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2 Klinische Forschung in Deutschland Eine Standortbestimmung Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. Zur Sache

VFA ZS02 KlinischeForschung · 2019. 5. 9. · für die Entwicklung von Arzneimitteln, die häufig auch als „Klinische Forschung im engeren Sinne“ oder als „klinische Prüfung“

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Klinische Forschung in Deutschland

Eine Standortbestimmung

Verband ForschenderArzneimittelhersteller e.V.

Zur Sache

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Ohne Medikamente wäre die Geschichte der Medi-zin eine Kurzgeschichte. Innovative Arzneimittelwaren und sind Meilensteine des therapeutischenFortschritts. Aber längst sind nicht alle Krankheitenbesiegt. Millionen Patienten warten auf Heilung.Die forschenden Arzneimittelhersteller forschen fürdas Leben.Die forschenden Arzneimittelhersteller wollenweiterhin mit innovativen Arzneimitteln den thera-peutischen Fortschritt vorantreiben. Dazu brauchensie verlässliche Rahmenbedingungen am StandortDeutschland und ein zukunftsfähiges Gesundheits-wesen, das den Wettbewerb um die beste Qualitätstimuliert.Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V.(VFA) vertritt die Interessen der weltweit führendenforschenden Arzneimittelhersteller in Deutschland.Er repräsentiert eine wettbewerbsfähige High-Tech-Branche und sucht den Dialog mit der Öffentlich-keit sowie allen Verantwortlichen in Politik undGesellschaft. Denn gerade Innovationen brauchengesellschaftliche Akzeptanz.

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Klinische Forschung in Deutschland

Eine Standortbestimmung

Verband ForschenderArzneimittelhersteller e.V.

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FaktenZwischen Reagenzglas und Patienten:Die Klinische Forschung

AnalysenEntscheidend für die Klinische Forschung:Qualität und Rahmenbedingungen

PerspektivenDer Trend ins Ausland muss umgekehrt werden

Inhalt

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Ein Wort zur Sache …

Neue, wirksame und sichere Arzneimittel sind auch inZukunft unverzichtbar. Denn trotz der unbestrittenenErfolge bei der Heilung von Krankheiten durch denEinsatz von Medikamenten ist bis heute für zweiDrittel – etwa 20.000 – aller bekannten Krankheitenkeine Erfolg versprechende Behandlung möglich.

Die forschenden Arzneimittelhersteller stellen sich dieser Herausforderung. Sie arbeiten intensiv an denvon der Öffentlichkeit geforderten wirksamen Arznei-mitteln gegen bisher unheilbare Krankheiten. Krebs,Aids, Alzheimer sind nur einige Beispiele aus einergroßen Zahl von Krankheiten, die erforscht werden.Bei der Erforschung und Entwicklung von Arznei-mitteln arbeiten Arzneimittelhersteller und wissen-schaftliche Einrichtungen vielfach eng zusammen. Vonderen Leistungsfähigkeit hängt es entscheidend ab,wie sich der Weg von der Ermittlung eines neuenAngriffsziels (Targets) über die Entdeckung einesWirkstoffes bis zu dessen Zulassung als Medikamentgestaltet.Ein wesentlicher Teil dieses Weges ist die KlinischeForschung, die Prüfung von Arzneimitteln am Men-schen. Diese ist für die Entwicklung neuer Arzneimittelunerlässlich. Doch gerade in der Klinischen Forschungläuft Deutschland Gefahr, den Anschluss an konkurrie-rende Forschungsstandorte zu verlieren. Der VerbandForschender Arzneimittelhersteller (VFA) will mit dervorliegenden Broschüre die Bedeutung der KlinischenForschung für den Forschungsstandort Deutschlanderläutern. Um die Aktualität der Publikation zu ge-währleisten, wurden die für das Jahr 2004 vorgesehe-nen Änderungen des Arzneimittelgesetzes bereitsberücksichtigt.

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Fakten

Zwischen Reagenzglas und Patienten:die Klinische Forschung

Für Forschung und Entwicklung haben die Mitgliedsunternehmen des VerbandsForschender Arzneimittelghersteller im Jahr 2002 in Deutschland knapp 3,6 Milliarden Euro ausgegeben. Aufgrund der Qualitätsanforderungen und derhohen Entwicklungskosten erfordert die Arzneimittelentwicklung im präklini-schen und klinischen Rahmen höchste Professionalität. Wenn im Unternehmendie Entscheidung für die Entwicklung eines neuen Arzneimittels getroffen wird, startet nach strengen gesetzlichen Vorgaben ein Prozess aus vielen hundertEinzelschritten, der im Schnitt mehr als ein Jahrzehnt dauert und rund 800 Milli-onen Dollar kostet.

„Klinische Forschung“ bezeichnet den Bereich derForschung, in dem Wissenschaftler oder Ärzte in derKlinik neue Diagnose- und Behandlungsverfahren entwickeln. Klinische Forschung umfasst danach unteranderem die Erprobung neuer Operationstechniken,die Verbesserung von technikgestützten Untersu-chungsmethoden wie Ultraschall oder Endoskopie undvor allem die Prüfung von Wirkstoffen am Menschenfür die Entwicklung von Arzneimitteln, die häufig auchals „Klinische Forschung im engeren Sinne“ oder als„klinische Prüfung“ bezeichnet wird. In dieser Bro-schüre beziehen sich „Klinische Forschung“ und „klinische Prüfung“ auschließlich auf arzneimittelrele-vante Forschungsvorhaben am Menschen. Mit demBegriff „klinische Studie“ werden wiederum die Studiender Phasen I bis IV bezeichnet, die im Rahmen diesesKapitels beschrieben werden.

Die klinische Prüfung ist Teil der Erforschung und Entwicklung neuer MedikamenteDie Entstehungsgeschichte eines neuen Medikamentesbeginnt lange vor der ersten Erprobung am Menschen.Am Anfang stehen Fragen wie „Welche Störung in der Steuerung des menschlichen Körpers ist für einenbestimmten krankmachenden Effekt – beispielsweiseBluthochdruck – verantwortlich?“, „Lassen sich Sub-stanzen herstellen, die das Störsignal unterdrücken und dadurch den zu hohen Blutdruck normalisieren?“

Durch einen Vergleich der Zusammensetzung der Eiweiße bei Patienten und Gesunden ermitteln dieForscher Zielstrukturen (Targets), an denen sie mitMedikamenten angreifen können. Ist durch aufwen-dige Laboruntersuchungen sichergestellt, dass über ein solches Target die zu behandelnde Krankheitgebessert oder gar geheilt werden kann, versuchenSpezialisten am Computer, die Grundstrukturen von Wirkstoffen zu ermitteln. Danach werden riesigeSubstanzbibliotheken daraufhin durchgeforstet, ob es dort Substanzen gibt, die die benötigten Grund-strukturen aufweisen. Das spart Zeit, Laborarbeit und durch die Vorauslese am Computer auch vieleTierversuche. Anschließend werden im Labor die entsprechenden Substanzen mit Hilfe eines Labor-Roboters darauf geprüft, ob sie an dem Target an-docken. Diesen Vorgang nennt man Screening, und die leistungsfähigsten Roboter schaffen inzwischeneinen Durchsatz von bis zu 200.000 Substanzen proTag. Die so entdeckten Substanzen werden zunächstweiter im Labor geprüft, und diejenigen mit der besten Wirkung von den Spezialisten am Computerweiter optimiert.

