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Seite Scherfestigkeit I.1 Lehrstuhl für Grundbau, Bodenmechanik, Felsmechanik und Tunnelbau Vo 27.03.08 D:\Kh\Skript_Originale_einseitig_SS08\080213_Re_VorlG-I-Scherfestigkeit.doc I Scherfestigkeit I.1 Spannungen im Kontinuum, Scherbeanspruchung I.1.1 Spannungsbegriff, Spannungstensor Um die Kräfte im Innern eines Körpers zu beschreiben, denkt man sich den betrachteten Punkt von einem Volumenele- ment umgeben und untersucht die auf die Oberfläche des so definierten Elements wirkenden Kräfte. Zu jeder Teilfläche dieses Volumenelements (Körper mit ebenen Begrenzungsflächen) ist n der nach außen gerichtete Normalen-Vektor. In einer solchen Teilfläche des Kontinuums ΔA möge eine Kraft ΔP wirken. Als Spannung p wird der Grenzwert dA dP = A P lim = p 0 A Δ Δ Δ (I01.10) bezeichnet. Die Größe der Spannung hängt also einmal von der Orientierung n der Fläche, zweitens von der Größe und Richtung des Kraftvektors P ab. Die Spannung ist daher eine Funktion zwischen den Vektoren n und p . Ihre funktionale Verknüpfung stellt eine Matrix her, die als Spannungstensor S bezeichnet wird: p n = S n n (I01.20). Ihre Koeffizienten sind, wie die Gleichgewichtsbetrachtung am Volumenelement zeigt, die Spannungskomponenten σ ik , die auf ein orthogonales Bezugssystem x,y,z bezogen werden. Ausführlich geschrieben lautet Gleichung I01.20: σ σ σ σ σ σ σ σ σ n n n = p p p nz ny nx zz yz xz zy yy xy zx yx xx nz ny nx (I01.30). Anmerkung: Mit Rücksicht auf die Matrizenschreibweise erhalten alle Spannungskomponenten einheitlich das Symbol σ mit Doppel-Indices, also auch die sonst in der Technik mit τ bezeichneten Schubspannungen. I.1.2 Vorzeichenregelung am Volumenelement Da der Boden ein Material mit keiner oder nur geringer Zugfestig- keit ist, werden in der Bodenmechanik die Normalspannungen meist als Druckspannungen positiv definiert. Bei σ ik bedeutet der Index i die Flächen- und k die Kraftrichtung. Eine positive Normal- spannungskomponente (i = k) stellt man daher (Bild I01.10 ) als positive Kraftrichtung auf einer negativen Fläche (oder umgekehrt) dar. Da das auch für die Schubspannungen gilt, verursachen die zugeordneten positiven Schubspannungen einmal ein Drehmo- ment im Uhrzeigersinn und einmal im Gegenuhrzeigersinn, also σ ik = σ ki . Aus der Erfüllung der Momenten-Gleichgewichts- bedingung folgt somit die Symmetrie des Spannungstensors zu seiner Hauptdiagonalen. I.1.3 Spezielle Spannungszustände Wenn in einer Richtung, z.B. der Richtung y, keine Spannungen wirken, spricht man vom ebenen Spannungszustand . Er wirkt beispielsweise in Scheiben von Tragwerken, spielt jedoch in der Bodenmechanik keine Rolle. Sind dagegen die Verformungen in einer Richtung (wiederum z.B. y) gleich 0, spricht man vom ebenen Verformungszustand . Er ist in der Bodenmechanik von großer Bedeutung, man denke an lang- gestreckte Böschungen oder Streifenfundamente. Das Verschwinden der Verformungen in einer Richtung geht aber Bild I01.10 : positive Spannungskomponenten; Kraftrichtung und Flächennormale x z y σ xx σ xz σ xy σ zz σ zx σ zy σ yy σ yx σ yz σ zz σ zx σ zy dz dx dy x z y ΔP {p} {n} ΔA dx dy

Vorl g i Scherfestigkeit

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Seite Scherfestigkeit I.1

Lehrstuhl für Grundbau, Bodenmechanik, Felsmechanik und Tunnelbau

Vo 27.03.08 D:\Kh\Skript_Originale_einseitig_SS08\080213_Re_VorlG-I-Scherfestigkeit.doc

I Scherfestigkeit

I.1 Spannungen im Kontinuum, Scherbeanspruchung

I.1.1 Spannungsbegriff, Spannungstensor

Um die Kräfte im Innern eines Körpers zu beschreiben, denkt man sich den betrachteten Punkt von einem Volumenele-ment umgeben und untersucht die auf die Oberfläche des so definierten Elements wirkenden Kräfte. Zu jeder Teilfläche dieses Volumenelements (Körper mit ebenen Begrenzungsflächen) ist n der nach außen gerichtete Normalen-Vektor. In

einer solchen Teilfläche des Kontinuums ΔA möge eine Kraft ΔP wirken. Als Spannung p wird der Grenzwert

dAdP =

AP lim = p

0A ΔΔ

→Δ (I01.10)

bezeichnet. Die Größe der Spannung hängt also einmal von der Orientierung n der Fläche, zweitens von der Größe und

Richtung des Kraftvektors P ab. Die Spannung ist daher eine Funktion zwischen den Vektoren n und p. Ihre funktionale Verknüpfung stellt eine Matrix her, die als Spannungstensor S bezeichnet wird: pn = S • nn (I01.20).

Ihre Koeffizienten sind, wie die Gleichgewichtsbetrachtung am Volumenelement zeigt, die Spannungskomponenten σik, die auf ein orthogonales Bezugssystem x,y,z bezogen werden. Ausführlich geschrieben lautet Gleichung I01.20:

⎪⎪⎭

⎪⎪⎬

⎪⎪⎩

⎪⎪⎨

⎥⎥⎥⎥

⎢⎢⎢⎢

σσσ

σσσ

σσσ

⎪⎪⎭

⎪⎪⎬

⎪⎪⎩

⎪⎪⎨

n

n

n

=

p

p

p

nz

ny

nx

zzyzxz

zyyyxy

zxyxxx

nz

ny

nx

(I01.30).

Anmerkung: Mit Rücksicht auf die Matrizenschreibweise erhalten alle Spannungskomponenten einheitlich das Symbol σ

mit Doppel-Indices, also auch die sonst in der Technik mit τ bezeichneten Schubspannungen.

I.1.2 Vorzeichenregelung am Volumenelement

Da der Boden ein Material mit keiner oder nur geringer Zugfestig-keit ist, werden in der Bodenmechanik die Normalspannungen meist als Druckspannungen positiv definiert. Bei σik bedeutet der Index i die Flächen- und k die Kraftrichtung. Eine positive Normal-spannungskomponente (i = k) stellt man daher (Bild I01.10) als positive Kraftrichtung auf einer negativen Fläche (oder umgekehrt) dar. Da das auch für die Schubspannungen gilt, verursachen die zugeordneten positiven Schubspannungen einmal ein Drehmo-ment im Uhrzeigersinn und einmal im Gegenuhrzeigersinn, also σik = σki. Aus der Erfüllung der Momenten-Gleichgewichts-bedingung folgt somit die Symmetrie des Spannungstensors zu seiner Hauptdiagonalen.

I.1.3 Spezielle Spannungszustände

Wenn in einer Richtung, z.B. der Richtung y, keine Spannungen wirken, spricht man vom ebenen Spannungszustand. Er wirkt beispielsweise in Scheiben von Tragwerken, spielt jedoch in der Bodenmechanik keine Rolle. Sind dagegen die Verformungen in einer Richtung (wiederum z.B. y) gleich 0, spricht man vom ebenen Verformungszustand. Er ist in der Bodenmechanik von großer Bedeutung, man denke an lang-gestreckte Böschungen oder Streifenfundamente. Das Verschwinden der Verformungen in einer Richtung geht aber

Bild I01.10: positive Spannungskomponenten; Kraftrichtung und Flächennormale

x

z

y

σxx

σxz

σxy

σzz

σzx

σzy

σyy

σyx

σyz

σzz

σzx σzy

dz dx dy

x

z

y

ΔP {p}

{n}

ΔA

dx

dy

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Seite Scherfestigkeit I.2

nicht einher mit dem Verschwinden der Spannungen in dieser Richtung! Die Änderung der Stützkräfte im Korngerüst bei Belastungen in x- und z- Richtung führen auch in einer dabei nicht verformten Richtung y zu Spannungsänderungen. Es lässt sich jedoch zeigen, dass die Richtung y eine Hauptspannungsrichtung ist (siehe unten) und die Spannungskompo-nenten σyx = 0 und σyz = 0 sind. Weiterhin ist die Hauptspannung σyy die mittlere der drei Hauptspannungen σ1 ≤ σyy = σ2 ≤ σ3. Man spricht von einem hydrostatischen Spannungszustand, wenn alle Schubspannungen verschwinden und außerdem in allen Richtungen die Spannungen die gleiche Größe haben: σxx = σyy = σzz = σ1 = σ2 = σ3. Da dieser Spannungs-zustand in Flüssigkeiten auftritt und dort der einzig mögliche Spannungszustand ist, heißt er hydrostatisch. Im unbelasteten und auch nicht vorbelasteten homogenen Halbraum mit horizontaler Oberfläche, einem Grundsystem, welches in der Geotechnik oft verwendet wird, besteht ein Spannungszustand, bei dem die Spannungen mit der Tiefe z

linear zunehmen. Dort ist die vertikale Spannung aus Gleichgewichtsgründen σzz = γ·z. In den dazu senkrechten Rich-

tungen wirkt eine ihr proportionale Spannung mit der Proportionalitätskonstanten K0 (Ruhedruckbeiwert):

σxx = σyy = K0·γ·z . Weiterhin gilt σxy = 0.

I.1.4 Transformation des Spannungstensors

Wenn man das Bezugssystem ändert, d.h. den Spannungszustand aus einem System x,y,z in ein neues System x',y',z' transformiert, ändern sich die Koeffizienten des Spannungstensors mit den Pro-dukten der Richtungskosinus (Bild I01.20): σi'k' = (nk'i)·σik·(ni'k) (I01.40). Anmerkung: Man beachte den Unterschied zu einem Vektor, der sich nur mit der einfachen Winkelfunktion transformiert. Beispiel: Ebener Zustand (gilt für alle Transformationen des Koordi-natensystems in einer Hauptspannungsebene) Die Ebene x;z sei die Hauptspannungsebene, das Bezugssystem wird um den Winkel α (Bild I01.30) gedreht:

αα′α′

α′αα′

cos = ) z'z, ( cos = n cos = ) z,z ( cos = n sin - = ) x,z ( cos = n

sin = ) z,x ( cos = n cos = ) x'x, ( cos = n cos = ) x,x ( cos = n

zz

zz

xz

zx

xx

xx

Damit erhält man die Spannungskomponenten

=α⋅σα⋅α⋅σ⋅α⋅σ=σ sin + sin cos 2 + cos 2zzxz

2xx'x'x

α⋅σα⋅σσσσ= 2 sin + 2 cos ) - ( 21 + ) + (

21 xzzzxxzzxx

α⋅σα⋅σσσσ==σ 2 sin - 2 cos ) - ( 21 - ) + (

21 . . . xzzzxxzzxx'z'z (I01.50)

α⋅α⋅σα⋅σα⋅σα⋅α⋅σ=σ ′′ cos sin + cos + ) sin- ( + ) sin - ( cos zz2

xz2

zxxxzx

α⋅σα⋅σσ= 2 cos + 2 sin ) - ( 21 - xzzzxx

Bild I01.20: Transformation des Bezugssystems

Bild I01.30: Drehung des Bezugssystems um den Winkel α

x

y

z

x

z´ z

α

α

Page 3: Vorl g i Scherfestigkeit

Seite Scherfestigkeit I.3

I.1.5 Hauptspannungen, Invarianten

Für jeden Spannungszustand lassen sich 3 zueinander orthogonale Flächen finden, in denen keine Schubspannungen auftreten: die Hauptspannungsflächen. Die auf diese Flächen wirkenden Normal-spannungen heißen Hauptspannungen σ1, σ2, σ3 (Bild I01.40). Die Indices 1,2,3 werden so gewählt, dass σ1 > σ2 > σ3 ist. Der Spannungstensor in Gleichung I01.30 lässt sich damit auch in folgender Form schreiben:

S

00

00

00

=

3

2

1

⎥⎥⎥⎥

⎢⎢⎢⎢

σ

σ

σ

(I01.60).

