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Vorlaufige Untersuchungen iiber die Hydrolyse der wasserigen Losungen des Quecksilberchlorids. Von HENRYK ARCTOWSKI. Wenn eine Verbindung sich nicht in Wasser lost, ohne dafs eine chemische Einmirkung des letztwen auf dieselbe stattfindet, so pfiegt man diesen Fall von chemischem Gleichgewicht hydrolytische Dissoziation oder kurzweg Hydrolyse zu nennen. Die Hydrolyse, in der organischen Chemie eine sehr gewohn- liche Erscheinung , findet sich ebeiiso wieder bei den Auflosungen einer grolsen Anzahl yon anorganischen Verbindungen, namentlich von gewissen mineralischen Salzen. In einer Arbeit, die ich in Vorbereitung habe, setze ich mir als Ziel, unsere gesamten Kenntnisse iiber die chemische Einwirkung des Wnssers auf die Salze darzulegen; in der vorliegenclen Mittei- lung dagegen bin ich bemiiht, dime Wirkung fiir eine der interessan- testeii Lijsungen klarzulegen : nytmlich die des Quecksilberchlorids. Allgemeiner Teil. Die Eigenschaft des Wassers , mit den Haloidverbindungen der Metalloide in Reaktion zu treten, zeigt sich noch, wenn auch in geringereni Grade, bei den entsprechenden Verbindungen der halbmetallischen Elemente, und das Studium dieser doppelten Um- setzung kann verfolgt werden bis zu den Elementen mit vollkommen ausgepriigtem metallischen Charakter. Aber nicht nur gewisse Haloidsalze geben in Losung einem Umtausch ihrer Bestandteile mit denen des Wassers statt - das Verhaltnis der in Reaktion tretenden Molekiile kann iibrigcns in gewissen Fallen ganz minimal sein - ; auch andere Salze, nament- lich die Nitrate, haben eine starke Neigung zum Zerfall. Die doppelte Umsetzung zwischen dem Wasser und den Salzen ist eine Reaktion, die man, namentlich wcnn man die Frage nach der Teniperatur mit in Betracht zieht, als eine Erscheinung ganz allgemeiner Art ansehen kann. So enthlilt beknnntermarsen die

Vorläufige Untersuchungen über die Hydrolyse der wässerigen Lösungen des Quecksilberchlorids

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Vorlaufige Untersuchungen iiber die Hydrolyse der wasserigen Losungen des Quecksilberchlorids.

Von

HENRYK ARCTOWSKI.

Wenn eine Verbindung sich nicht in Wasser lost, ohne dafs eine chemische Einmirkung des letztwen auf dieselbe stattfindet, so pfiegt man diesen Fall von chemischem Gleichgewicht hydrolytische Dissoziation oder kurzweg Hydrolyse zu nennen.

Die Hydrolyse, in der organischen Chemie eine sehr gewohn- liche Erscheinung , findet sich ebeiiso wieder bei den Auflosungen einer grolsen Anzahl yon anorganischen Verbindungen, namentlich von gewissen mineralischen Salzen.

In einer Arbeit, die ich in Vorbereitung habe, setze ich mir als Ziel, unsere gesamten Kenntnisse iiber die chemische Einwirkung des Wnssers auf die Salze darzulegen; in der vorliegenclen Mittei- lung dagegen bin ich bemiiht, dime Wirkung fiir eine der interessan- testeii Lijsungen klarzulegen : nytmlich die des Quecksilberchlorids.

Allgemeiner Teil.

Die Eigenschaft des Wassers , mit den Haloidverbindungen der Metalloide in Reaktion zu treten, zeigt sich noch, wenn auch in geringereni Grade, bei den entsprechenden Verbindungen der halbmetallischen Elemente, und das Studium dieser doppelten Um- setzung kann verfolgt werden bis zu den Elementen mit vollkommen ausgepriigtem metallischen Charakter.

Aber nicht nur gewisse Haloidsalze geben in Losung einem Umtausch ihrer Bestandteile mit denen des Wassers statt - das Verhaltnis der in Reaktion tretenden Molekiile kann iibrigcns in gewissen Fallen ganz minimal sein - ; auch andere Salze, nament- lich die Nitrate, haben eine starke Neigung zum Zerfall.