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250**

1,5*

· Durchschnittliche Entwicklungszeit eines Medikaments bis zur Marktreife: ca. 10 – 12 Jahre· Kosten: 800 Millionen Dollar· Von 5.000 bis 10.000 untersuchten Substanzen wird eine zugelassen

* nach Di Masi et al. 2003

** Schätzung des VFA

4,7* 3,3*

120 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 13 Jahre

Zulassungbeantragt

Prüfung derUnterlagendurchZulassungs-behörden

Forschung

Wirkungstests imReagenzglas

Präklinik

Versuche zu Wirksamkeitund Unbedenklichkeit,mit den letzten 10 bis 20Substanzen auch imTierversuch

Phase I

Prüfung beigesundenMenschen aufVerträglichkeit

Phase II

Erprobung anwenigenPatienten

Phase III

Erprobung anmeist mehrerentausend Patienten

Zugelassen

1,2** 1,0*

ca.5.000 bis 10.000Substanzen**

Nur wenige Substanzen erreichen das Ziel

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Die Grundsätze der Good Clinical PracticeEtwa vier bis sechs Jahre nach den ersten Laborver-suchen sind die präklinischen Versuche in der Regelsoweit abgeschlossen, dass die Substanz am Menschenuntersucht werden kann. Alle in irgendeiner Weisenegativ aufgefallenen Substanzen werden aussortiert. Die Forscher führen nun mit den als geeignet ange-sehenen Wirkstoffkandidaten klinische Tests durch, dasheißt, sie untersuchen deren Wirksamkeit und Verträg-lichkeit am Menschen. Dazu verwenden sie zunächstniedrige Dosierungen, die langsam schrittweise erhöhtwerden. Dabei wird nach den weltweit geltendenSicherheitsbestimmungen der Gesundheitszustand derPersonen, die sich freiwillig an klinischen Prüfungenbeteiligen, ständig sorgfältig kontrolliert. Dadurch wer-den potenzielle Risiken so gering wie möglich gehalten.Detaillierte Vorschriften zur Durchführung klinischerForschungsprojekte sind in den europäischen Leitlinienzur Guten Klinischen Praxis (Good Clinical Practice,GCP) sowie in der Verordnung zur Anwendung derGuten Klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln und imdeutschen Arzneimittelgesetz festgelegt.

Hat eine Prüfsubstanz den Sprung in die Klinische Forschung geschafft, sindkomplexe Vorschriften zu beachten, die in den Leitlinien zur Guten KlinischenPraxis (Good Clinical Practice, GCP) zusammengefasst sind. Die Aufklärungs- undFürsorgepflicht gegenüber Patienten und Probanden ist im GCP-Katalog genausodetailliert beschrieben wie die Verantwortlichkeit derjenigen, die eine klinischePrüfung durchführen. Genau festgelegt ist nicht nur, welcher Beteiligte was aufwelche Weise dokumentieren muss, sondern auch wie mit den erhobenen Datenumzugehen ist und wie lange sie aufzubewahren sind. Alle durchgeführtenMaßnahmen müssen schließlich einem bestimmten Qualitätsstandard genügen,der regelmäßig zu überprüfen ist.

Im Forschungsprozess sind mittlerweile zwei bis vierJahre vergangen. Die Forscher testen nun die meist-versprechenden Wirkstoffe an Tieren. In diesen Unter-suchungen stellen sie fest, ob die Substanz in einemlebenden Organismus tatsächlich wirkt, und welcheDosis dazu notwendig ist. Neben der Bestimmung dieser pharmakologischen Charakteristika erheben sieauch toxikologische Daten; das heißt, sie prüfen, abwelcher Dosis die Substanz giftig ist. Damit die Quali-tät der Untersuchungen gewährleistet ist, müssen inEuropa, aber auch in den USA und in Japan, alle toxi-kologischen Untersuchungen nach den Richtlinien derGuten Laborpraxis (Good Laboratory Practice, GLP)durchgeführt werden. Damit wird sichergestellt, dassentsprechend durchgeführte Tests weltweit anerkanntwerden und – ganz im Sinne des Tierschutzes – nichtwiederholt werden müssen.

Alle Experimente, mit denen eine Substanz vor dem Einsatz beim Menschen imLabor geprüft wird, müssen in Planung und Durchführung den Grundsätzen derGuten Laborpraxis (Good Laboratory Practice, GLP) entsprechen. Dabei geht es beispielsweise darum nachzuweisen, dass mit den gewählten Messmethodentatsächlich die Effekte erfasst werden, die untersucht werden sollen. Verbindlichvorgesehen sind schließlich auch regelmäßige Kontrollen, durch die ein gleichbleibend hoher Qualitätsstandard bei der Versuchsdurchführung und der Doku-mentation sichergestellt ist. In Deutschland gelten die GLP-Richtlinien bereits seitdem Jahr 1983, sie wurden inzwischen mehrfach an den aktuellen Stand vonWissenschaft und Technik angepasst.

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Nun werden die Unterlagen einschließlich des detail-lierten Prüfplans bei der zuständigen unabhängigenEthik-Kommission und bei der jeweils zuständigenBundesoberbehörde – in Deutschland das Bundes-institut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)bzw. für Blutprodukte, Impfstoffe, Testallergene undSeren sowie Zell- und Gentherapie-Produkte das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) – eingereicht. Erst nach derenZustimmung kann die klinische Prüfung beginnen.

Der Leitfaden einer Guten Herstellungspraxis für Arzneimittel (Good Manufactu-ring Practice, GMP) beschreibt, welche Anforderungen an Herstellung undQualitätskontrolle klinischer Prüfpräparate zu stellen sind. Hersteller sind bei-spielsweise verpflichtet, von jedem Prüfpräparat ausreichend Rückstellmusterund die dazugehörigen Analysenzertifikate aufzubewahren, damit eine Prüfungdurch ein unabhängiges Labor unter Umständen auch noch nach Jahren möglich ist.

In Phase I erforschen die klinischen Pharmakologendas Verträglichkeits- und das pharmakokinetische Profilder Substanz; das heißt, sie prüfen, wie die Prüfsubs-tanz vom Körper aufgenommen wird, inwieweit sieunerwünschte Wirkungen aufweist, und über welcheWege – Leber, Nieren, Lunge, Haut oder Darm – sie imStoffwechsel verändert und ausgeschieden wird. Dazu

wird die Prüfsubstanz an etwa 60 bis 80 gesun-den Freiwilligen – denProbanden – getestet.Wenn allerdings derWirkstoff schwere Er-krankungen, beispiels-weise Krebs bekämpfensoll, sind es betroffenePatienten, an denen dieForscher die Substanztesten. Eine Prüfung anGesunden wäre in diesenFällen ethisch nicht zurechtfertigen.

