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kol | AUFSÄTZE 1. Einführung In dieser Abhandlung soll eine Reihe von Punkten exempla- risch herausgegriffen werden, die deutschen Kraftfahrern in den Niederlanden – oder in Holland, wie man diesseits des Rheins überwiegend sagt – erfahrungsgemäß Probleme berei- ten. Es gibt nämlich eine Vielzahl von unbekannten Regelun- gen im Nachbarland, die unsereinem überraschend vorkom- men, manchmal auch eigenartig. Trotzdem soll hier aber kein Kuriositätenkabinett eröffnet werden, auch wenn im Folgen- den manches für deutsche Ohren etwas seltsam klingen mag. Unter dem Oberbegriff „Verkehrsrecht“ erfolgt ein kurzer Streifzug – mit gelegentlichen Anmerkungen rechtsverglei- chender Art – durch einige vom deutschen Recht abweichende niederländische Rechtsmaterien, wie etwa Verhaltens- und Zu- lassungsvorschriften, Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkei- tenrecht, versicherungs- und schadenersatzrechtliche Bestim- mungen sowie Kfz-Abgabenrecht, von dem auch Deutsche nicht immer verschont bleiben. 2. Verkehrsrechtliche Probleme 2.1. Verhaltensvorschriften Kernstück des niederländischen wie des deutschen Verkehrs- rechts sind die Verhaltensvorschriften, die ihre Grundlage im Straßenverkehrsgesetz (Wegenverkeerswet/WVW) und in der Verordnung über Verkehrsregeln und Verkehrszeichen (Reg- lement Verkeersregels en Verkeerstekens/RVV) haben; letztere entspricht in etwa unserer StVO. 2.1.1. Ruhender Verkehr Der ruhende Verkehr und dessen Reglementierung sind im Wesentlichen im RVV normiert. Da in den Niederlanden die Parkflächen aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens und der großen Bevölkerungs- und Fahrzeugdichte sehr beschränkt sind, wird der Parküberwachung enorme Bedeutung beigemes- sen. Die niederländische Polizei und die Verwaltungsbehörden sind denn auch dafür bekannt, dass sie Verstöße im ruhenden Verkehr unnachsichtig und mit hohen Bußen ahnden. Dies gilt selbst für einfache Parkverstöße wie kurzzeitiges Überzie- hen der Stehzeit an Parkuhren oder Parkscheinautomaten. In großen Städten wie z.B. Amsterdam, ist selbst die Suche nach einem gebührenpflichtigen Parkplatz, gar in Hotelnähe, sehr schwierig, so dass manch ein Kraftfahrer geneigt ist, sein Auto regelwidrig abzustellen – mit häufig sehr unangenehmen Fol- gen. 2.1.2. Geschwindigkeitsregeln Zu den vom deutschen Recht abweichenden Vorschriften im fließenden Verkehr zählen auch eine Reihe von Tempolimits. Straßenverkehrsrecht ZEITSCHRIFT FÜR DIE PRAXIS DES VERKEHRSJURISTEN Verkehrszivilrecht Versicherungsrecht Verkehrsstrafrecht Ordnungswidrigkeiten Verkehrsverwaltungsrecht In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Anwaltsinstitut e.V. herausgegeben von Dr. jur. Frank Albrecht, Regierungsdirektor im Bundesverkehrsministerium, Berlin; Hans Buschbell, Rechtsanwalt, Düren/Köln; Wolfgang Ferner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, Koblenz/Heidelberg; Dr. Christian Grüneberg, Richter am OLG Köln; Prof. Dr. Christian Huber, Technische Hochschule, Aachen; Ottheinz Kääb, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Fach- anwalt für Verkehrsrecht, München; Prof. Dr. Jürgen-Detlef Kuckein, Richter am BGH, Karlsruhe; Ulf D. Lemor, Geschäftsführer Europa, Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft, Brüssel; Dr.-Ing. Werner Möhler, Aachen; Ass. jur. Joachim Otting, Hünxe/Berlin; Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch, Universität Tübingen; Priv. Doz. Dr. Stephan Seidl, Nürnberg/Erlangen. Schriftleitung: Wolfgang Ferner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, Koblenz/Heidelberg; Ass. jur. Rüdiger Balke, Koblenz; Wolfgang E. Halm, Rechtsanwalt, Köln; Prof. Dr. Helmut Janker, Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege, Berlin. AUFSÄTZE Deutsche Autofahrer in den Niederlanden – Häufige verkehrsrechtliche Probleme im Nachbarland Von Rechtsanwalt Hermann Neidhart, Neuried/München SVR 10/2005 | 361

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1. Einführung

In dieser Abhandlung soll eine Reihe von Punkten exempla-risch herausgegriffen werden, die deutschen Kraftfahrern in den Niederlanden – oder in Holland, wie man diesseits des Rheins überwiegend sagt – erfahrungsgemäß Probleme berei-ten. Es gibt nämlich eine Vielzahl von unbekannten Regelun-gen im Nachbarland, die unsereinem überraschend vorkom-men, manchmal auch eigenartig. Trotzdem soll hier aber kein Kuriositätenkabinett eröffnet werden, auch wenn im Folgen-den manches für deutsche Ohren etwas seltsam klingen mag.

