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| T R E F F P U N K T FO R SC H U N G
Nach Schätzungen der WHO warenim Jahr 2005 ca. 1,6 Milliarden Men-schen über 15 Jahre übergewichtig,ca. 400 Millionen sind als adipös ein-zustufen. Die Tendenz ist stark stei-gend. Die globale Zunahme vonÜbergewicht und Adipositas führt inder Folge zur Zunahme von Gesund-heitsproblemen wie kardiovaskulärenKrankheiten, Diabetes, Osteoarthritisoder Krebserkrankungen, deren Fol-gen für die Gesellschaften und derenGesundheitssysteme kaum einzu-schätzen sind.
Eine Zunahme des Körper-gewichtes über das normale Maß hin-aus ist in aller Regel durch die Einla-gerung von Fettgewebe verursacht.Der Body-Mass-Index (BMI) ist einleicht zu ermittelnder Wert, der dasKörpergewicht mit der Körpergrößein Beziehung setzt. Bei einem BMI ≥ 25 kg/m2 gilt man als übergewich-tig, bei BMI ≥ 30 kg/m2 gilt man als adipös (siehe auch PharmuZ6/2006).
Britische Autoren haben in einemsystematischen Review nebst Meta-analyse publizierter Literatur unter-sucht, ob eine Zunahme des BMI mitdem Risiko, an einer bestimmtenKrebsart zu erkranken, korreliert ist[1]. Diese Studie ist nicht die ersteihrer Art, allerdings ist sie wohl beiWeitem die umfangreichste. Sie um-fasst mehr als 280.000 Fälle undmehr als 133 Millionen Personenjah-re Nachbeobachtung (follow-up) unduntersucht 20 verschiedene Krebs-arten [1]. Die Autoren kommen zudem eindeutigen Ergebnis, dass dasRisiko für das Auftreten bestimmterKrebsarten mit dem BMI ansteigt. Soist bei Männern das Risiko, einen Tumor an Speiseröhre, Schilddrüse,Dickdarm oder den Nieren zu be-kommen, deutlich erhöht, und zwar
mit einem Risk ratio (RR) zwischen1,24 und 1,52 pro Zunahme des BMIum 5 kg/m2 (Abb. 1A). Bei Frauensteigt das Risiko, an Tumoren desEndometriums, der Gallenblase, derSpeiseröhre oder der Nieren zu er-kranken, signifikant je BMI-Zunahmeum 5 kg/m2 (RR 1,34 bis 1,59; Abb.1B).
© 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.pharmuz.de 4/2008 (37) | Pharm. Unserer Zeit | 277
M E D IZ I N |Viel Körperfett erhöht das Risiko fürKrebserkrankungen
Eine neue britische Studie unterstreicht ein erhöhtes Risiko übergewich-tiger oder adipöser Menschen, an Krebs zu erkranken.
Tumorart und -ort Anzahl Studien RR (95% CI) p
Adenocarcinom, Speiseröhre 5 1,52 (1,33-1,74) <0,0001
Schilddrüse 4 1,33 (1,04-1,70) 0,02
Colon 22 1,24 (1,20-1,28) <0,0001
Niere 11 1,24 (1,15-1,34) <0,0001
Leber 4 1,24 (0,95-1,62) 0,12
Malignes Melanom 6 1,17 (1,05-1,30) 0,004
Multiples Myelom 7 1,11 (1,05-1,18) <0,0001
Rektum 18 1,09 (1,06-1,12) <0,0001
Gallenblase 4 1,09 (0,99-1,21) 0,12
Leukämie 7 1,08 (1,02-1,14) 0,009
Pankreas 12 1,07 (0,93-1,23) 0,33
Non-Hodgkin Lymphom 6 1,06 (1,03-1,09) <0,0001
Prostata 27 1,03 (1,00-1,07) 0,11
Magen 8 0,97 (0,88-1,06) 0,49
Lunge 11 0,76 (0,70-0,83) <0,0001
Plattenepithelcarcinom, Speiseröhre 3 0,71 (0,60-0,85) <0,0001
relatives Risiko (pro 5 kg/m2 Zunahme)
0,5 0,8 1,0 1,5 2,0
Tumorart und -ort Anzahl Studien RR (95% CI) p
Endometrium 19 1,59 (1,50-1,68) <0,0001
Gallenblase 2 1,59 (1,02-2,47) 0,04
Adenocarcinom, Speiseröhre 3 1,51 (1,31-1,74) <0,0001
Niere 12 1,34 (1,25-1,43) <0,0001
Leukämie 7 1,17 (1,04-1,32) 0,01
Schilddrüse 3 1,14 (1,06-1,23) 0,001
Postmenopausale Brust 31 1,12 (1,08-1,16) <0,0001
Pankreas 11 1,12 (1,02-1,22) 0,01
Multiples Myelom 6 1,11 (1,07-1,15) <0,0001
Colon 19 1,09 (1,05-1,13) <0,0001
Non-Hodgkin Lymphom 7 1,07 (1,00-1,14) 0,05
Leber 1 1,07 (0,55-2,08)
Magen 5 1,04 (0,90-1,20) 0,56
Eierstock 13 1,03 (0,99-1,08) 0,30
Rektum 14 1,02 (1,00-1,05) 0,26
Malignes Melanom 5 0,96 (0,92-1,01) 0,05
Prämenopausale Brust 20 0,92 (0,88-0,97) 0,001
Lunge 6 0,80 (0,66-0,97) 0,03
Plattenepithelcarcinom, Speiseröhre 2 0,57 (0,47-0,69) <0,0001
relatives Risiko (pro 5 kg/m2 Zunahme)
0,5 0,8 1,0 1,5 2,0
A
B
A B B . 1 Zusammenfassung von Krebs-Risiken (RR = Risk ratio) in Abhängigkeit derZunahme des BMI bei Männern (A) und Frauen (B). Modifiziert nach [1].
