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Völker-recht. (Enzyklopädie der Rechtsund Staatswissenschaften. Abteilung Rechtswissenschaft) by WILHELM WENGLER Review by: H.-J. Schlochauer Archiv des Völkerrechts, 13. Bd., 1. H. (Mai 1966), pp. 129-134 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40797077 . Accessed: 12/06/2014 11:32 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Archiv des Völkerrechts. http://www.jstor.org This content downloaded from 62.122.79.52 on Thu, 12 Jun 2014 11:32:31 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

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Völker-recht. (Enzyklopädie der Rechtsund Staatswissenschaften. AbteilungRechtswissenschaft) by WILHELM WENGLERReview by: H.-J. SchlochauerArchiv des Völkerrechts, 13. Bd., 1. H. (Mai 1966), pp. 129-134Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40797077 .

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BESPRECHUNGEN

WILHELM WENGLER: Völker- recht. (Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaften. Abteilung Rechtswissenschaft). Berlin/Göttingen/ Heidelberg: Springer- Verlag. 2 Bände. XXXI + IX, 1530 S. Der Verfasser will nicht nur eine

Darstellung dessen geben, »was die heu- tige Völkerrechtswissenschaft zu ihrem Gegenstand zu sagen hat«, sieht viel- mehr sein Hauptanliegen darin, »die einzelnen Sätze des geltenden Völker- rechts in ihrer Eigenschaft als Rechts- normen und in ihrem Zusammenhang in einer Rechtsordnung verständlich zu machen, d. h. das Funktionieren des Völkerrechts in den einzelnen Phasen der Bildung des Norminhalts, der Normbefolgung, der Normverletzung, der Realisierung der Unrechtsfolgen und der Feststellung der unter den Nor- men relevanten Sachverhalte aufzuzei- gen«. Nur dies mache es »möglich, den überquellenden Stoff des positiven Rechts zu bewältigen« sowie »Grenzen und Technik der Beeinflussung mensch- lichen Verhaltens durch Völkerrecht rich- tig zu verstehen« (Vorwort S. VII).

Die unter jenen Gesichtspunkten ge- führten Deduktionen sind eigenwillig, aber von hoher juristischer Qualität. Dankenswert und anregend ist auch die neuartige Betrachtungsweise. Den häu- fig recht subjektiven Auffassungen, die bisweilen Widerspruch geradezu her- ausfordern, kann man indessen nur zu einem Teil und selbst hier nicht immer ohne Zweifel folgen. Schon die Auf- gliederung des Stoffes ist nicht unbe- denklich: eine Behandlung von Pro- blemen, die den gleichen Gegenstand betreffen, unter verschiedenen Fragestel- lungen zerreißt Sachzusammenhänge und macht Wiederholungen unvermeid-

lich; einzelne Materien sind Abschnitten zugewiesen, in denen man sie nicht er- wartet, und daher schwer aufzufinden; die Zuordnung des allgemeinen Frie- densvölkerrechts zum Besonderen Teil des geltenden Völkerrechts und die Un- tersuchung des völkerrechtlichen Un- rechts vor derjenigen über die Feststel- lung völkerrechtlich erheblicher Sach- verhalte innerhalb des Allgemeinen Teils führen zu Mißlichkeiten. In der, trotz Einbeziehung politischer und wirtschaft- licher Aspekte, stark theoretisch ange- legten Gesamtdarstellung wird den geistvoll unterbauten soziologischen und rechtsphilosophischen Überlegungen zu breiter Raum gegeben. Andererseits ist die rechtsdogmatische Stellungnahme manchmal unklar; während das Vor- wort sowie die Titel des Zweiten und Dritten Teils eine Analyse des positiven Völkerrechts erwarten lassen, liegt vie- len Beurteilungen die normative Rechts- lehre - allerdings unter Ablehnung der monistischen Auffassung Kelsens - oder eine der Naturrechtslehre entnom- mene Konzeption zugrunde. Bei den wertvollen rechtsvergleichenden Be- trachtungen wird das Internationale Privatrecht in den Vordergrund gestellt und dabei verkannt, daß eine analoge Anwendung seiner Grundsätze auf völ- kerrechtliche Gegebenheiten lediglich in begrenztem Maße möglich ist. Entspre- chend dem abstrakten Grundzug der Arbeit ist die Staatenpraxis, außer im Dritten Teil, nur nebenbei berücksich- tigt. Ebenso wird hinsichtlich der Recht- sprechung verfahren; auch wenn »der Verfasser es für falsch hält, das Völ- kerrecht zu einem unkritischen Präju- dizienrecht zu machen« (Vorwort S. VIII), läßt sich nicht leugnen, daß die internationale Judikatur - die er

