14
Kapitel 8 Inhalt Kapitel 10 homepage zu den Fußnoten Kap.9 zum Text Kap.9 + Inhalt (+:durch Anklicken aufklappbar, zuklappen durch erneutes Klicken) 161 Kapitel 9. Notwendigkeit der Einsicht und Freiheit der Stellungnahme. 1. Problemstellung. Das letzte Kapitel hat uns zu einer Folgerung gedrängt, die mit einer Auffassung über das Zustandekommen menschlicher Überzeugungen, die oft allzu fraglos weitergegeben wird, in Widerspruch steht. Diese Auffassung kommt etwa in dem Satz des Thomas von Aquin zum Ausdruck: »Die Gründe, die uns geneigt machen, den unmittelbar eingesehenen Prinzipien und den aus ihnen abgeleiteten Folgerungen zuzustimmen, haben hinreichende Beweiskraft und nötigen daher auch zur Zustimmung.« 1 Dem scheint die Erfahrung entgegenzustehen, daß metaphysisch bedeutsame Prinzipien, wie etwa das metaphysische Kausalprinzip, tatsächlich nicht zur Zustimmung nötigen. Sind ihre Gründe darum für den Erweis ihrer Wahrheit unzureichend oder müssen wir zwischen einem »logischen« Zureichen der Gründe, d. h. ihrem Zureichen zum Erweis der Wahrheit, und ihrem »psychologischen« Zureichen, d. h. ihrer zur Zustimmung nötigenden Kraft, unterscheiden? Im ersteren Fall würde — wenigstens im Bereich der (streng deduktiven) Metaphysik — jeder gültige Beweis zur Zustimmung nötigen; wenn also die Zustimmung sich tatsächlich nicht notwendig ergäbe, müßte man annehmen, daß die Gründe auch logisch unzureichend sind. Im anderen Fall dagegen gäbe es auch im Bereich der (deduktiven) Metaphysik eine logisch zureichend begründete und doch freie Zustimmung. Zureichende Begründung und Zustimmung fielen also nicht einfach zusammen, und die Zustimmung würde außer von den logischen Gründen von einer Forderung abhängen, der sich der Mensch fügen oder entziehen kann; und insoweit es sich dabei um Überzeugungen handelt, die für die letztlich entscheidende Haltung des Menschen bedeutsam sind, wäre diese Forderung als eine sittliche Forderung zu bezeichnen. Es geht also hier um das Problem des Zusammenhangs zwischen der notwendig auf die Evidenz hin sich einstellenden Einsicht und der freien, in der festen Zustimmung sich vollziehenden Stellungnahme zur erkannten Wahrheit. Da aber, wie noch zu zeigen sein wird, die feste Zustimmung nur eine Art möglicher Stellungnahmen ist und auch die Evidenz nur eine Art der Begründung neben anderen ist, kann das Problem allgemeiner gestellt werden als Frage nach der Zuordnung der sich darbietenden Gründe und der Stellungnahme zu ihnen. In dieser Frage stehen sich zwei extreme Lösungen gegenüber. Einerseits gibt es einen Rationalismus, der nur das notwendige Sichauswirken der logischen Gründe für berechtigt hält, also jede freie Stellungnahme und damit jede sittliche Norm im Bereich des Denkens als dem Wesen der Vernunft widersprechend betrachtet. 162 Anderseits gibt es einen Irrationalismus, der die Bedeutung der logischen Begründung für die sittliche Rechtheit der stellungnehmenden Akte leugnet oder doch wenigstens zu sehr einschränkt. Gegenüber diesen extremen Lösungen versuchen wir zu zeigen, daß es neben dem Menü •Startseite •Publications •Jahresberichte •Bücher •Gästebuch •Serverstatistik •zurück Homepage von P.Otto Schärpf S.J.: de Vries 9 J. de Vries: Grundfragen der Erkenntnis, Kapitel 9... http://82.135.31.182/deVries/kritik9.htm 1 de 14 25/05/2015 15:18

VRIES, Josef de. Grundfragen Der Erkenntnis, 9

Embed Size (px)

DESCRIPTION

fgm,sfs slçsfglç sflÇglç sfÇllç asÇLhsfçl,lçm zxbnÇml adhçsçkl

Citation preview

  • Kapitel 8 Inhalt Kapitel 10 homepagezu den Funoten Kap.9zum Text Kap.9

    + Inhalt (+:durch Anklicken aufklappbar, zuklappen durcherneutes Klicken)

    161 Kapitel 9.Notwendigkeit der Einsicht und Freiheit der

    Stellungnahme.1. Problemstellung.