T R E F F P U N K T FO R SC H U N G |
Kann man diese Korrelation phy-siologisch erklären? Vielfach wirdvermutet, dass übermäßiges Körper-fett die Konzentrationen zirkulieren-der Hormone wie Insulin, den Insu-lin-ähnlichen Wachstumsfaktorenoder den Sexualhormonen verändernund somit die Balance zwischen Zell-proliferation und Apoptose stören.Außerdem könnten Änderungen imMetabolismus der Adipokine (vomFettgewebe ausgeschüttete Mediato-ren), lokale Entzündungen, oxidati-ver Stress und veränderte Immunant-worten das Entstehen von Tumorenfördern.
Die Autoren der angesprochenenMetaanalyse [1] haben den BMI alsKenngröße für überschüssiges Kör-perfett gewählt, weil dieser Wert inden eingeschlossenen Studien syste-matisch erfasst wurde. Es bleibt dem-nach offen, inwieweit das abdomina-le Körperfett ein besonderes Risikofür das Auftreten von Krebserkran-kungen darstellt, also die heute be-vorzugte Messung der Fettverteilungim Körper (Waist-to-Hip-Ratio, WHR)aussagekräftiger wäre. Auch bleibtneben anderen Fragen unklar, ob ge-netische Polymorphismen das indivi-duelle Krebsrisiko in Abhängigkeit
vom BMI beeinflussen oder ob z.B.eine Reduktion des Körpergewichtesvor einem erhöhten Krebsrisikoschützen würde. Trotzdem ist dieStudie von hohem Aussagewert undunterstreicht den Beitrag des erhöh-ten Körperfett-Anteils an der Morbi-dität und Mortalität der Bevölkerunginsbesondere in den Industrie-ländern.
[1] Renehan, A.G., Tyson, M., Egger, M., Hel-ler, R.F., Zwahlen, M.: Body-mass indexand incidence of cancer: a systematic re-view and meta-analysis of prospective observational studies. Lancet 371 (2008),569-578.
Thomas Winckler, Jena
278 | Pharm. Unserer Zeit | 4/2008 (37) www.pharmuz.de © 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
M E D IZ I N I S C H E C H E M I E |High-Throughput-Screening für Inhibi-toren der bakteriellen TransglykosylaseVor dem Hintergrund zahlreicher bestehender und sich schnell neuentwickelnder Resistenzen von Keimen gegenüber Antibiotika – klinischbesonders relevant bei multiresistenten Problemkeimen wie Staphylo-coccus aureus oder Streptococcus pneumoniae – kommt der Suchenach neuen Antibiotika und der Aufklärung von Wirkmechanismenhöchste Priorität zu. Ein wichtiger Schritt ist nun Forschern in Taiwangelungen, indem sie die Bindung von Moenomycin an sein Target, diebakterielle Transglykosylase, charakterisiert und aus den erhaltenen Ergebnissen eine Methode für ein High-Throughput-Screening für neueAntibiotika entwickelt haben.
O OH
NHOC
OHO
HO
OH
OHO
AcHNO
O
OH
NHAc
O OO
HOHO
HOHO O
O
H2NOHO
H3C CONH2
OP
OOH
O
HOOC
O
CH3
CH3
CH3H3C
CH2
CH3 CH3
H3C
Moenomycin
A B B . 1 |
Moenomycin blockiert die Transglykosylase, die beim Aufbau der bakteriellen Zellmembran eine wichtigeRolle spielt.
Die Transglykosylase ist ein wichtigerTeil eines Enzymkomplexes, derbeim Aufbau der bakteriellen Zell-wand eine Schlüsselfunktion ein-
nimmt und sich PBP (Penicillin bin-dendes Protein) nennt. Zu diesemEnzymkomplex gehört auch dieTranspeptidase, die zusammen mit
der Transglykosylase die Quervernet-zung zwischen den Bausteinen derBakterienzellwand ermöglicht.
Zur Hemmung der bakteriellenTranspeptidase wird bereits seit lan-gem die Wirkstoffklasse der β-Lac-tam-Antibiotika eingesetzt. Für dieBlockade der Transglykosylase standjedoch bisher kein zugelassenerArzneistoff zur Verfügung.
Das Glykosid Moenomycin ist einpotenter Hemmstoff der Trans-glykosylase (Abb. 1), dessen Anwen-dung am Menschen aufgrund derschlechten Bioverfügbarkeit jedochnicht möglich ist. Aus diesem Grundbeschränkte sich der Einsatz auf dieViehzucht, wo Moenomycin alswachstumsförderndes Futterergän-zungsmittel verwendet wird.
Die Entwicklung klinisch relevan-ter Tranglykosylase-Inhibitoren schei-terte bisher am Nichtvorhandenseineines geeigneten Enzymassays, da Li-pid II, das natürliche Substrat derTransglykosylase, bisher nicht in aus-reichender Menge zur Verfügungstand. Aus diesem Grund wurdenTests durchgeführt, die auf Radio-aktivitätsmes-sungen oder SurfacePlasmon Resonance (SPR) basieren,die aber nicht genügend Kapazitätlieferten, um ein breit angelegtes, effektives High-Throughput-Scree-ning zur Identifizierung neuer Inhibi-toren der Transglykosylase zu ermög-lichen.