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pflege IT 10/2013 pro care 30 © Springer-Verlag Viele Daten – viele Möglichkeiten Informationstechnologie in der Pflege H. Mania 1 Wir leben im Informationszeitalter. Wis- sen und Daten sind zu einer wichtigen Ressource geworden. Auch im Medizin- betrieb werden durch IT und moderne Medizintechnik immer mehr Daten und Informationen erzeugt, ausgetauscht und gespeichert. Pflegeinformationssys- teme machen die Pflegeleistungen trans- parent und erleichtern die Patientenver- sorgung. Gleichzeitig muss besonderes Augenmerk auf den Datenschutz bei den hochsensiblen Daten gelegt werden. Pflegeinformationssysteme (PfIS) sind komplexe Softwarelösungen für die Pflege, die meist unter pflegewissenschaftlicher Begleitung entwickelt werden. Sie verfol- gen ökonomische, pflegerische und pati- entenorientierte Ziele. Vor allem bei den Dokumentations-und Planungsaufgaben bieten sie Pflegefachkräften eine sinnvolle Entlastung durch digitale Dokumentation, automatische Wissensgenerierung und Vermeidung von Doppelerfassungen. Die Anwendungen sind in der Regel intuitiv und einfach zu handhaben. Einmal er- fasste Daten, auch aus anderen Aufenthal- ten eines Patienten, stehen für die weitere Dokumentation zur Verfügung und wer- den von der Applikation an den richtigen Stellen aktiv vorgeschlagen. Was ein PfIS kann Moderne PfIS bilden den gesamten Pfle- geprozess ab. Dabei startet man in der Software zunächst mit einer rechner- gestützten Pflegeanamnese, die es der Pflegekraft ermöglicht, die Daten checklis- tenartig zu erfassen. Ein digitales Pflege- assessment schafft anschließend einen umfassenden Wissensstand zum selbst- pflegerischen Zustand des Patienten. Da- mit kann die Software bereits wichtige In- formationen selbstständig generieren (z.B. Dekubitus-Risiko), um daraus Pro- phylaxeprozesse vorzuschlagen. Die Pflegeplanung erfolgt meist auf Basis von Pflegefachsprachen, die als Ka- taloge im PfIS hinterlegt sind. Aus den erfassten Daten, kann die Software Pfle- gediagnosen isolieren und vorschlagen. Dies beschleunigt die Planung und sorgt dafür, dass nichts Wichtiges vergessen wird. Hat die Pflegekraft alle Pflegedia- gnosen erfasst, werden entsprechende Pflegemaßnahmen vorgeschlagen. Diese können mit Anzahl, Dauer und Häufig- keit ergänzt und anschließend übernom- men werden. Damit steht der individu- elle Pflegeplan, der nur noch umgesetzt werden muss. Jede durchgeführte Maß- nahme wird digital bestätigt und führt im Hintergrund zu einer pflegerischen Leistungserfassung. Diese erlaubt dem Pflegemanagement neben einer Auf- wandsberechnung auch eine bessere Er- mittlung des Personalbedarfs. In festge- legten Abständen wird die Pflegekraft aufgefordert, den Pflegeplan auf Wirk- samkeit und Vollständigkeit zu überprü- fen. Dies wird durch eine Auswertung der Verlaufsdokumentation unterstützt. Lange pflegerische Verlegungs- oder Ent- lassungsbriefe gehören der Vergangen- heit an – sie werden mit einem Klick au- tomatisch generiert. Trends und Entwicklungen Auch in der Pflege werden zunehmend mobile Computer eingesetzt. Die Daten können direkt beim Patienten erfasst und sicher im PfIS gespeichert werden. Informationsver- luste durch vergessene Notizen oder Fehlübertra- gung werden vermieden. Ein Großteil der Pflege- dokumentation wird bald automatisch erfolgen. So arbeiten Forschungsein- richtungen an Pflegebet- ten, die die Lage des Pati- enten aufzeichnen und Alarme generieren. Unter den gegebenen ökonomi- schen Bedingungen rü- cken PfIS noch stärker in den Fokus der Kliniken und Softwareentwickler. Dabei gewinnen die Appli- kationen an Intelligenz und unterstützen die Arbeit der Pflegekräfte so, dass mehr Zeit für die Patientenversorgung bleibt. Dienstpläne sollen verlässlich sein und den unterschiedlichen Bedürfnissen der Mitarbeiter gerecht werden – keine leichte Aufgabe. In den meisten Einrichtungen haben sich daher Softwarelösungen durchgesetzt, die die Dienstplanung er- leichtern. Dienstplanprogramme bestehen in der Regel aus einer Software zur Personalver- waltung und einer zur Dienstplanung. In der Personalverwaltung werden für alle Mitarbeiter Stamm- und Vertragsdaten so- wie tarifliche und gesetzliche Informatio- nen hinterlegt. Damit kann das System den relevanten Planungsrahmen errechnen. Dienstplanung leicht gemacht Die Planung erfolgt auf einer kalender- ähnlichen Oberfläche, in der Wochenen- den und Feiertage bereits gekennzeichnet sind. Auch die für diesen Zeitraum zuge- ordneten Mitarbeiter werden zeilenweise angezeigt. Zu jedem Mitarbeiter kann der Dienstplaner Informationen einblenden und hat so Soll-Stunden und geplante Ab- wesenheiten im Blick. Plausibilitätskont- rollen prüfen in Echtzeit die Einhaltung von Dienstvereinbarungen und Gesetzen, damit gesetzliche Ruhezeiten nicht unter- schritten werden. 1 Heiko Mania, M.Sc., MBA Krankenpfleger, Gesundheitsinformatiker und IT- Projektmanager Dozent und IT-Trainer Kerpen (D) Abb. 1: Tabletcomputer halten auch im Krankenhaus Einzug. Photo: © Robert Kneschke/fotolia.com