Die doppelte Umsetzung zwischen dem Wasser und den Salzen ist eine Reaktion, die man, namentlich wcnn man die Frage nach der Teniperatur mit in Betracht zieht, als eine Erscheinung ganz allgemeiner Art ansehen kann. So enthlilt beknnntermarsen die

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wssserige Losung des Wismutchlorids z. B. neben unzersetztem Salz freie Salzsaiure und die Bquivalente Nerige voii Oxychlorid (das niederfallt) , wahrend die Mengen der vier gegenwiirtigen Produkte sich im iibrigen das Gleichgewicht halten fur bestimmte Bedingungen von Temperatur und Verdiiunung ; aber andererseits enthalt die wiisserige Losung irgend eines anderen Salzes, wie z. B. des Chlor- ksliums , keine freie Salzsaure, und die umgekehrte Reaktion :

ist selbst sehr lebhaft bei gewijhnlichen Temperaturbedingungen, - jedoch wiirde es, wie man bemerken mufs, nicht mehr ebenso bleiben bei anderen Temperaturverhaltnissen, da das Experiment gezeigt hat, dak sich bei Rotglut die Reaktion

2 KCl + H,O = 2 HC1+ K20, aq.

vollenden kann; - man mufs deshalb hinzufugen : selbst die Losung des Chlorkaliums konnte von einer bestimmten Temperatur an hydro- lytisch dissoziiert sein. Das gewahlte Beispiel bildet einen extremen Fall, und es ware nichts Unmogliches, dah die Anfangstemperatur eiuer merklichen Dissociation dieser Losung selbst oberhalb der kritischen Temperatur des Wassers liegt; jedenfalls bate die esperi- mentelle Bestatigung dieses Beispiels, sehr wahrscheinlich, betrgcht- liche Schwierigkeiten. Dem ware ganz anders bei einem andereii Beispiel, bei der Reaktion:

MgCl, + H,O = etc. ;

deiin das Salz MgC1, + 6H20 kann thatsachlich nicht durch Warme (106O) entwassert werden, ohne dafs Salzsaure in Freiheit gesetzt und Magnesia gebildet wird. Chlorcalcium wird durch uberhitzten Wasserdampf schon schwieriger zersetzt, als Chlormagnesium, hin- gegen leichter, als Chlorbaryum ( K ~ H E I M ) . ~ Andere Metallchloride sind vie1 leichter durch Wasser zersetzbar , als die Chloride der zweiteii Gruppe des periodischen Systems; das erweisen ganz klar unter andern die Untersuchungen von G. ROUSSEAU~ iiber die wBsse- rigen Losungen des Eisenchlorids.

In der Absicht, neue basische Salze zu erhalten, hat G. ROIJSSEAU bei verschiedenen Salzlosungen eine sehr bemerkenswerte Methode

K,O +2HCI = 2KCl +KO

OBTWALD, Journ. pr. Chem. [21 12, 153. * W. SPEINO, ,,Beitrag zur Kenntnis der Massenwirkung."

ckem. Ges. [1685] 18, 345.) a MENDELEJEFF, Grundlagen der Chemie S. 640 u. 646. ' Ebenda S. 658.

(Bw. deutsch.

Co/upt. r e i d . 110,1032; 113, 543; 116, 188.

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angewandt, die i ibrigas schoii yon H. DEB RAY^ und auch von BECQUEREL verwertet worden war. Diese Methode hesteht einfach darin, in die Auflosuiig des Salzes einige Stiicke Marmor oder eiiies anderen natiirlichen Karbonats einzubringen (bei den Sulfaten besser ein Zinkstreifen), das die durch die Hydrolyse der Auflosung in Freiheit, gesetzte Saure zu siittigen vermag. Der namliche Vorgang ist in der Folge von A. DE SCHULTEN~ und von ATHANASESCO~ be- iiutzt worden, welche auf diese Weise gleichfalls einige neue basische Salze erhalten haben. G. ROUSSEAU ist jedoch der einzige, der die Erklarung6 dieser Reaktionen gegeben hat, die er mit Recht der Ver- seifung vergleicht. Jedoch in einer seiner Mitteilungen xnacht er, auf Grund der Anschauungen BERTHELOTS , folgende Einschriinkungen :

,,. . . . Ein aufmerksanies Studium zeigt, dafs die Verwendbar- keit dieser Methode auf eine kleine Zahl von Chloriden beschrankt bleibt. Diese miissen thatsachlich zwei wesentlichen Bedingungen Geniige leisten, . . ., nach dem Pritizip der grofsten Arbeitsleistung ist die Zersetzung der gelosten Chloride nur nioglich, wenn die durch die Vereinigung des Chlors mit dem Metall entbundeiie Warme diejenige des entsprechenden Oxydes nur um cine Grofse iiberschreitet, die kleiner ist als + 4 , 8 k., eine Zahl, welche die Differeiiz zwi- schen der Bildungswiirme verdiiniiter Salzsaure und der des fliissigen Wassers darstellt. Hierin liegt ein Grund, weshalb eine groke Zahl von Chloriden ausgeschlossen bleiben mufs.

