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Dagmar Werther (Hrsg.) Vision – Mission – Werte Die Basis der Leitbild- und Strategieentwicklung 322 Seiten. € 39,95 D ISBN 978-3-407-36546-0

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Dagmar Werther (Hrsg.)Vision – Mission – WerteDie Basis der Leitbild- und Strategieentwicklung322 Seiten. € 39,95 DISBN 978-3-407-36546-0

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Individualcoaching und das Finden von VisionenJudith Bergner

Umfeld und Bedingungen, in denen Coachings stattfinden

Merkmale stabiler, belastungs- und leistungsfähiger MenschenDer Coachingsprozess folgt der Vorstellung und dem Grundverständnis ei-nes gesunden Menschen, dessen Dasein mit Sinn erfüllt ist, der sich selbst motivieren und seine Stimmung regulieren kann. Er ist im Einklang mit sich. Kopf (analytisches Denken), Herz (Gefühl für das, was bedeutsam und wichtig ist) und Hand (eigene Handlungsmöglichkeiten) stimmen überein. Coaching soll den Coachee dabei unterstützen, motiviert und engagiert die hohen Anforderungen zu meistern, die ihm eine komplexe Arbeitswelt auf-erlegt. Welche Voraussetzungen müssen geschaffen werden, um diesen Auf-gaben gewachsen zu sein, um leistungsfähig und gesund zu bleiben? Die Definition der WHO, was Gesundheit ist, bietet auch für das Coaching ein hilfreiches Grundverständnis.

In diesem Beitrag geht es um das Umfeld, um die Bedingungen, in denen heutzu-tage Coachings stattfinden, und wie durch ein gezieltes Individualcoaching Visi-onen entwickelt werden können. Dieses Coachingvorgehen, das die notwendige innere Orientierung erzeugt, wird in seinen vier Phasen ausführlich dargelegt:

� Phase 1: Zunächst gilt es, sich selbst, den eigenen Lebensweg und das damit verbundene Erleben zu akzeptieren.

� Phase 2: Anschließend wird der Zugang zum »Selbst«, zu den eigenen Werten und Motiven hergestellt.

� Phase 3: Damit ein starkes Bild für die eigene Zukunft enstehen kann, wird kreatives Denken ermöglicht.

� Phase 4: Schließlich werden Handlungsenergie und Motivierung erzeugt, da-mit das Notwendige getan wird, um die eigene Vision Wirklichkeit werden zu lassen.

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Belastungsfähige, »resiliente«, emotional stabile Menschen zeichnen sich da-durch aus, dass sie in der Lage sind, wertvolle Absichten für sich und ihr Leben zu bilden und diese Absichten zu verfolgen. Sie sind nicht leicht zu irritieren, wenn es einmal nicht nach ihrem Plan läuft und können Frustrationen tole-rieren. Sie blicken grundsätzlich zuversichtlich auf die Herausforderungen, die das Leben für sie bereithält. Sie können mit Rückschlägen umgehen und negative Erfahrungen kompensieren. Sie sind emotional stabil auch dadurch, dass sie in der Lage sind, ihre Emotionen zu regulieren. Sie können ihre eige-nen Gefühle wahrnehmen, angemessen ausdrücken und das eigene Verhal-ten reflektieren. Das heißt auch, sie bringen sich in eine gute Stimmungslage, um sich selbst zu motivieren. In Stresssituationen sind sie fähig, sich selbst zu beruhigen und fokussieren sich dadurch leichter, auf das, was in einer An-spannungssituation wichtig ist. Sie geben sich nicht die »Schuld«, wenn etwas misslungen ist und präsentieren sich nicht als Opfer ihrer Lebensumstände. Gleichwohl sind sie bereit, Verantwortung für das zu übernehmen, was sie erleben. Schwierigkeiten und Probleme lösen sie nicht allein, sie nehmen von anderen Unterstützung an. Sie sind bereit, viel dazuzulernen.

Kohärenz als Grundlage für ein erfülltes (Arbeits-)LebenAaron Antonovsky widmete seine Forschungsarbeiten den Bedingungen, die Gesundheit erzeugen. Nicht das, was krank macht, interessierte ihn, son-dern das, was gesund und leistungsfähig erhält. Der Kernbegriff seiner Ar-beiten ist das Gefühl von Kohärenz (cohaerere: lat. zusammenhängen), ein tief verankertes Gefühl des Vertrauens in das Leben – als Voraussetzung für den Erhalt physischer und psychischer Gesundheit. Dieses Gefühl der Kohä-renz schützt bei Belastungen und bildet die Grundlage seines Salutogenese-Modells: »Das Kohärenzgefühl ist eine globale Orientierung, die ausdrückt,

Was ist Gesundheit?

»Gesundheit ist ein Zustand des völligen körperlichen, geistigen, seelischen und so-zialen Wohlergehens, nicht nur die Abwesenheit von Krankheit oder Gebrechen.« So zu lesen in der Verfassung der Weltgesundheitsorganisation vom 22. Juli 1946. Ergänzt wurde diese Definition durch die Ottawa-Charta für Gesundheitsförderung im Jahr 1986: »Gesundheit ist ein zentraler Bestandteil des alltäglichen Lebens. Sie wird gefördert durch die Kompetenz zur aktiven Bewältigung des Lebens, zur Prob-lemlösung und durch die Fähigkeit, die eigenen Gefühle zu regulieren.«

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in welchem Ausmaß man ein durchdringendes, dynamisches Gefühl des Vertrauens hat, dass die Stimuli, die sich im Verlauf des Lebens aus der inneren und äußeren Umgebung ergeben, strukturiert, vorhersehbar und erklärbar sind; einem die Ressourcen zur Verfügung stehen, um den An-forderungen, die diese Stimuli stellen, zu begegnen; diese Anforderungen Herausforderungen sind, die Anstrengung und Engagement lohnen« (Anto-novksy 1997, S. 36).

Im Coaching geht es daher darum, diese Kohärenz aufrechtzuerhalten beziehungsweise herzustellen. Für die Klienten ist es wichtig, das Grund-vertrauen darin zu entwickeln, dass die Ereignisse im gegebenen Kontext in sich zusammenhängen, nachvollziehbar und kreativ bewältigbar sind. Die Möglichkeit und die Fähigkeit, selbst bestimmte Ziele zu verfolgen und zu erreichen, die einem am Herzen liegen, schaffen die Voraussetzung für Re-silienz und Leistungsfreude. Es gibt nicht immer offenkundige Handlungs-spielräume und Partizipationsmöglichkeiten beim Gestalten von Prozessen und Zielen, damit die Tätigkeit in einem Unternehmen auch zum eigenen Lebenswerk werden kann. Dabei ist die Übereinstimmung der eigenen Wer-te und Motive mit den Zielen des Unternehmens, in dem man tätig ist, ein natürliches Bedürfnis, das dafür sorgt, dass die persönliche Integrität und Motivation erhalten bleibt.

