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433 66. W. Lossen. Vorltiufige Mittheilung fiber sogenannte physikalisoh isomere Hydroxglaminderivate. (Eingegangen am 5. Februar; mitgetheilt in der Sitzung von Hrn. A. Pinner.) Im Allgemeinen der Verijffentlichung unfertiger Arbeiten abge- neigt, sehe ich mich durch die in dem mir eben zugebenden 1. Hec dieser Berichte Seite 27 abgedruckte Abhandlung von A l f r e d Werner veranlasst, einige Mittheiliingen iiber noch nicht ganz abgescblossene Versuche zu machen. Dieselben betreffen theilweise den von W e r n e r bearbeiteten Gegenstand. und eR kiinnte bei hinausgeschobener Ver- iiffentliehung den Anschein gewinnen, als babe ich bei meinen Ver- suchen diejenigen W e r n e r ’ s benutzt. Das Hauptresultat meiner zuletzt verijffentlichten Arbeit iiber Hydroxylaminderivatel) war der Nachweis, dass a- und fl-Aetbylbenz- bydroxamsaure nicht in dem Sinne, wie T i e m a n n angenommen hatte, structurverschieden sind. In dieser Arbeit habe ich unmittelbar vor einem von Werner citirten Satze mitgetheilt2), dass ich ein eiugehendes Studium der in pbysikalisch verschiedenen Modificationen auftretenden Hydroxylamin- denvateJ) wieder aufgenommen habe. Wenn nun Werner iiber die niimlichen Verbindungeu rtrbeitet, so ist es leicht erkliirlich, dass er manches findet, was auch von mir und meinen Schiilern schon ge- funden, theilweise auch schon in den Dissertationen der letzteren ver- iiffentlicht ist. I. Bei der Wiederaufnahme der betreffenden Arbeiten fasste ich zunachst folgende Frageii ins Auge: 1. Welche Hydroxamsiiurederivate treten in ver- scbiedenen Modificationen auf? In den friiher in den Annalen der Chemie veriiffentlichten Ar- heiteii sind 9 solche Verbindungen beschrieben; durch unsere neueren Untersuchungen ist die Zahl derselben auf circa 25 gestiegen; zwei, viel- leicht auch drei weitere hat Werner beobachtet. Alle bieher von uns in verschiedenen Modificationen erhaltenen Verbindungen sind entweder Dihydroxamsiiureester, oder Alkyl- hydroxamsauren oder Triacyl-Hydroxylamine. Werner fiigt diesen Verbindungen einen Dihydroxamsaureester, benzacethydroxamsaures l) Ann. Chem. Pharm. 252, 170. a) Ann. Chem. Pharm. 252, 210. 3) Ich will dieselhen im Folgenden einfach rldod~cationencc nennen, in- dem ich sie als Form einer und dcrselben Verbindung betrachte, bei welchen sich trotz anscheinend mangelnder Structurverschiedenheit verschiedenes Ver- halten nachweisen 18sst.

Vorläufige Mittheilung über sogenannte physikalisch isomere Hydroxylaminderivate

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66. W. Lossen. Vorltiufige Mittheilung fiber sogenannte physikalisoh isomere Hydroxglaminderivate.

(Eingegangen a m 5. Februar; mitgetheilt in der Sitzung von Hrn. A. Pinner.)

Im Allgemeinen der Verijffentlichung unfertiger Arbeiten abge- neigt, sehe ich mich durch die in dem mir eben zugebenden 1. Hec dieser Berichte Seite 27 abgedruckte Abhandlung von A l f r e d W e r n e r veranlasst, einige Mittheiliingen iiber noch nicht ganz abgescblossene Versuche zu machen. Dieselben betreffen theilweise den von W e r n e r bearbeiteten Gegenstand. und eR kiinnte bei hinausgeschobener Ver- iiffentliehung den Anschein gewinnen, als babe ich bei meinen Ver- suchen diejenigen W e r n e r ’ s benutzt.

Das Hauptresultat meiner zuletzt verijffentlichten Arbeit iiber Hydroxylaminderivatel) war der Nachweis, dass a- und fl-Aetbylbenz- bydroxamsaure nicht in dem Sinne, wie T i e m a n n angenommen hatte, structurverschieden sind.