Viele Daten — viele Möglichkeiten

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pflege IT

10/2013 pro care30 © Springer-Verlag

Viele Daten – viele Möglichkeiten

Informationstechnologie in der Pflege

H. Mania1

Wir leben im Informationszeitalter. Wis-sen und Daten sind zu einer wichtigen Ressource geworden. Auch im Medizin-betrieb werden durch IT und moderne Medizintechnik immer mehr Daten und Informationen erzeugt, ausgetauscht und gespeichert. P�egeinformationssys-teme machen die P�egeleistungen trans-parent und erleichtern die Patientenver-sorgung. Gleichzeitig muss besonderes Augenmerk auf den Datenschutz bei den hochsensiblen Daten gelegt werden.

Pflegeinformationssysteme (PfIS) sind komplexe Softwarelösungen für die P�ege, die meist unter p�egewissenschaftlicher Begleitung entwickelt werden. Sie verfol-gen ökonomische, p�egerische und pati-entenorientierte Ziele. Vor allem bei den Dokumentations-und Planungsaufgaben bieten sie P�egefachkräften eine sinnvolle Entlastung durch digitale Dokumentation, automatische Wissensgenerierung und Vermeidung von Doppelerfassungen. Die Anwendungen sind in der Regel intuitiv und einfach zu handhaben. Einmal er-fasste Daten, auch aus anderen Aufenthal-ten eines Patienten, stehen für die weitere Dokumentation zur Verfügung und wer-den von der Applikation an den richtigen Stellen aktiv vorgeschlagen.

Was ein PfIS kann

Moderne PfIS bilden den gesamten P�e-geprozess ab. Dabei startet man in der Software zunächst mit einer rechner-gestützten P�egeanamnese, die es der P�egekraft ermöglicht, die Daten checklis-tenartig zu erfassen. Ein digitales P�ege-assessment scha�t anschließend einen umfassenden Wissensstand zum selbst-p�egerischen Zustand des Patienten. Da-mit kann die Software bereits wichtige In-formationen selbstständig generieren (z.B. Dekubitus-Risiko), um daraus Pro-phylaxeprozesse vorzuschlagen.

Die P�egeplanung erfolgt meist auf Basis von P�egefachsprachen, die als Ka-

taloge im PfIS hinterlegt sind. Aus den erfassten Daten, kann die Software P�e-gediagnosen isolieren und vorschlagen. Dies beschleunigt die Planung und sorgt dafür, dass nichts Wichtiges vergessen wird. Hat die P�egekraft alle P�egedia-gnosen erfasst, werden entsprechende P�egemaßnahmen vorgeschlagen. Diese können mit Anzahl, Dauer und Häu�g-keit ergänzt und anschließend übernom-men werden. Damit steht der individu-elle P�egeplan, der nur noch umgesetzt werden muss. Jede durchgeführte Maß-nahme wird digital bestätigt und führt im  Hintergrund zu einer p�egerischen Leistungserfassung. Diese erlaubt dem P�egemanagement neben einer Auf-wandsberechnung auch eine bessere Er-mittlung des Personalbedarfs. In festge-legten Abständen wird die P�egekraft aufgefordert, den P�egeplan auf Wirk-samkeit und Vollständigkeit zu überprü-fen. Dies wird durch eine Auswertung der Verlaufsdokumentation unterstützt. Lange p�egerische Verlegungs- oder Ent-lassungsbriefe gehören der Vergangen-heit an – sie werden mit einem Klick au-tomatisch generiert.