Unter dem Oberbegriff „Verkehrsrecht“ erfolgt ein kurzer Streifzug – mit gelegentlichen Anmerkungen rechtsverglei-chender Art – durch einige vom deutschen Recht abweichende niederländische Rechtsmaterien, wie etwa Verhaltens- und Zu-lassungsvorschriften, Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkei-tenrecht, versicherungs- und schadenersatzrechtliche Bestim-mungen sowie Kfz-Abgabenrecht, von dem auch Deutsche nicht immer verschont bleiben.

2. Verkehrsrechtliche Probleme

2.1. Verhaltensvorschriften

Kernstück des niederländischen wie des deutschen Verkehrs-rechts sind die Verhaltensvorschriften, die ihre Grundlage im

Straßenverkehrsgesetz (Wegenverkeerswet/WVW) und in der Verordnung über Verkehrsregeln und Verkehrszeichen (Reg-lement Verkeersregels en Verkeerstekens/RVV) haben; letztere entspricht in etwa unserer StVO.

2.1.1. Ruhender Verkehr

Der ruhende Verkehr und dessen Reglementierung sind im Wesentlichen im RVV normiert. Da in den Niederlanden die Parkfl ächen aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens und der großen Bevölkerungs- und Fahrzeugdichte sehr beschränkt sind, wird der Parküberwachung enorme Bedeutung beigemes-sen. Die niederländische Polizei und die Verwaltungsbehörden sind denn auch dafür bekannt, dass sie Verstöße im ruhenden Verkehr unnachsichtig und mit hohen Bußen ahnden. Dies gilt selbst für einfache Parkverstöße wie kurzzeitiges Überzie-hen der Stehzeit an Parkuhren oder Parkscheinautomaten. In großen Städten wie z.B. Amsterdam, ist selbst die Suche nach einem gebührenpfl ichtigen Parkplatz, gar in Hotelnähe, sehr schwierig, so dass manch ein Kraftfahrer geneigt ist, sein Auto regelwidrig abzustellen – mit häufi g sehr unangenehmen Fol-gen.

2.1.2. Geschwindigkeitsregeln

Zu den vom deutschen Recht abweichenden Vorschriften im fl ießenden Verkehr zählen auch eine Reihe von Tempolimits.

StraßenverkehrsrechtZ E I T S C H R I F T F Ü R D I E P R A X I S D E S V E R K E H R S J U R I S T E N

VerkehrszivilrechtVersicherungsrechtVerkehrsstrafrecht

OrdnungswidrigkeitenVerkehrsverwaltungsrecht

In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Anwaltsinstitut e.V.

herausgegeben von Dr. jur. Frank Albrecht, Regierungsdirektor im Bundesverkehrsministerium, Berlin; Hans Buschbell, Rechtsanwalt, Düren/Köln; Wolfgang Ferner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, Koblenz/Heidelberg; Dr. Christian Grüneberg, Richter am OLG Köln; Prof. Dr. Christian Huber, Technische Hochschule, Aachen; Ottheinz Kääb, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Fach-anwalt für Verkehrsrecht, München; Prof. Dr. Jürgen-Detlef Kuckein, Richter am BGH, Karlsruhe; Ulf D. Lemor, Geschäftsführer Europa, Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft, Brüssel; Dr.-Ing. Werner Möhler, Aachen; Ass. jur. Joachim Otting, Hünxe/Berlin; Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch, Universität Tübingen; Priv. Doz. Dr. Stephan Seidl, Nürnberg/Erlangen.Schriftleitung: Wolfgang Ferner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, Koblenz/Heidelberg; Ass. jur. Rüdiger Balke, Koblenz; Wolfgang E. Halm,Rechtsanwalt, Köln; Prof. Dr. Helmut Janker, Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege, Berlin.

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Deutsche Autofahrer in den Niederlanden – Häufi ge verkeh rsrechtliche Probleme im NachbarlandVon Rechtsanwalt Hermann Neidhart, Neuried/München

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So muss außerhalb von Ortschaften mit vergleichsweise stark gedrosselter Geschwindigkeit gefahren werden: maximal 80 km/h sind auf Landstraßen erlaubt, 100 auf Schnellstraßen und 120 auf Autobahnen. Kfz über 3,5 t dürfen nirgends schneller sein als 80 km/h. Andernfalls werden relativ hohe Geldbußen fällig.

2.1.3. Vorfahrt

Bei uns ist kaum bekannt, dass in den Niederlanden erst im Mai 2001 die Vorfahrtregel „rechts vor links“ auch auf Nicht-Kfz, z.B. auf Radfahrer, ausgedehnt wurde. Zuvor hatten die schwächeren Verkehrsteilnehmer gefälligst zu warten, wenn die Vorfahrt nicht durch Schilder oder Ampeln zu ihren Guns-ten geregelt war.

