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VERPACKUNGSTAGE 2014 Was leistet die · PDF fileSiemens und SAP haben das Prin- ... THOMAS MAAG, Leiter Vertrieb, Branche Lebensmittel, Verpackungs- und Druckmaschinen, Bosch Rexroth

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Automatisierung SPEZIAL

60 | Getränke! 05 | 2014

Was leistet die Verpackungsmaschine der Zukunft?

„Es gibt einen starken Kontrast zwischen dem Aufwand, den Un-ternehmen betreiben, um mit Hil-fe von Verpackungen Waren an den Käufer zu bringen, und der Wertschätzung für die Verpa-ckung seitens der Käufer“, sagt Winfried Batzke, Geschäftsfüh-rer des Deutschen Verpackungs-institutes (dvi). Verpackung sei nicht nur eine wesentliche Vor-aussetzung für Lebensstandard und Zivilisa-tion, sie ist vielmehr auch die einzige Möglich-keit, die Warenverteilung sicherzustellen und die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. In diesem Umfeld schützt und portioniert die Verpackung die Ware und informiert den Verbraucher über Produkt-details, Anwendungsmöglichkeiten oder Sicher heitsaspekte. Die Frage sei, so Batzke, ob mit dem gesellschaftlichen Wandel und dem Internet der Dinge neue Anforderungen auf die Verpackung zukommen. Gibt es neben Indus-trie 4.0 demnächst auch eine neue Verpackung 2.0 und welche Auswirkungen hätte dies für Maschinenbauer, Markenartikler und Handel?

Von der intelligenten Maschine zum Produktionssystem. Ohne ausreichende informationstechnische

Unterstützung ist eine effiziente, flexible und qualitativ hochwertige Produktion bei immer kleiner werdenden

Losgrößen kaum noch machbar. Deshalb beschäftigten sich die diesjährigen Verpackungstage, veranstaltet von

SICK AG und Bosch Rexroth AG, mit neuen Ideen in der Automatisierungstechnik und zum Konzept Industrie 4.0.

Neben wissenschaftlichen Betrachtungen berichteten vor allem Praktiker über ihre Erfahrungen mit der

Verpackungsmaschine der Zukunft, die Maßstäbe setzen soll in puncto Effizienz, Flexibilität und Bedienung.

VERPACKUNGSTAGE 2014

Das Internet der Dinge verändert die Verpackungsindustrie„Industrie 4.0 ist eine konzeptuelle Revolu-tion als Disruption der Produktionslogistik, weil das entstehende Produkt ggf. über seine Ver-packung seine eigene Fertigung steuert“, sagt Prof. Dr. Wolfgang Wahlster, technisch-wissenschaftlicher Leiter des Deutschen For-schungszentrums für Künstliche Intelli-genz. Durch zentrale Paradigmenwechsel in der Industrie verändern sich derzeit die Grund-lagen der Produktion, denn nach dem Konzept von Industrie 4.0 löst sich die klassische Pro-duktionshierarchie auf. Aber die Umsetzung erfolgt inkrementell durch Migrationslösun-

gen, sodass die Revolution als Evolution realisiert wird. Kur-ze Umrüstzeiten, adaptive Fa-briken und dezentrale Ferti-gungssteuerung erlauben die kundenindividuelle Produk-tion und Verpackung zu Prei-sen der Massenproduktion. Das Stichwort heißt Losgröße Eins. Technologische Treiber für Industrie 4.0 in der Ver-