    Das letzte Kapitel hat uns zu einer Folgerung gedrngt, die mit einerAuassung ber das Zustandekommen menschlicher berzeugungen, dieoft allzu fraglos weitergegeben wird, in Widerspruch steht. DieseAuassung kommt etwa in dem Satz des Thomas von Aquin zumAusdruck: Die Grnde, die uns geneigt machen, den unmittelbareingesehenen Prinzipien und den aus ihnen abgeleiteten Folgerungenzuzustimmen, haben hinreichende Beweiskraft und ntigen daher auchzur Zustimmung.1 Dem scheint die Erfahrung entgegenzustehen, dametaphysisch bedeutsame Prinzipien, wie etwa das metaphysischeKausalprinzip, tatschlich nicht zur Zustimmung ntigen. Sind ihreGrnde darum fr den Erweis ihrer Wahrheit unzureichend oder mssenwir zwischen einem logischen Zureichen der Grnde, d. h. ihremZureichen zum Erweis der Wahrheit, und ihrem psychologischenZureichen, d. h. ihrer zur Zustimmung ntigenden Kraft, unterscheiden?Im ersteren Fall wrde wenigstens im Bereich der (streng deduktiven)Metaphysik jeder gltige Beweis zur Zustimmung ntigen; wenn alsodie Zustimmung sich tatschlich nicht notwendig ergbe, mte manannehmen, da die Grnde auch logisch unzureichend sind. Im anderenFall dagegen gbe es auch im Bereich der (deduktiven) Metaphysik einelogisch zureichend begrndete und doch freie Zustimmung. ZureichendeBegrndung und Zustimmung elen also nicht einfach zusammen, unddie Zustimmung wrde auer von den logischen Grnden von einerForderung abhngen, der sich der Mensch fgen oder entziehen kann;und insoweit es sich dabei um berzeugungen handelt, die fr dieletztlich entscheidende Haltung des Menschen bedeutsam sind, wrediese Forderung als eine sittliche Forderung zu bezeichnen.

    Es geht also hier um das Problem des Zusammenhangs zwischen dernotwendig auf die Evidenz hin sich einstellenden Einsicht und der freien,in der festen Zustimmung sich vollziehenden Stellungnahme zurerkannten Wahrheit. Da aber, wie noch zu zeigen sein wird, die festeZustimmung nur eine Art mglicher Stellungnahmen ist und auch dieEvidenz nur eine Art der Begrndung neben anderen ist, kann dasProblem allgemeiner gestellt werden als Frage nach der Zuordnung dersich darbietenden Grnde und der Stellungnahme zu ihnen.

    In dieser Frage stehen sich zwei extreme Lsungen gegenber.Einerseits gibt es einen Rationalismus, der nur das notwendigeSichauswirken der logischen Grnde fr berechtigt hlt, also jede freieStellungnahme und damit jede sittliche Norm im Bereich des Denkens alsdem Wesen der Vernunft widersprechend betrachtet.

    162 Anderseits gibt es einen Irrationalismus, der die Bedeutung derlogischen Begrndung fr die sittliche Rechtheit der stellungnehmendenAkte leugnet oder doch wenigstens zu sehr einschrnkt. Gegenberdiesen extremen Lsungen versuchen wir zu zeigen, da es neben dem

    MenStartseitePublicationsJahresberichteBcherGstebuchServerstatistikzurck

    Homepage von P.Otto Schrpf S.J.: de Vries 9

    J. de Vries: Grundfragen der Erkenntnis, Kapitel 9... http://82.135.31.182/deVries/kritik9.htm

    1 de 14 25/05/2015 15:18

  • unwillkrlichen, sittlich indierenten Denken wirklich ein sittlich zuverantwortendes Denken gibt, da aber gerade fr dieses Denken auchdas ehrliche Suchen nach den logischen Grnden wesentlich ist.2. Verschiedene Arten der Stellungnahme.

    Zum Verstndnis der Fragestellung und ihrer Beantwortung ist es vorallem notwendig, die verschiedenen Arten der Stellungnahme zurWahrheit (oder Falschheit) von Aussagen zu klren. Die wichtigste Artdieser Stellungnahmen ist das Urteil, insoweit es sich im Akt der festen,d. h. zweifelsfreien Zustimmung vollendet.

    Zu seinem Verstndnis ist eine Analyse des Urteils unentbehrlich.Am vollendeten menschlichen Urteil mssen drei Gesichtspunkteunterschieden werden. Zunchst enthlt jedes menschliche Urteilnotwendig eine Aussage, die das denkende Vorstellen einesSachverhaltes und sein sprachlicher Ausdruck ist. Eine solche Aussagebedeutet als solche noch keine Stellungnahme, kein Annehmen oderAblehnen des gedachten Sachverhaltes, und auch noch kein Wissen umdie Wahrheit der Aussage. Eine Aussage in diesem Sinn liegt schon vor,wenn in der Logik oder in der Grammatik zu Zwecken der bungAussagen bzw. Stze gebildet werden. Die Aussage besteht also aus deminneren Urteilsgedanken, der lateinisch als enuntiabile (Aussagbares)bezeichnet wird, und dem ueren Ausdruck, dem grammatischenAussagesatz. Als Beispiel fr eine bloe Aussage in diesem Sinn whltman passenderweise Aussagen, die weder als wahr oder falsch erkanntnoch im Ernst behauptet oder verneint werden, wie etwa: Die Zahl derSterne ist gerade. Das Urteil als bloe Aussage drfte Aristotelesgemeint haben, als er das Urteil denierte als Verknpfung vonBegrien als zu einem Sein verbundenen2. Die gemeinteBegrisverknpfung ist also nicht die zu einem zusammengesetztenBegri (etwa die Verknpfung von Tisch und rund zum Begrirunder Tisch), sondern eine Verknpfung zu einem ein Sein, einenSachverhalt, bezeichnenden Begrisgebilde (z. B.: Dieser Tisch istrund). Erst wo eine solche Verknpfung vorliegt, kann von Wahrheit oderFalschheit die Rede sein, dies freilich auch dann, wenn die Wahrheit oderFalschheit noch nicht erkannt ist. Das, was etwa in der Aussage 4583 isteine Primzahl, gedacht wird, ist wahr, auch wenn die Wahrheit derAussage noch nicht erkannt ist.

