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index _ 30 9LHOIDOW Verhandeln im Alltag In der Schule, bei Greenpeace und in Paarbeziehungen Gleichgültig, welchen Beruf wir haben, wie wir leben und wie alt wir sind: Wer zurecht- und weiterkommen will, muss verhandeln. Manchmal ganz bewusst, vorbereitet, nach allen Regeln der Kunst – wir spüren, es geht um unsere Zukunft. Dann wieder nehmen wir kaum wahr, dass wir überhaupt verhandeln – mit dem Partner, den Kindern, dem Kollegen, der für uns einspringen soll. Mögen die folgenden Statements unseren Blick schärfen für die Vielfalt unserer Verhandlungen – und das, was sie erfolgreich macht. Prüfungen, Christian Belz Verhandeln in der Liebes- und Lebenspartnerbeziehung, Ruth Belz Wenn Unternehmen gekauft werden, Thorsten Feix Verhandeln mit lernbehinderten Kindern, Heidi Gander-Belz Verhandeln als Lebensinhalt, Franz Hidber Ziele und Kompromisse, Elisabeth Kopp Bedürfnisabklärung ist die Voraussetzung für erfolgreiches Verhandeln, Urs Küng Paarbeziehungen: Verhandeln gehört dazu, Bruno Lechmann Greenpeace: Verhandlungsbereit, aber entschieden im Standpunkt, Gerd Leipold Verhandeln, Peter Nobel Verhandeln, ja dauerhaft …, Johann Niklaus Schneider-Ammann Türen öffnen, Klaus J. Stöhlker

Verhandeln im Alltag - perSensFalls Sie sich im Zusammenfassen üben, so versuchen Sie, mit Ihrer Wortwahl zu zeigen, dass Sie zuhören und verstehen, nicht dass Sie zustimmen oder

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Verhandeln im AlltagIn der Schule, bei Greenpeace und in Paarbeziehungen

Gleichgültig, welchen Beruf wir haben, wie wir leben und

wie alt wir sind: Wer zurecht- und weiterkommen will,

muss verhandeln. Manchmal ganz bewusst, vorbereitet,

nach allen Regeln der Kunst – wir spüren, es geht um

unsere Zukunft. Dann wieder nehmen wir kaum wahr,

dass wir überhaupt verhandeln – mit dem Partner, den

Kindern, dem Kollegen, der für uns einspringen soll.

Mögen die folgenden Statements unseren Blick schärfen

für die Vielfalt unserer Verhandlungen – und das, was

sie erfolgreich macht.

Prüfungen, Christian Belz

Verhandeln in der Liebes- und Lebenspartnerbeziehung, Ruth Belz

Wenn Unternehmen gekauft werden, Thorsten Feix

Verhandeln mit lernbehinderten Kindern, Heidi Gander-Belz

Verhandeln als Lebensinhalt, Franz Hidber

Ziele und Kompromisse, Elisabeth Kopp

Bedürfnisabklärung ist die Voraussetzung für erfolgreiches Verhandeln, Urs Küng

Paarbeziehungen: Verhandeln gehört dazu, Bruno Lechmann

Greenpeace: Verhandlungsbereit, aber entschieden im Standpunkt, Gerd Leipold

Verhandeln, Peter Nobel

Verhandeln, ja dauerhaft …, Johann Niklaus Schneider-Ammann

Türen öffnen, Klaus J. Stöhlker

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PrüfungenVon Prof. Dr. Christian Belz

Es gehört zur Aufgabe eines Professors, dass er mündliche Prüfungen mit den Studierenden durchführt. Ist das eine besondere Verhand-lung?

Der Prüfl ing verkauft seine Qualifi kation im Fach-gebiet. Der Experte bewertet diese Qualifi kation mit einer Note. Zudem gibt es eine recht starke Abhängigkeit des Studierenden (obschon sie inzwischen an der Unversität St. Gallen auch die Qualität der Prüfungen bewerten).

Es gibt unterschiedliche Verhandlungsstile für den Professor. Es ist möglich, die Lücken des Prüfl ings schonungslos aufzudecken. Das Ge-spräch lässt sich hart durchführen und weich benoten oder umgekehrt. Von Mitleid bis Rache, von äusserer Erscheinung bis sprachlicher Elo-quenz, von Sympathie bis Kompetenz kann alles in die Bewertung einfl iessen.

Subjektiv scheint mir folgende Prüfungsform richtig:

• Der Experte schafft dem Prüfl ing eine Platt-form, damit er sein Können und Wissen ein-bringen kann; dazu sind geeignete Fragen, Ermunterung, Flexibilität und Vertiefungen geeignet.

• Der Experte führt die Prüfung fair; dazu sind klare Ansprüche, zweckmässige Stichproben aus dem Fachgebiet und Übereinstimmung

der kleinen Feedbacks mit der späteren Benotung wichtig.

Der Prüfl ing kann nicht direkt argumentieren und damit beginnen, dass er bestimmt eine 6 verdient oder bereits die erste Frage als irrelvant empfi ndet. Seine Kompetenz drückt er indirekt aus, teilweise macht er gute Miene zum bösen Spiel:

• Der qualifi zierte Prüfl ing beginnt seine Ant-worten nicht an irgendeiner Ecke mit einem zufälligen Detail; er schafft zuerst Übersicht und Strukturen, um anschliessend zu vertie-fen.

• Der Prüfl ing vermeidet die Falle, ausgerech-net jene Dinge am Rande zu erwähnen, die ihm nun wirklich nicht liegen.

• Der Prüfl ing versucht nicht ängstlich, dem Experten zu entsprechen und ihm das zu sagen, was dieser vermeintlich hören will. Er nutzt die Fragen für eigene Spielräume und Schwerpunkte und verbindet damit die Situa-tion mit seinen eigenen Stärken.

Die Regeln für die Prüfung lassen sich durch-aus auf andere Verhandlungen übertragen; als Gesprächssituation mit einseitiger Machtvertei-lung werden Gesetzmässigkeiten deutlich, die vielleicht anderswo weniger offensichtlich sind.