packungsindustrie sind das Internet der Din-ge, intelligente Sensor-Netze und cyber-physi-sche Systeme. „Durch die digitale Veredelung entstehen in-telligente Produkte, sogenannte Smart Pro-ducts, die beispielsweise ihre Intelligenz in der Verpackung haben. So können sie auf Um-weltreize wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Be-schleunigung, mechanische Belastung, etc. rea-gieren“, erklärt Wahlster. Implementiert man cyber-physische Systeme in die Verpackung, dann kann man kleine Losgrößen zu vertret-baren Preisen produzieren, so Wahlster. Die in-telligente Verpackungen werde dabei zum Speicher, zum Beobachter und zum zentralen Akteur der Produktion. Sie bestimme, welche Fertigungsdienste durch das entstehende Pro-dukt in Anspruch genommen werden. Das zukünftige Produktionsszenario könnte laut Wahlster so aussehen: Das digitale Pro-duktgedächtnis enthält eine Spezifikation des Produktes. Mit dessen semantischer Beschrei-bung der zu absolvierenden Fertigungsdiens-te sucht sich das Produkt die notwendigen Maschinen selbstständig in der Smart Fac-tory. Der daraus generierte Produktionsfahr-plan bildet eine Art Einkaufsliste als seman-tisches Produktgedächtnis für einen virtuel-len Marktplatz. Entsprechend entscheidet sich das Produkt, zu einer Maschine zu fahren, in der die weiteren Produktionsschritte ab-gearbeitet werden. Gibt es mehrere Maschi-nen, dann fährt der intelligente Werkzeugträ-ger zur nächsten freien Maschine. Das Auf-finden, Anpassen und Ausführen von Produk-

"Industrie 4.0 ist eine konzeptuelle Revolution als Disruption der Produk-tionslogistik, weil das entstehende Produkt ggf. über seine Verpackung seine eigene Fertigung steuert"

PROF. DR. WOLFGANG WAHLSTER, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz

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tionsdiensten geschieht in Echtzeit. Der Werkstückträger ist über Funk mit den ein-zelnen Maschinen verbunden. Vorteil dieses Produktgedächtnisses: Man kann damit auch flexibel auf Störungen von Produktionstei-len oder Staus reagieren. Aufgebaut wird das Ganze als service-orientierte Archi-tektur (SOA), bei der die einzelnen Systeme als Anwendungsbausteine klar umrissene fachliche Aufgaben übernehmen und als Dienste ange-boten werden. Die Qualität der se-mantischen Kommunikation zwi-schen dem entstehenden Produkt, den Produktionsmaschinen und Werkern auf der einen Seite und den Produktionsmaschinen unter-einander mit den Werkern auf der anderen Seite ist einer der Erfolgsfaktoren für Industrie 4.0, gibt Wahlster zu bedenken. Um aber die Interoperabilität sicherzu-stellen, braucht man auch offene Regelkrei-se und eine neue Abstimmung bezüglich der Kommunikation. „Wenn man ausschließlich geschlossene Systeme hat, kann man nur in einer Lieferbeziehung arbeiten mit demsel-ben Logistiker und in demselben Markt“, so Wahlster. „Deshalb haben wir eine Task-Force gegründet, die den Internet-Standard W3C (World Wide Web Consortium) als Grund-lage für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 nimmt. Siemens und SAP haben das Prin-zip des semantischen Produktgedächtnises

mit dem Object Memory Modell (OMM) sehr stark vorangetrieben.“ Diese Sprache ist in-zwischen auch in den USA zur Normierung angemeldet. Weitere Standards der Diens-te sind die Produkt-Ontologien und Service-beschreibungen (OWL-S) und die semanti-

schen Dienste in cyber-physischen Produk-tionssystemen (USDL). Normung und Stan-dardisierung sind bei Industrie 4.0 die Vor-aussetzung für den Transfer von Forschungs-ergebnissen in marktfähige Produkte und den schnellen Marktzugang. „Deutschland ist in der Pole- Position für die Normung von Smart Factories und muss nun diese in einen Start-Ziel-Sieg umsetzen“, mahnt Wahlster. Weitere Informationen finden sich in der Umsetzungsempfehlung für das Zu-kunftsprojekt „Internetbasierte Dienste für die Wirtschaft – Smart Service Welt”, her-ausgegeben von der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften akatech.

