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Verschiedene Waldbegriffe und tatsächlich verschiedene Wälder

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Page 1: Verschiedene Waldbegriffe und tatsächlich verschiedene Wälder

Was ein Wald ist dürfte doch klar sein. Dem ist nicht so. Es gibt den rechtlichen Waldbegriff des Bundeswaldgesetzes 1 eine pflan-zensoziologische und ökologische Walddefinition sowie die natur-schutzrechtliche Unterscheidung zwischen Forst und Wald. Und alle Begriffe oder Definitionen streben auseinander. Da hat es die Poesie deutlich einfacher:

Weißt Du was ein Wald ist?Ist ein Wald etwa nur zehntausend Klafter Holz?Oder ist er eine grüne Menschenfreude? 2

Nachfolgend werden die unterschiedlichen Waldbegriffe oder -defi-nitionen dargestellt und diskutiert. Zuletzt erfolgt der Versuch ei-ner Verschmelzung.

1. Bundeswaldgesetzliche Grundannahmen

Wald im Sinne des Gesetzes ist jede mit Forstpflanzen be-stockte Grundfläche. Gemeint sind alle Waldbäume und -sträucher, die den Wald bilden oder in Waldform forst-wirtschaftlich genutzt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Gehölze aus natürlicher oder künstlicher Verjün-gung stammen. Forstpflanzen im forstwirtschaftlichen Sinne meint junge Pflanzen von Waldbäumen und -sträu-chern, gleichgültig, ob aus künstlicher Anzucht oder na-türlicher Ansamung. 3 Das Bundeswaldgesetz gebraucht den Begriff aber weiter. Es meint alle Bäume und Sträucher aller Altersklassen, auch fremdländische, die den Wald bilden.

Assessor Dr. jur. Klaus Thomas, Braunschweig, Deutschland

Auch aus natürlicher Suksession oder Stockausschlag be-standene Flächen können Wald sein. Zu Wald werden kön-nen durchgewachsene Weihnachtsbaumkulturen, 4 Baum-schulen oder verwilderte Parkanlagen, 5 da sie nicht mehr als solche verwendet werden. 6 Es kommt auf die tatsächli-chen Verhältnisse an. Die Ausweisung in Plänen und Re-gistern als Nicht-Wald ist ebenso unerheblich, wie die Ent-stehung der Bestockung. 7

Eine Mindestgröße muss die bestockte Fläche nicht ha-ben. Zur Abgrenzung von Baumgruppen wird im Hin-blick auf die Schutzfunktion, ein waldtypischer Naturhaus-halt mit eigenem waldtypischen Binnenklima voraussetzt, dass der Wald selbst erzeugt. 8 Es gehören also auch entspre-chend die großen Feldgehölze dazu, falls die typischen kli-matisch-ökologischen Waldmerkmale vorhanden sind. Das Waldbinnenklima muss nicht nach objektiven Messmetho-den bestimmbar sein. Die waldtypische Bodenvegetation und die charakteristische Begleitflora stellt sich von alleine ein, falls das typische waldeigene Binnenklima vorhanden

treten kann. 110 Folglich geht es um Millionen von Bürgern. Immerhin 1,2  Millionen gelten bereits nach regierungs-amtlicher Auffassung als elektrosensibel (= 1,5 %).

Nach verschiedenen Berichten kann diese Sensibilisierung sogar schlagartig und generell von einem Tag auf den ande-ren auftreten und hätte zur Folge, dass zahllose Bürger über-haupt kein elektromagnetisches Feld mehr ertragen könn-ten, z. B. auch nicht vom Elektroherd oder Staubsauger. Der maßlose Gebrauch nicht-ionisierender Strahlung könnte da-her zu einem gewaltigen Rückschlag der Zivilisation füh-ren – ganz im Gegensatz zum gerne gebrauchten Argument, dass eben die Zivilisation hohe Grenzwerte erfordere. Es fragt sich, wer für all das noch die Verantwortung überneh-men kann und wer sie eines Tages übernehmen wird. 111

Letztlich werden die Bundesländer angesichts der Un-tätigkeit des Bundesgesetzgebers (und der Gerichte?) ver-schärfende Regelungen zur Vorsorge einführen müssen. Diese sind zulässig. 112 Und zu guter Letzt wird wohl auch das Bundesverfassungsgericht um eine grundlegende Ent-scheidung im Plenum nicht herumkommen, weil die dar-gelegte Verletzung von Schutz- und Freiheitsrechten – beispielsweise auch von Menschen, die im Keller leben (müssen) – unerträglich wirkt. Der andauernd riskante und inadäquate Umgang mit einer die gesamte Bevölkerung treffenden umweltschädlichen Strahlung, die die soziale

Welt ebenso wie die Natur verändern kann, ist längst keine bloße verwaltungspolitische Frage mehr.

DOI: 10.1007/s10357-013-2507-1

Verschiedene Waldbegriffe und tatsächlich verschiedene WälderKlaus Thomas

© Springer-Verlag 2013

Thomas, Verschiedene Waldbegriffe und tatsächlich verschiedene Wälder

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622 NuR (2013) 35: 622–627

1) Gesetz zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forst-wirtschaft, vom 2. 5. 1975 (BGBl.  I S.  1037), zuletzt geändert durch Gesetz vom 31. 7. 2010 (BGBl. I S. 1050).

2) Brecht, Herr Puntila und sein Knecht Matti, 1950, Uraufführung: 5. 6. 1948; Suhrkamp, S. 16.

3) Stinglwagner/Haseder/Erlbeck, Das Kosmos Wald- und Forstlexikon, 4. Aufl. 2009, S. 305.

4) VG Schleswig, NuR 2000, S. 359.5) OVG Münster, RdL 2000, S. 315.6) Klose/Orf, Forstrecht, 2. Aufl. 1998, § 1 Rdnr. 9 b.7) VG Berlin NuR 2004 S. 58, 59.8) Pfeil, Die deutsche Holzzucht, 1860, S. 39.

