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Von der Apartheid zur Freiheit Die Geschichte Südafrikas im Überblick 1 © 2010 Cornelsen Verlag, Berlin. Alle Rechte vorbehalten. Von der Apartheid zur Freiheit Die Geschichte Südafrikas WC-Schild in Südafrika, nach Rassen getrennte Benutzung öffentlicher Toiletten Foto: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/d/de/SeparationZA1.svg Bus einer englischen Anti-Apartheids-Kampagne, 1989 Foto: Wikicommons Südafrika heute Südafrika befindet sich an der äußersten Südspitze des Kontinents und ist mit einer Fläche von ca. 1,2 Millionen Quadratkilometern knapp 3,5-mal so groß wie Deutschland. Von den rund 49 Millionen Einwohnern sind 79,2 % Schwarze (Black African), 9,2 % Weiße (White), 9,0 % Mischlinge (Coloured) und 2,6 % Asiaten (Indian or Asian). Südafrika hat aus der Zeit der Apartheid viele Probleme geerbt und befindet sich in einer völligen sozialen Schieflage. Ein großer Teil der farbigen Bevölkerung lebt noch immer in Armut, die Einkommen sind so ungleich verteilt wie in kaum einem anderen Land der Welt. Knapp 30 Prozent beträgt die Arbeitslosenquote laut dem südafrikanischen Zensus 2011. Im Schnitt sind 35,6 Prozent der dunkelhäuti- gen, aber nur 5,9 Prozent der weißen Südafrikaner erwerbslos. Damit hat sich die Lage seit dem Ende der Apartheid sogar noch ver- schlimmert. Die Ungleichheiten erscheinen mir manchmal wie zementiert. Südafrika, das seit 1994 ein demokratischer Staat mit gleichem Wahlrecht für alle Bevölkerungsgruppen ist, blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück, die vor allem durch die Apartheid geprägt ist. Kolonialzeit Ursprünglich lebten im Süden Afrikas Buschmänner (San) und Hottentotten (Khoi) als Jäger und Sammler. Forscher gehen davon aus, dass bereits seit dem 3. Jahrhundert von Norden Bantu-Stämme in den Osten Südafrikas vordrangen. Sie verdrängten die Ureinwohner allmählich oder integrierten sie in ihre Stammeskulturen. Auf der Suche nach einem Seeweg erreichten Ende des 15. Jahrhundert die ersten Europäer Südafrika. Zunächst gelangte der portugiesische Seefahrer Bartolomeu Diaz 1488 zur Südwestspitze. Während Diaz sie „Kap der Stürme“ taufte, änderte König Jao II. von Portugal die Bezeichnung später in „Kap der guten Hoffnung“, weil nun der Weg nach Indien um Afrika herum offen war. 1652 landeten die ersten Schiffe der Holländisch-Ostindischen Kompanie am Kap. Kommandant Jan van Riebeeck gründete im gleichen Jahr eine kleine Versorgungsstation. Sie wurde zur ersten dauerhaften europäischen Siedlung auf afrikanischen Boden und entwickelte sich später zur Weltstadt Kapstadt. In den folgenden Jahrzehnten siedelten am Kap der Guten Hoffnung vor allem französische und niederländische Einwanderer. Sie waren in der Mehrzahl Bauern, die sich „Buren“ nannten. Der Begriff leitet sich aus dem niederländischen Wort „boers“ für „Bauern“ ab. Seit dem 18. Jahrhundert wird der Begriff für die europäischstämmigen Einwohner Südafrikas und Namibias verwendet. Gemeinsam war den

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Page 1: Von der Apartheid zur Freiheit - LIFE IN PROGRESS · Zunächst gelangte der portugiesische Seefahrer Bartolomeu Diaz 1488 zur Südwestspitze. Während Diaz sie „Kap der Stürme“

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WC-Schild in Südafrika, nach Rassen getrennte Benutzung öffentlicher Toiletten Foto: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/d/de/SeparationZA1.svg

Bus einer englischen Anti-Apartheids-Kampagne, 1989 Foto: Wikicommons

Südafrika heute

Südafrika befindet sich an der äußersten Südspitze des Kontinents und ist mit einer Fläche von ca. 1,2 Millionen Quadratkilometern knapp 3,5-mal so groß wie Deutschland. Von den rund 49 Millionen Einwohnern sind 79,2 % Schwarze (Black African), 9,2 % Weiße (White), 9,0 % Mischlinge (Coloured) und 2,6 % Asiaten (Indian or Asian).