Innovative Konzepte schaffen Freiraum für neue MarketingideenDie Verpackungsindustrie ist prädestiniert für das Konzept Industrie 4.0. „Wir haben auf der Hannover Messe 2014 bei unserer De-monstrationsfabrik gezeigt, dass man eine

neue Maschine mit dem Plug & Pro-duce-Prinzip einsetzen kann“, erklärt Prof. Wahlster. Die Maschine mel-det sich mit dem bereitgestellten Ser-vice an. Dieser wird in die Service- Hierarchie eingebunden und ab die-sem Zeitpunkt kann die Maschine produzieren. „Kommt jetzt ein neu-es Produkt, das diesen Service will, dann fährt es genau dorthin. Auf die-se Weise gehen die Umrüstzeiten ge-gen Null. Bei der Demonstrations-

fabrik dauerte dies eine halbe Minute, in der wir ein neues Modul eingeschoben und ver-bunden haben, danach konnten wir weiter produzieren“, sagt Wahlster. Ein Beispiel für diese Produktionsidee zeigt die Herangehensweise der Firma mymuesli, die aus 80 verschiedenen Bioprodukten kun-denspezifisch bis zu 566 Billiarden Müsli- Varianten herstellen kann. Eine komple-xe Mischmaschine füllt dabei das bestell-te Produkt in eine zylinderförmige Dosenver-packung. „Die Erschließung der Nische ‚Bio-Müslis zum Selbermischen’ funktioniert sehr gut“, sagt Max Wittrock, Geschäftsfüh-render Gesellschafter der mymuesli GmbH.

Industrie 4.0 braucht intelligente SensorenDIETMAR HAMBERGER, Geschäftsleitung Solution Center Factory Automation, SICK AG

? Früher schalteten Sensoren nur zwi-schen zwei Zuständen und gaben an: Pro-dukt vorhanden oder nicht. Heute liefern Sensoren jede Menge Informationen über die Eigenschaften des Prozesses und der Produkte. Welche Anforderungen stellen heute die Maschinenbauer an einen Sen-sorhersteller?

! Dietmar Hamberger: Eine wichti-ge Anforderung ist Transparenz über alle Ebenen hinweg, d.h., der Sensor muss die Werte oder Zustände erfassen und verar-beiten und sie dann der Steuerungsebene der Maschine bis in die MES- und ERP-Sys-

teme zur Verfügung stellen. Eine Voraus-setzung dafür ist eine intelligente Sensorik mit umfassenden Kommunikationsfähigkei-ten, die auch in der Lage ist, gewisse Au-tomatisierungsfunktionen zu übernehmen. Wir haben dafür den Begriff Smart Sensor Solutions geprägt.

? Was verändert sich mit dem Konzept von Industrie 4.0?

! Inzwischen tragen viele Produkte Informa-tionen, die wichtig für ihre Weiterverarbeitung sind und diese muss ein Sensor erkennen:

Ist die Flasche vorhanden? Stimmt die Füllhöhe? Ist die Falsche auch grün?

Mit diesen Informationen bringen dann Eti-kettierer oder Digitaldrucker das richtige La-bel auf die Flasche. Bei einem Produktwech-sel werden einfach neue Parameter von der Steue rung geladen und schon können die entsprechenden Produkte identifiziert werden. Damit sind Maschinen in der Lage, besser be-darfsorientiert zu arbeiten.

? Welche Anforderungen stellen Sen-sorhersteller an die Maschinenbauer?

! Es ist wichtig, schon in der Konzeptpha-se für eine Maschine alle Beteiligten an einen Tisch zu holen. Heute sprechen noch viele Maschinenbauer zuerst mit dem Antriebslie-feranten. Der Sensorhersteller kommt meist erst dann ins Boot, wenn die Maschine be-reits hergestellt wird. Ich bin fest davon über-zeugt, dass so nicht die optimale Lösung ent-steht. Es wäre bereits in der Entwurfsphase wichtig, interdisziplinär zusammenzuarbei-ten, um eine perfekte Lösung zu generieren.

? Wie sieht die nahe Zukunft der Sen-sorik aus?