Merkmale komplexer Arbeitswelten Coaching in beruflichen Zusammenhängen findet immer in einem Kontext statt. Der Klient bewegt sich in einem komplexen, sozialen und offenen Sys-tem. Komplexe Systeme unterliegen anderen Regeln als komplizierte Syste-me. Komplizierte Sachverhalte sind durch einen mechanistischen Denkstil beherrschbar und beruhen auf Ursache-Wirkungs-Konstellationen. Dieser Denkstil ist hilfreich, wenn es um die Konstruktion hochkomplizierter Pro-dukte, wie beispielsweise Autos mit gut 3 000 Bauteilen, um Kaffeevollauto-maten oder Computertomografen geht. Er ist nicht mehr adäquat, wenn es darum geht, komplexe Zusammenhänge zu erfassen und sich darin ange-messen zu verhalten.

Komplexität wird in einem sozialen System wie einem Unternehmen durch Akteure erzeugt, die in vielfältigen Beziehungen und Konstellatio-nen miteinander kommunizieren. Die Art der Kommunikation innerhalb der Systemregeln erzeugt Verhalten. Es sind also die Regeln des Systems, die ein bestimmtes Verhalten zur Folge haben. Sie wirken stärker als die indivi-

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duelle Überzeugung. Der Coach erkundet die Spielregeln, die Muster, nach denen sich die Akteure verhalten und betrachtet sein Gegenüber sowohl in seiner Individualität als auch als Spielfigur in einem Spiel.

Systemkompetenz bedeutet hier vor allem: Muster erkennen können. In komplexen Systemen kommt es zu Ereignissen, die nicht vorherzusehen wa-ren: nicht lineare Ereignisse. Kleine Störungen des Systems oder minimale Unterschiede in den Anfangsbedingungen führen zu unkalkulierbaren Er-gebnissen, die sich den Risikomanagementinstrumenten entziehen. Einfach ausgedrückt: Die zunehmende Vernetzung hat die Welt unsicherer gemacht. Wer hätte prognostizieren können, dass im Juli 2009 die kostenlose SMS-Applikation »WhatsApp« ein ertragreiches Geschäftsmodell der Service-Provider in kurzer Zeit obsolet macht? Wie kann sich eine Führungskraft auf Ereignisse dieser Art einstellen und bei aller Ungewissheit intelligente Entscheidungen treffen?

Der Kontext, in dem berufliches Coaching als Unterstützungsfunktion auftaucht, ist geprägt von den Eigenschaften der globalisierten Wirtschafts-welt. Der globale Wettbewerb bringt Erscheinungen hervor, die im kollekti-ven Zusammenwirken aus sich selbst heraus entstehen, ohne dass ein einzel-ner Akteur diese erzeugen könnte (das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile). Diese Erscheinungen sind heute: Arbeitsverdichtung, Beschleuni-gung, Leistungssteigerung, Effizienzsteigerung und Potenzialausschöpfung.

Das globale Wirtschaften bedeutet aktuell: Der Druck auf die Akteure wächst. Maßnahmen zur Leistungssteigerung und -erhaltung werden in-stalliert.

Beispiele für Maßnahmen zur Effizienz- und Leistungssteigerung

Ein Automobilkonzern setzt aktuell ein Coaching-Begleitprogramm für alle Fahr-zeugentwicklungsteams auf. Diese Teams sollen in den nächsten drei Jahren unter wachsendem Kosten-, Effizienz- und Wettbewerbsdruck eine Reihe von neuen Fahr-zeugmodellen entwickeln, die dann erfolgreich vermarktet werden sollen. Zahlrei-che Coaches sollen dafür sorgen, dass dies den Teams gelingt, ohne unter den zu erwartenden Interessenskonflikten der beteiligten unterschiedlichen Akteure zu kollabieren. Google unterstützt die weiblichen Führungskräfte darin, ihre Eizellen einzufrieren, damit die jugendliche Tatkraft und Vitalität gänzlich den unternehmerischen Wachs-tumszielen zur Verfügung steht und nicht für Familiengründung und Kinderbetreu-ung »verschwendet« wird.

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Die Identität des menschlichen Daseins ergibt sich nur mehr aus ihrem Nutzwert für die unternehmerische Wertschöpfung. Diese Entwicklung hat sich im globalen Wettbewerb so ergeben und hat letztlich die radikale Aus-nutzung der menschlichen Ressourcen zur Folge: Sie führt zu Erschöpfungs-syndromen, Depressionen, Angsterkrankungen und weiteren somatoformen Störungen, wie die Zusammenstellung aktueller Studien des Bundesamts für Arbeitsschutz zum Thema Arbeitsbelastungen eindrücklich belegt.

Der Zusammenhang zwischen negativem beruflichen Stress und dem Auftreten von psychischen Störungen ist nachgewiesen. Die WHO zusam-men mit der Weltbank prognostizieren (Moussavi 2007; Ferrari 2010), dass bis zum Jahre 2020 depressive Verstimmungen nach den ischämischen Herz-erkrankungen vor allen anderen Krankheiten auf dem Rangplatz 2 der welt-weiten Krankheitsbelastung stehen werden (heute Rang 4). Sozial- und Ar-beitsmediziner gehen nach den Ergebnissen einer DAK-Expertenbefragung (DAK Gesundheitsreport 2005, S. 136) davon aus, dass wir es mit einer signi-fikanten Zunahme von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen zu tun haben. Allein in Deutschland stiegen aufgrund seelischer Leiden im Jahr 2010 etwa 70 000 Beschäftigte vorzeitig aus dem Berufsleben aus – Ten-denz steigend. Die volkswirtschaftlichen Kosten werden in Deutschland mit 29 Milliarden Euro pro Jahr beziffert. Dem tief greifenden Wandel von Ge-sellschaft und Arbeitswelt wird als Auslöser für Verunsicherung, Distress und psychische Erschöpfung hohe Bedeutung beigemessen.

Die wesentlichen Bedingungen, die Gesellschaft und Arbeitswelt heute bestimmen, sind die Vorherrschaft der Ökonomie und die Instabilität fast aller Lebenswelten. Die oberste Maxime für die Gestaltung jedes Lebensbe-reichs ist das ökonomische Prinzip. Effizienz und Effizienzsteigerung sind angesagt. Das ist so selbstverständlich, dass es meistens nicht hinterfragt wird. Die gesamte Gesellschaft wird »unternehmerisch« gedacht und »Un-ternehmerverhalten« wird als Rollenideal angepriesen, das wir schätzen und pflegen sollten.