Die Anwendung der neuen Reaktion bleibt also beschrankt auf die Chloride von Zinn, Titan, Antimon, Wismut, Magnesium, Zink und Eisen." -

Schon unter diesem Gesichtspunkt war es interessant zu priifen, ob diese Voraussetzungen richtig oder irrig sind, d. h. ob die Methode von DEBRAY noch bei denjenigen Losungen nnwendbar ist, fur die ein Freiwerden der Base eine eridothermische Reaktion iiiitig maclien wiirde.

Die wiisserige Losung des Quecksilberchlorids z. B. ist ein Fall dieser Art, denn man hat in der That folgende Zahlen:

Trail6 de chimie 11, S. 273 u. 525. Mint. Aerrd. sc. Paris (1863) [2] XXIII, S 383. Compt. rend. 106, 1674.

4 Compt. rend. 103, 271 ( W r die Sulfate von Nickel uiid Kobalt); Bull. Soe. Chim. 1886, 1112.

Coribpt. rend. 110, 1032. Conbpt. rend. 110, 1261.

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HgCl, (geliist)+H,O (fl.)=HgO+2HCl (gclijst) -19.4 k.' 53.6 69 0 30.6 2 x 3 9 . 3

Nacb. BERTHELOT und seiner Schule diirfte die Reaktion nicht eintreten. Aber das ist ein kr tum, denn die Reaktion vollzieht sich und d ie Sub l ima t losungen e n t h a l t e n i n konzen t r i e r t em wie r e r d u n n t e m Z u s t a n d e a l l e und be i j e d e r T e m p e r a t u r f r e i e Sa lz sau re : ein Stuck Marmor, welches man in diese Losungen einfuhrt, ist imstande, diese Saure zu sattigen, - und da das Gleich- gewicht hierdurch gestort wird, mufs sich eine neue Menge Salzsaure bilden, so dafs die Reaktion ohne Unterbrechung weitergeht.

Es ware schwierig, sich Rechenschaft zu geben uber den Zu- stand, in welchem die Base, das Quecksilberoxyd, das sich not- wendig bilden mufs, in der Lijsung vorhanden ist; - thatsachlich ist in einem bestimmten Augenblick dieses Oxycl nicht mehr im- stande, in Losung2 xu bleiben; es krystallisiert dann als basisches Salz aus, d. h. es reilst aus der Losung Quecksilberchlorid in ge- wissen Verhaltnissen (die sich mit der Temperatur andern , sonst aber stets konstnnt bleiben) mit nieder und vereinigt sich mit diesem zu einer Molekularverbindung. Nach dem Vorhergehenden scheint es niir sehr wahrscheinlich, dafs eine gewisse Menge von Queck- silberoxyd nur des Chlorids wegen in Losung bleibt, und dafs Chlorid und Oxyd eine dynamische Verb indung bilden, die, vielleicht in Losung sehr wenig definiert, trotzdem stets in1 stande ist, durch Fallung eine definierte Verbindung zu liefern, zweifelsohne zum guten Teil dank der Krystallisationserscheinung.

Aus meinen Versuchen folgt also in erster Linie, dafs die von der Schule BERTHELOTS verfochtene These, die Anschauung, nur die exothermischen Verbindungen kijnnten in den Salzlosungen die Bildung freier 98ure aufweisen, nicht haltbar ist bei dem Paare: H,O :.HgCl,. - Jedoch ist, wie ich benierken will, das Quecksilberchlorid in dieser Beziehung nicht alleinstehend : die Liisung des Quecksilber- bromids ist, unter andern, ebenso ein Beispiel, und jede andere Salz- losung, die des Chlorcalciums z. B. kame hinzu, wenn man nur die Temperatur geniigerid erhiihen wurcle, - denn der Zustand der Kom-

Die Bildungswlrme der Oxycliloridc ist, schr gering, und obige Gri;Tse kann dadurch nicht stark getindert werden; maxi list, nach dcn Messmigen von ANDKB (Ann. Chim. Phys. [6] 3, 661:

HgCI,.HgO = 1.65 k. HgC1,.4HgO = 4.7 k.

Iliese Liislichkeit wiichst rnit der Temperatur.

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ponenten eiiier wiisserigen Salzlosung ist in der That (unter diesem Gesichtspunkt) ein Gleichgewichtszustaiid , der vornehnilich init der Temperatur reranderlich ist.

