellvergleich relativ gut. Würden aller-dings mehr dünnere Stirnplatten bzw. Stützenprofile in den Stichprobenumfang mit aufgenommen, wäre auch hier der Anpassungsfaktor a = 0,9 gerechtfertigt und be-legbar.

Für die Bestimmung der Momententragfähigkeit auf plastischem Bemessungsniveau wurde also für das verein-fachte Verfahren einheitlich für alle Anschlusstypen die entsprechend angepasste Gl. (2) gewählt (s. Gl. (10)):

M 0,9 · k · F · zj,pl,Rd j*

t,Rd=

(10)

Für Verbundknoten ist analog Gl. (3) anzupassen, wobei sich die Tragfähigkeit der Bewehrung nach DIN EN 1994-1-1 [4],

Bild 8. Vergleich der rechnerischen Traglast nach Gl. (8) mit FE-Berechnungsergebnissen für kj

* (EEP)Fig. 8. Comparison of the ultimate load based on the analyt-ical model for kj

* (EEP) with numerical results

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622 Stahlbau 83 (2014), Heft 9

Kapitel 8.4 bestimmt. Das Vorgehen für den Stahlanschluss entspricht der beschriebenen Prozedur für bündige Stirn-platten.

4 Anwendungsbereich

Im Rahmen der Arbeit wurde des Weiteren ein Anwen-dungs- bzw. Gültigkeitsbereich definiert, der ausschließt, dass eine andere Komponente als die Zugzone des Stirn-bleches oder des Stützenflansches für das Anschlussversa-gen maßgebend wird. Dabei geht es zum Beispiel darum, dass die Komponenten der Stütze wie Stützensteg auf Druck, Stützensteg auf Zug bzw. Stützensteg auf Schub nicht vorzeitig versagen. Aus der Bedingung, dass diese Komponenten eine größere Tragfähigkeit lieferten als die Zugtragfähigkeit im geschraubten Anschlussbereich, konnten entsprechende geometrische Randbedingungen hergeleitet werden (s. [8], [11]). Ergänzende allgemeine Be-dingungen sorgen außerdem dafür, dass auch der Riegel in jedem Fall ausreichend Tragfähigkeit aufweist. Zudem grenzen sie auch den bisherigen Untersuchungsbereich ein. Die erarbeiteten geometrischen Kriterien konzentrie-ren sich damit auf das Stützenprofil und stellen sicher, dass die Stützenkomponenten eine höhere Tragfähigkeit aufweisen als die Schrauben. Für Verbundknoten muss die zusätzliche Bewehrungszugkraft, speziell für die Untersu-chung der Stützendruckkomponente, berücksichtigt wer-den.

Die Zusammenstellung der Kriterien für den Anwen-dungsbereich des Stützenprofils findet sich in Abschnitt 5.

5 Vereinfachtes Bemessungsverfahren geschraubter Stirnplattenanschlüsse

5.1 Allgemeines

Das vereinfachte Bemessungsverfahren geschraubter Stirnplattenanschlüsse kann und soll parallel zum aus-führlichen Verfahren der Komponentenmethode nach DIN EN 1993-1-8 [3] anwendbar sein. Es darf angewendet werden, wenn die geometrischen Abmessungen der Stütze innerhalb des Anwendungs- bzw. Gültigkeitsbereiches lie-gen. Neben den für das Stützenprofil geltenden Kriterien sind zudem folgende Einschränkungen zu berücksichti-gen: – es gilt Mj,pl,Rd < 0,7 Mb,pl,Rd – nur eine Schraubenreihe innerhalb des Riegelflansches – bei überstehenden Stirnplatten nur eine Schraubenreihe

im Überstand – nur zwei Schrauben in einer Reihe – tEP ≤ 0,9 tfc

Das Verfahren erfolgt in drei Schritten durch Abprüfen des Gültigkeitsbereiches, Bestimmung der zulässigen Stirnplat-tendicke und anschließender Berechnung der Momenten-tragfähigkeit des Knotens. Die geometrischen Eingangs-kenngrößen des Verfahrens sind in Bild 9 definiert und müssen innerhalb des in [8] geforderten Parameterbereiches liegen.