    163 Die Erkenntnis der Wahrheit der Aussage ist also ein zweites Momentim Urteil, das zur Aussage hinzukommen kann, aber nicht notwendig mitihr verbunden ist. Dieses zweite Moment besagt ein Wissen um diebereinstimmung des Urteils mit dem in ihm ausgesagten Sachverhalt.Wie wir schon im zweiten Kapitel3 gesehen haben, setzt dieses Wissenein Sehen des Sachverhaltes selbst und daher ein Sich-Zeigen desSachverhaltes, d. h. dessen Evidenz, voraus, sei es unmittelbare, sei esmittelbare Evidenz4.

    Mit dem Wissen um die Wahrheit der Aussage wiederum ist dasdritte Moment des Urteils, die Zustimmung zu dem Urteilsgedanken bzw.dessen Ablehnung das Ja bzw. Nein zu ihm, nicht identisch. Das gehtschon daraus hervor, da es eine Zustimmung, auch eine festeZustimmung, ohne Wissen um die Wahrheit geben kann, wie das irrigeUrteil zeigt. Gewi fehlt auch in ihm nicht irgendein Anschein derWahrheit, aber es fehlt oenbar das Wissen um die Wahrheit.

    Die Zustimmung kann eine feste, endgltige Zustimmung sein odereine nur vorluge Zustimmung; in der letzteren mache ich mir eineAuassung zu eigen mit dem ausdrcklichen oder stillschweigendenVorbehalt, spter sie gegebenenfalls wieder aufzugeben, nmlich wennsich etwa spter bessere Grnde fr das Gegenteil zeigen sollten. Diefeste Zustimmung bedeutet, wie wir schon frher5 sahen, den Ausschludes Zweifels, also das zweifelsfreie Frwahrhalten des betreendenSatzes, das als subjektives Moment wesentlich zur Gewiheit gehrt. Die

    J. de Vries: Grundfragen der Erkenntnis, Kapitel 9... http://82.135.31.182/deVries/kritik9.htm

    2 de 14 25/05/2015 15:18

  • nur vorluge Zustimmung dagegen schliet oenbar noch nicht jedenZweifel aus, obwohl man in ihr der Untersuchung wenigstens vorlugein Ende setzt und sich bei dem vorlugen Ergebnis einigermaenberuhigt; eine solche Zustimmung nennen wir Meinung.

    Die Meinung schliet also den Zweifel nicht aus, sondern ein. DerZweifel dagegen besagt nicht notwendig eine Meinung, ja er verwirklichtsich am reinsten, wo weder das Ja noch das Nein zu der in Fragestehenden Aussage bevorzugt wird. Und doch ist auch der Zweifel schoneine Art Stellungnahme, obwohl er gerade als ein Suspendieren, einIn-der-Schwebe-Lassen, der geistigen Entscheidung6 deniert wird.Gewi ist er kein Urteil ber den in Frage stehenden Gegenstand selbst,ja berhaupt kein ausdrckliches Urteil, aber er bedeutet doch einimplizites, stillschweigendes Urteil ber das Ungengen der Grnde, diesich fr und gegen die betreende Aussage darbieten, also sozusagendas Urteil: Dies ist ungewi. Damit kann, mu aber nicht ein Schwankenzwischen Ja und Nein oder, besser gesagt, zwischen der Hinneigung zumJa und der Hinneigung zum Nein, verbunden sein.

    164 Die Hinneigung zu einer Seite kann mit dem Wort Vermutungbezeichnet werden, namentlich wenn sie eine dauernde Hinneigung zudieser Seite ist, ohne da jedoch das Urteil, zu dem man sich hingezogenfhlt, schon vollzogen wird. Die Vermutung unterscheidet sich also vonder Meinung dadurch, da sie noch kein Ja oder Nein zu dembetreenden Sachverhalt, sondern nur eine Hinneigung zu einer solchenStellungnahme ist.3. Verschiedene Mglichkeiten der Begrndung.

    Unsere Frage war nun, wie sich diese verschiedenen mglichenStellungnahmen feste Zustimmung, Meinung, Zweifel zu denobjektiven Grnden verhalten, die sich fr die Wahrheit einer Aussagedarbieten. Die Lsung der Frage fordert, da wir ebenso, wie wir dieverschiedenen Arten der Stellungnahme unterschieden haben, auch dieverschiedenen Mglichkeiten der Begrndung klren. Denn nicht jedeBegrndung ist eine vollgltige, das Sein des zu begrndendenSachverhaltes evident machende Begrndung.