Prof. Dr. Christian BelzProf. Dr. Christian Belz,

Ordinarius für Marketing an

der Universität St. Gallen,

geschäftsführender Direktor

des Institutes für Marketing

und Handel

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Verhandeln in der Liebes- und Lebens-partnerbeziehungVon Ruth Belz

Gemeinsam Sinn fi nden, eine gemeinsame Wirklichkeit schaffen, geschieht in der Paarbe-ziehung weitgehend durch das Gespräch von Frau und Mann. Wenn dieses Gespräch fl iesst, auch über Jahre hinweg, werden beide Partner in eine dauernde Verwandlung eintreten, die das Bild von sich selbst, vom Partner und von der Welt immer wieder neu verändert, wo Realität sozusagen laufend neu «verhandelt» wird. Zur Forderung nach dauernder Verwandlung der Paarbeziehung gehört aber ebenso dringend die Forderung nach individueller Selbstfi ndung. Sinn-bildlich: Das Gras der gemeinsamen Identität als Paar ist zwar auf derselben Wiese gewachsen, jedoch lagert, wenn sie es als Paar gut machen, mit der Zeit jeder Partner sein Heu auf verschie-denen Bühnen (Rosmarie Welter-Enderlin, in: Heiner Krabbe [Hrsg.], Scheidung ohne Richter – neue Lösungen für Trennungskonfl ikte).

Was erleichtert fortwährendes Verhandeln, gute Kommunikation im Alltag einer Paarbeziehung?

Mediative Techniken, welche vor allem bei Kon-fl iktsituationen und bei Trennung eines Paares von professionellen Mediatorinnen und Media-toren angewandt werden, sind kein Zaubermittel in einer für Laien unerreichbaren Sphäre. Es fi n-den sich dabei einfache Kommunikationshilfen für jede Frau und jeden Mann.

1. Wie du mir, so ich dir (oder umgekehrt: Wie ich dir, so du mir)

«Betrachten» Sie sich selber, sozusagen wie von aussen. Seien Sie achtsam und handeln Sie so, wie Sie wollen, dass der andere Ihnen gegen über

handeln würde. Geachtet werden, respektiert und anerkannt werden, sind Grundbedürfnisse des Menschen und Voraussetzungen für echte Kommunikation.

2. Körpersprache

Verschränkte Arme und ernste oder «gestresste» Miene signalisieren Abwehr und Verkrampfung, Unsicherheit und Aggression. Lässiges Zurück-lehnen, im Stuhl versinken, zum Fenster hinaus-schauen, bedeutungslose Zeichnungen auf einen Block kritzeln, signalisieren Desinteresse. Eine aufmerksame, zugewandte Haltung mit Blickkontakt vermittelt Interesse und fördert ein gutes Gespräch.

3. Aktives Zuhören

Konzentrieren Sie sich darauf, was der andere sagen möchte, versuchen Sie, Ihren Partner zu verstehen. Eine häufi g praktizierte Gesprächskul-tur – dass der eine die eigenen Gegenargumente im Kopf bereits formuliert, während der andere spricht – verhindert ein empathisches Verstehen. Aktives Zuhören ist dann erreicht, wenn Sie in der Lage wären, das von Ihrem Partner Gesagte selbst zu wiederholen und zusammenzufassen. Falls Sie sich im Zusammenfassen üben, so versuchen Sie, mit Ihrer Wortwahl zu zeigen, dass Sie zuhören und verstehen, nicht dass Sie zustimmen oder widersprechen. (Beispiel: «Ich verstehe, du siehst das also so …!»)

4. Ich-Botschaften

Sprechen Sie aus, was Sie von sich, für sich sel-ber denken, nicht davon, was Sie vermuten, dass der andere denkt. Sie vermeiden damit Vorwürfe und Spekulationen.

5. Fragen stellen statt überzeugen

Wenn sich ein Partner im Gespräch festgefahren hat, nützt es in der Regel nichts, ihn vom Gegen-teil überzeugen zu versuchen. Offene Verständ-nisfragen, nach den Gründen, nach den Zielen des Partners können helfen, aus einer schwie-rigen Situation herauszufi nden.

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6. Interessen und Bedürfnisse

Hinter einer vermeintlich festgefahrenen Posi-tion des Gesprächspartners verbergen sich seine Interessen. Versuchen Sie, diesen tieferen Bedürfnissen Ihres Partners auf die Spur zu kom-men (Beispiel: «Was ist dir daran so wichtig und warum?»). Über starre Positionen kann man nicht verhandeln. Sie werden feststellen, dass Sie sich gegenüber dem andersdenkenden Partner eher öffnen und seine Einstellung nachvollziehen oder gar akzeptieren können, wenn Sie seine wahren Interessen hinter den Positionen kennen.

7. Lösungsmöglichkeiten für die Zukunft suchen

Angenommen, es ist in der Vergangenheit etwas schiefgelaufen, was Sie so nicht mehr akzeptie-ren können. Versuchen Sie in einem Brainstor-ming, gemeinsam Ideen für Lösungsansätze in der Zukunft zu suchen. Über die Zukunft kann man sich nämlich nicht beklagen, man kann sie nur aktiv mitgestalten. Bei der kreativen Suche nach Lösungsmöglichkeiten ist es vorteilhaft, miteinander zu vereinbaren, dass in einem ersten Schritt alle Ideen der Partner gesammelt und weder bewertet noch kommentiert werden. In einem zweiten Schritt kann darüber verhandelt werden, was realisiert wird – und was der eine dem anderen noch anbieten könnte, um eine Idee des anderen zu erfüllen.

8. Kon ikt als Chance?

Jeder ernsthafte Konfl ikt zwischen Liebespart-nern betrifft Herzblut-Themen und kann heftige Ängste hervorrufen. Der ressourcen- und nicht problembezogene Ansatz der Mediation geht davon aus, dass jeder Konfl ikt eine Chance zur Weiterentwicklung und Veränderung bietet, ja, sogar ein äusserst kreativer Prozess ist.

Ich will …

Ich will, dass du mir zuhörst, ohne über mich zu urteilen.

