Vortrag 64 - Biomasse-massenhaft verfügbar fileBiomasse - massenhaft verfügbar? 5. Diesel sauber - Regenwald tot? Fachleute warnen vor Wald-Kahlschlag durch Ölpalmen-Anbau „Ölpalmen-Plantagen

Biomasse -massenhaft verfügbarer Rohstoff

oder knapper Wertstoff ?Vortrag im Rahmen der ‚Woche der Sonne‘

Moosburger Solartage der Solarfreunde Moosburg e.V. im Moosburg am 16.05.09

Prof. em. Dr. E. SchrimpffFH-Weihenstephan

Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Solar-InitiativenE.F.Schumacher-Gesellschaft für politische Ökologie e.V.

Biomasse - massenhaft verfügbar?

‚Biomasse‘ - Geschichte voller Mißverständnisse !

• vor 1903:• Biomasse = Lebensgrundlage = wertvoll, kostbar !

• 1903-2002:• Kohle- & Erdöl-Schwemme = Biomasse +/- wertlos,

= Jahrhundert der Ignoranz & Verachtung !

• seit 2003:• anfangs: ‚Euphorie‘! nun: ‚Katerstimmung‘ ?





Katerstimmung:Biogene Treibstoffe seien verantwortlich …

• für Hunger in der Welt• für verstärkte Kohlendioxid-Emissionen• für enorme Lachgas-Emissionen• für die Minderung der Biodiversität• für die Regenwald-Zerstörung

• Forderung: „Schluss mit dem Agro-Energie-Wahn!“


1. Tortilla-KriseAgro-Kraftstoffe ‚produzieren‘ Hunger !

USA: Bioethanol aus Mais und Weizen

Wie viel Mais & Weizen werden bisher für die Ethanol-Herstellung eingesetzt?

In den USA: < 5%


Bioethanol-Anteil an der Getreideproduktion in der EU


2. Klimaschutz „Der Umstieg auf umweltfreundliche Biotreibstoffe kann mehr schaden als nützen“, warnen Ökologen !

Prof. Succow, Berlin, rechnet vor:

„Jede Tonne Palmöl vermeidet den Ausstoß von 3 Tonnen CO2aus Mineralöl. Aber setzt gleichzeitig 7 bis 11 Tonnen CO2 frei !“

Denn: Der Kohlenstoff war zuvor klimasicher im Regenwaldboden gespeichert. Doch die Anlage der Plantagen setzt Prozesse im Boden in

Gang, bei denen CO2 entsteht und in die Atmosphäre aufsteigt.


Unnötige Boden-Zerstörung & CO2-Freisetzung




3. Klima-Killer vom Acker

Nobel-Preisträger Prof. Paul Crutzen, Mainz (26.9.07):

Lachgas (N2O)-Emissionen vom Anbau von Mais und Rapsfür Ethanol und Biodiesel sind 1,5 bis 1,7 klimaschädlicher, als deren Einsparung an CO2 im Vergleich zur Nutzung von

Benzin und Diesel !

Primäre Ursache: der Einsatz synthetischer N-Dünger !


4. Biodiversität

Prof. Ernst Ulrich von Weizäcker (17.9.07):

Biotreibstoffe sind der größte Angriff auf die Biodiversität !

Die Artenvielfalt ist durch die riesigen Monokulturen der Biosprit-Pflanzungen enorm bedroht.


5. Diesel sauber - Regenwald tot?Fachleute warnen vor Wald-Kahlschlag durch Ölpalmen-Anbau

„Ölpalmen-Plantagen brechen immer weiter in die tropischen Regenwälder ein.

Malaysia produziert jährlich nahezu 5 Mio. to. Palmöl. Diese Plantagen waren für 87% der Regenwald-Abholzungen zwischen 1985 und 2000 verantwortlich.

Jetzt sollen weitere 6 Mio. Hektar Regenwald in Malaysia und 16,5 Mio. Hektar in Indonesien den Ölpalm-Plantagen weichen.“

Aus Artikel „Brot statt Sprit“ von F.W. Graefe zu Baringdorf & H. Lorenzen (2006)


Weshalb diese Entwicklung zu Agro-Treibstoffen ?

Biomasse - massenhaft verfügbar?22.04.2007 Ölpflanzenanbau19.01.2007 Bio-Tre ibstoffe-Vergle ich


Das Problem ‚Peak-Oil‘:Erdöl geht zur Neige !

Das Überschreiten des Ölfördermaximums erzwingtweltweit eine andere Wirtschaftsweise, ob wir wollen

oder nicht!

Wir sind heute unserer Erdöl-Abhängigkeit völlig ausgeliefertund gar nicht auf die kommende Knappheit vorbereitet:

Denn wir haben bisher kaum Alternativen entwickelt !

Und erste Ansätze dazu (z.B. biogene Treibstoffe) zerstören wir wieder gleich??


Wie reagieren wir auf die Probleme ?