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selbst in teils ausgefallenen Beispielen verwertet - eine unentbehrliche Stütze für die Erkenntnis des geltenden Völ- kerrechts bietet. Auf eine Dokumenta- tion ist weitgehend verzichtet. Die in- haltsreichen Fußnoten dienen mehr zur Ergänzung des Textes als zu Nachwei- sen insbesondere aus dem Schrifttum, was zugleich eine Unterdrückung der vielfach abweichenden herrschenden Meinung bedingt. Die knappen biblio- graphischen Angaben über völkerrecht- liches Schrifttum im Anhang (S. 1489- 1495) scheinen recht zufällig ausge- wählt. Die Darlegungen sind zum Teil etwas verschlungen und setzen zur rich- tigen Erfassung sowie kritischen Beur- teilung eine fundierte Rechtskenntnis voraus. Die Veröffentlichung, die unter den neueren deutschen Völkerrechts- lehrbüchern besondere Beachtung ver- dient, ist daher für den akademischen Gebrauch wenig geeignet.

Die Gedankenführung Wenglers muß zunächst durch einen Überblick über die ungewöhnliche Anordnung des Werkes verständlich gemacht werden. Erster Teil : Einführung und Grundlagen des Völ- kerrechts (S. 1-168) mit den fünf Ab- schnitten A. Soziologische und rechts- theoretische Grundbegriffe; B. Der Be- griff des Völkerrechts und das Verhält- nis des Völkerrechts zum staatlichen Recht; C. Die Wissenschaft vom Völker- recht; D. Hauptzüge der geschichtlichen Entwicklung der Völkerrechtsordnung; E. Der Aufbau der Völkerrechtsnor- men und der Begriff des Völkerrechts- subjekts. Zweiter Teil: Das geltende Völkerrecht - Allgemeiner Teil (S. 171 bis 929) mit den fünf Abschnitten. F. Die Normbildung im Völkerrecht; G. Die Befolgung des Völkerrechts; H. Das völkerrechtliche Unrecht und seine Folgen; I. Die Feststellung völkerrecht- lich erheblicher Sach verhalte; K. Die Beeinflussung der Bildung von Völker- recht, der Feststellung völkerrechtlicher Sachverhalte und des Vollzugs von völ- kerrechtlichen Unrechtsfolgen durch Rechtsnormen. Dritter Teil (Band II): Das geltende Völkerrecht - Besonderer Teil (S. 933-1479) mit den vier Ab-

schnitten L. Das allgemeine Völker- recht vom Staat im Frieden; M. Parti- kulärvölkerrechtliche Modifikationen der Staatshoheit zwischen den Staaten; N. Internationale Organe, Internatio- nale Organisationen und Staatenver- bände; O. Das Völkerrecht des Krieges. Die Unterabschnitte sind mit arabischen Ziffern bezeichnet, wobei die Übersicht- lichkeit dadurch leidet, daß im Ab- schnitt F als tiefere Untergliederungen wiederum große Buchstaben verwendet und im Abschnitt O Zwischengliede- rungen mit römischen Ziffern versehen sind.

