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1100 10. VII. Die Bedeutung der Oberfiachenspannuny fur die Photographie mit Brornsilbergelatine und eime meue Wirkung des Lichtes; von G. Quincke.l) 9 120. Die Oberflachenspannung an der Grenze von wasser- armem und wasserreichem Silberbromidleim. Ahnlich wie Qerb- saure lost sich Silberbromid in wasserigen Lijsungen von Gelatine oder /I-Leim und gibt damit eine olartige wasserarme Leimlosung A, die an der Grenze mit wasserreicher Leim- losung B oder mit Wasser eine Oberflachenspannung hat, wie oben (99 111 und 112) gezeigt wurde. Man kann auch statt dessen sagen, Silberbromid ist in der olartigen wasserarmen Leimlosung A starker loslich, als in der wasserreichen Leimlosung B. Bei der immer noch unerklarten Wirkung des Lichtes auf Rromsilber-Gelatineplatten, die in der Photographie haufige Verwendnng finden, hat diese olartige AgBr-haltige Leimlosung ein besonderes Interesse. Schon Hardwicha) fand 1860, daB Gelatine die Fallung von AgCl oder AgBr verhindert. Frische durchsichtige Brom- silbergelatine sei gar nicht oder wenig lichtempfindlich. Einige Zeit erhitzt, werde sie lichtempfindlicher und undurchsichtiger bei dem ProzeB des Reifens. Die Loslichkeit des AgBr in 1 proz. KBr-Losung wid durch Zusatz von 1 Proz. Gelatine um das 4,5 fache gesteigert. Nach Hecht3) losen bei 30-40° 99 g Wasser + 1 g KBr 98 g Wasser + 1 g KBr + 1 g Gelatine 0,011 g AgBr 0,059 g AgBr Durcli 1 g Gelatine lost sich mehr 0,045 g AgBr 1) G. Quincke, Fortsetzung von Ann. d. Phys. 7. p.57-96,631-682, 701-744. 1902; I). p. 1-43, 793-836, 969-1045. 1902; 10. p. 478-521, 673-703. 1903; 11. p. 54-95, 419-458. 1903. 2) H a r d w i c h , Eders Handb. d. Photographie 3. p. 32. 1890. 3) Hecht, Bull. de l’assoc. Relge de Photogr. 8. p. 19. 1881; Eders Hantlb. d. Photogr. 3. p. 32. 1990.

VII. Die Bedeutung der Oberflächenspannung für die Photographie mit Bromsilbergelatine und eine neue Wirkung des Lichtes

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10. VII. D i e Bedeutung der Oberfiachenspannuny fur die Photographie mi t Brornsilbergelatine und

eime meue Wirkung des Lichtes; von G. Q u i n c k e . l )

9 120. Die Oberflachenspannung an der Grenze von wasser- armem und wasserreichem Silberbromidleim. Ahnlich wie Qerb- saure lost sich Silberbromid in wasserigen Lijsungen von Gelatine oder /I-Leim und gibt damit eine olartige wasserarme Leimlosung A , die an der Grenze mit wasserreicher Leim- losung B oder mit Wasser eine Oberflachenspannung hat, wie oben (99 111 und 112) gezeigt wurde.

Man kann auch statt dessen sagen, Silberbromid ist in der olartigen wasserarmen Leimlosung A starker loslich, als in der wasserreichen Leimlosung B.

Bei der immer noch unerklarten Wirkung des Lichtes auf Rromsilber-Gelatineplatten, die in der Photographie haufige Verwendnng finden, hat diese olartige AgBr-haltige Leimlosung ein besonderes Interesse.

Schon Hardwicha) fand 1860, daB Gelatine die Fallung von AgCl oder AgBr verhindert. Frische durchsichtige Brom- silbergelatine sei gar nicht oder wenig lichtempfindlich. Einige Zeit erhitzt, werde sie lichtempfindlicher und undurchsichtiger bei dem ProzeB des Reifens.

Die Loslichkeit des AgBr in 1 proz. KBr-Losung w i d durch Zusatz von 1 Proz. Gelatine um das 4,5 fache gesteigert. Nach Hecht3) losen bei 30-40°

99 g Wasser + 1 g KBr 98 g Wasser + 1 g KBr + 1 g Gelatine

0,011 g AgBr 0,059 g AgBr

Durcli 1 g Gelatine lost sich mehr 0,045 g AgBr

1) G. Q u i n c k e , Fortsetzung von Ann. d. Phys. 7. p.57-96,631-682, 701-744. 1902; I). p. 1-43, 793-836, 969-1045. 1902; 10. p. 478-521, 673-703. 1903; 11. p. 54-95, 419-458. 1903.

2) H a r d w i c h , Eders Handb. d. Photographie 3. p. 32. 1890. 3) H e c h t , Bull. de l’assoc. Relge de Photogr. 8. p. 19. 1881; Eders

Hantlb. d. Photogr. 3. p. 32. 1990.

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OlerfiacJLen>pannung con Bronisilbergelatine etc. 110 1

Man kann im Dunkelzimmer frisch gefalltes AgBr in Losung von ,5’-Leim einruhren und aufliisen, oder man kann zu einer wasserigen Losung von IS-Leim und KBr die aqui- valente Menge von AgNO, zusetzen und das SgBr in der Leimlasung selbst entstehen lassen. Das letzte Verfahren bietet den Vorteil, daB man die Menge des gebildeten und gelosten BgBr genau angeben kann.

Bei den folgenden Versuchen waren gewohnlich in 100 g Losung enthalten 20 g trockener P-Leim und 20 x 0,005 =0,1 g AgBr, also l/lo der Menge AgBr, die sich nach H e c h t in gewohnlicher Gelatine losen soll. Die Losung wurde in einem Probierrohrchen im Dunkeln auf 100 O erwarmt und langsam erkaltet.

Man erhalt dann eine sehr schwach getrubte Gallerte. Der Zusatz von AgBr hat den flussigen /?-Leiin zum Gelatinieren gebracht oder (nach 5 96) neue Schaumwbnde gebildet.

Halt man das Probierrohrchen mit nusgestrecktem Arine zwischen eine Gluhlampe mit rotem Zylinder und das Suge, s o sieht man eine von einer Aureole umgebene Lichtlinie. Die Aureole hat in verschiedener Hohe ein wenig verschiedene Breite, entsprechend der verschiedenen GroBe der in der Gallcrte schwebenden Teilchen ariderer Lichtbrechiing.

GieBt man eine Wasserschicht auf die Gallerte und beob- achtet den Regenbogen, der clurch Reflexion der roten Strahlen der Gluhlltnipe an den Fliissigkeiten des Prubierrohrchens eut- steht, so ist der Regenbogen im Wasser gegen den Regen- bogen in der Leimgallerte verschoben, der Brecliungsexponent cler letzteren grijBer als der des Wassers. AuBerdem scheint aber auch der Regenbogen im oberen und unteren Teile der Gallerte verschieden zu liegen, die Gallerte unten einen groBeren Brechungsexponenten als oben zu haben.

