5
60 © Carl Hanser Verlag, München Kunststoffe 7/2010 VERPACKEN CHRISTIAN SCHADE U.A. D as Verstrecken von Kunststoffen hat auf viele ihrer Eigenschaften einen starken Einfluss. Diese Effekte sind bei schlagzähem Polystyrol (HIPS) be- sonders ausgeprägt und bestimmen zahl- reiche Anwendungen. Bei unmodifiziertem, glasklarem Poly- styrol (GPPS) können die Reißfestigkeit und die Reißdehnung in Verstreckungs- richtung etwa verdoppelt werden. Der Abfall dieser Werte quer zur Ver- streckungsrichtung – mit der Folge von Spleißneigung der Formkörper – kann durch eine biaxiale Orientierung vermie- den werden (Tabelle 1). Beim schlagzähen Polystyrol werden ähnliche Effekte beobachtet. Dort sind sie allerdings durch zwei weitere Aspek- te verstärkt: durch den Wechsel des Bruchmechanismus und die Ver- streckung der Kautschukteilchen. In vie- len Anwendungen führen diese Effekte dazu, dass Formkörper aus HIPS we- sentlich steifer und zäher sind, als nach Vorausschauend Qualität einstellen Schlagzähes Polystyrol. Um beispielsweise Joghurtbecher oder Flaschen aus schlagzähem Polystyrol entsprechend den Anforderungen der Verarbeitung – wie Thermoformen oder Spritzstreckblasen – qualitäts- gerecht herstellen zu können, bedarf es der genauen Kenntnis des molekularen Verhaltens des Standardkunststoffs bei Ver- streckung. Erst dann kann der Werkstoff optimal an das jewei- lige Verarbeitungsverfahren an- gepasst werden. ARTIKEL ALS PDF unter www.kunststoffe.de Dokumenten-Nummer KU110453 Verstreckung Reißdehnung [%] Reißfestigkeit [MPa] uniaxial orientiert (Messung quer zur Orientierungsrichtung) < 0,2 25 unorientiert (isotrop) 2,5 40 biaxial orientiert 6 80 uniaxial orientiert (Messung längs zur Orientierungsrichtung) 7 80 Tabelle 1. Mechanische Kennwerte unterschiedlich verstreckter Polystyrole (Typ: PS 168 N, Hersteller: BASF) Die spritzstreckgeblasene Flasche besteht aus einer entsprechend angepassten Polystyroltype (Herstel- ler: Alpla, Amcor)

VERPACKEN - BASF Plastics Portal · crazes), die von stark verstrecktem Ma-terial überspannt werden (Bild 1). Die Craze-Zone und ihr unmittelbares Um-feld werden plastisch verformt;

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: VERPACKEN - BASF Plastics Portal · crazes), die von stark verstrecktem Ma-terial überspannt werden (Bild 1). Die Craze-Zone und ihr unmittelbares Um-feld werden plastisch verformt;

60 © Carl Hanser Verlag, München Kunststoffe 7/2010

VERPACKEN

CHRISTIAN SCHADE U. A.

Das Verstrecken von Kunststoffen hatauf viele ihrer Eigenschaften einenstarken Einfluss. Diese Effekte sind

bei schlagzähem Polystyrol (HIPS) be-sonders ausgeprägt und bestimmen zahl-reiche Anwendungen.

Bei unmodifiziertem, glasklarem Poly-styrol (GPPS) können die Reißfestigkeitund die Reißdehnung in Verstreckungs-richtung etwa verdoppelt werden. DerAbfall dieser Werte quer zur Ver-streckungsrichtung – mit der Folge von

Spleißneigung der Formkörper – kanndurch eine biaxiale Orientierung vermie-den werden (Tabelle 1).