Nachfolgend wird dargestellt, wie man aus einem allgemeinen Spannungszustand mit den 6 Spannungskomponenten σxx, σyy, σzz, σxy = σyx, σxz = σzx, σyz = σzy die Größe der drei Hauptspannungen und ihre Richtungen bestimmt. Von all-gemeiner Bedeutung sind die Ergebnisse für den ebenen Fall, Gleichungen I01.110 und I01.120. Die zu einer Hauptspannung mit Index i gehörige Schnittfläche habe den Richtungsvektor der Normalen ni. Mit σik= 0 (i ≠ k) ergibt Gleichung I01.30:

izzxiyyxixxxixi n n n n ⋅σ+⋅σ+⋅σ=⋅σ (I01.65)

izzyiyyyixxyiyi n n n n ⋅σ+⋅σ+⋅σ=⋅σ

izzziyyzixxzizi n n n n ⋅σ+⋅σ+⋅σ=⋅σ

oder in Matrixschreibweise:

0 =

n

n

n

iz

iy

ix

izzyzxz

zyiyyxy

zxyxixx

⎪⎪⎭

⎪⎪⎬

⎪⎪⎩

⎪⎪⎨

⎥⎥⎥⎥

⎢⎢⎢⎢

σ−σσσ

σσ−σσ

σσσ−σ

(I01.70).

Da wegen der Bedingung nix2 + niy

2 + niz2 = 1 die Komponenten von ni nicht alle = 0 sein können, ist Gleichung

I01.70 nur dadurch zu erfüllen, dass die Determinante der Matrix = 0 gesetzt wird. Daraus erhält man eine Bestimmungs-

gleichung für die Hauptspannungen σi :

σi3 - I1·σi

2 + I2·σi - I3 = 0 (I01.80) mit den Koeffizienten σ+σ+σ zzyyxx1 = I

) ( = I xzzxzyyzyxxyxxzzzzyyyyxx2 σσ+σσ+σσ−σσ+σσ+σσ

⎥⎥⎥⎥

⎢⎢⎢⎢

σσσ

σσσ

σσσ

det= I

zzyzxz

zyyyxy

zxyxxx

3 (I01.90).

Aus der Forderung, dass sich unabhängig von der Wahl des Koordinatensystems stets dieselben Hauptspannungen σi ergeben müssen, folgt, dass die Koeffizienten der charakteristischen Gleichung I01.80 unabhängig von der Wahl des Koordinatensystems sein müssen. Sie heißen deswegen Invarianten des Spannungstensors. Wenn man sie durch die Hauptspannungen ausdrückt, erhält man:

Bild I01.40: Hauptspannungen

σ1

σ2

σ3

2

1

3

A

B

C

0

Page 4: Vorl g i Scherfestigkeit

Seite Scherfestigkeit I.4

3211 = I σ+σ+σ

1332212I σ⋅σ+σ⋅σ+σ⋅σ= (I01.100).

3213I σ⋅σ⋅σ=

Jede Kombination der 3 Invarianten (einschließlich der 3 Hauptspannungen selbst) ist ebenfalls invariant, doch gibt es nur 3 voneinander unabhängige Invarianten. Nach der Berechnung von σi werden aus 2 der Gleichungen I01.65 die

Verhältniswerte nix/niz und niy/niz ermittelt. Wenn man diese in die Nebenbedingung Σnik2 = 1 einsetzt, kann man

daraus niz berechnen. Beispiel: Ebener Zustand Die unbekannten Richtungswinkel lassen sich hier auf einen Winkel

α reduzieren, Bild I01.50:

α1z = α = Winkel von +z nach 1 im Uhrzeigersinn

α1x = α + 90°; α2z = α - 90°; α2x = α Zunächst berechnet man die Invarianten mit Gleichung I01.90: I1 = σxx + σzz I2 = σxx·σzz - σxz·σzx I3 = 0 Da I3 = 0 ist, kann in Gleichung I01.80 die Lösung σi = σ3 ab-gespalten werden, d.h. es bleibt die quadratische Gleichung σi

2 - (σxx + σzz)·σi + σxx·σzz - σxz2 = 0

zu lösen. Die Lösungen lauten für den ebenen Spannungszustand wie für den ebenen Verformungszustand:

σσσ±σ+σσ 2

xz2

zzxx41zzxx + ) - (

2 =

2,1

(I01.110).

Die Richtung α der Hauptspannungen ergibt sich aus den Gleichungen in Abschnitt I.1.3 für das ebene Beispiel, wenn - vgl. Bild I01.30 mit Bild I01.50 - x' durch 2 und z' durch 1 ersetzt wird. Dann ist

σx'z' = σ21 = 0 = - ½(σxx - σzz) sin 2α + σxz·cos 2α also

tan 2α = 2·σxz / (σxx - σzz) (I01.120).

I.1.6 Mohr'sche Darstellung des ebenen Spannungszustands, Polkonstruktion

Wenn ein Spannungszustand berechnet ist, kann man ihn nach einem Vorschlag von O. MOHR grafisch durch Abbildung in einer "Spannungsebene" darstellen. Es wirke in einer Fläche mit dem Normalenvektor n die Spannung p, die sich auf dieser Fläche als Vektor darstellt (siehe Abschnitt I.1.1). Der Vektor wird zerlegt in eine Normalspannungskomponente σn und eine Schubspannungs-

komponente τn (Bild I01.60). Die für die Betrachtung nach MOHR verwendete Spannungsebene wird zwischen diesen zwei Vektor-komponenten aufgespannt. Nachfolgend beschränken wir uns auf die Darstellung von ebenen Zuständen in der Ebene, in der die größte Hauptspannung σ1 und die kleinste Hauptspannung σ3 wirken. In diesem Fall sind die physikalische Ebene und die Span-nungsebene als Bildebene umkehrbar eindeutig einander zugeord-net: (Bild I01.70).

Bild I01.50: Winkel α bei ebenem Zustand

Bild I01.60: Spannungsebene, aufgespannt durch

die vektoriellen Komponenten σn und τn , die als Spannung an der Fläche mit der Normalen n wirken

α2x

α1x

α1z

x

2

1

z

tang. Richtung

n

pn

σn

τn

Page 5: Vorl g i Scherfestigkeit

Seite Scherfestigkeit I.5

Die Gleichung des Spannungskreises ist mit

σ = σii und τ = σik:

22

312

31

22τ+⎟

⎞⎜⎝

⎛ σ+σ−σ=⎟

⎞⎜⎝

⎛ σ−σ

Die Transformationsgleichungen I01.50 können in dieser Ebene als Gleichungen eines Kreises gedeutet werden, bei dem die Punkte auf dem Kreis den Transformationsregeln entsprechende Kombina-tionen von σxx, σzz, σxz und σx'x', σz'z', σx'z' darstellen. Auch der Zusammenhang in Gleichung I01.120 kann in diesem Kreis einfach gezeigt werden. In der Bodenmechanik ist es üblich, diesen Kreis in einem Koordi-natensystem darzustellen, auf dessen Abszisse die Normalspan-nungen σxx, σzz, σx'x', σz'z', σ1 und σ3 abgetragen und auf der

Ordinate die Schubspannungen σxz, σzx, σx'z' und σz'x' dargestellt werden. Auf der Abszisse werden Druckspannungen positiv abge-tragen. Schubspannungen sind im Bild dann positiv einzutragen, wenn sie im Gegenuhrzeigersinn drehen. Im Mohr'schen Kreis lassen sich anschaulich die in ebenen Zuständen richtungsabhän-gig einander zugeordnet wirkenden Spannungen einschließlich der Hauptspannungen und Hauptspannungsrichtungen zeigen. Wir gehen nachfolgend davon aus, dass wir aus einer Berechnung im Koordinatensystem x, z die Spannungen σxx, σzz und σxz = σzx kennen. An einem kleinen Element mit Schnittufern in x- und z-Richtung können die Spannungskomponenten als Vektoren darge-stellt werden (oberer Teil von Bild I01.70). Wir tragen die Größe der bekannten Spannungen mit den genannten Vorzeichen in der Mohr'schen Spannungsebene auf. Sie erzeugen die Bildpunkte X (er repräsentiert die Spannung am Schnittufer "X") sowie Z (für Schnittufer "Z"), und sie legen bereits den Spannungskreis fest: Sein Mittelpunkt liegt bei (σxx + σzz) / 2,

sein Radius R ergibt sich aus R2 = (σxx - σzz)2 / 4 + σxz

2.

Nach Einzeichnen des Kreises ergeben sich die Hauptspannungen σ1 und σ3 als die Punkte, an denen der Kreis die Abszisse schneidet. Als nächstes wird der sogenannte Pol dadurch konstruiert, dass durch den Punkt X die Richtung des Schnittufers "X" oder durch den Punkt Z die Richtung des Schnittufers "Z" angetragen wird. Der Pol ist der geometrische Ort, der alle Flächenrichtungen von Schnittufern mit den zugehörigen Spannungspunkten verbindet. Mit seiner Hilfe kann die Flächen-

richtung für die Hauptspannung σ1 ermittelt werden. Sie verbindet den Pol mit dem Punkt (σ1 | τ = 0). Diese Flächen-richtung kann entsprechend als Parallele in die physikalische Ebene übertragen werden.

Mit Hilfe des Pols können Normalspannungen σ und zugehörige Schubspannungen τ für beliebige Schnittebenen ermit-telt werden. Auch lässt sich einfach die Richtung ermitteln, in der die größten Schubspannungen wirken. Zwischen der physikalischen Ebene und der Mohr'schen Spannungsebene bestehen weitere Zusammenhänge:

- Der Richtungswinkel α erscheint in der physikalischen Ebene und in der Spannungsebene der Mohr'schen Darstel-lung mit demselben Drehsinn.

- Die Verbindungslinien vom Ursprung des Mohr'schen Diagramms zu Spannungspunkten, z.B. 0-X oder 0-Z repräsen-tieren die Spannungsvektoren an den zugehörigen Schnittufern.

- Daher stimmen auch die Winkel δx und δz, die die Richtung der Spannungsvektoren an den Schnittufern definieren, in beiden Ebenen dem Betrag nach überein.

Bild I01.70: Mohr'scher Spannungskreis

Page 6: Vorl g i Scherfestigkeit

Seite Scherfestigkeit I.6

I.1.7 Kugeltensor und Deviator der Spannungen, Spannungen in Oktaederdarstellung

Für das Verständnis des Stoffverhaltens von Böden ist es zweckmäßig, den Spannungstensor S zu zerlegen in einen hydrostatischen Teilzustand Sm, den Kugeltensor, und einen Restzustand S', den Deviator: S = Sm + S' (I01.130)

oder, ausführlich geschrieben: (mit σm = 1/3·(σ1 + σ2 + σ3) – zu unterscheiden von der algebraisch mittleren Haupt-

spannung σ2 !)

Sm = ⎟⎟⎟⎟

⎜⎜⎜⎜

σ

σ

σ

m

m

m

00

00

00

, S' = ⎟⎟⎟⎟

⎜⎜⎜⎜

σσ

σσ

σσ

) - (00

0) - (0

00) - (

m3

m2

m1

(I01.140).

Die zugehörigen Invarianten sind Im1 = 3·σm Im2 = 3·σm

2 Im3 = σm3 (I01.150)

I'1 = 0 I'2 = -(1/6)·[(σ1 -σ2)2 + (σ2 - σ3)2 + (σ3 - σ1)2] (I01.160).

I'3 = (1/27)·(2σ1 - σ2 - σ3)·(2σ2 - σ1 - σ3)·(2σ3 - σ1 - σ2) Es ist gut vorstellbar, dass Änderungen des Ku-geltensors, also eine hydrostatische Spannungs-änderung, mit sehr geringen Verformungen ein-hergehen, da die damit verbundenen Druckspan-nungsänderungen im Korngerüst überwiegend ohne Verlagerung der Einzelkörner aufgenom-men werden können. Bei deviatorischen Span-nungsänderungen sind Drehungen von Teilchen im Boden sowie Umlagerungen im Korngerüst wesentlich wahrscheinlicher und sie führen daher zu deutlich größeren Verformungsanteilen. Die zuletzt definierten Teil-Tensoren lassen sich anschaulich in einem von den 3 Hauptspannun-gen aufgespannten Raum darstellen, Bild I01.80. In diesem Bild-Raum erscheinen die Tensoren als Vektoren, und zwar fällt Sm in die Richtung der ersten Raumdiagonalen, S' in die dazu senkrechte Ebene. Auch im physikalischen Raum lässt sich der räumliche Spannungszustand durch einen einfachen Vergleichsspannungs-zustand ersetzen, wenn man - wie rechts in Bild I01.80 - als Volumenelement einen regelmäßigen und um den Nullpunkt symmetrischen Oktaeder verwendet. Die Flächennormale des Oktaeders ist wiederum die Raumdiagonale

}31 ;

31 ;

31{ ±±± und die Normalspannungs-Komponente des in dieser Fläche wirksamen "Oktaeder-

Spannungszustands" ist σo = σm.

Mit ) + + ( 31 = p 2

32

22

12 σσσ ergibt sich die Oktaeder-Schubspannung wie folgt:

213

232

221

20

20 )()()(

31p σ−σ+σ−σ+σ−σ=σ−=τ (I01.170).