Ich will, dass du mir deine Meinung sagst, ohne mir Ratschläge zu erteilen.

Ich will, dass du mir vertraust, ohne etwas zu erwarten.

Ich will, dass du mir hilfst, ohne für mich zu entscheiden.

Ich will, dass du für mich sorgst, ohne mich zu erdrücken.

Ich will, dass du mich siehst, ohne dich in mir zu sehen.

Ich will, dass du mich umarmst, ohne mir den Atem zu rauben.

Ich will, dass du mir Mut machst, ohne mich zu bedrängen.

Ich will, dass du mich hältst, ohne mich festzuhalten.

Ich will, dass du mich beschützt, aufrichtig.

Ich will, dass du dich näherst, aber nicht als Eindringling.

Ich will, dass du all das kennst, was dir an mir missfällt.

Dass du es akzeptierst, versuch es nicht zu ändern.

Ich will, dass du weisst, dass du heute auf mich zählen kannst … bedingungslos.

(Jorge Bucay)

Ruth BelzRuth Belz, Rechtsan wältin,

Mediatorin und Mediations-

Super visorin, CH-St. Gallen

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Wenn Unternehmen gekauft werdenVon Dr. Thorsten Feix

Wenn es um Fusionen und Firmenkäufe geht, läuft keine Verhandlung wie die andere. Auch bei bester Vorbereitung beginnen die Verhand-lungen mit einem hohen Grad an Unsicherheit: Was ist das Unternehmen wirklich wert für uns, was kann man dafür bezahlen? Welche Interes-sen verfolgen die Gesprächspartner, sind diese konkurrent, oder möchten Eigner, Vorstand und Berater unterschiedliche Ziele erreichen? Besonders schwierig wird die Situation, wenn mehrere Parteien versuchen, dasselbe Unter-nehmen zu kaufen – eine Situation, die durch die heutigen Liquiditätsüberschüsse des glo-balen Kapitalmarktes immer häufi ger auftritt. In einer Vielzahl von Verkaufsprozessen treten strategische Investoren in Konkurrenz zu Private-Equity-Gesellschaften auf. Dann sitzen die ande-ren potenziellen Käufer unsichtbar ebenfalls am Tisch, in den Gesprächen muss man daher nicht nur verhandeln, sondern gleichzeitig auch Wer-bung für das eigene Unternehmen machen.

In den meisten Fällen arbeiten wir uns durch ganze Stapel von Papier, zapfen unterschied-lichste Informationsquellen an, reden mit dem Management, überprüfen die Fertigung und ver-suchen uns in den Gesprächen in die Gegenseite hineinzuversetzen und die Informationen her-auszuholen, die wir brauchen. Um dann unsere Stärken mit einzubringen und damit eine für alle glückliche Lösung zu erarbeiten. Dabei sind die Strategien recht unterschiedlich, je nachdem, ob das Unternehmen verkauft wird, weil ein Nach-

folger fehlt, weil die Verantwortlichen befürch-ten, mittelfristig einen Ertragseinbruch hinneh-men zu müssen oder zu klein für den Weltmarkt zu sein und damit einen Wertverlust zu erleiden, oder sie haben ganz einfach Liquiditätsschwie-rigkeiten.

In der heutigen Zeit der Private-Equity-Firmen, deren Problem in dem Gap zwischen enormem Kapitalanlagedruck auf der einen und nur be-grenzter Verfügbarkeit attraktiver Anlagemög-lichkeiten andererseits liegt, besteht immer wieder die Gefahr, dass ein halbwegs gutes Unternehmen weit über dem «fairen» Wert ver-kauft wird. Es gilt aber der bekannte Leitsatz: «Der Preis ist, was man bezahlt, der Wert ist, was man bekommt.» Wird diese Leitlinie verlassen, so kann man natürlich alles kaufen – für uns aber stellt sich immer die Frage, ob wir realistischer-weise in den nächsten Jahren einen monetären Wertzuwachs erzielen und einen strategischen Mehrwert in der Technik und im Kundennutzen gestalten können. Dies zu beurteilen und gleich-zeitig mit der Gegenpartei zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen, verlangt Sorgfalt, Hartnä-ckigkeit und Kreativität – und manchmal auch die Fähigkeit, verzichten zu können. Gerade das aber macht Verhandlungen um Unternehmen so faszinierend: die Mischung zwischen Methodik, Expertise und der Fähigkeit, Menschen verste-hen und überzeugen zu können.

Dr. Thorsten FeixDr. Thorsten Feix, Bereichs-

leiter für Konzernstrategie,

M&A und Organisation,

Knorr-Bremse AG,

D-München

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Verhandeln mit lernbehinderten KindernVon Heidi Gander-Belz

Kinder mit Lernbehinderungen sind Kinder, die in der Schule damit kämpfen, ein altersent-sprechendes Lernniveau zu erreichen. Sie tun sich schwer damit, zu lesen, zu rechnen, haben Schwierigkeiten mit der Rechtschreibung, ihrer Handschrift und oft auch mit der Aufmerksam-keit. Trotz grossem Einsatz von Energie und Zeit und trotz der Unterstützung durch Lehrer und Eltern erbringen diese Kinder in der Schule ungenügende Leistungen. Und dies, obwohl sie intelligent sind.

Die ersten Verhandlungspartner, die auf mich zukommen, sind meistens die Eltern und manch-mal auch die Lehrer. Die Eltern sind verzweifelt und möchten möglichst sofort eine Lösung. Sie möchten wissen, was zu tun ist, um den Teufels-kreis von Misserfolg, Stress und Resignation zu durchbrechen.

Die Methode, nach der ich arbeite, geht davon aus, dass Lernprobleme entstehen, weil ein Kind besondere Talente hat: Es kann Dinge von allen Seiten betrachten, ohne sie zu drehen oder sich selbst zu bewegen. Es tut dies oft unbewusst und hat nicht gelernt, damit umzugehen.

