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Zbl. Vet. Med. B, 28, 759-766 (1981) @ 1981 Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg ISSN 0721-1856 / Intercode: ZVRBA2 Aus dem Institut fiir Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenmedizin Vorstand: Prof. Dr. DDr. h. c. A. Mayr und der II. Medizinischen Tierklinik Vorstand: Prof. Dr. G. Dirksen an der Tierarztlichen Fakultat der Ludwig-Maximilians-Universitat Miinchen Vergleichende Untersuchungen uber die Wirksamkeit einer oralen Immunisierung mit hitzeinaktivierten und vermehrungsfahigen, avirulenten (Gal E-) S. typhimurium-Keimen gegen die Salmonellose des Kalbes Von G. BALJER, M. HOERSTKE, G. DIRKSEN, A. SEITZ, J. SAILER und A. MAYR Mit einer Tabelle (Eingegangen am 26. Oktober 1981) In den letzten Jahren kam es bei der Entwicklung von Impfstoffen zur oralen Immunisierung gegen die Salmonellose insofern zu einer gewissen Trendwende, als man den Einsatz von Lebendimpfstoffen immer starker favo- risierte, nachdem die Impfstoff e auf der Basis inaktivierter Salmonella-Keime nicht voll befriedigen konnten. In vergleichenden Untersuchungen bei der Maus schnitten z. B. Oralimpfstoff e von Gal E-Mutanten (galactose-epimerase- less) oder Smd-Mutanten (streptomycine-dependent) von S. typhimurium deutlich besser ab als Impfstoffe auf der Basis inaktivierter Keime (GERMA- NIER, LINDE u. KOCH).Erste Immunisierungsversuhe beim Menshen mit einer Gal E-Mutante von S. typhi bestatigten die guten Ergebnisse eines Lebend- impfstoffes aus dem S. typhimurium-Maus-Model1 (HORNICK u. Mitarb.; GER- MANIER, 1979; WAHDAN u. Mitarb.). Erfahrungen beziiglich Obertragbarkeit der an dem S. typhimurium- Maus-Mode11 gewonnenen Ergebnisse mit Lebendimpfstoff en auf die als Gastroenteritis ablaufenden S. typhimurium-Infektionen beim Mensch und Nutztier fehlen bisher. Die S. typhimurium-Infektion bei der Maus ist nam- lich, wie die S. typhi-Infektion des Menschen, als eine typhoide Verlaufsform U. S. Copyright Clearance Center Code Statement: 0721-1 856/81/2809-0759$02.50/0

Vergleichende Untersuchungen über die Wirksamkeit einer oralen Immunisierung mit hitzeinaktivierten und vermehrungsfähigen, avirulenten (Gal E-) S. typhimurium-Keimen gegen die Salmonellose

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Zbl. Vet. Med. B, 28, 759-766 (1981) @ 1981 Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg ISSN 0721-1856 / Intercode: ZVRBA2

Aus dem Institut fiir Medizinische Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenmedizin Vorstand: Prof. Dr. DDr. h. c. A . Mayr

und der II. Medizinischen Tierklinik Vorstand: Prof. Dr. G. Dirksen

an der Tierarztlichen Fakultat der Ludwig-Maximilians-Universitat Miinchen

Vergleichende Untersuchungen uber die Wirksamkeit einer oralen Immunisierung mit hitzeinaktivierten und vermehrungsfahigen,

avirulenten (Gal E-) S. typhimurium-Keimen gegen die Salmonellose des Kalbes

Von G. BALJER, M. HOERSTKE, G. DIRKSEN, A. SEITZ, J. SAILER und A. MAYR

Mit einer Tabelle

(Eingegangen am 26. Oktober 1981)

In den letzten Jahren kam es bei der Entwicklung von Impfstoffen zur oralen Immunisierung gegen die Salmonellose insofern zu einer gewissen Trendwende, als man den Einsatz von Lebendimpfstoffen immer starker favo- risierte, nachdem die Impfstoff e auf der Basis inaktivierter Salmonella-Keime nicht voll befriedigen konnten. In vergleichenden Untersuchungen bei der Maus schnitten z. B. Oralimpfstoff e von Gal E-Mutanten (galactose-epimerase- less) oder Smd-Mutanten (streptomycine-dependent) von S. typhimurium deutlich besser ab als Impfstoffe auf der Basis inaktivierter Keime (GERMA- NIER, LINDE u. KOCH). Erste Immunisierungsversuhe beim Menshen mit einer Gal E-Mutante von S. typhi bestatigten die guten Ergebnisse eines Lebend- impfstoffes aus dem S. typhimurium-Maus-Model1 (HORNICK u. Mitarb.; GER- MANIER, 1979; WAHDAN u. Mitarb.).