Briiigt man die geschmolzene SgBr-hnltige Gallerte auf einen Objekttrager unter ein Deckglas mit untergelegten Deck- glasstreifen, erwarmt sie im Wasserbade auf 100 O und unter- sucht sie d a m irn Dunkelzimmer bei starker VergroBerung uud roter Beleuchtung, so erkennt man einzelne Kugeln und viele kleine Kornchen.

Mit Tageslicht oder Auerbrenner beleuchtet und also auch bclichtet, zeigen sich sehr feine durikle Kornchen und sehr

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1102 G. Quincke.

viele kleine durchsichtige Kugeln von 0,0003 mm Durchmesser (0,6 A) hochst regelmaBig auf Kugelflachen und Schaumwanden verteilt.

Im Tageslicht schwarzt sich die ganze Masse des Leimes. die dunklen Karnchen sind dabei auf den Schaumflachen ge- blieben: Nach der Belichtung sind vie1 mehr Kugeln und Kugel- flachen sichtbar als vorher.

Nach 6 Stunden sind die Kreise und Schaumwande weit schlechter zu erkennen , als vorher. Die AgBr-Gallerte laBt dann noch Licht von der Wellenlange 540-590 pp, bei starker Verdiinnung von 512-617 ,up hindurch. Das iibrige wird absorbiert.

GieBt man die warme Losung von AgBr-Leim in ein Probierrohrchen rnit Wasser. so entsteht eine Fliissigkeit, die bei dem Lichte einer roten Gliihlampe einen Nebelschleier oder eine Triibung zeigt. Untersucht man diese triibe Fliissig- keit unter einem Deckglas mit einem Mikroskop bei starker VergroBerung und derselben roten Beleuchtung, so erkennt man einzelne kleine Leimkugeln mit Bro wnscher Molekular- bewegung.

Haufig sind auch die Leimkugeln zu Gruppen von 2-20 und mehr aneinander gebacken.

In der triiben Flussigkeit bildet sich nach 12 Stunden ein Niederschlag, den man rnit einem hohlen Glasfaden aufsaugen und in diesem oder unter einem Deckglas mit untergelegten Deckglasstreifen bei Beleuchtung mit Tageslicht oder eiriem Auerbrenner rnit starker VergrBBerung untersuchen kann. Er besteht aus Leimkugeln von 0,005-0,0003 mm oder noch kleiner, einzeln verstreut oder zu Haufen von 2-3 und mehr vereinigt. Einzelne Kugeln zejgen am Rande doppelte Kon- turen ; viele erscheinen von einem hellen Scheine umgeben, wenn das Mikroskop scharf auf den Kugelrand eingestellt wird, als ob hier die JJmgebung eine andere Lichtbrechung hatte. Fig. 171 stellt eine Reihe der yon mir beobachteten Formen dar.

Nach der Belichtung liefen plotzlich zwei Luftblasen unter Wasser fort und vereinigten sich zu einer Blase, als ob sich Bromwasser an der Grenze von Wasser und Luft ausgebreitet und damit Wirbel erzeugt hatte.

Zuweilen sind viele Kugeln aneinander gebacken.

Die letztere verschwindet nach einiger Zeit.

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Oberflachenspannung von Bronisilbergelatine etc. 1 1 0 3

Die Leimkugeln speichern im Dunkeln oder im Tageslicht aus Wasser mit Methylenblau , Bismarckbraun oder Rosanilin den Farbstoff auf. An verschiedenen Stellen verschieden stark. Gewohnlich sind die Leimkugeln klar, mit einer farbigen Hulle, deren Dicke zwischen 0,l des Radius und 0 schwankt. I n der Mitte ist oft ein dunkler oder heller Punkt zu erkennen, der im Laufe von 1-2 Tagen sich zu einer kugelformigen Blase entwickelt (Fig. 171 6, die ersten vier Kugeln), wahrend gleichzeitig der Durchmesser der Leimkugel um 50 Proz. oder mehr zunimmt. Oft treten mehrere Blasen gleichzeitig auf, oder zahlreiche dunkel gefarbte Schaumwande in einer schwach oder gar nicht gefarbten Grundmasse, die sich unter Winkeln

Fig. 171.

von 1 2 0 ° schneiden. Die blaugefiirbten Teile sind in der Fig. 171 schraffiert oder dunkel gezeichnet. Fig. 171 f war mit Rosanilin gefarbt und eiithielt viele Schaumzellen im Innern.

Da zahlreiche Leimkugeln anfanglich kein Methylenblau oder Rosanilin aufnehmen, so miissen sie eine schiitzende Hiille haben, deren Dicke unmerklich sein kann und die doch den Farbstoff zuruckhalt. Da. die Oberfliiche der Leimkugeln glatt ist und beim GrOBerwerden glatt bleibt, so mu8 man an- nehmen, daB diese Hiille, wie die oben erwahnten Schaum- wande, bsi ihrer Bildung und noch langere Zeit nachher aus olartiger Fliissigkeit, olartigem Rromsilberleim, bestand.

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Die halbkugelformigen Formen (Fig. 171, d ) beweisen, daB jedenfalls ein Teil der olartigen Lamellen spater fest ge- worden ist, da die Bruchstiicke von Schaumwanden sonst in dieser Form nicht langere Zeit bestehen konnten.

Oft erscheinen nach langerer Zeit alle Leimkugeln gefarbt, wenn die schiitzende Hiille Locher bekommen hat oder ganz zerstort ist.

Zuweilen nimmt auch nach einigen Tagen die Kugel die Form eines unregelmaBigen Vierecks oder einer Ellipse an (Fig. 171, m).

Im allgemeinen sieht man mit den verschiedenen Farb- stoffen ahnliche Erscheinungen. Bismarckbraun scheint schneller aufgespeichert zu werden , als Methylenblau. Doch ist bei ersterem der hohle zentrale Raum der Leimkugeln oder Leim- blasen oft unregelmaBig begrenzt, wahrend er bei Methylen- blau von einer glatten Kreislinie begrenzt erscheint.

Hiermit ware erwiesen, daB kleine Mengen AgBr, in wasseriger P-Leimlosung gelost, eine oliirtige Fliissigkeit geben ; daB wiisserige Losungen von P-Leim, in denen kleine Mengen AgBr gelost sind, mit Wasser eine Milch oder Emulsion von Leimkugeln, Blasen oder zusammenhangende Blasen und Schaum- wande geben, wobei der ijlartige Bromsilberleim die Oberflache der Leimkugeln und Blasen in diinnen oder in unmerklich dicken Schichten iiberzieht, Blasen und Schaumwande bildet und mit Farbstoffen, vielleicht auch ohne Farbstoffe fest wird.

Diese Resultate sind in Ubereinstimmung mit den oben 8 11 1) beschriebenen Erscheinungen bei der Bildung von AgC1, AgBr, AgJ in @-Leimlosung.