Die Oktaeder-Schubspannung lässt sich durch I'2 (siehe Gleichung I01.160) ausdrücken, d.h. die Oktaederspannungen sind selbst auch Invarianten:

'I 32 = I 3

1 = 22

01m0 ⋅−τ⋅σ (I01.180).

Bild I01.80: Spannungen an einem Oktaeder als Volumenelement

Deviator S´ σσ1

S σ2

Kugeltensor Sm

σ3

Physikalischer Raum Bildraum

1

τ0

2

p

σ0

3

σ1 = σ2 = σ3

Page 7: Vorl g i Scherfestigkeit

Seite Scherfestigkeit I.7

I.2 Scherbeanspruchung und Scherfestigkeit

I.2.1 Scherbeanspruchung

In der Bodenmechanik hat die Scherbeanspruchung im Vergleich zur Scherfestigkeit eine zentrale Bedeutung. Im Boden kommt es zu Versagenszuständen, wenn die Scherbeanspruchung die Scherfestigkeit erreicht. Dagegen entstehen aus einer (isotropen) Druckbeanspruchung, selbst wenn sie sehr hoch ist, keine Grenzzustände. Allenfalls können dabei einzelne Körner des Bodens brechen und zu sprunghaften Dichteänderungen führen. Eine Druckbeanspruchung hat allerdings Bedeutung für die Steifigkeit bzw. Verformbarkeit des Bodens (siehe Oedometerversuch, Abschnitt H, „Bau-grundverformungen“). Zugbeanspruchungen sind im Boden nicht oder nur in sehr geringer Größe aufnehmbar. Bei allgemeiner räumlicher Beanspruchung drücken der Deviator der Spannungen bzw. die Oktaeder-Schubspannung die Scherbeanspruchung aus. Bei ebener Betrachtung ist die Scherbeanspruchung am besten im Mohr'schen Diagramm aufzuzeigen, siehe Bild I01.70. Der Radius des Spannungskreises in dieser Darstellung gibt die Größe der Scherbean-

spruchung an. Sie beträgt τmax = (σ1 - σ3) / 2. Die Richtung, in der die maximale Scherbeanspruchung wirkt, ist um 45°

gegenüber den Hauptspannungsrichtungen σ1 bzw. σ3 geneigt. Es ist stets zulässig, die maßgebende Scherbeanspruchung in einer ebenen Betrachtung zu ermitteln, wenn als Ebene diejenige gewählt wird, in der die Hauptspannungen σ1 und σ3 wirken. Zwar können dann auch senkrecht zu dieser Ebene Scherbeanspruchungen wirken, doch sie bestimmen das Materialverhalten nur in untergeordnetem Maße.

I.2.2 Begriff der Scherfestigkeit

Im Gegensatz zu kompakten Materialien oder auch Fels ist ein Lockergestein ein aus Feststoffteilchen aufgebautes Gefüge („Korngerüst“ oder „Haufwerk“) mit wasser- oder luftgefüllten Poren und deswegen empfindlich gegenüber Scherbeanspru-chungen, welche bevorzugt zu Bewegungen, Rotationen und Gleiten, der Feststoffteilchen gegeneinander führen. Die Gren-ze der möglichen Scherbeanspruchung (Grenzbedingung) wird als Scherfestigkeit bezeichnet. Unter Festigkeit versteht man allgemein die Fähigkeit eines Stoffes, Schubspannungen bzw. Zugspannungen mit begrenz-ten Verformungen auszuhalten, nach einer Spannungserhöhung also wieder einen neuen Gleichgewichtszustand zu errei-chen. Mit Erreichen der Festigkeitsgrenze kommt es zum Versagen. Dabei wird unterschieden zwischen einem plötzlichen Versagen (Sprödbruchverhalten) und einem plastischen Fließen (duktiles Verhalten), welches in nicht überkonsolidierten Böden typisch ist. Das Fließen lässt sich am besten in einem Versuch erklären, bei dem nicht die Spannungen gesteigert werden, sondern bei dem einer Probe zunehmend Verformungen, Dehnungen oder Verzerrungen, aufgezwungen werden. Solange für zunehmende Verformungen die einzuleitenden Kräfte bzw. Spannungen gesteigert werden müssen, ist der Grenzzustand (Festigkeitsgrenze) noch nicht erreicht. Dies ist erst der Fall, wenn die Spannungen ihr Maximum erreicht haben. Hier sind zwei Fälle zu unterscheiden: - bei überkritisch dichten Böden erreicht die Schubspannung

einen Peak (größte Scherfestigkeit τf ) und fällt danach wieder ab. Gleichzeitig lockern dichte Böden dabei auf, bis sie bei aus-reichend großen Verformungen sich wieder stabilisieren und die

so genannte kritische Scherfestigkeit τk bei der kritischen

Dichte ρk mit der kritischen Porenzahl ek erreichen.

- bei unterkritisch dichten Böden steigt die Schubspannung mit zunehmender Scherverformung an und erreicht asymptotisch ebenfalls die kritische Scherfestigkeit. Gleichzeitig verdichten sich lockere Böden, bis auch sie die kritische Porenzahl und die kritische Scherfestigkeit erreichen.

Wenn trotz zunehmender Verformungen die Schubspannungen gleich bleiben, spricht man vom plastischen Fließen („volumen-treu“), der kritische Grenzzustand ist erreicht. Obwohl streng ge-nommen kein Bruch auftritt, spricht man in der Bodenmechanik dennoch auch vom Bruchkriterium.

Bild I02.10: Begriffe zur Scherfestigkeit und Dichte

Page 8: Vorl g i Scherfestigkeit

Seite Scherfestigkeit I.8

Bei mittel- und ausgeprägt plastischen Böden kann bei sehr großen Verformungen, verbunden mit diskreten Scherflächen

(Harnischflächen), eine so genannte Restscherfestigkeit τr erreicht werden, die (deutlich) geringer ist als die kritische Scherfestigkeit. Dann ist es, wie beispielsweise bei einem Zugversuch an sprödem Material, zu einem Trennbruch gekom-men. Die Grenze der Festigkeit kann außer durch Steigerung der Beanspruchung bis zu einem kritischen Spannungszustand auch durch eine Festigkeitseinbuße infolge chemischer oder physikalischer Einwirkungen erreicht werden. Der Grenzzu-stand wird im Boden charakterisiert durch (im Ausnahmefall) Brechen des Materials auf der Ebene der Körner oder Kris-talle oder (im Regelfall) durch nicht zur Ruhe kommende Umlagerungen, Rotationen und Gleitungen der Feststoffteile untereinander. Die Überschreitung der Festigkeit eines Lockergesteins wird entweder durch Zugspannungen oder durch deviatorische Spannungen im Grenzzustand ausgelöst. Da die Fähigkeit, Zugkräfte aufzunehmen, im Boden keine nennenswerte Rolle spielt, versteht man in der Bodenmechanik unter "Festigkeit" stets die Scherfestigkeit. Sie gibt die maximale Größe einer Scherbeanspruchung σxz in einem Bodenelement an. Bei einer Darstellung von Spannungen in der Mohr'schen Span-nungsebene wird die Scherfestigkeit daher durch maximal mögliche Radien von Spannungskreisen definiert. Die Scherfestigkeit eines Lockergesteins wächst mit dem isotropen Spannungsanteil, weil das Korngerüst dadurch vorge-spannt und die relative Verschieblichkeit der Körner gebremst wird. (mögliche Ausnahme: bei sehr inhomogenen Material-zusammensetzungen können durch isotrope Druckvorspannung Eigenspannungszustände entstehen, die zu einem Abwei-chen von dieser Regel führen.) Die Scherfestigkeit eines Lockergesteins ist also an den isotropen Spannungsanteil gekop-pelt und keine feste Materialkenngröße. Die Koppelung verschwindet in dem Maße, wie die Verschieblichkeit der Körner blockiert wird (Beispiel: Beton). Feste Stoffe zeigen daher nur eine geringe Abhängigkeit der Scherfestigkeit vom allseitigen Druck. Bei der Betrachtung der Scherfestigkeit von Lockergesteinen spielt die Reibung zwischen den Partikeln eine maßgebende Rolle. Man unterscheidet dabei zwischen Haftreibung, Gleitreibung, Rollreibung und Flüssigkeitsreibung (Viskosität).

I.3 Reibung: Scherfestigkeit zwischen starren Körpern

I.3.1 Reibung starrer Körper

Möchte man einen Körper auf einer starren Unterlage verschieben, so muss man eine gewisse Kraft aufwenden, um die sogenannte Reibungskraft zu überwinden. Bei kleineren Kräften bleibt der Körper in Ruhe. Es gibt also eine Festigkeitsgrenze im Hinblick auf den Kontakt (Reibungsverbund) zweier Körper. Dabei entspricht die bis zum ersten Verschieben zu überwindende Haftreibung der größten Scherfestigkeit (Peak) und die Gleitreibung entspricht dem kritischen Grenzzustand. Die für den Zustand des Gleitens erforderliche Tangentialkraft T wächst bekanntlich proportional mit der normal zur Kontaktfläche wirksamen Kraft N. Der Proportionalitätsfaktor T / N wird mit f oder

µ bezeichnet, der Winkel zwischen der Resultierenden und der Nor-

malen als Reibungswinkel δ (Bild I03.10), auch als Kontakt-

Reibungswinkel ϕ bezeichnet. Im Zustand des Gleitens gilt:

T = N·tan ϕ. Entsprechend den Definitionen des vorangegangenen Abschnitts entspricht das Gleiten einem plastischen Fließen. Die Kraft T definiert den kritischen Grenzzustand (Scherfestigkeit in der zwischen den starren Körpern definierten

Scherebene). Der zu verschiebende Körper bleibt in Ruhe (haftet), solange gilt: T < N·tan ϕ .

I.3.2 Reibung auf einer schiefen Ebene, Richtungsabhängigkeit, aktive und passive Zustände, Mobilisierung

Die Reibungskraft R, die zwei Körper haftend miteinander verbindet und die zum Verschieben der Körper überwunden werden muss, wird erst durch eine angreifende Kraft mobilisiert und in ihrer Richtung bestimmt.

Bild I03.10: Kräfte beim Verschieben eines Körpers auf starrer Unterlage

N

R Q

φ

δ T

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Seite Scherfestigkeit I.9

Richtungsabhängigkeit und Erfordernis der Mobilisierung werden besonders deutlich bei der Reibung eines Körpers auf einer schiefen Ebene. Bezogen auf die Kontaktfläche kann die Eigengewichtskraft G in einen Normalkraftanteil N = G·cos β und einen Tangentialkraftanteil T = G·sin β zerlegt werden (Bild I03.20). Wenn die Neigung der schiefen

Ebene größer ist als der Reibungswinkel ϕ, dann möchte der Körper abrutschen, da die maximale rückhaltende Rei-

bungskraft R kleiner ist als die aus Eigengewicht resultierende Tangentialkraft T.

Es gilt: R = N·tan ϕ = G·cos β·tan ϕ < G·sin β.

Um den Körper zu halten, ist eine Stützkraft Ea = T – R erfor-derlich. Hier spricht man von einer aktiven Stützkraft, die gerade erforderlich ist, um den Körper zu halten. Möchte man dagegen den Körper, der sich mit seinem Gewicht passiv dagegen stellt, bergauf schieben, so muss sowohl die aus dem Eigengewicht resultierende Tangentialkraft als auch die vom Normalkraftanteil des Eigengewichts abhängige maximale Rei-

bungskraft R, jetzt in anderer Richtung wirkend, überwunden

werden. Zum Verschieben ist die Kraft Ep = T + R erforderlich.

Bei äußeren Kräften zwischen Ea und Ep bleibt der Körper in Ruhe. Zur Erfüllung der Gleichgewichtsbedingung wirkt auch in derartigen Fällen eine Reibungskraft in der Kontaktfläche. Sie wird als mobilisierte Reibungskraft Rmob bezeichnet. Ordnet man der Reibungskraft ein Vorzeichen zu, z.B. positiv nach rechts, dann gilt -R ≤ Rmob ≤ R. Ebenso kann man auch einen

mobilisierten Reibungswinkel ϕmob = arctan (T / N) definie-

ren, für den gilt: ϕmob ≤ ϕ . Diese Bedingung lässt sich in einem sogenannten "Reibungskegel" darstellen, siehe Bild I03.30.

I.3.3 Adhäsion

Die Scherfestigkeit starrer Körper zueinander ist zuletzt nur durch die Reibung definiert worden. Über die Reibung hinaus kann die Scherfestigkeit auch noch durch eine "Verklebung" erhöht sein, also einen normalkraftunabhängigen Anfangsef-fekt aufweisen. In diesem Fall spricht man von einer Adhäsion.