In dieser Arbeit habe ich unmittelbar vor einem von W e r n e r citirten Satze mitgetheilt2), dass ich ein eiugehendes Studium der in pbysikalisch verschiedenen Modificationen auftretenden Hydroxylamin- denvateJ) wieder aufgenommen habe. Wenn nun W e r n e r iiber die niimlichen Verbindungeu rtrbeitet, so ist es leicht erkliirlich, dass e r manches findet, was auch von mir und meinen Schiilern schon ge- funden, theilweise auch schon in den Dissertationen der letzteren ver- iiffentlicht ist.

I. Bei der Wiederaufnahme der betreffenden Arbeiten fasste ich zunachst folgende Frageii ins Auge:

1 . W e l c h e H y d r o x a m s i i u r e d e r i v a t e t r e t e n i n v e r - s c b i e d e n e n M o d i f i c a t i o n e n a u f ?

In den friiher in den Annalen der Chemie veriiffentlichten Ar- heiteii sind 9 solche Verbindungen beschrieben; durch unsere neueren Untersuchungen ist die Zahl derselben auf circa 25 gestiegen; zwei, viel- leicht auch drei weitere hat W e r n e r beobachtet.

Alle bieher von uns in verschiedenen Modificationen erhaltenen Verbindungen sind entweder Dihydroxamsiiureester, oder Alkyl- hydroxamsauren oder Triacyl-Hydroxylamine. W e r n e r fiigt diesen Verbindungen einen Dihydroxamsaureester, benzacethydroxamsaures

l) Ann. Chem. Pharm. 252, 170. a) Ann. Chem. Pharm. 252, 210. 3) Ich will dieselhen im Folgenden einfach rldod~cationencc nennen, in-

dem ich sie als Form einer und dcrselben Verbindung betrachte, bei welchen sich trotz anscheinend mangelnder Structurverschiedenheit verschiedenes Ver- halten nachweisen 18sst.

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Aethyl und einen Alkylhydroxamslureather, iithylbenzhydroxtrm- saurea Paranitrobenzyl, hinzu. Die letztere Beobachtung erbringt den bisher noch fehlenden Beweis dafiir, dass auch Alkylhydroxamsaure- , ather in verschiedenen Modificationen auftreten. Sowohl die friiher, als die neuerdings irn hiesigen Laboratorium dargestellten Reprasen- tanten dieser Klasse von Verbindungen krystallisiren nicht, weshalb i th es im Zweifel lassen musste, ob sie in mehreren Modificationen auftreten.

W e r n e r vermnthet auch 2 Modificationen cines Benzenylalkyl- oximchlorids erhslten zu haben, will aber diese Beobachtung noch sicherer stellen.

Bei Hydroxamsiiureestem , acylirten Derivaten derselben , Amid- oximcn und AmidoximHthern haben wir bisher mehrere Modificationen nicht heobachtet. Ich will aber weder hieraus, noch aus dem Um- stand, dass T i e m a n n bei den sehr zahlreichen Amidoximen uud Amidoximlthern, welche ex untersucht hat, bisher Modificationen noch nicht beobachtet hat, schliessen, dass sie iiberhaupt nicht vorkommen. T i e m a n n wird wohl selbst seine Aufmerksamkeit noch einmal auf diese Seite der Untersuchung richten. Uiis gingen nur einzelne Amid- oxime oder deren Aether als Material zur Darstellung oder Ideuti- ficiruug anderer Verbindungen gelegentlich durch die Hand, ohne dass wir deren eingehende Untersuchung als unsere Aufgabe betrachteten.

Zwei verschiedene Oxalhydroxamsauren haben wir allerdings er- halten, die eine freilich niir in iliren Salzen. Ich halte es aber nicht f i r ausgeschlossen, dass in diesem Fal l Structurverschiadenheit nach- gewiesen wird.