110) Prof. Semm, Universität Frankfurt, Gutachten März 2001: „Bio-logische Wirkungen von modulierten hochfrequenten elektro-magnetischen Feldern“. Auch die sog. Licht-Allergie – eine an-erkannte Krankheit – beruht ebenfalls auf elektromagnetischer Strahlung: Folgerichtig sah auch schon die ICNIRP hier eine Parallele: „Ergänzung der ICNIRP-Richtlinien“ von 1998, ICNIRP, general approach, 2002, S. 546: „Different groups in a population … may have a lower tolerance … (like photo-sen-sitivity) … Some guidelines may not have adequate protection for certain sensitive individuals …“ Fallbeispiele von Elektrohy-persensibilität: http://www.diagnose-funk.org/aerzteschaft/er-fahrungsberichte/elektrohypersensibilitaet-eine-buergerin-be-richtet.php; http://www.mainpost.de/lokales/bad-kissingen/Ehepaar-fluechtet-vor-Mobilfunk;art23460,5689322.

111) Die SSK wird dies jedenfalls nicht sein: „Maßnahmen“ durch die Exekutive seien nicht geboten, solange die Legislative kei-nen „klaren gesetzlichen Rahmen“ vorgebe, so die Beratungs-ergebnisse 2006; Empfehlung der SSK, verabschiedet auf der 205. Sitzung am 16./17. 2. 2006, S. 2; SSK-Online.

112) VGH München, Urt. v. 23. 11. 2010 – 1 BV 10.1332; DVBl. 2011, 299; bestätigt vom BVerwG mit der genannten Entschei-dung vom 30. 8. 2012 – 4 C 1.11 und so auch Jarass, BImSchG, 9. Aufl., 2012, § 22, Rdnr. 15, 16 und 60 m. w. N.

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ist. 9 Wald ist auch dann anzunehmen, wenn Teile der Besto-ckung nicht das typische Waldbinnenklima entfalten, aber mit solchen Teilen zusammenhängen, die es aufweisen. 10

Nicht gefolgt wird hier der Ansicht, dass es sich um Waldpflanzen, die auch Forstpflanzen sind, handeln muss. 11 Wenn verwilderte Parkanlagen oder Baumschulen Wald-charakter erreichen können, muss dies auch dann gelten, wenn die Bestände aus typischen angepflanzten Garten- und Parkbäumen, -sträuchern oder veredelten Obstbaum-arten bestehen. Insbesondere kann es nicht auf das Merk-mal des „bestandesmäßigen Anbaus“ ankommen. Denn auch forstwirtschaftlich weniger verbreitete, nicht ange-baute Arten können Wald sein. Es muss sich auch nicht um wilde Baumarten handeln, da dieser Begriff nicht fassbar ist. Einmal wachsen alle Baumarten irgendwo auch wild. Dann wird die Hybridlärche, zuerst um 1900 aus der Europäi-schen und Japanischen Lärche entstanden, 12 als Waldpflanze gewertet. Wo wird die zeitliche Grenze gezogen? Bei Ro-binien und Douglasien, erstere zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts, letztere 1826 in Europa eingeführt, 13 oder die Weymouthkiefer, die 1705 nach Europa gelangte? 14 Oder gilt das erst für die Rosskastanie, die bereits 1576 nach Mit-teleuropa kam? 15 Gleiches gilt für Sträucher des Waldes.

Auch ein Abstellen auf die aus forstlichen Gesichtspunk-ten zweckgerichtete Duldung oder Anpflanzung bei Bäu-men 16 entspricht nicht dem gesetzlichen Waldbegriff und kollidiert erst Recht mit § 1 Abs. 1 BWaldG. Dort ist darge-legt, dass Zweck des Gesetzes auch die Bedeutung des Wal-des für die Umwelt und den Naturhaushalt zu sichern, ist. Das gilt auch für die Ansicht zu Sträuchern. Es kommt auch bei diesen nicht darauf an, ob diese zum Schutz und Nut-zen des Waldes angepflanzt worden sind oder wegen ihrer Früchte als Nutzpflanzen. Auch die Vergesellschaftung zur fortwirtschaftlichen Verbesserung der Bäume 17 ist nicht in Kongruenz mit den Gesetzeszwecken zu bringen. Für diese Ansätze finden sich auch keine belastbaren Belege in den veröffentlichten Gesetzesmaterialien. Der Ansatz ist als rein betriebswirtschaftlich motiviert zu verwerfen.

Zutreffend und auch zeitgemäß ist ein sehr weiter Wald-begriff, der mit dem Gesetzestext vereinbar ist und nicht einseitig die Nutzfunktion durch die Hintertür wieder in Dominanz bringt. Sinnhaft erscheint es, sich ergänzend der Waldbegriffe der Pflanzensoziologie und Ökologie zu be-dienen. Der Wald stockt auf Grundflächen. Es kommt nicht auf eigentumsmäßig nach Parzellen abgegrenzte Flächen, also Grundstücke, an, sondern auf natürlich zusammen-hängende Flächen. Ein Grundstück kann auch nur teilweise mit Waldbäumen bestanden sein. Dass auch der Boden und der Luftraum zwischen den Bäumen zur Grundfläche eines Waldes gehören, ergibt sich schon aus dem Bezug zu den Waldfunktionen. 18

2. Varianten des Bundeswaldgesetzes zum Waldbegriff

Als Wald gelten auch kahlgeschlagene oder verlichtete Grundflächen, Waldwege, Waldeinteilungs- und Siche-rungsstreifen, Waldblößen und Lichtungen, Waldwiesen, Wildäsungsplätze, Holzlagerplätze sowie weitere mit dem Wald verbundene und ihm dienende Flächen. Kahlschlag bedeutet die vollständige und großflächige Abholzung ei-ner Bestandsfläche. 19 Auch wenn keine Forstgewächse mehr auf der Fläche vorhanden sind, bleibt sie rechtlich Wald.