I.3.4 Haft- und Gleitreibung, rollende Kornreibung, Gefügewiderstand

Schon LEONARDO DA VINCI notierte sich auf Grund von Beobachtungen die beiden Grundgesetze der Trockenreibung, wenn zwei einander berührende feste Körper in einer in der Kontaktfläche liegenden Richtung relativ zueinander verschoben werden: - der Scherwiderstand wächst proportional zur Normalkraft; - er hängt nicht von der Geometrie der beiden Körper ab. Ursache hierfür ist der Umstand, dass der Kontakt fester Körper nie flächig ist, sondern in einzelnen Punkten erfolgt (Bild I03.40). Denn könnte man sie so glätten und reinigen, dass sie ideal eben und frei von Fremdstoffen "Fläche auf Fläche" gelegt werden könnten, würden diese Grenzflächen nach dem Prinzip der kleinsten inneren Oberfläche verschwinden müs-sen, es käme zur Kaltverschweißung. Da die Erhebungen des einen Körpers in der Regel nicht auf die des andern treffen, sind beide miteinander "verhakt" und der Grad der Verhakung wächst mit der Normalkraft, weil bei einem Lastzu-wachs die jeweils höchstbelasteten Punkte wegbrechen oder plas-tisch werden. Das heißt wiederum, dass die Gesteinsfestigkeit (für Quarz 110 ·104 MN/m2 nach BRACE, 1963) für die Trockenreibung maßgebend ist. In der schematischen Darstellung von Bild I03.40 sind A und B Kontaktpunkte, die nachgeben:

Bild I03.20: Reibung bei einem Körper auf schiefer Ebene

Bild I03.30: Reibungskegel und mobilisierter Rei-bungswinkel

Bild I03.40: Detail eines Kontaktbereiches zwischen zwei Körpern (nach LAMBE / WHITMAN, 1969)

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Seite Scherfestigkeit I.10

In A bricht das Material, in B entsteht durch plastisches Fließen eine größere Fläche FB und in C ein neuer Kontakt. Dabei spielt die geometrische Form der sich berührenden Körper keine Rolle, weil es bei Erreichen des neuen Gleichgewichtszu-stands nicht auf die zufällige Anzahl der Kontaktstellen ankommt, sondern auf die Summe der insgesamt übertragenen Kräfte. Bild I03.50 zeigt das aufgemessene Oberflächenprofil (Höhen : Längen = 1:1000) eines "geglätteten" Quarzblocks. Dabei sind die großwelligen Abrundungen das Ergebnis des Polierens und bei natürlichem Quarz nicht vorhanden. Der Begriff Oberflächenrauigkeit enthält also zwei Aussagen: - Häufigkeit und mittlere Amplitude der Berg- und Talpunkte

der Oberfläche; - Grad des Abriebs der erhabenen Stellen: ein Hinweis auf das

Alter der Oberfläche, die ihre Geschichte als extrem scharf-kantig raue Bruchfläche beginnt.

Die stochastische Verteilung der Rauigkeitserhebungen bedingt den für die Trockenreibung kennzeichnenden Unterschied zwi-schen Haftreibung und Gleitreibung: sobald die Kontaktpunkte versagen, beginnt eine instationäre Versetzungsbewegung bis zum Erreichen des nächstmöglichen Gleichgewichtszustands, Bild I03.60. Fremdstoffe an der Kontaktfläche: Neben der Bruchfestigkeit der Kontaktstellen hängt der Reibungsvorgang von den an der Kon-taktfläche adsorbierten Fremdstoffen ab, Bild I03.70. Versuche mit polierten und chemisch gereinigten Flächen in einer Hochvakuum-kammer ergaben ein Ansteigen des Reibungsbeiwerts f. Dagegen erhielt man unter natürlichen Rauigkeitsbedingungen (sehr rau) unabhängig vom Reinigen und Benetzen f = 0,5 (entsprechend 26°) für Quarz. Soweit Bodenpartikel um ihren Schwerpunkt rotieren können, wird das die bevorzugte Art sein, einer Kraftwirkung auszuweichen. Dabei wird Energie durch rollende Reibung dissipiert. Die größeren Körner wirken wie die Kugeln in einer Kugelmühle, während die kleineren als Mahlgut dienen und den überwiegenden Anteil an der Reibungsarbeit haben. Bild I03.90 zeigt die Versuchsanordnung, mit der sich der Unter-schied zwischen Gleitreibung und Rollreibung nachweisen lässt (ROWE, 1962, zitiert von LAMBE / WHITMAN, 1969). Entgegen der Gleitreibung ist, wie ROWE (1962) nachwies, die Rollreibung vom Korndurchmesser abhängig, Bild I03.80. Erklärung: das Ver-hältnis von Rauigkeitserhebung zu Korndurchmesser nimmt mit d ab, die Momentenwirkung wächst mit d, damit auch die Tendenz zu rollen. Der Widerstand von Bodenpartikeln gegen eine relative Lageände-rung beruht teilweise auf der Gleit- und Rollreibung, teilweise auf einem Verhaken der Körner im Verband (Gefüge). Damit wiederholt sich in größerem Maßstab das, was die Trockenreibung an der einzelnen Oberfläche im Kleinen erzeugt: Der Bewegungswider-stand eines Haufwerks setzt sich damit zusammen aus Kornrei-bung und Gefügewiderstand. Man spricht häufig zusammenfassend von "innerer Reibung".

Bild I03.50: Oberflächenprofil eines "geglätteten" Quarzblockes (nach LAMBE / WHITMAN, 1969)

Bild I03.60: Haftreibung und Gleitreibung (nach LAMBE / WHITMAN, 1969)

Bild I03.70: Wirkung von Fremdstoffen (nach LAMBE / WHITMAN, 1969)

Page 11: Vorl g i Scherfestigkeit

Seite Scherfestigkeit I.11

I.4 Versuchstechnische Bestimmung der Scherfestigkeit

In I.3.1, bei der Betrachtung der Reibung starrer Körper, war die Scherfestigkeit, also die maximal mobilisierbare Rei-bungskraft in ihrer Wirkungsebene und -richtung klar vorgegeben. Dementsprechend gibt es auch für Böden Versuchs-anordnungen (z.B. Scherkasten), bei denen man den möglichen Scherwiderstand in einer vorgegebenen Fläche, auf der zwei Teile einer Probe gegeneinander abgeschert werden, untersucht. Dabei sind die Kraftverhältnisse (Normalkraft, Scherkraft) als Integralwerte der in der vorgegebenen Fläche wirksamen Spannungen klar definiert. Dies gilt jedoch nicht für die Spannungsverhältnisse. Die Verteilung von Normalspannung und Schubspannung auf der erzwungenen Scherflä-che ist aufgrund der Randbedingungen in derartigen Versuchsgeräten nicht gleichmäßig. In der Bodenmechanik, bei Betrachtungen innerhalb eines Kontinuums, muss die Scherfestigkeit aber auf Spannungen, nicht auf Kräfte bezogen werden. Ziel bodenmechanischer Versuche zur Bestimmung der Scherfestigkeit ist daher, in Bodenproben möglichst homogene Spannungszustände zu erzeugen und ihre Veränderung planmäßig so zu steuern, dass erwartete Grenzzustände erreicht und messtechnisch genau erfasst werden können. Dazu sind die deviatorischen Spannungen zu vergrößern bzw. sind in der Mohr'schen Spannungsebene Spannungskreise zu generieren, deren Radius bis zum Erreichen eines Grenzzustandes vergrößert werden.

I.4.1 Messung der Scherfestigkeit im Triaxialgerät (BISHOP / HENKEL, 1964)

Im Triaxialgerät (Bild I04.20) wird eine zylindrische Bodenprobe untersucht, die in eine Druckzelle eingebaut wird. Zu-

nächst wird sie einem allseitigen hydrostatischen Druck σ1 = σ2 = σ3 unterworfen, der hydraulisch oder pneumatisch in

Form eines Zelldrucks p aufgebracht wird. Anschließend wird im Regelfall die waagerechte, radiale Druckspannung σ3

konstant gehalten und die axiale Hauptspannung σ1 mit Hilfe eines Druckstempels bis zum Versagen der Probe durch Ausbeulen oder Abscheren gesteigert (triaxialer Scherversuch). Typische Bilder von abgescherten Proben zeigt Bild I04.10. Der Versuch ist in DIN 18137, Teil 2 genormt.

Bild I03.80: Durchmesserabhängigkeit des Rollreibungsbeiwerts bei Quarzsand (nach ROWE, 1962)

Bild I03.90: Unterscheidung von Trockenreibung und Rollreibung (nach LAMBE / WHITMAN, 1969)

Bild I04.10: abgescherte Triaxialproben (BISHOP / HENKEL, 1964): a) vor dem Versuch b) Bruch in einer

Bruchfuge c) Bruch in mehreren Bruchfugen

d) vollständig plastifizierte Probe

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Seite Scherfestigkeit I.12

Zur Darstellung der Spannungen, die der Probe im Versuch aufge-prägt werden, wird üblicherweise der Mohr'sche Spannungskreis verwendet. In der Mohr'schen Spannungsebene werden dabei aus-

gehend von einem Punkt σ1 = σ3 (τ = 0) durch Steigern von σ1 immer größere Spannungskreise erzeugt, wodurch auch die Schub-

spannung τ gesteigert wird, bis die Scherfestigkeit erreicht ist. Mit

Erreichen der Scherfestigkeit können die Spannungen σ1 und τ nicht mehr anwachsen, beim weiteren Vorschub des Druckstempels neh-

men nur noch die Verformungen ε1 zu. Damit das Druckwasser nicht in die Probe eindringt, steckt diese in einem Gummistrumpf. Die Probe ist an Kopf und Fuß durch je einen Filterstein bedeckt, durch die das während des Versuchs ausge-drückte Porenwasser abgeführt und gemessen werden kann (offe-nes System) - man kann so die Volumenänderung einer wasserge-sättigten Probe messen -, bzw. der sich während des Versuchs in-nerhalb der Probe entwickelnde Porenwasserdruck u gemessen werden kann (geschlossenes System). Der Versuch wird im Regelfall an mindestens drei Proben desselben

Materials bei drei verschiedenen Seitendrücken σ3 ausgeführt, um die Scherfestigkeit bei verschiedenen isotropen Spannungsanteilen zu ermitteln. Bei der Darstellung der Versuche werden im Allgemeinen keine vollständigen Spannungskreise dargestellt. Vielmehr werden die während eines Versuchs durchfahrenen Spannungen (Spannungs-weg) als Pfad der Scheitelpunkte Mohr'scher Kreise im sogenannten p-q-Diagramm dargestellt. Dabei sind p = 1/2·(σ1 + σ3) und

q = 1/2·(σ1 - σ3).

I.4.2 Messung der Scherfestigkeit in anderen Geräten

Zur Messung der Scherfestigkeit verwendete man früher das Rah-menschergerät, Bild I04.30. Der Versuch hat Nachteile: unklarer mechanischer Zustand in der Probe, Porenwasserdruckmessung nicht möglich. Daher wird er heute nur noch selten, am ehesten noch für körnige Stoffe, zur Bestimmung der Scherfestigkeit von nichtbindigen Böden ausgeführt. Er ist in DIN 18137, Teil 3 genormt. Er kommt jedoch regelmäßig zur Anwendung, um die Scherfestig-keit in Fugen zwischen verschiedenen Materialien (z.B. in Verbin-dung mit Geokunststoffen) zu untersuchen. Eine verbesserte kinematische Anordnung bieten das "Simple Shear"-Gerät von ROSCOE (1953), Bild I04.40. und das Kreisring-schergerät. Aber auch in diesen Geräten sind Spannungsbestimmung und Porenwasserdruckmessung problematisch. Die Messung wirklich dreidimensionaler Scherzustände kann im Gerät nach PEARCE (1971) (Bild I04.50) vorgenommen werden (True Triaxial Apparatus). Hier werden einer quaderförmigen oder kubischen Probe Verschiebungen eingeprägt und die dabei auftretenden Spannungen gemessen. Das Gerät wurde durch GOLDSCHEIDER / GUDEHUS im Jahre 1973 in Karlsruhe weiterentwickelt. Es ist sehr aufwändig in der Anwendung und seine Nutzung ist bisher auf einzelne Forschungs-zwecke beschränkt geblieben.