Bekanntlich Bndert sicli aber in allen untersuchten Fiillen eines Gleichgewichts der Gescliwindigkeitskoeffizient der Zersetzung mit der Temperatur nach einer Exponee tialgleichung , d. h. sehr rasch.

Die philosophisclie Bedeutung dieser Thahsache ist folgende: Die einander bindenden Kriifte der elementaren Bestandteile

eines jeden Molekuls einer Verbindung werdeu zunehmend schwacher mit cler Erhiiliung der Temperatur, bis zur 't'emperatur der vollkoni- menen Dissoziikion dieses Molekiils, und, da sich der relative Wider- stand gegen die zersetzende Wirkuiig der Wiirme von eirier Vey- bindung zur nndern sehr stark iindert, mufs sicli jedes (+leirhgewicht mit der Erhohung der Warme im Sinne derjenigeii Reaktion cerschieben, die sich uiiter Bildung der beideri bestlintligsten Verbindungen vollzieht. Wenn wir folglich die game Reihe cler Chloride (oder eine Reilie anderer, stets andoger Verbindungen) aller Elemente, mit eiiier ge- wissen Vcrbindung, z. €3. den1 'IC'asser, zusanimenbringeii, werden wir fiir die ndmliclie Temperatur eine ganze Sltala you verschiedenen Zer- setzungsgraden vor uns haben; - und, diese Sliala w i d sicli bei Krhijhung oder Erniedrigung der Temperatur in dem einen oder auderen Sinne verschieben, so dais bei den adsersten lemperaturen clcr Gracl der Zersetzung eines Clilorids demjenigen eiries anderen Chlorids bei der Anfangstemperatur entspricht, wahrentl die letztere Verbindung die nach der Aunahnie eiiie ganze Reihe von Skalen- tailen tiefer gelegcn ist , in diesem Moiiieiite a.ufserh:ilb der Slrala gefallen ist - fur diese Verbindung existiert kein Gleichgewicht melir , dst die Reaktion sich ausschlieJslich, bei dieser Temperatur, in dem namliohen Sinne rollzielit.. - Die Slrala der Gleichgewichtc ist riicht gross genug, urn bei dem Paar: M,C1, :. H,O die game Reihe der einfachen Kijrper zu umfassen; yon den Chlorideii der aulsersteil Elemelite sind also die einen bei gewohnlicher Tem- periltur vollkornmen durch das JYasser zersetzt , 1 die nnderen da- gegen hgdrolytisch ganz unzersetzt geblieben.

Experimenteller Teil. Obgleich die Zslil der Versuche, die ich mit den wgsserigen

Sub1iiii:itlijsuiigeIi angestellt liabe, sehr aiisehnlich ist, und die Unter-

Urn nicht die B f a s s e ~ r v i r k ~ ~ ~ g in Betracht zielicn zu niussen, wollen wir der Eiiifachhcit lialber eine aquiralente Menge Wasscr annehmen.

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suchungen schon seit zwei Jahren im Gange sind, bin ich noch nicht in der Lage, definitive Resultate zu bringen und noch vie1 weniger den Grad der Hydrolyse dieser Losungen als Funktion der Temperatur anzugeben. Nichtsdestoweniger sind meine Versuche entscheidend, uiid sie erlauben mir. die Thatsache der hydrolytischen Dissoziation dieser Liisungen an sich festzustellen; - diese Hydro- lyse ist nur sehr schwach (aulser bei starker Verdiinnung), aber sie wachst schnell mit der Erholiung der Temperatur; sie besteht jedoch noch bei gewohnlicher Temperatur und darunter, d. h. gegen Oo.

Es ist wohl bekannt, dals die wasserige Losung des Quecksilber- chlorids auf Lackmuspapier sauer reagiert ; diese saure Reaktion beruht auf der Anwesenheit freier Salzsaure, denn es geniigt that- sHchlich, ein Stuck weirsen Marmor oder islandischen Kalkspat in eine Sublimatlosung (namentlich bei gelinder Warnie) einzufiihren, um imch kurzer Zeit kleine Gasblasen auf der Oberflache des kohlen- sauren Kalks erscheinen zu sehen; diese Blasen werden nach und nach grolser und steigen schliefslich an die Oberflache. Nach einigen Stunden, oder bei weniger hoher Temperatur , nach einigeii Tagen, bilden sich hie und d s basische Salze auf dem Marmorstuck, aber auch an der Wand des Becherglases oder selbst an der Oberfliiclie der Fliissigkeit.'