Beim schlagzähen Polystyrol werdenähnliche Effekte beobachtet. Dort sindsie allerdings durch zwei weitere Aspek-

te verstärkt: durch den Wechsel desBruchmechanismus und die Ver-streckung der Kautschukteilchen. In vie-len Anwendungen führen diese Effektedazu, dass Formkörper aus HIPS we-sentlich steifer und zäher sind, als nach

Vorausschauend Qualität einstellen

Schlagzähes Polystyrol. Um

beispielsweise Joghurtbecher

oder Flaschen aus schlagzähem

Polystyrol entsprechend den

Anforderungen der Verarbeitung

– wie Thermoformen oder

Spritzstreckblasen – qualitäts-

gerecht herstellen zu können,

bedarf es der genauen Kenntnis

des molekularen Verhaltens des

Standardkunststoffs bei Ver-

streckung. Erst dann kann der

Werkstoff optimal an das jewei-

lige Verarbeitungsverfahren an-

gepasst werden.

ARTIKEL ALS PDF unter www.kunststoffe.deDokumenten-Nummer KU110453

Verstreckung Reißdehnung [%] Reißfestigkeit [MPa]

uniaxial orientiert (Messung quer zur Orientierungsrichtung) < 0,2 25

unorientiert (isotrop) 2,5 40

biaxial orientiert 6 80

uniaxial orientiert (Messung längs zur Orientierungsrichtung) 7 80

Tabelle 1. Mechanische Kennwerte unterschiedlich verstreckter Polystyrole (Typ: PS 168 N,Hersteller: BASF)

Die spritzstreckgeblasene Flaschebesteht aus einer entsprechend angepassten Polystyroltype (Herstel-ler: Alpla, Amcor)

60-65_KU110453_KU7 06.07.2010 8:58 Uhr Seite 60

Page 2: VERPACKEN - BASF Plastics Portal · crazes), die von stark verstrecktem Ma-terial überspannt werden (Bild 1). Die Craze-Zone und ihr unmittelbares Um-feld werden plastisch verformt;

61Kunststoffe 7/2010

VERPACKEN

>

den Datenblatt-Kennwerten zu erwar-ten ist.

Das Bruchverhalten

Das Bruchverhalten von Kunststoffenwird im Allgemeinen durch zweiBruchmechanismen beschrieben: BeimCraze-Mechanismus bilden sich quer zurBelastungsrichtung Mikrorisse (engl.crazes), die von stark verstrecktem Ma-terial überspannt werden (Bild 1). Die Craze-Zone und ihr unmittelbares Um-feld werden plastisch verformt; jenseitsder Craze-Zone ist das Material nicht die-sem energieabsorptiven Prozess unter-worfen. In Bild 1 beispielsweise sind nurwenige Anteile der Matrix in den plasti-schen Deformationsprozess einbezogen,obwohl die Kautschukteilchen des HIPSfür eine hohe Volumendichte der Crazessorgen.

Beim Shear-Yielding (Fließen bei Sche-rung) [1] erfolgt eine koordinierte Um-lagerung der Kettensegmente der Matrixunter 45° gegenüber der Belastungsrich-

tung. Bei diesem in breiten Scherbändernunter Einschnürung ablaufenden Prozessnehmen größere Volumina des Materialsan einer plastischen Verformung teil. Erist daher energieabsorptiver.

Dilatometrische Untersuchungen zei-gen, dass sich durch die Verstreckung derBruchmechanismus des HIPS vom ver-breiteten Craze-Mechanismus zum Shear-Yielding ändert. Der Wechsel desBruchmechanismus wird auch für ver-strecktes glasklares Polystyrol beobach-tet, beispielsweise in biaxial orientiertenFolien oder in Schäumen. Seine Breiten-wirkung entfaltet er aber vor allem beitypischen HIPS-Anwendungen wie demThermoformen von Becherfolie oderdem Spritzstreckblasen.Solche dünneren,(teil)orientierten Formteile können da-durch höhere Lasten tragen. Mutmaßlichist das Shear-Yielding – entgegen derLehrbuchmeinung – der mengenmäßigvorherrschende Deformationsmechanis-mus von Polystyrol-Bauteilen.

Die Verstreckung

Die Verstreckung erfasst beim HIPS dieMatrix und die eingebetteten Kautschuk-teilchen. Je nach Verarbeitungsbedingun-gen stellen sich unterschiedliche Ver-streckungsgrade von Matrix und Kau-tschukphase ein. Die Verstreckung derKautschukteilchen erhöht die mechani-sche Belastbarkeit der Produkte.