Zu beachten ist aber: Stabile soziale Beziehungen sind eine Grundlage für seelische und körperliche Gesundheit, das bestätigen Forschungsergebnisse aus Psychologie und Neurobiologie. Menschen brauchen Klarheit, Zielorien-tierung und ein Gefühl des Aufgehobenseins – sowohl im Beruf als auch im Privatleben. Die Realität aber sabotiert heutzutage genau diese Grund-bedürfnisse. Sich in Arbeitswelten zu bewegen heißt Konkurrenzdruck, Arbeitsplatzunsicherheit, Verlust der Solidarität, steter Leistungsvergleich,

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über den die individuelle, persönliche Identität definiert wird. 100 Prozent Zielerreichung ist nicht mehr gut genug. Übererfüllung der Zielvereinba-rung wird im außertariflichen Bereich erwartet. Dafür gefordert wird: stän-dige Erreichbarkeit, überlange Arbeitszeiten, Flexibilität und höchste sozi-ale wie personale Kompetenz, damit gesetzte Ziele unter hohem Zeitdruck und bei hoher Arbeitslast dennoch erreicht werden.

Paul Goodman, einer der Begründer der Gestaltpsychotherapie, prognos-tizierte schon in den 1970er-Jahren eine »Welt ohne Asyl«. Da die Sicherheit und Stabilität im Außen durch die zunehmende Komplexität abnimmt, wird das Geborgensein im Inneren, mit sich selbst wesentlich.

Dies ist der Hintergrund, vor dem Coaching im Sinne der eigenen Ori-entierung und eigenen Visionsbildung seine Berechtigung erhält. Motivie-rung für eine Zielerreichung zu erzeugen erfordert Identifikation. Damit das berufliche Wirken als sinnvoll und erfüllend erlebt wird, folgt es der Identifikation mit dem, was als wertvoll empfunden wird. Eine natürliche Folge ist ein Bild, eine Vorstellung oder Vision dessen, wofür das eigene Le-ben steht. Ein Lebensweg, der in dieser Weise einer Vision folgt, ermöglicht ein Gefühl von Kohärenz: Das, was ich tue, mit wem ich es tue, wo ich es tue und wie ich es tue, entspricht mir, gibt meinem Leben Sinn und obliegt meiner Kontrolle. Dies zu unterstützen, ist Absicht des vorgestellten Coa-chingprozesses.

Individualcoaching: Phasen, methodischer Ansatz und Ablauf

Visionsfindung in vier PhasenGrundlage für dieses Vorgehen sind Konzepte der Systemtheorie, Gestaltpsy-chotherapie, Hypnotherapie und Acceptance-Commitment-Therapy (ACT) so-wie die Forschungsergebnisse Julius Kuhls zu neuronalen Bedingungen der Selbstmotivierung. Es heißt »keine Methode ohne Konzept«. Deshalb emp-fehle ich im Zweifel, sich in die konzeptionellen Hintergründe der Methoden einzuarbeiten. Dann werden Sie sie sicherer anwenden können. Langjährige Erfahrungen in der Beratung unterschiedlicher Veränderungsprojekte und in der Begleitung zahlreicher Führungskräfte in Team- und Einzelcoachings haben mir gezeigt, dass im Wesentlichen vier Phasen für die Visionsfindung und Umsetzung durchlaufen werden müssen:

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� Phase 1: Sich selbst, den eigenen Lebensweg und das damit verbundene Erleben akzeptieren.

� Phase 2: Zugang zum »Selbst«, zu den eigenen Werten und Motiven her-stellen.

� Phase 3: Kreatives Denken ermöglichen, damit ein starkes Bild für die eigene Zukunft entstehen kann.

� Phase 4: Handlungsenergie und Motivierung erzeugen, damit das Not-wendige getan wird, um die eigene Vision Wirklichkeit werden zu lassen.

Geeignet ist dieser Ansatz für Menschen,

� die sich in einem Dilemma befinden, in einem inneren Konflikt zwi-schen zwei oder mehreren Interessen

� die das Gefühl haben, sich nicht mehr zu spüren, die nicht wissen, was ihnen guttut

� die sich immer wieder fragen: Wofür tue ich mir das alles an? � die sich erschöpft fühlen � die sich nicht motivieren können � die meinen, freundlich zu sein und dennoch auf Ablehnung und Miss-

trauen stoßen � die sich schnell aufregen und reizbar sind � die das Gefühl haben, sich selbst im Weg zu stehen � die vieles tun könnten, aber keine Ahnung haben, was sie tun wollen � für die ihre Arbeit zur Anstrengung geworden ist � für die eine anstehende berufliche Veränderung (zum Beispiel Beförde-

rung) Zweifel auslöst

Der genaue Ablauf und die beabsichtigten Ergebnisse eines Coachingpro-zesses entwickeln sich beim ersten Klärungsgespräch und Kennenlernen des Klienten. Das heißt: Der vorliegende Ablauf beginnt nach dem ersten Gespräch und wird auf sechs bis zehn Sitzungen prognostizert. An einem konkreten Beispiel schildere ich die Vorgehensweisen und gebe Hinweise, worauf Coaches zu achten haben.

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Dem bisherigen Verlauf des Lebens auf die Spur kommen, das damit verbundene Erleben akzeptieren

Fallstudie: Herr M. ist Ingenieur in einem deutschen Automobilkonzern. Er suchte sich Beratung, weil er Mühe hatte, sich zu motivieren und Begeisterung für neue Vorhaben im Geschäft zu entwickeln. Er war unsicher, ob er die in Aussicht gestellte Beförderung überhaupt wollte. Sein Vorgesetzter wird für ein Jahr wegen diagnos-tizierten Burnouts ausgefallen. Nun möchte er klären, wie er reagieren soll, wenn ihm offiziell angeboten wird, in die nächste Ebene aufzusteigen, wie es überhaupt weitergehen soll. Das Potenzial dazu wurde ihm bereits bestätigt.

Phase 1: Die Lebenslinien und den Kontext des Klienten erkundenInstrument: Biografiearbeit, Lebenslinien erfassen.

Hilfsmittel: Pinnwand oder Flipchart, farbige Filzstifte.

Dieser Prozess beginnt mit einem Rückblick auf das bisherige Leben. Der Klient er-innert sich und malt beziehungsweise skizziert auf einem Blatt Papier in großem Format (DIN A3 oder Flipchartbogen) seinen Lebensweg bis heute auf, beginnend bei der Geburt. Der Coach unterstützt ihn dabei auch mit Fragen:

� In welche Familie wurde der Klient »hineingeboren«? � Was machten die Eltern? � Wie entwickelte sich der weitere Weg? � Welche Meilensteine haben den Lebensweg bestimmt? � Welche wichtigen Entscheidungen führten zu Weggabelungen? � Wie wurden die Entscheidungen getroffen? � Welche Umwege gab es? � Welche wichtigen Ereignisse gab es? � Welche bedeutsamen Personen gab es? Was hat der Klient von diesen bekom-

men und mitgenommen? (Förderliches und Hinderliches) � Wer war für ihn Vorbild? Welche Qualitäten haben ihn angesprochen? � Welche Höhen und Tiefen gab es? Wie ist der Klient damit umgegangen?