2. T r e t e n H y d r o x a m s a u r e d e r i v a t e i n m e h r als z w e i M o d i f i c a ti on e n a, u f ?

Drei Modificationen sind bisher nur in drei Fallen beobachtet : bei Tribenzhydroxylamin, Benzanisbenzhydroxylamin und paratolbenz- hydroxamsaurem Aethyl.

Aethylbenzhydroxamsaure babe ich ebenfalls in Krystallen er- halten, welche eich von a- und b-Aethylbenzhydroxamsaure durch Schrnelzpunkt und Liislichkeit unterscheiden. Ich will aber die Selbstaudigkeit einer dritten Modification nicht behaupten, so lange dieselbe nicht durch eine genaue krystallographische Untersuchung be- stiitigt ist. Letztere macht in diesem Falle besondere Schwierigkeiten, denn bei der Untersuchung von a- und t-Aethylbenzhydroxamsaure ergab sich schon so grosse Uebereinstimmung der F o r m , dass die Verbindungen als isomorph betrachtet werden kiinnen und das optische Verhalten als Hauptmittel zur Unterscheidung diente, welches nur an klaren durchsichtigen Krystallen zu beobachten ist.

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3. K B n n e n d i e M o d i f i c a t i o n e n d e r s e l b e n V e r b i n d u n g d u r c h e i n f a c h e Mittel i n e i n a n d e r v e r w a n d e l t w e r d e n ?

Die Umwandlung ist bei einzelnen nachgewiesen ; y-Tribenz- hydroxylamin geht z. B. durch Erhitzen mit verdiinnter Salzsaure in 8-Tribenzhydroxylamin iiber.

4. H a b e n d i e v e r s c h i e d e n e n M o d i f i c a t i o n e n d e r s e l b e n V er b i n d u n g g 1 e i c h e s M olecii la r g e w i c h t ?

Dass di'eses der Fall ist, hat Dr. R. J a c o b s o n mittelst der R a o u It'schen Methode fiir verschiedene triacylirte Hydroxylamine, fiir a- uod #-Dibenzhydroxamsaureathylester und f i r a- und @- Aethyl- benzhydroxamsaure nachgewiesen und in seiner Dissertation') ver- iiffentlicht. W e r n e r findet das Namliche fiir a- und p-Aethylbenz- hydroxamsaure.

5. S i n d d i e v e r s c h i e d e n e n M o d i f i c a t i o n e n e i n e r Ver- b i n d u n g n i c h t n u r p h y s i k a l i s c h , s o n d e r n a u c h c h e m i s c h

v o n e i n a n d e r r e r s c h i e d e n ? Schon friiber wurde bei vielen Modificationen eine kleine, bei

denjenigen des Dibenzhydroxamsaureesters und des Benzanishydroxam- saureesters ausgepragte chemische Verschieden heit beobachtet. Neuer- dings ist letztere nicht nur bei verschiedenen anderen Dihydroxam- saureestern , sondern auch bei Alkylhydroxamsauren nachgewiesen. So hat Dr. H. K l a b u n d 2 ) gezeigt, dass durch Benzoyliren von a- und #-Aethylparatolhydroxamsaure verschiedene Paratol benz- bydroxamsaiireester entstehen, und Dr. A. Ueck e r a ) erhielt diirch anisyliren von a- und #-Aethylrtnishydroxamsiiure rerschiedene Dianis- hydroxamslureester. Die von W e r n e r beschriebenen Chlorhydrate der a- und P-Aeth~lbenzhydroxamsaure sind bereits friiher in den Annalen von mir bescbrieben worden. In Uebereinstimmung niit W e r n e r ' s Angaben habe ich beobachtet, dass die beiden Modi- ficationen a u s denselben wieder abgeschieden werden kiinnen, diese Beobachtung aber noch nicht reroffentlicht. W e r n e r weist nun ausserdem die chemische Verschiedenheit der a- und 6-Aethylbenz- hydroxamsaure durch Einfiihrung von Acetyl und Nitrobenzyl nach.