Das Ausmaß der Verstreckung derKautschukteilchen wird von den treiben-den Deformationskräften und der entge-genwirkenden Relaxation der Kompo-nenten bestimmt. Die mehr oder wenigerkugelförmigen Kautschukteilchen wer-den dabei zu linsenförmigen Rotations-ellipsoiden auseinandergezogen. In typi-schen Anwendungen beträgt die Ver-streckung das Zehn- bis Zwanzigfache desursprünglichen Kugeldurchmessers. Da-durch ergeben sich annähernd plättchen-förmige Kautschukteilchen: Die Morpho-

Bild 1. Elektronenmi-kroskopische Auf-nahmen einer bis zum Einsetzen desWeißbruchs gedehn-ten HIPS-Probe(links: die Crazes ver-laufen zwischen denHIPS-Kautschukteil-chen (Salamistruk-tur), die Kautschuk-phase ist zusätzlichteilweise aufgerissen(„Voiding“); rechts:vergrößerte Detailan-sicht eines Risses)

Bild 2. Transmissionselektronenmikroskopische(TEM) Aufnahme der Seitenwand eines Jo-ghurtbechers (die zu unterschiedlicher Längeverstreckten Kautschukteilchen wurden ent-sprechend ihrer Größe unterschiedlich kolo-riert; deutlich ist der pseudo-lamellare Aufbaudes Materials zu erkennen)

Zeitpunkt Ausgangsmaterial 20 s, 100°C 10 min, 100°C

Aspektverhältnis 20 5 1,4

Doppelbrechung 138 × 10-4 109 × 10-4 ca. 0

Bild 3. TEM-Aufnahmen der Seitenwand eines Joghurtbechers vor bzw. nach Lagerung in heißem Wasser

60-65_KU110453_KU7 06.07.2010 8:58 Uhr Seite 61

Page 3: VERPACKEN - BASF Plastics Portal · crazes), die von stark verstrecktem Ma-terial überspannt werden (Bild 1). Die Craze-Zone und ihr unmittelbares Um-feld werden plastisch verformt;

62 © Carl Hanser Verlag, München Kunststoffe 7/2010

VERPACKEN

logie erinnert an diejenige von duktilen,lamellaren Phasen in Styrol-Butadien-Blockcopolymeren (Bild 2).

Die Relaxationsmechanismen

Matrix und Kautschukteilchen versu-chen, die Deformation durch Relaxa-tionsprozesse wieder auszugleichen. Jenachdem, wie weit dies gelingt, treten un-terschiedliche Produktmerkmale auf.Bestimmende Einflussgrößen auf Ver-streckung und Relaxation sind dabei � der Verstreckungsgrad, der durch die

Maschinendimensionen vorgegebenwird,

� das Molekulargewicht der Matrix,denn höhere Molmassen können stär-ker verstreckt werden und relaxierenlangsamer,

� die Abkühlgeschwindigkeit des Sys-tems, die den Zeitpunkt des Einfrierensbestimmt (werkstoffseitig wird dieser

stark beeinflusst durch die Verarbei-tungstemperatur der Formmasse undihre Erweichungstemperatur),

� der Vernetzungszustand des Kau-tschuks,der das Rückstellvermögen desKautschuks beeinflusst sowie

� die Teilchengröße des Kautschuks,denn größere Teilchen sind einfacherund weiter zu verstrecken.

Matrix und Kautschuk relaxieren meistmit unterschiedlichen Geschwindigkei-ten: Im Bereich der Erweichungstempe-ratur laufen die Reorientierungsvorgän-ge in der Matrix noch sehr langsam ab,während die Kautschukteilchen schonrelativ rasch eine sphärische Form anzu-nehmen versuchen. Das kann durch einSchrumpf-Experiment gezeigt werden(Bild 3): Ein Folienabschnitt aus einer Jo-

ghurtbecher-Seitenwand zeigt stark ver-streckte Kautschukteilchen. Das Verhält-nis von Länge zu Breite der Teilchen liegtbei fast 20. Erwärmt man die Folie knappüber den Erweichungspunkt durch La-gern in kochendem Wasser, so erfolgt inweniger als 1 min ein rascher Schrumpfauf ein Achsenverhältnis von etwa zwei.Hier ist die treibende Kraft die Rückstel-lung der Kautschukteilchen. In einerzweiten Phase schrumpft der Teststrei-fen langsam weiter. Nach etwa 15 bis30 min sind die Kautschukteilchen na-hezu isotrop. In dieser zweiten Phase

trägt auch die Relaxation der Matrixdeutlich zum beobachteten Schrumpfbei, wie es Doppelbrechungsmessungennahelegen.