In den Verhandlungen steht eine Frage im Zen-trum: Was will das Kind? Ist es sich seiner Schwie-rigkeiten bewusst und will es etwas ändern? Oft erscheint ein Teenager voller Ablehnung, und die Mutter hat ihn gerade nur knapp dazu überreden können, sich mindestens einmal anzuhören, was

ich zu sagen hätte. Im ersten Gespräch geht es darum, dem Kind Methoden, Vorgehensweisen und den Sinn dieser Vorgehensweisen zu erklä-ren. Es geht darum, Vertrauen aufzubauen – Ver-trauen in mich, in die Arbeitsweise und vor allem auch Vertrauen in sich selbst.

Ich beginne damit, zuzuhören. Ganz einfach genau zuzuhören und nachzufragen, wenn das Bild, das in mir entsteht, Lücken aufweist. Es ist ein schönes Gefühl, überhaupt so viel Vertrauen zu gewinnen, dass ein Kind von seinen Miss-erfolgen und Verletzungen erzählt. Dabei wird im Gespräch klar: Das Kind ist die Hauptperson. Noch wichtiger als die Vorstellungen und Ziele der Eltern sind diejenigen des Kindes.

Solche Gespräche brauchen Zeit, sowohl das Kind wie die Eltern entwickeln eine genaue Vor-stellung, worauf sie sich einlassen, wenn sie mit mir zu arbeiten beginnen. Einsatz wird gefordert, aber es wird auch Mut gefasst, weil ein klarer, plausibler Weg aufgezeigt wird.

Während der Arbeit geht es dann vor allem darum, Ziele aus der Sicht des Kindes zu formu-lieren. Eine genaue Vorstellung davon ist wich-tig. Das Kind hat andere Ziele als seine Eltern, es möchte beispielsweise mit seinem Bruder besser auskommen oder eher ins Gleichgewicht kommen. Und nur wenn das Ziel konkret ist, ist das Kind auch motiviert, eine Anstrengung dafür in Kauf zu nehmen.

Viele Kinder sind es sich nicht gewohnt, nach ihrer Meinung gefragt zu werden. Es ist für sie einfacher, den Anweisungen der Erwachsenen blind zu folgen, anstatt selbst die Verantwortung zu übernehmen. Lernschwierigkeiten überwin-den heisst auch, die eigene Meinung und eigene Bedürfnisse äussern zu können, ein eigenes Mit-spracherecht wahrzunehmen. Kinder entwickeln grosse Kräfte, wenn sie kreativ sein können und eigene Lösungswege fi nden. Immer wieder spüre ich, wie beschränkt unsere Möglichkeiten als Erwachsene sind, weil unser Denken bereits in Bahnen abläuft und wir Dinge als gegeben annehmen, einfach weil wir uns an sie gewöhnt haben. Kinder fi nden einen anderen Weg, etwas darzustellen oder zu beweisen. Dies ist auch für mich selbst eine grosse Bereicherung. Bei den durchzuführenden Übungen kann ich dann sehr stur auf der Durchführung beharren. Allerdings

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nicht ohne zu erklären, aus welchem Grund ich genau an diesem oder jenem festhalte. Das Kind begreift den Sinn einer Lernstrategie, und die Wahrscheinlichkeit, dass es diese im Alltag anwendet, wird grösser.

Das Wichtigste im Umgang mit Kindern, diesen feinfühligen Persönlichkeiten, sind Offenheit, Ehrlichkeit, wirkliches Engagement und eine klare Linie. Obwohl ich sehr auf das Kind ein-gehe, behalte ich die Führung. Ich bin die Auto-rität und ich habe das Fachwissen und die Erfah-rung, von der das Kind profi tieren will. Ein Fehlen dieser Dinge wird vom Kind sofort bewusst oder unbewusst wahrgenommen – wenn dazwischen auch einmal richtig gelacht werden kann, befreit dies alle und alles.

Immer wieder wird gleichzeitig das Wort «Geduld» erwähnt. Wenn ich aber auf ein Kind eingehen kann und es verstehe, braucht es keine Geduld. Es ist so, wie es ist, Entwicklungs- und Lernprozesse brauchen Zeit.

Heidi Gander-BelzPrimarlehrerin und Therapeutin für Kinder mit

Lern behinderungen, CH-Mönchaltorf

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Verhandeln als LebensinhaltVon Franz Hidber

Meine gegenwärtige Kerntätigkeit ist die Ent-wicklung von komplexen Immobilienprojekten von der Idee bis zur Baureife inklusive Suche von Betreibern (Mietern) und Investoren, und zwar im In- und Ausland. Die Aufbereitung der Infor-mationen und Entscheidungsunterlagen erfolgt in der Regel durch Spezialisten, sodass ich mich im berufl ichen Alltag auf das Verhandeln kon-zentrieren kann. Die nachfolgenden Statements basieren auf meiner früheren und heutigen Tätig-keit.

Verhandeln, meine Motivation für den beru ichen AlltagJede Verhandlung ist für mich eine Motivation, und je komplexer die Problemstellung, umso stärker ist die persönliche Motivation. Da ein grosser Teil meiner Arbeitszeit «Verhandeln» ist, wird das «Verhandeln» für mich zum stimu-lierenden Lebensinhalt. Mit Freude nehme ich diese tägliche Herausforderung wahr, sei es bei Verhandlungen mit einfacher oder komplexer Materie.

Klare persönliche Ziele setzenVor jeder Verhandlung, ob klein oder gross, ob einfach oder komplex, setze ich mir das Haupt-ziel. Allenfalls nehme ich mir im Sinne der Etap-pierung auch Teilziele vor. Das Hauptziel gebe ich vorgängig schriftlich oder mündlich bekannt. Die Teilziele gelten in der Regel nur für mich persön-lich, da diese die für die Zielerreichung gewählte Taktik verraten könnten.

In der Vorbereitung der Verhandlung überlege ich mir stets die anzuwendende Strategie. Wenn in der Regel eine Offensiv-Strategie leichter zum Ziel führt, kann in Abhängigkeit vom Umfeld und der Materie die Defensiv-Strategie erfolgsver-sprechender sein.