Hinweise für den Coach: Der Coach schafft den Raum dafür, dass der Klient Kontakt mit sich, seiner Geschichte und seinem Erleben aufnimmt. Es mag an-gemessen sein, zwei Linien für Beruf und Privates zu zeichnen. Eine wohlwol-lende und meinungsfreie Art der Teilnahme ist hilfreich. Interessiertes, nicht drängendes Nachfragen unterstützt die Selbsterforschung des Klienten. Das Ergebnis ist Akzeptanz: So hat sich mein Leben entfaltet  – so habe ich es er-lebt und so bin ich damit umgegangen. Es wird klar, was in der Vergangenheit wichtig war, warum der Klient in bestimmten Situationen so entschieden hat.

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In dieser Phase tauchen in der Regel Introjekte auf. Das sind Botschaften und Impe-rative, die das heranwachsende Kind von seinem Umfeld bekommen und sich unwill-kürlich zu eigen gemacht hat. Sie wirken unbewusst und beeinflussen das Denken und Handeln. Das können Sätze sein wie: »So, wie Vater mich damals behandelt hat, so behandle ich mich heute selbst.« Wenn Introjekte ins Bewusstsein kommen, ver-lieren sie ihre unbewusste Auftragsqualität. Die Betrachtung der Lebenslinien dauert in der Regel eineinhalb bis drei Stunden.

Hintergrund: Biografiearbeit, Gestaltpsychotherapie: Introjekte.

Fallstudie: Herr Maier berichtet unter anderem von seinem Vater, ein Mann, der für alles eine Lösung fand: »Geht nicht – gibt es nicht!« Er verkörpert den fleißigen und strebsamen Schwaben. Von ihm bekam er einmal einen kleinen Modellmotor geschenkt, den der Großvater noch gebaut hatte. Mathematik und Physik haben ihm in der Schule am meisten Spaß gemacht. Seine Lieblingsbeschäftigung war lange Zeit die Modelleisenbahn. Maschinenbau zu studieren war eine wichtige Entschei-dung. Das Studium machte ihm meistens Freude und die anschließende Promotion

Betrachtung der Lebenslinien

Alter

Zufriedenheit/Stimmung

sehr hoch

sehr niedrig

privat

Beruf undAusbildung

Trennung Eltern

Chef langfristigerkrankt, Projekte

Hochzeit

?

Partnerinkennengelernt

Schuleintritt

Abi, BeginnStudium

Maschinenbau

erste Freundin

Auslands-aufenthalt

Potenzialanerkannt

OEM-Eintritt

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ergab sich wie automatisch. Mit seinem Professor hat er bis heute Kontakt. Als er sich erfolgreich bei einem Automobilkonzern bewarb, ging ein Traum in Erfüllung. Wermutstropfen war ein langes Singledasein. Mittlerweile ist er glücklich verheira-tet, leider keine Kinder. Momentan arbeitet er in der Position eines Abteilungsleiters.

Instrument: Kontexterfassung der aktuellen Lebens- und Arbeitssituation.

Hilfsmittel: Flipchart, farbige Filzstifte.

Ist die Vergangenheit gewürdigt und der Lebensweg bewusst, liegt es nahe, den aktuellen Lebens- und Arbeitskontext des Klienten zu erkunden:

� Wo steht der Klient heute? � Wie sieht das Kräftefeld aus, in dem er sich täglich bewegt? Wer steht wo? Wer

hat wem etwas zu sagen? Wer ist von wem abhängig? Dabei ist es wichtig, Ar-beitskontext, Ehrenämter, Familie et cetera miteinzubeziehen.

� Welche typischen Interaktionen gibt es? � Wie reagiert der Klient innerlich auf das Geschehen um ihn herum? � Was hat er zu leisten? � Womit schlägt er sich herum? Wo gibt es sich widersprechende Erwartungen?

Teilprozess

OPTIMIERENKosten alles

Teilprozess Teilprozess

eigene Situation

unbefriedigend, ratlos

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Hinweise für den Coach: Die Erkundung bezieht sich auf die Phänomenologie der Klientensituation, diese soll mithilfe dieses Instruments von den damit verbundenen Kognitionen (Gedanken, Bewertungen, Urteile, Hypothesen, Annahmen) des Klien-ten unterschieden werden. Kognitionen wie »Wenn ich meine Meinung sage, mache ich mich unbeliebt« werden aufgeweicht durch das Anbieten anderer Hypothesen des Coachs. Er kann sagen: »Das könnte passieren, es könnte auch etwas anderes passieren …« Ein Zustand der Ambiguität wird mit dieser Übung beabsichtigt: Die ACT-Autoren nennen diesen Zustand »kreative Hoffnungslosigkeit«. Die Akzeptanz dieses Zu-stands auf beiden Seiten ist die Quelle für neue Erfahrungen und Erkenntnisse. Das Vermeiden unangenehmer Gefühle führt zu Blockaden. Auch hier ist die Haltung des Coachs meinungsfrei, forschend.

Achten Sie darauf, welche Erlebnisse der Klient durch sein Verhalten zu vermeiden sucht. Ist es zum Beispiel Abgrenzung? Tut er alles, um gemocht zu werden? Das sind Fallstricke, die der Umsetzung der eigenen Vision im Weg stehen können. Es reicht, die Fallstricke als solche anzuerkennen, es muss nichts weiter damit »ge-macht« werden. Dieser Prozess dauert in der Regel eine Stunde bis eineinhalb Stunden.

Hintergrund: Systemtheorie, Merkmale und Mustererkennung im Klientensystem, Bewältigungsstrategien und Abwehrmechanismen

Fallstudie: Herr M. beschreibt seine Situation: Seine Frau würde zwar sagen, es sei seine Entscheidung, ob er die Karriereleiter weiter hinaufsteigt, aber er spürt, dass sie es sich wünscht. Unter dem unerfüllten Kinderwunsch leiden beide. Er hat den Eindruck, dass sie sich beide in die Arbeit hineinsteigern und zu wenig Abstand dazu finden. Die sich widersprechenden Anforderungen zwischen seinen Projekt- und Linieninteressen machen ihm zu schaffen. Sein Vorgesetzter möchte ihn als Nachfolger, denn er wird – nach seiner Reha-Maßnahme und mit dem Wiederein-stieg in die Arbeitswelt – in einen ganz anderen Unternehmensbereich wechseln. Steigt Herr M. in die nächste Ebene auf, wird das Spiel politischer und er kann es sich nicht mehr erlauben, kritisch zu denken und schon gar nicht zu sprechen. Diese Tatsache stelle ich als Hypothese heraus. Sein bisheriger Vorgesetzter ist der krea-tive Kopf und »Spinner« der Abteilung. Es wurmt ihn zudem ein wenig, dass andere befreundete Kollegen, die zum Teil jünger als er selbst sind, schon die Hauptab-teilungsebene erreicht haben. Gebetsmühlenartig fragt er in der Sitzung immer wieder: Will ich das eigentlich? Am Ende der Sitzung lade ich Herrn M. ein, die Frage umzuformulieren: Was will ich eigentlich? Und er soll diese Frage möglichst lange offenhalten.