Bild I04.20: Schnitt durch ein dreiaxiales Kompressionsgerät (nach BISHOP / HENKEL, 1964)

Bild I04.30: Rahmenschergerät (nach DIN 18137-3)

Page 13: Vorl g i Scherfestigkeit

Seite Scherfestigkeit I.13

Bei Felsproben kommt regelmäßig der einaxiale Druckversuch, auch Zylinderdruckversuch genannt, zur Anwendung. Er ist in DIN 18136 genormt. Dabei wird eine zylindrische Probe ohne Seitendruck durch Steigerung der axialen Druckspan-

nung abgeschert. Die Hälfte der maximal erreichten Druckspannung σ1,max entspricht dabei der maximal erreichten

Scherspannung τmax, da σ3 = 0 ist. Eine Zelle zur Aufbringung des Seitendrucks wie im Triaxialversuch ist hier nicht vorhanden. Dieser Scherversuch, der auch zur Ermittlung der Druckfestigkeit z.B. bei Beton zur Ausführung gelangt, erlaubt daher keine Variation des Seitendrucks. Er ist damit nicht geeignet, die Scherfestigkeit in Abhängigkeit von der Normalspannung zu ermitteln. Zur Ermittlung der Scherfestigkeit können auch andere (erzwungene) Bruchvorgänge dienen: - Mit der Flügelsonde kann an Bodenproben im Labor und in weichen Böden im Feld die undränierte Scherfestigkeit

bestimmt werden, indem ein kleiner Flügel in den Boden eingedrückt und durch Rotation ein dadurch definierter zy-lindrischer Bodenkörper abgeschert wird. Siehe auch Vorlesung D, "Baugrunderkundung".

- Mit dem Taschenpenetrometer wird an einer Bodenprobe mit Hilfe eines kleinen Druckstempels (Durchmesser nur 6,3 mm) ein kleiner Grundbruch erzeugt. Mit Hilfe der eingeleiteten Kraft wird auf die einaxiale Druckfestigkeit geschlos-sen, die mit der Scherfestigkeit korreliert.

- Rückrechnungen von Geländebrüchen oder mit Hilfe von Belastungen erzwungenen kleinen Böschungsbrüchen kön-nen sehr hilfreich sein, die Scherfestigkeit natürlicher Schichten oder künstlicher Ablagerungen zu bestimmen. Siehe auch Vorlesung O, "Böschungen".

I.5 Spannungs- / Dehnungsverhalten unter Scherbeanspruchung

Für das mechanische Verhalten eines Korngefüges bei Scherbeanspruchung lässt sich das in Bild I05.10 dargestellte rheologische Modell zur Erklä-rung verwenden (SMOLTCZYK, 1967): Das Gleich-gewicht wird bei Laststeigerung durch Inanspruch-nahme der Reibungskräfte einer zunehmenden Anzahl starrer, mit Abstand voneinander liegender Partikel erreicht. Die anfangs vorhandene Lage-rungsdichte der Partikel ist daher für die Scherver-formungen maßgebend. Das Modell zeigt schön, dass mit steigender Dichte (abnehmender Porenzahl) bis zur kritischen Poren-zahl die kritische Scherfestigkeit mit immer geringe-ren Verformungen erreicht wird. Im Grenzzustand (Bruch) ist die kritische Scherfestigkeit erreicht. Sie kann nach diesem Modell nicht überschritten wer-den, da sie der Gleitfestigkeit aller Körper entspricht.

Bild I04.40: "Simple Shear"-Gerät (ROSCOE, 1953)

Bild I04.50: True Triaxial Apparatus (PEARCE, 1971)

Bild I05.10: zunehmender Scherwiderstand und zunehmende Rei-bungskraft infolge von Scherverformungen (nach SMOLTCZYK, 1967)

Page 14: Vorl g i Scherfestigkeit

Seite Scherfestigkeit I.14

Bild I05.20 stellt Versuche mit Sandproben dar, siehe auch Bild I02.10. Dabei zeigt sich bei Mes-sung der Volumenänderung die Überlagerung einer generellen Verdichtung und einer Gefüge-auflockerung in lokalen Bereichen größter Scher-beanspruchung. Ein lockerer Sand (unterhalb der kritischen Dichte) wird bei der Scherbeanspru-chung verdichtet, man spricht dann von Kontrak-tanz. Ein dichter Sand (Dichte oberhalb der kriti-schen Dichte) wird dagegen aufgelockert, er er-fährt eine Dilatanz. Nach Erreichen des kritischen Zustands findet keine weitere Dichteänderung mehr statt (volumenkonstantes Fließen). Die Auftragung eines charakteristischen Span-nungsverhältnisses als Funktion der Scherverfor-mung (axiale Stauchung bzw. Scherweg) heißt Scherweg-Diagramm. Das Scherweg-Diagramm hat ein Maximum ("peak"), das umso ausgeprägter ist, je dichter die Ausgangslagerung des Mate-rials ist. Der Unterschied zwischen den Scherweg-Diagrammen für die lockerste und für die dichteste Lagerung gibt die mechanische Arbeit an, die dem Gefügewiderstand zuzuschreiben ist. Die effektive Scherfestigkeit eines Partikel-Gefüges hängt also ab von: - dem Schubwiderstand bei Relativverschiebung der Partikel; - der Korngrößenverteilung; - der Lagerungsdichte; - dem Spannungszustand und seiner Veränderung.

I.6 Bruchbedingung nach Mohr-Coulomb, Reibung und Kohäsion

I.6.1 Scherfestigkeit als Funktion der Normalspannung

Trägt man die bei verschiedenen Triaxialversu-chen am gleichen Material, aber bei verschiede-

nen Seitendrücken σ3 erreichten Spannungszu-

stände σ3 | σ1,max in der Mohr'schen Darstellung als Spannungskreise auf, so erkennt man, dass die Kreise eine gemeinsame Tangente aufweisen (Bild I06.10). Sie definiert die Bruchbedingung, die als Mohr-Coulomb'sche Bruchbedingung (Schergerade) eine zentrale Funktion in der Bo-denmechanik darstellt. Spannungskreise, die über diese gemeinsame Tangente hinausreichen, sind nicht möglich. Bei nichtbindigen Böden verläuft die Mohr-Coulomb'sche Gerade durch den Ur-sprung und korrespondiert bei spiegelbildlicher Ergänzung nach unten mit dem Reibungskegel in

Bild I03.30. Die Steigung der Schergeraden entspricht dem Winkel der inneren Reibung ϕ. Bei überkonsolidierten bindigen

Böden schneidet die Gerade die Ordinate bei der Schubspannung c, die als Kohäsion bezeichnet wird. Es ist eine Schub-spannung, die auch ohne Wirkung einer Normalspannung ertragen werden kann, gerade ohne dass der Boden versagt. Die Erkenntnis über den praktisch linearen Zusammenhang geht auf COULOMB (1773) zurück.

Bild I05.20: Scherverformung bei dichter und lockerer Ausgangsdichte (TAYLOR, 1948)

Bild I06.10: Mohr'sche Spannungskreise des Bruchzustandes eines Bodens mit Kohäsion

Page 15: Vorl g i Scherfestigkeit

Seite Scherfestigkeit I.15

Werden die Spannungswege mit ihren Span-nungspunkten (üblicherweise) im p-q-Diagramm (siehe Abschnitt I.4.1) dargestellt, liegen die Span-nungspunkte, die zum Grenzzustand gehören, auf einer Geraden (Bruchgerade). Sie verbindet die Scheitelpunkte der Spannungskreise der Grenzzu-

stände. Sie hat die Neigung α und schneidet die Ordinate beim Wert b. Zur Umrechnung gelten die in Bild I06.20 darge-stellten Zusammenhänge. Mit den Bezeichnungen aus Bild I06.30 lässt sich die Mohr-Coulomb'sche Bruchbedingung darstel-len mit

τnf = c + σnf·tan ϕ (I06.10). Der Index f (failure) steht dabei für den Bruchzu-

stand. Der Punkt (σnf | τnf) charakterisiert dabei die

Schnittfläche mit der Normalen n, auf der die Nor-

malspannung σn und die Schubspannung τn die Grenze der Scherfestigkeit erreicht haben. Da im Triaxialversuch σ1 in vertikaler und σ3 in horizontaler Richtung wirkt, liegt der Pol des Span-nungskreises bei (σ3 | 0). Die Richtung der kriti-schen Schnittfläche liegt daher parallel zur Verbin-

dungslinie von (σ3 | 0) nach (σnf | τnf). unter dem

Winkel π/4 + ϕ/2 (Bild I06.40). Mit Hilfe der Hauptspannungen σ1 und σ3 lässt sich die Gleichung I06.10 auch in der Form aus-drücken:

(I06.20)

oder als quadratische Form, um die Symmetrie der Bruchbedingung zur σ-Achse auszudrücken:

0 )cotc2(sin - )( F 231

2231 =ϕ⋅⋅+σ+σ⋅ϕσ−σ=

(I06.25). Bei dieser Form der Gleichung wird von der Fließ-bedingung gesprochen.

Berührungspunkt Spannungs-Scheitelpunkt

Bruchgerade

Schergerade

Sch

erfe

stig

keit

τ

sche

n K

reis

e(σ

1-σ

3) /

2

Mittelpunkte der Mohrschen Kreise (σ1 + σ3 ) / 2Normalspannung in der Scherfläche σ

ϕ' α

c' b

sin ϕ' = tan αc' = b / cos ϕ'

Hal

bmes

ser d

er M

ohr-

Bild I06.20: Zusammenhang zwischen Schergeraden und Bruchgeraden

Bild I06.30: Bezeichnungen zur Mohr-Coulombschen Bruchbedingung

Bild I06.40: Richtung der Scherfläche(n) im Triaxialversuch; Θ = 45° + ϕ/2

) sin - 1 ( cos c 2 +

sin - 1 sin + 1 = } {

3f

3

1

ϕ⋅σ

ϕ⋅⋅ϕϕ

σσ

c

τnf

σ1 σm n σnf σ3

σ

τ

φ

Gleitebene

Gleitebene (Scherfuge)

A

B

σ1max

φσ3

90o + φΘ

τ

Page 16: Vorl g i Scherfestigkeit

Seite Scherfestigkeit I.16

I.6.2 Räumliche Bruchbedingung

Für einen räumlichen Spannungs- und Verfor-mungszustand, bei dem unbekannt ist, in welcher der 3 Hauptspannungsebenen (1;3), (1;2), (2;3) der kritische Zustand zuerst zu erwarten ist, stellt sich die Frage nach der logischen Erweiterung der

Bedingung F = 0 (σ1>σ2>σ3). In Bild I06.50 bedeutet das, dass keiner der 3 Spannungskreise

die durch c und ϕ definierte Grenze überschreiten darf. Ferner muss eine räumliche Bruchbedingung bei isotropem Material in den Hauptspannungsrich-tungen symmetrisch sein (Invarianzbedingung). In der Plastizitätstheorie pflegt man räumliche Bruchbedingungen in einem von den 3 Haupt-spannungen aufgespannten Raum abzubilden, wobei eine zur Haupt(druck)-diagonalen axial-symmetrische, konkave und einfach zusammen-hängende Fläche erscheint, die durch den Ab-

schnitt σ auf der Achse und die Spur in der zur

Achse orthogonalen Fläche π (Deviatorebene) definiert ist. Bild I06.60 zeigt die verallgemeinerte Mohr-Coulomb'sche Bruchbedingung für kohäsi-onsloses Material (KIRKPATRICK, 1957). Die Fließbedingung nach Mohr-Coulomb für den allgemeinen dreidimensionalen Spannungszu-stand lautet:

0 = } ) + (sin - ) - ( { } ) + ( sin - ) - ( { } ) + ( sin - ) - ( { = F 213

2213

232

232

221

2221 σσ⋅ϕσσ⋅σσ⋅ϕσσ⋅σσ⋅ϕσσ

(I06.30) Wegen der Symmetrie genügt es, einen Sektor von 60° der π-Ebene darzustellen. Bei der experimentellen Prüfung der Be-dingung I06.30 hat sich sowohl bei Sanden (GREEN / BISHOP, 1969) wie Tonen (ROSCOE / BURLAND, 1968) eine befrie-digende Bestätigung ergeben mit Ausnahme der Fälle, in denen 2 der Hauptspannungen gleich sind: die "Ecken" in Bild I06.70 sind in Wirklichkeit abgerundet (BISHOP, 1971).

Bild I06.50: Grenzbedingung bei räumlichem Spannungszustand

Bild I06.60: verallgemeinerte Mohr-Coulombsche Bruchbedingung für c' = 0 (KIRKPATRICK, 1957)

Bild I06.70: Fließfläche in der Deviatorebene bei allgemeinen räumlichen Spanungszuständen mit σ1, σ2, und σ3

Θ

Page 17: Vorl g i Scherfestigkeit

Seite Scherfestigkeit I.17

Man kann also davon ausgehen, dass der Scherbruch im Boden ein zweidimensionaler Vorgang in derjenigen Ebene ist, die von den zur größten Hauptschubspannung gehörenden beiden Achsen aufgespannt wird. Bild I06.70 zeigt den Vergleich zwischen Hypothese und Versuch: a) im π-Sektor, b) bezogen auf den im triaxialen Kompressionsversuch gemessenen Winkel ϕ.