Plocken uon AgBr uitd AgBr-Leim wandern nacli Bromwasser , Ammoniak, AlkoAol hin. Z wei Glasrohrchen von 8 x 0,9 mm wurden mit einer l/lo Normallosung von Silber- nitrat gefullt, welche 25 Proz. P-Leim enthielt, nebeneinander auf einen Objekttrager unter ein Deckglas von 36 x 18 mm gelegt und zwischen beide die Miindung eines hohlen Qlas- fadens von 50 x 0,9 mm bis 0,6 mm geschoben, der mit Brom- wasser gefiillt und am anderen Ende zugeschmolzen war (vgl. Fig. 4, 8 7). Unter das Deckglas wurde 'Ilo Normallosung von Bromkalium gebracht und der ganze Objekttrager sofort mit einer Blechkappe gegen Licht und Verdunstung geschiitzt.

8 121.

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Oberfliichenspannung von Bromsilbergelatine etc. 1 105

Nach sechs Stunden hatte sich im Dunkeln bei verschiedenen Versuchen eine Flockenschicht von 3-5 mm Lange am Boden des Glasfadens festgesetzt in 10-18 mm Entfernung von der Mundung des Glasfadens. Die Flockenschicht bestand aus Tropfen und fliissigen Schaumzellen von 0,025-0,05 mm Durch- messer mit 0,004 mm dicken Wanden, die sich spater in Kugeln oder Kugelhaufen von 0,0005 bis 0,005 mm Durchmesser ver- wandelten und noch die Lage der Schaumwande erkennen lieBen, aus denen sie entstanden waren. Die groBten Flocken und Kugeln lagen in der Mitte, die kleinsten an den Enden der Flockenschicht. Zuweilen waren auch groBere Flocken in dem Broinwasser aufwarts gewandert und hatten sich an verschiedenen Stellen, naher der Miiiidung des Glasfadens fest- gesetzt.

Bei ahnlichen Versuchen mit 'Ilo Normallosung von Silber- nitrat ohne p-Leim lagen nur in der Nahe der Miindung am Boden des Glasfadens auf eiiier 1,2 mm langen Strecke Schaum- flocken von AgBr mit Anschwellungen, Einschnurungen und Schraubenwindungen und aneinander gebackenen Kugeln von 0,001 mm.

Die AgBr-Flocken mit Leim sind also vie1 weiter in das Bromwasser hineingewandert, als die Flocken ohne Leim.

Die Ursache der Flockung und Wanderuiig ist eine perio- disch wiederkehrende Susbreitung von Brom an der Ober- flache der in der Fliissigkeit schwebenden Teilchen von AgBr- Leim oder AgBr, iihnlich der Klarung und Flockung anderer triiber Losungen (55 4-15) oder iihnlich wie Blasen oder Flocken mit einer Olsaurehaut durch periodische Ausbreitung von Seifenlosung nach alkalischer Fliissigkeit hingezogen werden oder nach dieser hinwandern. I)

Diese Versuche entsprechen den oben (8 7 , Fig. 4) be- schriebenen Versuchen, wo mit derselben Anordnung Mastix- trubung unter dem EinfluB von Kupfersulfatlosung Flocken bildete, welche in die Kupfersulfatlosung hineinwanderten.

Zwei Qlasrohrchen von 8 x 0,7 mm rnit 'Ilo Normallosung von Silbernitrat, die 48 Proz. p-Leim enthielt, uud ein einseitig zugeschmolzener langer Glasfaden von 50 x U,7 mm rnit 7,8 proz.

1) G. Quincke , Wied. Ann. 35. p. 613. 1888.

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Ammoniak wurden auf einen Objekttrager unter ein 36 m m langes Deckglas gelegt, l/lo Normall6sung yon Bromkalium unter das Deckglas gebracht und der Objekttrager unter einer Blechkappe vor Licht und Verdunstung geschutzt. Es ent- standen Teilchen von AgBr-Leim, die allmahlich in dem Qlas- faden aufwarts wanderten und braune Kristallnadeln und kleine Kdrnchen rnit Bro wnscher Molekularbewegung bildeten. Nach 3 Stunden lagen die Kristalle auf einer Strecke von 2 mm in der Nahe der Mundung; daneben, 3 mm weiter auf- w t t s , eine KGrnchenschicht. Nach 24 Stunden lag im unteren Teile des Glasfadens bis 25 mm von seiner Mundung eine groBe Menge brauner sehr schwach doppeltbrechender Kristall- nadeln von 0 , 0 2 5 ~ 0 , 0 0 5 mm, zum Teil mit gut ausgebildeten Endflachen und optischer Achse normal zur Langsrichtung. Wegen der Kleinheit der Kristalle war das Kristallsystem nicht zu bestimmen. Die Kristalle waren zum Teil rohrenformig mit doppeltbrechenden Massen in den Wanden, die aus runden Blasen oder Schaumkammern sich abgeschieden hatten. Da- zwischen waren viele runde Kornchen von 0,0005-0,0002 mm verteilt, welche Tage lang lebhafte Bro wnsche Molekular- bewegung zeigten. Am weitesten von der Miindung des Glas- fadens entfernt lagen viele zusammengebackene runde Blasen von 0,015 mm, zum Teil in rechtwinkeligen Reihen angeordnet, und an einzelnen Stellen auch wurfelformige Kristalle von 0,005 mm oder kleiner nehen den braunen Kristallnadeln. Die Flocken AgBr-Leim waren also in dem Glasfaden bis 25 mm von der Mundung hinauf gewandert und teilweise aufgequollen zu aneinander hangenden runden Blasen, teilweise in braune Kristalle ubergegangen.

Bei ahnlichen Versuchen mit 1/1,, Normallijsungen von AgNO, und KBr ohne Leim waren dunkle Kornchen und AgBr-Flocken nur 3,2 mm weit in den Glasfaden mit Ammo- niak hineingewandert und hatten sich am oberen und unteren Teil der Wandung festgesetzt. Dazwischen lagen einzelne sechsseitige einfachbrechende Tafeln niit Schaummassen im Innern.

Wurde bei diesen Versuchen mit AgNO, und 48proz. j3-Leim der Glasfaden mit Alkohol statt init A4mmoniak gefullt, so wanderten die Flocken von AgBr-Leim 3-10 mm weit in

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den Alkohol ein und setzten sich als eine 7 mm lange Masse von 0,02-0,07 mm dicken Flocken an der Glaswand fest. I n 20 mm Entfernung von der Miindung waren groBere kreis- runde Blasen von 0,1 mm Durchmesser in einer gallertartigen Masse sichtbar, neben einer Luftblase, die sich im Alkohol ausgeschieden hatte.

Diese Versuche beweisen , da5 Ammoniak und Alkohol, wie Bromwasser, sich an der Oberflache von dem olartigea AgBr-Leim ausbreiten , durch Ausbreitungswirbel die kleinen schwebenden Teilchen von AgBr-Loim zusammenfiihren, zu Schaumflocken vereinigen und die Schaumflocken nach dem Ausbreitungszentrum hin verschieben, d. h. in den Glasfaden rnit Ammoniak oder Alkohol hineinziehen. Bei einer be- stimmten Konzentration dieser Fliissigkeiten werden die Aus- breitungswirbel einzelne Schaumwande zerstoren kiinnen und groBere Schaumkammern gebildet werden.