Sich in die Rolle des Verhandlungspartners versetzenVor und während der Verhandlung stelle ich mir immer wieder die Frage, wie ich argumentie-ren würde, wenn ich auf der Gegenseite sässe. Durch taktische Überlegungen können die Argu-mente der Gegenseite oft provoziert werden. Zudem können durch persönlich gestellte Fragen die Verhandlungen zielorientiert geführt werden.

Die Verhandlungskultur ein ErfolgsfaktorDas Gegenüber bei den Verhandlungen emp-fi nde ich nicht als Gegner, sondern als Partner. Deshalb sind Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit und Stil gefragt. Regeln des Anstandes und der Men-schenwürde zu wahren, ist Kultur.

Einfühlen in die andersartige MentalitätIn der internationalen Geschäftstätigkeit zeigt es sich immer wieder, dass für das erfolgreiche Ver-handeln das «Einfühlen» in den Verhandlungs-partner mit seiner nationalen Herkunft ein enorm wichtiger Erfolgsfaktor ist. Der Denkmechanis-mus, die Reagibilität, die Sensibilität und vieles andere sind zu beachten. «Lächeln» ist nicht immer gleichbedeutend mit «Einverständnis».

Keine Verhandlung ohne VorbereitungSo banal sich dieser Grundsatz anhört, umso wichtiger ist er für den Erfolg von Verhandlungen. Die Vorbereitung gilt für das Sammeln von Infor-mationen, die Erarbeitung des Argumentariums, der Zielformulierung und endet in der persön-lichen Einstimmung beim Verhandlungsbeginn. Im Geschäftsleben ist die «Zeit» ein kostbares Gut, mit dem ökonomisch umzugehen ist. Meine Devise gilt, je umfassender eine Verhandlung vorbereitet ist, umso kürzer ist die Zeit der Ver-handlung und umso grösser der Erfolg.

Franz HidberFranz Hidber, Präsident

des Verwaltungsrates und

CEO der Züblin Immobilien

Holding AG, CH-Zürich

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Ziele und KompromisseVon Elisabeth Kopp

Die meisten Verhandlungen führte ich als Gemeindepräsidentin von Zumikon während mei-ner mehr als zehnjährigen Amtsdauer. Damals wurden Strasse und Forchbahn in einen Tunnel verlegt und darüber ein Gemeindezentrum ge -plant und gebaut. Rund um den verkehrsfreien Dorfplatz sollten Bauten entstehen, in denen die Bedürfnisse verschiedenster Bevölkerungs-gruppen gedeckt werden sollten. Verhandlungs-partner waren Private, der Kanton, die beiden Kirchgemeinden und die Schulgemeinde. Keine einzige Vorlage wurde in den gut zehn Jahren abgelehnt.

Wer verhandelt, will ein Ziel erreichen. Sein Gegen über auch. Soll das Ergebnis auf Dauer hal-ten, müssen beide bzw. alle Seiten vom Ergeb-nis befriedigt oder wenigstens gleich unbefrie-digt sein. Das bedeutet für mich, dass ich nicht unter allen Umständen versuche, das Maximum für meine Position herauszuholen, sondern ver-suche, ein auch langfristig optimales Resultat zu erzielen. Ein solches bemisst sich für mich nicht nur nach dem fi nanziellen Erfolg. Nachhaltig-keiten in verschiedenster Beziehung müssen auch eine Rolle spielen. Konkret bedeutet das für mich, dass ich zwar meine Zielvorstellungen klar formuliere, aber dass ich auch aufmerksam zuhöre. Zuhören bedeutet für mich, den Vertrags-partner und seine Argumente ernst nehmen. Es bedeutet auch die innere Bereitschaft, die eigene ursprüngliche Zielsetzung zu überdenken und unter Umständen von ursprünglichen Vor-

stellungen in einzelnen Punkten abzuweichen. Es bedeutet nicht zuletzt die Bereitschaft, dazu-zulernen. Weniger kann unter Umständen mehr sein. Verhandeln ist nicht nur eine Frage des Kopfes. Wenn wir in uns hineinhorchen, spüren wir, ob ein Ergebnis richtig ist oder nicht. Das Verhandlungsergebnis muss letztlich für alle Sei-ten stimmen. Ist mir ein Verhandlungspartner unterlegen, versuche ich, den Umstand nicht mutwillig auszunützen. Dabei denke ich nicht nur an das kurzfristige Resultat. Eine nicht geplante Konzession muss kein Schwächezeichen, son-dern kann ein Zeichen der Stärke sein. Ich habe in meinem Leben immer wieder die Erfahrung gemacht, dass ein begründetes Einlenken oder Entgegenkommen später, oft viel später, in irgendeiner Form zurückkommt.

Diese Haltung stösst dort an Grenzen, wenn auf der Gegenseite keine Bereitschaft besteht, ähn-lich zu denken und zu handeln. Wenn mit andern Worten kein Gespräch entsteht, sondern stur Meinungen aufeinanderprallen. Nicht nur in der Politik, sondern auch in der Geschäftswelt müs-sen Kompromisse gefunden werden. Ein Kom-promiss ist nicht a priori etwas Schlechtes. Er ist in der Regel besser als eine Nulllösung. Kommt es zu keinem Verhandlungsergebnis, ist es in der Regel eine Frage der Zeit. Entweder löst sich das Problem von selbst, oder es muss neu verhan-delt werden, dann aber mit mehr Bereitschaft, einen für alle Seiten gangbaren Weg zu fi nden. Wichtig ist dabei das Wissen darum, dass jede Abmachung nur so gut ist, wie die Partei, mit der man sie trifft, und dass der Text, den wir fest-legen, nicht transparent genug sein kann.

Elisabeth KoppElisabeth Kopp, alt Bundesrätin, CH-Zumikon

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Bedürfnisabklärung ist die Voraussetzung für erfolgreiches VerhandelnVon Urs Küng

Die Mutter von zwei Kindern hat noch eine Orange in der Früchteschale. Da kommen beide Kinder gerannt und rufen: «Ich will die Orange unbedingt haben!» Was tun? Soll die Mutter die Orange teilen? Intuitiv macht die Mutter das Richtige und fragt: «Warum wollt ihr die Orange unbedingt haben?» Die Tochter will einen Kuchen backen und braucht dazu nur die Schale. Der Sohn hat Durst und möchte nur den frisch gepressten Orangensaft trinken. Die Orange ohne Schale genügt ihm.