! Die Sensorik wird künftig eine ganz ent-scheidende Rolle bei der Automatisierung von Maschinen und deren Flexibilität spielen. Sen-soren werden intelligenter und immer mehr zu den Sinnesorganen einer Anlage. Sie nehmen besonders im Konzept von Industrie 4.0 eine ganz wichtige Schlüsselfunktion ein.

"Treibt uns die Gesellschaft zu Verpackung 2.0? Und wie smart wird sie sein?"

WINFRIED BATZKE, dvi Deutsches Verpackungsinsitut e.V.

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Automatisierung SPEZIAL

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Was leistet die Verpackungsmaschine der Zukunft?THOMAS MAAG, Leiter Vertrieb, Branche Lebensmittel, Verpackungs- und Druckmaschinen, Bosch Rexroth AG

? Verpackungsmaschinen waren im Grun-de genommen schon vor 100 Jahren auto-matisiert. Dies geschah mittels mechani-scher Verkettung durch Königswelle, Ge-triebe, Kurvenscheiben, Zahnräder und Ketten. Was hat sich seither getan?

! Thomas Maag: Es ist erst zwanzig Jah-re her, da wurde diese Mechanik durch elek-tronische Königswellen und Bustechnologi-en wie Sercos, Profibus, CANopen, DeviceNet oder Interbus ersetzt. Danach folgte ein flie-ßender Übergang zur dezentralen Antriebs-technik mit vielen mechatronischen Lösun-gen und dem Einsatz von Software in der Ma-schine. Betrug der Softwareanteil 1970 nur fünf Prozent im Verhältnis zu Elektrik/Elektro-nik und Mechanik, so waren es 40 Jahre spä-ter schon über 40 Prozent. Zusammen mit der Vernetzung über Ethernet bildet dies die Basis zum Schritt Richtung „Industrie 4.0“.

? Welche Innovationen wurden dabei von Bosch Rexroth getragen?

! Wir waren Pioniere in der Servoantriebs-technik und haben 1973 den ersten DC-Servo-antrieb und 1979 den ersten AC-Servoantrieb auf den Markt gebracht. Außerdem waren wir tonangebend in der Echtzeitkommunikation mit Sercos und dem Thema elektronische Königs-welle. 1992 hat Bosch Rexroth die erste Moti-on Control für Verpackungsmaschinen auf den Markt gebracht, 1999 folgten dann die ersten

Servoantriebe mit Sicherheitstechnik und 2005 die erste dezentrale Servoantriebsbaureihe für Verpackungsmaschinen IndraDrive Mi.

? Wie wird die nächste Generation der Verpackungsmaschinen aussehen?

! Unserer Meinung nach ist die Verpa-ckungsmaschine der Zukunft durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

sie ist adaptiv, d.h. sie kann sich selbst-ständig auf Veränderungen einstellen sie ist einfacher und effizienter sie ist schaltschranklos

? Was heißt „adaptiv“ in der Verpa-ckungsindustrie?

! Adaptive Systeme passen sich dem Pro-duktstrom an, reagieren auf Unregelmäßigkei-ten bei der Produktzuführung und unterstüt-zen variable Taktraten. Damit können die Ma-schinen besser auf Produkte und Verpackun-gen mit ihren verschiedenen Formaten, Ge-bindegrößen, Geometrien, Oberflächen, Ge-wichten, Viskositäten, Qualitätsschwankungen des Verpackungsmaterials, der Umgebungsbe-dingungen, etc. reagieren, ohne dass sie stän-dig neu eingelernt werden müssen. Wir bieten hierzu Lösungen an, die die Bewegungsprofile erkennen und adaptiv berechnen. Damit kön-nen wir die ganze Palette von Bewegungen automatisch für verschiedene Formate fahren, ohne dass man etwas programmieren muss.

? Wie kann man sich das an einem Bei-spiel aus der Getränkeindustrie vorstellen?