8 122. Abscheidung uon Jinsen und sichtbaren Schaumwanden in Bromsilberemulsion dwch Beliclitung. Ahnliche Erscheinungen wie Bromsilber mit P-Leim (5 120) zeigte unter dem Mikro- skop bei starker VergroBerung Bromsilberemulsion von Dr. Sch leussne r in Frankfurt a. M., die im Dunkeln bei 40° unter ein Deckglas mit untergelegten Deckglasstreifen gebracht und unter diesem erkaltet war.

Bei Beleuchtung durch eine elektrische Gliihlampe rnit rotem Zylinder zeigte gereifte Bromsilbergelatine viele Piinkt- chen oder sehr kleine Kiigelchen von groBerer Lichtbrechung als die Umgebung, welche auf Kreisbogen von 0,03 mm Durck- messer verteilt waren. Durch 3l/, stundige rote Belichtung wurden neue Kiigelchen auf Kreisbogen oder Schaumkanten von 0,09 mm Durchmesser sichtbar. Bei Belichtung mit der- selben elektrischen Gliihlampe oline roten Zylinder traten diese neuen Kugelchen in sehr kurzer Zeit auf.

Durch Belichtung wurden also aus der scheinbar homo- genen Flussigkeit Wande von Blasen und Schaumkammernl abgeschieden, die aus olartiger Flussigkeit bestehen. Um so schneller, je intensiver die Beleuchtung ist.

Die Schaumwande und die Kugelchen halte ich fur 61- artige wasserarme Leimlosung mit AgBr, fur AgBr- reichen Bromsilberleim. Durch Belichtung entsteht eine Flockung de r

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triiben Losung oder Emulsion von Bromsilberleim, die nach analogen Vorggngen bei der Klarung und Flookung triiber Losurigon ($8 4-15) durch periodische Ausbreitung einer Fliissig- keit C an der Obcrflache der schwebenden AgBr-Leimteilchen herbeigefuhrt sein mu& Die Fliissigkeit C halte ich fur freies Brom, das durch Licht aus AgBr abgeschieden wurde. Diese Ansicht wird durch die in 6 121 beschriebenen Qersuche be- stiktigt.

8 123. Bine ncue Wirkung des Liclites. Bildung von Falten und unsichtbaren Schautnwanden in Lamellen aus Bromsilberemulsion awf Quecksilher durch Beliclitung. Bei dem Licht einer elektrischen Gliihlampe mit rotem Zylinder wurden 1-5 Tropfen frisch ge- schmolzener Bromsilberemulsion von M a t t e r in Mannheirn auf frische oder 20 Min. alte Quecksilberflachen gelegt und mit einer hohen weiten Blechkappe bedeckt. Nach 12 Stunden wurde dio Blechkappe abgenommen und dadurch die halberstarrte graue Lamelle von Bromsilbergelatine von 40-14 mm Durchmesser dem Sonnenlicht ausgesetzt. Die Lamelle zeigte beim Abheben der Blechkappe wenige flache Randfalten. Durch Belichtung wurden in 1 Min. viele neue und tiefere Randfalten gebildet, deren Anzuhl und Tiefe sich dann noch langsam 4-5 Min. lang weiter Termehrte. Die graue Farbe der Lamelle wurde dabei bruun. Reim Behauchen der Lamelle nahm zuerst die Faltenhohe zu. Dann verschwaiiden die Falten. Am Rande entstand eine klare Fliissigkeit ohne Randfalten, die beim Eintrocknen wieder neue andere Randfalten bildete. N e w t o n - sche Farbenstreifen ruckten dabei vom Rande nach dem Innern der Lamelle. Die Lamelle wurde durch Eintrocknen dunner. Durch Belichtung bilden sich also neue Schaumwande in der halberstarrten Bromsilbergelatine, die die obere und untere Larnellenflache gegeneinander ziehen und die Lamelle langer and dunner machen.

Bei anderen Versuchen wurde die Bromsilberemulsion mit neun Volumenteilen 5 proz. Gelatinelijsung bei 100O im Dunkeln durch Umschutteln gemischt. Einzelne Tropfen dieser verdunnten Bromsilberemulsion geben auf einer reinen Queck- silberflache unter einer Blechkappe halberstarrte Lamellen von 40-11 mm Durchmesser. Beim Abheben der Blechkappe hildeten die Lamellen im Tageslicht in 5-20 Sek. zahlreiche

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O b e r ~ a i ~ h e n s ~ a n n u n . ~ con Bromsilbergelatine eic. 1 109

radiale Randfalten, die von auBen nach innen liefen. Die Lamelle zeigte am augeren Rande drei Newtonsche E'arben- streifen, welche an derselben Stelle blieben, wahrend die Rand- falten auftraten oder zeitweise verschwanden.

Bei manchen Bromsilbergelatinelamellen traten zuweilen beim Behauchen am Rande und nahe der Mitte neue Palten oder neue Schaumwande im Innern der Lamelle auf. Wurde die Lamelle behaucht, bis alle Falten verschwunden aaren, so erschienen beim Ehtrocknen die neuen Falten erst in der Mitte und dann am Rande. Aus diesen Versuchen folgt, dnA die Falten und unsichtbaren Schaumwande im Innern der Lamelle besonders reichlich und kraftig auftreten bei einem bestimmten Wassergehalt oder einer bestimmten Konzentration der Bromsilbergelatine, indem die durch das Licht abgeschie- denen Schaumwande von olartiger Fliissigkeit bei groBerer oder geringerer Konzentration wieder von der umgebenden Flussigkeit gelost werden.

Die Faltenbildung bestltigt die Resultate der Beobach- tungen unter dem Mikroskop mit S c h l e u s s n e r s c h e r Brom- silbergelatine (5 122) uncl mit AgBr und P-Leim (5 120). Es darf aber nicht unerwahnt bleiben, daR die Bromsilberemul- sionen des Handels gewohnlich Chromatleim enthalten, aus dent bei Belichtung ebenfalls sichtbare und unsichtbare Schaum- wainde abgeschieden werden, wie ich spater ausfuhrlich nach- weisen werde.

Chromatfreie Bromsil bergelatine bildet bei Belichtung ebenfalls Falten nnd Schaumwande im Innern. Tropfen von ausgewaschener Bromsilbergelatine (6 g Ammoniumbromid + 10 g Silbernitrat + 10 g Gelatine + 100 g Wasser) trock- neten auf reinen Quecksilherflachen unter einer Blechkappe in 3 Stunden zu einer Lamelle von 5 cm Durchmesser ein. Bei Belichtung mit Sonnenlicht bildeten sich in 20 Sek. radiale Falten. Die Dicke der Lamelle blieb dabei scheinbar un- geandert, da sich die Newtonschen Farben des Lamellen- randes wahrend der Faltenbildung nicht verschoben.

Ej 124. Bromsilhergelutitzeplatten. I n hochempfindlichen Bromsilbergelatineplatten , welche belichtet , aber nicht fixiert waren, habe ich mit starker VergroBerung zahlreiche kreis- formige und elliptische Kurven wahrnehmen kijniien, die

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1110 G. Quincke.

dunkle Kugeln enthielten oder sich hell zwischen dunklen Massen abhoben. Die kleineren Kugeln hatten 0,0003 bis 0,0026 mm (0,6-5 A) Durchmesser und lagen auf Kreisbogen von 0,003-0,009 mm (6-18 A) Durchmesser. Vereinzelt habe ich auch Doppelkugeln oder Tetraeder , mit groBerer Licht- brechung als die benachbarten Leimmassen und mit kleinen Blasen in den Ecken gesehen, von der gleichen Form, wie die Seifenwasserfiguren in einem P1 a t e a u schen Drahttetraeder (Fig. 173, A, I ) .