Trends und Entwicklungen

Auch in der P�ege werden zunehmend mobile Computer eingesetzt. Die Daten können direkt beim Patienten erfasst und sicher im PfIS gespeichert werden. Informationsver-luste durch vergessene Notizen oder Fehlübertra-gung werden vermieden. Ein Großteil der P�ege-dokumentation wird bald automatisch erfolgen. So arbeiten Forschungsein-richtungen an P�egebet-ten, die die Lage des Pati-enten aufzeichnen und Alarme generieren. Unter den gegebenen ökonomi-schen Bedingungen rü-cken PfIS noch stärker in den Fokus der Kliniken und Softwareentwickler. Dabei gewinnen die Appli-

kationen an Intel ligenz und unterstützen die Arbeit der P�egekräfte so, dass mehr Zeit für die Patientenversorgung bleibt.

Dienstpläne sollen verlässlich sein und den unterschiedlichen Bedürfnissen der Mitarbeiter gerecht werden – keine leichte Aufgabe. In den meisten Einrichtungen haben sich daher Softwarelösungen durchgesetzt, die die Dienstplanung er-leichtern.

Dienstplanprogramme bestehen in der Regel aus einer Software zur Personalver-waltung und einer zur Dienstplanung. In der Personalverwaltung werden für alle Mitarbeiter Stamm- und Vertragsdaten so-wie tari�iche und gesetzliche Informatio-nen hinterlegt. Damit kann das System den relevanten Planungsrahmen errechnen.

Dienstplanung leicht gemacht

Die Planung erfolgt auf einer kalender-ähnlichen Ober�äche, in der Wochenen-den und Feiertage bereits gekennzeichnet sind. Auch die für diesen Zeitraum zuge-ordneten Mitarbeiter werden zeilenweise angezeigt. Zu jedem Mitarbeiter kann der Dienstplaner Informationen einblenden und hat so Soll-Stunden und geplante Ab-wesenheiten im Blick. Plausibilitätskont-rollen prüfen in Echtzeit die Einhaltung von Dienstvereinbarungen und Gesetzen, damit gesetzliche Ruhezeiten nicht unter-schritten werden.

1 Heiko Mania, M.Sc., MBA Krankenpfleger, Gesundheitsinformatiker und IT-Projektmanager Dozent und IT-Trainer Kerpen (D) Abb. 1: Tabletcomputer halten auch im Krankenhaus Einzug.

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10/2013pro care 31© Springer-Verlag

Ebenso wird die Zahl der Mitarbeiter pro Tag und Schicht automatisch errech-net und angezeigt. So lassen sich Pla-nungslücken rasch erkennen und organi-sieren. Bei abgeschlossener Planung wird der Planungsstatus (Soll) versiegelt und der Ist- Plan für die real geleisteten Dienste geö�net. Abweichungen sind die Grund-lage für die Berechnung der Minus- und Plusstunden.

Die Berechnung und tagesaktuelle Do-kumentation von geänderten Diensten, Abwesenheiten und Abweichungen er-laubt es allen Mitarbeitern, ihre Überstun-denstände oder Resturlaubstage jederzeit abzurufen. Oft wird den Mitarbeitern so-gar ein eigenes Portal geboten, in dem sie zum Beispiel ihre Wünsche nach Mehr- oder Minderarbeit oder Urlaub eintragen und Auswertungen generieren können.

Bei der Kompensation von Ausfällen kann sich das P�egemanagement am PC schnell einen Überblick über die Beset-zungssituation aller Stationen verschaf-fen. Vielfältige Auswertungsmöglich-keiten, wie Urlaubsverteilung oder Ausfallstatistik, unterstützen das P�ege-controlling. Die geprüften Dienstpläne der Stationen gehen zudem automatisch an die Lohnbuchhaltung. Dadurch werden Bearbeitungszeiten verkürzt und Dienst-planänderungen (z. B. Überstunden) kön-nen in der Lohnzahlung schneller berück-sichtigt werden. Auch nachträgliche Korrekturen werden deutlich einfacher. Ein Knopfdruck reicht, um den ganzen Plan des Mitarbeiters neu zu berechnen.

Häu�g wünscht das Klinikmanage-ment eine komplett automatische Dienst-planung auf Knopfdruck. Solche Pro-gramme gibt es und sie haben in Bereichen mit konstanten Dienstarten ihre Berechti-gung. In der P�ege führt die automatische Dienstplanung jedoch häu�g zu Unmut, da die menschliche, mitarbeiterorien-tierte Planung entfällt. Ein erfahrener Dienstplaner berücksichtigt für eine opti-male Monatsplanung eben mehr als Re-geln und Gesetze.