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Phase 2: Zugang zum Selbst ermöglichenDie Erkundung des Kontexts hat oft zur Folge, dass sowohl die private als auch die Arbeitssituation anschließend aufmerksamer erlebt wird. Die folgenden Sitzungen beginnen immer mit einer kurzen Reflexion über die Nachwirkungen der letzten Sitzung und die Ereignisse in der Zwischenzeit. Diese Phase umfasst in der Regel eine Sitzung von eineinhalb Stunden.

Instrument: Selbstwahrnehmungsübung: Body Scan nach Jon Kabat-Zinn.

Nach einer kurzen Einführung zur Bedeutung der Selbstwahrnehmung für die eigene Orientierung und ein authentisches Leben und Arbeiten praktiziert der Klient unter Anleitung die Körperwahrnehmungsübung (Dauer: etwa 20 Minuten). Sie führt zur Aufmerksamkeitssteigerung und Präsenz bei gleichzeitiger Entspannung.

Hilfsmittel: Anleitungen können im Internet heruntergeladen werden: � http://www.tk.de/tk/enstpannungstechniken/meditation/mp3-body-scan/612168 � http://www.meditation-school.com/blog/anleitung-body-scan/ � http://www.achtsamleben.at/praxis/bodyscan/

Hinweise für den Coach: Diese Übung dient der Vorbereitung für die Tranceinduk-tion. Bei Klienten, die Erfahrungen mit Meditation und Selbstwahrnehmung haben, kann man direkt mit der Tranceinduktion beginnen.

Instrument: Einfache, leichte Tranceinduktion zur »Beratung mit bedeutsamen Menschen«.

Der Trancezustand schafft einen direkten Zugang zum Unterbewussten, das heißt zum unwillkürlichen Denken, zur rechten Gehirnhälfte. Dort sind sämtliche Lebens-erfahrungen abgespeichert. Das ist auch der Bereich, der kreatives Denken und Spontaneität ermöglicht. Präsenz durch die Wahrnehmung des Körpers und Zugang zu emotional bedeutsamen Lebenserfahrungen werden dadurch erreicht.

Hilfsmittel: Anleitung »Trance zur Begegnung mit bedeutsamen Menschen«.

Die Tranceinduktion kann mit folgenden Worten angeleitet werden: »Wir machen nun die ›Trance zur Begegnung mit bedeutsamen Menschen‹. Setzen Sie sich bitte so hin, dass Sie es möglichst bequem haben. Richten Sie es sich ganz bequem ein, sodass Sie für etwa eine halbe Stunde so sitzen können, ohne sich extra anstrengen zu müssen. Vielleicht möchten Sie Ihre Augen jetzt zufallen lassen, vielleicht auch

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erst etwas später. Nehmen Sie wahr, wie der Atem sich anfühlt, wenn er in die Nase hineinströmt, und wir er sich anfühlt, wenn er wieder ausströmt. Spüren Sie den Sessel, der Sie trägt und erlauben Sie sich, noch ein wenig tiefer hineinzusinken … Ganz genau so. Der Atem geht leicht und tief, der Körper kann noch mehr entspannen. Vertrauen Sie sich noch ein wenig mehr Ihrem Sessel an. Spüren Sie, wie gut es tut, dass es nichts zu tun gibt … Sie können weder etwas richtig, noch etwas falsch machen. Gönnen Sie es sich, noch ein wenig schwerer in den Sessel zu sinken. Wenn Sie es als ange-nehm empfinden, dann signalisieren Sie dies mit einem leichten Kopfnicken. Wenn es nicht der Fall ist, dann schütteln Sie leicht mit dem Kopf. Ich weiß dann, dass Sie andere Erfahrungen mit der Entspannung gemacht haben … Danke.Lauschen Sie meiner Stimme und lassen Sie beim Ausatmen noch ein wenig mehr los. Vielleicht tauchen Gedanken auf, auch damit müssen Sie nichts tun. Bemerken Sie die Gedanken so, wie Sie Wolken schon einmal beobachtet haben, die an einem Sommerhimmel vorüberziehen. Gut so. Lassen Sie die Gedanken weiterziehen und nehmen Sie wahr, was immer gerade in Ihrer Aufmerksamkeit auftaucht, ohne etwas damit zu tun. Erlauben Sie sich für eine Weile, das Tagesgeschehen mit allen Verpflichtungen unwichtig werden zu lassen und meiner Stimme zu folgen. Die Verbindung zur Außenwelt ist für eine kleine Wei-le nur meine Stimme. Dabei können Sie entspannen, sich anvertrauen und gleichzei-tig innerlich ganz wach und bewusst bleiben. Etwas in Ihnen wird Ihnen helfen, mit Ihrer Aufmerksamkeit ganz bei meiner Stimme zu bleiben, während Sie gleichzeitig mehr und mehr loslassen.Sehr, sehr gut. Jetzt atmen Sie tiefer und tiefer in diesen angenehmen Zustand hinein und dehnen das angenehme Gefühl der Entspannung vom Scheitel bis zur Sohle aus. Erlauben Sie sich nun, in Ihrer Vorstellung an einen Ort zu gehen, der Ihnen ge-fällt, wo Sie sich wohlfühlen. Das kann ein Café sein in einer bestimmten Stadt, ein Stadtpark mit Spazierwegen und Ruhebänken oder auch ein Platz am Meer, ein Platz irgendwo in der Natur, vielleicht eine Berghütte. Lassen Sie es einfach geschehen, dass der Ort vor Ihrem inneren Auge auftaucht. Es ist unerheblich, ob dieser Ort nur in Ihrer Fantasie existiert oder ob Sie tatsächlich schon einmal dort waren. Nehmen Sie sich alle Zeit, die Sie brauchen, damit dieser Ort auftauchen kann. Lassen Sie sich Zeit. Und wenn Sie dort sind, dann geben Sie mir ein kleines Zeichen, indem Sie kurz mit dem Kopf nicken. Eilen Sie sich nicht, lassen Sie sich Zeit. Lassen Sie sich nun an diesem Ort nieder und genießen Sie die Umgebung.Erlauben Sie sich nun, diesen Ort genauer wahrzunehmen. Wie fühlt sich die Tem-peratur an? Welche Geräusche können Sie hören? Gibt es vielleicht auch einen Ge-ruch? Wonach riecht es an diesem Ort? …