31

32b mit , 1b²b

2b1

cosσ−σσ−σ

=+−

−=Θ

Bei sehr hohen Normalspannungen, ab etwa 1 MN/m2, macht sich ein Einfluss der mittleren Hauptspannung auf die Bruch-bedingung bemerkbar, und die Erzeugende in der Deviatorebene beginnt, sich in ihrer geometrischen Form dem umschrie-benen Kreis zu nähern. Gleichzeitig geht das Sprödbruchverhalten mit zunehmender Auflast in ein duktiles Materialverhalten über, bei dem die Scherverformung in abnehmendem Maß durch Gefügelockerung und zunehmend durch Kornzerkleine-rung zustande kommt. Sand kann durch hohe Druckspannung eine so starke Verkeilung der Körner bekommen (behinderte Rotation der Partikel), dass die Normalspannung bei Druckentlastung teilweise als Eigenspannung im Gefüge gespeichert bleibt. Daher nimmt auch trockener Sand bei extremem Druck Merkmale eines festen Körpers an und zeigt eine scheinbare Kohäsion, die allerdings gegenüber mechanischen Störungen sehr empfindlich ist.

I.6.3 Hinweise zur Kohäsion

Die Kohäsion ist definiert als Schubspannung, die vom Boden (bzw. allgemein von einem Material) ohne Wirkung einer (äuße-ren) Normalspannung gerade noch ertragen werden kann. Da der Boden ein Haufwerk von Partikeln ist, müssen in kohäsiven Böden (Materialien) Kräfte zwischen den Partikeln wirken, die diese Festigkeit ermöglichen. Diese Kräfte werden "Binnendruck" genannt. Sie pressen die Partikel ohne äußere Einwirkung zu-sammen. Dies kann auf kristalliner Ebene geschehen und be-gründet dann die vergleichsweise hohe Festigkeit z.B. von Stahl. In feinkörnigen Böden ist der Binnendruck durch elek-tromagnetische Anziehungskräfte zwischen den feinen Partikeln untereinander und zum umgebenden gebundenen Porenwasser begründet. (siehe auch Bild G01.20 in der Vorlesung G, "Wasser im Baugrund"). Je größer die Einzelkörner und Poren werden, umso kleiner werden derartige Effekte. In reinem Schluff, Sand und Kies beschränken sie sich auf Kapillarkräfte (Bild I06.80) und führen dort zur Kapillarkohäsion (schein-bare Kohäsion). Diese verschwindet, sobald das Material entweder vollkommen austrocknet oder vollständig wasserge-sättigt ist. Es gibt die Beobachtung, dass die chemischen Eigenschaften des Porenfluids die Kohäsion deutlich beeinflussen. Im Zusammenhang mit feinkörnigen Bindemitteln und ihren großen Oberflächen (z.B. Zement) können auch stabile Verkit-tungen entstehen und eine hohe Kohäsion bedingen (z.B. Beton, Festgestein).

I.6.4 Totale und effektive Spannungen, Porenwasserdruck

Die Mohr-Coulombsche Bruchbedingung bezieht sich auf effektive Spannungen, also die Spannungen zwischen den Körnern ohne die vom Porenwasser allseitig auf die Körner wirkenden Kräfte. Es gilt (siehe auch Abschnitt 4 in der Vorle-sung G, "Wasser im Baugrund"):

Totale Spannung σ = effektive Spannung σ' + Porenwasserdruck u

bzw., bei Teilsättigung des Bodens, auch noch: + Porenluftdruck uL Da in der Bodenmechanik die effektiven Spannungen durch das Zeichen ' gekennzeichnet werden, werden in der Regel

auch der Reibungswinkel als effektiver Winkel der inneren Reibung ϕ' und die Kohäsion mit c' bezeichnet. Gleichung I06.10 schreibt sich dann:

τ'nf = c' + σ'nf · tan ϕ' (I06.40).

Bild I06.80: Innere Spannung durch Kapillarität

Page 18: Vorl g i Scherfestigkeit

Seite Scherfestigkeit I.18

Da sich unter Scherbeanspruchung ein dichter Boden auflockert und ein lockerer Boden verdichtet, haben diese Volumen-veränderungen in wassergesättigten Böden Auswirkungen auf den Porenwasserdruck. Auch bei der isotropen Belastung der Probe zu Versuchsbeginn bildet sich - wie im Oedometerversuch - ein Porenwasserüberdruck, der durch eine ausreichende Konsolidierungszeit abgebaut werden muss. Der Porenwasserdruck muss daher in Scherversuchen entweder gemessen werden, damit er zur Berechnung der effektiven Spannungen zutreffend berücksichtigt werden kann, oder die Versuche müssen so langsam ablaufen und die Proben derart dräniert sein, dass ein sich bildender Porenwasser(über)druck stets abgebaut werden kann. Triaxialversuche werden i.A. an gesättigten Proben durchgeführt, um die im teilgesättigten Zustand wirkenden kapillaren Kräfte ausschließen zu können. Hierzu wird ein konstanter Sättigungsdruck (backpressure) aufgebracht; durch den sich die vorhandene Luft im Porenwasser löst. Dies dient auch der sicheren Messung des Porenwasserdrucks. Man unterscheidet daher in der Triaxial-Versuchstechnik folgende Versuchsarten: - CU-Versuch (C - konsolidiert, U - undräniert): Die Probe konsolidiert in einer ersten Versuchsphase unter allseitig

gleichem Zelldruck. Nach Abschluss der Konsolidation, also nach Abbau des Porenwasserüberdrucks innerhalb der Probe infolge des hydrostatischen Zelldrucks, wird die Probe durch Vorschub des Zylinders bei geschlossenem Sys-

tem abgeschert und dabei neben der Vertikalspannung σ1 die Entwicklung des Porenwasserdrucks u gemessen.

- CD-Versuch (C - konsolidiert, D - dräniert): Die Probe wird nach der Konsolidation bei offenem System abgeschert. Der Versuch erlaubt die Messung der Volumenänderung. Der Abschervorgang bei bindigen Böden muss dabei sehr langsam erfolgen, um sicherzustellen, dass sich kein Porenwasserüberdruck aufbaut.

- UU-Versuch (U - Unkonsolidiert, U - Undräniert): Die Proben werden ohne Messung von u und ohne vorausgehende Konsolidierung (abgesehen von einer eventuell erforderlichen Rekonsolidation zur Wiederherstellung des ursprüngli-chen Zustandes) abgeschert. Der Versuch ist nur bei wassergesättigten bindigen Böden brauchbar, wo sich damit die totale Scherfestigkeit cu und ein Hinweis auf den Elastizitätsmodul Eu für undränierte Zustände ergeben.

Das Versagen der Probe kann sowohl beim CU- wie beim CD-Versuch alternativ auch durch Verminderung des Zell-drucks bei konstantem Axialdruck erzielt werden. Der CD-Versuch ist auch für Böden geeignet, die teilgesättigt sind und durch Wassersättigung in ihrem Verhalten nicht verändert werden sollen. In diesem Fall wird dann auch die scheinbare Kohäsion mit erfasst.

I.6.5 Undränierte Scherfestigkeit

Wird ein wassergesättigter bindiger Boden schnell belastet, ohne dass sich dabei der Porenwasserdruck abbauen kann, zeigt er eine Scherfestigkeit, die nur vom Scherwiderstand des Korngerüstes vor Belastungsbeginn abhängig ist. Die Größe der isotropen Lastspannung wirkt sich auf die Scherfestigkeit nicht aus, da sie ausschließlich vom Porenwasser übernommen wird und die effektiven Normalspannungen nicht erhöht. Auch kann bei nicht veränderbarem Wassergehalt der Boden seine Dichte nicht ändern und auch deswegen nicht an Scherfestigkeit gewinnen. Die bei undränierter Belastung gemessene Scherfestigkeit ist daher nicht von der (totalen) Normalspannung abhängig,

hat also keinen Reibungsanteil (ϕu (Sr = 1) = 0), und wird als undränierte Scherfestigkeit cu bezeichnet (Bild I06.90). Aus den geometrischen Beziehungen in Bild I06.90 folgt der Zusammenhang zwischen effekti-ven und totalen Scherparametern: cu = c'·cosϕ' + sinϕ'·[½(σ1 + σ3) - u] (I06.50). Für einen erstbelasteten bindigen Boden (c' = 0)

ist also cu/σm = const. Die undränierte Scher-festigkeit wächst in einem nicht vorbelasteten Boden daher linear mit der Tiefe.

Bild I06.90: Triaxialversuche bei wassergesättigtem, bindigem Boden, undräniert, variable Normalspannungen (nach BISHOP / HENKEL, 1964)

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Seite Scherfestigkeit I.19

I.7 Angabe typischer Werte der Scherfestigkeit, Einflussgrößen

I.7.1 Erfahrungswerte

Aufgrund einer Vielzahl von Versuchen und Untersuchungen liegen Erfahrungswerte über die Scherfestigkeit verschiede-ner Bodenarten vor. Bild I07.10 zeigt die Tabelle der "mittleren Bodenkennwerte für Vorentwürfe" aus der EAU, der Emp-fehlungen des Arbeitskreises für Ufereinfassungen. Da die Scherfestigkeit für Lastermittlungen (Erddruckermittlung), die Bestimmung zulässiger Sohldruckspannungen bei der Dimensionierung von Fundamenten (Grundbruchsicherheit) und bei der Beurteilung der Sicherheit von Geländesprüngen (Geländebruch, Böschungsbruch) die maßgebende Größe dar-stellt, sollte sie stets im Einzelfall von erfahrenen Fachleuten ermittelt und festgelegt werden.

Wichte Endfestigkeit des feuch-ten Bo-dens

des Bo-dens unter Auftrieb

innerer Reibungs-winkel

Kohäsion Anfangsfestigkeit1) Kohäsion des undränierten Bo-dens

Steifemodul

cal γ cal γ’ cal ϕ’ cal c’ cal cu cal Es

Bodenart

kN/m3 kN/m3 in ° kN/m2 kN/m2 MN/m2 Nichtbindige Böden

Sand, locker, rund 18 10 30 -- -- 20 – 50

Sand, locker, eckig 18 10 32,5 -- -- 40 – 80

Sand, mitteldicht, rund 19 11 32,5 -- -- 50 – 100

Sand mitteldicht, eckig 19 11 35 -- -- 80 – 150

Kies ohne Sand 16 10 37,5 -- -- 100 – 200

Naturschotter, scharf-kantig

18 11 40 -- -- 150 – 300

Sand, dicht, eckig 19 11 37,5 -- -- 150 – 250

Bindige Böden (Erfahrungswerte aus dem norddeutschen Raum für ungestörte Proben)

Ton, halbfest 19 9 25 25 50 – 100 5 – 10

Ton, schwer knetbar, steif

18 8 20 20 25 – 50 2,5 – 5

Ton, leicht knetbar, weich

17 7 17,5 10 10 – 25 1 – 2,5

Geschiebemergel, fest 22 12 30 25 200 – 700 30 – 100

Lehm, halbfest 21 11 27,5 10 50 – 100 5 – 20

Lehm, weich 19 9 27,5 -- 10 – 25 4 – 8

Schluff 18 8 27,5 -- 10 – 50 3 – 10

Klei, org., tonarm, weich

17 7 20 10 10 – 25 2 – 5

Klei, stark org., ton-reich, weich, Darg

14 4 15 15 10 – 20 0,5 – 3

Torf 11 1 15 5 -- 0,4 – 1

Torf unter mäßiger Vorbelastung

13 3 15 10 -- 0,8 – 2

cal ϕ’= Rechenwert des inneren Reibungswinkels bei bindigen und bei nichtbindigen Böden. cal c’= Rechenwert der Kohäsion entsprechend cal ϕ', cal cu = Rechenwert der Scherfestigkeit aus unentwässerten Versuchen bei wassergesättigten bindigen Böden. 1) Der zugehörige innere Reibungswinkel ist mit cal ϕ’u = 0 anzunehmen.

Bild I07.10: Mittlere Bodenkennwerte für Vorentwürfe (EAU, 1990)

Page 20: Vorl g i Scherfestigkeit

Seite Scherfestigkeit I.20

I.7.2 Einfluss von Lagerungsdichte, Kornform, Ungleichkörnigkeit und Wassergehalt bei nichtbindigen Böden

Bei nichtbindigen Böden ist die Lagerungsdichte die entscheidende Bestimmungsgröße für die Scherfestigkeit, die sich allein aus der inneren Reibung ergibt. Von zahlreichen Autoren ist über einen großen Wertebereich von e ein linearer Zu-sammenhang zwischen dem Scherwinkel und der Dichte von Sand festgestellt worden. Bild I07.20 zeigt ein solches Bei-spiel. SCHULTZE (1968) schlägt deswegen die Gleichung I07.10 vor: e · tan ϕ' = const (I07.10). Da es schwierig ist, ungestörte Sandproben unter dem Grundwas-

serspiegel zu entnehmen, bestimmt man ϕ'(e) für eine gestörte Probe in mitteldichter Lagerung und rechnet nach Gleichung I07.10 den Wert auf andere Lagerungsdichten um, die durch Son-dierungen ermittelt worden sind, siehe Vorlesung "Baugrunder-kundung". Darüber haben auch die Kornform und die Ungleichförmigkeit einen Einfluss auf die Scherfestigkeit, da sie den Gefügewider-stand durch die Einbindung der Partikel in das Haufwerk beein-flussen. Daher hat ein gebrochener Sand bei gleicher Porenzahl eine grö-ßere Scherfestigkeit als ein Natursand. Aus den bei der Rollreibung genannten Gründen macht sich das bei feinkörnigen Sanden stärker bemerkbar als bei groben. Der Einfluss kann nach VALLERGA et al. (1956) unter sonst vergleichbaren Be-

dingungen Δϕ' = 7° ausmachen.