I m Vorstehenden sind die von mir und meinen Schiilern theils mehr oder minder abgeschlossenen, theils noch fortgesetzten Unter-

1) ,Beitritge zur Kenntniss amidartiger Derivate des Hydroxylaniinsa.

a) nUeber die physikalische Isomerie einiger Hpdroxplaminderivato mit

3) BBeitrNe zur Kenntniss der physikalischen Isomerie einiger anisylirter

Ktinigsberg 1890.

dem Radical der Paratoluylsaurecc.

Hydroxylaminderivatecc. Dissertation, KBnigsberg 1591.

Dissertation, Kbnigsberg IS9 1.

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suchungen kure skiezirt. Eine ausfiihrlichere Veriiffentlichung wird in den Annalen der Chemie folgen, freilicb noch nicht in allerkiirzester Frist, weil die krystallographische Untersuchung einiger 30, theilweise in mehreren mit einander zu vergleichenden Exemplaren vorliegenden Verbindungen, welche mein verehrter Freund, Herr Geheimrath C. K l e i n , zu iibernehmen die Giite hatte, einige Zeit beansprucht.

1% Mit besonderem Interesse, aber offen gestanden auch mit einer gewissen Verwunderung habe ich die Versuche, welche W e r n e r zur Bestimmung der Configuration der ,Qethylhydroxamsauren ausge- fiihrt hat, gelesen.

Den mit der a-Modification ausgefiihrten Versuch beschreibt W e r n e r folgendermaassen :

,Die auf 0 0 abgekiihlte absolute iitherische Losung der Saure wird allmiihlich mit iiberschiissigem Phosphorpentachlorid versetzt, etwa eine Stunde lang im Kiiltegemisch gelassen und dann langsam bis auf 200 erwarmt, wobei sich das zuerst ausgeschiedene salzsaure Salz 16st.l) Man giesst bierauf in Wasser, wascht rasch mit ver- diinnter Sodalijsung und erhiilt beim Verdunsten der atherischen Schicht ein esterartig riechendes und zugleich die Nasenschleimhaute stark angreifendes, chlorhaltiges Oel. Dasselbe verwandelt sich bei an- haltendem Schttteln mit Soda- oder Natrooliisung langsam, durch alkoholisches Natron rasch, beim Stehen an feucbter Luft in einigen Tagen vollstandig in eine feste chlorfreie Masse. D c r weitaus griisste Theil derselben ist leicht in Aether liislich, krystallisirt aus ver- diinntem Alkobol in langen Nadeln, schmilzt bei 49 bis 500 und ist P h e n y l u r e t h a n : CsH5NH. COOCs&.~

Daneben entsteht ein wenig Diphenylharnstoff. BNach alledem muss das ursprtngliche chlorhaltige Oel Anilido-

chlorkohlensaureather sein, welcher als Umwandlungsproduct der- jenigen Aethylbenzhydroximsaiire zu erwarten war, in welcher Phenyl und Hydroxyl benacbbart sind :

€30. c . OCa H j O C . OCaHg I

CsH5 . H N H?[ C6H5. N I I 1-

I) Das sol1 wohl heissen, das auerst ausgeschiedene Chlorhydrat der a-Aethylbenzhydroramsiiure wird bei 200 angegriffen und in losliche Ver- bindungen verwandelt. Ob Phosphorpentachlorid das in Aether vertheilte Chlorhydrat der Aethylbenzhydroxamsfure bei 200 angreift, erscheint mir etwas zweifelhaft, wenn auch nicbt unmijglich, jedenfalls aber sehr vie1 wahr- scheinlicher, als dass das unveriinderte Chlorhpdrat sich i m Aether gelest habe. - Lossen.

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Die sogenannte a-Aethylbenzhydroxamsiiure ist also danach

Bei der Einwirkung von Phosphorpentachlorid auf p-Aethylbenz- * Aethylsynbenzhydroximstiurec . hydroxamsiure erhielt W e r n e r eine Verbindung

welche er ale Phosphorsiuretither der Aethylantibenzhydroximeiiure betrachtet.