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Während Sie diesen Ort genießen und um sich schauen, bemerken Sie, dass Sie be-reit sind für eine Begegnung. Lassen Sie vor Ihrem inneren Auge einen Menschen auftauchen, der Ihnen viel bedeutet, der es gut mit Ihnen meint und der etwas zu sagen hat. Lassen Sie sich Zeit im Vertrauen, dass Ihr Unterbewusstes diesen Men-schen auftauchen lässt, wenn Sie ihm Zeit geben … Und wenn Sie ihn vor sich haben, dann geben Sie mir wieder ein Zeichen, indem Sie leicht mit dem Kopf nicken. Dieser Mensch möchte Ihnen etwas mitgeben, etwas, das Sie wissen sollten. Das kann ein Rat sein, eine Empfehlung für Sie oder etwas, das diese Person einfach von sich aus sagen will. Etwas, das Sie wissen sollten, woran Sie sich erinnern dürfen.(Zeit lassen)Nachdem Sie ihn angehört haben und wenn der rechte Moment gekommen ist, bedanken Sie sich für das Gespräch und verabschieden sich wieder voneinander … Wenn das geschehen ist, geben Sie mir wieder ein kleines Zeichen, indem sie leicht mit dem Kopf nicken. Lassen Sie nun die Begegnung ein wenig nachwirken … Und während Sie wieder für sich sind und die Zeit vergeht, bemerken Sie, dass noch eine weitere Person sich auf den Weg zu Ihnen gemacht hat. Lassen Sie sie näher-kommen und erkennen Sie allmählich auch diese Person. Wenn sie angekommen ist, geben Sie mir wieder ein Zeichen, indem Sie leicht nicken. Nehmen Sie sich Zeit, zu hören, was diese Person Ihnen mitteilen möchte. Während Sie nun die Entspannung weiter genießen, schauen Sie sich noch einmal um und prüfen Sie, ob noch jemand unterwegs zu Ihnen ist … Und wenn da noch jemand kommt, dann geben Sie mir ein Zeichen …«

Meistens kommt es zu drei bis fünf Begegnungen. Sie werden spüren, wenn es am besten ist, die Trance wieder auszuleiten.

»Nachdem Sie sich nun verabschiedet haben, beschließen Sie selbst, diesen erhol-samen Ort wieder zu verlassen. Sie schauen sich noch einmal um in der Gewissheit, jederzeit wieder zurückkommen zu dürfen …Langsam kommen Sie mit Ihrem Bewusstsein wieder zurück in den Coachingraum. Rufen Sie sich ins Gedächtnis, wie der Raum aussieht, wo die Fenster sind und wo die Tür, bemerken Sie, wie Sie in Ihrem Sessel sitzen, … wenn Sie mögen strecken Sie sich kurz aus … bewegen Sie die Finger und Fußzehen ein wenig. Wenn Sie so weit sind, dann machen Sie Ihre Augen wieder auf und kommen Sie mit Ihrer ganzen Aufmerksamkeit wieder zurück in diesen Raum.«

Lassen Sie den Klienten kurz aufstehen und sich bewegen …Lassen Sie sich Zeit, sodass Ihr Klient sich Ihnen mitteilen und das Erlebte mit dem Coachinganliegen verknüpft werden kann …

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Hinweise für den Coach: Eine Einführung in Tranceinduktionen ist empfehlens-wert, um wirksam damit arbeiten zu können. Wichtig ist es, dem Klienten viel Zeit zu lassen und jedes Gefühl von Zeitdruck auszuräumen. Sorgen Sie auch für einen guten Tranceabschluss, sodass der Klient nicht in einem Tagtraumzustand bleibt, wenn er die Coachingsitzung verlässt. Wenn die Augen wieder geöffnet sind, dann machen Sie kurz das Fenster auf und bewegen sich zusammen mit dem Klienten etwas im Raum (durchstrecken, Muskeln durchklopfen oder Ähnliches).

Hintergrund: Hypnotherapeutische Interventionen, Kreativitätstechniken, Arbeit mit Repräsentanten.

Alternatives Instrument: Fragen nach Werterepräsentanten.

Das Unterbewusste lässt sich auch aktivieren, indem man es durch Fragen nach Re-präsentanten, Symbolen für bestimmte Qualitäten, in den rezeptiven Zustand bringt. Sie können den Klienten mit folgenden Worten anleiten: »Wenn Ihr künftiger Weg eine Farbe hätte, welche Farbe taucht dann vor Ihrem inneren Auge auf?«

� Darauf antwortet er zum Beispiel: »Blau – ein sattes, klares Blau.« � »Wofür steht diese Farbe?« � »Für Klarheit, Tiefe und Eindeutigkeit gleichzeitig, wie der Ozean …«

Die genannten Qualitäten geben Hinweise auf bedeutsame Werte, die nun erforscht werden.Weitere Repräsentanten, die den Zweck genauso erfüllen, sind:

� ein Tier (»Wenn Ihr künftiger Weg in einem Tier verkörpert wäre …«) � ein Geruch � eine Landschaft � ein Möbelstück � ein Kleidungsstück � eine Stadt � …

Hausaufgaben-Instrument: Wertetagebuch.

Wenn sich der Klient von etwas berühren lässt, wenn er seine emotionale Reaktion auf etwas bewusst wahrnimmt, dann weist das darauf hin, dass ein bestimmter Wert angesprochen wurde: »Es geht um etwas, was mir wichtig ist.« Das Wertetagebuch soll diesen Bewusstseinsprozess unterstützen. Der Klient wird eingeladen, täglich mindestens eine solche Situation zu bemerken und aufzuschrei-ben, die ihn in irgendeiner Weise berührt hat. Dieses Tagebuch bringt er dann zur nächsten Sitzung mit.

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� Wertetagebuch

Datum Situation meine Reaktion Wert

3.1. Hausmeister hat um sieben Uhr früh die komplette Hofeinfahrt vom Schnee geräumt.

Dankbarkeit mit vollem Einsatz etwas Sinnvolles für andere tun

3.1. Beobachtet, wie ein Vater seine kleine Tochter tröstete.

Rührung ein liebevoller, fürsorglicher Vater sein

4.1. An einer Sitzung teilgenommen, in der eine Person fast die ganze Redezeit für sich allein in Anspruch genommen hat.

Ärger achtsam mit ande-ren Menschen um-gehen, sich selbst nicht so wichtig nehmen

4.1. Herr V. hat doch noch eine Lösung für den Änderungsantrag in der Elektrik gefunden.

Freude Top-Ingenieursleis-tung!

Fallstudie: Die Trancebegegnungen berührten Herrn M. sehr. Die Botschaften, die ihm die Repräsentanten vermittelt hatten, kamen aus seinem eigenen Inneren. Das war ihm klar. Die Erkenntnis, dass im Grunde viel Weisheit und Klarheit in ihm vor-handen war, bewegte ihn. Der imaginäre Vater riet ihm, sich treu zu bleiben und besonnen zu handeln. Sein imaginärer Doktorvater bestärkte ihn in seinen Fähig-keiten und seinem kritischen Denken, das sei sein ganz besonderer Beitrag. Er solle sich nicht beeindrucken lassen von Status und Macht. Ein Studienkollege, mit dem er noch losen Kontakt hatte, tauchte auf. Und auch seine Partnerin erschien und vermittelte ihm vor allem Unterstützung für seine Entscheidungen. Herr M. ging aus der Sitzung inspiriert und gestärkt.