! Eine transportierte Flüssigkeit neigt beim Be-schleunigen zum Schwingen. Wir modifizieren jetzt das Bewegungsprofil des Antriebsreglers so, dass die Flüssigkeit nicht überschwappen kann. Dazu berechnen wir die Eigenfrequenzen der Flüssigkeiten in Abhängigkeit von der Geometrie

des Behältnisses und der Viskosität. Damit weiß der Antriebsregler automatisch, wie er gegensteu-ern muss, damit sich die Schwingungen überla-gern und damit kompensieren. Praxisbeispiele zei-gen, dass man mit einer solchen adaptiven Dämp-fung eine höhere Dynamik erzielen und die Pro-duktivität um etwa 30 % steigern kann.

? Was heißt „einfacher“ für die Verpa-ckungsmaschinen?

! Die Funktionalitäten der Maschinen wer-den immer komplexer, doch für den Bediener müssen sie beherrschbar und bedienbar blei-ben. Deshalb arbeiten wir an neuen Techni-ken wie dem Multitouch-Panel für Smart De-vices. Wir können auf unseren Bedienpanels wischen, zoomen, drehen und mit Gesten ar-beiten. Zukünftig kann sich der Bediener auch direkt an der Maschine über einen QR-Code Diagnosen, Datenblätter und Anleitungen ein-blenden lassen, um Komponenten zu tauschen und die Wartung durchzuführen.

? Und was heißt „effizienter“?

! Hier muss man unterscheiden zwischen der Effizienzsteigerung aus Sicht des Maschi-nenbauers – also dem Engineering und aus Sicht des Maschinenbetreibers. Im Bereich des Engineerings übernehmen Assistenten die au-tomatische Code-Generierung und man kann sich schnell auf die eigentliche Bewegungsauf-gabe konzentrieren. Dies vermeidet Fehler und ist wesentlich effizienter. Aus Sicht des Maschi-nenbetreibers bedeutet Effizienz, Stillstandszei-ten durch verkürzte Produkt- und Formatwech-sel zu verringern, unerwartete Ausfälle durch vorbeugende Diagnose zu vermeiden und mit intelligenter Sicherheitstechnik die Bedienerein-griffe so kurz wie möglich zu gestalten.

? Als vierten Punkt führen Sie Schalt-schranklosigkeit auf. Was bedeutet das?

Inzwischen hat das Start-up der drei ehema-ligen Studenten aus Passau 340 Mitarbei-ter und verkauft nicht nur Müsli online, son-dern auch Orangen für einen frisch gepress-ten OH!Saft. Für den Green Cup Coffee lie-fern kleine Kaffeefarmen einen Premium Sin-gle Finca Kaffee, der bei einem der besten Kaffeesommeliers in Deutschland geröstet wird. Die neueste Idee der Firma ist der „Tree of the Tea”, bei dem Grüntee, Schwarztee und Früchte- oder Kräutertee allerdings noch von Hand gemischt werden. „Wir haben ge-zeigt, dass man selbst so etwas Langweiliges

wie Müsli nach dem Prinzip Make & Order im Internet verkaufen kann“, sagt Wittrock. Und ermuntert Mitstreiter, es selbst auszuprobie-ren. Das sei besser als der beste Markttest. „Sehr große Variantenvielfalt und einen dar-aus entstehenden modularen Aufbau der Pro-duktion könnte es auch in vielen anderen Be-reichen wie Schokolade, Parfüm und T-Shirt’s geben“, regt Wahlster zum Weiterdenken an. Ein großer Vorteil des Konzeptes von Indus-trie 4.0 sei, dass Unternehmen wieder mehr in Deutschland produzieren – weil sie näher beim Kunden sind, ohne hohe Logistikkosten

und lange Lieferzeiten, so Wahlster. Er ver-weist auf das Unternehmen KHS Innoprint, das sich auf digitalen Direktdruck speziali-siert hat und das mit der Lösung einer Direkt-bedruckung von PET Flaschen für den dies-jährigen Hermes Award der Hannover Mes-se nominiert wurde. Mit der neu entwickel-ten Technologie können PET-Flaschen rund-um direkt bedruckt werden. Zum Bedrucken benötigt man lediglich Text- und Bilddateien und ist damit in der Lage, jede einzelne PET-Flasche mit einem anderen Motiv zu bedru-cken – und dies bei einer Leistung von bis zu