Waldverlichtung entsteht natürlich durch das Absterben von Bäumen, so dass Licht und Wärme bis auf den Boden dringen können. 20 Eine Verlichtung kann auch bei einer An-wendung der Femelwirtschaft durch menschlichen Eingriff, dann als Lichtung bezeichnet, erzeugt werden. Ansonsten sind Lichtungen Eingriffe, die deutlich über einer starken Durchforstung liegen. Lichtungen sind in aller Regel sehr artenreich. 21 Waldblößen (Läde, Leede, Laite) sind größere vorrübergehend nicht oder wenig bestockte Holzbodenflä-

chen. 22 Waldwiesen als besonders schützenswerte Biotope waren einst Teil der Landwirtschaft. Sie haben einen großen Artenreichtum und dienen neben der Raufuttergewinnung als Nahrungsquelle für wildlebende Tiere. 23

Waldeinteilungsstreifen sind künstlich freigehaltene Flä-chen, die entweder zur Einteilung in forsttechnische Ein-heiten oder zur Abgrenzung von Waldgrenzen dienen. 24 Sicherungsstreifen sind zur Sicherung gegen Sturm und Waldbrand und zur sonstigen Gefahrenabwehr, Funken-flug der Eisenbahn, Abstand zu bewohnten Gebäuden, ständig freigehaltene, nur niedrig bewachsene Streifen. 25 Alle zeichnet aus, dass sie Wald im Sinne des Bundeswald-gesetzes sind.

Im Übrigen gehören die der Bewirtschaftung, der Er-schließung der Holzabfuhr und die sonstige dem Wald zu-zuordnende Infrastruktur zum Wald. Waldwege dienen zu-erst ihren ursprünglichen Zwecken. Eine weitere Funktion ist Wandern, Spazierengehen und Fahrrad fahren durch Er-holungssuchende. Holzlagerplätze sind Plätze auf denen das eingeschlagene Holz bis zur weiteren Verwendung gelagert wird. Wildäsungsplätze sind gezielt für das wild angelegte Flächen, auf denen bestimmte Früchte, Gräser, Kräuter und Sträucher angebaut werden, die das Wild beweiden soll. 26

3. Der Waldbegriff des Bauplanungsrechts

Unter Forstwirtschaft in § 1 Abs. 6 Nr. 8 b BauGB ist die planmäßige Waldbewirtschaftung, Anbau, Pflege, Ab-schlag, zu verstehen. Der Begriff bezieht sich auf alle da-mit zusammenhängende Belange der Forstwirtschaft, die sich teilweise mit den Belangen der Wirtschaft decken. Die Pflicht zur Berücksichtigung der Belange der Forst-wirtschaft hat darüber hinaus besondere Bedeutung in-sofern, als die Bauleitplanung auch Rücksicht zu nehmen hat auf diese Belange. 27 Gemäß § 1 a Abs. 2 S. 2 BauGB sollen als Wald genutzte Flächen nur im notwendigen Umfang umgenutzt werden. Der Begriff des Waldes be-zieht sich hier auf die Begriffsbestimmungen des Bundes-waldgesetz sowie der Waldgesetze der Länder und diese geht über den engen Begriff der Forstwirtschaft hinaus. 28 Die Einschränkung wird als Umwidmungssperrklausel oder Abwägungsdirektive bezeichnet. 29 Die geplante No-velle des Baugesetzbuches würde den Belang Schonung des Waldes weiter stärken, da künftig die Notwendigkeit der Umwandlung als Wald genutzter Flächen nachvoll-ziehbar zu begründen sein wird. Der Begründung wer-den Ermittlungen zu Innenentwicklungspotenzialen zu Grunde zu legen sein, zu denen insbesondere Brachflä-

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9) Vgl. NdsLT-Drs. 14/2431, S. 40.10) OVG Lüneburg, RdL 2012, S. 209.11) So Klose/Orf, (Fn. 6), § 2 Rdnr. 14 ff.12) Schulze/Motel in Autorenkollektiv, Gymnospermae in Moose,

Farne, Nacktsamer, 1992, S. 305.13) Schretzenmayr/Erfurth, Bäume und Sträucher, 5. Aufl. 1967 S. 12; 110.14) Rauner/Fritz, Der Wald, seine Bäume und Sträucher, undatiert,

S. 14.15) Rauner/Fritz (Fn. 14), S. 46.16) So Klose/Orf (Fn. 6), § 2 Rdnr. 14 b.17) So Klose/Orf (Fn. 6), § 2 Rdnr. 14 b.18) Vgl. NdsLT-Drs. 14/2431, S. 40.19) Stinglwagner/Haseder/Erlbeck (Fn. 3), S. 456, 879.20) Stinglwagner/Haseder/Erlbeck (Fn. 3), S. 881.21) Stinglwagner/Haseder/Erlbeck (Fn. 3), S. 539.22) Stinglwagner/Haseder/Erlbeck (Fn. 3), S. 122, 517.23) Stinglwagner/Haseder/Erlbeck (Fn. 3), S. 926.24) Stinglwagner/Haseder/Erlbeck (Fn. 3), S. 900.25) Stinglwagner/Haseder/Erlbeck (Fn. 3), S. 784, 923.26) Stinglwagner/Haseder/Erlbeck (Fn. 3), S. 963.27) Söfker in Ernst et alii, Baugesetzbuch, 103. Lfg. 2012, § 1 Rdnr. 162.28) Krautzberger/Wagner in Ernst et alii, Baugesetzbuch, 103. Lfg.

2012, § 1 a Rdnr. 62 b.29) Söfker (Fn. 27), § 1 Rdnr. 162; Krautzberger-Wagner, (Fn. 28), § 1 a

Rdnr. 62.