Erfahrungen beziiglich Obertragbarkeit der an dem S. typhimurium- Maus-Mode11 gewonnenen Ergebnisse mit Lebendimpfstoff en auf die als Gastroenteritis ablaufenden S. typhimurium-Infektionen beim Mensch und Nutztier fehlen bisher. Die S. typhimurium-Infektion bei der Maus ist nam- lich, wie die S. typhi-Infektion des Menschen, als eine typhoide Verlaufsform

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charakterisiert. Die gastroenteritischen Verlaufsformen stellen aber heute die Infektioncmedizin vor ebenso groi3e Probleme wie die typhoiden Salmonella- erkrankungen.

In den vorliegenden Untersuchungen wurde die orale Wirksamkeit von S. typhimurium-Impfstoff en aus inaktivierten und vermehrungsfahigen, aviru- lenten Gal E-K eimen am Modell ,,S. typhimurium-Kalb" verglichen. Das Kalb hat gegenuber der Maus den Vorteil, dai3 zum einen die S. typhimurium- Infektion wie beim Menschen als Gastroenteritis ablauft und zum anderen das Kalb selbst ein wichtiges Glied bei der Verbreitung der S. typhimurium-Keime ist. Als Modell fur einen Impfstoff aus inaktivierten Keimen wurden hitze- inaktivierte Erreger verwendet, da uber diese Impfstoff art die meisten Erfah- rungen vorliegen (RAETTIG u. Mitarb.; DICKEL, BALJER u. Mitarb.; LEMKE). Als Lebendimpfstoff dienten Gal E-Mutanten von S. typhimurium. Die Gal E- Mutanten haben sich bezuglich Immunogenitat und Stabilitat bisher fur die Herstellung von Lebendimpfstoff en als am besten geeignet erwiesen und wer- den derzeit allgemein fur die Herstellung von Lebendimpfstoff en gegen S. typhi bevorzugt.

Material und Methoden Versuchstiere

Die Versuche wurden an 18 bis 21 Tage alten Kalbern, die aus verschiedenen Zucht- betrieben im Raum Suddeutschland stammten, durchgefuhrt. Die Tiere erhielten taglich 2 x 3 Liter Austauschmilch sowie Heu, Kraftfutter und Wasser. Vor dem Versuch wurden von den Kalbern 3 Kotproben auf S. typhimurium und eine Blutprobe auf S. typhimurium 0- Antikorper mit der indirekten Hamagglutination untersucht. Nur bakteriologisch und sero- logisch negative Kalber kamen in die Versuche.

Bakterienstamme Fur die Herstellung der Impfstoffe aus inaktivierten Keimen und fur die Belastungs-

versuche wurde der aus der hiesigen Diagnostik von einem durchfallkranken Kalb isolierte S. typhimurium-Stamm ,,Ll" verwendet. Die Herstellung der Lebendimpfstoffe erfolgte mit den Gal E-Mutanten LT,MIB und SF 10248 von S. typhimurium*.

Herstellung der Impfstoffe Zur Impfstoffherstellung wurden die S. typhimurium-Keime in einem Fermenter (New

Brunswick MF 128 S) vermehrt. Als Nahrmedium diente das Standard I Medium von Merck. Die Beimpfung des Fermentermediums erfolgte mit einer 1 8stundigen Starterkultur. Die An- impfdosis lag bei 10" Keimen pro ml Fermenterbouillon. Die Bebrutungszeit betrug 18 Stun- den bei 37 OC. Wahrend dieser Zeit wurde das Medium standig begast (100 cc/min. Luft) und geruhrt (200 UpM).