Diese Formen beweisen, daB in der Bromsilbergelatine- platte flussige Leimmassen von gr6Berer Lichtbrechung mit einer dunnen Haut olartigen AgBr-Leims bekleidet waren. In der Leimmasse sind zahlreiche Kugeln, Blasen und Schaum- wande aus olartigem AgBr-Leim verteilt. Dieser AgBr-Leim andert sich bei der Belichtung und wird dunkel.

Spater habe ich auf Photographien, die Dr. C a r l Ka i se r - l i n g l) in seinen mikroskopischen Studien iiber das Plattenkorn i n 950 facher VergroBerung veroffentlicht hat, ebenfalls Kugeln vom Durchmesser 2r wahrnehmen konnen, die auf Kreisen oder Schaumkugelflachen vom Durchmesser 2 R verteilt sind. In allen Stadien der Belichtung, Entwickelung und Verstarkung zeigen die Platten

von Bromsilbergelatine (Eosinsilberplatten) . . 1-3 I , 12-201 21- 2 R

Rromsilber Collodiumplatten . . . . . . . 1 20-26 Collodium-Bromsilberemulsionsplatte . . . . 1,6 8-16 Diapositivplatte (Chlorsilbergelatine) . . . . . 1,6 4-8 wilhrend ich mit meinen Messungen fand fur

Bromsilbergelatine . . . . . . . . . . 0,6-5 8-181

mobei I = 0,0005 mm angenommen wurde.

I n den kleinen Kugeloberflachen erscheinen dabei bei allen Stadien der Behandlung durchsichtige Punktchen eingesprengt, die ich fur Linsen von reinem oder AgBr-armem Leim halten mochte, welche in den Schaumkanten festgehalten und durch das Licht gar nicht oder wenig verlindert werden. Diese An- aicht wird durch die am SchluS von § 120 beschriebenen Ver- auche bestatigt.

1) C. K a i s e r l i n g , Photogr. Mitteii. 36. p. 7-11, p. 29-32. 1898.

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Oberfiachenspannurg won Bromsilbergelatine etc. 1 11 1

Da die belichteten Stellen der photographischen Platten die Eigenschaft haben, bei der sogenannten physikalischen Verstarkung aus der Verstarkungsfliissigkeit metallisches Silber aufzuspeichern, so mu8 man annehmen, da6 sich an der Ober- flache der olartigen Schaumwande von AgBr-Leim bei dem Belichten metallisches Silber abscheidet, und durch Kontakt- wirkung die Abscheidung und Anlagerung von metallischem Silber einleitet.

Dies metallische Silber ist nach meinen Versuchen in P-Leim unloslich, wird in Flittern in der Oberflache der Schaum- wande festgehalten und bildet hier die Kondensationskerne der Verstarkungsflussigkeit.

Dunne durchsichtige Silberschichten, welche sich aus einer doppeltkeilformigen Schicht von Mar tinscher Versilberungs- flussigkeit auf der Hypotenusenflache eines rechtwinkligen Glas- prismas abgesetzt hatten, wurden vor und nach langerer Be- riihrung mit wasseriger Losung von P-Leim in der Nahe des Grenzwinkels der totalen Reflexion durch ein Nicolsches Prisma betrachtet. Sie zeigten vor und nach der Behandlung rnit Leimlosung dasselbe Ansehen und dieselben optischen Eigenschaften. Man hat also anzunehmen, da8 metallisches Silber in Leimgallerte unloslich ist.

Die oben beschriebenen kleinen Kugeln von Bromsilber- leim werden in der pralrtischen Photographie als Korner be- zeichnet und gewohnlich fur reines Silberbromid gehalten. Abegg') fand 160000 bis 602000 Korner auf 1 mm2.

Die Bromsilbergelatine wird vor oder nach dem GieBen der Platten langere Zeit im Dunkeln erwarmt und durch diesen sogenannten Reifungrprozep bedeutend lichtempfindlicher, wobei die KornchengroBe zunimmt, nach Eder2 ) von 0,0008 auf 0,003 mm. Nach Li ipps-Cramer3) verhalt sich die Licht- empfindlichkeit einer Emulsion fur das L ippm a nnsche Farbe- verfahren zu der einer modernen Momentplatte wie 1 : 20000. Die Lichtempfindlichkeit wird also durch den ReifungsprozeB bedeutend gesteigert, in Ubereinstimmung mit der alten Angabe von Hardwich (vgl. 5 20).

1) A b e g g , Arch. f. wissensch. Photographie 1. p. 109. 1899. 2) Eder, Handbuch d. Photogr. 3. p. 56. 101. 1902. 3) Lupps-Cramer, Eders Jahrb. p. 165. 1901.

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1112 G. Quincke.

S c h a u m und Bel lachl ) fanden beim ReifungsprozeB eine 7-8 fache VergroBerung des Silberbromidkornes, das bei empfindlichen Platten etwa 0,003 mm (6 A) Durchmesser hatte, in Ubereinstimmung mit den oben angsfihrten Messungen. An den photographischen Abbildungen der ungereiften und ge- reiften Platten dieser Forscher kann ich eine Anordnung der Korner auf Rugelflachen erkennen , deren Durchmesser bei den gereiften Platten etwas griiBer zu sein scheint, als bei den ungereiften. Die Reifung, normales und solarisiertes latentes Bild sollen nach Schaum und Be l l ach durch Oxy- dationsmittel zerstort werden. Platten, welche stundenlang dem Tageslicht ausgesetzt waren, konnen durch Behandlung mit Ammoniumpersulfat wieder zur Aufnahme gebrauchsfahig gemacht werden , unter Herabsetzung der Empfindlichkeit. In feuchter Atmosphare stieg die Dicke der Gelatineschicht von 0,024 auf 0,033 mm unter Herabsetzen der Empfindlich- keit. Beim Austrocknen schien eine Kornverlrleinerung des Bromsilbers stattzufinden (Abgabe des im amorphen Bromsilber gelosten Wassers). Die Zahl der Bromsilberkijrner in der obersten Schicht des Negativs betrug im Mittel 270000 fur 1 mm2. Die Zahl der Silberkorner in der Flacheneinheit der Negativschicht war innerhalb weiter Grenzen unabhangig von der Belichtungszeit und Entwickelungsdauer. Eine sehr korn- reiche Schicht mit groBen Silberpartikeln lag zwischen zwei kornarmen Schichten, deren untere kleinere Kijrner enthielt.

Nach meinen in $5 111, 112, 120 und im Vorstehenden beschriebenen Versuchen hat man die KGrner als Silberbromid- leim und nicht als Silberbromid aufzufassen. Damit stimm6 auch die mehrfach festgestellte Tatsache, daB frische Brom- silbergelatine wenig lichtempfindlich ist, daI3 dielichtempfindlich- keit erst durch den ProzeB des Reifens herbeigefuhrt wird und auf das 20000 fache gesteigert wird durch langeres Erhitzen der Bromsilbergelatine.