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Eine ähnliche Lösung stellte auch Volker Till, Geschäftsführender Gesellschafter der Till GmbH vor, die sich auch auf den digita-len Direktdruck spezialisiert hat. "Ein Flaschen-etikett ist statisch, aber die Verbraucher sind zu-nehmend dynamisch: Sie gehen täglich ins In-ternet und bestellen personalisierte Produkte, beispielsweise Sekt (deinSekt.de), Tee (allmytea.de) oder eben Müsli (mymuesli.de). Dabei ist ein Verpackungsentwurf schnell vom Computer auf die Flasche oder Dose übertragen – ohne den Umweg, zuerst ein Etikett zu drucken, zu lie-fern, zu kleben – und ohne Mindestauflage.“ Abfüller formen zwar PET-Flaschen selbst, geben aber den Druck von Etiketten bisher aus der Hand. Bei Etiketten hängt der Preis von der Auflage ab: Je kleiner, desto teurer. Der Direktdruck ist deshalb logistisch einfa-cher und preiswerter. Ähnlich einem Tinten-strahldrucker schießt ein Druckkopf extrem kleine Tintentropfen in den drei Grundfarben auf die zu bedruckende Oberfläche; die Spe-zialtinte härtet im UV-LED-Licht sofort aus. Die Maschine bedruckt Glas, Karton, Aluminium und Plastik auf glatten und gerillten, konka-ven und konvexen Oberflächen. Diese Direkt-druckstationen können in bestehende Abfüll-anlagen integriert werden und je nach Aus-baugrad zwischen 800 bis 36.000 Behältnisse pro Stunde bedrucken.

Innovative Verpackungsprozesse aus einer HandSchnelldrehende Produkte, auch Fast Moving Consumer Goods (FMCG) genannt, führten in den letzten zwanzig Jahren zum Megatrend Flexibilität im Verpackungsmaschinenbau. Die-ser Trend hält unvermindert an. Die TLM-Ver-packungsmaschinen und ihre Vorgänger der Firma Gerhard Schubert aus Crailsheim waren dabei wegweisend. In seinem Vor-trag wies der geschäftsführende Gesellschaf-ter Ralf Schubert darauf hin, dass inzwischen neben der Flexibilität auch ein neuer Trend erkennbar sei, den man mit "Alles aus einer Hand" bezeichnen könne. Die Verpackungs-anlagen kommen immer häufiger von einem Generalunternehmer oder von einem Ma-schinenbauer. Intelligente Steuerungen erlau-ben es, alle Prozesse einer Verpackungsanla-ge in einer einzigen Maschine abzubilden. Ein Beispiel dafür ist eine Verpackungsmaschine ohne Schaltschrank, mit der sich die Techno-

logie der Maschinen und die Verpackungspro-zesse verändern werden. Basis für die Flexi-bilität sind das Transmodul, die Verpackungs-maschinensteuerung VMS und eine integrier-te Bildverarbeitung in 3D sowie ein schalt-schrankloser Aufbau. Mit diesen Grundmodu-len kann man flexible und modulare Maschi-nen aufbauen, in denen alle Funktionen wie Zuführen, Füllen, Schließen, Etikettieren und Palettieren vereinigt werden können. Zentraler Bestandteil ist immer das Transmodul, ein in-telligentes Bauteil, das ohne Seitenführungen, Abdeckleisten und feste Mitnehmerabstände den Transport von Produkten und Verpackun-gen innerhalb einer TLM-Verpackungsmaschi-ne übernimmt und problemlos ausgetauscht werden kann. Weitere Module können ther-moformen, schließen und stanzen und lassen sich zu Schlauchbeutelmaschinen zusammen-stellen. „Mit dieser Vereinfachung unserer Maschinen begegnen wir der weiter zuneh-menden Komplexität bei den FMCG-Kunden und unterstützen auf diese Weise auch weni-ger und schlechter ausgebildete Bediener und Techniker“, sagt Ralf Schubert. Auch am Ende der Verpackungskette, spe ziell bei der Endverpackung und der Palettierung kommen Forderungen der Anwender nach Flexibilität ins Spiel. „Flexibilität ist hinsichtlich der Leistung und Funktions integration sowie im