Südafrika hat aus der Zeit der Apartheid viele Probleme geerbt und befindet sich in einer völligen sozialen Schieflage. Ein großer Teil der farbigen Bevölkerung lebt noch immer in Armut, die Einkommen sind so ungleich verteilt wie in kaum einem anderen Land der Welt. Knapp 30 Prozent beträgt die Arbeitslosenquote laut dem südafrikanischen Zensus 2011. Im Schnitt sind 35,6 Prozent der dunkelhäuti-gen, aber nur 5,9 Prozent der weißen Südafrikaner erwerbslos. Damit hat sich die Lage seit dem Ende der Apartheid sogar noch ver-schlimmert. Die Ungleichheiten erscheinen mir manchmal wie zementiert.

Südafrika, das seit 1994 ein demokratischer Staat mit gleichem Wahlrecht für alle Bevölkerungsgruppen ist, blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück, die vor allem durch die Apartheid geprägt ist.

Kolonialzeit

Ursprünglich lebten im Süden Afrikas Buschmänner (San) und Hottentotten (Khoi) als Jäger und Sammler. Forscher gehen davon aus, dass bereits seit dem 3. Jahrhundert von Norden Bantu-Stämme in den Osten Südafrikas vordrangen. Sie verdrängten die Ureinwohner allmählich oder integrierten sie in ihre Stammeskulturen. Auf der Suche nach einem Seeweg erreichten Ende des 15. Jahrhundert die ersten Europäer Südafrika. Zunächst gelangte der portugiesische Seefahrer Bartolomeu Diaz 1488 zur Südwestspitze. Während Diaz sie „Kap der Stürme“ taufte, änderte König Jao II. von Portugal die Bezeichnung später in „Kap der guten Hoffnung“, weil nun der Weg nach Indien um Afrika herum offen war. 1652 landeten die ersten Schiffe der Holländisch-Ostindischen Kompanie am Kap. Kommandant Jan van Riebeeck gründete im gleichen Jahr eine kleine Versorgungsstation. Sie wurde zur ersten dauerhaften europäischen Siedlung auf afrikanischen Boden und entwickelte sich später zur Weltstadt Kapstadt.

In den folgenden Jahrzehnten siedelten am Kap der Guten Hoffnung vor allem französische und niederländische Einwanderer. Sie waren in der Mehrzahl Bauern, die sich „Buren“ nannten. Der Begriff leitet sich aus dem niederländischen Wort „boers“ für „Bauern“ ab. Seit dem 18. Jahrhundert wird der Begriff für die europäischstämmigen Einwohner Südafrikas und Namibias verwendet. Gemeinsam war den

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Siedlern ein stark ausgeprägtes Überlegenheitsgefühl gegenüber der einheimischen Bevölkerung. Begleitet von gewaltsamen Auseinan-dersetzungen vertrieben die Europäer sie ins Landesinnere oder machten sie zu ihren Arbeitskräften.

Während der napoleonischen Kriege wurde Kapstadt 1795–1997 von den Briten besetzt, die das Kapland 1814 zur Kronkolonie erklär-ten. Die Briten hoben die Zwangsarbeit für Eingeborene auf und erlaubten diesen auch einige Rechte, z. B. das Recht auf Bodenerwerb. 1833 wurde die Sklaverei offiziell aufgehoben. Rund 50.000 Zwangsarbeiter wurden freigelassen. Die Sklavenbefreiung hatte auch ihre Schattenseiten: Vielen Buren wurde die Existenzgrundlage entzogen, weil sie das riesige Farmland ohne Sklaven nicht mehr bewirtschaf-ten konnten. Und für viele ehemalige Zwangsarbeiter bedeutete die Sklavenbefreiung eine Entlassung in die Armut, weil sie keine Lohn-arbeit fanden.

Die Buren lehnten die britische Kolonialpolitik ab und zogen in den folgenden Jahren auf der Suche nach neuem Siedlungsgebiet ins Landesinnere, unterwarfen mit militärischer Gewalt die Einheimischen und gründeten Burenrepubliken, von denen sich nur der Oranje Freistaat (1842) und Transvaal (1852) behaupten konnten.

Burenkriege

Die Briten annektierten 1877 Transvaal. Als sie jedoch das Versprechen, den Buren eine Autonomie zu gewähren, nicht einlösten, kam es zum Ersten Burenkrieg 1880/81. Die Briten mussten schließlich nachgeben und erreichten ihr Ziel erst im Zweiten Burenkrieg 1899-1902: Die Burenrepubliken wurden als Kronkolonien in das Britische Empire eingegliedert. Allerdings gewährten die Briten 1906 Trans-vaal und ein Jahr später dem Oranje Freistaat eine Selbstverwaltung. Darüber hinaus tolerierten sie die Einschränkung von Bürgerrechten für die nichtweiße Bevölkerung in den ehemaligen Burenstaaten. 1910 schlossen sich die ehemaligen Burenrepubliken mit der Provinz Kapkolonie zur Südafrikanischen Union zusammen. Es handelte sich de facto um einen selbständigen Staat, Staatsoberhaupt blieb jedoch die britische Krone. Amtssprache wurde Englisch, später auch Africaans, die Sprache der Buren.