Die so gebildeten Oxychloride sind stets krystallisiert, und ihre Zusamniensetzung hangt von der Temperatur und auch e t w s von der Konzentration ab, sodann von der Grofse der Oberfl5che der Marmorstuclte bei Gegenwart einer und derselben Menge der Lijsung, von der Menge der Losung2 etc.

In einer gcsxttigten Losung von Quecksilberbromid, die ich bei gewiihn- liclier l'emperatur in einer Krystallisierschak stellen lief's.

* Schliefslich bemerke ich noch, dafs man, urn bestimmte Oxychloride in wggbarer Menge und in guten Krystallen zu erlialten, von KimstgrilFen Gebraudi machen muf's; so bildet sich das rote Oxyclilorid HgCI,.2HgO ncben aiidereu Oxychloridcn vorziiglicli gegen 50° C., aber stets in sehr geringer Mciigc uiid schlecht krystallisiert. Nichtsdestoweniger ist cs selir leicht, dassclbe in ganz betrachtlichen Mengcn und rorzuglich krystallisiert zu erlialtcn, mittcls dcr Hydrolyse der Subliniatliisungen. Zu diesem Zweck erhitzt man cine 5 "/,,igc SublimatlGsung iibcr goo in eincm sehr grofseu Kolben, fulirt d a m ein Glasrolir von 2 cm lichtem Durchmesser ein, das unteii verengert und mit einigcn rundcn Liichern versehen ist; in diescm Glasrohr, das in die LBsung cintaucht, befinden sich einige Marmorstucke. D a m erliitzt man diese Liisung lange Zeit hindurcli, niindcstciis 48 Stunden hintereinander; endlich nimmt man das Rohr samt deni darin bcfindliclien Marmor meg uiid iiberlllit den Kolben einer sehr laiigsameii Abkiihlurig, indcm man ihn in cine sehr grol'se Mengc marines Wasscr stellt.

Die wasserige Losung des Quecksilberbrornids verhalt sich ebenso, auch diese scheidet mit dem Marmor basische Salze ab.

Bemerkenswert ist jedoch, dais die Mengen der sich bildenden Oxybromide bei sonst ganz gleichbleibenden Bedingungen, weit ge- ringer sind als die der Oxychloride; bei der niimlichen Temperatur entstehen sogar weniger basische Produkte in der Bromidlosung.

Was das Quecksilberjodid anbetrifft, so ist seine Loslichkeit bei gewohnlicher Temperatur nur sehr gering, aber es lost sich weit mehr bei hiihern Temperaturen, uncl clas Produkt, welches aus der bei 200° gesattigten Liisung auskrystallisiert, fallt in feinen Nadeln nieder. Es sind nun Versuche mit diesen Losungen unternommen worden, aber ihr Resultnt ist ein negatives, denn nur gegen 170° hilden sich ganz wiuzige Mengen Oxyjodid, und erst nach sehr litngem Erhitzen. Demnach waren die wasserigen Liisungen des Quecksilberjodids nur Ton einer relativ hohen Temperstur an hydro- lytisch clissoziiert.

Die Nengen von nieclergeschlagenem basischen Salz sind relativ sehr geriiig; urn griilkere Mengeri der basischen Salze HgCI,.3HgO (5 g) und HgC1,.4HgO (25 g) zu erhalteu, habe ich zivei Liter einer fiinf- prozentigen Su blimatliisung wiihrend eines ganzen Nonats erhitzen mussen, fiir das erste Sulz auf 80° C., uncl fur das zweite auf loo0. Um jedoch clie Bildung der Kiirper zu beschleunigen (da diese in warnieii Sublimatlosuiigen loslich sind), unterbrach ich die Operation jeden Abend. urn die Fliissigkeit erkalten zu lassen.

Die Produkte, welclie sich in geschlossel~en Rohreri bilden (bei Temperaturen von 1 50°, 1 70°, 220O) sind basischer, diejenigen, welche sich uiiter 80° bilden. sind rorzugsweise weniger basisch nls die erwahnten zwei Verbindungen. Inclesscn kann sich selbst bei ge- wohnlicher Teniperatur der Kiirper HgC1,.4HgO bilden, obgleich in sehr geringer Menge, neben dem Salz 2 HgCI, . HgO ; die Existenz eines jeden basischen Salzes ist dagegen nur moglich bis zu einer gewissen Temperatur, oberhalb welcher es durch die Losung zer- stort wird , unter Bildung eines basischeren Produktes. So ltonnen oberhalb 35O--4O0 die prachtigen gelbm Salze, die sich bei ge- wohnlicher Temperatnr uncl clarunter bilden, auf dem Wege der Hgdrolyse nicht mehr entstehen ; ebenso vermogen die braurien

Auf diesc Weisc wercteii sicli die Mnrmorstucku miihrend des Erliitzens mit Produkten von der Zusammensetzung HgCI2.3I-lgO und HgC4.4 HgO bedeckt haben, liirigegen der walircnd des Erhitzcns klar gebliebcne Kolbeninhalt beim Erkrrlten auf 50" cine prachtige, Iirystallisation des roten K6rperu liefern.