Bei gemischtkörnigen Böden muss ϕ' aus gleichen Gründen auch eine Funktion des Ungleichförmigkeitsgrades U oder Cu sein. Ein zuverlässiger quantifizierbarer Zusammenhang derart, dass ϕ' mit U stetig wächst, lässt sich aber schwer experimentell nachweisen. Nach den Untersuchungen von VALLERGA et al. (1956) ist die besser geeignete Bezugsgrö-ße die mechanische Verdichtungsarbeit, die man benötigt, um eine bestimmte Porenzahl zu erreichen: 2 Böden haben annähernd die gleiche Scherfestigkeit, wenn man bei ihnen mit einem bestimmten Verdichtungsaufwand dieselbe Poren-zahl erzielt.Nachdem die Kornreibung unabhängig vom Wassergehalt w ist und das Wasser zur Verhakung der Partikel

nichts beisteuert, gilt das auch für den Gefügewiderstand insgesamt und damit für ϕ', wenn alle anderen Parameter (Boden-art, Porenzahl e, Vorbelastung) gleich sind. Die häufig zu beobachtende scheinbare Kohäsion, die sich aus der Wirkung von Kapillarkräften ergibt und auch im Sand z.B. die kurzfristige Ausbildung senkrechter Böschungen ermöglicht, wird in der Geotechnik im Allgemeinen rechnerisch nicht zum Ansatz gebracht.

I.7.3 Einfluss einer Vorbelastung auf die Scherfestigkeit bindiger Böden

Bild I07.30 zeigt die Spannungswege (strichpunktierte Linien) für CU-Versuche an zwei erstbelasteten bindigen Proben (C1, C2) und an einer vorbelasteten Probe (C3). Bei den Spannungswegen sind jeweils der totale Spannungspfad und - nach Abzug des gemessenen Porenwasserüberdrucks u - der effektive Spannungspfad eingezeichnet. Die Druck-Porenzahl-Linie im rechten Teil des Bildes zeigt die Belastungsgeschichte der untersuchten Proben vor dem Schervorgang, bei der sich durch konsolidierte Belastung / Entlastung die Porenzahl verändert hat (vergleiche Bild H02.50 der Vorlesung H, "Baugrundverformung"). Die Proben A1 und A2 sind unvorbelastet, Die Probe A3 hat vor Versuchsbeginn bereits eine höhere Vorbelastung und eine Entlastung erfahren. Erstbelastete Proben werden auch als normalkonsolidiert bezeichnet. Bei der Erstbelastung eines Bodens, in der Natur nur durch sein Eigengewicht, entstehen zwischen den Partikeln nur geringe Anziehungskräfte (Binnendruck). Erstbelastete Böden haben daher keine effektive Kohäsion c'. Bei der deviatorischen Belastung der erstbelasteten Proben mit den Zuständen A1 und A2 hat das Korngerüst das Bestreben einer Verdichtung; im geschlossenen System beim CU-Versuch entsteht daher ein Porenwasserüberdruck, der zu deutli-chen Änderungen des effektiven Spannungspfades gegenüber dem totalen Spannungspfad führt. Bei der vorbelasteten Probe ist die (behinderte) Volumenänderung beim Scheren dagegen von geringerer Auswirkung; eine kleine Auflockerungs-tendenz am Ende des Abscherens führt hier sogar zu einem Porenwasserunterdruck. Die Bruchgerade für erstbelastete Böden ist hier durch die Pfade C1 und C2 gekennzeichnet (keine Kohäsion), die Bruchgerade für vorbelastete Böden durch

C2 und C3 (mit Kohäsion). Zur Umrechnung von α1 und α2 in ϕ1 und ϕ2 bzw. von b in c siehe Abschnitt 6.1 (Bild I06.20).

Bild I07.20: Einfluss der Porenzahl auf den Rei-bungswinkel

1,0

0,8

0,6

0,41,0 1,2 1,4 1,6 1,8

tan φ

1/e

Page 21: Vorl g i Scherfestigkeit

Seite Scherfestigkeit I.21

I.7.4 Scherfestigkeit im ebenen Verformungszustand

Ein Schervorgang von dicht gelagerten oder überkonsolidierten Böden ist mit einer Gefügelockerung in der kritischen Richtung ver-knüpft. Umgekehrt erhöht sich der Gefügewiderstand und damit ϕ', wenn man die Volumenvergrößerung behindert. Praktisch bemerkbar wird das, wenn das Ergebnis dreiaxialer Scherversuche, bei denen die Partikel 6 kinematische Freiheitsgrade haben, verglichen wird mit ebenen Scherversuchen, bei denen 1 Bewegungsrichtung ausgeschlossen ist. Wie die Versuchsergebnis-se von CORNFORTH aus dem Jahre 1964 zeigen, Bild I07.40, tritt dieser Effekt umso stärker hervor, je mehr mit zunehmender Dichte die Dilatanz eine Rolle spielt. Der Effekt kann aber auch als eine Abweichung vom verallgemeiner-ten Mohr-Coulombschen Grenzkriterium verstanden werden, siehe

Abschnitt I.6.2, da im ebenen Verformungszustand σ2 größer ist als

σ3 mit den in Bild I06.70 gezeigten Auswirkungen. Entsprechende Untersuchungen an Tonproben wurden von HENKEL und WADE (1966) an quaderförmigen Probekörpern aus-geführt, wobei sich sowohl die größere Festigkeit beim Abscheren im biaxialen Zustand als auch eine deutliche Abhängigkeit der Scherfestigkeit von der Art der Konsolidierung nachweisen ließ, Bild I07.50 und Bild I07.60. Diese Unterschiede lassen sich nicht durch einen unterschiedlichen Porenwasserdruck im Bruchzustand erklären, da der Porenwasserdruckparameter Af (Bild I08.40) im ebenen Zustand nur wenig niedriger war als im axialsymmetrischen Zustand: es handelt sich um einen echten Unterschied in der Scherfestigkeit. Der maximale Porenwasserüberdruck trat bei den zitierten Versuchen im ebenen Verformungszustand bei wesentlich kleine-ren Stauchungen auf als im axialsymmetrischen Zustand.

Bild I07.30: CU-Triaxialversuche ohne Vorbelastung (1, 2) und mit Vorbelastung (3). Die Verdichtung des Korngerüsts führt zu Porenwasserüberdruck, Auflockerung des Korngerüsts führt zu Porenwasserunterdruck

Bild I07.40: Unterschied der Scherfestigkeit bei ebenen und axialsymmetrischen Verformungen (CORNFORTH, 1964)

Page 22: Vorl g i Scherfestigkeit

Seite Scherfestigkeit I.22

Bild I07.50: Unterschied zwischen der Scherfestigkeit bei ebenen und triaxialen Scherversuchen bei bindigen Böden, undräniertes Abscheren (HENKEL / WADE, 1966)

Bild I07.60: Unterschied zwischen der Scherfestigkeit bei ebenen und triaxialen Scherversuchen bei bindigen Böden, dräniertes Abscheren (HENKEL / WADE, 1966)

I.8 Zusammenhang zwischen der Änderung von Spannungen und dem Porenwasserdruck

Wie Bild I05.20 zeigt, ist die Scherverformung eines Partikelsystems mit Volumenänderungen verbunden, die von der Aus-gangs-Lagerungsdichte und vom Scherweg abhängen. Dem entsprechen bei verhinderter Volumenänderung (CU-Versuch) Porenwasserdrücke, die bei voller Wassersättigung der Probe die gleichen Abhängigkeiten zeigen. Nach der in Abschnitt I.6.4 genannten Regel muss mit zwei Ursachen für Porenwasserdrücke in einem geschlossenen Sys-tem gerechnet werden: 1. Änderung des Kugeltensors, 2. Änderung des Deviators. Eine dritte mögliche Ursache ergibt sich daraus, dass in einem Partikelsystem selbst dann mit Volumenänderungen bzw. Porenwasserdrücken zu rechnen ist, wenn sich bei konstantem Spannungszustand nur die Hauptspannungsrichtungen ändern, Bild I08.10. Wenn Θ der Richtungswin-kel ist, lautet die formale Gleichung für die Änderung du des Porenwasserdrucks in einem geschlossenen System:

θθ∂

∂τ

τ∂∂

σσ∂∂ d u + d u + d u = du oc

ocm

m (I08.10).

Hierin bedeuten:

) + + (31 = 321m σσσ⋅σ

212

223

231oc )()()(

31

σ−σ+σ−σ+σ−σ⋅=τ

τ′⋅θ 3oc

3J 2 = 3 cos (s. a. Bild I06.70).

Die Gleichung I08.10 kann abgekürzt geschrieben werden als

du = A1dτoc + B1dσm + C1dΘ. A1, B1, C1 heißen Po-renwasserdruckparameter. Da über C1 noch zu wenig bekannt ist, beschränkt man sich in der Praxis auf die beiden ersten Terme.

Bild I08.10: Beanspruchung einer Bodenprobe durch Drehung der Hauptspannungrichtungen

σ1

σ3 σ2

θ

d θ

Page 23: Vorl g i Scherfestigkeit

Seite Scherfestigkeit I.23

Für den Dreiaxialversuch ist

) 2 + ( 31 = ) - (

32 = 31m31oc σΔ⋅σΔ⋅σσσ⋅τ .

In Differenzen geschrieben, lautet dann die Gleichung für die Änderung des Porenwasserdrucks:

) 2 + ( 31 B + ) - (

32 A = u 311311 σΔ⋅σΔ⋅⋅σΔσΔ⋅⋅Δ (I08.20).

In anderer Form, mit B1 = B und A = 1/3·[1+√2·(A1/B1)] erhält man die Gleichung von SKEMPTON (1954): Δu = B·{Δσ3 + A·(Δσ1 - Δσ3)} (I08.30). die sich für den Fall, dass der Zelldruck konstant bleibt, vereinfacht zu Δu = A·B·Δσ1 (I08.40). Wenn man also, wie es häufig geschieht, Δu durch Δσ1 normiert, erhält man eine Parameterfunktion, in der sowohl ein Anteil infolge Änderung des hydrostatischen Druckes als auch ein Anteil infolge Änderung des Deviators enthalten ist. Porenwasserdruck bei Steigerung nur des hydrostatischen Druckes:

Für den Sonderfall Δσ1 = Δσ2 = Δσ3 = Δσm ist die Porenwasserdruckänderung (Kw - Kompressionsmodul des Wassers;

n·Δu/Kw - Volumenänderung des Wassers; K -Kompressionsmodul des Korngerüstes):

1

KK n + 1

1 = u .h .d , ) u - ( K1 =

K1 =

Ku n

w

mm

'm

w≅

⋅σΔΔ

ΔσΔ⋅σΔ⋅Δ⋅

(I08.50),

weil Kw ≅ 30⋅K ist. Durch Koeffizientenvergleich mit Gleichung I8.04 sieht man, dass man bei wassergesättigten Verhält-

nissen B = 1 setzen kann, so dass sich

Δu = A⋅Δσ1 (I08.60) ergibt. Bild I08.20 zeigt die Richtung des effektiven Spannungswe-ges für verschiedene Werte von A, wobei ein Vergleich mit Bild I07.30 aufschlussreich ist. A ist keine Konstante, sondern eine Funktion. Bild I08.30 zeigt die

Entwicklung von A in Abhängigkeit vom Scherweg für erstbelaste-

te (m = 1) und vorbelastete Tone (m = σc / σm > 1). Wenn man

die Werte von A im Bruchzustand aufträgt ("Af"), erhält man Dia-gramme in der Art von Bild I08.40 (BLIGHT, 1965).

Bild I08.20: Richtung des effektiven Spannungswe-ges bei verschiedenen Porenwasserdruck-parametern A

Page 24: Vorl g i Scherfestigkeit

Seite Scherfestigkeit I.24

I.9 Scherfestigkeit bei besonderen Randbedingungen und großen Verformungen

Die in Scherversuchen bei monotoner Laststeigerung gemessenen Werte der Scherfestigkeit eines Bodens können unter besonderen Randbedingungen, die sich störend auf das Gefüge oder die Struktur auswirken, erheblich verändert werden. Nachfolgend werden verschiedene Fälle und Auswirkungen als Beispiele genannt. Große Scherverformungen bei monotoner Belastungssteigerung:

Absinken der Scherfestigkeit auf die Restscherfestigkeit mit cr→0 und ϕr < ϕ, siehe z.B. Bild I05.20. Erfassung durch

IB = (τf - τr)/τf (Sprödheitszahl nach BISHOP, 1967). Typische Werte von ϕr zeigt Bild I09.10.