Vier Bereiche neuer Handlungsmöglichkeiten:

• Suffizienz = neues Anspruchsdenken• Effizienz = sparsamer & intelligenter Umgang

mit Ressourcen und Energie• Energiewende: weg von fossil-nuklearen,

hin zu erneuerbaren Energien !• Neue Landwirtschaft: weg von Agro-Industrie,

hin zu naturnahem Landbau !

Biomasse - massenhaft verfügbar?Biomasse - massenhaft verfügbar?

Forderungen an zukunftsfähige biogene Treibstoffe

• Grundstoff-Herkunft: Keine Regenwald-Zerstörung für Anbau oder Produktion!

• Möglichst umwelt- & bodenschonende Anbauweise• Treibstoff-Gewinnung aus dem Grundstoff:

Möglichst einfach, wenig aufwändig und dezentral• Klimagas-Emissionen:

Absolute CO2-Neutralität im gesamten Lebensweg des Treibstoffs • Keine Lachgas- oder Methan-Emissionen bei der Produktion!• Effizienz:

Möglichst geringer Grundstoff-VerbrauchMöglichst großes Energie-Output-Input-Verhältnis (O/I)


Vergleich Energiedichte und Energie-Effizienz von 9 Biotreibstoffen


Effizienz durch Umwandlung ?

• Industrieorientierte Vorstellungen am Beispiel biogener Treibstoffe:

• Treibstoffe der ‚1. Generation‘:Pflanzenöl, Biodiesel, Bioethanol (aus Zucker, Stärke), Biogas = minderwertig !

• Treibstoffe der ‚2. Generation‘:Bioethanol (aus Lignocellulose), BtL (SunFuel), Biowasserstoff = hochwertig !


Biodiesel- und Pflanzenöl-Besteuerunggemäß EnStG & BioKrQuG v. 18.12.06

Energiesteuer-Sätze von 2006 bis 2012 (in Cent je Liter):

Jahr Biodiesel Pflanzenöl Differenz2006 9,0 0 9,02007 8,9 2,1 6,82008 14,9 9,9 5,02009 21,4 18,5 2,92010 27,4 26,4 1,02011 33,3 33,3 02012 45,1 45,1 0

Zum Vergleich:Bioethanol & Biogas sollen bis 2015, Erdgas dagegen bis 2018steuerbefreit bleiben; BtL ist keine Besteuerung angedacht !!!


Ganz- oder Teilpflanzen-Nutzung?

Der Hektar-Ertrag sei bei BtL und Ethanol höher, als bei Pflanzenöl !

Stimmt das?ist Ganzpflanzen-Nutzung auf Dauer nachhaltig?


Und die Biosphäre verhungert?

• Biomasse-Potenzial-Studien vergessen den Bedarf von Vögeln, Wildtieren & vor allem Bodenorganismen wie Regenwürmern,Springschwänzen, Milben, Pilzen u.v.m.

• Eine dauerhafte Bodenfruchtbarkeit und hohe Ertragsfähigkeit läßt sich nur durch ‚Fütterung‘ der Bodenorganismen mit Heu, Stroh & anderer Biomasse erzielen !


Nicht die Biotreibstoffe sind verantwortlich ...- für Hunger in der Welt- für die Regenwald-Zerstörung- für die Beschleunigung des Treibhauseffektes- für die Minderung der Biodiversität

sondern die Habgier und Kurzsichtigkeit einiger Menschenund die konventionelle industrialisierte Landwirtschaft !

Wir brauchen den naturnahen Landbau - weltweitmit Flächenkompostierung, Mischkulturen und möglichst

Nullbodenbearbeitung !


UN fordern radikale Reform der LandwirtschaftSüddeutsche Zeitung Nr. 89 vom 16.4.08, Seite 1

• Weltagrarrat übt heftige Kritik an industrieller Agrarproduktion:• Mit der bisherigen Strategie lasse sich der Hunger nicht beseitigen,• Landwirte müssten nachhaltig mit natürlichem Dünger arbeiten,• Ökologische und soziale Aspekte kamen bisher zu kurz,• Die Landwirtschaft habe sich zu stark auf Monokulturen verlegt,• Vor den Folgen der Gentechnik und Patentierung von Saatgut

wird gewarnt.


Flächenkompostierung


Der Tauwurm - einer unserer nützlichsten Bodentiere ...


... baut Regenwurmröhren bis 1,2 m Tiefe


... und Strohsterne


... und legt wertvollen Kot an der Bodenoberfläche ab


Zahl der Regenwürmer pro m2 Boden

• in konventionell bewirtschafteten Äckern: ~15

• nach 20 Jahren Biolandbau (Sepp Braun): >300

• vom natürlichen Potenzial her: bis 600


600 Regenwürmer je m2:

• wandeln bis zu 80 dt Ernterückstände von Herbst bis Frühjahr in Wurmhumus um (aber nur von der Bodenoberfläche!)

• 80 t Wurmhumus = 280 kg N/ha u Jahr!