Im Ersten Teil erklärt sich die Aus- weitung vor allem des einleitenden Ab- schnitts daraus, daß den Verfasser die »besondere Zielsetzung zunächst einmal dazu nötigte, die rechtstheoretischen und rechtssoziologischen Voraussetzun- gen gründlich zu überprüfen. Begriffe wie Interesse und Zwang, Rechtszwang und Normadressat, Zurechnung und Rechtssubjekt, Rechtsordnung und Staatsinteresse usw. mußten daher neu durchdacht und in ihrer Bedeutung für das Völkerrecht untersucht werden« (Vorwort S. VII). Wengler leitet die so- ziologische Begründung des Völkerrechts aus dem Element des Interesses ab (parallele Interessen führen zur Koope- ration) und nennt als »Mittel der be- wußten Interessenbefriedigung im sozia- len Leben« Einwirkung auf fremdes Verhalten, Austausch von Handlungen (bei komplementären Interessen), Kom- promiß (bei kollidierenden Interessen) sowie Zwang (als psychischer oder phy- sischer Zwang mangels anderer Befrie- digungsmöglichkeiten). Die Geltung der Völkerrechtsordnung, die er als ein Zu- sammenhang von Normen (Rechtsnorm- kette; S. 45) charakterisiert, beruhe al- lein auf der Durchsetzbarkeit des Norm- erzwingungssystems (dazu auch Eia, b). Mit dem Versuch einer Begriffsbe- stimmung des Völkerrechts weicht der Verfasser von der herkömmlichen Defi- nition ab. Er glaubt im übrigen, daß »wenn einmal ein bestimmter histori- scher Rechtsnormenzusammenhang als >Völkerrechtsordnung< bezeichnet wor-

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den ist, der jeweilige Inhalt dieser Nor- men und ihre soziale Tragweite für das Identischbleiben und damit für den Begriff dieser Völkerrechtsordnung - den juristischen Völkerrechtsbegriff - irrelevant« sei (S. 70). Die rechtliche und die soziologische Begriffsbestim- mung des Völkerrechts sowie die Ab- grenzung beider bleiben ungeklärt. Prägnant sind demgegenüber die Bezie- hungen zwischen Völkerrecht und staat- lichem Recht auf der Grundlage der dualistischen Theorie beurteilt. Aller- dings wirkt die Trennung von Sachzu- sammenhängen sich hier besonders stö- rend aus, da Schwerpunkte dieses Fra- genkreises erst bei den Erörterungen über die Befolgung des Völkerrechts (im Zweiten Teil, Abschnitt G) behan- delt sind. Die Darlegungen zur Völ- kerrechtswissenschaft - statt derer selbst fast ausschließlich Völkerrechts- soziologie, -philosophie und -politik er- wähnt werden - zur Völkerrechtsge- schichte und zum Aufbau der Völker- rechtsordnung sind im Vergleich mit denen zu anderen Materien recht ge- drängt und teilweise unbefriedigend. Dies gilt insbesondere für die Erwägun- gen über den Begriff des Völkerrechts- subjekts (S. 153 ff.), die in einer Kritik der Lehre von den Staaten als den Völ- kerrechtssubjekten bestehen. Die Be- hauptung, die Staaten würden »von vielen« - außer vielleicht innerhalb der sowjetischen Völkerrechtslehre - »als die einzigen Völkerrechtssubjekte bezeichnet«, läßt sich angesichts der seit langem allgemein geläufigen Anerken- nung nichtstaatlicher Völkerrechtssub- jekte kaum aufrechterhalten. Anderer- seits stehen gegen die Annahme des Ver- fassers, nur Menschen komme Völker- rechtssubjektivität zu und lediglich Menschen könnten Befolger und Ver- letzer von Völkerrecht sein (S. 160, 162), die Staatenpraxis, die internatio- nale Judikatur in ihrer Auslegung des geltenden Völkerrechts und ganz über- wiegend die Völkerrechtslehre. Die An- sicht läßt sich auch nicht auf die selbst- verständliche Feststellung gründen, daß der Inhalt der Rechtsnormen von Men-

schen erdacht und die Normausführung oder -Verletzung allein durch Indivi- duen veranlaßt wird; hier sind die ent- scheidenden Fragen nach der Organ- stellung des Handelnden und nach dem Zurechnungssubjekt für völkerrechtswid- riges Verhalten übersehen. Bei einer anderen Betrachtungsart hätte die Un- tersuchung über die Völkerrechtsfähig- keit zum allgemeinen Teil des geltenden Völkerrechts gehört, innerhalb dessen nur die Anerkennung von Staaten (im Zusammenhang mit der Feststellung völkerrechtlicher Sach verhalte; I 2 e) behandelt wird, während die Frage, in- wieweit Internationale Organisationen völkerrechtliche »Zurechnungssubjekte« seien, im Dritten Teil (beim Recht der Staaten verbände; N 2) abgehandelt ist.