In seiner jetzigen Form ist das vereinfachte Verfahren für die Walzprofile (IPE, HEA, HEB, HEM) verifiziert und gültig. Geschweißte Profile sind bisher nicht untersucht

worden. Eine Übertragung der Regeln erscheint möglich, wenn die Abmessungen zu den Walzprofilen vergleichbar sind.

5.2 Anwendung bei bündigen Stirnplatten

Das Vorgehen für bündige Stirnplatten soll als Standard-fall definiert sein und für überstehende Stirnplatten bzw. Verbundknoten werden anschließend nur die Unterschiede hervorgehoben.

1. Überprüfung der Einhaltung des Gültigkeitsbereiches

Gültigkeitsbereich des Stützenprofils

Druckh · d

t· 355

f

10007,0c B

wc2

y,c

3uB <

Zug t 0,092 · d ·f

fwc BuB

y,c

>

Schub t 1,12 ·d · f

h · fwcB2

uB

c y,c

>

2. Bestimmung der zulässigen Bandbreite der Stirnplatten-dicke

Duktilitätskriterien der Stirnplatte

untere Grenze(Durchstanzen)

t 0,186 · d ·f

fEP BuB

u,EP

obere Grenze(Duktilität)

t 0,33 · d ·f

f· m

2,5d·

m

2,0dEP BuB

y B

2

B

für 0,9 tEP ≤ tfc ≤ tEP

t 0,4 · d ·f · m

f · 2,5dfc BuB

y B

Bild 9. Geometrische Kenngrößen am geschraubten An-schlussFig. 9. Geometrical parameters for the bolted connection

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623Stahlbau 83 (2014), Heft 9

3. Berechnung der plastischen Momententragfähigkeit des Kotens

Widerstandsmodell der Momententragfähigkeit des Knotens (bündig)

Plastische Knotentragfähigkeit

M 0,9 · F · k · zj,pl,Rd t,Rd j=

Knotenkorrekturfaktor k 1,95 ·t · t · f

m · m · f1,0

j FEPEP cf y

2 uB

0,25

=

≤( )

Schraubenzugtrag-fähigkeit

F0,9 · f · A

t,RduB s

M2

5.3 Anwendung bei überstehenden Stirnplatten

Für überstehende Stirnplatten unterscheiden sich die Schritte 1 und 3 von denen für bündige Stirnplatten. Die Bestimmung der Bandbreite der Stirnplattendicke (Schritt 2) erfolgt analog.

1. Überprüfung der Einhaltung des Gültigkeitsbereiches

Gültigkeitsbereich des Stützenprofils

Druckh · 2 · d

t· 355

f

100010,0c B

wc2

y,c

3uB ≤

Zug t 0,092 · d ·f

fwc BuB

y,c

>

Schub t 1,67 ·d · f

h · fwcB2

uB

c y,c

>

3. Berechnung der plastischen Momententragfähigkeit des Kotens

Duktilitätskriterien der Stirnplatt

Plastische Kno-tentragfähigkeit

M 0,9 · F · k · zj,pl,Rd t,Rd j*=

Knotenkorrektur-faktor

k 0,75 ·1,95 ·t · t · f

m · m · f1,0

j EEP* EP cf y

x uB

0,25

=

≤( )

Schraubenzug- trag fähigkeit

F0,9 · f · A

t,RduB s

M2

Der innere Hebelarm z ist hier vom Schwerpunkt des Druckriegelflansches zum Schwerpunkt des Zugriegelflan-sches definiert.