Ausblick: Dienstplan-App für Smartphones

Unterschiedlichste Abstufungen in den Quali�kationen der Mitarbeiter machen zunehmend Planungen nach Bereichen oder Quali�kationen notwendig. So wer-den künftig für einzelne Planungsbereiche Mindestanforderungen de�niert, die nur mit entsprechend quali�zierten Mitarbei-tern besetzt werden können. Vielleicht pro�tieren die Mitarbeiter aber bald auch

privat von Dienstplanpro-grammen, beispielsweise wenn ein Dienstplanpor-tal auf dem Smartphone hilft, Privattermine leich-ter zu planen oder Dienste unkompliziert zu tau-schen.

Datenschutz – Strenge Anforderungen an Krankenhäuser

In Krankenhäusern wer-den ständig große Daten-mengen erzeugt und ver-arbeitet, die künftig noch deutlich wachsen werden. Neben den Stammdaten der Patienten werden auch administrative und medizi-nische Daten verarbeitet und an eine Viel-zahl von internen und externen Nutzern transferiert. Dieser hohe Austausch pati-entenbezogener Informationen muss im Sinne des Patientenvertrauens geregelt werden. Kein Patient soll die O�enlegung oder unsachgemäße Nutzung seiner Da-ten fürchten müssen. Da hier also beson-ders sensible Daten �ießen, sind die Anforderungen an den Datenschutz ent-sprechend hoch.

Grundsätze des Datenschutzes

Je nach Land existieren heute verschie-dene datenschutzrechtliche Regelungen. Relevante Regelungen �nden sich im Bundesdatenschutzgesetz, in Deutsch-land gibt es auch noch Landesdaten-schutzgesetze und fallweise Regelungen die vom jeweiligen Krankenhausträger abhängen. Darüber hinaus gelten die Re-gelungen des Strafgesetzbuches (StGB) sowie die berufs- und strafrechtlich gere-gelte Schweigep�icht.

Grundsätzlich gilt: Jedes Erheben, Verarbeiten oder Nutzen personenbezo-gener Daten ist nur dann erlaubt, wenn die betre�ende Person ausdrücklich ein-willigt oder eine gesetzliche Erlaubnis vorliegt. Im Normalfall erteilt ein Patient seine schriftliche Einwilligung bei der Aufnahme. Zu den Hauptprinzipien des Datenschutzes zählen weiterhin: Daten-sparsamkeit bzw. -vermeidung, Erforder-lichkeit und Zweckbindung.

Aus der elektronischen Verarbeitung personenbezogener Daten ergeben sich für die Kliniken aber noch weitere Kont-rollp�ichten. So muss sichergestellt sein, dass keine unbefugten Personen Zutritt zu

den IT-Anlagen oder Zugang in die Com-putersysteme erlangen. Eng verbunden mit dem Datenschutz ist die Datensicher-heit. Während der Datenschutz den Ein-zelnen vor einem Missbrauch seiner per-sönlichen Daten bewahren soll, verfolgt die Datensicherheit das Ziel, persönliche Daten vor Verlust, Manipulation und an-deren Bedrohungen zu schützen. Die Ein-haltung des Datenschutzes wird in den Krankenhäusern durch eigene Daten-schutzbeauftragte kontrolliert, in Deutsch-land auf höherer Ebene durch den Lan-des- und Bundesdatenschutzbeauftragten.

Informationelle Selbstbestimmung im Krankenhaus

Jeder Patient hat das Recht auf informatio-nelle Selbstbestimmung und bestimmt damit in der Regel allein, welche Daten von ihm wie und zu welchem Zweck über-mittelt werden. Daraus leitet sich ein um-fangreiches Auskunftsrecht ab. Jeder Pati-ent kann Auskunft über die gespeicherten personenbezogenen Daten einfordern. In der Praxis wird von diesem Recht erstaun-licherweise selten Gebrauch gemacht.

Für die Mitarbeiter in den Kliniken ergibt sich durch diese Regelungen fol-gendes Grundgebot: Mit den Daten der Patienten ist unter allen Umständen ver-traulich umzugehen. Unbefugte dürfen keinen Zugri� darauf haben. Jeder Mitar-beiter muss wissen: Datenschutzverlet-zungen sind keine Kavaliersdelikte. Der Gesetzgeber hat dafür hohe Geldstrafen oder sogar Freiheitsentzug vorgesehen. n

KorrespondenzHeiko Mania, M.Sc., MBA Nordstr. 53, 50170 Kerpen [email protected] www.gesundheits-it.com

Abb. 2: Mit den Daten der Patienten ist unter allen Umständen vertraulich umzugehen.

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