(1) Quarz, Feldspat, Kalzit (2) SiO2 (3) Glimmer (4) Kaolinit (5) Montmorillonit Die Bereiche (4)* und (5)* geben Vergleichswerte für ungestörtes Material an (nach OLSON, 1974)

Bild I09.10: Bereiche zu erwartender Restscherfestigkeiten (KENNEY, 1967)

Bild I08.30: Porenwasserdruckparameter A für einen schluffigen Ton mit wL = 43 %, wP = 23 %, IA = 0,61, Tonanteil 38 % bei verschiedenen Vor-belastungen. m = σc / σm

Bild I08.40: Porenwasserdruckparameter Af im Bruchzustand (BLIGHT, 1965)

Page 25: Vorl g i Scherfestigkeit

Seite Scherfestigkeit I.25

Große Scherverformungen infolge irregulärer Belastung, Thixotropie: Da die Kohäsion durch den Gleichgewichtszustand zwischen Anzie-hungs- und Abstoßungskräften oder eine Verkittung der Partikel (Beispiel: Kalkbrücken in Löss) zustande kommt, vermindert jede Störung der Anordnung der Teilchen die Scherfestigkeit des Sys-tems, und zwar um so mehr, je größer der Wassergehalt und der Gehalt an echten Tonmineralien sind. Das genannte Verhalten wird durch die Sensitivitätszahl erfasst:

St = τf (ungestört) / τf (gestört) (TERZAGHI, 1944).

St geht für große Wassergehalte → ∞ ; der Ton wird dann zur Ton-suspension, die beim Anstoßen schlagartig flüssig wird (Thixotropie). Wenn die Störung (= Energiezufuhr) aufhört, versuchen die Partikel, durch viskoses Fließen wieder eine Minimallage einzunehmen. Ein mit der Zeit langsam zunehmender Teil der verlorenen Festigkeit wird so wiedergewonnen, wobei die Festigkeit vor der Störung nur bei Tonsuspensionen rekonsolidiert werden kann. Der bleibende Festigkeitsverlust steigt mit w, d.h. dem für das viskose Fließen not-wendigen Porenwasser; ebenso die Rekonsolidationszeit. Das Verhältnis der wiedergewonnenen Festigkeit zur Festigkeit im gestörten Zustand heißt Thixotropiezahl IT. Sie ändert sich nicht stetig mit w, sondern steigt beim Erreichen des Proctor-Optimums plötzlich stark an, Bild I09.30 (MITCHELL, 1960), wobei das Maß der Wiederverfestigung durch große Verformungen wieder abgebaut wird. Kornzerkleinerung: Beim Abscheren einer Partikel-Struktur unter hoher Normalspannung nimmt die Tendenz zur Kornzerkleinerung zu. Daher verhalten sich z.B. Keupermergel bei den üblichen Gebrauchsspannungen, Bild I09.40, wie hoch-vorbelastete Tone und zeigen mit zunehmender Normalspannung duktiles Verhalten wie erstbelastete Tone (CHANDLER, 1967). In die gleiche Richtung geht auch die Kornzerkleinerung durch Ver-witterung: Bild I09.50. Würde w bei der Verwitterung erhalten blei-ben, ergäbe sich infolge chemischer Verwitterung durch Oxydation eine Verfestigung (Oberflächenkruste). Da aber w in der Regel an-steigt (Gefügeauflockerung; Eindringen von Niederschlägen; aber auch Wasserabgabe aus Gipseinschlüssen im Zuge der chemischen Verwitterung von Gipsmergelstein), nimmt die Scherfestigkeit ab (CHANDLER, 1972).

Anmerkung: Nach SKEMPTON (1964) nimmt ϕr mit zunehmendem Verwitterungsgrad deutlich ab.

Bild I09.20: Beispiel für die Sensitivitätszahl eines reinen Tones mit hoher Aktivitätszahl IA (Plastizität zu Tonanteil)

Bild I09.30: Thixotropiezahl IT (MITCHELL, 1960)

Bild I09.40: (CHANDLER, 1967)

Thixotropiezahl (t = 1 Woche)

Einbau - Wassergehalt

Wopt

ε1 = 1%

2,5%

5%

10%

1

2

Sensitivität St

Versuche von : SKEMPTON/NORTHEY 1952 BJERRUM 1954

x

x

x

x

x

x

x

liquidity index IL = (w - wp)/Ip 0 1 2 3 4

1

10

10²

10³

Page 26: Vorl g i Scherfestigkeit

Seite Scherfestigkeit I.26

Unregelmäßige Spannungswege: In Routine-Scherversuchen wird nur eine monotone Steigerung der Schubspannung bis zum Versagen untersucht. Davon abweichende Spannungswege, insbesondere Wechsel zwischen Be- und Entlastung, ergeben auch abweichende Scherver-formungen.

- Im kohäsionslosen Material führt jede Vorspannung (ausgedrückt in der hydrostatischen Spannung σm) zur Verringe-rung der Dehnungen.

- Spannungswege mit gleichem Start und Ziel ergeben in Sand ähnlich große Dehnungen unabhängig vom Verlauf dazwischen (LADE / DUNCAN, 1976).

- Der Einfluss des Spannungsweges auf den Scherwinkel ϕ ist bei kohäsionslosem Material vernachlässigbar und ver-schwindet übrigens nach wenigen Lastwechseln.

- In kohäsivem Material gibt es einen Einfluss der Spannungsgeschichte auf die effektive Kohäsion, der mit der Aktivi-tätszahl IA wächst.

I.10 Sicherheit gegen Erreichen des Grenzzustandes, Fellenius-Regel

Die Betrachtungen zur Scherfestigkeit sind geeignet, im Grundbau Aussagen zur Sicherheit von Erdbauwerken und in den Baugrund einbindenden Bauteilen zu finden. Dabei ist häufig eine Aussage hilfreich und zweckmäßig, die den Ab-stand einer vorhandenen Scherbeanspruchung zur maximal möglichen Scherbeanspruchung, also der Scherfestigkeit

definiert. Vielfach hat sich dabei das Verhältnis zwischen dem (den Grenzzustand definierenden) Reibungswinkel ϕ' und

dem mobilisierten Reibungswinkel ϕmob als Maß für die Sicherheit bewährt. Dabei wird der Winkel ϕmob an der Verbin-dungslinie zwischen dem Ursprung der Schergeraden und dem zu beurteilenden Spannungspunkt in der Mohr'schen Darstellung gemessen. Die Sicherheitsdefinition geht auf FELLENIUS zurück und lautet

η = tan ϕ' / tan ϕmob . Selbstverständlich ist dabei von Interesse, ob die Scherbeanspru-chung punktuell, gebietsweise vollständig in eingekapselten Berei-chen, entlang durchlaufender Scherflächen oder in größeren Ge-bieten vollständig die Scherfestigkeit erreicht. Nur in den zwei letzt-genannten Fällen ist das Versagen einer Struktur zu befürchten, bei nur lokalem Erreichen der Grenzbeanspruchung sind - analog zu Fließgelenken in der Tragwerkslehre - Umlagerungen ohne Verlust der Gesamttragfähigkeit möglich.

Bild I09.50: Effektive Scherfestigkeit von Keuperton bei variablem Verwitterungsgrad (CHANDLER, 1972)

Bild I10.10: Darstellung der mobilisierten Scher-festigkeit

Page 27: Vorl g i Scherfestigkeit

Seite Scherfestigkeit I.27

I.11 Gesteins- und Gebirgsfestigkeit

Im Kreislauf der Gesteine bestehen bei der Verfestigung und der Verwitterung stetige Übergänge zwischen Lockergestei-nen und Festgesteinen. Ebenso wie für Böden kann auch die Scherfestigkeit für Gesteine ermittelt werden. Hierbei ist jedoch zu unterscheiden zwischen der Festigkeit des Gesteins und des Gebirges. Gesteinsfestigkeit: Triaxialversuche an Felsproben zeigen auch hier, dass das Erreichen von Grenzzuständen span-nungsabhängig ist und mit einer (evtl. sehr hohen) Kohäsion und einem Reibungswinkel beschrieben werden kann. Da bei üblichen Aufgaben die Steigerung der Festigkeit bei hohen Normalspannungen häufig unberücksichtigt bleiben kann, wird oft nur die einaxiale Druckfestigkeit im Zylinderdruckversuch ermittelt, die eine Aussage über die Scherfestigkeit ohne die Wirkung eines Seitendruckes liefert. Sie liegt in der Regel deutlich höher als die Gebirgsfestigkeit, bei welcher die Kluftstruktur des Gebirges das Verhalten bestimmt. Abstand und Richtung von Schichtflächen und Klüften, ihre Öffnungsweite, Rauigkeit und Kluftfüllungen sind hierbei maßgebend. Zwischen den dazu als starre Körper anzunehmenden Kluftkörpern des Gebirges wirkt dabei eine Festigkeit, die sich aus der Reibung und Adhäsion zwischen festen Körpern ergibt.

I.12 Baugrundverflüssigung (Liquefaction)

Bei Scherbeanspruchungen in lockeren Böden kommt es zu einer Verdichtung des Korngerüstes. Wenn die Böden dabei wasserge-sättigt sind, kommt es zum Aufbau von Porenwasserdruck. Bei ausreichend großer Scherbeanspruchung / Verdichtungswirkung und wenn das Porenwasser nicht oder nicht schnell genug abströ-men kann, kann der Porenwasserdruck so weit ansteigen, dass die sich dabei ändernden effektiven Spannungen (totale Spannungen aus Bodeneigengewicht σ1, σ3 abzüglich des Porenwasserdrucks u) das Grenzkriterium erreichen. Dann entspricht großflächig die Scherbeanspruchung der Scherfestigkeit, womit sich der Boden wie eine Flüssigkeit verhält. Das Phänomen ist jedem bekannt, der am Strand einmal wasser-gesättigten Sand durch Vibrieren mit dem Fuß verflüssigt hat. Das beschriebene Verhalten wird als Verflüssigung (Lique-faction) bezeichnet. Im Zusammenhang mit Scherbeanspruchungen infolge Erdbeben kann es in wassergesättigten Böden zu Verflüssigun-gen kommen. SEED / IDRISS (1971) geben in Abhängigkeit der Beschleunigung folgende Lagerungsdichten D an, ab denen Verflüssigung in nichtbindigen Böden wahrscheinlich bzw. unwahrscheinlich ist. Siehe dazu Bild I12.10.

Bei Lagerungsdichten zwischen diesen Werten hängt die Wahrscheinlichkeit einer Verflüssigung von der Bodenart und der Erdbebenintensität ab. Nach DIN 4149 sind in deutschen Erdbebengebieten folgende Werte anzusetzen: Zone 1: 0,35 m/s2 oder 0,05 g, Zone 2: 0,56 m/s2 oder 0,06 g, Zone 3: 0,91 m/s2 oder 0,09 g, Zone 4: 1,40 m/s2 oder 0,14 g.

I.13 Schrifttum

BISHOP, A. W. (1967): Progressive Failure with special reference to the mechanism causing it. Proc.Geotechn.Conf. Oslo 2, S.142-150.

BISHOP, A. W. / HENKEL, D. J. (1964): The Measurement of Soil Properties in the Triaxial Test., Ed. E. Arnold Ltd. London. BLIGHT, G. E. (1965): Shear Stress and Pore Pressure in Triaxial Testing. Journal SMFE Div. Proc. ASCE 91, S. 25-39 BRACE, W. F. (1963): Behaviour of Quartz During Indentation. Journal Geology 71, S.581 - 595. BRETH, H. / Chambosse, G. / Arslan, U. (1978): Einfluss des Spannungsweges auf das Verformungsverhalten des Sandes.

GEOTECHNIK 1, S. 2 - 20. CHANDLER, R. J. (1967): The strength of a stiff silty clay. Proc. Geotechn. Conf. Oslo I, S.103 - 108.

Lagerungsdichte D Beschleuni-gungswerte

Verflüssigung sehr unwahr-

scheinlich

Verflüssigung sehr wahrschein-

lich

0,10 g > 54% < 33% 0,15 g > 73% < 48% 0,20 g > 85% < 60% 0,25 g > 92% < 70%

Bild I12.10: Erdbebenverhalten von Böden (SEED / IDRISS, 1971)

Page 28: Vorl g i Scherfestigkeit

Seite Scherfestigkeit I.28

CHANDLER, R. J. (1972): Lias Clay: weathering processes and their effect on shear strength. Géotechnique 22, S. 403 - 431.

CORNFORTH, D. H. (1964): Some Experiments on the Influence of Strain Conditions on the Strength of Sand. Géotechni-que 14, S. 143 - 167.

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