5.4 Anwendung bei Verbundknoten

Für Verbundknoten wird vorausgesetzt, dass der Stahlkno-ten als bündiger Anschluss ausgeführt wird. Anschließend

ist zu überprüfen, ob die Zugtragfähigkeit der Bewehrung im Bereich der mittragenden Breite größer als die theore-tische Zugtragfähigkeit einer gedachten Schraubenreihe des Überstandes ausfällt. Ist das nicht der Fall, behalten die Beziehungen des Anwendungsbereiches für überste-hende Stirnplatten Gültigkeit. Andernfalls ist die Kompo-nente Stützensteg auf Druck separat nachzuweisen.

Die Bestimmung der Bandbreite der Stirnplattendicke erfolgt analog dem Schritt 2 für bündige Stirnplatten. Da-mit ergibt sich für Verbundknoten ausschließlich ein geän-derter Schritt 3, also angepasste Gleichungen für das Wi-derstandsmodell des Knotens.

3. Berechnung der plastischen Momententragfähigkeit des Verbundkotens

Widerstandsmodell der Momententragfähigkeit des Verbundknotens

Plastische Knoten-tragfähigkeit

M 0,9 · F · k · z F · zj,pl,Rd t,Rd j 1 T,RFT,Rd 2= +

Knotenkorrektur-faktor

k 0,75 ·1,95 ·t · t · f

m · m · f1,0

j EEP* EP cf y

x uB

0,25

=

≤( )

Schraubenzugtrag-fähigkeit

F0,9 · f · A

t,RduB s

M2

Zugtragfähigkeit Bewehrung

Ff · A

T,RFT,Rdsk s

s

Der innere Hebelarm z2 ist hier vom Schwerpunkt des Druck-riegelflansches zum Schwerpunkt der Bewehrung definiert.

6 Steifigkeiten

Zur Idealisierung des nachgiebigen teiltragfähigen Knotens in einer Stabwerksberechnung benötigt der Anwender neben der plastischen Momententragfähigkeit auch die Steifigkeit des Anschlusses. So lässt sich der Knoten als bilineare Feder in ein Stabwerksprogramm implementieren. Die Bestim-mung der Sekantensteifigkeit nach dem ausführlichen Ver-fahren der Komponentenmethode in Kapitel 6.3 der DIN EN 1993-1-8 [3] erfolgt über die Modifizierung der Anfangssteifig-keit. Dieses Vorgehen ist aufwändig und dem vereinfachten Verfahren abträglich. Deshalb wurde mit der zur Verfügung stehenden Datenbasis der Versuche und FE-Berechnungen der Arbeit [8], [11] eine einfache empirische einheitenfreie For-mulierung zur Abschätzung der Knotensteifigkeit hergeleitet.

Die Sekantensteifigkeit des Knotens bündiger Stirn-platten kann mittels Gl. (11) schnell und einfach abge-schätzt werden. Dabei fließen, bis auf die Stahlgüte, alle für die Verformungsfreundlichkeit relevanten Parameter in die Gleichung mit ein. Alle Eingangsparameter sind in mm einzusetzen.

(11)S

t · t · h

7 · m4,5d

·m

2,0d

jcf EP b

B

2

B

0,25=

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Zur Überprüfung der Qualität und Zuverlässigkeit von Gl. (11) ist in Bild 10 der Vergleich zwischen Ergebnis der Gl. (11) und numerischem Ergebnis aufgetragen.

7 Zusammenfassung

Für geschraubte Stirnplattenanschlüsse ist ein vereinfach-tes Bemessungsverfahren erarbeitet worden, mit dessen Hilfe die plastische Momententragfähigkeit bündiger und überstehender Stirnplattenverbindungen sowie von Ver-bundknoten mit Stirnplattenanschlüssen berechnet wer-den kann. Abgeleitete geometrische Kriterien sichern den Anwendungsbereich ab und sorgen für ein duktiles Verhal-ten der Knoten. Bei Einhaltung des geforderten Duktili-tätskriteriums erfüllen die Knoten die Voraussetzung für eine Bemessung des Rahmensystems nach der Fließgelenk-theorie.