Es ist schon ofter beobachtet, dass bei Einwirkung von Phosphor- pentachlorid auf hydroxylhaltige Verbindungen Chlorid und Phosphor- siiureester des mit dem Hydroxyl verbundenen Restes neben einander entstehen; Phenol z. B. giebt Clorphenyl und Phenylphosphat. Es ware gewiss sehr interessant, wenn aus der a-Aethylbenzhydroxarn- saure nur das Clorid, aus der fl-Aethylbenzhydroxamsaure nur das Phosphat entstande. Vielleicht ist das so, nur fehlt bis jetzt so ziemlich alles, was niithig ist zurn Beweise, dass ee so ist.

Aus der a-Aethylbenzhydroxamsaure erhielt W e r n e r ein chlor- haltiges, stechend riechendes Oel. War denn gar kein Beweis dafiir zu erbringen, dass dieses Oel auch nur annahernd die ihrn von W e r n e r zugeschriebene Zusarnmensetzung hat? 1st dasselbe eelbst in gltherischer Losung so empfindlich gegen rasches Waschen mit ver- diinnter SodalSsung, dass aus der Analyse des Oeles und aue der bekannten Zusammensetzung seines durch glatte Zersetzung ent- stehenden Umwandlungsproductes kein Schluss auf die Natur des Oeles aus dem Experiment abgeleitet werden kann?

So lange W e r n e r uns dariiber keine nihere Auskunft giebt, mues er mir erlauben, Vermuthungen iiber den Verlauf der Reaction zu haben, welche von den seinigen abweichen. Nach meinen Er- fahrungen ist ein haufig auftretendes Zersetzungsproduct der Benz- hydroxamsaurederivate Phenylcyanat. Ein die Nasenschleimhaute stark angreifendes Oel kann sehr wohl Phenylcyanat enthalten ; ein daneben nachgewiesener Chlorgehalt kann gewiss nicht auffallen, wenn Phosphor- pentachlorid in Reaction trat. Phenylcyanat giebt mit Alkohol Phenylurethan, mit Wasser Diphenylharnatoff, die beiden einzigen vou W e r n e r wirklich nachgewiesenen Umsetzungsproducte des Oeles. Demnach wissen wir wohl etwas iiber die Endproducte der Reaction, iiber ihren Verlauf aber so gut wie nichts.

Z u dem Versuch rnit der p-Aethylbenzhydroxarnsiure bemerke ich, dass ein aromatischer Phosphorsaureiither, welcher mit Krystall- wasser krystallisirt, mir etwas rerdachtig erscheint, Ich wiirde riel- leicht gar keinen Anlass zu einem solchen Verdachte haben, wenn

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W e r n e r das Krystallwasser bestimmt oder wenigstens angegeben hatte, weshalb er es nicht bestimmt hat.

Den Anspriichen, welche man an Versuche, die zur Stiitee einer neuen Theorie dienen sollen, stellen kann, geniigen W erner 's Be- obachtungen nicht. Ich hoffe, er wiederholt dieselben und gelangt zu besseren Beweisen fiir seine Ansicht oder zur Berichtigung derselben.

III. Zu meinem Redauern muss ich auch noch einmal auf die Nomenclatur der Hydroxamsguren und ihrer Derivate eingehen, weil es nach W e r n e r dririgend niithig ist, dieselbe urnzugestalten, und weil die BInconsequenzen in der Benennungu. . . . >das Studium dieser Gruppe zu einem der miihseligsten in der ganzen organiechen Chemieo: machen.

Glaubt W e r n e r wirklich, dieses Studium werde erleichtert werden, wenn jeder, der anfangt, sich an der Bearbeitung dieser Ver- bindungen zu betheiligen, sich einer besonderen Nomenclatur bedient, wenn er selbst der von mir gegebenen und der von T i e m a n n vor- geschlagenen Bezeichnungsweise noch eine dritte hinzufigt? Ich meine, das kann doch nur zu Verwechslung und Verwirrung fiihren, und nur weil ich einer solchen vorzubeugen wiinsche, gehe ich auf die Frage der Nomencliltur etwas ausfiihrlicher ein, ale ich es bisher gethan habe. An sich lege ich wenig Gewicht auf die Namen, und wenn ich erfahre, dass die Mehrzahl meiner Fachgenossen das, was iiber die Hydroxamsauren gearbeitet ist, besser versteht, wenn man in Zu- kunft statt Hydroxamsaure Hydroximsaure sagt, so habe ich gegen die Aenderung nichts einzuwenden.