Die unterschiedliche Relaxationsnei-gung von Kautschuk und Matrix beim

HIPS zeigt sich in vielen praktischen Bei-spielen:� In der Spritzhaut von Formkörpern

sind die Kautschukteilchen stark ver-streckt, während im Inneren der Form-körper weitgehend isotrope Kau-tschukteilchen vorliegen.

� Die an der kühlenden Wand anliegen-de Seite von thermogeformten Arti-keln zeigt eine größere Verstreckungder Kautschukteilchen als die demStempel zugewandte Innenseite, beider die Wärme langsamer abgeführtwird.

� Extrudierte Joghurtbecherfolien(Dreiwalzenglättwerk) haben eineSeite mit stärker verstreckten Kau-tschukteilchen, die beim Auftreffenauf die erste Kalanderwalze eingefro-ren wurden. Die Außenseite der Foliekann länger relaxieren und besitzt da-her weniger verstreckte Kautschuk-teilchen. Bei Schrumpfversuchen rolltsich daher die Folie zur Innenseite zu-sammen.

Der Verstreckungszustand des Kau-tschuks hat enorme Auswirkungen aufdie mechanischen Eigenschaften derFormkörper. So kann z.B. der E-Modulüber einen großen Bereich verändert wer-den (Tabelle 2). In stark verstrecktem Zu-stand erreichen die HIPS-Moduli nahe-zu die Werte des glasklaren Polystyrols(GPPS).

Weitere Einflussgrößen sind beispiels-weise der Kautschukgehalt oder die Kau-tschuk-Teilchengröße.

Weniger stark vernetzte Kautschukteil-chen verfügen über eine geringere Trieb-kraft, eine Deformation zurückzustellen.

BASF SEFachpressestelle KunststoffeD- 67056 LudwigshafenTel. +49 621 60-43348> www.plasticsportal.eu

Kontakti

HIPS-Formkörper Zug-E-Modul [MPa]

gepresst 1200–1500

gespritzt 1600–1900

spritzstreckgeblasen 2700–2900

Tabelle 2. Typische Zug-E-Moduli von HIPS-Formkörpern

Herstellbedingungen kalt warm (+30°C)

Zug-E-Modul [MPa] 2800 2620

Reißfestigkeit [MPa] 66 46

NIR-Doppelbrechung (4664 cm-1) 0,954 0,985

Tabelle 3. Mechanische Kennwerte von Joghurtbechern aus schlagzähem Polystyrol, die mit unter-schiedlich warmer Folie produziert wurden (Streifen aus Seitenwand; Zugversuch in Längsrichtung,veränderte Einstellung des IR-Strahlers [2])

Bild 4. TEM-Aufnahme einer Joghurtbecherseitenwand, die mit unterschiedlich warmer Folie herge-stellt wurde: Infolge der längeren Kühlzeit der wärmeren Folie konnten die Kautschukteilchen imrechten Bild bereits teilweise relaxieren, bevor die Folie erstarrte

60-65_KU110453_KU7 06.07.2010 8:58 Uhr Seite 62

Page 4: VERPACKEN - BASF Plastics Portal · crazes), die von stark verstrecktem Ma-terial überspannt werden (Bild 1). Die Craze-Zone und ihr unmittelbares Um-feld werden plastisch verformt;

63Kunststoffe 7/2010

VERPACKEN

HIPS-Polymere mit einem geringeren Vernetzungsgrad der Kau-tschukteilchen lassen sich daher besser verstrecken und ergebensteifere Bauteile.

Thermogeformte Joghurtbecher und …

Die mechanische Güte thermogeformter Joghurtbecher kann oftüber das Ausmaß der Kautschukverstreckung beurteilt werden.