Fur die Herstellung des Impfstoffes aus hitzeinaktivierten Keimen wurde die 1 8stundige Fermenterbouillon fur 45 Minuten bei 3000 UpM zentrifugiert und der eingeengte (etwa 1 : 10) Bodensatz (etwa 10" Keime pro ml) bei einer Temperatur von 100 OC (Ulbad) uber eine Zeit von 3 Minuten in einem geschlossenen Durchlaufsystem inaktiviert.

Die Gal E-Keime wurden unter gleichen Bedingungen im Fermenter mit einem Standard I Medium ohne Galaktosezusatz angezuchtet.

Impfdosis und Impfstoffapplikation Fur die orale Applikation des Impfstoffes wurde das Impfstoffkonzentrat (3 ml) in

einem halben Liter Milch verdunnt und den Kalbern mit der Morgentranke verabreicht. Die einmalige Impfdosis lag bei 10" hitzeinaktivierten Keimen bzw. zwischen 10s und 102 leben- den, avirulenten Keimen. Die verschiedenen Tiergruppen wurden entweder einmal, zehnmal an zehn aufeinanderfolgenden Tagen oder dreimal im Abstand von 3 Tagen immunisiert (vgl. auch Tab. 1).

') Fur die Uberlassung der Gal E-Stamme danken wir Herrn Prof. Dr. GERMANIER vom Schweizer Serum- und Vaccineinstitut in Bern.

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Vergleichende Untersuchungen iiber die Wirksamkeit einer oralen Immunisierung 761

Fieber; Durchfall ul 1 Fieber, Durchfall

~ Fieber 2 x 10' 112 138

Infektionsbelastungsversuch Geimpfte und nicht geimpfte Kalber wurden jeweils am 10. Tag nach der letzten Imp-

fung rnit verschiedenen Keimzahlen (s. Tab. 1) des S. typhimurium-Stammes L, oral iiber die Milch belastet. Zur Bewertung des Impferfolges nach der Belastungsinfektion dienten die Parameter Uberlebenszeit, klinisches Bild und Ausscheidungsrate der Keime im Kot.

Bakteriologiscbe Untersuchung der Kotproben Zur quantitativen Erfassung der iiber den Kot ausgeschiedenen S. typhimurium-Keime

wurde ein Gramm einer Kotprobe in physiologischer Kochsalzlosung aufgenommen und ver- diinnt und von jeder Verdiinnungsstufe 0,1 ml auf einer Gassnerplatte ausgespatelt. Nach 1 lstiindiger Bebriitung bei 37 "C erfolgte die Bestimmung der Keimzahl.

Fieber, Durchfall

Ergebnisse Die Wirksamkeit des ,,inaktivierten" Impfstoffes und der beiden Gal E-

Lebendimpfstoff e LT,M,B und SF 10248 wurde im Infektionsbelastungsver- such gepruft. Dazu infizierten wir geimpfte und nicht geimpfte Kalber 14 Tage p. vacc. mit unterschiedlichen Belastungsdosen des S. typhimurium-Stam- mes L,.

Die Ergebnisse p. inf. bei den verschiedenen Impf- und Challenge- dosen, sowie die postvaccinalen Impfreaktionen sind im einzelnen in Tabelle 1 aufgefuhrt.

Tabelle 1 Mittlere Uberlebenszeiten yon oral mit hitzeinaktivierten bzw. vermehrsungsfahigen S. typhi-

mtrrium-Keimen geimpften und nicht geimpften Kalbern nach oraler Belastungsinfektion

2 107 - 2 ~ 2

6 x lo9 m 2 1 2 2

lrnpfstoff

hitzeinaktivierte Keirne

Starnrn:

Gal E- Mutante

Starnrn: SF 10248

I I I Mittlere Uberlebenszeit 1 Challenge - (in Stunden) I dosis 1-1 Irnpf-

dosis ImDflinae Kontrolltiere lrnpfreaktion

1 , 2 ~ 1 0 ' ~ 'I I keine I Sx109 I I I 2x108 I - l a l 165 I L

1,2x10'0 21

2x106 1 )

1x102 ' )

1 X l O 8 3'

1x10s 3)

1 X l O L 3)

3x10' ' I

Fieber, Durchfall

Fieber, Durchfall

110

* Verteilt auf 10 aufeinanderfolgende Tage; 2 Einmalige Imfung; Dreimalige Impfung i. Abstand v. 3 Tagen; = Kein Tier wahrend des Beobachtungszeitraumes erkrankt;

= Tiere wahrend des Beobachtungszeitraumes erkrankt, aber nicht gestorben.