Werner's Nomenclatur ist streng systematisch; wie sie ist, konnte sie erst gemacht werden, nachdem die Structur der Hydroxamsaure- derivate durch meine Arbeiten aufgehellt war. Ich bin aber nicht der Ansicht, dass das Versthndniss des Verhaltens einer Klasse von Verbindungen durch eine solche ex post nach der Schablone geniachte Nomenclatur mehr erleichtert wird , als durch eine , welche sich historisch entwickelt hat und sich an die Auffindung und wachsende Erkenntniss der Verbindungen anlehnt. Wer iiber die Hydroxam- siiuren arbeiten will, muss ihre Geschichte kennen; wer ihre Ge- schichte kennt, wird keine Schwierigkeit haben, ihre Namen zu ver- stehen.

Die durch Einwirkung von Chlorbenzoyl auf Hydroxylamin ent- stehenden Verbindungen haben die Zusammensetzung eines einfach, zweifach und dreifach benzoylirten Hydroxylamins. Ich konnte sie dernnach Renz-, Dibenz- und Tribenzhydroxylamin nenuen. Wenn ich statt der beiden ersten Namen Benzhydroxamsaure und Dibenz- hydroxamsaure wahlte, geschah es, um sie gleicbzeitig als den Amiden entsprechende Hydroxylaminderivate und als Sauren zu charakterisiren.

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Durch anisyliren von Benzhydroxamslure entsteht eine andere Verbindung als durch benzoyliren von Anishydroxamsiiure. Die erste wurde als Benzaois-, die zweite ale Anisbenzhydmxamaiiure be- zeichnet; die Namen bezeichnen die Reihenfolge, in welcher die Acyle eingefuhrt wurden. Das gleiche gilt fur die dreifach aeylirten Hydroxylamine.

Niemand hat Anstoss an diesen Namen genommen, sie haben sich, ohne auf Widerspruch zu stossen, eingebiirgert.

Durch Ersatz des Metallatomes in den dihydroxamsauren Salzen durch Alkyl entstehen die Ester der Dihydroxamsauren. Durch Spaltung des Dibenzhydroxamsaureathylesters mit Kalilauge entsteht unter Austritt von Benzoyl eine athylirte Benzhydroxamsaure.

Aus guten Griinden nannte ich diese Verbindung Aethylbenz- hydroxamsaure; einerseits weil sie schwach saure Eigenschaften hat, andererseits weii bei ihrer Auffind ung ein aus benzhydroxamsaurem Salz durch Ersatz des Metalls durch Aethyl erhalteuer Ester der Benzhydroxamsaure noch nicht bekannt und es deshalb zweifelhaft war, ob die Aethylbenzhydroxamsaure mit diesem Ester identisch sei oder nicht. Das bald darauf dargestellte benzhydroxamsaure Aethyl erwies sich in der That als verschieden von der Aethylbenzhydroxam- saure.

Ich habe noch vor Kurzem') hervorgehoben, dass das Verhaltniss von Aethylbenzhydroxsamsaure zu benzhydroxamsaurem Aethyl dem- jenigen von Aethylmilchsaure zu milchsaurem Aethyl entspricht.

Ein richtigerer Einblick in die Structur der Hydroxamsaurederi- vate ergab sich erst, als fortgesetzte Untersuchung derselben und auf verwandten Gebieten gemachte Erfahrungen lehrten, die Benz- hydroxamsaure als eine der Formel

,,NOH

'OH Cs H5 C,

entsprechende Benzeuylverbindung aufzufassen. Nach dieser Auf- fassung enthalt die Benzhydroxamsaure nicht mehr das unveriinderte Benzoylradical, die Dibenzhydroxamsaure enthalt nicht zwei, das Tri- benzhydroxylamin nicht drei Benzoyle. Ich legte mir damals die Fage vor, ob diese veranderte Auffassung nicht eine Aenderung der Nomenclatur rathsam erscheinen lasse, stand aber davon ab, eine solche vorzuschlagen, weil die einmal vorhandenen Namen mir am einfachsten nach wie vor die Bildung der betreffenden Verbindungen auszudriicken scheinen. Wenn sich Benzhydroxamsaure bildet , so tauscht das Hydroxylamin H gegen C7H5 0 aus; das ist sicherer fest-

1) Diese Berichte XXIV, 4062.