    Unter logischem Grund im weitesten Sinn verstehen wir jeden sichuns kundtuenden Umstand, der unsere Stellungnahme zu einem Satz sei es ein Zweifel oder eine Vermutung oder Meinung oder festeberzeugung rechtfertigt, d. h. als zu Recht bestehend erweist, oderauf den man sich wenigstens zu ihrer Rechtfertigung beruft. Wenn dieseBerufung unberechtigt ist, sind die Grnde allerdings nurScheingrnde. So sind etwa Grnde, die nur eine absolute Mglichkeiteines Sachverhaltes erweisen, unzureichend, um auch nur die Meinung,da dieser Sachverhalt wirklich besteht, zu begrnden; sie wren nurScheingrnde fr eine solche Meinung und erst recht fr die festeBehauptung des wirklichen Bestehens des Sachverhaltes. So ist etwa dieabsolute Mglichkeit einer Halluzination kein Grund, der zu der Annahmeberechtigt, da ich in diesem Augenblick einer Halluzination unterliege.Nicht einmal eine Vermutung kann durch diesen Grund gerechtfertigtwerden.

    Ohne Zweifel gibt es aber auch Grnde, die, obwohl sie einenbestimmten Sachverhalt nicht (mit Ausschlu des Gegenteils) beweisen,trotzdem Beachtung verdienen und wenigstens eine Vermutung oderMeinung rechtfertigen knnen. Solche Grnde nennen wirwahrscheinliche Grnde. Wahrscheinlichkeit ist also nicht eineEigenschaft, die einem Sachverhalt an sich zukommt; an sich besteht derSachverhalt entweder oder er besteht nicht. Wenn wir also einenSachverhalt selbst wahrscheinlich nennen, so ist das eine Bezeichnung,die ihm aufgrund eines ihm ueren Umstandes zuerteilt wird(denominatio extrinseca), nmlich aufgrund der Tatsache, da gewisseAnzeichen die Annahme dieses Sachverhaltes nahelegen. Im eigentlichenSinn wahrscheinlich ist also nicht der Sachverhalt selbst, sondern die

    J. de Vries: Grundfragen der Erkenntnis, Kapitel 9... http://82.135.31.182/deVries/kritik9.htm

    3 de 14 25/05/2015 15:18

  • Aussage, die diesen Sachverhalt als bestehend (oder nicht bestehend)vorstellt. Aber was heit das: Dieser Grund legt die Annahme einesbestimmten Sachverhaltes nahe? Inwiefern ist dieses Nahelegen mehrals eine willkrliche Annahme? Es scheint nicht leicht zu sein, einebefriedigende Antwort auf diese Frage zu geben und so den Begri derWahrscheinlichkeit, wie er im Alltag und auch im philosophischenSprachgebrauch blich ist7, zu rechtfertigen.

    165 Im folgenden soll ein Versuch in dieser Richtung gemacht werden.Da er alle Flle der Wahrscheinlichkeit umfat, soll nicht behauptetwerden. Der Eintritt eines Ereignisses bzw. das Bestehen einesSachverhaltes hngt oft von einer Mehrheit von Bedingungen ab. Oftkommt es nun vor, da einige dieser Bedingungen sich als verwirklichtzeigen, whrend die Verwirklichung anderer notwendiger Bedingungenaus irgendwelchen Grnden sich nicht feststellen lt. Bei denmeteorologischen Voraussagen drfte es wohl manchmal so sein. Manwei dann also nicht, ob alle Vorbedingungen (etwa dafr da es morgenan diesem Ort regnen wird) erfllt sind; freilich wei man auch nicht, dabestimmte notwendige Vorbedingungen nicht erfllt sind; sonst wteman ja, da das Ereignis nicht eintritt bzw. da der Sachverhalt nichtbesteht. Hier ergibt dann die Gesamtheit der verwirklichten Bedingungeneine grere oder geringere Wahrscheinlichkeit fr den Eintritt desbetreenden Ereignisses. hnlich liegt der Fall, wenn aus Erfahrungfeststeht, da unter bestimmten wahrnehmbaren Bedingungen (A, B, C)ein Ereignis oft, aber nicht regelmig eingetreten ist. Hier wird dann mitRecht vermutet, da noch eine andere, nicht wahrnehmbare Bedingung(D) oder mehrere derartige Bedingungen hinzukommen mssen, damitdas Ereignis sicher eintritt. Die Feststellung der Bedingungen A, B, Cergibt dann nur eine Wahrscheinlichkeit fr den Eintritt des betreendenEreignisses.