2.2. Verkehrszeichen

Nicht nur in Deutschland, auch in Holland wimmelt es nur so von Verkehrsschildern und Bodenmarkierungen, die insbe-sondere das Parken und Halten einschränken oder verbieten. Nicht jedem Autofahrer ist z.B. das Verbot des Parkens entlang von gelben Bordsteinkanten bekannt. Knackpunkt sind aber in Holland (wie in vielen anderen Ländern) die häufig nur in der Landessprache beschrifteten Zusatzschilder an Verkehrszei-chen oder Tafeln, die den ruhenden Verkehr regeln. Da steht der ausländische Autofahrer oft irritiert davor und weiß nicht, wie er sich verhalten soll. Aber Unkenntnis schützt auch hier nicht vor Strafe oder einer Parkkralle. Der natürlich meist auch auf Niederländisch verfasste Verwarnungszettel lässt den Ver-kehrssünder dann noch zusätzlich im Unklaren darüber, was genau er verbrochen haben soll.

2.3. Sonderregeln für Camper

Die Holländer gelten bei uns als ein Volk von Campern, die im Sommer mit ihren Wohnanhängergespannen und Reisemobi-len übers Land fahren. Ähnliches gilt aber auch für die Deut-schen, die gern mit ihren Campingfahrzeugen im Nachbar-land unterwegs sind. Für diese Spezies gibt es denn auch eine Reihe von niederländischen Sondervorschriften, von denen angesichts der hohen Sanktionen wenigstens einige bekannt sein sollten.

2.3.1. Höchstgeschwindigkeit

So darf mit Caravans und Wohnmobilen über 3,5 t auch auf Schnellstraßen und Autobahnen höchstens mit 80 km/h ge-fahren werden. Dies gilt ebenfalls für Wohnanhänger, mit de-nen in Deutschland bei entsprechender technischer Ausstat-tung 100 km/h erlaubt sind.

2.3.2. Fahrzeugbreite

Auf Straßen, die mit einem „B“ ausgeschildert sind, dürfen Wohnwagen nur mit einer Höchstbreite bis 2,20 m verkehren, obwohl sonst generell 2,55 m zulässig sind.

2.3.3. Parken und Übernachten

Ganz restriktiv sind die Parkvorschriften für Camper ausgestal-tet. Während in Deutschland ein Wohnmobilfahrer nach lan-ger Reise eine ganze Nacht z.B. an einem Autobahnparkplatz

verweilen darf, um sich in seinem Fahrzeug zu erholen, ist dies in Holland strikt untersagt. Hier ist außerhalb von Camping-plätzen nicht nur das Campen verboten, sondern auch das Übernachten in Freizeitfahrzeugen. Rechtsgrundlage für dieses strenge Verbot ist Art. 27 des Campinggesetzes (Kampeerwet). Wer hiergegen verstößt, wird oft mitten in der Nacht geweckt, muss seine Personalien angeben und sich dann umgehend mit dem Fahrzeug entfernen. Zudem werden solche Zuwiderhand-lungen mit bis zu mehreren hundert Euro Buße geahndet.

2.3.4. Caravansicherung

Ebenfalls eine Sonderbestimmung, die gelegentlich auch auf Campingfahrzeuge angewendet wird, betrifft das Sichern von Anhängern. Da aber Boots-, Sport- und andere Anhänger eben-falls immer wieder angehalten werden, wird dieser Sachverhalt bei den Kfz-Zulassungsvorschriften behandelt.

2.4. Kfz-Zulassungsvorschriften

Die Zulassungsvorschriften für Kraftfahrzeuge und Anhänger finden sich in der Fahrzeugverordnung (Wegenverkeersregle-ment/WVR).

2.4.1. Anhängersicherung

Da es sich bei diesen Sicherungen um Vorrichtungen handelt, die dem Zulassungsrecht unterliegen, dürfen sie nicht ohne weiteres für im Ausland (hier: in Deutschland) zugelassene Fahrzeuge verlangt werden. Die Niederlande haben nämlich das Wiener Straßenverkehrsübereinkommen von 1968 ebenso ratifiziert wie Deutschland, so dass deutsche Kfz-Halter und Fahrer sich grundsätzlich darauf berufen können, dass sie sich bei vorübergehenden Auslandsfahrten nicht nach ausländi-schen (hier: holländischen) Zulassungsbestimmungen richten müssen.

In den Niederlanden gemeldete Anhänger bis 1500 kg zGG müssen mit einer sog. „Losreißvorkehrung“ ausgerüstet sein, die verhindert, dass der Anhänger sich selbständig macht, wenn er sich vom Zugfahrzeug löst. Aus dem gleichen Grund ist für schwere Anhänger und Wohnwagen über 1500 kg zGG ein sog. „Handreißbremskabel“ vorgeschrieben. Diese spezi-ellen Anhängersicherungen fordert das deutsche Zulassungs-recht nicht, schon gar nicht für Anhänger unter 750 kg. In Hol-land werden in derartigen Fällen aber häufig 75 bis 115 Euro Buße verlangt, obwohl das Fahrzeug voll der deutschen StVZO entspricht.