8 125. B e r Einflup des Reifens auf die Lichtempfindlichkeit der Bromsilbergelatine. Vielfach bezeichnet man das Qemisch von AgBr und Gelatine vor und nach dem ReifungsprozeG mit dem Namen Emulsion. Ich habe nicht feststellen kSnnen,

1) K. Schaum u. V. B e l l a c h , Physik. Zeitschr. 4. p. 4 u. 40. 1902.

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Oberflachenspannung von Bromsilbergelatine etc. 11 13

woher dieser Xame stammt. Urspriinglich nannte man eine wasserige Fliissigkeit, in welcher Fettkiigelchen schwebten, wie bei der Milch, eine Emulsion. Spater hat man auch wohl eine Triibung fliissiger oder mit fliissiger Haut bekleideter schwebender Teilchen eine Emulsion genannt (5 80). In dieser erweiterten Bedeutung kann man geschmolzene Bromsilber- gelatine auch als Emulsion von AgBr-Leim bezeichnen.

Fliissige oder steife Gallerte sind Schaummassen mit flussigen oder festen Schaum- wanden und sehr kleinen oder unsichtbaren Schaumkammern. Die auf Glasplatten erstarrten Bromsilbergelatineschichten sind steife Gallerte mit halb oder ganz erstarrten Schaumwanden von olartiger AgBr-reicher und wasserarmer Leimlosung 8, die sich in einer wasserreichen und AgBr-armeren Leimlosung B ausgeschieden hat. In den Schaumwanden und besonders in den Kanten der Schaumwande liegen Blasen, Kugeln und Schaumflocken aus der erwahnten Leimlosung A, die gewohn- lich als Korner bezeichnet werden. Der ProzeB des Reifens besteht in einem langeren Erwarmen einer Triibung von Brom- silberleim, wobei die kleinen schwebenden Teilchen zu groBeren Schaumflocken, groBeren Komern, vereinigt werden. Nach dem analogen Verhalten anderer Trubungen geschieht die Flocken- bildung (88 4-1 7) durch periodische Ausbreitung einer fremden Fliissigkeit C an der fliissigen Oberflache der schwebenden Teilchen. Die ,,kleinen" Korner aus AgBr-reicher Leimlosung sind also bei dem ReifungsprozeB mit einer fremden Fliissigkeits- schicht C bekleidet und zu gro8eren Kugeln, Blasen oder Schaumflocken mit kleinerer Oberflache vereinigt worden oder zusammengeflossen.

Nach meinen oben (55 120,12 1) beschriebenenBeobachtungen findet eine Flockung oder eine Bildung neuer Slartiger Kugeln durch Belichtung auch durch rote Belichtung statt und breitet sich Brorn an der Oberflache von olartigem AgBr-Leim aus. Es ware also denkbar , daB auch durch Temperaturerhohung eine kleine Menge AgBr zersetzt und das freigewordene Brom die Fliissigkeit C ware, durch deren Ausbreitung die Flocken- bildung oder Verkleinerung der Oberflache des AgBr-Leims A herbeigefiihrt wird.

Aber da wasserige Leimlijsung in warmem Wasser und

Schaum ist eine geflockte Emulsion.

Annden der Phyaik. IV. Folge. 11. 71

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1114 G. Quinche.

in warmer wasserarmer Leimlosung loslich ist, so kann die Flussigkeit C sehr wohl aus einer AgBr-haltigen Leimliisung lmit groBerem Wassergehalt als die olartige Leimlosung A be- stehen. Auch habe ich in § 111 mit der Rohrchenmethode nachgewiesen , dal3 AgBr-haltiger P-Leim in konzentrierter a-Leimlosung loslich ist , bei geringerem Leimgehalt aber kleine Kornchen abgeschieden werden von groBerem spezi- fischen Gewicht als die Leimlosung, also daB AgBr ab- geschieden wird.

Bei Leimtannatlosung habe ich ebenfalls eine ahnliche Ausbreitung von wasserhaltiger Leimlosung C an der gemein- samen Grenzflache von olartiger Leimtannatlosung A und wasserreicher Leimtannatlosung B beschrieben (55 97 ff.). Diese Ausbreitung bewirkte auch Zerstorung von Schaumwanden oder Flockung oder Emulsionsbildung. Diese Erscheinungen der Ausbreitung und Flockung waren in voller Ubereinstimmung mit den Messungen der GriiSe der Oberflachenspannung an der Grenze der verschiedenen Flussigkeiten.

Wir haben also an der Oberflache der Flocken und Schaum- wande von olartigem wasserarmen Bromsilberleim eine sehr dunne wasserreichere Leimhaut C mit geringerem AgBr-gehalt anzunehmen, deren Dicke und Zusammensetzung von der Temperatur und der Dauer des Reifungsprozesses abhangt.

Wenn ferner in Ubereinstimmung mit den in 8 120 auf- gefuhrten Tatsachen die Loslichkeit des AgBr durch die Gegen- wart von Leim befordert wird und kontinuierlich mit der Menge des Leimes wachst, so ist der AgBr-gehalt der Leim- haut C um so kleiner, je weniger leimhaltig und je dicker diese Leimhaut ist, sobald deren Dicke kleiner ist, als die doppelte Wirkungsweite der Molekularkrafte. Die dunne Leim- haut wird, indem sie dicker wird, dann eine ubersattigte Losung von AgBr und bei der Verhleinerung der OberFache und Per- dichung der Leimhaut C mup AgBr in der Aeimhaut ausgeschieden werden. Diese ausgeschiedenen AgBr-teilchen ohne Leim, von denen jedes einzelne vie1 kleiner als eine Lichtwelle und unsichtbar ist, werden beim Photographieren vom Licht in Silber und Brom gespalten und bedingen die Lichtempfindlich- keit der photographischen Platten. Die unsichtbaren Silber- teilchen bilden das latente Bild.

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OberfEachenspannung von Bromsilhergelatine etc. 11 15

Fur diese Auffassung spricht auch die Tatsache, da13 die Bromsilbergelatineplatten mit der Zeit noch empfindlicher werden, indem sich aus der ubersattigten AgBr-Losung, der Leimhaut C, allmahlich mehr AgBr-Teilchen ausscheiden. Nach M. Wol f l) nimmt die Empfindlichkeit der Schichten beim Lagern bis zum dreifachen Betrage ihres urspriinglichen Wertes zu und erreicht nach einiger Zeit ein Maximum, auf dem sie sich langere Zeit halt. Spater nehmen dann alle Platten wieder periodisch an Empfindlichkeit ab.

Es ist zu erwarten daB durch Temperaturschwankuugen innerhalb gewisser Grenzen die Abscheidung der unsichtbaren AgBr-Teilchen vermehrt und damit die Lichtempfindlichkeit der Platten gesteigert werden kann, indem sich an der Ober- flache des olartigen Bromsilberleims eine neue Haut von wasser- reicherem AgBr-Leim bildet, durch neue Flockung oder Ver- kleinerung der 0 berflache wieder eine ubersattigte Losung von AgBr entsteht und von neuem AgBr-Teilcheu an der Ober- Aache der Schaumwande abgeschieden werden.