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gestellt ale die weitere, von rnir allerdings als wahrscheinlichste be- trachtete Hypothese, dass die Benzhydroxamsaure nicht mehr das un- veranderte Radical C6H5 . C : 0, sondern das metamere Cs H5 . C , 0 - enthiilt. Auch wer die letztere Ansicht rnit rnir theilt, nimmt mit mir an, dass das mit dem Chloratom des Chlorbenzoyls als Salzsiure aus- tretende Wasserstofffatom aus dem Hydroxylamin s t a m m t. Ebenso en t s t e h en Dibenzhydroxamsaure und Tribenzhpdroxylamin durch zwei- und dreimaliges Benzoyliren des Hydroxylamins; die bei ihrer Bildung ersetzten Wasserstoffatome s t a mm en nicht aus dem Benzoyl, sonderu aus dem Hydroxylamin, auch dann, wenn meine Ansicht richtig ist, dass das eine dieser Wasserstoffatome in der Benz- hydroxamslure nicht mehr direct an das Stickstoffatom, sondern an das in dem zuerst eingetretenen Benzoyl enthaltene SauerstoEatom gebunden ist, wie die zuletzt von rnir entwickelte Bildungsgleichung der Benzhydroxamsaure zeigt:

/ c :o / O H

c1 \Cl CsH5, + NHa. OH = c6H5. C-NH. O H

, OH

\NOH = CcH5. C + HC1

Wcgen dieser genetischen Beziehungen hielt ich an den vor- handenen Namen feat. Eine Abiinderung hltte alle Nachtheile einer jeden Aenderung eingebiirgerter Namen gehabt, dam voraussichtlich die einfachen Kamen durch vie1 complicirtere ersetzt, wie man an Werne r ’ s Nomenclatur sehen kanu.

Ob man Hydroxamsaure oder Hydroximsaure sagen will, scheint mir gleichgiiltig zu sein. Ich hake die Ablnderung fiir iiberflfissig, augenblicklich auch fiir storend, weil noch kein Einverstiindniss iiber die Structur der Verbindung besteht, der Name Benzhydroximsaure deshalb doch nicht allgemein angenommen wird.

Werner’s Nomenclatur eingehend zu besprechen, sehe ich mich nicht veranlasst.

W e r n e r nennt die Dibenzhydroxamsiiure - nach ihm Ich beschriinke mich anf einige Bemerkungeo,

0 H oder tautomer c6 HE . c /H CcH5. C O . N

\OC OCS H5 N . o c o c 6 H 5

- Benzhydroxamsaure-Benzoylester. Ein Ester entsteht durch Verbindung eines Alkohols mit einer

Saure unter Wasseraustritt; der Kijrper ist also kein Ester, kann aber allenfalls ale ein gemischtes Anhydrid aufgefasst und Benzhydroxam- s&ure-Benzo~saure-8nhydrid oder iihnlich benannt werden. Ein solcher

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Name lasst seine Beziehung zur Benzhydroxamsaure erkennen; er errgt, dass dss Benzoyl das niimliche Waaserstoffatom ersetzt, welches in den benzhydroxamsauren Salzen durch Metal1 eraetzt iat. Diese Beziehung ersieht man mit Leichtigkeit, sobald man die Formel der Verbindung mit der eines benzhydroxamsauren Salzes vergleicht. Dagegen sagt der von W e r n e r gewahlte Name nicht, dass der Korper eine Siiure ist, und das liisat sich auch nicbt direct aus der Formel ersehen. - Ich halte deshalb den Namen Dibenshydroxam- . siiure fiir besser, welcher kiirzer ist, ausdriickt, dam die Verbindung durch zweimaliges Benzoyliren von Hydroxylamin entsteht und vor allem die sauren Eigenschaften derselben, welche sich bei der Unter- suchuog derselben zu allererst wahrnehmen lassen, hervorhebt.