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chen, Leerstand in Gebäuden, Baulücken und Nach ver-dich tungs poten ziale zählen. 30

4. Der Waldbegriff in der Pflanzensoziologie und Ökologie

Die Pflanzensoziologie und die Ökologie vertreten eine ab-weichende Vorstellung von der Idee „Wald“, als die bisher gängige der Interpreten des Bundeswaldgesetzes. Danach ist Wald eine Vegetationsform und mehr als nur eine An-sammlung von vorherrschenden, geschlossen auftretenden stammförmigen Bäumen. Diese allein unterliegen im Wald schon besonderen Lebensgesetzen. Wald ist darüber hinaus ein vernetztes Sozialgebilde 31 und Wirkungsgefüge seiner sich gegenseitig beeinflussenden und oft voneinander ab-hängigen biotischen, physikalischen und chemischen Be-standteile, das praktisch von der obersten Krone bis hin-unter zu den äußersten Wurzelspitzen reicht. 32 Es wird ein weiter, ökologisch nachhaltig beeinflusster Waldbegriff 33 vertreten, den der Gesetzgeber offensichtlich auch vertritt, da das Gesetz insgesamt den Erhalt und wenn vertretbar die Mehrung des Waldes anstrebt. Wald ist eine Lebensge-meinschaft, in der eine Baumschicht standortprägend ist, meist gemeint als Ökosystem, also zusammen mit ihrem Standort, im Blickpunkt stets das Beziehungsgefüge der verschiedenen Organismen 34.

5. Die Definition des Naturschutzrechts

Nach der Definition der Roten Liste gefährdeter Biotop-typen Deutschlands werden Forst und Wald wie folgt un-terschieden: 35 Als Wälder werden alle natürlichen und na-turnahen Waldbestände bezeichnet. Einbezogen sind auch Pflanzungen und forstlich genutzte Wälder, deren Baumar-tenzusammensetzung der potenziellen natürlichen Vegeta-tion weitgehend entspricht, unabhängig von der Waldent-wicklungsphase, beziehungsweise der Altersstruktur.

Der Begriff Forst wird danach für Bestände verwendet, bei denen nicht bodenständige, beziehungsweise nicht ein-heimische Gehölze mehr als ein Drittel des Baumanteils ausmachen oder Monokulturen anstelle natürlicher Misch-wälder getreten sind.

6. Die Begriffe Wald und Forst in der Etymologie

Wald bezeichnete, ursprünglich germanisch, das nicht be-baute, der Kultur nicht unterworfene Land. 36 Das Wort ist möglicherweise rupfen, zupfen, nahe stehend; und bedeu-tete dann, gerupftes Laub. 37 Laub wiederum geht wahr-scheinlich auf abschneiden, abschälen, abreißen zurück. In

früheren Zeiten wurde das Laubreis gerupft, um es dem Vieh in getrockneten oder frischen Zustand zu verfüttern. 38 Bemerkenswert ist, dass eine Waldnutzungsform zur Be-zeichnung des ganzen Ökosystems geworden ist. Mit Wald könnte aber auch wild verwandt sein. Letzteres könnte dann im Wald wachsend, nicht angebaut, bedeuten. 39

Forst ist ebenfalls germanischer Herkunft und leitet sich wohl von althochdeutsch fohasa, Föhre; forhist, Föhren-wald, ab. 40 Nach anderer Ansicht ist das Wort lateinischen und oder germanischen Ursprungs. Ersteres leitete sich von foris, draußen ab und korrespondierte mit den Maßnahmen der fränkischen Könige seit dem siebten Jahrhundert, sich Waldgebiete zu sichern, 41 mit der Inforestatio, der Einfors-tung und Bannlegung. 42 Die weitere germanische Ablei-tung könnte, ähnlich motiviert, von first, als von Zäunen umschlossenes Gebiet stammen. 43

Im Übrigen sind die Begriffe Wald und Forst nur im Bereich des Naturschutzes definiert und voneinander ge-schieden und werden unterschiedlich gebraucht. Steht der wirtschaftliche Aspekt im Vordergrund, wird der Wald be-wirtschaftet und als Objekt der Ökonomie betrachtet, so wird der Ausdruck Forst bevorzugt. 44 Eine saubere Tren-nung beider Begriffe findet sich gegenwärtig in jedweder Fachliteratur 45 zum Wald oder zum Forst nur noch selten.

7. Tatsächlich verschiedene Wälder

7.1 Primär- und Sekundärwald

Primärwälder sind Natur- oder Urwälder, die aller-dings praktisch immer auch menschliche Einflüsse zei-gen. Sekundärwälder sind auf ehemaligen Rodungen von

Abb. 1 Waldstandorte

Thomas, Verschiedene Waldbegriffe und tatsächlich verschiedene Wälder

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30) BR Empf. 447/1/12, S. 3 f; BR-Drs. 447/12, S. 16.31) So schon Vanselow, Forstwissenschaft als Ganzheitsproblem,

1932, S. 5 f., 11.32) Stinglwagner/Haseder/Erlbeck, (Fn. 3), S. 894.33) Vgl. Zundel, Einführung in die Forstwissenschaft, 1990, S. 12 ff.34) Wilmanns, Ökologische Pflanzensoziologie, 6. Aufl. 1998, S. 298.35) Riecken et alii, Rote Liste der gefährdeten Biotoptypen Deutsch-

lands, 2. Fassung 2006, S. 257.36) Stinglwagner/Haseder/Erlbeck, (Fn. 3), S. 894.37) Duden, Bd. 7, Etymologie; Herkunftswörterbuch der deutschen

Sprache, 1963, S. 752.38) Duden, Bd. 7, (Fn. 37), S. 389.39) Duden, Bd. 7, (Fn. 37), S. 766.40) Koch, Vom Urwald zum Forst, 1957, S. 25.41) Zundel, (Fn. 33), S. 11.42) Koch, (Fn. 40), S. 25.43) Zundel, (Fn. 33), S. 11.44) Schmeil, Pflanzenkunde, 183. Aufl. 1962, S. 319.45) Siehe aber Riecken et alii, (Fn. 35), S. 257.