I n der Tat wird, wie ich nach dem Niederschreiben der vorstehenden Bemerkung erfahren habe , die Empfindlichkeit der Bromsilbergelatine durch wiederholtes Umschmelzen nach Dav id und Scol ick 2, gesteigert, wobei eine Temperatur von 55-60° nicht iiberschritten werden soll.

Nach meinen 8 120 beschriebenen Versuchen breitet sich olartiger Bromsilberleim in diinnen Schichten auf reinem ol- artigen Leim A aus. Durch Zusatz von konzentrierter Gelatine- losung zu einer Emulsion von olartigem Bromsilberleim wird. sich der olartige Leim A der Gelatinelosung mit einer dunnen Haut von olartigem Bromsilberleim uberziehen und diesem 6lartigen Bromsilberleim eine groBere Oberflache geben, durch deren Verkleinerung dann wieder eine groBere Menge iiber- sattigter Rromsilberlijsung C oder mehr AgBr-Teilchen en& stehen.

Dies erklart die Beobachtung der praktischen Photographie, daB es vorteilhaft ist (nach Dav id und Scol ick) zuerst eine Bromsilberemulsion mit 'Ilo des Gelatinegehaltes herzustellen

1) hl. W o l f , Edera Jahrb. f. Photogr. p. 258. 1892. 2) Ludwig Davih u. Charles Scol ick , Die Photographie mit

Bromsilbergelatine 1. p. 27, 28, 40. Halle a. S. 1889. 71*

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1116 G‘. Quincke.

und spater die iibrigen 9/110 der harten Gelatine (d. h. solcher, welche nach dem Erkalten rasch erstarrt [l. c. p. 22]), zu- zusetzen.

Wenn ferner nach David und Scol ick durch Zusatz von Ammoniak oder Alkohol zu der Bromsilbergelatine der Reifungs- prozeJ3 befordert und die Lichtempfindlichkeit gesteigert wird, so erklart sich dies auch durch die oben (5 121) nachgewiesene Flockung von AgBr-Leim mit Ammoniak oder Alkohol oder die von den Ausbreitungswirbeln dieser Fliissigkeiten herbei- gefiibrte Verkleinerung der Oberflache des olartigen AgBr- Leimes.

Rudo lph Weber l) hat beim Verkleinern von Wasser- oberflachen , welche mi t einer sehr dunnen Olhaut bekleidet waren, ebenfalls Triibungen der Olschicht oder Ausscheidung von Linsen anderer Lichtbrechung beobachtet, wenn die Dicke der Olschicht groBer als 6,23 x 10-6 mm wurde.

Wahrschein- lich werden die AgBr-Teilchen in der Leimhaut C um so leichter vom Licht zerlegt, je kleiner sie sind, und zwar aus folgendem Grunde.

Wenn die grogen Wellen des Ozeans auf seichteres Wasser kommen und ihre Energie auf eine geringere Wassermenge ubertragen, so werden die Wellen hoher und brander,.

Wenn die Wellen eines Erdbebens nach der Spitze eines Berges fortschreiten und immer weniger Masse von der Wellen- bewegung ergriffen wird, 80 werden die Amplituden der scbwingen- den Teilchen grober. Die Amplituden sind am groBten an der Spitze des Berges. Die Gebaude an der Spitze des Berges sind am meisten gefiihrdet, zerfallen am leichtesten zu Triimmern.

In ahnlicher Weise werden auch die Atherwellen des Lichtes die Bestandteile einer chemischen Verbindung urn so- schneller in Schwingungen mit groBer Amplitude versetzen, je geringer die Masse der Verbindung ist, in welcher die Wellen zusammenlaufen und je mehr die Schwingungsperiode der Atherteilchen mit der Schwingungsperiode der chemischen Molekiile zusammen stimmt.

Die am Rande der Schaumwande in den Schaumkanten

0 126. Die chemische N’irkung des Lichtes.

1) R. Weber, Ann. d. Phya. 4. p. 715. 1901.

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OberfEiichenspannung von Bromsilbergelatine etc. 11 17

der Bromsilbergallerte hangenden winzigen Bromsilberteilchen werden in ahnlicher Weise von den Lichtwellen in besonders starke Schwingungen versetzt, wie die Gebaude auf einem Bergriicken durch die Wellen eines Erdbebens.

Das vom Licht abgeschiedene Brom breitet sich nach den oben (0 121) angefuhrten Versuchen auf der Oberflache des Bromsilberleimes B aus und wird durch diese Wirkung der Molekulnrkrafte sofort von dem Silber entfernt, mit dem es verbunden war, sobald es bei genugender Schwingungsamplitude sich auBerhalb der Wirkungsweite dieses Silbers befindet.

Das Silber selbst bleibt in der Schaumwand vom Brom- silberleim A hangen, bildet das latente Bild und kann bei der Verstarkung der photographischen Platte als Kondensations- kern fur neu zugefiihrtes Silber dienen.

Das neu zugefuhrte Silber stammt bei der physikalischen Verstarkung der photographischen Platten aus einer anderen Flussigkeit , welche Silber abscheidet , oder bei der gewohn- lichen Entwickelung der Platten aus dem AgBr des olartigen Bromsilberleimes A, aus welchem die Entwickelungsflussigkeit durch chemische Einwirkung Silber abscheidet. Die Schaum- zellen der Korner aus Bromsilberleim scheinen offene Schaum- zellen zu sein, da sie nur unbedeutende Formanderungen und VolumenvergroBerungen bei diesem EntwickelungsprozeB zeigen.

J e nach der geringeren oder groI3eren Konsonanz der erregenden Atherwellen wird die Amplitude der schwingenden Teilchen des Bromsilbers oder einer anderen chemischen Ver- bindung langsam oder schnell zunehmen und der Zerfall der chemischen Verbindung nach langerer oder kurzerer Bestrahlung eintreten. Dies erklart die von Bunsen und Roscoe l) bei Chlorknallgas eingehend untersuchte Photochemische Induktion, ferner die Erscheinung, daB erst bei einer bestimmten GrbBe von lntensitat x Dauer der Belichkvs oder dem so- genannten Schwellenwert a) eine chemische Zersetzung eintritt ; daB nach P r e c h t a) fir schwaches rotes Licht gleichen

1) R. W. Bunsen u. H. E. Roscoe , Pogg. Ann. 117. p. 529. 1862. 2) H. E b e r t , Eders Jahrb. 1894. p. 16; J. P r e c h t , Arch. f.

wissensch. Photographie p. 189. 1899 ; K. Schwaraschi ld , Beitrsge zur photographischen Photometrie der Gestirne. Publikationen der von Kuffnerschen Sternwarte, V. C. p. 33. Wien 1900.