Die Apartheid nach Gründung der Südafrikanischen Union (1910)

Nach der Gründung der Südafrikanischen Union wurde die Diskriminierung der nichtweißen Bevölkerung fortgesetzt. Diese Rassentren-nung zwischen Weißen und Farbigen in Südafrika wird als „Apartheid“ bezeichnet. Der Begriff ist dem Afriakaans oder Niederländischen „apart“ entlehnt und bedeutet „getrennt“, „einzeln“, „besonders“. Nichtweißen wurde die politische Mitwirkung untersagt. Sie durften nicht wählen und demonstrieren. Außerdem schränkten weitere Gesetze ihre wirtschaftlichen und sozialen Rechte immer weiter ein. So wurden zum Beispiel 1911 Schwarze verpflichtet, ausschließlich niedere Arbeiten zu verrichten. Zwei Jahre später erklärte die Regierung ca. 7 % der Fläche Südafrikas zu Reservaten (Homelands) für Schwarze. Sie wurden zwangsenteignet und in diese Gebiete umgesiedelt.

1912 gründeten Schwarze daraufhin eine erste politische Organisation, den ANC (African National Congress), in der sich verschiedene Protest- und Bürgerbewegungen der Schwarzen zusammenschlossen. Die politische Opposition wurde jedoch unterdrückt.

Apartheid nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Wahlsieg der National Party der Buren 1948 wurde das System der Apartheid als Staatsdoktrin in Südafrika eingeführt. Die Bevölkerung wurde nun offiziell nach Rassen eingeteilt und auch im Alltag strikt getrennt (M 3).

Bushal teste l le in Südafr ika , Foto um 1983

Bildquelle: The Argus, Kapstadt, AP

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In den 1960er Jahren wurde Südafrika aufgrund seiner Apartheidpolitik zunehmend international isoliert. Als die Staatengemeinschaft des britischen Empire (Commonwealth) die Rassendiskriminierung offiziell verurteilte, trat Südafrika 1961 aus dem Commonwealth aus und erklärte sich zur Südafrikanischen Republik. Wirtschaftliche Sanktionen und der Abzug von Auslandskapital führten zu einer Verschlechte-rung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der schwarzen Bevölkerungsmehrheit. Finanzielle Probleme und Arbeitslosigkeit trafen vor allem die Jugendlichen. Mehrfach kam es zu gewaltsamen Protesten. So wurden bei Schüler- und Studentenprotesten 1976 in der Schwarzensiedlung (Township) Soweto in Johannesburg etwa 1000 Jugendliche von der Polizei getötet (M 4).

Proteste schwarzer Jugendl icher in Soweto, Foto von 1976

Bildquelle: Keystone Pressedienst

Nach den monatelangen blutigen Auseinandersetzungen 1976/77 verbot die Regierung die politischen Organisationen, die sich für die Abschaffung der Apartheid einsetzten. Viele Oppositionelle wurden verhaftet und zu Gefängnisstrafen verurteilt, darunter auch der füh-rende Widerstandskämpfer des ANC, Nelson Mandela (M 5). Er wurde 1964 nach einem jahrelangen Prozess wegen Terrors und Hoch-verrat lebenslänglich auf die Gefängnisinsel Robben Island verbannt. Mandela wurde allerdings zum Symbol des Widerstands, der nun im Untergrund und vom Ausland organisiert wurde.

Das Ende der Apartheid

Erst 1990 wurde die Aufhebung des Verbots des ANC erreicht. Im gleichen Jahr kam nach 27 Jahren Haft Mandela frei. Durch Verhand-lungen mit der Regierung des Reformpolitikers und Staatspräsidenten Frederick de Klerk (Reg. 1989–1994) erreichte Mandela bis 1993 das Ende der Apartheid. Dafür wurden er und de Klerk 1993 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. 1994 fanden erstmals Wahlen statt, an denen alle Bevölkerungsgruppen Südafrikas teilnehmen durften. Der ANC errang mit 62,6 % einen überwältigen Wahlsieg und ist seitdem Regierungspartei. Die National Party der Buren, die bei den Wahlen 20,4 % erzielte, wurde in die Regierungsbildung einbe-zogen, um den Versöhnungsprozess zwischen weißer und nichtweißer Bevölkerung zu unterstützen. Mandela wurde zum ersten schwar-zen Staatspräsidenten Südafrikas gewählt (Reg. 1994–1999) (M 5).