2.4.2. Kfz-Kennzeichen

Als Hollandbesucher hat man die dortigen Kennzeichenschil-der bei einer Fahrt durchs Land ständig vor Augen. Aus der Kombination von Buchstaben und Zahlen ist aber leider nicht erkennbar, wo das jeweilige Kfz zugelassen ist. Hingegen ist in der Kennzeichenverordnung u.a. geregelt, dass seit Mitte 2001 alle holländischen Fahrzeuge mit neuen Nummernschildern ausgestattet sein müssen, dass Taxis ein hellblaues, Oldtimer ein dunkelblaues Schild führen müssen. Caravans und ande-re Anhänger sind seit 2003 mit weißen Kennzeichen zu verse-hen.

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2.5. Führerscheinrecht

Im Fahrerlaubnisrecht, das im Straßenverkehrsgesetz (WVW) und in der Führerscheinverordnung (RR) geregelt ist, hat auch die EU-Rechtsetzung ihre Spuren hinterlassen.

2.5.1. Mindestalter für Klasse A1

Nach der 2. EU-Führerscheinrichtlinie (91/439/EWG) und einer Entscheidung der EU-Kommission vom 21.3.2000 werden in-nerhalb der Europäischen Union Fahrerlaubnisse aus dem Her-kunftsland des Inhabers generell in dem Umfang anerkannt, den sie im Herkunftsland des Inhabers haben. Im Falle eines deutschen Motorradführerscheins kommt es daher grundsätz-lich auch im Ausland auf die deutsche Rechtslage an. Allerdings ist dabei zu beachten, dass Art. 6 Abs. 3 der genannten Führer-schein-Richtlinie den EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein-räumt, die Gültigkeit einer Fahrerlaubnis, deren Inhaber noch keine 18 Jahre alt ist, auf ihrem Hoheitsgebiet nicht anzuer-kennen. Die Niederlande haben (ebenso wie Österreich) von dieser Mindestaltersregelung in Art. 110 Straßenverkehrsgesetz (WVW) in Verbindung mit Art. 5 der Führerscheinverordnung (RR) Gebrauch gemacht: So dürfen Inhaber einer Fahrerlaub-nis der Klassen A und A1 in den Niederlanden erst ab 18 Jahren mit einem entsprechenden Motorrad am Straßenverkehr teil-nehmen. Die Tatsache, dass das deutsche Führerscheinrecht hier ein anderes Mindestalter, nämlich 16 Jahre, vorsieht, ist dabei ausnahmsweise nicht maßgeblich, da die von der EU zu-gelassene Einschränkung ausdrücklich auch auf durchreisen-de Inhaber ausländischer Führerscheine anwendbar ist.

2.5.2. Führerschein-Umschreibung

Innerhalb der EU gilt gem. der 2. Führerschein-Richtlinie der Grundsatz, dass in einem bestimmten Land ausgestellte Füh-rerscheine bei Wohnsitzverlegung in ein anderes Land der Union nicht umgetauscht bzw. umgeschrieben werden müs-sen. In einem von der EU-Kommission gegen die Niederlande angestrengten Vertragsverletzungsverfahren (Rechtssache C-246/00) hat der EuGH am 20.7.2003 dieses Prinzip bestätigt und betont, dass die gegenseitige Anerkennung von in einem anderen EU-Land ausgestellten Führerscheinen „ohne jede Formalität“ erfolgen muss. Insofern wurde die Einhaltung von Art. 109 Abs. 5 WVW als zu schwerfällig und nicht erforderlich für ausländische EU-Führerscheininhaber angesehen.

3. Ordnungswidrigkeiten- und Verkehrsstrafrecht

Zu einer hollandweiten Entkriminalisierung von Verkehrszu-widerhandlungen kam es erst Anfang der 90er Jahre. Seitdem werden massenhaft begangene Verstöße nach der Lex Mulder (s.u.) geahndet.

3.1. Bußgeldkatalog

Der niederländische Bußgeldkatalog (Feitenboekje) zur Ahn-dung von Verkehrsverstößen ist sehr detailliert und gliedert sich in viele hundert Tatbestände. Der Katalog enthält statt Beträgen aber nur Ziffern, aus denen dann ersichtlich ist, mit welcher Buße der jeweilige Verstoß geahndet wird. Die Bußen wiederum sind je nach Fahrzeugart unterschiedlich hoch. Der

derzeitige Bußgeldkatalog ist seit Januar 1998 in Kraft und wurde seitdem mehrfach geändert, zuletzt Anfang 2004. Die aktuelle Bußgeldbemessungsrichtlinie (2003 R-006) hat eine Laufzeit bis Ende 2007.