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Flitter des Salzes HgCI,.SHgO sich uber ungefahr 9 i o nicht mehr zu bilden.

Bei gewohnlicher Temperatur k m n der Koeffizient der Hydrolyse nur sehr schwach sein. So enthalt ein mit gesattigter Sublirnat- losung angefullter Kolben seit fast zwei Jahren ein an einem Glas- dreieck aufgehiingtes Narmorstiick; der Kalk hat sich mit einer prachtigen Krystallisation eines gelben basischen Salzes bedeckt, und am Boden des Kolbens haben sich ebenfalls Krystalle von diesem KGrper und einem anderen weniger basischen Salz ab- geschieden; urld trotz dcr relativ so langen Zeit, wahrend der die Einwirkuiig des Wassers auf das Sublimat und die der gebildeten Saure auf den Mnrmor hat vor sich gehen konnen, ist die Nenge der erhaltenen Substanz noch zu gering, um fur die Analysen und das Studium ihrer Eigenschaften auszureichen.

hndererseits enthielt ein lange Zeit auf 8O gehaltener Behalter Krystallschalen, in denen SublimatlGsungen mit Kalkstiicken standeii, und bei dieser Temperatur war die Rildung von basischen Salzen noch zu beobachten. Ein anderer Versuch, bei Oo angestellt, zeigte uns eine Kohlensaureblase, die sich nach lnehreren Tagen auf eiiem Xarmorstuck gebildet hatte; diese LGsung war zuvor lange Zeit dem Vakuum ausgesetzt worden, und das Wasser, das zur Auf- lijsung des Sublimats gedient hatte, war durch Kochen voii Luft befreit worden. Danach ist anzunehmen, dafs sich die Hydrolyse noch bei O o beobachten Iiifst.

Ich mufs jedoch noch bemerken, dafs aus den Untersuchungen von Professor W. SPRINQ~ folgt, dafs die Geschwindigkeit, mit der der Marmor von den Sanren angegriffen wird, sich mit der Tempe- ratur betrachtlich andert und ubrigens durch die Gegenwart eines Salzes erheblich vermehrt wird.

Es ist aiso augenscheinlich , d d s die Geschwindigkeit der Bil- dung der basischen Salze in dem betrachtcten Falle in gleicher Weise durch jene Ursache beeinflufst sein m u k 2

Bull. dcad. Belg. IS] 1%. * Es ist noch zu bcmerken, dafs, wtihrend der Marmor scheinbar durcli

sehr verdiinnte (unter lo'n) SLureii nicht angegriffen wird, im Gegenteil die Einwirkung bei den AuflBsongen des Quecksilberchlorids noch bei sehr schwachen Konzeritrationeii jlllo-lllno O/") zu beobachten ist. Bei dieser Gelegenheit niufs ich anfiihren , dafs dtts Chlorwasserstoffmolekul , welches als Reaktions- produkt soeben entstanden ist, notwendigerweise energischere Eigenschaftcn liabeu murs, als das in einer wLsserigen Liisung dieser SLure existierende. In dicseiri Fal'e gehiirt es zum Wasser, in jenem dagegen ist es frei. Nun habcn

Z. nnorg. Chem. IX. 1 3

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Die erhaltenen Oxychloride sind nur bei Gegenwart der neu- tralen Salzliisung bestandig, das reine Wasser zersetzt sie, indem es ihnen Sublimat entzieht und die entsprechende Menge Oxyd in Freiheit setzt; die basischsteii Produkte widerstehen iibrigens am besten der Einwirkung des Wassers.

Der Zusammenhang zwischen den beiden Molekiilen , die diese basischen Salze bilden, ist also sehr schwach: er ist schwaclier als der , Telcher die Molekiile des Quecksilberchlorids an die ihres Losungswassers bindet , oder besser , als die Kraft , welche diese Molekiile in den sich ihnen darbietenden mit Wasser erfullten Raum liineintreibt. Selbst kaltes Wasser ubt diese zersetzende Wirkung und seine zerstorende Kraft wiichst betrachtlich mit der Erhohung der Temperatur. Diese Salze werden indessen nicht nierk- lich zersetzt durch Alkohol. Dieses Verhalten erlaubt es, sie roni Sublimat zu trennen.