Der Zweite Teil ist Fragen gewidmet, die nach der deduktiven Methode des Verfassers dem allgemeinen Völkerrecht angehören; zweifelhaft erscheint über- dies, ob stets das »geltende« Völker- recht gedeutet wird. Hauptgegenstand des Teils ist die völkerrechtliche Norm- bildung. In diesem (mit 254 Seiten längsten) Abschnitt werden als Völker- rechtsquellen das Verfassungsrecht der Völkerrechtsordnung, das Gewohnheits- recht, das gesetzte Völkerrecht (Ver- tragsrecht als primäres gesetzes Völker- recht und Mitwirkung an der Völker- rechtsbildung durch einseitige Akte von Staatsorganen), sekundäre Formen der Völkerrechtsbildung und die allgemei- nen Rechtsgrundsätze sowie Interpre- tationsregeln, Beschränkungen des Be- folgungsanspruchs von Völkerrechtsnor- men und Widersprüche zwischen Völker- rechtssätzen untersucht. Wesentlicher Be- standteil des Verfassungsrechts sind für Wengler nur diejenigen Sätze, die das Zustandekommen neuer Völkerrechts- normen regeln, einschließlich der Be- schränkung der Ermächtigung zu ver- traglicher Völkerrechtssetzung durch den Grundsatz, daß aus Verträgen zwischen Staaten dritte Staaten nicht verpflichtet werden dürfen (S. 171, 173). Das Ver- fassungsrecht mache demgegenüber kei- nen Versuch, die Entstehung neuen Völ- kerrechts auf dem Wege der Gewohn-

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heitsreditsbildung einzuschränken. Ein quantitativ sehr erheblicher Teil der geltenden Normen der Völkerrechtsord- nung bestehe daher aus Gewohnheits- recht. Ob dies angesichts des Ausbaues völkerrechtlicher Vertragssysteme und des Fortschreitens der - kaum berück- sichtigten (S. 182/3) - Kodifikation des Völkergewohnheitsrechts noch zutrifft, mag bezweifelt werden. Zu bedenken ist auch, daß die Ostblockländer und ein Teil der zahlreichen Neustaaten immer wieder versuchen, die Geltung der von anderen Mächten anerkannten Gewohnheitsrechtssätze zu negieren. Ge- lungen und aufschlußreich ist die Ab- handlung über das völkerrechtliche Ver- tragsrecht (S. 184-302), welche Ab- schlußbefugnis und -verfahren nicht le- diglich der Staaten, sondern auch bei Staatsfragmenten, Staatenverbänden und Internationalen Organisationen er- faßt. Als einseitige Staatsakte der Vol- li errechtsbildung werden vor allem die Regelung der Küstenmeerbreite und die der Staatsangehörigkeit angeführt. Die traditionelle Auffassung der Völker- rechtslehre, die »in den von den Staa- ten erlassenen Vorschriften über Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit nur staatliches Recht, nicht aber Völkerrecht sieht«, hält Wengler für einen Irrtum (S. 311). Als sekundäre Formen der Völkerrechtsbildung sind unter anderen die - ständig an Bedeutung zunehmen- den - vertraglichen Ermächtigungen zur Setzung und Gestaltung von Völ- kerrecht durch internationale Organe sowie die Rechtssatzentstehung im Zu- sammenhang mit völkerrechtlich ver- bindlichen Feststellungen nachgewiesen. Die wichtige Frage nach der Wirkung Allgemeiner Rechtsgrundsätze im Völ- kerrecht (S. 362-371) ist nur kursorisch beantwortet. Ihre Funktion bei der Aus- legung gesetzten Völkerrechts bereitet keine Schwierigkeiten. Zur Problematik der Anwendbarkeit der von den zivili- sierten Staaten anerkannten allgemei- nen Rechtsgrundsätze im Sinne von Ar- tikel 38 Statut des Internationalen Ge- richtshofes als »subsidiare Quelle für völkerrechtliche Verhaltensnormen «