Bereits Verstöße im ruhenden Verkehr (Zuwiderhandlungen gegen Halt- und Parkverbote) werden vergleichsweise streng geahndet, in der Regel mit mehr als 40 Euro. Erst recht hoch fallen die Bußen für Verstöße im fließenden Verkehr aus, ins-besondere für Geschwindigkeitsüberschreitungen. So wird z.B. die Nichtbeachtung von Tempolimits innerorts um mehr als 30 km/h mit Bußgeldern zwischen rund 200 und ca. 500 Euro geahndet. Ähnliches gilt für Geschwindigkeitsverstöße auf Au-tobahnen um mehr als 40 km/h.

3.2. OWi-Verfahren

Das niederländische Ordnungswidrigkeitenverfahren ist im Gesetz über die verwaltungsrechtliche Ahndung von Verkehrs-verstößen (WAHV), das auch als Lex Mulder bezeichnet wird, geregelt und ist seit 1.9.1990 in Kraft. Auf einige Besonderhei-ten soll nachfolgend hingewiesen werden.

3.2.1. Sofortzahlung

Verkehrszuwiderhandlungen einfacherer Art können von der Polizei an Ort und Stelle geahndet werden, was in Deutschland ähnlich gehandhabt wird. Handelt es sich bei dem Verkehrs-sünder um einen ausländischen Fahrzeugführer ohne Wohn- oder Aufenthaltsort in den Niederlanden, wird er von der Polizei meist zur sofortigen Begleichung eines bestimmten Be-trags veranlasst. Ist ein Bußgeldbescheid von der Verwaltungs-behörde zu erlassen, muss der Betroffene in der Regel (gem. Art. 31 Nr. 1 WAHV) vorab eine Sicherheitsleistung erbringen. Ausländischen Zahlungspflichtigen ist dann aber häufig nicht klar, ob sie nun nur eine Kaution hinterlegt oder aber die Sa-che durch Sofortzahlung – und ohne Rechtsmittelmöglichkeit – endgültig erledigt haben.

3.2.2. Anzeigeverfahren

Anhand des Kfz-Kennzeichens lässt das Zentrale Justiz-Inkas-sobüro (CJIB) den jeweiligen Halter des deutschen Fahrzeugs, mit dem ein Verstoß begangen wurde, auf der Grundlage des Schengener Durchführungsübereinkommens über das Flens-burger Kraftfahrtbundesamt feststellen. Der Betroffene erhält einen Bußgeldbescheid, dem er binnen 8 Wochen nachzu-kommen hat, mit gleichzeitiger Ankündigung, dass bei nicht rechtzeitiger Zahlung eine Erhöhung der Buße um zunächst 25 % und später um weitere 50 % erfolge. Widerspruch kann binnen 6 Wochen bei der ausstellenden Behörde erhoben wer-den.

3.2.3. Berufung

Wird dem Widerspruch nicht stattgegeben, kann gegen die ablehnende Entscheidung innerhalb von 6 Wochen Berufung beim Amtsgericht (Kantongerecht) eingelegt werden. Über diese wird aber nur entschieden, wenn die verlangte Buße in voller Höhe als Sicherheit bei Gericht einbezahlt wird. Diese Regelung gilt für in- und ausländische Betroffene und wirft be-sonders bei deutschen Kraftfahrern die Frage nach dem Wieso

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und Warum auf: Wird in Holland die Rechtsprechung tatsäch-lich nur gegen Vorauskasse tätig?

3.2.4. Halterhaftung

Bei sog. Kennzeichenanzeigen gilt der Kfz-Halter von vorn-herein als Verkehrssünder. Nach höchstrichterlicher Recht-sprechung (des Hohen Rats/Hoge Raad) ist – im Gegensatz zur deutschen Rechtslage – die Halterhaftung auch im fließenden Verkehr zulässig und soll auch mit Art. 6 der Europäischen Menschenrechts-Konvention (EMRK) vereinbar sein. Nur we-nige Ausnahmen von diesem Prinzip werden gelten gelassen. Der Bußgeldbescheid wird gem. Art. 5 und 5a WAHV für den Fall, dass nicht kurzfristig der betroffene Fahrer ermittelt wer-den kann, dem Halter zugestellt.

Der Staatsanwalt hat (gem. Art. 8 WAHV) drei Möglichkeiten, einen gegen den Kfz-Halter gerichteten Bußgeldbescheid auf-zuheben, und zwar wenn dieser nachweist, dass

das Fahrzeug gegen seinen Willen benutzt wurde,

er sein Fahrzeug für höchstens drei Monate gewerblich ver-mietet hatte, oder

er belegen kann, dass er zum Zeitpunkt des Verkehrsversto-ßes nicht mehr Kfz-Halter war (z.B. infolge Verkaufs dessel-ben).

Andere Entlastungsargumente hat ein Kfz-Halter bei Kennzei-chenanzeigen nicht.

Da hilft auch die Berufung zum Amtsgericht mit den in Art. 9 WAHV genannten Gründen wenig. Gegen eine abweisende amtsgerichtliche Entscheidung kann die sog. „Weitere Be-schwerde“ beim Gerichtshof in Leeuwarden erhoben werden – wenn die Buße mehr als 70 Euro beträgt.