• 600 RW graben 1.440 m Wurmröhren mit einem Volumen von 42 Litern je m2

• Boden kann 150 Liter Wasser je m2 in 1 Stunde aufnehmen!

• RW sind aktiv von Sept.- Juli =10 MonateSommerschlaf: Anfang Juli - Ende August


Mischfruchtanbau


Monokulturen


Polykultur: Weizen und Leindotter (Camelina sativa)

Biomasse - massenhaft verfügbar?07.05.2008 Vorzüge von Pflanzenöl Bio-Treibstoffe-Vergleich

Erbsen & Leindotter


Agroforst-Systeme in Spanien, Großbritanien, Frankreich und Italien


Beispiel in den feuchten Tropen:

die afrikanische ÖlpalmeElaeis guineensis


Neue Ölpalmpflanzung in der Savanne Kolumbiens


Ölpalm-Plantage in Kolumbien


Mit der Ölpalme kombinierbare Anbaufrüchte

Pflanzabstände der Ölpalmen: 9 m x 9 m im Dreieck

Ausnutzung der Zwischenräume:

im 1. u. 2. Jahr: Maniok, Mais, Bohnen, Erdnüsse

im 3. bis 4. Jahr: Papaya, Bananen, Zuckerrohr

im 5. bis 12. Jahr: Kakao, Kaffee

Unterpflanzung ab 12. Jahr: Kudzu (Pueraria phaseoloides)


Mischanbau von Palmen mit Papaya & Cupuacu in Brasilien


Vielversprechende Arten in den Subtropen:

Ricinus communis

Jatropha curcas


Rizinus-Pflanze in Ecuador


Rizinus-Fruchtstand mit Samenkapseln


Jatropha-Pflanze in Namibia, 15 Monate alt




Ausgewilderte Jatropha in Vietnam




Nullbodenbearbeitung• Im wahrsten Sinne des Wortes „null Bodenbearbeitung“,

nicht einmal vor dem Säen! • Der Boden wird lediglich leicht angeritzt, um den Samen

einzubringen. • Die ständige Pflanzen- oder Strohdecke schützt den Boden

vor Austrocknung und Erosion. • Lichtkeimende „Unkräuter“ haben keine Chance. • Alle Bodenlebewesen führen ein ungestörtes Dasein! • Einziges Anfangsproblem: „Wurzelunkräuter“



Nullbodenbearbeitung – Direktsaat in Deutschland


Nullbodenbearbeitung - Soja-Direktsaat bei Freiburg


5 Thesen

• Die Biomasse und die Böden sind Voraussetzung, aber auch ‚Flaschenhals‘ für das Überleben der Menschheit!

• Wir müssen unseren Energieanspruch auf ein neues, gerade vertretbares Maß zurückschrauben,

• Das neue Niveau unseres Energieverbrauchs muß mit einem minimalen Anteil an Biomasse auskommen,

• Je mehr Biomasse wir der Biosphäre um uns und den Böden überlassen, desto reicher werden die Ernten in Wald und Feld sein.

• Die direkte Nutzung der täglichen Sonnenstrahlung ist die größte nachhaltige Energiequelle, über die wir auf unseren Gebäuden schadlos verfügen dürfen.


Die zukünftige Landwirtschaft wird …

• naturnah sein, das heißt …• keine Spritz- und keine Düngemittel sowie• keine Bodenbearbeitung benötigen!

• Dafür durch reiche Mischkulturen und Flächenkompostierung ..

• mit den Bodenorganismen und der Natur wirtschaften und …

• sofern die Menschheit lernt effizient zu leben• genug Nahrung, Rohstoffe und Energie

liefern !



Ursprung der ‚Grünen Revolution‘ und der konventionellen Landwirtschaft

• 1946 erdachte Nelson Rockefeller während einer Reise durch Mexiko das New Deal des Erdölgeschäfts mit der Landwirtschaft.

• Die Rockefeller-Stiftung schuf daraufhin die sog. ‚Grüne Revolution‘.

• Ziel der ‚Grünen Revolution‘ sollte sein, das Problem des Hungers in der Welt zu lösen, zuerst in Mexiko, Indien, dann in anderen Ländern.

• Tatsächlich war die ‚Grüne Revolution‘ eine ausgezeichnete Strategie der Rockefeller-Familie, um ein globales Agribusiness zu entwickeln, das sich genauso monopolisieren ließ, wie die Erdölwirtschaft zuvor.

• Agribusiness und Rockefellers ‚Grüne Revolution‘ entwickelten sich Hand in Hand. Sie waren Teil einer langfristigen Strategie, die nur einige Jahre später zu der von der Rockefeller-Stiftung finanzierten Gentechnik-Forschung an Pflanzen und Tieren führte.

• Aus: F.W. Engdahl (2007): „Der Tresor des jüngsten Gerichtes in der Arktis“, S. 5


Treibhauseffekt von Diesel-, Rapsöl- & Leindotteröl-Kraftstoffe


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