wird gesagt, daß auch eine Rechtsüber- zeugung von der positiven Regelungs- bedürftigkeit nur in gewissen Fällen Veranlassung geben könne, eine Nor- mierung in den allgemeinen Rechts- grundsätzen zu suchen (S. 368). Wengler glaubt ferner, daß internationale Ge- richte - was nicht einmal mit deren Spruchpraxis übereinstimmt - »aus dem Vertragsrecht und dem staatlichen Recht allgemeine Rechtsgrundsätze dann nicht entnehmen« können, »wenn auch nur eine Minorität von Staaten in den von ihr abgeschlossenen Verträgen und in ihrem staatlichen Recht den zur De- batte stehenden allgemeinen Rechts- grundsatz deutlich ablehnt« (S. 371). Beschränkungen des Befolgungsanspruchs von Völkerrechtsnormen liegen im Kriegszustand - sofern nicht ein ver- botener Krieg zum Erlöschen von Ver- trägen führt -, in der Erfüllungsun- möglichkeit, im Wegfall der Identität des berechtigten oder verpflichteten Völkerrechtssubjekts und im Notstand. Außerdem führt der Verfasser die Um- standsänderung an. Es seien nämlich »alle Völkerrechtsnormen dahin auszu- legen, daß ihr Befolgungsanspruch je- denfalls mit dem ursprünglichen Inhalt nicht fortbesteht, wenn Umstände in Wegfall kommen, deren Fortexistenz, bzw. wenn neue Umstände eintreten, deren Nichtexistenz als ungeschriebene Bedingung für die Verbindlichkeit der Norm aufzufassen ist«: die automatisch wirkende Clausula rebus sic stantibus bilde »vor allem eine Grenze für die Verbindlichkeit von Verträgen und von sekundärem gesetzten Völkerrecht« (S. 372). Mit dieser Behauptung lebt die von der Staatenpraxis schon seit dem Pontusvertrag von 1871 und dann seit der Zeit des Völkerbundes sowie in der Völkerrechtswissenschaft seit länge- rem in zunehmendem Maße überwun- dene unheilvolle Klausellehre wieder auf. Andererseits muß auch der Ansicht widersprochen werden, es könne »die Beschränkung des Befolgungsanspruchs der einzelnen Völkerrechtsnorm durch ein in sie hineinzulesendes Rechtsmiß- brauchverbot als derzeit schon geltendes

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Recht nicht aufrechterhalten werden« (S.394).

Im Zweiten Teil wird weiterhin die überwiegend auf das Verhältnis von Völkerrecht zu Landesrecht bezogene Völkerrechtsbefolgung dargestellt. Die das völkerrechtliche Deliktsrecht betref- fenden, zwar etwas gewundenen Be- trachtungen der Erfolgs- und Schuldhaf- tung bei Völkerrechtsverletzungen so- wie der Aktiv- und Passivlegitimation bei Geltendmachung von Unrechtsfol- gen gelangen zu guten Ergebnissen. Auch hier ist indessen der Problemen- kreis dadurch zerrissen, daß erst im Dritten Teil die völkerrechtliche Haftung der Staaten aus Maßnahmen auf dem Gebiete des Fremdenrechts (im Rahmen des allgemeinen Friedensvölkerrechts bei inhaltlichen Schranken der Staatshoheit; L 3 b 3) und die Verantwortlichkeit In- ternationaler Organisationen (beim Staatenverbandsrecht; N 5) geklärt wer- den. Als »Beugungszwang« bei Verstö- ßen gegen völkerrechtliche Verpflichtun- gen wird die Repressalie in den Formen der Warn-, Selbsthilfe- und Abwehrre- pressalie (diese wird sonst Notwehr ge- nannt) gekennzeichnet. Die unsystema- tisch einbezogenen Mittel gegen völker- rechtswidrige Gewaltanwendung oder Aggression sind im Rechtssinne keine Re- pressalien, sondern Sanktionen, die nur im internationalen Organisationsrecht, vor allem auf Grund Kapitel VII der Satzung der Vereinten Nationen, ange- wendet werden. Die beim Unterab- schnitt über völkerrechtliches Unrecht und seine Folgen im innerstaatlichen Recht erörterte Bestrafung von Völker- rechtsverbrechen gehört nach der - nicht erwähnten, durch Arbeiten der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen beeinflußten - neueren Völ- kerrechtsentwicklung nur noch begrenzt zu den nationalen Rechtskreisen. Der Abschnitt über die Feststellung völker- rechtlich erheblicher Sachverhalte ent- hält außer Darlegungen über einseitige Feststellungen seitens der Staaten oder im Zusammenhang mit der Anwendung staatlichen Rechts sowie über einseitige und vertragliche Festlegungen auf di-