Aufstell-Layout der Anlage gefragt. Hinzu kom-men Flexibilitätsparameter durch Produktvielfalt, Verpackungsvielfalt und Formatbereich“, sagt Michael Ruf, stellvertretender Geschäftsführer der Transnova-Ruf GmbH. Er mahnt: „Unab-hängig von der Variantenvielfalt bei Packmitteln und Packstoffen dürfen die Formatumstellzeiten nicht steigen.“ Insgesamt zeigte sich auf den Verpackungs-tagen im September 2014, dass Verpackungs-maschinen heute immer mehr in der Lage sind, sehr wirtschaftlich immer kleinere Los-größen zu produzieren, indem sie sich adap-tiv auf Formate oder Ereignisse im Prozess ein-stellen. „Maschinen der nächsten Genera-tion werden noch einfacher in der Bedienung und der Diagnose sein. Sie sind heute schon auf die neuen Möglichkeiten von Industrie 4.0 vorbereitet und unterstützen die Vernet-zung der Produktion mit der IT-Welt“, resü-miert Thomas Maag, Vertriebsleiter der Bran-che Lebensmittel bei Bosch Rexroth. R. H.

! Bei einer horizontalen Schlauchbeutelma-schine in konventioneller Bauart sind viele Servo-antriebe in einem Schaltschrank untergebracht, die mit Kabeln für Energie und Daten verbunden werden müssen. Bei IndraDrive Mi bilden An-triebselektronik und Motor eine integrale Einheit. Durch diese Kombination wird die Antriebselek-tronik im Schaltschrank nahezu eliminiert und die nötigen Kabel für die Verbindung der ein-zelnen Komponenten drastisch reduziert. Wer-den diese Komponenten direkt im Feld instal-liert, spart das den Schaltschrank und die Wärme muss nicht teuer abtransportiert werden.

? Was heißt für Bosch Rexroth „Indus-trie 4.0 ready“?

! Die SPS-Programmierung basiert auf dem Standard IEC 6-1131, als Schnittstellen werden Sercos, Profinet, PLCopen, etc. genutzt. Dies ist aber für uns nicht ausreichend, deshalb ha-ben wir das Open-Core-Interface entwickelt, das dem Einsatz neuer Technologien entgegen kommt. Es verbindet die bisher getrennten Welten von SPS und IT zu einem umfassenden Lösungsportfolio, bestehend aus offenen Stan-dards, Software-Tools und Funk tionspaketen. Dieses integrierte Konzept verbindet traditio-nelles IEC-Engineering mit den neuen Optio-nen der Hochsprachenprogrammierung und bindet auch Smart-Devices mit ein. Auf die-se Weise verschmelzen IT und Automation im-mer mehr.

? Was sagt Ihr Blick in die Zukunft?

! Die Systeme der Smart Machines/Smart Factory/Smart Production werden zukünftig immer autonomer, adaptiver und selbstopti-mierender. Dazu sind neben intelligenten Pro-duktionsprozessen und -systemen auch ein dynamischer, übergreifender Datenaustausch nötig. Daher werden IT und Automation im-mer weiter verschmelzen.

36.000 Flaschen pro Stunde. Generell werden durch die digitale Bedruckung die Time to Market-Intervalle deutlich verkürzt. Zum Bei-spiel lassen sich Flaschen direkt im Anschluss an ein Fußballspiel mit dem Bild des Sieger-teams und dem Spielergebnis ausstatten und entsprechend kurzfristig im Handel platzieren. Bei international aufgestellten Unternehmen können sämtliche Standorte weltweit die zen-tral bereitgestellten Dateien gleichzeitig verar-beiten. Die frisch dekorierten Behälter gelan-gen so zum gleichen Zeitpunkt in die unter-schiedlichen Märkte.

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