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selbst wieder entstandene, somit seminatürliche Wälder mit oft geänderter Artenzusammensetzung. 46 Die Wäl-der Deutschlands sind bis auf winzige Ausnahmen, wie auch weitgehend die der übrigen gemäßigten Zonen, Sekundär wälder. 47

7.2 Historisch alte Waldstandorte

Jüngere Waldstandorte sind in der Gegenwart vorhandene, unabhängig von der Naturnähe und dem Alter ihrer aktu-ellen Bestockung, die überwiegend im 19. und 20.  Jahr-hundert aufgeforstet worden oder natürlich bewaldet sind. Umgekehrt können hier kleinere historisch alte Waldstand-orte enthalten sein. Die Erfassungsuntergrenze beträgt ça. 50 ha. 48

Historisch alte Waldstandorte sind in der Gegenwart vor-handene, unabhängig von der Naturnähe und dem Alter ihrer aktuellen Bestockung, die seit ça. 200  Jahren mehr oder weniger kontinuierlich als Waldfläche genutzt wer-den. Zwischenzeitlicher Kahlschlag und Wiederauffors-tung sind möglich. Kleinere jüngere Waldstandorte kön-nen enthalten sein. Die Erfassungsuntergrenze beträgt auch ça. 50 ha. 49, 50

7.3 Sukzessionswälder

Natürliche Sukzession schafft kostenlos produktive Wäl-der. 51 Zum Beispiel verhinderten die Nachkriegswir-ren Ende der vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts die künstliche Aufforstung einer verwilderten Kahlfläche des Forstamtes Zweibrücken. Das Ergebnis war Mitte der neunziger Jahre, sogar ohne jegliche Pflege, ein reicher Mischwald mit guten Stammformen aus Ahorn, Hain-buche, Rotbuche, Birke, Eiche, Kirsche und so weiter. 52 In einem weiteren Beispiel wurde eine windwurfgeschä-digte Fläche sich selbst überlassen. Schon nach wenigen Jahren wuchsen auf der ehemaligen Kahlfläche 15 Baum-arten. 53 Auch diese Standorte sind Wälder im Sinne des Gesetzes.

In einer fünfjährigen Studie wurde in Sachsen-Anhalt festgestellt, dass sich auf einer Ganzjahresweide mindestens 17 Gehölzarten etablieren konnten, wobei noch nicht klar ist, ob diese trotz Verbiss einmal ein waldartiges Stadium erreichen können. 54

8. Diskussion und rechtliche Folgen

8.1 Grundlagen

Wald im Sinne des Bundeswaldgesetzes ist und bleiben Grundflächen, bis es zur Bestandskraft einer Umwand-lungsgenehmigung kommt. 55 Die Waldeigenschaft endet nicht mit einer Entfernung der Forstpflanzen und dem fol-genden Brachfallenlassen oder der Nutzungsänderung der Fläche. 56 Das Alter und die Höhe des Bestandes oder der Stand des Wachstums sind für die Qualifikation als Wald ebenso belanglos wie der Zustand, 57 gelichtet, stark verbis-sen, teilweise abgestorben und ähnliches. 58

8.2 Der Waldbegriff diskutiert

Die Frage ist, ob Wald nur formal-juristisch definiert wer-den soll. Wald ist unabhängig von der Dichte des Bestandes annehmbar. 59 Die Gegenansicht stellt darauf ab, dass eine bestimmte Dichte des Pflanzverbandes nicht unterschritten werden darf. 60 Für diese Ansicht gibt das Gesetz keine An-haltspunkte, insbesondere ist wegen des klaren Wortlauts eine Auslegung nicht zulässig. Denn dort ist von „jeder“ mit Forstpflanzen bestockten Fläche die Rede. Da durch das Gesetz auch verlichtete Flächen als Wald gewertet wer-den, lässt sich nicht nachvollziehen, warum eine lichte Flä-che zu Beginn der Entstehung von Wald anders bewertet

werden soll als verlichtete oder devastierende, bestehende Waldflächen. 61 Daher ist Wald eine größere Anzahl vom Bäumen, die soziologische Einheiten bilden, in denen die Bäume in dauernden gegenseitigen Wechselbeziehungen zueinander stehen und der eine dem Waldtyp arteigene Be-gleitflora trägt.

Bei der Entstehung von Wald durch natürliche Sukses-sion soll eine gesicherte Eroberung einer bestimmten Flä-che durch Forstpflanzen, was insbesondere eine gewisse, gleichmäßige Verteilung der Bäume auf dieser Fläche vo-raussetzt, so dass der Kronenschluss zu erwarten sei, maß-geblich sein. 62 Eine Mehrzahl einzeln stehender Bäume genüge bereits aus botanischer Sicht nicht. 63 Auch diese Ansicht findet im Gesetzeswortlaut und den Erfahrun-gen mit natürlicher Sukzession keine Stütze. 64 Denn die Bewahrung der Artenvielfalt erfordert die Erhaltung al-ler natürlichen Sukzessionsstadien. 65 Gerade Frühphasen der Sukzession sind von hohem gesetzlichen Interesse we-gen ihrer Bedeutung für die Umwelt und für die dau-ernde Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes (§ 1 Nr.  1 BWaldG), 66 da sie der Erholung gewisser Arten dient. Auch der Hinweis auf botanische Definitionen verfängt nicht, da sich der Gesetzgeber gerade nicht hierauf be-zieht, da sonst zumindest Kahlschläge kein Wald mehr sein dürften. Auch wären die auf sehr nährstoff- und vor allem basenarmen Bruchwaldstandorte – Erlen-Kiefer-, Moor-birkenbruch –, die häufig nur vereinzelte Baumgruppen aufweisen, nicht unter den Begriff Wald zu subsumieren. 67 Das gälte ebenso für Lärchen- und Lärchen-Arvenwälder, deren Baumschichtdeckung oft nur 30–60 % beträgt; 68 ebenso für Teile der Moorwälder, der in manchen Gebie-ten als lückiger Wald die Moore überzieht 69 und die mit-teleuropäische Flechten-Kiefernwälder, die auf bodensau-ren nährstoffarmen Sanden nur eine lückige Baumschicht ausbilden kann. 70

Die hier vertretene Ansicht findet ihre Stütze nicht nur bei genauerer Betrachtung der botanischen Vegetationssys-tematik, sondern auch in historischen Ansichten. Die kli-matische Formation Gehölz besteht im Wesentlichen aus Holzgewächsen und heißt Wald, wenn die Bäume im ge-schlossenen Stand wachsen und Buschwald, wenn Sträu-cher so reichlich entwickelt sind, dass die Baumkronen

NuR (2013) 35: 622–627 625Thomas, Verschiedene Waldbegriffe und tatsächlich verschiedene Wälder

