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Alles koscher? - NS-Raubgut-Forschung in einer jüdischen Spezialbibliothek
Vortrag von Susanne Küther
1. Ausgangssituation
Das Institut für die Geschichte der deutschen Juden (IGdJ) ist 1966 in Hamburg gegründet
worden. Es handelt sich um die erste Einrichtung zur Erforschung und Vermittlung der
jüdischen Geschichte und Kultur, die in der BRD entstand. Bis heute ist es eine
verhältnismäßig kleinere Einrichtung. Vier Wissenschaftler und drei Verwaltungskräfte
gehören zum festen Personenkreis. Hinzu kommen wissenschaftliche Projektmitarbeiter mit
unterschiedlichen Befristungen – zurzeit sind es 5 Personen - und einige Hilfskräfte.
Die Bibliothek des IGdJ umfasst inzwischen rund 50.000 Bände und 900 Periodika. Die
Sammlung beinhaltet gleichermaßen Primär- und Sekundärliteratur: die thematische
Bandbreite reicht von hebräischen religiösen Schriften über judaistische Abhandlungen bis
zur aktuellen Belletristik jüdischer Autoren oder z.B. Kochbüchern. Die Präsenzbibliothek ist
für die allgemeine Öffentlichkeit nutzbar und wird als OPL geführt.
2. Rahmenbedingungen für das NS-Raubgut-Projekt der Bibliothek
Bei sämtlichen Werken, die vor 1946 erschienen sind, ist eine Provenienz aus NS-Raub- bzw.
NS-Beutegutbeständen möglich. Eine systematische Erfassung und Bearbeitung dieses rund
6.000 bis 9.000 Bände umfassenden Bestandes war bislang nicht erfolgt. Da die
Institutsbibliothek als jüdische Sammlung konzipiert und aufgebaut wurde, verstärkte sich
diese Vermutung. Weil das Institut jedoch erst 1966 gegründet wurde, handelt es sich um
"NS-Raubgut aus zweiter Hand“ oder anders formuliert: wir sind keine direkten Täter.
3. Projektübersicht
Die konkreten Vorbereitungen des Projekts begannen 2013 mit einem Werkvertrag. In zwei
Monaten untersuchten wir eine Stichprobe, deren Ergebnisse in den Förderantrag bei der
Arbeitsstelle für Provenienzforschung einflossen. In dieser Auswahl fanden wir bereits eine
beachtliche Zahl von verdächtigen Besitzmerkmalen.
Das Projekt „NS-Raubgut in der Bibliothek des IGdJ“ wird seit dem 1. September 2013 aus
Mitteln der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien gefördert. Die Finanzierung umfasst
eine Ganztagsstelle für einen wissenschaftlichen Mitarbeiter, die der Historiker Jörn Kreuzer
seither bekleidet. Hinzu kommen Sachmittel für Reisen zwecks Archivrecherchen, Tagungen,
Restitutionen. Zurzeit läuft die dritte Förderperiode, die bis zum 31. August 2016 reicht.
Der Eigenanteil des IGdJ setzt sich aus verschiedenen Aspekten zusammen: Sie bestehen u.a.
aus Stellenanteilen der Personalverwaltung und der Bibliothekarin, der Einrichtung eines
Arbeitsplatzes oder der Unterstützung durch Hilfskräfte.
Die nachfolgenden Arbeitsschritte überlagern sich in der Praxis und finden parallel statt.
4. Bestandsdurchsicht und Ermittlung von Provenienzmerkmalen
Per Autopsie in den Magazinregalen wurden insgesamt 8.325 Bücher und Zeitschriften
überprüft. Aufgrund der teilweise fehlenden Zugangsbücher fand die Auswahl anhand des
Standortkatalogs statt, der in Form eines Zettelkatalogs existiert. Die bisher aufgefundenen
Provenienzmerkmale lassen sich ganz grob in zwei Kategorien einteilen: In Hinweise auf
Einzelpersonen und Hinweise auf Körperschaften, vorwiegend jüdische Organisationen und
Institutionen, in geringerem Umfang außerdem nichtjüdische Einrichtungen.
4.1. Einzelpersonen
Unter den 938 Hinweisen befinden sich 473 Personennamen. Einige Beispiele spiegeln
zugleich die Vielfalt der Provenienzmerkmale wider – hier eine Widmung:
„Ihrer lieben Cousine Käthe zum Geburtstag von Lina u. Herman Reichenbach. 22. Nov.