W e r n e r Aethylbenzhydroximsiurebenzoylester. Consequenter Weise muss er statt dibenzhydroxamsaures Kalium Ealiurnbenzhydroxim- saurebenzoylester sagen; hort man aus diesem Namen heraus, dsss die Verbindung das Kaliumsalz einer Saure ist?

Die von mir Benzithylbenzhydroxylamin genannte Verbindung,

, nennt W e r n e r Dibenzhydroximsiureathyl6ther. /OCOCsH5

N.OC&H5 c6 H5 - C\.

Er fasst dieselbe ah den Aether einer Saure CsH5. c auf. Will man die Namen moglichst eng an die Structnr anschliessen, so kommt der Name Dibenzhydroximaaure allerdings eher dieser Ver-

/o co C6 H5

\NOH

/OH zu, denn Ietztere / - bindung als der metamereu c6 €35 . c,\

'NO C 0 CsH5 enthalt kein Oximradical.

Was ich aber zunichst gegen Werner 's Vorschlag einwende, ist, dass er der Verbindung eiuen Namen giebt, welchen ich bereits mit ganz unwesentlicher Abanderung einer anderen und zwar metameren

10C1H.i . .

beigelegt habe. Ich nenne CsH5. C< Dibenzhydroxam- '"NO C 0 .Ce H5

/ o co c6 H5

NO Cz H:, saureathylather, W e r n e r CsH5. C Dibenz hydroximsaure-

athyliither. Einen solchen Vorschlag kann doch nur Jemand machen, der fest davon iiberzeugt ist, dass alle Anderen schweigen, sobald er redet. Wenn W e r n e r auch nur die Moglichkeit in Betracht zog,

Beriehre d. D. ohem. GeseIIschaft. Jahrg. XXV. 29

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dass seine Nomenclatur nicht von Jedermann sofort als allein be- rechtigte angenommen wurde, so musste er sich sagen, dass durch einen solchen Aenderungsrersuch Verwirrung entstehen muss.

Aber W e r n e r ' s Bezeichnungsweise ist nicht nur unpraktisch, sie giebt aueh ein falsches Bild von der Natur der betreffenden Verbin-

bindung. Denn eine Saure CsHs . C existirt nicht, weder

als solche noch in ihren Salzen. Wenn Werner meine Arbeiten auf- merksam liest, so wird er finden, dass die Existetiz gieser Verbindung hochst unwahrscheinlich ist, weil ich nachgewiesen habe, dass unter Bedingungen, die ihrer Bildung am giinstigsten sind, die isomere Di- benzhydroxamslure entsteht.

Werner erreicht also mit seiner streng systematischen Nomen- clatur schliesslich, dass er der Dibenzhydroxamstiure einen INamen giebt, welcher nichts von ihren sauren Eigenschnften verrath, und das's er den Namen, welchen die Saure bisher gehabt hat, auf eine nicht dargestellte, wahrscheinlich iiberhaupt nicht darstellbare Verbindung ii bertriigt.

Schlieaslich will ich noch hervorheben, dass die Structurformeln, welche Werner den structurverschiedenen J3enahydroxams~urederi- vaten beilegt, mit den von mir aufgestellten iibereinstimmen; der ein- zige Unterschied besteht darin, dass Werner fiir einige Verbindungen zwei tautomere Formeln annimmt, wahrend ich eine von diesen beiden fiir nusreichend halte; das ist meiner Ansicht nach ohne Belang. In der Dentung der Verbindungen sind wir also einig, wir benutzen die namlichen Formeln, also das gleiche Mittel, welches die Zusammen- setzung der Verbindungen weit vollstandiger und klarer ausdriickt, als der Name, der immer nur e i n e Seite ihrea Verhaltens Ihervor- heben kann. Ich meine, es habe sehr wenig Nutzen, diese Ueberein- ntimmuog in der Sache zu verdunkeln durch die Wahl verschiedener Benennungen.

/O . COCsHs

\NOH

K b n i g s b e r g , den 4. Februar 189%.