S taatspräs ident Nelson Mandela , Foto vom 8. Mai 1996

Bildquelle: dpa

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Nach der Überwindung der internationalen Isolation trat die Republik Südafrika 1994 wieder in den Commonwealth ein und wurde erneut in die UNO aufgenommen. Im April 2009 fanden die vierten demokratischen Wahlen seit dem Ende der Apartheid statt. Der ANC mit dem seit 2007 amtierenden Präsidenten Jacob Zuma ging erneut mit fast zwei Drittel der Stimmen als Sieger hervor.

Wahrheit und Versöhnung

Die Zeit der Apartheid hat eine tief zerrissene Gesellschaft in Südafrika hinterlassen, die ihren Weg zur nationalen Einheit und Versöh-nung erst suchen muss. 1996 wird durch den Präsidenten Nelson Mandela eine Wahrheits- und Versöhnungskommission eingesetzt (Truth and Reconciliation Commission), deren Ziel es ist, durch eine kollektive Aufarbeitung der Verbrechen den gesellschaftlichen Hei-lungsprozess zu fördern und die Grundlagen für eine Gesellschaft zu schaffen, die sich der Akzeptanz der Menschenrechte verpflichtet fühlt. Um ein friedliches Miteinander in der Zukunft zu ermöglichen, sollten Vergeltung und Rache vermieden werden, so dass anders als bei den Nürnberger Prozessen dem Versöhnungsgedanken Vorrang vor dem Bestrafungsmotiv eingeräumt wird, ohne jedoch von vorne-herein eine Generalamnestie (allgemeine Straffreiheit) für die Täter zu erlassen.

Grundlage einer Aussöhnung sollte die Anerkennung und Wahrnehmung des Erlebens der Opfer der Verbrechen und die gemeinsame Erinnerung dessen, was in der Zeit der Apartheid erfolgte, sein. Die Wahrheits- und Versöhnungskommission sollte der südafrikanischen Bevölkerung die Möglichkeit geben, sich öffentlich mit den Menschenrechtsverletzungen auseinanderzusetzen, die unter dem Apartheid-regime begangen wurden. Erzbischof Desmond Tutu, Vorsitzender der Wahrheits- und Versöhnungskommission, nannte diese Art der Vergangenheitsaufarbeitung einen Weg des Vergebens „ohne vergelten und vergessen“.

In öffentlichen Anhörungen untersucht die Kommission Menschenrechtsverletzungen wie Mord, Folter, Entführungen und schwere Miss-handlungen, die in der Zeit von 1961 bis 1990 von den ehemaligen weißen Unterdrückern oder von Angehörigen der oppositionellen Befreiungsbewegungen aus politischer Motivation heraus begangen wurden. Den Tätern wurde Straffreiheit zugesagt, wenn sie die volle Wahrheit über die von ihnen begangenen Verbrechen aussagen und wenn diese politisch motiviert und verhätnismässig waren (unver-hältnismässige, grausame Verbrechen waren von der Amnestie ausgenommen). Die Opfer von Menschenrechtsverletzungen sollten Entschädigung in Form von finanzieller Hilfe erhalten.

Nach nur zwei Jahren Arbeit präsentierte die Wahrheits- und Versöhnungskommission am 29. Oktober 1998 ihren Abschlussbericht.

Die Idee der Wahrheits- und Versöhnungskommission findet (auch international) Anerkennung als gelungener Versuch, einen Versöh-nungsprozess zwischen schwarzen und weißen Südafrikanerinnen und Südafrikanern einzuleiten und ist in anderen Ländern aufgegriffen worden. Jedoch gibt es auch Kritik an dem ausschließlichen Fokus auf schweren Menschenrechtsverletzungen, weil dabei die große Menge der weißen Nutznießerinnen und Nutznießer des rassistischen Apartheidregime nicht berücksichtigt und mit ihrer Verantwortlich-keit konfrontiert würden. Außerdem wird kritisiert, dass die Rolle der Wirtschaft und der politischen Parteien für die Stabilisierung des Systems ausgespart bleibe. Darüber hinaus werde die Frage der Entschädigungen zunehmend vernachlässigt, so dass viele Opfer noch immer von großer Armut betroffen sind. Große Kritik gibt es an den Amnestieregelungen, die die Täter straffrei und ohne Konsequenzen für ihr weiteres Leben entlassen. Für die Verbrechen der Apartheid wird somit niemand zur Rechenschaft gezogen, was von vielen nicht als jene Gerechtigkeit verstanden wird, die dem Prozess der Versöhnung und Heilung voranzugehen hat.

Euphor ie in Südafr ika , Kar ikatur von 1994

Bildquelle: aus Forum Geschichte, Bd. 4, Berlin