Die Temperatur der Folie beim Thermoformen ist ein we-sentlicher Faktor, der die Zeitdauer bis zum Einfrieren der Po-lymermatrix im Formnest bestimmt. Eine wärmere Folie bleibt

etwas länger weich und führt daher zu einer stärkeren Relaxa-tion der Kautschukverstreckung. Dies ist an elektronenmikro-skopischen Aufnahmen von Querschnitten der Becherwandunmittelbar zu erkennen (Bild 4). Die mechanischen Kennwer-te von Folienstreifen aus der Becherwand zeigen deutlich diehöhere Festigkeit und Steifigkeit von kälter gefahrenen Folien(Tabelle 3).

Ein ähnlicher Befund ergibt sich, wenn die Becher mit einerhöheren Taktzahl hergestellt werden. Der raschere Prozess führtzu höheren Verstreckungsgraden des Kautschuks und höhererFestigkeit und Steifigkeit der Becherwand. Ein Bersttest, bei demdie Becher bis zum Platzen einem zunehmenden Druck ausge-setzt werden, belegt auch die höhere Zähigkeit der rascher pro-duzierten Becher (Tabelle 4). Man erhält also erstaunlicherweisemit der höheren Produktivität der Anlagen gleichzeitig eine ver-besserte Produktqualität.

Eigenschaften Werte Werte

Taktzahl [1/min] 27 41

Zug-E-Modul [MPa] 2060 2630

Streckspannung [MPa] 45 52

Reißfestigkeit [MPa] 50 59

Bruchdehnung [%] 51 38

Berstwert [bar s] 18 27

Doppelbrechung [‰] 5 13

Aspektverhältnis [l/q] 10 und 4 14 und 5

Tabelle 4. Mit unterschiedlichen Taktzahlen thermogeformte Joghurtbe-cher aus Polystyrol (Material: PS 486 M/PS 145 D 80:20; Maschine: RDM 54K, 18-fach Werkzeug, Firma Illig)

mittleres T2-Signal

70

MPa

50

40

30

20

10

00,2

Fest

igke

it

0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 ms 1,6

StreckspannungReißfestigkeit

Bild 5. Mittleres T2-Signal von Proben aus einer Joghurtbecherseiten-wand im Vergleich zu der in Längsrichtung gemessenen Reißfestigkeitund Streckspannung (Quelle: Nestlé)

© Kunststoffe

>

60-65_KU110453_KU7 06.07.2010 8:58 Uhr Seite 63

Page 5: VERPACKEN - BASF Plastics Portal · crazes), die von stark verstrecktem Ma-terial überspannt werden (Bild 1). Die Craze-Zone und ihr unmittelbares Um-feld werden plastisch verformt;

64 © Carl Hanser Verlag, München Kunststoffe 7/2010

VERPACKEN

Das Ausmaß der Kautschukver-streckung lässt sich auch über die NMR-Relaxations-Spektroskopie (T2-Zeit) er-mitteln. Die mittlere T2-Zeit des Kau-tschuksignals korreliert gut mit der Zug-und Reißfestigkeit der Becherwand(Bild 5). Die Abnahme der mittleren T2-Zeit mit zunehmender Verstreckungzeigt, dass der Kautschuk durch die Ver-streckung steifer und immobiler wird.

Beim Thermoformen werden die Kau-tschukteilchen vor allem in Richtung desStempelhubs verstreckt. Die Querdeh-nung ist im Allgemeinen deutlich kleiner.Das lässt sich mithilfe elektronenmikro-skopischer Aufnahmen von Längs- undQuerschnitten der Wand eines Joghurt-bechers illustrieren. Die Verteilung derAspektverhältnisse der verstreckten Kau-tschukteilchen ergab für die Längsrich-tung einen Mittelwert von ca. 15, für dieQuerrichtung einen Mittelwert von etwa5 (Bild 6, links). Entsprechend reißen dieseBecher bei zu hoher Belastung in Längs-richtung spleißend ein.