3.3. Eintreibungsmaßnahmen

3.3.1. in den Niederlanden

Die Durchsetzung von Geldbußen gegenüber im Ausland an-sässigen Personen kann bei Parkverstößen in Holland mittels einer (z.B. in Deutschland für solche Fälle nicht zulässigen) Radklemme oder Parkkralle erfolgen. Dabei fallen zusätzlich zu den ohnehin schon teuren Strafzetteln erhebliche Gebüh-ren für das Anbringen und Entfernen der Kralle an (dies wird besonders in Großstädten wie Amsterdam praktiziert).

Eine weitere Möglichkeit der Zahlungserzwingung besteht in der Sicherstellung oder Beschlagnahme des Tatfahrzeugs (Art. 31, 32 WAHV), was auch bei Alkoholisierung des Fahrers erfolgt.

3.3.2. in Deutschland

Bei der (versuchten) Auslandseintreibung von Geldbußen wa-ren die holländischen Gemeindeverwaltungen, Bußgeld- und Inkassostellen schon immer höchst ideenreich, wobei häufig der Zweck die Mittel heiligen musste, was zu allerlei Kapriolen geführt hat und immer noch führt. Man gewinnt dabei den Eindruck, dass das Eintreiben insbesondere von Parkbußen ein ganz wichtiges Anliegen jenseits der Grenze sei, wozu kein Auf-wand zu gering ist. 2 km/h Geschwindigkeitsüberschreitung

oder 3 Min. Parkzeitüberziehung werden mit hohem bürokra-tischen Aufwand und entsprechenden Kosten betrieben. Nach derzeitigem Rechtsstand ist die Auslandsvollstreckung von Geldsanktionen aber in der Praxis grundsätzlich nicht durch-führbar bzw. wird sie nicht praktiziert.

3.4. Verkehrsstrafrecht

3.4.1. Alkoholmessung

In den Niederlanden gilt (gem. Art. 8 WVW) wie in Deutsch-land die 0,5 Promille-Grenze. Als Besonderheit ist vielleicht anzusehen, dass, falls Atemalkoholmessungen oder Blutpro-ben nicht gelingen bzw. nicht stattfinden, mittels Urinprobe als weitere Meßmethode die Alkoholisierung ermittelt wird.

3.4.2. Trunkenheitsfahrt

Kommt es im Zusammenhang mit einer Trunkenheitsfahrt zu einer fahrlässigen Körperverletzung (Art. 6 WVW), ist Frei-heitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe bis 11.250 Euro zu erwarten; bei fahrlässiger Tötung (Art. 6 und 8 WVW) ist die Strafdrohung enorm hoch: Freiheitsstrafe bis zu 9 Jahren oder Geldstrafe bis 45.000 Euro. Zusätzlich wird ein Führerschein-entzug bis zu 5 Jahren verhängt. Grundsätzlich das Gleiche gilt bei Fahrten mit ähnlichen Folgen unter Drogeneinwirkung.

4. Zivilrecht

Hier sollen nur einige Punkte aus dem Versicherungs-, Scha-denersatz- und Verfahrensrecht herausgegriffen werden, bei denen es Abweichungen zum deutschen Recht gibt.

4.1. Kfz-Versicherungsrecht

4.1.1. Garantiefonds

Interessant ist, dass der niederländische Garantiefonds nicht nur bei unbekanntem oder nichtversichertem Schädigerfahr-zeug, bei Unfall mit gestohlenem oder unberechtigt ange-eignetem Kfz eintrittspflichtig ist. Er haftet sogar auch dann, wenn ein Kfz-Halter aus Gewissensgründen von der Versiche-rungspflicht befreit wurde – eine Regelung, die ihresgleichen in anderen Ländern sucht.

Bei Sachschäden wird dem Geschädigten vom Garantiefonds zudem eine Selbstbeteiligung von z.Z. 136 Euro abgezogen.

4.1.2. Beschwerdestelle

Als Beschwerdestelle für nicht korrektes Versicherungsverhal-ten fungiert neben der Versicherungsaufsicht der Ombudsman für Schadenversicherungen – eine Einrichtung, die in Holland schon viel länger als in Deutschland existiert.

4.2. Schadenersatzrecht

4.2.1. Haftung gegenüber Fußgängern und Kindern

Eine Besonderheit des niederländischen Haftungsrechts be-steht darin, dass es eine Verschuldensvermutung zugunsten nichtmotorisierter Unfallgeschädigter, also gegenüber Fuß-gängern, Radfahrern usw. gibt (Art. 185 WVW). Gegenüber

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Kindern unter 14 Jahren wird sogar seitens von Kraftfahrern immer gehaftet; ihnen ist generell keine fahrlässige Schadens-verursachung vorwerfbar (allenfalls Vorsatz).