    Wie wir im 6. Kapitel gezeigt haben, kann die Konvergenz vonWahrscheinlichkeiten eine Begrndung ergeben, die eine zweifelsfreieZustimmung rechtfertigt; daher kann eine solche Gesamtheit vonGrnden, wenigstens in einem analogen Sinne, als Evidenz bezeichnetwerden. Eine solche Evidenz ist allerdings eine unvollkommene Evidenz.Vollkommene (unbedingte, absolute) Evidenz ist nur jene, in der sich einSachverhalt so zeigt, da der Irrtum unbedingt ausgeschlossen ist. SolcheEvidenz liegt vor in dem unmittelbaren Sich-Zeigen der eigenenbewuten Akte (2. Kapitel), in evidenten Prinzipien (7. und 8. Kapitel) undin formalen Folgerungen, deren Prmissen unbedingt evident sind.

    166 Als Stufen der Begrndung (im weitesten Sinne)ergeben sich also:Scheingrnde, wahrscheinliche Grnde, unvollkommene Evidenz,vollkommene Evidenz.4. Unwillkrliche Stellungnahme.

    Ohne Zweifel ergeben sich die verschiedenen Arten derSte!lungnahme nicht selten aus unseren Wahrnehmungen undberlegungen spontan, von selbst, ohne Dazwischentreten eines freienWillensaktes. Von einer Stellungnahme kann freilich berhaupt nichtdie Rede sein, wenn nicht einmal eine Aussage erfolgt. Sehr vielesnehmen wir z. B. mit den Sinnen wahr, was kaum beachtet wird,sozusagen nur am Rand des Bewutseins bleibt. Die Wahrnehmungwrde zwar zur Rechtfertigung eines Urteils gengen, aber tatschlichwird keinerlei Urteil gebildet. Es liegt kaum eine Kenntnisnahme vor,geschweige denn eine Stellungnahme.

    Eine Stellungnahme, auch eine unwillkrliche Stellungnahme zueinem Sachverhalt setzt also voraus, da der betreende Sachverhaltnicht nur irgendwie wahrgenommen, sondern auch beachtet und gedachtwird. Dieses Denken des Sachverhaltes wird in vielen Fllen, wennnmlich der Gedanke einen sich evident zeigenden Sachverhaltausdrckt, ohne weiteres als wahr erkannt und zugleich auch als wahrangenommen (bejaht). In einem solchen Fall ist das Alswahr-Erkennen

    J. de Vries: Grundfragen der Erkenntnis, Kapitel 9... http://82.135.31.182/deVries/kritik9.htm

    4 de 14 25/05/2015 15:18

  • und die Zustimmung, das Als-wahr-Annehmen, kaum voneinander zuunterscheiden. Aus der einseitigen Beachtung solcher Erfahrungen ist diebei manchen Scholastikern sich ndende Auassung zu verstehen, dieErkennen der Wahrheit und Zustimmung einfach gleichsetzt.8 Wie wirschon sagten, beachtet diese Auassung nicht die Tatsache des Irrtums,der eine Zustimmung zu einer Aussage ist, die nicht als wahr erkannt ist.Vielleicht wollen die Verteidiger der genannten Auassung nur sagen, diemit voller Evidenz erkannte Wahrheit sei notwendig mit der Zustimmungverbunden, die Zustimmung knne aber, wenigstens als frei gewollteZustimmung, auch ohne Evidenz der Wahrheit vorkommen. Wenigstensimplizit ist damit aber zugegeben, da die beiden Momente des Urteils,Einsicht der Wahrheit und Zustimmung, nicht einfach zusammenfallen.

    167 Hier ergibt sich nun die Frage, ob eine irrige Zustimmung alleindurch den Einu des freien Willens mglich ist9 oder auch unwillkrlicherfolgen kann. Es lt sich wohl nicht leugnen, da es Flle gibt, in denender Anschein der Wahrheit so gro ist, da der Mensch unwillkrlich demIrrtum verfllt. Nur dadurch knnte der Mensch jeden Irrtum vermeiden,da er seine Zustimmung in allen Fllen verweigert, in denen der Irrtumnicht durch absolute Evidenz ausgeschlossen ist; aber eben das wrde,wie wir im 6. Kapitel gezeigt haben, das menschliche Leben unmglichmachen. So wurde denn auch in der berlieferten Lehre von denmenschlichen Akten10 schon immer von einem nicht nurunverschuldeten, sondern auch unvermeidlichen, ungewollten Irrtum11gesprochen.

    Schwieriger drfte es sein, da eine Meinung sich ganz ungewollteinstellt, eben weil die Meinung eine Zustimmung mit dem Bewutseindes nicht vollgltigen Charakters der Grnde ist. Dabei ist allerdings zubercksichtigen, da die Meinung nicht das gleiche ist, wie das Urteilber die Wahrscheinlichkeit, d. h. ber das Bestehen von beachtlichenGrnden fr eine bestimmte Annahme. Die Meinung ist vielmehr dieseAnnahme selbst. Das Urteil ber die Wahrscheinlichkeit, etwa das Urteil:Es ist wahrscheinlich, da es heute nachmittag regnen wird, kann sichersein; die Meinung dagegen, etwa die Annahme: Es wird heute nachmittagregnen, ist in diesem Falle nicht sicher, sondern nur wahrscheinlich. Eskann auch zugleich mit dem Urteil, da der Eintritt des Regenswahrscheinlich ist, das andere Urteil bestehen, da es auchwahrscheinlich ist, da es nicht regnen wird (denn es knnen jabeachtliche Grnde sowohl fr wie gegen den Regen vorliegen); dagegenist es psychologisch unmglich, zugleich mit der Annahme, es werderegnen, auch anzunehmen, es werde nicht regnen.