1909“
Neben Widmungen erscheinen Stempel im Buchinnern, z.B.:
„Dr. med. Frensdorff, Kinderarzt, Hannover, Kurzestr. 4“
Etwas aufwendiger sind Prägestempel auf den Einbänden wie z.B. bei dem Gebetbuch für
Henny Wolff oder Exlibris, hier ein besonders gestaltetes Exemplar des jüdischen Künstlers
Kurt Harald Isenstein für Hugo Wittenberg:
4.2. Organisationen und Institutionen
Insgesamt haben wir 125 Stempel von jüdischen Körperschaften gefunden, darunter diverse
Gemeindebibliotheken, sowie wissenschaftliche Institutionen wie z.B. das Jüdisch-
Theologische Seminar Fraenckel’sche Stiftung in Breslau. Daneben treten zahlreiche Vereine
auf, die entweder populär oder beinahe unbekannt sind. Zu Ersteren zählt der Central-
Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, zu Letzteren der Verein für die Statistik
der Juden in München. Einige Beispiele:
„Bibliothek d. jüd. theol. Seminars Fränckel’sche Stiftung Breslau I Wallstraße 14“
„Bibliothek d. Rabb. Prof. Dr. Cosman Werner Nachlass“ sowie „Bibliothek d. isr.
Kultusgemeinde München“
Ähnlich wie bei den persönlichen Hinweisen kommen neben Stempeln noch weitere
Provenienzmerkmale vor, z.B. bei einem Buch aus der Bibliothek der Vereinigung
Israelitischer Religionslehrer Frankfurt am Main eine mögliche Inventarnummer:
„Bibl. d. Verein. Isr. Rel.-Lehrer Frankfurt a.M.“
Andere Bücher weisen Signaturen und/oder Signaturschilder auf. Der „Bericht der
Exekutive an den XV. Zionistenkongress, Basel, den 30. August 1927“ von der
Zionistischen Organisation trägt zwei solcher Merkmale:
„IV E 9739“ „2629 a 15“
5. Analyse und Bewertung der Provenienzen
In der nächsten Phase folgt die gründlichere Untersuchung der einzelnen Besitzvermerke,
um den NS-Raubgut-Verdacht zu bestätigen oder auch zu verneinen. Ich greife das vorhin
gezeigte Beispiel des Kinderarztes wieder auf:
Fritz Frensdorff wurde am 20 Juni 1889 in Hannover geboren. Er studierte Medizin in
Freiburg und München, 1913 erhielt er in Berlin die Zulassung als Arzt. Im ersten Weltkrieg
arbeitete er als Bataillonsarzt im Lazarett und wurde mit dem Eisernen Kreuz II. und I. Klasse
ausgezeichnet. Nach dem Kriegsende war Frensdorff an Kinderkrankenhäusern in Göttingen
und Berlin tätig.
1923 eröffnete er in seinem Elternhaus in der Kurzen Straße in Hannover eine Praxis als
Kinderarzt. Zugleich wohnte er hier mit seiner Frau Anna, geb. Eichelbaum, und seinen zwei
Söhnen. Ein Jahr nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde die Fachpraxis
verboten, so dass Frensdorff nur noch heimlich Patienten besuchen konnte. Die
wirtschaftliche Situation der Familie verschlechterte sich zunehmend und bewirkte seinen
Freitod am 12. Februar 1938. Glücklicherweise gelang seiner Frau im Frühjahr 1939 die
gemeinsame Emigration mit den beiden Kindern nach Palästina.
Die Angaben auf dem Stempel kennzeichnen Frensdorffs Titel und seine Anschrift. Es scheint
sich eher um den Adressenstempel der Praxis zu handeln, der für den Schriftverkehr
verwendet wurde. Trotzdem ist er an dieser Stelle als Hinweis auf eine Privatbibliothek zu
betrachten, da es sich bei dem Buch keineswegs um medizinische Fachliteratur handelt. Der
Titel lautet „Nationalismus und Imperialismus im Vorderen Orient“, verfasst von Hans Kohn,
erschienen im Jahr 1931. Ob das Werk mit einer ausführlichen Schilderung des zionistischen
Palästinas zur Vorbereitung der Auswanderung für die Familie diente, bleibt Spekulation.
Vor dem Hintergrund des typischen Verfolgungsschicksals des Kinderarztes und seiner
Familie betrachten wir dieses Buch als stark raubgutverdächtig.