Die Aufgaben einer Ethik-Kommission sind im Arzneimittelgesetz (AMG) geregelt.Ihre wichtigste Aufgabe ist der Schutz der teilnehmenden Freiwilligen vor möglicher Gesundheitsgefährdung. Die Kommission muss sorgfältig den Nutzeneiner klinischen Prüfung gegen ein mögliches Risiko für die Studienteilnehmer abwägen.Die Ethik-Kommissionen sind öffentlich-rechtlich organisiert und in Deutschlanddem Landesrecht des Bundeslandes unterworfen, in dem sie ihren Sitz haben.Nach internationalen Anforderungen bestehen die Kommissionen aus mindes-tens fünf Mitgliedern. Die Mehrheit der Mitglieder, also mindestens drei, müssenÄrzte sein. Darüber hinaus müssen jeder Ethik-Kommission ein Jurist und ein medizinischer Laie angehören. Sofern erforderlich, können zu den Sitzungenjeweils geeignete Fachgutachter hinzugezogen werden.Ethik-Kommissionen haben das Recht, alle relevanten Unterlagen einzusehen.Besonderes Augenmerk richten sie auf die Qualifikation und Erfahrung desLeiters der klinischen Forschung.Auch nach Beginn der klinischen Prüfung bleibt die zuständige Ethik-Kommissionaktiv: Treten beispielsweise unerwartete Nebenwirkungen auf, die die Sicherheitder Studienteilnehmer gefährden, oder will der Initiator des Vorhabens den Prüf-plan ändern, muss die Ethik-Kommission unterrichtet werden. Je nach Risiko für die Teilnehmer kann sie ihre ursprüngliche Prüfung zurückziehen, so dass dieseabgebrochen werden muss.

Der Initiator einer klinischen Prüfung – in aller Regelein pharmazeutisches Unternehmen – muss vor Beginndes eigentlichen Forschungsprojekts eine umfangreicheDokumentation anlegen.

Dazu gehören:• die Dokumentation des bisherigen Wissens zur Prüf-

substanz bzw. zum Prüfpräparat,• eine gewissenhafte Nutzen-Risiko-Bewertung auf der

Basis der pharmakologisch-toxikologischen Daten,• ein ausführlicher Prüfplan mit Begründung des Prüf-

vorhabens und dessen Beschreibung,• eine detaillierte Information für die Prüfärzte,• die Unterlagen zur Aufklärung der teilnehmenden

Freiwilligen und deren Einverständniserklärungen und• die ordnungsgemäße Versicherung der Teilnehmer

gegen eventuelle Gesundheitsschäden.

Schließlich muss sichergestellt sein, dass die Prüfprä-parate nach dem derzeit in der Europäischen Uniongeltenden Leitfaden einer Guten Herstellungspraxis für Arzneimittel (Good Manufacturing Practice, GMP)produziert wurden. Die GMP-Vorschriften sind inDeutschland in Form der Pharma-Betriebsverordnungumgesetzt und damit rechtlich verbindlich. Der Arz-neimittelhersteller muss bei klinischen Prüfungen, diean mehr als einem Prüfzentrum durchgeführt werden,einen verantwortlichen Leiter der klinischen Prüfungbenennen, der über eine mindestens zweijährigeErfahrung in der klinischen Prüfung von Arzneimittelnverfügt.

Phase I: Erste Anwendung am Menschen

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Phase II: Erste Anwendung an PatientenZiel der Studien der Phase II ist es zu erfahren, ob dasPrüfpräparat tatsächlich bei Kranken wirksam ist, welche Dosierung optimal ist und welche Nebenwir-kungen auftreten.Die dazu notwendigen Untersuch-ungen werden an 100 bis 500 Patienten durchgeführt.Unter Umständen untersuchen die Forscher bereitsjetzt, wie Patienten mit Leber- und / oder Nierenfunk-tionsstörungen auf die Prüfsubstanz reagieren: wie sie bei diesen Patienten abgebaut wird, ob es zu uner-wünschten Anreicherungen der Substanz im Organis-mus kommt, und wie man die Dosis anpassen kann.

Die Patienten werden in zwei Gruppen eingeteilt. DieZuteilung zu einer der beiden Gruppen erfolgt rando-misiert, d.h. nach dem Zufallsprinzip, damit sicher-gestellt ist, dass bekannte und unbekannte Merkmaleder Patienten auf beide Gruppen gleichmäßig verteiltsind. Die Patienten der einen Gruppe erhalten einScheinmedikament oder Placebo, also eine Tablette,ein Dragee, eine Kapsel oder auch eine Injektions-lösung, die äußerlich, zum Beispiel in Farbe und ggf.Geschmack, mit der echten Medikation soweit wiemöglich übereinstimmt, aber keinen Wirkstoff enthält.Zur Unterscheidung von dieser Placebogruppe wird die Gruppe, die das echte Prüfmedikament erhält, alsVerumgruppe bezeichnet.Keiner der Patienten weiß, ob er zur Placebo- oderVerumgruppe gehört. Damit ist ausgeschlossen, dassaus Erwartungshaltungen in der Studie Wirkungen undErgebnisse verzerrt werden. Patienten sind in dieserHinsicht sozusagen „blind“. Mittlerweile sind Unter-suchungen Standard, bei denen auch die betreuendenÄrzte nicht wissen, ob die Prüfmedikation, die sie ihrenPatienten verabreichen, den Wirkstoff enthält odernicht. In diesem Fall spricht man von „doppelblinden“Studie. Bei Erkrankungen – zum Beispiel bei Krebs –,bei denen es ethisch nicht vertretbar wäre, einerGruppe von Patienten nur ein Placebo zu geben, wer-den alle Patienten mit der Standard-Therapie undzusätzlich mit dem neuen Wirkstoff bzw. mit Placebobehandelt.

Phase III: Härtetest unter praxisnahen BedingungenZiel der Studien in Phase III ist der Nachweis der Wirk-samkeit. Weiterhin soll eine Nutzen-Risiko-Abwägungnach kurzzeitiger und längerfristiger Gabe der Prüf-substanz ermöglicht werden. Das Auftreten gelegent-licher und häufiger unerwünschter Wirkungen wirdabgeklärt. Dazu prüfen die klinischen Forscher die Prüf-substanz unter Bedingungen, die den späteren Anwen-dungen nahe kommen. Der Praxisbezug steht imMittelpunkt. Dazu muss das Forschungsteam erheblichmehr, nämlich mehrere Tausend freiwillige Patienten einbeziehen. Dies ist in der Regel in einem einzigenBehandlungszentrum nicht mehr möglich. Nach demvorgegebenen Prüfplan finden die Studien deshalb inmehreren Prüfzentren (Krankenhäusern oder in ausge-wählten Praxen) statt. Sie heißen deshalb multizentri-sche Prüfungen.

Damit die Aussagen der Studienergebnisse möglichstallgemeingültig sind, wählen Ärzte Patienten mit den unterschiedlichsten Merkmalen aus: Männer undFrauen verschiedenen Alters, gegebenenfalls auchunterschiedlicher ethnischer Gruppen, in mehrerenLändern, mit unterschiedlichen Lebens- und Essge-wohnheiten sowie mit und ohne Begleiterkrankungen.Alle Merkmale sollten in beiden Gruppen gleich ver-teilt sein. Unter diesen Bedingungen untersuchen die Kliniker, ob das Prüfpräparat wirksam und verträg-lich ist.