Das Tragmodell des vereinfachten Bemessungsverfah-rens wurde mittels statistischem Auswerteverfahren nach DIN EN 1990 [1] überprüft und zudem an das ausführliche Verfahren der Komponentenmethode angeglichen. Eine ersatzweise Anwendung für das bestehende Verfahren in Kapitel 6.2 von DIN EN 1993-1-8 [3] ist damit problemlos möglich. Dem Anwender wird zusätzlich eine anwen-dungsfreundliche Formel zur Bestimmung der Knotenstei-figkeit zur Verfügung gestellt. So kann in wenigen Schrit-ten die Knotencharakteristik mittels bilinearer Feder in ein Stabwerkprogramm implementiert werden und anstelle idealisiert gelenkiger Knotenpunkte der Stützen-Riegel-Verbindungen können teiltragfähige Verbindungen berück-sichtigt werden.

Der Tragwerksplaner hat damit in der Phase der Ent-wurfsplanung zwei Möglichkeiten. Entweder er verzichtet in diesem Stadium der Planung auf die Berücksichtigung der Teiltragfähigkeit der Knoten und idealisiert die Knoten gelenkig. Durch die Einhaltung des Duktilitätskriteriums ist ausreichend Rotationskapazität garantiert. So können Tragreserven des Systems für Umplanungen oder Umnut-zungen in der Ausführungsphase vorgehalten werden. Oder die Teiltragfähigkeit wird schon in der Phase der Ent-

wurfsplanung als Maßnahme zur Querschnittsoptimierung der Riegel eingesetzt.

In beiden Fällen sind die geometrischen Randbedin-gungen des Knotens durch die Vorgaben der Kriterien des Anwendungsbereichs und der Duktilitätskriterien in relativ enge Grenzen gefasst. Wer darüber hinaus gehen will, kann natürlich die teiltragfähigen Anschlüsse auch nach dem ge-nauen Komponentenverfahren nach DIN EN 1993-1-8 [3] bemessen mit der Notwenigkeit möglicherweise einer Ite-ration zwischen Detailstatik und der Tragwerksplanung am globalen System. Dank der Einfachheit und Bedie-nungsfreundlichkeit des vereinfachten Verfahrens für ge-schraubte Stirnplattenanschlüsse entsteht bei diesem Ver-fahren dem in der Praxis tätigen Ingenieur in seiner tägli-chen Arbeit tatsächlich kaum ein Mehraufwand.

Große Chancen bieten sich darüber hinaus durch die hier gezeigte gezielte Dimensionierung in Hinblick auf Duktilität für die Robustheitsbemessung von Stahl- und Verbundtragwerken. In diesem Bereich bestehen auch noch erhebliche Weiterentwicklungschancen.

Dank

Das IGF-Vorhaben 17152 N „Vereinfachtes Bemessungs-verfahren geschraubter Stirnplattenanschlüsse nach DIN EN 1993-1-8“ wurde über DASt/AiF im Rahmen des Pro-gramms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsfor-schung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Hierfür bedanken sich die For-schungspartner.

Des Weiteren bedanken sich die Autoren ganz herz-lich bei den Teilnehmern des Projektbegleitenden Aus-schusses, dem Arbeitsausschuss Technisches Büro von bauformstahl für die hervorragende Zusammenarbeit und die zielführenden Diskussionen.

Literatur

[1] DIN EN 1990 (2010): Eurocode 0: Grundlagen der Trag-werksplanung. Dezember 2010 mit Nationalem Anhang DIN EN 1990/NA. Dezember 2010.

[2] DIN EN 1991-1-7 (2010): Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke – Teil 1-7: Allgemeine Einwirkungen – Außerge-wöhnliche Einwirkungen. Dezember 2010 mit Nationalem Anhang DIN EN 1991-1-7/NA. Dezember 2010.