Nach Klärung der Bedürfnisse ist die Lösung plötzlich einfach, und die beiden unterschied-lichen Interessen lassen sich berücksichtigen, indem die Tochter die Schale und der Sohn die geschälte Orange bekommt. Beim schnellen Kompromiss mit zwei halben Orangen hätten zwei unzufriedene Kinder die Küche verlassen. Die Erkenntnis aus dieser einfachen, aber ein-leuchtenden Geschichte ist, dass die Bedürf-nisabklärung die wichtigste Voraussetzung für erfolgreiches Verhandeln ist.

Bedürfnisabklärung in der PraxisIn der unternehmerischen Praxis ist die Bedürf-nisabklärung meist nicht so einfach. Das liegt hauptsächlich daran, dass unsere Verhandlungs-partner – wie im Beispiel oben – zuerst nur ihre Maximalforderung stellen. Über ihre eigentlichen Motive, Absichten und Zielsetzungen informie-ren sie uns nicht.

Deshalb nehme ich mir zu Beginn einer Verhand-lung Zeit, um mit meinen Verhandlungspartnern über deren Motive, langfristige Zielsetzungen und übergeordnete Absichten zu sprechen. Da dies ein gewisses Vertrauen voraussetzt, lege ich oft zuerst meine eigenen Motive, Zielset-zungen und Absichten offen. Allein schon aus dieser gegenseitigen Information ergeben sich oft Anknüpfungspunkte und Lösungsmöglich-keiten, an die vorher keiner gedacht hat.

Dieses Vorgehen, gepaart mit gesundem Men-schenverstand, führt zu innovativen Verhand-lungsresultaten, die alle Verhandlungspartner besserstellen.

Urs KüngUrs Küng, CEO der Quantus

Asset Management AG,

CH-Wallisellen

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Paarbeziehungen: Verhandeln gehört dazuVon Bruno Lechmann

Wenn verhandelt werden muss, ist dies für viele ein Zeichen: Hier stimmt etwas nicht, ein Kon-fl ikt bahnt sich an und trübt die Harmonie, die vollkommene Übereinstimmung des Paares. Für mich ist das Gegenteil der Fall. Verhandlungen sind der Normalzustand, das Merkmal einer guten Partnerschaft. Bei aller Liebe muss es unterschiedliche Positionen geben, über die zu verhandeln ist: Man möchte eine gemeinsame Haltung gegenüber den Kindern einnehmen, gemeinsam etwas unternehmen, eine gemein-same Lösung für die neue Wohnungseinrichtung. Und nur über das Verhandeln wird sichtbar, wo wirklich Gemeinsamkeiten sind und wo Unter-schiede bestehen bleiben. Nur so kann eine für alle gute Lösung gefunden werden.

Menschen, die sich ebenbürtig sind, verhandeln – sie versuchen nicht, sich ihre gegenseitigen Mei-nungen und Werte aufzuzwingen, sondern die unterschiedlichen Standpunkte zu verstehen, mit einzubeziehen, anzunehmen. Bei ebenbürtigen Partnern hat keiner eine Erziehungsberechtigung über den andern, und wenn er es doch versucht, wehrt sich der andere zu Recht.

Was das Verhandeln zwischen Partnern immer wieder erschwert, ist die Neigung, viel zu früh damit zu beginnen. Bevor jemand auch nur eine Haltung oder Position beziehen und aus-loten kann, sieht er sich schon in einer hitzigen Diskussion gefangen. Es geht viel besser (und auch schneller), wenn man sich zunächst zurück-

nimmt, Interesse an der Ansicht des anderen zeigt, zur Kenntnis nimmt, was ihm wichtig ist. Eines der ältesten und besten Hilfsmittel dazu ist, in eigene Worte zu fassen, was der andere gesagt hat – und zwar so lange, bis dieser sich damit einverstanden erklärt. Dies scheint kom-pliziert, tönt nach Aufwand und Zeitverlust, ist aber für viele Paare mit einer wahren Offenba-rung verbunden. Einen spontanen Konfl ikt direkt zu bearbeiten ist weit langwieriger, jeder sagt dreimal dasselbe, weil er sich nicht verstanden fühlt, es gibt Umwege, Schlaufen und Missver-ständnisse.

Eine weitere Verhandlungserleichterung bringt die alte Regel der «Ich-Botschaften». Es geht hier darum, zunächst zu klären, welches meine Standpunkte sind, meine Gefühle, warum mir etwas wichtig scheint. Ich rede von mir, nicht mit «du solltest, du tust, du hast» oder «du hast nicht». Dies sind Wertungen des anderen, haben mehr mit Missionieren, als mit mir selbst zu tun. Verhandeln wird leichter, wenn jeder zunächst bei sich selbst bleibt – und wenn wir dann zum anderen übergehen, dann besser im Ja als im Nein, nicht entwertend oder vorwurfsvoll, son-dern so, dass dieser spürt: Ich versuche, ihn zu verstehen und zu akzeptieren, wie er ist.

Fazit: Verhandeln gehört zu jeder gesunden Part-nerbeziehung. Wie diese Verhandlungen geführt werden, entscheidet nicht zuletzt auch über die Qualität einer Beziehung und ob es gelingt, sie weiterzuentwickeln.

Bruno LechmannBruno Lechmann,

Paartherapeut, CH-Wil

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Greenpeace: Verhandlungsbereit, aber entschieden im StandpunktVon Gerd Leipold

Die Verhandlungssituationen von Greenpeace sind ganz speziell: Wir verstehen uns als ent-schiedene Vertreter der Umwelt. Deshalb ist ein Kompromiss für uns oft als Ergebnis nicht akzeptabel. Es ist beispielsweise nicht möglich, zu sagen, mit ein bisschen Kernkraftwerk sind wir einverstanden.