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Auch in dieser Phase müssen Patienten umfassend aufgeklärt werden und sich freiwillig zur Teilnahme an der klinischen Prüfung bereit erklären. Sie können ihrEinverständnis jederzeit widerrufen, ohne irgendeinenNachteil für die weitere Behandlung befürchten zumüssen.Die teilnehmenden Patienten werden wieder zufalls-gesteuert in mindestens zwei Gruppen unterteilt. Nurso verteilen sich Patienten mit erhöhtem Risiko (etwaältere Patienten, solche mit Vorerkrankungen, Leber-oder Nierenfunktionsstörungen) auf beide Gruppengleichmäßig. Durch diese „Randomisierung“ könnendie Forscher sicherstellen, dass patientenbedingteNebeneffekte während der Studie in beiden Gruppengleich häufig auftreten und dadurch nicht einen Effekt des Prüfpräparats vortäuschen oder verschleiern.Wie schon in Phase II werden die Studien in Phase III vorzugsweise randomisiert, placebokontrolliert unddoppelblind durchgeführt. Mit dieser aufwendigenMethodik erreichen die Studienleiter ein Höchstmaß an wissenschaftlicher Objektivität. Allein der Aufwandzur „Verblindung“ von Studien macht deutlich, wiesorgfältig und detailliert Forschungsleiter planen müs-sen, um zu verlässlichen Ergebnissen zu kommen.Gleichzeitig müssen sie auch in dieser Phase für dieStudienteilnehmer ein Höchstmaß an Sicherheit garan-tieren. Bei Prüfungen in vielen Zentren mit zum Teilmehreren tausend Patienten potenziert sich damit deradministrative Aufwand im Vergleich zu den Phasen Iund II. Das Forschungsteam muss in jedem Prüfzen-trum und beim Initiator des Forschungsvorhabens vor,während und nach Abschluss der Studie aufwändigeund überprüfbare Dokumentationen anlegen. Dabeimüssen die Datenverarbeitung und die Codierungen,die statistische beziehungsweise biometrische Auswer-tung sowie die Berichterstellung einheitlichen Kriteriengenügen, damit die Daten untereinander vergleichbarsind.

Durch die Zulassung wird das Prüfpräparatzum ArzneimittelNach erfolgreichem Abschluss der Phase III beantragtder Arzneimittelhersteller die Zulassung des erfolgreichgeprüften Präparates als Arzneimittel. Für biotechno-logische Arzneimittel muss der Zulassungsantrag beider Europäischen Zulassungsagentur EMEA (EuropeanAgency for the Evaluation of Medicines) in Londongestellt werden. Die von der EMEA verabschiedete Zu-lassungsempfehlung muss anschließend von der Euro-päischen Kommission in eine endgültige Zulassungumgewandelt werden, die dann sofort in allen EU-Mit-gliedsstaaten gilt.Bei Arzneimitteln mit neuen chemischen Wirkstoffenkann der Hersteller wählen, ob er eine nationale Zulas-sung in einem bestimmten EU-Mitgliedstaat anstrebtund diese anschließend im Rahmen des gegenseitigenAnerkennungsverfahrens auf alle (oder einzelne) wei-tere Mitgliedstaaten ausdehnt. In den VereinigtenStaaten von Amerika ist die Food and Drug Adminis-tration, kurz FDA genannt, die zentrale Zulassungs-behörde. In Deutschland werden Blutprodukte, Impfstoffe, Testallergene, Seren sowie Zell- und Gen-therapie-Produkte durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Langen, alle anderen Arzneimittel durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte(BfArM) in Bonn zugelassen.Die Zulassungsbehörde prüft sorgfältig die eingereich-ten Unterlagen zur Qualität, Wirksamkeit und Unbe-denklichkeit. Diese Prüfung dauert im Durchschnitt 1-1,5 Jahre und führt in der Regel zu einer Zulassungdes Arzneimittels. Seit Beginn der ersten präklinischenVersuche sind mittlerweile etwa 10 bis 12 Jahre ver-gangen. Insgesamt wurden in das Vorhaben bisherrund 800 Millionen Dollar investiert, ohne dass mit derPrüfsubstanz Einnahmen erzielt werden konnten.

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Anwendungsbeobachtungen nach der ZulassungNach der Zulassung eines Arzneimittels wächst dieZahl der Anwender sprunghaft an – auf Hundert-tausende oder sogar Millionen von Menschen. Wennseltene Nebenwirkungen möglich sind, werden siejetzt auftreten. Im gleichen Maß wächst auch dieMöglichkeit, das Sicherheitsprofil des Arzneimittels zuvervollständigen. Die ersten Jahre nach der Marktein-führung sind deshalb besonders wichtig.

Nun muss der Hersteller, der die Verantwortung für dieSicherheit seiner Produkte trägt, „dem Arzt über dieSchulter schauen“ und in regelmäßigen Berichten(Periodic Safety Update Reports, PSURs) die Erfahrun-gen mit dem Arzneimittel in der Praxis dokumentieren.Diesen Berichten liegen neben Spontanberichten derÄrzte auch die so genannten Anwendungsbeobach-tungen zugrunde. Der Hersteller wendet sich an Ärzteund bittet sie, die Verordnung des Arzneimittels nacheinem vorgegebenen Schema zu protokollieren. Siesollen auch Angaben über den Behandlungserfolgmachen und diese Daten anonymisiert zur Verfügungstellen. Es werden nur Daten von Patienten verwendet,die nach der Entscheidung des behandelnden Arztesdas Präparat ohnehin erhalten hätten.

Phase IV: Mit der Zulassung hört Arzneimittel-sicherheit nicht aufHaben die zuständigen Behörden das Arzneimittel zu-gelassen, darf es das pharmazeutische Unternehmenin den Verkehr bringen. Die Zulassungsbehörde kannweitere Auflagen festlegen: Bestimmte Arzneimitteldürfen beispielsweise ausschließlich von erfahrenenSpezialisten verordnet werden. Fallweise verpflichtetdie Behörde den Hersteller, die Anwendung des neuenMedikamentes genau zu dokumentieren, um bis da-hin ungeklärte Fragestellungen später auf Grundlage einer breiteren Datenbasis besser bewerten zu können (Anwendungsbeobachtung), oder sie fordert weiter-gehende Forschungen – Studien der so genanntenPhase IV.

Auch ohne Auflage der Zulassungsbehörde ist es häu-fig der Arzneimittelhersteller selbst, der die Durch-führung einer Phase-IV-Studie initiiert. Studien derPhase IV der klinischen Forschung finden ausnahmslosnach der Zulassung des Arzneimittels statt. Umfas-sende Fragestellungen wie: „Lässt sich mit regelmäßigerEinnahme von Medikament X die durch Herzinfarktbedingte Sterblichkeit senken?“ oder „Welche Aus-wirkungen hat die kombinierte Anwendung mit Medi-kament Y?“ sind typisch für Phase-IV-Studien. Sie sindoft international organisiert. Zum Teil sind daran mehrals 10.000 Patienten beteiligt.Im Unterschied zu den Anwendungsbeobachtungenwerden Studien der Phase IV nach einem detailliertenPrüfplan durchgeführt, der den Leitlinien der GutenKlinischen Praxis (Good Clinical Practice, GCP) entspre-chen muss.