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Schwarzungsgraden um so grol3ere Produkte Lichtstarke x Belichtungsdauer entsprechen, je geringer die Lichtstarke ist; dab weiter nach Abney I) und Engl i sch2) fur gleiche Licht- intensitat dieselbe Schwarzung der Bromsilbergelatineplatte in kiirzerer Zeit eintritt , als bei intermittierender Beleuchtung. Es ist dann auch verstandlich, daB nach denselben Unter- suchungen von Engl i sch das Verhaltnis der Zeiten, welche bei intermittierender und dauernder Belichtung gleiche Schwar- zung der Bromsilbergelatineplatten hervorbringen, mit der Wellenlange des auffallenden Lichtes und der Periode der intermittierenden Belichtung sich andern. E n g l i s ch sieht freilich die Ursache der chemischen Zerzetzung nicht in einer Resonanz , sondern in einer Druck- oder Zugkraft der Licht- wellen auf die chemischen Molekiile.

Wenn ich die chemische Wirkung der Lichtwellen als eine Resonanzerscheinung auffasse, so wird diese Bnsicht unter- stutzt durch die Versuche von Champion und P e l l e t 3), welche an den Saiten einer Bassgeige Stiickchen Goldschliigerhaut mit Jodstickstoff befestigten. Der Jodstickstoff explodierte bei dem Anstreichen der Saite, sobald dieselben rnehr als 60 Schwin- gungen in der Sekunde machte. Der Jodstickstoff konnte auch durch die Schallwellen einer 2,4 m entfernten Jodstickstoff- explosion zum Explodieren gebracht werden, wenn die Energie der an ihm brandenden Schnllwellen geniigend groB war. Schallwellen einer Pulverexplosion brachten Jodstickstoff im Brennpunkt eines Hohlspiegels nicht zum Explodieren , wohl aber die Schallwellen einer Nitroglycerinexplosion. Der Jod- stickstoff ist also eine chemische Verbindung, die auf vie1 langsamere Schwingungen resoniert, als Bromsilber.

1. Es sind zu unterscheiden die lang- same Wirkung des Lichtes auf ijlartigen Bromsilberleim in

8 127. Resultate.

1) W. d e A b n e y , Proc. Roy. SOC. 54. p. 143. 1893. 2) E. Eng l i s c h , Verhandl. d. Gesellsch. deutsch. Naturforscher,

Diisseldorf, 1. p. 171. 1898, u. E. E n g l i s c h , Das Schwfrsungagesete der Bromsilbergelatine. Habilitationsschrift. So. p. 13 it'. Stuttgart 1901, wo auch die Literatur iiber Abhfngigkeit der Lichtwirkung von Intensittit und Belichtungsdauer zusammengestellt ist.

3) P. Champion u. H. P e l l e t , Compt. rend. 76. p. 210. 1872.

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OberfEOichenspa7inung von Bromsilbergelatine etc. 11 19

der ungereiften Bromsilbergelatine, und die schnelle Wirkung des Lichtes auf Bromsilber in der gereiften Bromsilbergelatine.

2. Durch Belichtung scheidet sich aus Bromsilbergelatine blartiger Bromsilberleim A in kugelfijrmigen Blasen oder in sichtbaren oder unsichtbaren Schaumwanden aus. Aus diesem Bromsilberleirn scheidet sich durch Belichtung langsam metal- lisches Silber ab.

3. Die ,,Kiirner" der gereiften Bromsilbergelatineplatten bestehen aus olartigem Bromsilberleim und nicht aus Brom- silber.

4. In der ungereiften Brornsilbergelatine ist der olartige Bromsilberleim A mit einer unmerklich dicken Haut C yon wasserreicherem und bromsilberarmerem Leim uberzogen. Die Dicke dieser Haut ist kleiner als die doppelte Wirkungsweite der Molekularkrafte oder ' I s Lichtwelle. Bei dem Reifungs-. prozeB der geschmolzenen Brornsilbergelatine wird die Ober- flache des olartigen Bromsilberleims A kleiner, die Dicke der Leimhaut C gro6er, und diese Leimhaut C geht dadurch in eine ubersattigte Losung von Bromsilber uber, aus der sich langsam unsichtbare Teilchen von Bromsilber abscheiden und in der Haut C hangen bleiben. Beim Erkalten erstarren dio Schaumwande von olartigem Bromsilberleim A und die Leim- haut C (oder werden sehr klebrige Fliissigkeit).

5. Der ReifungsprozeB der Bromsilbergelatine entspricht der Flockung truber Losungen. Die Methoden der praktischeri Photographie vergrohern die Empfindlichkeit der gereiften Bromsilbergelatine, indem sie kiinstlich zuerst eine groBe Ober- flache des olartigen Bromsilberleims und eine groBe Leimhaut C schaffen, dann diese Oberache durch husbreitung einer fremden Fliissigkeit (Brom, Ammoniak, Alkohol u. 8.) ver- kleinern und dadurch viele (unsichtbare) Bromsilberteilchen ausscheiden.

6. Durch Belichten zerfallt des Bromsilber in Brom und Silber. Ersteres breitet sich auf der Oberflache des olartigen und erstarrten Bromsilberleimes A aus, die metallischen Silber- teilchen hangen auf dieser Oberflache und in der Leimhaut C fest, bilden das sogenannte latente Bild und sind die Konden- sationskerne, an welche sich durch Kontaktwirkung neue Silber- teilchen anlegen, die aus fremder Silber bildender Fliissigkent

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stammen bei der sogenannten physikalischen Verstarkung oder von den Silberteilchen herriihren, die sich aus dem Brom- silber des olartigen Bromsilberleimes durch die ,,Entwickelung" der photographischen Platte bilden.

7. Das Nachreifen der Bromsilbergelatineplatten erklkt sich durch allmahliche weitere Abscheidung von Bromsilber aus der ubersiittigten Bromsilberlosung C.

8. Die photographischen Bromsil bergelatineplatten werden mit der Zeit unempfindlicher , wenn ein Teil des ausgeschie- denen Bromsilbers sich in der sehr klebrigen olartigen Leim- losung A wieder auflost, oder wenn die Wande von Brom- silberleim durch starken Wasserverlust verhornen.

9. Die chemische Wirkung des Lichtes auf Bromsilber ist eine Resonanzerscheinung. Die Bromsilberteilchen zer- fallen um so eher, je groDer die Amplitude der schwingenden Teilchen ist; bei gleicher Energie der Lichtwellen urn so eher, je kleiner die MaBe der schwingenden Teilchen ist.

10. Mit dieser Auffassung sind in voller clbereinstimmung eine Reihe bekannter Erscheinungen, wie die photochemische Induktion, der Schwellenwert oder die kleinste Belichtung, welche einen Zerfall des Bromsilbers oder eine merkliche Schwarzung bewirkt, die verhaltnismaSig geringere Wirkung schwacher Belichtung, die Unterschiede kontinuierlicher und intermittierender Belichtung und die Abhangigkeit der Schwar- zung von Periode und Wellenlange der intermittierenden Be- lichtung.

Ich machte auch an dieser Stelle dem fruheren und dem jetzigen Assistenten am hiesigen physikalischen Institut, Hrn. Prof. Dr. J. P r e c h t und Hrn. Dr. R. Weber , meinen besten Dank aussprechen fur ihre freundliche Mitwirkung bei diesen Untersuchungen.

He ide lbe rg , den 24. Februar 1903. (Eingegangen 28. April 1903.)