4.2.2. Schmerzensgeld

Vorteilhaft für Geschädigte ist auch, dass ihnen ein Schmer-zensgeldanspruch sowohl bei Verschulden des Unfallverursa-chers zusteht als auch im Rahmen der Haftung für Betriebsge-fahr (Verschuldensvermutung).

Für hinterbliebene Angehörige tödlich Verletzter ist aber eben-sowenig wie in Deutschland ein Schmerzensgeld vorgesehen.

Die Schmerzensgeldhöchstbeträge sind niedriger als bei uns.

4.2.3. Anwaltskostenerstattung

Problematisch ist die Erstattung außergerichtlicher Anwalts-kosten, die längst nicht in dem Umfang erfolgt wie in Deutsch-land. Diese werden nur ersetzt, soweit sie „vertretbar“ sind (Art. 6.96 BW), etwa bei Unfällen mit Personenschaden, eben-so meist auch bei Sachschäden mit ungeklärter Schuldfrage.

4.2.4. Nutzungsausfall

Eine pauschale Nutzungsausfallentschädigung gibt es – im Gegensatz zu Deutschland – nach niederländischem Schaden-ersatzrecht nicht, ebensowenig eine allgemeine Unkostenpau-schale.

4.2.5. Wertminderung

Auch ein Anspruch auf merkantile Wertminderung ist in der außergerichtlichen Praxis nur selten und lediglich bei hohen Fahrzeugschäden durchsetzbar.

4.3. Verfahrensrecht

4.3.1. Gerichtszuständigkeit

Das Amtsgericht ist für relativ hohe Streitwerte, nämlich bis 34.500 Euro, erstinstanzlich (sachlich) zuständig, ein ums Mehrfache höherer Betrag als in Deutschland. Eine Rechtsmit-teleinlegung ist dagegen bei amtsgerichtlichen Urteilen schon ab 1.134 Euro möglich.

4.3.2. Adhäsionsverfahren

In den Niederlanden kann ein Geschädigter im Rahmen eines Strafprozesses gegen den Schädiger (im sog. Adhäsionsverfah-ren, gem. Art. 361 Wetboek van Strafvordering/WvSv) seine Schadenersatzansprüche einbringen. Allerdings muss die gel-tend gemachte Forderung leicht zu beweisen sein, um diesen Verfahrensweg beschreiten zu können. Die Verurteilung des Schädigers zu einer Strafe, etwa wegen fahrlässiger Körperver-letzung, ist Voraussetzung für Schadenersatz im Adhäsionsver-fahren.

5. Kfz-Abgabenrecht

Selbst beim Abgabenrecht gibt es Tücken, deren Nichtbeach-tung zu Nachzahlungen und Bußen oder Strafen führen kön-nen.

5.1. Kfz-Steuer

Deutschland hat mit einer Reihe von Staaten, auch mit den Niederlanden, bezüglich der Kfz-Steuererhebung ein Doppel-besteuerungsabkommen geschlossen. Nach diesem Überein-kommen wird eine Kfz-Steuerbefreiung für Fahrzeuge jeder Art bei einem Aufenthalt bis zu 14 aufeinanderfolgenden Ta-gen (aber nicht länger!) ohne weitere Bedingungen gewährt. Die Benutzung von Fahrzeugen aus Deutschland bzw. aus den Niederlanden im jeweils anderen Land ist dabei innerhalb von zwei Wochen auch nicht abhängig von der Person des Fahrers (d.h. es ist z.B. auch die Nutzung eines in Deutschland zugelas-senen Kfz durch eine in Holland ansässige Person dort mög-lich).

5.2. Zulassungssteuer

In den Niederlanden gibt es – wie in den meisten anderen EU-Staaten übrigens auch – eine mit „BPM“ bezeichnete Zu-lassungssteuer. Sie wird zum einen auf im Land angemeldete Kraftfahrzeuge erhoben. Zum anderen wird sie aber offenbar grundsätzlich auch für Kfz verlangt, die außerhalb der Nieder-lande (z.B. in Deutschland) zugelassen sind, aber nicht nur vorübergehend von in Holland ansässigen Personen gefahren werden – eine brisante Materie, bei deren Nichtbeachtung au-ßer Steuernachzahlung auch Strafe droht.

5.3. Parkgebühren

Als Besonderheit gilt hierbei, dass an Parkuhren oder Park-scheinautomaten erhobene Gelder in den Niederlanden als Parksteuern deklariert werden. In Deutschland sind dies Park-gebühren, deren Nichtbezahlung mit Verwarnungs- bzw. Buß-geld geahndet wird. In Holland werden derartige Verstöße wie nicht bezahlte Steuerschulden behandelt und in Deutschland unzulässigerweise auf dem Zivilrechtsweg einzutreiben ver-sucht (abweisende amtsgerichtliche Urteile s. DAR 1995,165 und 1994,405 sowie Nissen in DAR 2004,198/EPC, Niederlan-de).