plomatischem Wege oder durch interna- tionale Organe in diesem Zusammen- hang auch einen Überblick über Inter- nationale Gerichte. Hier sind (auf 36 Seiten!) Institution und Verfahren der Weltgerichtshöfe, anderer internationa- ler Gerichte, des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften sowie iso- lierter und institutioneller Schiedsge- richte umrissen. In einem instruktiven Unterabschnitt (S. 773-800) werden die (zur Völkerrechtssubjektivität gehöri- gen) Probleme der Anerkennung von Staaten und Regierungen untersucht. Die Erwägungen im Abschnitt über eine Be- einflussung der Bildung von Völker- recht, der Feststellung völkerrechtlicher Sachverhalte und des Vollzugs völker- rechtlicher Unrechtsfolgen durch Rechts- normen sind dagegen weitgehend hy- pothetisch oder nur de lege ferenda ver- wertbar. Sie betreffen Förderung und Hemmung der Neubildung von Völker- recht, die Steuerung der völkerrechtli- chen Unrechtsfolgen durch partikuläres Völkerrecht und die Beeinflussung der Völkerrechtsbildung durch staatliches Recht. Unter dem Gesichtspunkt des Normbildungsvorganges werden auch - anstatt zusammen mit den im voraus- gehenden Abschnitt behandelten forma- len Fragen - die materiellen Voraus- setzungen für völkerrechtliche Institu- tionen zur friedlichen Beendigung von Streitigkeiten dargestellt.

Der (kürzere) Besondere Teil des gel- tenden Völkerrechts (Dritter Teil des Werks; in Band II) beginnt mit der - sonst meist den einer Einführung in das Völkerrecht folgenden Kapiteln zuge- wiesenen - Darstellung des allgemei- nen Völkerrechts vom Staat im Frieden, an die eine Untersuchung über die Par- tikulärvölkerrechtlichen Modifikationen der Staatshoheit zwischen den Staaten sich anschließt. Die Gliederung ent- spricht der allgemeinen Zielsetzung Wenglers, die »es auch notwendig machte, den allgemeinen Teil des Völkerrechts scharf von dem besonderen Teil abzu- heben, und im besonderen Teil das uni- verselle Völkergewohnheitsrecht in Ge- gensatz zu stellen zu dessen partikulär-