[3] DIN EN 1993-1-8 (2010): Eurocode 3: Bemessung und Kon-struktion von Stahlbauten, Teil 1.8: Bemessung von An-schlüssen. Dezember 2010 mit Nationalem Anhang DIN EN 1993-1-8/NA, Dezember 2010.

[4] DIN EN 1994-1-1 (2010): Eurocode 4: Bemessung und Kon-struktion von Verbundtragwerken aus Stahl und Beton – Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Anwendungsregeln für den Hochbau. Dezember 2010 mit Nationalem Anhang DIN EN 1994-1-1/NA, Dezember 2010.

[5] Kuhlmann, U., Rölle, L., Jaspart, J.-P., Demonceau J.-F., Vas-sart, O., Weynand, K., Ziller, C., Busse, E., Lendering, M., Zandonini, R., Baldassino, N.: Robust structures by joint duc-tility. RFCS Publishable Report Contract-No. RFS-CR-04046, 2008.

[6] Kuhlmann, U., Rölle, L.: Verbundanschlüsse nach Euro-code. In: Kuhlmann, U. (Hrsg.): Stahlbau-Kalender 2010, Ernst & Sohn, S. 574–642.

Bild 10. Vergleich der mit FE-berechneten Steifigkeit Sj,FE und der mit nach Gl. (11) ermittelten Steifigkeit Sj,Formel für bündige StirnplattenFig. 10. Comparison of Sj,FE with Sj,Formula for flush endplate connections

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L. Rölle/U. Kuhlmann · Vereinfachtes Bemessungsverfahren geschraubter teiltragfähiger Stahl- und Verbundknoten

625Stahlbau 83 (2014), Heft 9

[7] Kuhlmann, U., Rölle, L., Jaspart, J.-P., Demonceau, J.-F.: An-forderungen an Stahl- und Verbundknoten bei Stützenausfall in einem Rahmentragwerk. Stahlbau 79 (2010), H. 8, S.565–579.

[8] Rölle, L.: Das Trag- und Verformungsverhalten geschraubter Stahl- und Verbundknoten bei vollplastischer Bemessung und in außergewöhnlichen Bemessungssituationen. Dissertation, Universität Stuttgart, Mitteilung des Instituts für Konstruktion und Entwurf Nr. 2013-1, 2013.

[9] Sedlacek, G., Weynand, K., Klinghammer, R., Hüller, V.: Ty-pisierte Anschlüsse im Stahlhochbau. Deutscher Stahlbau-Verband DSTV, Stahlbau Verlag- und Service GmbH. Aufl. 2 (Band 2), November 2002.

[10] Vogel, T., Kuhlmann, U., Rölle, L.: Robustheit nach DIN EN 1991-1-7. In: Kuhlmann, U. (Hrsg.): Stahlbaukalender 2014. Ernst u. Sohn 2014, S. 559–610.

[11] Kuhlmann, U., Rölle, L., Hoffmann, N.: Vereinfachtes Be-messungsverfahren geschraubter Stirnplattenanschlüsse nach DIN EN 1993-1-8, Numerische Simulation des Trag- und Ver-

formungsverhaltens von geschraubten Stahlknoten zur Ablei-tung eines vereinfachten Bemessungsverfahrens und von Duk-tilitätskriterien. Schlussbericht DASt/AIF-Vorhaben Nr. 17152 N, 2013.

Autoren dieses Beitrages:Dr.-Ing. Lars Rölle,Mayer-Vorfelder und Dinkelacker Ingenieurgesellschaft für Bauwesen GmbH & Co.KG,Wettbachstraße 18,71063 Sindelfingen,[email protected]

Prof. Dr.-Ing. Ulrike Kuhlmann,Universität Stuttgart,Institut für Konstruktion und Entwurf, Pfaffenwaldring 7,70569 Stuttgart,[email protected]