Nach oraler Immunisierung mit dem Impfstoff aus hitzeinaktivierten Keimen traten trotz der hohen Impfdosis von 10 * 10" inaktivierten Keimen bei den Impflingen keine Impfreaktionen auf. Wie aus Tabelle 1 weiter er- sichtlich wird, lagen auch die mittleren Oberlebenszeiten der geimpften Kalber zum Teil deutlich uber denen der Kontrolltiere. Die Challengedosis von 2 * lo8 Keimen uberlebten nur die Impflinge, wahrend die Kontrolltiere im Durch- schnitt nach 165 Stunden starben. Dieser deutliche Unterschied zwischen Impf- lingen und Kontrolltieren beschrankte sich aber nur auf die Uberlebenszeit und Letalitatsrate. Bezuglich der klinischen Reaktion auf die Infektion war kein Unterschied zwischen Impflingen und Kontrolltieren festzustellen. Die

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geimpften Kalber erkrankten selbst bei subletaler Belastung (2 * lo7 Keime) ge- nauso an waarigem, fieberhaftem Durchfall, wie die nicht geimpften Tiere. Das Impfergebnis mit der inaktivierten Vaccine blieb damit letztlich unbefrie- digend.

Nimmt man zum Vergleich die Ergebnisse mit den Lebendimpfstoffen, so fallt zunachst auf, dai3 nach der Lebendimpfung mit Gal E-Mutanten zum Teil heftige Im ferkrankungen auftraten, die sich klinisch nur unwesentlich von einer naturfllchen S. typhimuuium-Infektion unterschieden. Erst in Impf- dosierungen unter lo4 Keimen waren die Gal E-Mutanten besser ver- traglich und fuhrten nur zu einem kurzen Fieberanstieg. In den hoheren Impf- dosierungen war der einzige Unterschied zur naturlichen Infektion, dai3, selbst bei hochster Dosierung, keine Todesfalle beobachtet wurden. Die Ausscheidung der Impfkeime erstreckte sich bei den an Durchfall erkrankten Kalbern auf Zeitraume bis zu 14 Tagen. Die Dauer des Durchfalls betrug im Durchschnitt 3 bis 4 Tage.

Bei der Wirksamkeitsprufung ergab sich beim Lebendimpfstoff ein Zu- sammenhang zwischen Impfdosis, Impfreaktion und Immunitat. Eine voll be- lastungsfahige Immunitat bildeten nur Kalber, die einmal mit 1,2 * loio Keimen des Gal E-Stammes LT2MlB oral geimpft wurden. Trotz der sehr hohen Belastungsdosis von 6 * log virulenten Keimen blieben die Impflinge ge- sund, wahrend die Kontrolltiere im Durchschnitt nach 72 Stunden starben (vgl. Tab. 1).

Nach der oralen Impfung mit den niedrigeren Impfdosen des Stammes LT2M,B traten keine so heftigen Impferkrankungen auf, obwohl der Impfstoff an 10 aufeinanderfolgenden Tagen verabreicht wurde. Das Immu- nisierungsergebnis war jedoch wesentlich schlechter. Bis zu einer Impfdosis von 2 * 106 lag die mittlere Uberlebenszeit noch unter derjenigen der Kontroll- tiere. Die geimpften Tiere erkrankten aber, wie die mit hitzeinaktivierten Kei- men geimpften Kalber an fieberhaftem Durchfall. Nach Impfung rnit 3 * lo4 und 1 * 102 ,,Gal E-Keimen" konnte hinsichtlich Uberlebenszeit und klinischer Reaktion uberh,aupt kein Unterschied mehr zu den Kontrolltieren festgestellt werden.