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völkerrechtlichen Modifikationen« (Vor- wort S. VII). Hieraus folgt, daß als Grundlagen des allgemeinen Friedens- völkerrechts zunächst die gewohnheits- rechtlichen Regelungen, im nächsten Ab- schnitt dann dessen völkerrechtsvertrag- liche Ergänzungen und Abwandlungen betrachtet werden. Dies führt zwangs- läufig nicht nur zur Unübersichtlichkeit und zu zahlreichen Überschneidungen, sondern angesichts der Ausdehnung so- wohl partikulären wie kollektiven Ver- tragsrechts und der Kodifizierung wei- ter Teile des Gewohnheitsrechts zu Un- klarheiten über die jeweilige Rechtslage. Als Fragen des allgemeinen Friedensvöl- kerrechts werden - mit zum Teil un- organischer Zuordnung von Einzelma- terien - untersucht die völkerrechtli- chen Grenzen der Staatshoheit in örtli- cher und persönlicher Hinsicht, Staats- gebiet und Staatsangehörigkeit als Vor- aussetzungen der Gebiets- und Perso- nalhoheit, inhaltliche Schranken der Staatshoheit (unter ihnen Menschen- rechte, Selbstbestimmungsrecht, Frem- denrecht, zum anderen Grundrechte der Staaten, Interventionsverbot, Gewalt- anwendungsverbot), Staatshoheit im Meeres- und Luftraum sowie schließ- lich die analoge Anwendbarkeit des all- gemeinen Völkerrechts auf quasi-völker- rechtliche Beziehungen. Modifikationen der dem allgemeinen Völkergewohn- heitsrecht gemäßen Ausübung der Staats- hoheit werden unter anderen dargetan an Einschränkungen der Hoheit eines Staates ohne Erweiterung fremder Staatshoheit (auf den Gebieten des Im- munitätsrechts, der Gesetzgebungsgewalt und des staatlichen Organisationsrechts) sowie am Übergang von Hoheitsbefug- nissen eines Staates auf einen anderen Staat (in den Formen der Fremd- oder Treuhandverwaltung von Gebieten, der Teilübertragung von Personalhoheit und der im wesentlichen historisch gewor- denen Konsulargerichtsbarkeit). Präg- nant gefaßt ist der Abschnitt über das internationale Organisationsrecht. Der Schwerpunkt liegt in Grundsatzfragen, während universelle sowie regionale In- ternationale Organisationen nur in

einer Übersicht und die Europäischen Gemeinschaften lediglich andeutend be- schrieben werden. Innerhalb des das Völkerrecht im Kriege betreffenden letzten Abschnitts wird auch das Neu- tralitätsrecht skizziert. Anregend ist die kurze Betrachtung über die Anwendung des Kriegsvölkerrechts außerhalb des rechtmäßigen Kriegszustands zwischen den Staaten (Repressalien ohne Kriegs- zustand, Bürgerkrieg, unter dem Ge- waltverbot erlaubte Maßnahmen mili- tärischer Gewalt).

Das Werk, das auf viele Fragen nach Gehalt und Wirkung des Völkerrechts- systems Antwort gibt, stellt trotz der unter verschiedenen Gesichtspunkten zu erhebenden Einwendungen eine hervor- ragende geistige Leistung dar, mit der die Völkerrechtswissenschaft sich wird auseinandersetzen müssen.

Schlochauer

LOUIS DELBEZ: Les principes généraux du droit inter- national public. Troisième Edition. Paris: R. Pichón & R. Du- rand- Auzias. 1964. 666 S. Das in Klarheit und Didaktik vor

allem für den akademischen Gebrauch nützliche Lehrbuch hat mit der Neuauf- lage nicht nur einen anderen Titel erhal- ten, sondern auch eine völlige Überar- beitung unter breiterer Stoffdarstellung erfahren. Das System des Manuel de droit international public (2. Auflage 195 1; Besprechung von Schätzet in Ar- chiv des Völkerrechts Bd. 5 [1955/56] S. 364, auf die verwiesen sei) ist im we- sentlichen beibehalten. Wie schon der Untertitel des Werkes »Droit de la paix, Droit préventif de la guerre, Droit de la guerre« erkennen läßt, hat Delbez den Inhalt drei Büchern zugeordnet. Im ersten Buch (S. 65-386; vorangestellt ist eine Einleitung über Begriff, Entwick- lung und Kodifikation des Völkerrechts) wird das klassische Friedensvölkerrecht dargestellt; der im Manuel enthaltene Überblick über das internationale Orga- nisationsrecht ist entfallen. Das Buch be- treffend das Kriegsvorbeugungsrecht (S. 387-506) ist in die Abschnitte »Die

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