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Zulassung eines Arz-neimittels sehr viel mehrZeit vergehen als bisher,und dadurch würden vielen behandlungs-bedürftigen Patientenwirksame Medikamentevorenthalten. Aus diesemGrund ist im deutschen

Arzneimittelgesetz eine angemessene Zulassungspraxisvorgesehen: Nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AMG darf die Zulassung eines Arzneimittels „nicht deshalb versagt werden, weil therapeutische Ergebnisse nur in einer beschränkten Zahl von Fällen erzielt wordensind“.Manchmal werden bei solchen Anwendungsbeobach-tungen zusätzliche Wirkungen des Arzneimittels fest-gestellt, die bei der Zulassung des Arzneimittels nochnicht bekannt waren. Beispiele dafür sind die Wirk-samkeit eines Bluthochdruckmittels bei Herzinsuffizienzoder die Wirkung des Schmerzmittels ASS als Anti-thrombotikum. In diesem Fall kann der pharmazeuti-sche Hersteller eine neue klinische Prüfung durchführen– mit dem Ziel, die Zulassung für das Medikament aufdie neue Indikation auszuweiten.

Charakteristika und Ziel von klinischen Prüfungen der Phasen I bis IV

Phase IErste Anwendung der Prüfsubstanz beim Menschen; ausnahmsweise auch bei ausgewählten Patienten; 60 bis 80 Teilnehmer1. Ist die Substanz verträglich?2. Wie wird die Substanz vom Körper aufgenommen und wie verteilt sie sich?3. Wie wird die Substanz verstoffwechselt und ausgeschieden? Gibt esUnterschiede, ob sie mit dem Essen oder nüchtern verabreicht wird?4. Wie sollte die Substanz dosiert werden?

Phase IIErste Anwendung bei Patienten mit der entsprechenden Indikation; Pilot-Studienund / oder kontrollierte Studien (randomisiert, plazebokontrolliert, doppelblind);100 bis 500 Teilnehmer1. In welchen Dosisbereichen ist die Substanz wirksam?2. Wie wird sie bei Patienten verstoffwechselt? Wie bei solchen mit einge-schränkter Leber- oder Nierenfunktion? 3. Können die vermuteten Wirkungen bei Patienten erzielt werden?4. Ist die Substanz bei Patienten verträglich? Gibt es wechselseitige Störwir-kungen bei Einnahme anderer Arzneimittel?

Phase IIIAnwendung des Prüfpräparats bei Patienten unter den Bedingungen in Praxisund Klinik; Kontrollierte multizentrische Studien; mehrere tausend TeilnehmerPhase III dient zum Nachweis der Wirksamkeit und Verträglichkeit des Prüf-präparats.1. Ist das Prüfpräparat in der angestrebten Indikation wirksam?2. Ist das Prüfpräparat bei praktischer Anwendung sicher?3. Welche Nebenwirkungen treten auf und in welcher Häufigkeit?4. Ist das Prüfpräparat gleichwertig zu anderen Präparaten oder sogar besserwirksam?

Phase IVAnwendung bei sehr vielen Patienten nach der Zulassung; unkontrollierteund kontrollierte Studien; bis mehr als 10.000 Teilnehmer1. Wie sieht das Sicherheitsprofil bei der Anwendung aus?2. Verändert die Anwendung den Sicherheitsstatus der Bevölkerung?3. Ergeben sich bisher unbekannte zusätzliche Wirkungen?

Ziel der Anwendungsbeobachtungen ist es unter anderem, sehr seltene Nebenwirkungen eines Arznei-mittels – die beispielsweise mit einer Häufigkeit von1:10.000 oder noch seltener auftreten und sich damitselbst durch die Studien der Phase III nicht feststellenlassen – zu erfassen.Manchmal wird argumentiert, dies sollte bereits inPhase III durch Erhöhung der Zahl der Prüfungs-teilnehmer geschehen. Doch dann würde bis zur

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Die pharmazeutische For-schung in Deutschland hateine lange und erfolgreicheTradition. Ambitionierte Forscherleistungen wie Emilvon Behrings Diphterieserum, Paul Ehrlichs Entwicklung des Salvarsan zur Bekämpfungder Syphilis oder die Syn-these der antibiotisch wirken-den Sulfonamide durch Gerhard Domagk begründe-

ten Deutschlands Ruf als „Apotheke der Welt“. Im Zuge der Internationalisierung des Arzneimittelmarktesist die Konkurrenz jedoch größer geworden. Besonderserfolgreich arbeiten Arzneimittel-Entwickler heute vor allem in den USA. Forschende Arzneimittelherstellerstehen in einem harten weltweiten Wettbewerb. Siesiedeln ihre Forschung und Produktion an den Stand-orten an, deren Infrastruktur und Rahmenbedingungeneinen hohen und möglichst berechenbaren Erfolg derArbeit gewährleisten.Der Forschungsstandort Deutschland hat einige Vorteileaufzuweisen: eine leistungsfähige Arzneimittelindus-trie, eine große Bevölkerung, sehr gute medizinischeund technische Infrastruktur, viele Universitäten undaußeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Gleichwohlsind die Anzeichen für eine Verschlechterung derBedingungen für die Entwicklung innovativer Arznei-mittel in Deutschland seit einigen Jahren unübersehbar.

Analysen

Entscheidend für die Klinische Forschung:Qualität und Rahmenbedingungen

Forschende Arzneimittelhersteller stehen in einem weltweiten Wettbewerb.Für den Erfolg der Unternehmen gewinnt neben der Qualität der klinischenForschungsprojekte der Faktor Zeit stetig an Bedeutung. Jeder Tag Verzö-gerung bei der Entwicklung eines neuen Arzneimittels bedeutet bei einemspäter erfolgreichen Medikament erhebliche Umsatzausfälle, die über 3 Milli-onen Dollar pro Tag betragen können. Im Standortvergleich hat Deutsch-land Nachholbedarf.

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Klinische Forschung in Deutschland unterrepräsentiertDeutliches Indiz für diese negative Entwicklung ist diegeringe Bedeutung, die wissenschaftlichen Beiträgenzur patientenorientierten Forschung aus Deutschlandim internationalen Vergleich zukommt. Sowohl beieiner Betrachtung der gewichteten Bevölkerungszahl,als auch im absoluten Vergleich schneidet Deutschlandschlecht ab. Beispielsweise konnten selbst die kleinenNiederlande in den vergangenen Jahren rund ein Drittelmehr Publikationen zur klinischen Forschung vorweisenals Deutschland mit seiner mehr als fünffach höherenBevölkerungszahl.

Die Rahmenbedingungen müssen verbessert werdenDie absehbaren Folgen dieser Entwicklung sind verhee-rend: Wesentliche Beiträge zur volkswirtschaftlichenGesamtrechnung in Deutschland stehen auf dem Spiel.

Die durchschnittlichen Entwicklungskosten für ein Arz-neimittel betragen derzeit etwa 800 Millionen Dollar.Die Entwicklungszeit beläuft sich auf durchschnittlich10 – 12 Jahre. Davon entfallen mehr als die Hälfte derKosten und der Zeit auf die klinischen Prüfungen. In Deutschland fließen jährlich 832 Mio. Euro von derIndustrie in die Hochschulen, davon ein erheblicherAnteil für klinische Forschungsvorhaben an Univer-sitätskliniken und andere Einrichtungen. Der intensiveWettbewerb zwingt die Hersteller zu einer möglichstkostengünstigen Entwicklung und Produktion. Deshalbwird die Klinische Forschung zunehmend dort ange-siedelt, wo die Rahmenbedingungen – nicht nur diedurch den Gesetzgeber vorgegebenen – optimalesArbeiten bei möglichst günstiger Kostenstruktur ermög-lichen. Bei diesen Rahmenbedingungen hat Deutsch-land erheblichen Verbesserungsbedarf.