Wegen der starken Impferkrankungen nach Impfung mit dem Gal E- Stamm LT,M,B wurde in die Immunisierungsversuche zusatzlich noch der Gal E-Stamm SF 10248 miteinbezogen. Wie aus der Tabelle 1 ersichtlich wird, traten auch nach oraler Immunisierung rnit diesem Gal E-Stamm in den Dosie- rungen 3 * lo8 bis 3 * 104 Impferkrankungen auf. Das Immunisierungsergebnis entsprach dem nach Impfung rnit dem Stamm LT,MIB. Der einzige Unter- schied zu den nicht geimpften Tieren betraf nur die etwas langere Uberlebens- zeit der Impflinge.

Besprechung der Ergebnisse Von den gepriiften Oral-Impfstoffen aus hitzeinaktivierten sowie aus ver-

mehrungsfahigen, avirulenten S. typhimurium-Keimen konnte keiner voll uber- zeugen, sofern Unschadlichkeit und Wirksamkeit gleichermaaen bewertet wer- den. Der Impfstoff aus hitzeinaktivierten Keimen war zwar unschadlich, die postvaccinale Immunitat bewirkte aber nur eine Senkung der Letalitatsrate, wahrend Dauer und Starke des Durchfalls bei Impflingen und Kontrolltieren kaum diff erierten. Gerade fur die Bekampfung der S. typhimuuium-Infektion der Nutztiere bringt aber die Senkung der Letalitat allein keine Vorteile, im Gegenteil, es kommt d u r h die langere Ausscheidung der Salmonellen zu einer Verschlechterung der allgemeinen Seuchensituation.

Der Gal E-Lebendimpfstoff war bei entsprehend hoher Dosierung zwar wirksam, erfullte jedoch nicht die Anforderungen bezuglich Unschadlichkeit.

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Vergleihende Untersuhungen uber die Wirksamkeit einer oralen Immunisierung 763

In der wirksamen Dosierung verursachte der Gal E-Impfstoff starke Impf- erkrankungen, so dai3 sein Einsatz, zumindest was die beiden von uns getesteten Gal E-Stamme angeht, in der Praxis bedenklich erscheint.

Die Unvertraglichkeit der Gal E-S. typhimurium-Keime nach oraler Applikation beim Kalb uberraschte, denn dieselben Stamme wurden von Mausen reaktionslos vertragen (GERMANIER, 198 1). Dieses Ergebnis bestatigte die Vermutung, dai3 Erfahrungen aus dem S. typhimurium-Maus-Model1 nicht ohne weiteres auf das Kalb oder auch auf andere Tiermodelle und den Menschen ubertragen werden durfen.

Die Chancen, Gal E-Mutanten als Lebendimpfstoffe gegen die S. typhi- murium-Infektionen bei Mensch und Nutztier einzusetzen, mussen aufgrund der vorliegenden Ergebnisse sehr kritisch bewertet werden. Es ist sicher mog- lich avirulentere Gal E-Stamme zu isolieren. Die Frage ist nur, inwieweit diese Stamme no& immunogen sind. In unseren Untersuchungen war zwischen der Starke der Impferkrankung und Starke der Immunitat eine enge Beziehung festzustellen. Dies betraf vor allem die postinfektiose Enteritis. Tiere, die eine sehr starke Impferkrankung durchmachten, waren gegen die postinfektiose Enteritis geschutzt. Auch RANKIN und Mitarbeiter und SMITH kamen mit S. dublin zu demselben Ergebnis. Die orale Immunisierung mit avirulenten R-Formen von S. dublin schutzte Kalber zwar vor dem todlichen Verlauf der S. dublin-Testinfektion, konnte jedoch nicht die postinfektiose Enteritis ver- hindern. Es ist moglich, dai3 im Falle der ,,sekundaren" Salmonellosen eine intensive Auseinandersetzung des Impflings mit dem Impfkeim und vielleicht sogar eine Persistenz des Erregers im Darm bzw. Organismus fur die Ausbil- dung einer belastungsfahigen Immunitat Voraussetzungen sind. Gegen diese An- nahme sprechen jedoch die Ergebnisse von MEYER und Mitarbeiter, mit einer Smd-S. dublin-Lebendvaccine. Dieser Lebendimpfstoff bewirkte selbst in hoch- ster Dosierung (I 011) bei Kalbern nur einen leichten Fieberanstieg. Trotzdem waren die geimpften Kalber mehrere Monate lang gegen S. dublin-Wildinfek- tionen geschutzt. Gleiche Ergebnisse mit Smd-S. typhirnurium-Mutanten fehlen aber bisher.