Sie sind ein wenig loslich in den Auflosungeii des Quecltsilber- chlorids. -

Man koniite dem aus meinen Versuchen gezogenen Schlufs ent- gegensetzen, dafs die minimale Loslichkeit des kohlensauren Kalkes in kohlensaurehaltigem Wasser (diese Loslichkeit ist betrachtlich bei einem mit Kohlensaure gesattigten Wasser) die Ursache der Ent- stehung basisclier Salze sei; dals die Art ihrer Bildung also in dem vorliegenden Falle das vollkommene Analogon der von MILLOH be- nutzten hlethotle ware, - einer Methode, die darin bestand, eine doppelte Umsetzung hervorzubringen zwischen dem Quecksilberchlori? und einer fur die vollstandige Fallung unzureichende Menge Soda.

Dem ist jedoch nicht so; denn vorerst ware eine betrachtliche Menge Kohlensaure notig , um die Loslichkeit des kohlensauren Kalkes bedeutend zu rnachen , und uberdies miifste andererseits zur Hervorbringung einer , wenn auch noch so geringen Fallung yon basischein Salz , das fragliche Reagens schon in sehr grofser Menge rorhanden sein, urn niederschlagend wirkeu zu konnen. Aber

wir bci dern Pam* H,O:HgCI, eine Reaktion und infolgedessen, selbst wenn dieses System im Gleicli6.ewiclitszustsnd ist, einen bcstjlndigen Ionenwechscl, es wird also in diesem Falle notwendig eine gewisse Menge Chlorwasserstoff in einem molekularen Zustande in Losung sein. Ahnliche Ideen sind uberdies schon 1862 voii LOEWENTHAL iind LENSSEN gciiufsert worden (cf. Jounz. pr . Glum.).

Die Gegenwart von Alkoliol in eiiier wgsserigen Sublimntlosung ver- rnehrt sogar die BestLndigkeit dieses Sakes.

' GRAHAM-OTTO, Lel~rbzccA der rmorptniselina Chevzie 3, 1082.

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dann fande die sehr betrachtliche Vermehrung des gebildeten basischen Salzes mit zunehmender Temperatur keine Erklarung und wurde sogar damit im Widerspruch sein. Andererseits bezeugen uns die Kohlensaureblasen, die sich unausgesetzt auf dem Marmorstuck bilden, dals letzteres durch die Saure angegriffen wird und die basischen Salze, wenn sie sich auch vorzugsweise auf dem Marmor selbst niederschlagen, sich ebenso an der Glaswand in einer ge- wissen Entfernung vom kohlensauren Kalk bilden.

Eine andere, schwerer wiegende Einwendung ist folgende: zwei Salze, im allgemeinen, brauchen nicht alle beide in Losung zu sein, urn einer doppelten Umsetzung statt zu geben, das eine von ihnen kann vollkommen unloslich sein und der Umtausch der Bestandteile wird in gewissen Fallen trotzdem bewerkstelligt werden konnen durch doppelte Umsetzung; - das Quecksilberkarbonat zersetzt sich sodann als unbestandige Verbindung, und day Quecksilberoxyd, das sich so bildet, giebt die basischen Salze, indem es sich mit dem gelijsten Chlorid vereinigt.

Folgender Versuch spricht gegen diese Anschauungsweise : Ich habe drei Einschmelzrohren hergerichtet, deren jede dieselbe Menge Quecksilberchlorid und einige Stiicke Marmor enthielt ; die erste enthielt aufserdem eine gewisse Menge Wssser, die zweite ebenso- vie1 Alkohol, die dritte endlich trockenen Ather. Die drei Rohren sind zusammen bei 96O wahrend 120 Stunden in einem vertikalen Wasserbad erhitzt worden. Das in der wasserigen Losung befind- liche Marmorstuck bedeckte sich mit einer gewissen Menge basischen Salzes , wahrend die beiden anderen Losungen unverandert waren. Die namlichen Rohren habe ich ein zweites Ma1 wlihrend drei Stunden auf 110-125O erhitzt. Die Menge basischen Salzes in der wasserigen Losung vermehrte sich, wahrend in den beiden anderen Losungen keine Veranderung vorgegangen war. Die Rohren wurden nun ein drittes Ma1 wahrend neun Stunden auf 130-140° erhitzt. In der wasserigen Losung bildete sich eine betrachtliche Menge basisches Salz, wahrend sich in der atherischen und in der alkoholi- schen Losung auch nicht die geringste Spur niedergeschlagen hatte.