Klinische Forschung: Image und AkzeptanzSelbst unter wissenschaftlich tätigen Ärzten und Hoch-schullehrern genießt die arzneimittelbezogene KlinischeForschung in Deutschland keine besondere Wert-schätzung. Dadurch wird die unverzichtbare Koope-ration zwischen forschenden Arzneimittelherstellernund Kliniken unnötig erschwert. Gleichwohl ist einesolche Kooperation für Industrie und Hochschulegleichermaßen von Vorteil: Nur in Universitätsklinikenund Krankenhäusern der Maximalversorgung findensich bei schweren seltenen Erkrankungen die für dieForschung notwendigen Patienten in genügend großerZahl. Die pharmazeutische Industrie ist an einer engenZusammenarbeit auch deshalb interessiert, weil an solchen Krankenhäusern eine anspruchsvolle Ausstat-tung mit Geräten und Personal vorhanden ist.

Für die Universitätskliniken bietet die Zusammenarbeitmit der Industrie ebenfalls Vorteile: Gemeinsame For-schungs- und Entwicklungsprojekte schaffen die Mög-lichkeit, die Forschungsintensität im eigenen Hausquantitativ und qualitativ zu verbessern. Mit der Teil-nahme an interessanten klinischen Forschungsprojektenbietet sich zudem die Chance, aktiv an der Gestaltungdes therapeutischen Fortschritts mitzuwirken, was letztlich auch der wissenschaftlichen Reputation zugutekommt. Und schließlich kann die Universitätsklinik aufdiese Weise zusätzliche Mittel für die Forschung aus der Industrie einwerben. Trotz dieser offensichtlichenVorteile für alle Beteiligten ist die Kooperation häufigunbefriedigend.

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Klinische Forschung: Professionalität Im Gegensatz zu den USA existieren in Deutschlandbislang kaum Forschungseinrichtungen, in denen sichbegabte Wissenschaftler ausschließlich der patienten-orientierten Forschung widmen können. DerartigeEinrichtungen sind aber eine wichtige Voraussetzungfür qualitativ hochwertige klinische Prüfungen.

Um den nicht nur von der pharmazeutischen Industrie,sondern z.B. auch von der Deutschen Forschungs-gemeinschaft (DFG) beklagten Mängeln abzuhelfen,fördert das Bundesforschungsministerium seit 1998 die Einrichtung und den Betrieb von 12 Koordinierungs-zentren für klinische Studien (KKS). Sie sollen dazu beitragen, die Kompetenz im Bereich der klinischenStudien in Deutschland weiter zu entwickeln und dieQualität klinischer Studien zu verbessern. Stattdessenkämpfen sie mit strukturellen Problemen, die eine effiziente Aufgabenerfüllung beeinträchtigen, wennnicht sogar verhindern können. Eines dieser Problemebesteht in der oftmals geringen Akzeptanz des Zen-trums innerhalb des Klinikums, in dem es angesiedeltist. Solange Koordinierungszentren nicht auf die volleUnterstützung ihrer Umgebung bauen können, werdensie Probleme haben, genügend Patienten für die Teil-nahme an einer klinischen Prüfung zu finden. FehlendePlandaten bedeuten darüber hinaus, dass keine zu-verlässigen Aussagen über Aufwand, Kosten undLeistungen des Zentrums getroffen werden können –womit eine Kooperation mit einem Arzneimittelher-steller nahezu unmöglich wird.Ansätze, diese Strukturmängel zu überwinden, gibt esin Deutschland bereits. Die bisher noch vereinzeltenPositivbeispiele zeigen, dass geeignete Regeln und Anreize gefunden werden müssen, um die jeweilige Institution zum Erfolg zu führen. So kann beispielsweiseschon im Zuge dienstrechtlicher Verpflichtungen zurZusammenarbeit eine Verbesserung des Informations-flusses innerhalb der Klinik und zwischen verschiedenenKliniken hergestellt werden. Auf der so entstandenenDatenbasis lassen sich sowohl tragfähige Geschäfts-modelle, strategische Planungen und auch attraktivereAusbildungsangebote für Prüfärzte und Pflegepersonalentwickeln.

Klinische Forschung wird in großen Krankenhäusernoft als „industriedomininiert“ gering geschätzt. NachMeinung vieler Hochschulmediziner ist sie deshalbweniger „wertvoll“ als Projekte, die „unabhängig“, dasheißt durch die Länder, durch die Deutsche Forschungs-gemeinschaft oder das Bundesforschungsministeriumfinanziert sind.Die Grundlagenforschung erhält von deutschen Hoch-schullehrern gegenüber der klinischen Arzneimittel-forschung offensichtlich auch deshalb den Vorzug,weil sich damit eine größere Anzahl an Publikationenund gleichzeitig – nach allgemeinem Akademiker-verständnis – mehr wissenschaftliche Anerkennungerreichen lässt. Vielerorts wird allein der Umfang derPublikationsliste als Maß für die wissenschaftlicheReputation angesehen. Mit diesem „publish or perish“genannten Prinzip lässt sich ein Engagement in klini-scher Arzneimittelforschung allerdings nur schwer vereinbaren. Die Ergebnisse multizentrischer klinischerForschungsprojekte werden zwar publiziert, allerdingsin Zeitschriften mit einem geringeren wissenschaftli-chen Stellenwert („Impact factor“).Die von vielen Wissenschaftlern häufig geäußerte zu-rückhaltende Meinung zum Stellenwert klinischerForschungsprojekte wirkt auch nach außen. Patienten,die sich an klinischen Prüfungen beteiligen, gelten in der Öffentlichkeit häufig als „Versuchskaninchen“.Hinter diesen Vorwürfen steckt Polemik: Die Patientenwerden vorher umfassend über die Chancen und Risiken der Teilnahme informiert und sowohl vor Be-ginn als auch während der klinischen Prüfung sorg-fältig untersucht und betreut.

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Klinische Forschung: Ausbildungsprogramme für klinische ForscherIn Deutschland fehlt es an Studien- und Weiterbildungs-gängen, die die spezifischen Anforderungen patienten-orientierter klinischer Forschung abdecken. Im Gegen-satz dazu hat man in den USA erkannt, dass es vonzentraler Bedeutung ist, über den gesamten Karriere-weg des klinischen Forschers hinweg Möglichkeitenzur Förderung anzubieten. So gibt es schon auf derEbene der universitären Ausbildung einen Wettbewerbum das beste Studienprogramm zur klinischen For-schung, an dem sich alle Universitäten beteiligen kön-nen. Das Sieger-Programm erhält einen stattlichenöffentlichen Zuschuss.

Weitere Förderprogramme bieten dem angehenden klinischen Forscher qualitativ hochwertige Weiter-bildungsmöglichkeiten: Medizinstudenten können sichim Rahmen eines einjährigen Praktikums an einemKoordinierungszentrum mit den Methoden und prakti-schen Tätigkeiten der patientenorientierten klinischenForschung vertraut zu machen. Junge Ärzte können –betreut von einem Mentor - für drei bis fünf Jahre aneinem Zentrum patientenorientiert forschen. KlinischenForschern mit langjähriger Erfahrung wird die Mög-lichkeit geboten, für spezifische Forschungsvorhabenals auch für eine Mentorentätigkeit staatliche Förder-gelder in Anspruch zu nehmen. Diese Form einer konsistenten, systematischen Aus-bildungsförderung sollte Vorbild sein für alle Politik-ansätze, die auf eine Verbesserung der Ausbildungs-situation für klinische Forscher in Deutschland undEuropa zielen.