    168 Aber auch jede einzelne Meinung oder Annahme drfte sich in der Regelnicht ganz unwillkrlich einstellen. Der Zweifel dagegen tritt oft ganzungewollt auf, weil sich die Vermutung, da vollgltige Grnde fr dieeine oder andere Seite fehlen, aufdrngt.5. berlegte und gewollte Stellungnahme.

    In jedem Fall tritt die unwillkrliche Stellungnahme als solche wenighervor. Im Vergleich mit einer berlegten, gewollten Stellungnahmeerscheint sie kaum als Stellungnahme. Die gewollte Stellungnahme kanneine ausdrckliche Wiederholung einer schon unwillkrlich vollzogenenStellungnahme sein; so kann etwa zum Zweck einer reexenUntersuchung des Urteils ausdrcklich das Urteil gebildet werden:Zweimal zwei ist vier. Solche Urteile bercksichtigen wir hier nicht. Esgeht uns hier vielmehr um solche stellungnehmende Akte, die sichberhaupt nicht allein aus dem unwillkrlichen Ablauf der Gedankenergeben, sondern wesentlich von einer freien Entscheidung des ganzenMenschen abhngen. Es wre allerdings ein Miverstndnis zu meinen,solche Entscheidungen betrfen allein den letzten bergang vom Sehender Grnde zur Stellungnahme, so da bei vlliger Gleichheit der sichdarbietenden Grnde die Entscheidung so oder so ausfallen kann, z. B.fr den Zweifel oder fr die feste Zustimmung. Derartige Entscheidungen

    J. de Vries: Grundfragen der Erkenntnis, Kapitel 9... http://82.135.31.182/deVries/kritik9.htm

    5 de 14 25/05/2015 15:18

  • drften vielmehr Ausnahmen sein. In der Regel hngt es weitgehend vonbewuten und unbewuten Vorentscheidungen ab, welche Grnde in derBildung einer berzeugung zum Zug kommen.

    Gewi, wenn wir die Augen nen, hngt es nicht von unsererEinstellung oder Haltung ab, was wir zu sehen bekommen; aber selbst indiesem einfachsten Fall hngt es von Einstellung und Haltung ab,welchen Einzelheiten aus der Menge der wahrgenommenen Gegenstndewir unsere Aufmerksamkeit zuwenden; was aber nicht beachtet wird, istbald wieder vergessen. Noch viel mehr gilt das vom geistigen Sehen.Die Grnde fr eine Auassung, von der man wnscht, sie mchte wahrsein, beachtet man; sie treten in den Vordergrund und man ist geneigt,ihre Tragweite mglichst positiv zu beurteilen. Die Grnde dagegen, dieder bevorzugten Auassung widersprechen, erscheinen von vornhereinwenig beachtenswert, man nimmt sich kaum die Mhe, sie richtig zuverstehen, geschweige denn, sie sorgfltig auf ihre Tragweite hin zuprfen. In diesem Sinne tadelt schon Aristoteles jene Denker, die ausVorliebe fr ihre vorgefaten Meinungen eine These um jeden Preisfesthalten wollen12, selbst mit Vergewaltigung der Tatsachen13, oder dieeher darauf aus sind, ihre Hypothese zu retten als die Phnomene14.

    169 Durch solche, selten vollbewute Lenkung der Aufmerksamkeit wirddie schlieliche Entscheidung weithin vorausbestimmt. Wenn einebestimmte Auassung geradezu selbstverstndlicher Ausgangspunktalles Nachdenkens ist und das Streben, wenn auch nicht reex bewut,darauf gerichtet ist, diese Auassung festzuhalten, dann werden dieGegengrnde fast unbewut verdrngt, so da sie nicht zur Geltungkommen knnen. Umgekehrt, wenn das Streben von vornherein daraufgerichtet ist, die bisher festgehaltene Auassung abzutun, dann werdendie gegen sie sprechenden Grnde einseitig bevorzugt, so da diefrhere Auassung schlielich als nicht mehr haltbar erscheint. In beidenFllen kann es zu einer unbewuten oder kaum bewutenSelbsttuschung kommen.

    Vor solchen Selbsttuschungen vermag nur ein unbedingterWahrheitswille zu bewahren. Dieser Wahrheitswille ist eine ethischeHaltung, die sich nicht von selbst einstellt, sondern eine freieEntscheidung fordert. Die Selbsttuschung dagegen beruht meist darauf,da der Mensch sich von seinen unwillkrlichen Neigungen treiben lt.Die Frage, ob und inwieweit dieses Sichtreibenlassen gegen dieMahnungen des Wahrheitsgewissens geschieht und daher frei gewollt ist,kann sich nur an das Gewissen des Einzelnen richten.