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46) Streit, Was ist Biodiversität? 2007, S. 82; 117.47) Franklin, in Wilson: Ende der biologischen Vielfalt? 1992, S. 188,

189.48) Glaser/Hauke, Historisch alte Waldstandorte und Hudewälder in

Deutschland, 2004, S. 16.49) Glaser/Hauke (Fn. 48), S. 16.50) Thomas, Bundeswaldgesetz, Erl. 5.4 zu § 2; Datenquelle: Glaser/

Hauke (Fn. 48), S. 29.51) Vgl. Gerdes, NuLP 2012 S. 213, 214.52) Bode/von Hohnhorst, Waldwende, 2. Aufl. 1994, S. 144.53) Bode/von Hohnhorst (Fn. 52), S. 142.54) Felinks/Deter/Wenk, NuLP 2008, S. 217, 223.55) OVG Lüneburg, RdL 2009, S. 18, 19.56) Klose/Orf, (Fn. 6), § 2 Rdnr. 9 d.57) Klose/Orf, (Fn. 6), § 2 Rdnr. 10.58) Siehe Thomas, (Fn. 50), Erl. 5.11 zu § 2.59) Vgl. Stinglwagner/Haseder/Erlbeck, (Fn. 3), S. 895.60) Blossfeld/Haasemann/Reichel, Baum, Wald, Holz, 1964, S.  67 f;

Klose/Orf, (Fn. 6), § 2 Rdnr. 11, Zundel, (Fn. 33), S. 12.61) OVG Münster, AgrarR 1988 S. 290; Klose/Orf § 2 Abs. 11.62) Vgl. VG Schleswig, NuR 2000, S. 359.63) Klose/Orf, (Fn. 6), § 2 Rdnr. 11.64) Vgl. etwa Baumgärtel/Grüneklee, NuL 2002, S. 269 ff.65) Franklin, (Fn. 47), S. 188, 189.66) Vgl. Plachter, Naturschutz, 1991, S. 227, 258, vgl. Stinglwagner/

Haseder/Erlbeck, (Fn. 3), S. 828.67) Vgl. Fukarek in Autorenkollektiv, Vegetation, 1995, S. 236, 252 f.68) http://www.bfn.de/ 0316_typ9420.html.69) http://www.bfn.de/ 0316_typ91d0.html.70) http://www.bfn.de/ 0316_typ91t0.html.

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einander nicht berühren. 71 Oder nach historischer, wald-baulicher Sicht: Durch den Zusammentritt mehrerer oder vieler Holzbestände entsteht der Wald. Unter Holzbestand versteht man die Vereinigung vieler Holzpflanzen zu ei-nem geschlossenen selbständigen Ganzen. 72 Das Maß des Bestandsschlusses kann hierbei sehr verschieden sein, …, bis herab zu jenem, bei welchem eine Bodenüberdeckung nur mehr notdürftig stattfindet. 73

Der gesetzliche Waldbegriff umfasst nach hier vertrete-ner und aus dem Wortlaut und den veröffentlichten Ma-terialien zum Bundeswaldgesetz alle Stadien, die im wei-teren Verlauf nach den Sukzessionsüblichkeiten nach der Ansiedelung erster Gehölzpflanzen, die, falls ungestört, durchgehende Entwicklung zum mit Bäumen und Sträu-chern (Büschen) dominierten Bestand erwarten lässt. 74 Schon unmittelbar nach der Erstaufforstung oder dem Er-scheinen von Keimblättern nach einer künstlichen Aussaat oder natürlichen Ansamung liegt Wald bei günstiger Prog-nose vor. 75 Das wird bei Herauswachsen aus dem Gras und Kraut anzunehmen sein. 76 Der Ansatz, einen sehr weiten Waldbegriff zu wählen, verringert zudem die in der Praxis auftretenden Differenzen in der Interpretation des Neben-einanders des Bundeswald- und des Bundesnaturschutzge-setzes und mit der Gesetzgebung der Europäischen Union und ratifizierten Völkerrechtsverträgen. Der Grundsatz des effet utile, lässt sich bei einer weiten Auslegung erheb-lich leichter verwirklichen. Dieser bedeutet, dass die völ-kerrechtliche Verpflichtung entgegenstehendes nationales Recht, also auch das Bundeswaldgesetz an die Konventi-onen anzupassen 77 oder völkerrechtskonform auszulegen und zu administrieren. Der effet utile ist ein Effizienzge-bot. 78 Der Grundsatz ist seit dem Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge 79 allgemeiner zwischenstaat-licher Rechtsgrundsatz. Demzufolge sind völker- und eu-roparechtliche Normen ihre Auslegung im Sinne des effet utile bei Interpretation des Bundeswaldgesetzes, diesem vorrangig. 80.

Bezüglich einer Abgrenzung über die Artenzusammen-setzung sollte der naturschutzrechtliche Ansatz gewählt werden. Damit entfiele für nicht-standortgemäße und na-turregionengemäße Wälder und Monokulturen die beson-dere Aufmerksamkeit des Gesetzes, soweit nicht Kurzum-triebsplantagen betroffen sind. Damit wäre ein effektiver Ansatz gewonnen, den Unsinn mit der Anpflanzung und dem Test immer neuer nicht mitteleuropäischer Baumarten zu beenden, ohne zum Ordnungsrecht zu greifen.

9. Der gesetzliche Nicht-Wald-Begriff

9.1 Kurzumtriebsplantagen und Energiewald

Per gesetzlicher Definition gehören Kurzumtriebsplanta-gen und Flächen der Agroforstwirtschaft nicht zum Wald. Kurzumtriebsplantagen sind eine moderne Variante des Niederwaldbetriebes. 81 Mit der Ausgliederung entfällt ins-besondere eine Aufforstungs- und Rückwandlungsgeneh-migung für die als Energiewald genutzten Flächen.