Und doch brauchen wir das Wohlwollen und das Vertrauen unserer Verhandlungspartner. Wir sagen klar, wofür wir stehen, aber man kann sich auch voll und ganz auf unser Wort verlas-sen. Wenn wir eine Einigung mit einem Verhand-lungspartner erzielt haben, dann halten wir uns auch daran.

Greenpeace hat eine lange Erfahrung im Ver-handeln. Wir trainieren Verhandlungsfähigkeiten, bereiten uns minuziös auf jede Verhandlung vor, üben sogar mit Rollenspielen (erstaunlich ist, wie gern dabei die Rolle des Bösewichts übernommen wird). Oft verhandeln wir mit Per-sonen, deren persönliche Meinung sich nicht ganz mit dem deckt, was sie vertreten müssen. Das ist natürlich von Vorteil für uns. In genau solchen Situationen ist es besonders wichtig, den Verhandlungspartner zu respektieren und trotz gegensätzlichen Positionen die Gemein-samkeiten hervorzuheben. Mit Sicherheit hilft uns dabei, dass wir nicht im Eigeninteresse handeln, das gemeinsame Interesse ist die Umwelt.

An Verhandlungen fasziniert mich ihr spiele-risches Element. Es macht Spass, sich in einem guten Team die unsichtbaren Bälle zuwerfen zu können und dabei sogar die andere Seite mit ein-zubeziehen.

Da wir keine wirtschaftliche oder politische Macht besitzen, ist es für uns oft wichtig, starke Verbündete zu fi nden: Ohne die Marktmacht von McDonald’s wäre es uns nie gelungen, für das Amazonasgebiet ein Moratorium auszuhandeln, wonach während zweier Jahre kein Soja auf neu gerodeten Flächen angebaut werden kann.

Wenn man weiss, wofür man steht, ist es immer leichter, zu verhandeln: Man weiss, wie weit man gehen kann, welche Kompromisse man akzeptieren und wie man die nächsten Schritte einleiten kann.

Verhandeln ist immer gut, um zu lernen. Selbst wenn man inhaltlich keine Übereinstimmung mit dem Verhandlungspartner erreichen kann, so lernt man trotzdem deren Standpunkte und Argumentationen kennen. Und selbst in solchen Situationen sollte man nie aufgeben zu versu-chen, andere zu überzeugen und dabei selber zu lernen.

Gerd LeipoldGerd Leipold, Geschäfts-

führer von Greenpeace

International,

NL-Amsterdam

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VerhandelnVon Prof. Dr. Peter Nobel

Zum Verhandeln gibt es Lehrbücher («Getting to Yes»), und es ist selbstverständlich, dass der Gegner, seine Lage und seine Interes-sen genau analysiert werden müssen. Es ist jedes Mal anders. Manchmal scheint es aber, als ob Universitätsabgänger, kaum tra-gen sie einen Nadelstreifenanzug und sind in ein Team integriert, das auf Häuschenpa-pier, mit PowerPoint und aufgeblasenen DCF-Reihen, Verhandlungsstrategien entwirft, auch glauben, richtig verhandeln zu können. Es gibt sogar Leute, die denken, man könne schriftlich verhandeln.

All dies mag dort richtig sein, wo eine Sach logik den Menschen das Heft aus der Hand nimmt oder die menschliche Gier nach Grösse die ökonomische, organisatorische und personelle Ratio nalität hintanstellt. Man glaubt dann, die sog. «gute Idee» schaffe auch schon die Wirk-lichkeit. Weit gefehlt; Verhandlungsergebnisse hängen oft vom Zufall der menschlichen Kons-tellation und einzel- und gruppendynamischen Prozessen ab. Das psychologische Spiel der Eitelkeiten, der kreativen Divergenzen und der «Show» wird dabei nicht selten viel wichtiger als das Paperwork. Im Vordergrund muss aber die Orientierung an einer Lösung stehen, die für beide stimmt. Dabei ist aber entscheidend, dass ein Vertrauensverhältnis entsteht.

Entscheidende sollten übrigens in wichtigen Fragen nie selber verhandeln, weil sie als vom

Ergebnis Abhängige zu sehr mit dem Rücken zur Wand stehen.

Wo es darauf ankommt, ist Verhandeln aber eine intuitive Kunst. Sie wird kaum mehr geschätzt, nicht gelehrt, und sie kann sich nur am Erfolg ausweisen. Sie ist gereifte Erfahrung in mensch-lichen Spannungssituationen.

Jeder denkt natürlich, verhandeln zu können. Der Kluge schaut aber dort, wo er einen Verhandler bestimmt, auch auf seinen «Record». Angesagt sind auch Hartnäckigkeit und Stehvermögen, im richtigen Moment vielleicht sogar Impulsivität, Aggressivität und Emotionalität. Intellektuelle Beherrschung ist nur eine Komponente. Selbst Distanz zum Verhandlungsgegenstand, eine Prise Selbstironie und sogar sarkastischer Humor kön-nen hilfreich sein. Wie kann man all dies lernen? Beim Lesen, Sporttreiben und Verhandeln.

Prof. Dr. Peter NobelProf. Dr. rer. publ.

Peter Nobel, Rechtsanwalt,

Nobel und Hug

Rechtsanwälte, CH-Zürich,

Zug, St. Gallen

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Verhandeln, ja dauerhaft …Von Johann Niklaus Schneider-Ammann

Unser Dasein ist ein Dauerverhandeln. Wir beschäftigen uns bewusst und unbewusst mit uns selbst, mit unserer Familie, unserem priva-ten Umfeld, den Herausforderungen in Beruf und Politik, der Umwelt und vielem anderem mehr. Sind wir nicht dauerhaft am Verhandeln?

Jede Verhandlung sucht nach einer Zielerrei-chung, mindestens nach einem Kompromiss, in der Regel nach einer Lösung und damit nach einer verbesserten Ausgangslage für die Zukunft. Dabei steht die subjektive Einschätzung, was Fortschritt und Erfolg darstellt, vor der Objekti-vität.