MALAWTI, Ann. Chim. Phys. [3] 61, 328. ' Bei dieser Temperatur von ungedhr 135O wird der Athylalkohol vom

Sublimat angegriffen: die Fliissigkeit hat sich braun gefslrbt. Beim offnen des Rohres entwich eine betrslchtliche Menge gasfdrmiger Produkte; das Gas nnd die braune Fliissigkeit haben einen empyreumatischen Geruch, der an die Kondensationsprodukte des Acetons erinnert. Das Sublimat ist teilweise zu Kalomel reduziert worden.

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Danach ist es also wahrscheinlich, dafs nicht der kohlensaure Kalk mit dem Quecksilberchlorid in doppelte Umsetzung tritt, son- dern (lals das Wasser das wirkliche Reagens ist.

Ein anderer Versuch ist entscheidend. Ich habe Einschnielz- rohren zugeschmolzen, die nur Quecksilberchlorid und Wasser ent- hielten ; unter diesen Bedingungen geniigt es, die Rohren wahrend 48 Stunden auf 210° zu erhitzen, urn nach der Abkuhlung eine betrachtliche Menge mikroskopischer Krystalle eines schwarzen Oxy- chlorids zu erhalten. Diese finden sich auf der Oberflache verstreut und noch besonders auf den Kanten der grolsen Tafeln von Subli- mat, welche aus der heikgesattigten Losung auskrystailisiert sind. Die Mutterlaugen waren stark sauer.

Nine andere interessante Thatsache ist , dals die elektrische Leitfkhigkeit sehr verdiinnter Sublimatlosungen sehr merklich mit der Zeit zunimint. Eine frisch bereitete Losung besitzt eine geringere Leitfahigkeit als dieselbe Losung, wenn man sie in eiiier rerkorkten Flasche zwei oder drei Tage sich selbst iiberlakt.

In der That hat im zweiten F'alle die Hydrolyse sich zu voll- ziehen Zeit gehabt und sie ist vollstandig; im ersten Falle dagegen hat die Losung nicht die notige Zeit gefunden, sich ins Gleich- gewicht zu setzen. Und da die Leitfahigkeit der Salzsaure sehr p o l s ist im Vergleich mit der des Quecksilberchlorids, ist eine Ver- mehrung der Leitfahigkeit die notwendige Wirkung der Eydrolyse.

Die Hydrolyse der Quecksilberchloridlosungen wBchst offenbar mit der Temperatur, das beweist uns die sehr betrachtliche Ver- mehrung der Menge des sich bildenden basischen Salzes; aber die Nengen in Freiheit gesetzter Basis bei verschiedenen Temperaturen konnen nicht zur Messung der relativen Mengen freier Salzsaure dienen, welche dieselben Losungen, auf verschiedene Temperaturen erhitzt, einschlielsen; denn die Geschwindigkeiten, mit denen der Marmor von der Saure angegriffen wird , verandern sich mit der Temperatur und ebenso mit der Konzentration.

1 Soweit das Gleichgewicht nicht erreicht ist, mussen die Losungen von gleicher Konzentration, aber verschiedenem Alter in verschiedenem Grade dissoziiert sein. In der Chirurgie benutzt man hhfig die wasserige Sublimat- liisung als Antiseptikum. Diese Aufliisungen sind sehr verdiinnt, und die Apotheker haben die gute Angewohnheit, sie so zu bereiten, dars sie die nijtige Menge einer alkoholischen LFsung von bekanntom Titer init Wasser mischen. Nach dem Vorhergehenden folgt, dafs der Alkohol allemal unumgiinglich ist, wenn man die Liisung einige Zeit aufbeivahren will, da dieselbe bei Gegenwart aoch nur gxnz geringer Mengen Alkohol relativ bestiindiger ist.

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Infolge der Untersuchungen von ARRHEKIUS, von WALKEE~ und anderen ist man jetzt im Besitz von exakten Methoden zur Messung der Hydrolyse; diese Methoden bin ich gegenwairtig bestrebt, bei den Sublimatlbsungen anzuwenden, - da ich jedoch fur den Augen- blick mit anderen Untersuchungen beschiiftigt bin, habe ich geglaubt, mir die Prioritat durch diese vorlaufige Mitteilung wahren zu miissen.

' Zeitschr. phys. Chem. 6 , 16. Zpitschr. phys. Ch,ern. 4, 319.

Liittich, hst i tut de chimie go'nkale, de.n 2. J I a m 1895.

Bei der Redaktion eingegangen am 1. April 1895.