Als Energiewald werden Anpflanzungen bezeichnet, die mit schnell wachsenden Bäumen Holz zur Energiegewin-nung erzeugen. Man spricht auch von Kurzumtriebsplan-tagen oder Kurzumtriebswäldern, da nach einer kurzen Umtriebszeit von 3 bis 10 Jahren das Holz geerntet wird. Bei einer längeren Umtriebszeit von 15 bis 20 Jahren wird Industrieholz, etwa zur Zellulosegewinnung produziert. Zu bedenken ist allerdings wieder einmal ein zu kur-zes Denken: Warum wird Bauholz, Möbelholz und Pa-pier nicht nach der Erstnutzung konsequent energetisch verwertet? 82

Gegenwärtig werden ungefähr 4000–5000 ha in Deutsch-land als Kurzumtriebsplantage genutzt. 83 Die Anlage einer Kurzumtriebsfläche erfolgt durch das Setzen von Pflan-zenstecklingen in Reihen. Die Pflanzendichte (5000 bis

10 000 Pflanzen pro ha) ist dabei abhängig von der gewähl-ten Baumart, Umtriebszeit und Spurweite der Erntema-schine. Nur kurz nach der Neuanlage ist eine Kulturpflege nötig, wenn sich hoch wachsende Konkurrenzvegetation gebildet hat. In den Folgejahren sind keine Pflegeeingriffe und Düngung erforderlich. Nach einer für Bäume rela-tiv kurzen Wachstumsphase von wenigen Jahren werden die 6 bis 8 m langen Baumtriebe durch einen bodennahen Schnitt geerntet. Die im Boden verbleibenden Wurzelstö-cke treiben im Frühjahr wieder aus (Stockausschlag), da-durch muss das Feld nicht neu angelegt werden. Die Nut-zung kann somit etwa 20 bis 30  Jahre als Dauerkultur erfolgen und ergibt einen Ertrag von bis zu 15 t Biomasse pro ha und Jahr.

Die für eine Kurzumtriebsbewirtschaftung geeigneten Baumarten für das gemäßigte Klima sind in erster Linie Pappeln und Weiden, die auf guten Standorten eine sehr hohe Biomasseleistung erreichen, und die robusten Nieder-waldbaumarten Erle, Aspe, Robinie, Birke, Ahorn, Esche und Gewöhnlicher Traubenkirsche, die gut auf Grenz-ertrags böden eingesetzt werden können. Gegenwärtig wird nach Entschlüsselung des Erbgutes der Westlichen Balsam-pappel (Populus trichocarpa), die auch in Mitteleuropa an-gepflanzt wird, versucht durch Nutzung dieser Kenntnis besonders wuchsstarke Varianten zu züchten. 84 Der Stand-ortanspruch an Jahresmitteltemperatur, Wasserhaushalt und Nährstoffhaushalt sowie die Resistenz gegen Schäd-linge, Krankheiten und Wildverbiss bestimmt letztlich die Wahl der Baumart. 85

Die Umwandlung von Hecken, Wäldern oder Dau-ergrünland in Kurzumtriebsplantagen, die allein un-ter ökonomischem Regime bewirtschaftet werden, stellt eine ökologische Degradierung der Flächen dar. 86 Folg-lich sind die Schutzvorschriften für Dauergrünland und für speziell geschützte Grünlandvarietäten und beson-ders geschützte Biotope zu beachten. 87 Bei Wald ist eine Umwandlungsgenehmigung erforderlich. In aller Regel bedeutet die Umwandlung einer landwirtschaftlich ge-nutzten Fläche in eine Kurzumtriebsplantage nur eine Nutzungsartenänderung innerhalb des landwirtschaftli-chen Betriebes. Daher können die Flächen jederzeit in andersartige landwirtschaftliche Nutzflächen umgewan-delt werden.

Entwachsen Kurzumtriebsplantagen dem Stadium der landwirtschaftlichen Nutzungsform, entwickeln sie sich zu Wald. Dann liegt der Tatbestand einer schleichenden Erstaufforstung vor. Die ist jedoch genehmigungspflich-tig. Erwähnenswert ist, dass Kurzumtriebsplantagen aus Weiden oder Pappeln, besonders auf chemisch unbehan-

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71) Schwappach, Forstwissenschaft, 2. Aufl. 1908, § 1.72) Vereinigung ist nicht im Sinne des Zusammenwachsens, son-

dern der forstwirtschaftlich zusammengefassten Behandlung ge-meint. Holzpflanzen sind unstreitig nicht nur Großbäume, son-dern Bäume und Sträucher aller Grade.

73) Gayer, Der Waldbau, 2. Aufl. 1882, S. 11, 12.74) Vgl. auch OVG Münster, RdL 2000 S. 315.75) So auch OVG Lüneburg RdL 2009 S. 18, 19.76) Vgl. NdsLT-Drs. 14/2431 S. 40.77) Belgard, RdL 2004, S. 170 f.78) Berber, Lehrbuch des Völkerrechts I, 1960, S. 444 f, Lehrbuch des

Völkerrechts III, 1964, S. 51.79) Vom 23. 5. 1969, BGBl. II 1985 S. 927.80) Zur mangelhaften Umsetzung von Europarecht im Umweltbe-

reich: Mayr, NuLP 2012 S. 98.81) Möckel, NVwZ 2011, S. 663.82) Bieler, WWF-Magazin 2/2012, S. 24, 26.83) Gaul, LuF 25/2012, S. 58.84) Tuskan/Rockhsar, FAZ, 15. 9. 2006, S. 40.85) Thiemann et alii, Klimawandel und Landnutzung in Deutschland;

Anforderungen an die Landentwicklung, 2010, S. 54.86) Möckel, NVwZ 2011, S. 663.87) Vgl. Möckel, (Fn. 86), S. 663, 665.