Eine Verhandlung ist dann erfolgreich, wenn alle Verhandlungspartner gleich unbefriedigt den Verhandlungstisch verlassen, sagt man. Oder anders ausgedrückt: Eine Verhandlung kann dann als erfolgreich gelten, wenn für beide/alle Partner eine Win-win-Situation resultiert. Keiner will das Feld als Verlierer räumen. Und trotz-dem passiert es. Markt ist eben Markt. So soll es auch sein. Wer sich in der Verhandlung nicht durchsetzen kann, aber dennoch das Gefühl hat, korrekt behandelt und respektiert zu werden, der nimmt den Rückschlag (sportlich) hin und tritt bei der nächsten Gelegenheit neu motiviert an.

Wer Verhandlungen zu seinen Gunsten entschei-den will, der bereitet sich sorgfältigst auf die Begegnung vor. Das Verhandlungsziel muss im Hinterkopf klar und fest eingeprägt sein. Auch

wenn die Auseinandersetzung mit dem Vis-à-vis un übersichtlich wird, gewinnt der die Verhand-lung, der das Ziel nicht aus den Augen verliert. Mit anderen Worten, die Verhandlung fi ndet nicht nur am Verhandlungstisch selbst, sondern vor allem auch im Vorfeld und in der Vorbereitung statt. Dies verlangt besondere Disziplin, Anstren-gung und Phantasie. Es ist nicht allen gegeben, die Vorbereitung derart sorgfältig zu treffen und dann in der eigentlichen Verhandlung fl exibel, agil, kreativ und damit zwingend zu sein.

Beim Schachspiel sind die Optionen und ihre Konsequenzen über mehrere Züge im Voraus zu überblicken. Wer dies sein Eigen nennen und dem «Gegner» das Spiel aufzwingen kann, der ist im Lead. Zum erfolgreichen Verhandeln gehört die Nasenlänge Vorsprung. Sie im rich-tigen Moment spielen zu können, ist eine Kunst.

In meinem Geschäft, einem «People-Geschäft» im Investitionsgüterbereich, zählen neben Tech-nik, Qualität und Preis vor allem auch das Ver-trauen in den Geschäftspartner. Und dieses ist nur mit Aufrichtigkeit, Sachlichkeit und Transpa-renz zu haben. Ist das Verhandeln deshalb ein-facher, weil geradliniger? Nein. Denn das Verhan-deln fi ndet am Verhandlungstisch einzig seinen Abschluss. Die Vorarbeit ist wesentlicher. Denn «unser Kunde kauft, wenn er nicht kauft». Er wertet dauerhaft unser Interesse, unsere Auf-merksamkeit, unsere Kundendienstbefähigung und unsere Einsatzbereitschaft. Saldiert sein Urteil betreffend Sein und Schein zugunsten des Ersteren, so sind wir als interessierter Lie-ferantenpartner auf gutem Weg. Wir verhandeln – dauerhaft!

Johann Niklaus Schneider-AmmannJohann Niklaus Schneider-

Ammann, Nationalrat,

Präsident und Delegierter

des Verwaltungsrates

der AMMANN Unterneh-

mungen, CH-Langenthal

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Türen öffnenVon Klaus J. Stöhlker

Machen wir uns nichts vor: Die meisten Türen bleiben uns stets verschlossen. Wir haben auch gar nicht den Mut, diese Türen aufzustossen, um einzutreten, da wir wissen, man wird uns wieder hinauswerfen. Ganz höfl ich. Jedoch, die Märkte, die sich hinter diesen Türen verbergen, sind gewaltig. Als ich, vor gut 35 Jah-ren, in die Schweiz kam, kannte ich niemanden, war niemand und konnte auch fast nichts, min-destens auf dem Gebiet der Öffentlichkeitsarbeit. Ich hatte jedoch eine hungrige und wachsende Familie und musste mir daher etwas einfallen lassen. Mein Motto war: «Im Zweifel tun.» Einige Türen gingen auf, ganz einfach, weil man mein Wissen wollte und gebrauchen konnte: in den Banken, bei den Konzernen und bald bei Poli-tikern, die begriffen, dass sie mit mir zusammen erfolgreicher waren. Viele Türen, die ich gerne geöffnet hätte, blieben aber zu. Grund: «Chaibe Usländer. Schwob.» Also baute ich meine Türöffnungsmaschine auf: Besuche auf Veranstaltungen, wo man Topmana-ger traf, Briefe an einigermassen bekannte, wo man sich vorstellte, später Faxe die zu Beginn noch hohes Prestige hatten. Ganz langsam be-gann die Wand sich zu bewegen. Jede Einladung ein Fortschritt, jede Sitzung ein Erlebnis. So lernte ich, hineinzukommen ist nicht einmal schwer, aber drinnen zu bleiben. Wer sich derart

bemerkbar macht, hat rasch viele Feinde. Kol-legen, Manager in den Firmen, die sich in ihrer berufl ichen Monotonie bedrängt fühlen. Spit-zenmanager, die viel lieber über Umsätze und Bilanzen sprechen als über Kommunikation.Wichtig ist es, einen geraden Rücken zu behal-ten und ein Profi zu bleiben. Etwas Respektlosig-keit gehört auch dazu, Bundesrat Dr. Christoph Blocher oder Micheline Calmy-Rey um einen Auftritt und Vortrag zu bitten. Offi ziell haben sie überhaupt keine Zeit, in Wirklichkeit jede Menge, weil sie selber die Routineanlässe bei Gewerbe- und Bauernverbänden hassen. Damit will ich sagen: Die meisten Türen sind gar nicht verschlossen. Man muss ganz einfach gegen sie drücken und sie gehen auf. Einmal fragte ich einen berühmten Politiker: «Weshalb sind Sie in so vielen Kommissionen?» Die Ant-wort: «Ich han eifach gfrögt.» Machen Sie es genau so, «fröged» Sie einfach. Sie werden sich wundern, wie oft man Ihnen Ja sagt. Manchmal muss man auch zweimal fragen. Ich sage dann, jeder habe das Recht, dazuzulernen. Also, viel Glück. Klopfen Sie an. Schreiben Sie. Oder mai-len Sie. Keine Angst.

Klaus J. StöhlkerUnternehmensberater

für Öffentlichkeitsarbeit,

CH-Zollikon