6. Schlussbemerkung

Die Liste der verkehrsrechtlichen Probleme (i.w.S.), die deut-sche Kraftfahrer in den Niederlanden gelegentlich haben, könnte leicht noch verlängert werden. Dies würde aber den Rahmen dieser Kurzdarstellung sprengen. Es sollten nur eini-ge Themen angerissen werden, um die möglichen Ecken und Kanten einer Hollandreise mit dem Kfz aufzuzeigen. Beim An-walt soll ein gewisses Problembewusstsein geschaffen werden, falls er im Rahmen der verkehrsrechtlichen Beratung mit der-artigen Fragen konfrontiert wird.

7. Literaturhinweise

ADAC-Reiseinformation (Belgien, Luxemburg) Niederlande, München 1/2005

ANWB, Spelregels in het Verkeer, Den Haag 2003

ANWB, Verkeers code, regels en tips voor alle weggebruikers, 2004

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Das europäische FahrerlaubnisrechtGegenwärtige Regelungen und Ausblick auf die dritte Führerscheinrichtlinie der EG

Joachim Wohlfarth, Regierungsdirektor im BMVBW

1. Ausgangslage

Die europäischen Rechtsvorschriften über die Fahrerlaubnis haben direkte Auswirkungen auf sehr viele Bürger in den Mit-gliedsstaaten der Europäischen Union. Nach Schätzungen der europäischen Kommission sind rund 60 % der Gesamtbevöl-kerung der Europäischen Union im Besitz einer gütigen Fahr-erlaubnis.

Dies sind in der erweiterten Europäischen Union rund 270 Millionen Bürger. Auf Grund der immer stärkeren Ausprägung des Binnenmarktes und der Freizügigkeit sind viele Bürger mit einem Kraftfahrzeug in anderen Mitgliedstaaten unterwegs. Außerdem verlegen viele Bürger bedingt durch die garan-tierte Niederlassungsfreiheit ihren Wohnsitz in ein anderes Mitgliedsland. Die Auswirkungen des europäischen Führer-scheinrechts auf die einzelnen Bürger sind daher erheblich. Gleichzeitig profitieren die Bürger, aber auch die Mitgliedstaa-ten von der Harmonisierung.

2. Erste Führerscheinrichtlinie der EG

Vor Inkrafttreten der ersten Führerscheinrichtlinie der EG (Richtlinie 80/1263/EWG des Rates) vom 04.12.1980, ABl. EG Nr. L 375, S. 1 vom 31.12.1980 war das wichtigste internatio-nale Abkommen über den grenzüberschreitenden Verkehr das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr von 1968. Dieses Übereinkommen regelt aber nur den grenzüberschrei-tenden Verkehr. Immer wenn sich Bürger der Europäischen Gemeinschaften in einem anderen Mitgliedstaat niederlassen wollten, mussten sie ihre Führerscheine umtauschen und in vielen Fällen auch eine nochmalige ärztliche Untersuchung und – was für viele Bürger besonders misslich war – eine erneu-te theoretische und praktische Prüfung ablegen.

Mit der ersten Führerscheinrichtlinie der EG wurde ein erstes Hindernis für die Freizügigkeit beseitigt. Bürger, die sich in ei-nem anderen Mitgliedsstaat niederlassen wollten, brauchten nicht mehr eine erneute Fahrerlaubnisprüfung abzulegen. Dennoch mussten die Führerscheininhaber weiterhin inner-halb eines Jahres nach Verlegung des Wohnsitzes ihre Fahrer-laubnis in die Fahrerlaubnis des Gastlandes umtauschen.

3. Zweite Führerscheinrichtlinie der EG

Die zweite Führerscheinrichtlinie der EG (Richtlinie 91/439/EWG vom 29.07.1991, ABl. EG Nr. L 237 vom 24.08.1991, S. 1.) brachte einen großen Harmonisierungsschub des Fahrerlaub-nisrechts in Europa und den Bürgern zugleich eine Ausdeh-nung der Freizügigkeit. Die Harmonisierung erfasste nicht alle Bereiche. Es blieb Spielraum für nationale Regelungen und Op-tionen. In den wichtigsten Bereichen wurden aber Mindestan-forderungen aufgestellt.

Die zweite Führerscheinrichtlinie ist in den Jahren nach 1991 mehrfach geändert worden und zwar im Wesentlichen durch

die Richtlinie 94/72/EG des Rates vom 19.12.1994 (ABl. EG Nr. L 337, S. 86 vom 24.12.1994),

die Richtlinie 96/47/EG des Rates vom 23.07.1996 (ABl. EG Nr. L 235, S. 1 vom 17.09.1996),

die Richtlinie 97/26/EG des Rates vom 02.06.1997 (ABl. EG Nr. L 150, S. 41 vom 07.06.1997),

die Richtlinie 2000/56/EG der Kommission vom 14.09.2000 (ABl. EG Nr. L 237, S. 45 vom 21.09.2000).

die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parla-ments und des Rates vom 29.9.2003 (ABl. EG Nr. L 284, S. 1 vom 30.10.2003)

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