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delten, gepflügten Flächen bis zum Kronenschluss deutlich mehr Begleitpflanzen aufweisen, als Nadelwald und Misch-wald. 88 Im Übrigen sind sie nur im Buschstadium beson-ders reich an Tierarten; mit zunehmendem Wachstum geht diese Fülle zurück. 89

9.2 Agroforstwirtschaft

Agroforstsysteme sind Landnutzungssysteme, 90 bei de-nen eine Fläche von Bäumen bewachsen ist und gleich-zeitig landwirtschaftlich genutzt wird. Beispiele für Mit-teleuropa sind in diesem Sinne die Streuobstkulturen und Waldweidenutzungen. Diese haben im Kontext der mo-dernen Land- und Forstwirtschaft keine signifikante öko-nomische Bedeutung mehr, sind aber Ökosysteme von be-sonderer Eigenart und Biodiversität, insbesondere durch ihren Beitrag zur Vernetzung der Ökosysteme. 91 Während die Waldweidesysteme im Grunde nur noch als kleinflä-chige historische Relikte anzusprechen sind, haben Streu-obstbestände und hier vor allem in den südlichen Bundes-ländern, noch eine wichtige, vielfach landschaftsprägende Bedeutung. Andererseits sind etwa in Hessen im Zeitraum von 1965–1987 mehr als 83 % der Hochstammobstbäume verschwunden. 92

Es ist ein viel diskutierter Aspekt, was ein Agroforstsys-tem allgemein charakterisiert und definiert und welches Nutzungssystem es nicht ist. Grundsätzlich gilt, dass auf einer identischen Fläche sowohl eine agrarische als auch eine forstliche Nutzung stattfindet. Diese Nutzungen müssen nicht synchron ablaufen und müssen auch nicht von gleichrangiger ökonomischer Bedeutung sein. Ein Agroforstsystem kann also agrar- oder forstorientiert be-trieben werden. Weiterhin sind Unterscheidungen mög-lich, ob die agrarische Nutzung als Grünland (und hier wiederum als Wiese, Weide oder als Mähweide) oder als Ackerland erfolgt. Bei der Nutzung der Bäume ergibt sich die Unterscheidung nach jährlichen beziehungsweise mehrjährigen Nutzungsintervallen und auch daraus, ob das ökonomische Interesse eher in der Frucht oder im Holzertrag liegt oder ob eine gleichrangige Wertschät-zung vorliegt.

In Art. 44 Abs. 2 der Verordnung „Europäische Land-wirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums“ 93 wird ausgeführt, dass Agroforstsysteme Land-nutzungssysteme seien, bei denen eine Fläche von Bäumen bewachsen ist und gleichzeitig landwirtschaftlich genutzt wird. Damit sind zum Beispiel Kurzumtriebsplantagen ein-deutig ausgenommen.

Ein neu interpretiertes agroforstliches Nutzungsmo-dell sind die Wertholzpflanzungen oder Holzwiesen. Da-runter versteht man die lockere Pflanzung von verschie-denen Obstbäumen mit dem wirtschaftlichen Ziel der Furnierholzproduktion und der prinzipiellen Option ei-ner landwirtschaftlichen Verwertung des Unterwuch-ses. 94 Äußerst fraglich ist, ob noch ein Agroforstsystem im Sinne der Vorschrift vorliegt, wenn sich eine streifenar-tige Ackernutzung mit streifenartigen Baumpflanzungen

abwechselt (alley cropping). So gibt es Auslegungen, dass eine bis zu dreifache Maschinenbreite Ackerbewirtschaf-tung mit anschließenden Baumreihen noch eine agro-forstliche Nutzung sei. Das dürfte nicht zutreffen, sondern muss differenziert betrachtet werden. Sind die Baumrei-hen für den Kurzumtrieb vorgesehen, ist die Fläche als Kurzumtriebsplantage auch dann einzustufen, falls sich Streifen von Biomasse- und Lebensmittelgewinnung ab-wechseln. 95 Sind es Bäume, die nicht auf den Stock gesetzt werden sollen, muss genau betrachtet werden, ob schon Wald mit der Konsequenz der Anwendung der Waldge-setze, anzunehmen ist.

9.3 Weihnachtsbaum- und Schmuckreisigkulturen

Weihnachtsbaum- und Schmuckreisigkulturen, etwa für Adventskränze und Frühjahrssträuße, gehören gesetzlich betrachtet nicht zum Wald. Der Grund ist die gärtnerisch-landwirtschaftliche Nutzung der angebauten Pflanzen.

10. Ausblick

Es ist bemerkenswert, dass der Begriff des Waldes von der Forstwirtschaft, der Ökologie, der Pflanzensoziologie un-terschiedlich definiert wird, obwohl es bei diesem tatsäch-lichen Gebilde eine objektive Definition geben müsste. Letztlich gibt es sie tatsächlich, nämlich im Gesetz! Und diese Definition ist deutlich weiter, als die Interpretation der Forstwirtschaft. Es ist bei Heranziehung der Motive des Gesetzgebers und dem Stand der Naturwissenschaften der an Biologie, Pflanzensoziologie und weiteren Wissen-schaften der hier dargelegte Begriff des Waldes. Das ergibt sich zwanglos aus der Wahrheit der Naturwissenschaften, zu denen die Forstwissenschaft nur sehr bedingt gehört. Sie gehört deshalb nur bedingt dazu, weil in vielen Zwei-gen eine wirtschaftswissenschaftliche Grundannahme der Ausgangspunkt der Untersuchung ist, die die dann ange-wandte naturwissenschaftliche Methodik als Ergebnisziel sucht.

Gegenwärtig wird das naturwissenschaftliche Ergebnis bezüglich der Behandlung der Wälder, wie bereits darge-legt hinter ökonomischen, kurzfristigen Gewinnmaximie-rungsinteressen verdrängt. 96 Hat die Forstwirtschaft Ihre Wurzeln verraten oder fortentwickelt?

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88) Schneider, We 1/2010, S. 2.89) Gruss/Schulz, NuLP 2011, S. 197, 203.90) Luick/Vonhoff, NuLP 2009, S. 47; Luick/Schuler, Waldweide und

forstrechtliche Aspekte, Ber. Inst. Landschafts- Pflanzenökologie Univ. Hohenheim (17), 2007, S. 149–164.

91) Gaul, LuF 25/2012, S. 58.92) Hutter/Blessing/Kozina, Wälder, Hecken, Gehölze, 1995, S. 101.93) ELER-Verordnung (EG) Nr.  1698/2005; ABl. L 277 vom

21. 10. 2005, S. 1.94) Luick/Vonhoff (Fn. 90), S. 1.95) Gaul, LuF 25/2012 S. 58.96) Thomas, NuR 2013, S. 559.