Phase 3: Die eigene Vision ausgestaltenWerte sind die Basis einer Vision. Sie funktionieren wie ein Kompass. Ein Kompass weist den Weg in die Richtung zum vorgestellten Ziel, unabhängig von der Beschaf-fenheit des Geländes, auf dem man sich gerade bewegt. Ohne Kompass jedoch kann man von schlechtem Wetter und unwegsamem Gelände (den Irrungen und Wirrun-gen des Lebens) überwältigt werden und sich hoffnungslos verirren. Die eigenen, wesentlichen Werte sind dem Klienten nicht immer bewusst.

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Im Coaching geht es um das, was dem Klienten wirklich am Herzen liegt und manch-mal ist genau das überlagert von dem, was das Unternehmen oder das soziale Um-feld von ihm erwartet. Die Vision (lat.: videre, sehen = Erscheinung vor dem geisti-gen Auge) ist ein in die Zukunft gerichtetes Bild. Der Coachee entwickelt eine innere »Vorstellung« von seinem Leben, das seinem Wertesystem entspricht.

Instrument: Meine Vorstellung von einem gut gelebten Leben.

Hilfsmittel: Arbeitsblatt »Wertefragebogen« (nach Ciarrochi/Bailey 2009 in: Wen-genroth 2012, S. 198 ff.) Die angegebenen Werte werden in die Vorstellung von einem gut gelebten Leben übertragen und zur besseren Orientierung relevanten Lebensbereichen zugeordnet.

� Partnerschaft: ein guter Partner sein � Elternschaft: ein fürsorglicher, liebevoller Vater sein � Familie, Freunde, soziales Umfeld: achtsam mit anderen umgehen, sich selbst

nicht so wichtig nehmen � Ausbildung, Beruf: Top-Ingenieursleistungen fördern � Spiritualität, Glaube � gesellschaftliches Engagement: mit vollem Einsatz etwas Sinnvolles für andere

tun � Entspannung, Freizeit, Vergnügen, Regeneration � Fitness und körperliches Wohlbefinden

Ist das Wertetagebuch übertragen auf die entsprechenden Lebensbereiche, werden diese in der Sitzung noch etwas tiefer erforscht. Fragen leiten auch hier den Prozess und die Ergebnisse schreibt sich der Klient auf.

� Partnerschaft: Was ist Ihnen wichtig in Ihrer Beziehung zu Ihrer Frau? Wie möch-ten Sie als Ehemann sein?

� Elternschaft: Was bedeutet es für Sie, Vater zu sein? Auf welche Weise möchten Sie diese Rolle in Ihrem Leben ausüben?

� Familie, Freunde, soziales Umfeld: Worauf kommt es Ihnen in Ihrer Beziehung zu anderen Menschen an? Wie möchten Sie sein als Sohn, Schwager, Freund, Kollege …

� Ausbildung, Beruf: Wann sind Sie mit einem Arbeitstag ganz besonders zufrie-den? Mit welchen Tätigkeiten oder Inhalten beschäftigen Sie sich am liebsten? Was fällt Ihnen leicht? Wofür möchten Sie gesehen/anerkannt werden? Was möchten Sie gern noch lernen?

� Spiritualität, Glaube: Welchen Platz möchten Sie dem Geistlichen einräumen? Woraus schöpfen Sie Zuversicht und Inspiration?

� Gesellschaftliches Engagement: Auf welche Form von sozialem, politischen oder gesellschaftlichem Engagement legen Sie Wert?

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� Gesellschaftliches Engagement: Auf welche Form von sozialem, politischen oder gesellschaftlichem Engagement legen Sie Wert?

� Entspannung, Freizeit, Vergnügen, Regeneration: Was ist Ihnen in der Freizeit wichtig? Wie erholen Sie sich? Was macht Ihnen Vergnügen? Wo tanken Sie auf?

� Fitness und körperliches Wohlbefinden: Wie können Sie sich um sich und Ihr Wohlergehen, Ihre Gesundheit kümmern? Worauf legen Sie Wert, wenn es um Ihren Körper geht?

Hinweise für den Coach: Die Oberbegriffe dienen der besseren Orientierung und sind für viele Menschen genauso relevant. Selbstverständlich können die Begriffe angepasst werden. Vielleicht ist Spiritualität nicht der passende Begriff, sondern es passt eher »Persönlichkeitsentwicklung«. Vielleicht fehlt der Oberbegriff »finanzielle Sicherheit«. Die Begriffe und ihre werthaltige Ausgestaltungen sind frei wählbar.

Hintergrund: »Ein gut gelebtes Leben« ist der Oberbegriff für die Visionsfindung im hier beschriebenen Zusammenhang. Es umfasst das ganze Leben. Nach meinem Eindruck ist dies von großer Bedeutung, besonders in einer Zeit, in der das ganze Leben vermeintlich Unternehmenszielen unterstellt werden sollte. Ein berufliches Leitbild trägt einen Menschen dann nachhaltig, wenn es kohärent mit einem über-geordneten Lebensleitbild ist.Die Sitzung endet mit einer Reflexion.

Instrument: Besinnung auf die Frage: Wofür bin ich dankbar? Der Klient besinnt sich dabei auf das, was ihm gegeben, geschenkt wurde und kommt damit in Kontakt mit seinen Ressourcen. Das Selbstbewusstsein und die Selbstwirksamkeit werden gestärkt.

Hinweis für den Coach: Achten Sie besonders darauf, dass auch die Fähigkeiten und Talente des Klienten zur Sprache kommen, indem Sie gegebenenfalls gezielt danach fragen.

Fallstudie: Herr M. berichtete von Begegnungen in der Arbeit und davon, was ihm dabei alles aufgefallen ist. Er meinte, er habe mittlerweile mehr Abstand gewonnen und gleichzeitig fallen ihm viel mehr Dinge auf. Er fühle sich ruhiger und stabiler. Ihm sei im Laufe der letzten Wochen klar geworden, dass Karriere um der Karrie-re willen einfach kein großer Anreiz mehr für ihn sei. Er müsse das Gefühl haben, egal in welcher Position, einen wertvollen Beitrag leisten zu können. Diese Mög-lichkeit werde in Zukunft jede berufliche Entscheidung beeinflussen. Er sei immer noch leidenschaftlicher Ingenieur. Er bedauere, dass er aufgrund des hohen Projekt-drucks Freundschaften nicht mehr gepflegt habe. Auch das Thema Elternschaft sei noch nicht wirklich abgeschlossen. Er habe mehr Abstand zu sich und seinem Leben

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gewonnen und nehme jetzt aus der Vogelperspektive wahr, wie seine Tage und Wo-chen so ablaufen. Vieles ergebe sich unwillkürlich aus Gewohnheit.