… spritzstreckgeblasene Flaschen herstellen

Eine stabilere Wand entsteht, wenn dieVerstreckung in beiden Richtungen ähn-lich stark, also biaxial erfolgt, wie beimSpritzstreckblasen. Gleichzeitig werdenbei diesem Verfahren meist größere Ver-streckungen erzielt. Eine typische Flaschezeigt bei der Auswertung elektronenmi-kroskopischer Aufnahmen eine ähnlicheVerteilung der Aspektverhältnisse in

Längs- und Querrichtung. Das mittlereAspektverhältnis liegt mit ca.20 über demder Joghurtbecher. Diese stark verstreck-ten Formkörper gehören zu den festestenund zähesten Bauteilen aus schlagzähemPolystyrol. Bei hoher Belastung reißen sienicht mehr spleißend ein.

Die speziell für diese Anwendung vonder BASF SE, Ludwigshafen, optimiertePolystyrol-Type BX 3580 lässt sich aufdenselben Maschinen spritzstreckblasen,die auch mit PET laufen. Da die Dichtevon Polystyrol kleiner ist als die von PETkönnen deutlich leichtere Flaschen beigleicher Wanddicke produziert werden;die Materialkosten sinken so um bis zu25 %. Darüber hinaus sind beim Spritz-streckblasen von HIPS geringere Drücke(5 bis 7 bar) nötig als beim PET (30 bis40 bar); auch muss PS im Gegensatz zuPET nicht vorgetrocknet werden. Befüll-te PS-Flaschen haben zahlreiche mecha-nische, organoleptische und mikro-biologische Prüfungen bestanden. Auf-grund ihrer Gas- und Wasserdampf-durchlässigkeit eignen sie sich sehr gut fürdie Abfüllung von Molkereiproduktenwie Trinkjoghurt und Molkegetränke (Ti-telbild). Durch geeignete Verfahren wieZweikomponenten-Spritzgießen konn-ten auch mehrschichtige Flaschen herge-stellt werden, die besonderen Barrierean-forderungen Rechnung tragen.�

LITERATUR

1 Schade, C.; Weinkötz, P.; Renner, H.-J.; Rüllmann,M.: VDI Fachtagung Extrusionstechnik, Düsseldorf06. Oktober 2004

2 Schade, C.; Heckmann, W.; Borchert, S.; Siesler,H.-W.: Polym. Eng. Sci. 2006, S. 381–383

DIE AUTOREN

DR. CHRISTIAN SCHADE, geb. 1960, ist in der Polymerforschung Styrenics der BASF SE, Ludwigs-hafen, Germany, tätig.

HANS-JÜRGEN RENNER, geb. 1961, beschäftigtsich im Bereich Styrenics der BASF SE, Ludwigshafen,mit Anwendungstechnik und Vertrieb von Styrolkunst-stoffen für die Extrusion und das Thermoformen.

DR. WALTER HECKMANN, geb. 1948, betreut inder Abteilung Polymerphysik und Analytik der BASFSE, Ludwigshafen, die Forschungsgruppe PolymereMikrostrukturen und ist verantwortlich für das Ar-beitsgebiet Elektronen- und Lichtmikroskopie Poly-mere.

SUMMARY

PREDICTIVE PROPERTYADJUSTMENTSHIGH-IMPACT POLYSTYRENE. In order to be able tomanufacture, for example, high quality yogurt cups orbottles from high-impact polystyrene with due regardto the demands of the processing techniques used suchas thermoforming or injection stretch blow molding, itis necessary to have a precise understanding of themolecular behavior of the standard polymer duringstretching. Only then can the material be optimally ad-justed to the appropriate processing technique.

Read the complete article in our magazine Kunststoffe international and on www.kunststoffe-international.com

Aspektverhältnis

40

30

20

10

0

%

0

Ante

il

5 10 15 20 25 30Aspektverhältnis

Joghurtbecherseitenwand spritzstreckgeblasene Flasche

15

12

9

6

3

0

%

0

Ante

il

10 20 30 40 50

querlängs

querlängs

Bild 6. Mittels TEM bestimmte Aspektverhältnisse von Kautschukteilchen in Produkten aus schlagzähem Polystyrol (die TEM-Schnitte erfolgten in Längs- und Querrichtung an einer Joghurtbecherseitenwand (links) und einer spritzstreckgeblasenen Flasche (rechts))

© Kunststoffe

60-65_KU110453_KU7 06.07.2010 8:58 Uhr Seite 64