Ein Gegenbeispiel stellt die handschriftliche Notiz von Eric M. Warburg in dem Buch „Der
Geist der jüdischen Kultur und das Abendland“ von Friedrich Muckle, erschienen 1923, dar:
„Persönliches Eigenthum Eric M. Warburg, Leihgabe“
Hierbei handelt es sich um eines jener Werke, die der remigrierte Hamburger Bankier dem
IGdJ aus seinem Privatbesitz zur Verfügung stellte. Eric M. Warburg gehörte zu den
Gründungsvätern unseres Hauses und unterstützte tatkräftig den Aufbau der
Forschungsbibliothek. Somit handelt es sich bei diesem Buch nicht um Raubgut.
Die Provenienzmerkmale jüdischer Einrichtungen treten bei uns aufgrund der rein jüdischen
Sammlung in verhältnismäßig großer Zahl auf, insbesondere im Vergleich zu anderen NS-
Raubgut-Projekten in Bibliotheken. Sie erklärt sich durch die spezielle Ausraubungs-
Geschichte jüdischer Körperschaften während der Zeit des Nationalsozialismus. Im Zuge der
Novemberpogrome 1938 wurden zahlreiche jüdische Gemeindebibliotheken beschlagnahmt
und bis September 1939 in das neu gegründete Reichssicherheitshauptamt (RSHA) gebracht.
Mehrere Bibliothekare waren hier damit beschäftigt, die bis zu eine Million konfiszierten
Bände zu bearbeiten. Ab 1943 erfolgte der vermehrte Einsatz jüdischer Zwangsarbeiter für
diese Tätigkeiten, sogar in Konzentrationslagern, z.B. Theresienstadt. Zur Einrichtung einer
funktionierenden Zentralbibliothek zur Gegnerforschung kam es während des Zweiten
Weltkriegs allerdings nicht mehr. Welche Wege die Bücher in dieser Zeit genommen haben,
ist nur schwer zu ermitteln: Sie wurden zum Streitobjekt konkurrierender NS-
Organisationen, zum Zwecke der Geldbeschaffung verkauft, verbrannten bei
Bombenangriffen, wurden ausgelagert, getauscht oder abgegeben. Zwei Beispiele für die
Verwertung jüdischen Eigentums:
Das Werk „Leon da Modena : Eldad und Medad“ herausgegeben von Karl Schwarz weist den
Stempel „Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands“ auf. Hinzu tritt als weiteres
Merkmal die Zahl 6331 auf – evtl. handelt es sich um eine Inventarnummer:
Das Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands wurde 1935 gegründet und hatte
seinen Sitz in Berlin. Es sollte sich neben weiteren Aufgaben vor allem mit der „Judenfrage“
beschäftigen und der Regierung eine Rechtfertigung für ihre antisemitische Politik liefern.
In dem Buch „Die jüdische Kunst“ von Ernst Cohn-Wiener befindet sich folgender Stempel
sowie eine Eintragung in grüner Tinte: „Unter Nr. 1547 der Zugangsliste der Bücherei der
Staatspolizeileitstelle Wien eingetragen. Wien, den 27. Aug. 1943“.
Bei beiden Büchern fehlen jegliche weitere Hinweise auf die Vorbesitzer. Ob sich mittels der
Zugangsnummer bei dem Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands Aufschluss
über die Herkunft ermitteln lässt, wissen wir zurzeit noch nicht. Voraussetzung hierfür wäre
der Erhalt der entsprechenden Archivalien. Aus Wien erhielten wir die Nachricht, dass die
Zugangslisten der Staatspolizeileitstelle verschollen sind. Beide Werke sind eindeutige NS-
Raubgut-Fälle.
Der Weg von Büchern aus jüdischem Privatbesitz als auch von jüdischen Organisationen und
Institutionen war im Mai 1945 noch nicht zu Ende. Speziell die US-Amerikaner trugen die an
zahlreichen Orten aufgefundene Beute der Nationalsozialisten in einem „Collecting Point“,
dem „Archival Depot Offenbach“, zusammen und bemühten sich um die Rückgabe an ihre
eigentlichen Eigentümer. Da die jüdischen Körperschaften im NS-Reich aufgelöst worden
waren und nicht mehr existierten, wurden diese Werke als „herrenloses Gut“ deklariert.
Exlibris „Jewish Cultural Reconstruction“
Organisationen wie die Jewish Cultural Reconstruction (JCR) verteilten deshalb diese Güter
in Zusammenarbeit mit den Besatzungsbehörden im Sinne einer Rekonstruktion und
zukünftigen Bewahrung jüdischen Kulturerbes an jüdische Einrichtungen und Organisationen
weltweit, vorrangig in Israel und den USA, aber beispielsweise auch in der Schweiz.