    Jedenfalls wre es ein Irrtum zu meinen, welche Grnde sich uns froder gegen eine intellektuelle Stellungnahme darbieten, hnge alleinvom Gegenstand der Erkenntnis und in keiner Weise von ethischenHaltungen ab. Schon das Sehen der Grnde ist oft mitbedingt durchfreie Entscheidungen. Erst recht ist die intellektuelle Stellungnahmeselbst keineswegs immer notwendige Auswirkung der Einsicht. Gewi gibtes unwillkrliche, aller freien Entscheidung entzogene Stellungnahmender Vernunft. Aber wenn die Stellungnahme, wie es hug der Fall ist,durch eine mehr oder weniger lange Prfung und Untersuchung der frund gegen sie sprechenden Grnde vorbereitet wird, drfte sie zumeist ineiner freien Entscheidung erfolgen. Eine Entscheidung setzt derberlegung schlielich ein Ende, auch wenn es nur die Entscheidung frdas Non liquet (Die Sache ist nicht klar) und damit fr dieBeibehaltung des Zweifels ist. Erst recht hngt es von einer freienEntscheidung ab, ob ich trotz des Zweifels wenigstens vorlug eine dermglichen Antworten als Meinung annehme. Aber auch die festeZustimmung zu einer bestimmten Antwort ergibt sich in den Fllen, indenen eine lngere Untersuchung der Grnde und Gegengrndenotwendig ist, zumeist nicht von selbst. Die Klarheit ist hier nicht soberwltigend, da nicht ein Ausweichen auf eine wirklich oder angeblichnotwendige erneute Nachprfung mglich wre. Man denke etwa an dieGottesbeweise oder an die Begrndungen, die in derFundamentaltheologie fr die Tatsache der gttlichen Oenbarung

    J. de Vries: Grundfragen der Erkenntnis, Kapitel 9... http://82.135.31.182/deVries/kritik9.htm

    6 de 14 25/05/2015 15:18

  • gegeben werden.170 6. Begriiche und reale Zustimmung.

    Trotzdem kommt es in Fragen rein wissenschaftlicher Art leichter zueiner Entscheidung, bei der allein die objektiven Grnde den Ausschlaggeben, als bei Fragen, die den ganzen Menschen in seinen innerstenBefrchtungen und Honungen berhren. In solchen Fllen ist es nichtallein der Wert der wahren Erkenntnis als solcher, sondern darberhinaus die Lebensbedeutung der betreenden Wahrheit, oder auch alleindie vermeintliche Lebensbedeutung der vermeintlichen Wahrheit, was frdie Zustimmung den Ausschlag gibt. Eine solche Zustimmung berhrtnicht nur das theoretische Erkenntnisstreben, sondern den ganzenMenschen und wird daher auch mit grerer Intensitt vollzogen.

    Diese Unterscheidung von bloer Wissenszustimmung undexistentieller, den Menschen persnlich bewegender Zustimmungdrfte Newman vor allem im Sinn gehabt haben bei seiner Lehre von derbegriichen und realen Zustimmung (notional assent, realassent15). Allerdings verbinden sich bei ihm damit noch andereGedanken. Die Herausgeber der deutschen bersetzung weisen in einerlngeren Anmerkung16 daraufhin, da das Prinzip der Realisierung (derZustimmung) bei Newman eine doppelte Bedeutung hat. Eine objektiveSeite: Die Erkenntnis mu an das individuelle Ding selbst herankommen,darf sich nicht vom abstrakt-allgemeinen Begri Realitt vortuschenlassen. Das 'Bild' ist fr die reale Erfassung notwendig, weil es dasIndividuelle darbietet... Eine subjektive Seite: Erkenntnis ist real, wenn siepersnlich und echt vollzogen wird, d. h. wenn sie nicht rein sachlicheFeststellung ist, sondern mich persnlich angeht, mein Leben, meinDasein betrit. Ich stimme real zu, wenn ich es mit meiner ganzen Persontue.

    Einige Fragen hierzu sind unvermeidlich. Wenn wir beim Wortlaut derBegriserklrungen Newmans stehen bleiben, wre die begriicheZustimmung eine Zustimmung zu bloen Begrien, nicht zu Dingen: DieWrter (terms) stehen hier nicht fr Dinge, sondern fr Begrie(notions)17, die Sprache drckt hier nur unsere eigenen Gedanken aus18.Da es Flle gibt, in denen die Wrter nur die Begrie, nicht die Dingemeinen, ist unleugbar. Aber da alle allgemeinen Stze von dieser Artsind19, ist unhaltbar. Auch wer sagt: Der Mensch ist ein Sinnenwesen,will damit nicht nur sagen, da der Begri 'Mensch' unter denGattungsbegri 'Sinnenwesen' gehrt, sondern, da der wirkliche Menschwirklich ein Sinnenwesen ist. Anderswo sagt Newman selbst, der Begriwerde als Reprsentant des Dinges gebraucht20. So werden wir wohldie Aussage, in der begriichen Zustimmung gehe es nicht um Dinge,sondern nur um Begrie, nicht wrtlich nehmen mssen; ihr eigentlicherSinn kann nur aus dem Gesamtzusammenhang erschlossen werden.