Klinische Forschung: Die rechtliche SituationUm eine klinische Prüfung in Deutschland durchführenzu können, ist neben der Genehmigung durch dieBehörde auch eine positive Bewertung durch die jeweilszuständige Ethik-Kommission erforderlich.In Deutschland sind Ethik-Kommissionen bei den18 Lan-desärztekammern und den 36 Universitätskliniken, darüber hinaus auch an mehreren größeren Kranken-häusern eingerichtet. Dies summiert sich auf bis zu 50Ethik-Kommissionen. Was auf den ersten Blick wie einBeleg für optimalen Probanden- und Patientenschutzerscheint, erweist sich bei multizentrischen Studienhäufig als nur schwer zu überwindendes Hindernis.Zunächst stellt sich die Frage: „Welche Ethik-Kommis-sion ist bei einer multizentrischen Studie überhauptzuständig?“ Nach den Vorschriften des Arzneimittel-gesetzes muss für eine multizentrische Studie daszustimmende Votum der für den Leiter der klinischenPrüfung zuständigen Ethik-Kommission vorliegen. Beider Erstellung dieses Votums müssen aber alle für die einzelnen Prüfzentren zuständigen lokalen Ethik-Kommissionen eingebunden werden.Um die Eignung des Prüfzentrums zu beurteilen, verlan-gen diese den gesamten Satz an Unterlagen, wie er derfederführenden, für den Leiter der klinischen Prüfungzuständigen Ethik-Kommission vorzulegen ist. Der mitdieser Regelung verbundene erhöhte Aufwand an Zeitund Kosten erschwert die Durchführung klinischerStudien in Deutschland.

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Gründe für das Auseinanderklaffen zwischen theoreti-scher Wertschätzung und eigener Teilnahmebereit-schaft sehen Experten im Wesentlichen in dem bishererfreulich hohen Standard der Gesundheitsversorgung,der eine Studienteilnahme aus Sicht der Patienten oftüberflüssig erscheinen lässt. Eine Teilnahmebereitschaftwar deshalb vorwiegend nur bei Patienten mit schwe-ren Erkrankungen vorhanden.Auffällig war jedoch insgesamt der geringe Informati-onsstand der Patienten über die Möglichkeiten undKonditionen einer Studienteilnahme. An diesem Punktkönnte durch Aufklärung, Information und Transpa-renz ein wichtiger Beitrag zu einer Erhöhung der Teilnahme von Patienten an klinischen Studien geleis-tet werden. Dies ist eine Gemeinschaftsaufgabe vonPolitik, Ärzten, Patientenorganisationen und Arznei-mittelherstellern.

Klinische Forschung: Teilnahmebereitschaft der Patienten geringNeben den strukturellen und prozessbedingten Aspek-ten, die klinische Prüfungen in Deutschland behindern,besteht eine weitere Hürde: Nur verhältnismäßig wenige Patienten sind bereit, an klinischen Arzneimittel-prüfungen teilzunehmen. Die mangelnde Teilnahme-bereitschaft wird zunehmend zum Problem, denn derTrend geht zu immer umfangreicheren Studien: DenRekord hält eine laufende Studie zur Erprobung einesneuen Kreislaufmedikaments, an der 30.000 Probandenin 700 medizinischen Einrichtungen von insgesamt 51 Ländern teilnehmen. Wie eine Befragung von mehr als 300 chronisch er-krankten Patienten im Jahr 2001 ergab, liegt die man-gelnde Bereitschaft nicht etwa an einem Informati-onsdefizit über den Stellenwert klinischer Forschung.80 Prozent der Befragten maßen ihr eine hohe Be-deutung für den therapeutischen Fortschritt zu. DerAspekt, anderen Patienten durch eine Studienteil-nahme helfen zu können, wurde mit rund 70 Prozentebenfalls hoch bewertet. An dritter Stelle wurde dermögliche Beitrag zur eigenen Gesundheit genannt.Trotz dieser erfreulich hohen Werte waren aber nur 13 Prozent der Befragten bereit, selbst an einer klini-schen Erprobung teilzunehmen.

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Klinische Forschung: GesundheitspolitikNeue innovative Arzneimittel sind Ergebnisse des wissenschaftlichen Wettbewerbs, der angemessenewirtschaftliche Rahmenbedingungen benötigt. Die Entscheidung eines forschenden Arzneimittelherstellersfür oder gegen die Durchführung klinischer For-schungsprojekte hängt wesentlich auch von der Ein-schätzung der Erlöse ab, die langfristig aus diesemEngagement zu erwarten und gleichzeitig für Inves-titionen in neue Forschungsvorhaben unverzichtbarsind. Im Rahmen einer solchen Einschätzung geht esnicht nur darum, Bedarfs- und Marktanalysen vorzu-nehmen. Übergeordnete Einflussgrößen wie die zumZeitpunkt der Arzneimittelvermarktung zu erwarten-den staatlichen Preis- und/oder Mengenregulierungen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.

Seit 1978 hat der Gesetzgeber etwa alle vier Jahre –zuletzt mit dem GKV-Modernisierungsgesetz – Ände-rungen in der Gesundheitsgesetzgebung vorgenom-men, die maßgeblich den Arzneimittelmarkt trafen. Im Gegensatz zur gesundheitspolitischen Kurzatmigkeitist die Arzneimittelentwicklung jedoch ein langfristigerProzess. Um verantwortlich entscheiden zu können,benötigen die Unternehmen einen Planungshorizontvon etwa 15 Jahren.Aus heutiger Sicht ist die Planungssicherheit für for-schende Arzneimittelhersteller in Deutschland völligunzureichend. Die Risiken sind weit über das Normal-maß hinaus unkalkulierbar. Dies hat sich zuletzt mit der Gesundheitsreform Ende des Jahres 2003 gezeigt,die den Herstellern u.a. einen Zwangsrabatt von 16 Prozent auf patentgeschützte Arzneimittel aufbür-det und den wichtigsten Anreiz für die Entwicklungneuer Arzneimittel, den Patentschutz, durch eine neueFestbetragsregelung aushöhlt.Solche massiven Eingriffe schaden der Wettbewerbs-fähigkeit Deutschlands als Standort für die Erforschungund Entwicklung von Arzneimitteln.

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Die Politik hat die Mängel der Klinischen Forschung inDeutschland grundsätzlich erkannt und Verbesserungenin Angriff genommen. So hat das Bundesministeriumfür Bildung und Forschung eine Forderung des VFAaufgegriffen und die Einrichtung der für die komplexeAufgabenstellung wichtigen IZKFs, KKS und Kompe-tenznetze gefördert. Da diese Zentren aber bishernicht vernetzt sind und die KKS zumeist nur geringeAkzeptanz innerhalb des jeweiligen Klinikums finden,können sie ihrer Aufgabe kaum gerecht werden. Es sinddaher weitere Anstrengungen nötig, um durch geeig-nete Regeln und Anreize für eine Verbesserung derArbeit insbesondere der KKS zu sorgen. Erst dann kön-nen sie zu zuverlässigen Partnern für Forscher, Ärzteund forschende Arzneimittelhersteller werden.