Tatsächlich befinden sich in rund 40 Büchern der Stempel des Archival Depots Offenbach,
der Aufkleber der Jewish Cultural Reconstruction, ein hebräischer Stempel, der übersetzt
„ausgeschieden“ heißt, oder die Stempel jüdischer Nachkriegsinstitutionen wie den Leo
Baeck Instituten. Bei den letztgenannten handelt sich um Werke, die offensichtlich von
Offenbach aus nach Israel oder in die USA abgegeben wurden und von dort als antiquarische
Einkäufe oder Geschenke wieder zurück nach Deutschland in unsere Institutsbibliothek
gelangt sind.
Eine weitere Zugangsmöglichkeit besteht darin, dass Bücher von flüchtenden Juden in das
Exil mitgenommen wurden und später an das IGdJ verkauft oder verschenkt wurden, z.B.:
Stempel „Nueva Congregación Israelita de Montevideo”
1981 erhielt das Institut neun Bücher von der Neuen Israelitischen Gemeinde in Montevideo
geschenkt. Darunter befindet sich eine Festschrift zum 50-jährigen Bestehen der
Hauptsynagoge in München mit einer Widmung aus dem Jahr 1952: „Für Bibliothek der
N.C.I. Montevideo gestiftet von einem früheren Mitglied der Isr. Kultusgemeinde in
München. Fed. E. Josephson, M‘video, 4. April 1952“.
Trotz dieses besonderen Falls sind vor allem bei den Gemeindebibliotheken zahlreiche NS-
Raubgutfälle in unserem Bestand vertreten. Vierzehn Bücher und Zeitschriftenhefte, die den
Stempel der Cosman-Werner-Bibliothek und/oder der Israelitischen Kultusgemeinde
München tragen, bilden hierfür ein Beispiel:
Weil die meisten Bücher aus der Münchner Gemeinde in den Anfangsjahren des Instituts
gekauft wurden, existieren keine Zugangsnummern und somit keine Hinweise auf die
Händler. Wir sehen diese Werke als NS-Raubgut an, da eine Beschlagnahmung durch das
Reichssicherheitshauptamt zweifelsfrei nachgewiesen ist. Auch bei den Büchern, die in
deutschen oder israelischen Antiquariaten erworben wurden, ist der vorangegangene Raub
für uns nicht aufgehoben. Bedauerlicherweise zirkulierte und zirkuliert bis in die Gegenwart
NS-Raubgut im antiquarischen Einzelhandel, wie noch etliche weitere Beispiele unserer
Bibliothek zeigen.
Aktuelle Zahlen sollen die Analyse und Bewertung der Besitzmerkmale abschließen: Von den
eingangs erwähnten 938 Hinweisen konnten bislang 216 Fälle abgeschlossen werden. Diese
Zahl umfasst sowohl Merkmale, die als Raubgut-Hinweise ausscheiden, als auch jene, die
keine weitere Recherche ermöglichen. 65 Werke sind als Raubgut einzustufen oder gelten
als stark verdächtig. Übrig bleiben 657 Fälle, die wir noch untersuchen müssen.
6. Dokumentation der Provenienzrecherche
Alle Werke mit Provenienzmerkmalen sind im Magazin mit Einlegestreifen gekennzeichnet
worden, um zu signalisieren: „Achtung, dieses Buch könnte NS-Raubgut sein“.
Die interne Dokumentation der Hinweise erfolgte parallel zur Durchsicht in einer Excel-Liste.
Eine extern sichtbare, zweite Dokumentation wird in dem Hamburger Verbundkatalog
angelegt, der einen Teil des GBV darstellt. Hier erscheinen die Funde in den jeweiligen
Exemplardatensätzen bei den einzelnen Werken, ggf. angereichert mit Bilddateien, um die
Provenienzmerkmale sichtbar zu machen. Die dritte Verzeichnung findet schließlich in der
Lost-Art-Datenbank statt, die ebenfalls allgemein zugänglich ist.
7. Erbensuche und Restitution
Im Fall Fritz Frensdorff bemühen wir uns um einen Kontakt zur Stolperstein-Initiative
Hannover, die einen Gedenkstein für den Kinderarzt verlegt hat. Eventuell liegen bereits
Kenntnisse über eine Enteignung des Privatvermögens vor. Die späte Auswanderung der
Familie im Jahr 1939 spricht dafür. Ob eine Entschädigung stattgefunden hat, spielt für
unsere Erbensuche und Kontaktaufnahme sowie Rückgabeangebot keine entscheidende
Rolle. Von dem Sohn Asher Frensdorff kennen wir den Wohnort Tel Aviv für das Jahr 2000,
so dass wir unsere geneaologischen Recherchen in Israel fortführen werden.