Gunstigere Ergebnisse als nach oraler Immunisierung rnit Gal E- Mutanten beschreiben WRAY und Mitarbeiter nach intramuskularer Impfung. Sie konnten auf diesem Weg bei Kalbern sowohl eine Senkung der Mortalitats- als auch der Diarrhoeraten nachweisen und dies, obwohl die Belastungsinfektion oral durchgefuhrt wurde. Der Wirkungsmechanismus dieser doppelten Schutz- wirkung (lokal und systematisch) einer intramuskularen Impfung ist uber- raschend, wenn man davon ausgeht, dai3 fur die Entstehung der Salmonellen- Enteritis das lokale Infektionsgeschehen im Darm ausschlaggebend ist. Die Antwort auf die Frage nach der Ursache dieses Mechanismus mui3 zukunftigen pathogenetischen und immunologischen Untersuchungen vorbehalten bleiben. Unsere Untersuchungen erlauben keinen direkten Vergleich zu der Arbeit von WRAY und Mitarbeiter, da Unterschiede bezuglich Impfstamm, Challenge- stamm, Infektionsdosis usw. bestanden.

Abgesehen von der Wirksamkeit, waren aber die Gal E-Mutanten auch bei intramuskularer Impfung fur das Kalb nicht unschadlich. WRAY und Mit- arbeiter vermuten einen Zusammenhang zwischen Nierenveranderungen bei den Impflingen und der Impfung mit Gal E-Keimen. Solange die Genese die- ser Nierenveranderungen nicht geklart ist, kann auch die intramuskulare Imp- fung mit Gal E-Keimen gegen die Salmonellose des Kalbes noch nicht fur einen Einsatz in der Praxis erwogen werden.

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Zusammenf assung Im Infektionsbelastungsversuch beim Kalb wurde vergleichend die orale

Immunisierung gegen S. typhimurium mit hitzeinaktivierten Keimen und ver- mehrungsfahigen Gal E-Keimen untersucht. Die Beurteilung der Wirksamkeit erfolgte aufgrund des klinischen Verlaufes und Letalitat bei den Impflingen im Vergleich zu den nicht geimpften Kontrolltieren.

Eine zehnmalige orale Impfung mit 1,2 * loi1 hitzeinaktivierten S. ty- phimurium-Keimen verlieh Kalber einen unvollstandigen Schutz gegen eine orale S. typhirnurium-Belastun sinfektion. Unterschiede zwischen geimpften

rate, nicht aber im klinischen Erscheinungsbild nachweisen. Die Impfung wurde reaktionslos vertragen.

Eine einmalige orale Impfung mit 1,2 * loio vermehrungsfahigen Gal E-S. typhimurium-Keimen schutzte Kalber gegen eine todliche Belastungsinfek- tion. Bei den Impflingen kam es aber zu schweren Impferkrankungen (Enteri- tis, Fieber). Wurden die Impfdosen gesenkt, gingen zwar die Impferkrankun- gen zurudr, der Impfschutz war dafur aber nicht starker belastungsfahig als nach Schutzimpfung mit inaktivierten Keimen.

Summary Comparative investigations on oral immunization

with heat-inactivated and live, avirulent (gal E-) S. typhimurium bacteria against salmonellosis in calves

In calves, the efficacy of oral immunization against S. typhimurium with heat-inactivated bacteria and live gal E-mutants was investigated by challenge experiments. Clinical signs and survival rates were compared between vaccinated and non-vaccinated animals in order to determine the efficacy of immunization.

Ten oral doses of 1.2 * lo1’ heat-inactivated S. typhimurium bacteria induced only incomplete protection against oral S. typhimurium-test infec- tion in calves. Differences between vaccinated and non-vaccinated calves were observed only with respect to survival rates but not to clinical signs and course. Vaccination with heat-inactivated bacteria caused no side-effects.