Phase 4: Zum Handeln motivierenDie Vision – die ausgestaltete Vorstellung eines gut gelebten Lebens – stimmt mit den als wertvoll erlebten Motiven des Klienten überein. Dadurch erhält das Leben nicht noch mehr Ziele, sondern vor allem einen Sinnzusammenhang. Motivierung ist ein Ergebnis dieses Vorgangs. Kopf und Herz sind gemeinsam ausgerichtet, der letzte Schritt ist die Umsetzung. Für diese Phase sind wiederum ein bis zwei einein-halbstündige Sitzungen angebracht.

Instrument: Lebensrad auf Ausgewogenheit prüfen.

Hilfsmittel: Die Ausgestaltung »Meine Vorstellung eines gut gelebten Lebens« der vorangegangenen Sitzung und die Vorlage »Lebensrad«.

Mithilfe der ausformulierten Vision der relevanten Lebensbereiche werden nun diese Bereiche bewertet, je nach Ausprägungsgrad: Wo gibt es Unwuchten? Welche Be-reiche kamen zu kurz? Welche sind vollkommen auf der Strecke geblieben? Welche werden bereits gemäß der eigenen Wertvorstellung gelebt?

In fünf Schritten wird die Realisierung der Vision gesteuert: � Schritt 1: Der Klient betrachtet den Status quo und identifiziert zunächst einen

Wertebereich, den er in Balance bringen möchte. Ein Bereich, den er als wichtig erachtet und der vernachlässigt wurde.

� Schritt 2: Der Coach unterstützt den Klienten bei der Fomulierung eines oder mehrerer Ziele, die die Umsetzung dieses Wertes bedeuten würden.

� Schritt 3: Gegebenenfalls werden weitere Aktionen beschrieben, die zur Zieler-reichung notwendig sind.

� Schritt 4: Mögliche Hindernisse, Gedanken und Gefühle, die der Umsetzung im Wege stehen könnten, werden vom Coach angesprochen (»Was spricht dage-gen, das zu tun?«). Handlungswille und Motivation ist vorhanden, wenn folgende Prüffragen positiv beantwortet werden können: – Kann ich das tun, was getan werden sollte? Bin ich der Lage, habe ich die

Fähigkeiten dazu? – Darf ich das tun? Ist die Aktion vereinbar mit den anderen Menschen um

mich herum und meinen anderen, wertvollen Motiven? – Mag ich das tun? Das »Mögen« ist besonders wichtig für die Motivation und

damit für eine hohe Umsetzungswahrscheinlichkeit. � Schritt 5: Möglichkeiten werden besprochen, wie mit den Hindernissen sinnvoll

umzugehen ist. Diese können beispielsweise im Rollenspiel ausprobiert werden.

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Hinweise für den Coach: Aktionismus ist fehl am Platz, gerade Führungskräfte sind oftmals durch zu viele Ziele übersteuert. Besser ist es, mit Besonnenheit und Ruhe ans Werk zu gehen. Das Motto lautet dabei: »Der Weg ist das Ziel. Schritt für Schritt.« Akzeptanz von Unsicherheit ist Teil der Arbeit. Wer sich auf den Weg macht, kann sich nie sicher sein, dass er das Ziel so erreicht, wie ursprünglich geplant. Dafür gibt es die Werteorientierung, den Kompass.

Hintergrund: ACT-Übungen, Grundmotivationen nach Alfried Längle. Der gesamte Ablauf sorgt für einen Sinnzusammenhang des »großen Ganzen«. Das ist Kohärenz, verbunden mit dem Gefühl der Selbstwirksamkeit und Selbstsicherheit.

Partnerschaft

gesellschaftliches Engagement

Partnerschaft

FreizeitAus-bildung,Beruf

Spiritualität

Familie, Freunde

körperliches Wohlbefinden,Vergnügen

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Am Ende dieses Coachingprozesses ist die Entwicklung des Klienten an sei-ner Stimmung – gelassen, positiv, zuversichtlich – auszumachen und an sei-ner inneren Haltung, aus der heraus er zu mir sprach. Diese hatte etwas Un-aufgeregtes, Selbstverständliches. Mir als Coach vermittelte sich ein Gefühl der Stabilität und Kraft, die von Herrn M. ausging. Er hat Zugang zu seiner eigenen Quelle im Hinblick auf Orientierung gefunden, die für ihn nach-haltig zu Verfügung steht. Das bedeutet: Herr M. vertraut seiner eigenen Wahrnehmung, er ist aufmerksam bezüglich der Signale und Reaktionen seines Körpers und den damit verbundenen Gefühlen. Er kann diese als In-dikatoren anerkennen, als Kompass dafür, ob er mit sich und dem, was ihm wertvoll ist, in Übereinstimmung ist. Die Umgangssprache formuliert den Zustand als »mit sich im Reinen sein«. Das ist ein gutes Gefühl, es vermittelt sich dem beobachtenden Coach dann, wenn es authentisch erlebt wird.

Fallstudie: Herr M. berichtete, dass seine Frau wieder den alten Humor bei ihm be-merke und deutlich mehr Gelassenheit spüre. Die Dinge machten ihn einfach nicht mehr so schnell nervös. Mehr Ruhe und Besonnenheit unterstützen ihn dabei, die Dinge auf sich zukommen zu lassen. Wenn der nächste Karriereschritt angeboten wird, wird er mit seinen Vorgesetzten prüfen, welchen Beitrag man sich von ihm erhofft und welchen er zu leisten bereit ist. Je nachdem, ob die wechselseitigen Vorstellungen vereinbar sind, wird er sich dafür oder dagegen entscheiden. Er fühlt sich befreit. Er kann diese Situation in Ruhe auf sich zukommen lassen.

Herr M. wollte sich zudem in der nächsten Zeit wieder regelmäßiger mit einem al-ten Studienfreund treffen und Zeiten der Regeneration bewusst wahrnehmen. Das Thema »Elternschaft« hatten er und seine Frau schmerzvoll vermieden. Er würde dies gern abschließen und Möglichkeiten finden, so etwas wie Fürsorge und Warm-herzigkeit dort auszudrücken, wo genau dies gebraucht wird und leicht umgesetzt werden kann. Vielleicht werden sie ehrenamtliche Tätigkeiten, Patenschaften oder Ähnliches übernehmen. In der letzten Sitzung erschien mir Herr M. wie ein Fels in der Brandung. Seine gelassene und gleichzeitig überzeugende Haltung hat mich beeindruckt.

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Perls, Fritz (2013): Grundlagen der Gestalt-Therapie. 12. Auflage. Stuttgart: Klett-Cotta.

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Wengenroth, Matthias (2012): Therapie-Tools Akzeptanz- und Commitmentthera-pie. Weinheim und Basel: Beltz.