Für die vierzehn Werke mit der Provenienz Cosman-Werner-Bibliothek der Israelitischen
Kultusgemeinde München bereiten wir eine Restitution an die Jüdische Gemeinde München
vor, die vermutlich im Frühjahr 2016 stattfinden wird. Die Rückgabe von vier Werken aus der
historischen August-Wünsche-Bibliothek an die Jüdische Gemeinde Dresden fand am 27.
April 2015 statt. Eine gütliche Einigung trafen die beiden Vertragspartner bezüglich zweier
weiterer Fundstücke aus der Bibliothek der Israelitischen Religionsgemeinde. Zwei
Zeitschriftenhefte verbleiben in Hamburg, da die kompletten Jahrgänge bereits in der
Datenbank Compact Memory digitalisiert vorliegen und für jedermann zugänglich sind.
Konnten wir uns bei den bisherigen Restitutionsvorhaben über mögliche juristische Hürden
hinwegsetzen, lässt es sich bei den Beutegut-Funden nicht so einfach regeln.
„Beth-Hamidrasch, Bibliothek der Israel. Kultusgemeinde in Leipnik“
Das Buch „Das Wesen des Judentums“ von Leo Bäck trägt den Stempel der Israelitischen
Kultusgemeinde in Leipnik. Dieser Ort liegt in der Region Mähren, früher zur
Tschechoslowakischen Republik gehörend, heute Tschechien. Andere Funde betreffen
Bibliotheken oder zionistische Organisationen in Polen. In diesen Fällen ist das Deutsche
Auswärtige Amt zu unterrichten, welches die Verhandlungen übernimmt.
8. Öffentlichkeitsarbeit und Vernetzung
Die Vermittlung unserer Forschungsarbeit geschieht auf verschiedenen Ebenen. Neben den
oben genannten Dokumentationen im GBV sowie der Lost-Art-Datenbank berichten wir in
Vorträgen, Publikationen, Bibliotheksführungen und Ausstellungen über das NS-Raubgut-
Projekt. Sie richten sich an die Hamburger Öffentlichkeit, sei es bei der „Nacht des Wissens“
oder im Rahmen einer Ringvorlesung der Universität, die sämtliche Hamburger Provenienz-
Forschungen zum Inhalt hatte.
Fachkollegen erreichen wir mit Beiträgen zum Deutschen Bibliothekartag oder anlässlich der
Jahrestagungen der AG Gedenkstättenbibliotheken und der AG Jüdische Sammlungen. Der
Informationsaustausch mit anderen Provenienzforschern ist besonders fruchtbar und bietet
Vernetzungsmöglichkeiten, z.B. für diesen Fall:
„Bibliothek Alexander Margolius, Hans Margolius“
Es handelt sich um eine Privatbibliothek von Alexander und Hans Margolius, das sind Vater
und Sohn. Hans Margolius hat von 1902 bis 1984 gelebt. Als Doktor der Philosophie
veröffentlichte er viele Schriften. Deutschsprachige Titel sind bis zum Jahr 1936 erschienen,
dann erst wieder ab 1953. Eine Emigration in die USA ist wahrscheinlich, da als Wohnort
Miami, Florida zu finden ist. Ob Hans Margolius in die Bundesrepublik remigrierte, können
wir zurzeit nur vermuten. Recherchen und ggf. Erbensuche und Restitutionen ließen sich für
diese Provenienz gemeinsam mit der Zentral- und Landesbibliothek Berlin sowie der UB
Gießen unternehmen, die ihrerseits zusammen vier Bücher aus der Margolius-Bibliothek
gefunden haben.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe, insbesondere Vertretern kleinerer
Einrichtungen Mut für eine Entscheidung zur NS-Raubgut-Forschung in ihren Sammlungen
gemacht zu haben. Auch in Bibliotheken, die in der Nachkriegszeit aufgebaut wurden, kann
sich NS-Raubgut verbergen, wie unser Beispiel zeigt.
Kontakt:
Dipl. Bibl. Susanne Küther
Jörn Kreuzer M.A.
Institut für die Geschichte der deutschen Juden
Beim Schlump 83
20144 Hamburg
Tel.: 040/ 42838-2617
Email: [email protected]