A single oral immunization with 1.2 - loio live gal E-S. typhimurium protected calves completely against a lethal dose of 5’. typhimurium. In vac- cinates, however, application of gal E-mutants resulted in severe illness (enteritis, fever) in all animals. After lowering the vaccination dose of gal E-vaccine, side-effects subsided, but post-vaccinal immunity decreased.

Resume Recherches comparees sur l’action d’une immunisation orale

avec des germes de S. typhimurium (Gal E) thermoinactivks mais se multipliant et avirulents

contre la salmonellose du veau On a examink par comparaison l’immunisation orale contre S. typhi-

murium avec des germes thermoinactivks et des germes multiplicables Gal E dans des essais d’infection chez le veau. L’estimation de l’efficacitk a Ctk trike A partir de l’kvolution clinique et de la lktalitk chez les animaux vaccinks par rapport aux animaux de contrble non vaccinks. Une vaccination orale en dix fois avec 1,2 X 10” germes thermoinactivks de S. typhimurium a donne une protection incomplete aux veaux infectks oralement par S. typhimurium. Des differences entre animaux vaccinks et non vaccines n’ont pas kt6 constatkes

und nicht geimpften Tieren lie % en sich in der Uberlebenszeit und Letalitats-

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Vergleichende Untersuchungen iiber die Wirksamkeit einer oralen Immunisierung 765

dans le temps de survie et le taux de lktalitk mais ont ktk observkes dans les symptbmes cliniques. La vaccination fut supportke sans rkactions.

Une vaccination orale unique avec 1,2 X 1O'O germes multiplicables Gal E - S . typhimurium a protkgk des veaux contre une infection mortelle. Les animaux vaccines ont prksentk toutefois de graves lksions vaccinales (entkrite, fibvre).

Lorsque la dose vaccinale fut diminuke, les lksions vaccinales ont diminuC mais la protection ne fut pas plus grande que celle constatke avec des germes inactivks.

Resumen Estudios comparados sobre la eficacia de una inmunizaci6n oral

con gCrmenes (Gal E) S. typhimurium termoinactivados y multiplicables avirulentos

contra la salmonelosis de las terneras En el ensayo de infecci6n de desafio en la ternera se estudi6 comparati-

vamente la inmunizacibn oral contra S. typhimurium con gkrmenes termo- inactivados y gkrmenes Gal E multiplicables. Para valorar la eficacia se re- curri6 al curso clinico y a la letalidad en 10s vacunados en comparaci6n con 10s de 10s animales testigos no vacunados.

La vacunaci6n oral en diez ocasiones con 1.2 X 10" gkrmenes S. typhi- murium termoinactivados proporcion6 a las terneras una protecci6n incom- pleta frente a una infeccih oral de desafio con S. typhimurium. Las diferen- cias entre 10s animales vacunados y 10s que no lo estaban se pudieron poner en evidencia en el tiempo de supervivencia y en la tasa de letalidad, per0 no mediante el cuadro sintomitico clinico. La vacunaci6n fuk tolerada sin re- accibn alguna.

Una vacunacibn oral Gnica con 1.2 X 1O'O gkrmenes Gal E-S. typhimu- rium multiplicables protegi6 a las terneras frente a una infecci6n de desafio mortal. Per0 en 10s animales vacunados se presentaron enfermedades vacunales graves, tales como enteritis y fiebre. A1 reducir las dosis de vacunaci6n, es cierto que se redujeron las enfermedades vacunales, per0 para eso la protecci6n de la vacuna no se pudo gravar mis que tras la vacunaci6n protectora coh gkrmenes inactivados.

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keic von Impfstoffen aus abgetoteten und lebenden streptomycin-dependenten E. c. 0 111 B4-Bakterien im aktiven Mauseschutzversuch sowie auf die Hemmung der An- siedlung des homologen Streptomycin-resistenten Stammes bei ,darmsterilen.' Mausen. Zbl. Bakt. Hyg. I A Orig. 211, 286.

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Anschrift der Verfasser: Institut fur Medizinische Mikrobiolagie, Infektions- und Seu- chenmedizin d. Tierarztlichen Fakultat, VeterinarstraSe 13, D-8000 Munchen 22.