Einen kleinen Schritt in die richtige Richtung stellt auchdas 2003 verabschiedete Programm des Bundesfor-schungsministeriums und der Deutschen Forschungs-gemeinschaft dar: Mit 40 Millionen Euro sollen in den Jahren 2004 bis 2008 Projekte der klinischen Forschung gefördert werden. Leider zeigt auch diesesProgramm konzeptionelle Schwächen. Statt die be-grenzten Mittel mit der „Gießkanne“ zu verteilen, soll-ten die Fördergelder gezielt in ausgewählte Gebietefließen. Eine klare Fokussierung auf wenige Indikati-onsgebiete sowie Stetigkeit in der Mittelbereitstellungfür aufeinander aufbauende bzw. einander ergänzendeStudien könnten zu international angesehenen undakzeptierten Therapiestrategien führen. Die deutscheklinische Leukämieforschung zeigt, dass dieser Wegerfolgversprechend ist – auf diesem Gebiet zähltDeutschland zur Weltspitze.

Die Hauptgründe für den verbesserungsbedürftigenStand der klinischen Forschung in Deutschland sindbenannt worden: Sie liegen in

• der geringen Attraktivität und Professionalität diesesForschungsgebietes für Ärzte,

• der noch nicht zufriedenstellenden Funktion derKoordinierungszentren für klinische Studien (KKS) undihrer fehlenden Vernetzung mit den interdisziplinärenZentren für klinische Forschung (IZKFs) sowie mit denKompetenznetzen,

• dem komplexen Ethik-Kommissionsverfahren mit dergeforderten Einbeziehung einer Vielzahl von Ethik-Kommissionen bei multizentrischen Prüfungen,

• der geringen Teilnahmebereitschaft der Patienten undnicht zuletzt

• den Vorgaben der Gesundheitspolitik, die für die for-schenden Arzneimittelhersteller zunehmend unbere-chenbarer werden.

Perspektiven

Der Trend ins Ausland mussumgekehrt werden

Die forschenden Arzneimittelhersteller beklagen seit langem, dass Deutschlandals Standort für klinische Forschung im internationalen Vergleich zumeist nurnoch mittelmäßig abschneidet. Soll die Situation verbessert werden, kommt esin erster Linie darauf an, Genehmigungsverfahren zu straffen und berechenbarerzu machen sowie die Attraktivität des Bereichs „klinische Forschung“ für Ärzteund Patienten zu steigern.

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kationsgebiete spezialisierte Ethik-Kommissionen einzurichten. Diese könnten klinische Studien in dembetreffenden Gebiet für ganz Deutschland zentralbearbeiten und auch dafür sorgen, den gesamtenProzess transparenter zu gestalten. In Deutschland solles auch nach der 12. AMG-Novelle im Prinzip bei derbisherigen Regelung bleiben: Für die Erstellung einesVotums durch die federführende Ethik-Kommission sol-len nach wie vor bis zu 50 nach Landesrecht gebildeteEthikkommissionen zuständig sein. Dieses Verfahren,das einen erheblichen personellen und finanziellenRessourcenaufwand bedeutet, stellt damit weiterhineinen wesentlichen Wettbewerbsnachteil für multizen-trische klinische Prüfungen in Deutschland dar.

Gezielte, berechenbare Förderung und straffe Ent-scheidungsprozesse sind der Schlüssel zu einer besse-ren klinischen Forschung in Deutschland. Die klinischeForschung ist dabei kein Selbstzweck, sie ist einwesentliches Element zur Stärkung des Forschungs-standorts Deutschland und seiner Leistungsfähigkeitals Anbieter medizinischer High-Tech-Produkte. Damitdient sie dem therapeutischen Fortschritt für die Pati-enten ebenso dem wirtschaftlichen Erfolg des Landes.Der VFA wird daher weiterhin alle politischen Vor-haben zur Stärkung der klinischen Forschung analysie-ren und die notwendigen Verbesserungen einfordern.

Darüber hinaus muss generell auf straffe Entscheidungs-prozesse geachtet werden. Wenn – wie im vorgenann-ten Projekt geplant – junge Ärzte ein Jahr lang auf das Ergebnis der Begutachtung ihrer Anträge wartenmüssen, ist eine wesentliche Attraktivitätssteigerungdes Tätigkeitsgebietes „klinische Forschung“ nicht zuerwarten. In punkto Attraktivitätssteigerung darf darüber hinaus die Zielgruppe der Patienten nicht vernachlässigt werden: Potenzielle Studienteilnehmermüssen stärker und besser über das Verfahren und die Regeln einer Teilnahme an klinischen Studien informiert werden. Beispielsweise liegt die intensivere Betreuung durch Ärzte innerhalb einer klinischenStudie oder der frühere Zugang zu neuen Therapie-möglichkeiten im direkten Interesse des Patienten.Dieses Bewusstsein fehlt in Deutschland. Hier stehenöffentliche Einrichtungen wie die Bundeszentrale fürgesundheitliche Aufklärung in der Pflicht, ihre Infor-mationsaktivitäten zu verstärken und die forschendenArzneimittelhersteller in ihren Bemühungen zu unter-stützen. Vertan worden ist dagegen die Chance, im Zuge derRevision der Arzneimittelgesetzgebung (AMG) für kürzere, berechenbarere Genehmigungsverfahren fürklinische Forschungsprojekte zu sorgen: Die Umset-zung der EG-GCP-Richtlinie hätte die Möglichkeitgeboten, sich auch in Deutschland endlich auf ein ein-ziges zustimmendes Votum einer Ethik-Kommission bei multizentrischen Studien zu beschränken. DieseRegelung ist sachgerecht und wird in verschiedenenLändern der EG praktiziert. Auch hätte die Politik demVorschlag des VFA folgen können, für bestimmtePatientengruppen wie Kinder oder bestimmte Indi-

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Impressum

HerausgeberVerband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. Hausvogteiplatz 1310117 Berlin

GestaltungAdler & Schmidt Kommunikations-Design, Berlin

BildnachweisAdler & Schmidt Kommunikations-Design 7, 13, 16Aventis Pharma Deutschland 7, 10Axxima Pharmaceuticals GmbH 9, 15Bayer HealthCare 4BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel

und Medizinprodukte 9BilderBox 12Bio-Serv, Frenchtown, USA 6Boehringer Ingelheim 13ddp 15digitalvision 15, 18dpa 15EMEA (European Agency for the

Evaluation of Medicines) 9Getty Images 2, 3, 8, 9, 13, 14, 16, 17, 19Keystone 11medicalpicture 10, 13Partner für Berlin/FTB-Werbefotografie 17Photodisc Titel, 2, 4, 5, 10, 12Presse- und Informationsamt

des Landes Berlin/G. Schneider 17Schering 14SPL/Agentur Focus 2, 12Universitätsklinikum Heidelberg

(Medienzentrum) 13VFA/Markus Winter Titel, 4, 8, 11, 16VFA/Hartwig Klappert 8, 15VFA/Marc Darchinger 6

DruckRuksaldruck

Februar 2004

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