    171 Mehr zur Sache ist die Frage, ob die beiden Seiten der realenZustimmung, die von den Herausgebern der deutschen bersetzung mitRecht unterschieden werden, stets und notwendig miteinanderverbunden sind, d. h. die Frage: Ist jede Zustimmung, die eineindividuelle Tatsache ausdrckt, die also ihrem Objekt nach real ist,zugleich auch eine reale Zustimmung im subjektiven Sinn, d. h. eineZustimmung, die eine persnliche Lebensbedeutung hat, und umgekehrt?Die Beispiele Newmans selbst zeigen, da dies nicht der Fall ist. So bringter als Beispiel fr einen realen Satz den Satz: Die Erde kreist um dieSonne.21 Oenbar ist dieser Satz aber fr den Durchschnittsmenscheneine rein sachliche, wissenschaftliche Feststellung ohne personalenBezug. Umgekehrt bezeichnet Newman die Zustimmung, die wirGeheimnissen als solchen geben, als begriiche Zustimmung, dennohne Erfahrung ist die Zustimmung nicht real22; hnlich knnen wirkeine Erfahrung von der Unendlichkeit der gttlichen Attribute haben23.Und doch gibt er auch selbst zu, da Christen eine reale Zustimmunghaben knnen zu unsichtbaren Wirklichkeiten des Glaubens, als wren

    J. de Vries: Grundfragen der Erkenntnis, Kapitel 9... http://82.135.31.182/deVries/kritik9.htm

    7 de 14 25/05/2015 15:18

  • sie Objekte des Sehens24.Die beiden Seiten der realen Zustimmung sind also nicht notwendig

    miteinander verbunden. So ergibt sich aber die Frage, welche der beidenSeiten als die entscheidende zu gelten habe. Es kann kein Zweifeldarber bestehen, da es Newman hauptschlich auf die subjektiveSeite ankommt, auf den Unterschied zwischen einer rein sachlichen,wissenschaftlichen Feststellung und einer die ganze Person berhrendenZustimmung. Die Realisierung zielt ja gerade daraufhin, dieberzeugungen zu lebendigen und wirksamen berzeugungen zumachen. Die konkrete Erfahrung bzw. die Bilder sind ihm nur Mittel zudieser Realisierung. Und er gesteht selbst, da sie allein wenigstens dazunicht ausreichen, die Zustimmung zu einer praktisch wirksamen zumachen. Die Zustimmung, wenn sie auch noch so krftig ist undaufgrund noch so lebhafter Bilder gegeben wird, ist deshalb nichtnotwendig schon praktisch wirksam. Streng genommen ist es nicht dieEinbildungskraft, die ein Tun verursacht, sondern es sind Honung undFurcht, Neigungen und Abneigungen, Begierde, Leidenschaft undErregung, die Aufwallungen der Selbstsucht und Eigenliebe. Was dieEinbildungskraft fr uns tut, ist: ein Mittel nden, um jene Triebkrfteanzuspornen.

    172 Sie tut das dadurch, da sie uns Vorstellungen gibt, stark genug, um sieanzuspornen. Der Gedanke an Ehre, Ruhm, Picht, Selbsterhhung,Gewinn, oder anderseits der Gedanke an die gttliche Liebe, knftigenLohn, ewiges Leben leitet uns, falls wir unausgesetzt bei ihm verweilen,entlang einer entsprechenden Bahn, aber nur dann, wenn sich in unsetwas ndet, was dafr ansprechbar ist.25

    Es mu auallen, da in diesem Text unanschaulichen Vorstellungen,wie der Idee der Ehre, der Picht, der Liebe Gottes, die Kraftzugesprochen wird, eine reale Zustimmung herbeizufhren. Newmandrfte nicht blo abstrakte Begrie im Sinn haben, sondern Gedanken,die mit bildhaften Vorstellungen verknpft sind. Er gibt aber zu, da nichtjede beliebige anschauliche Vorstellung geeignet ist, eine praktischwirksame, persnlich bedeutsame Zustimmung herbeizufhren.Entscheidend ist, ob sie den Gegenstand als fr mich persnlich wertvoll(oder im Gegenteil als abtrglich, unheilvoll) erleben lt. In der Tatdrfte dies der grundlegende Unterschied zwischen rein begriicher undrealer Zustimmung sein: In der ersteren geht es nur um die objektiveRichtigkeit der Erkenntnis, also nur um den theoretischen Wert derwahren Erkenntnis, in der letzteren darber hinaus um dieLebensbedeutung des richtig erkannten Objektes fr mich persnlich.Da dazu bildhafte Vorstellungen frderlich sein knnen, wird niemand inAbrede stellen. Ob und inwieweit sie fr die Realisierung unbedingterforderlich sind, ist eine andere Frage.26 Aus allem ergibt sich zurGenge, da die zu Anfang des Kapitels gestellte Frage nach der freienund daher sittlich zu verantwortenden Stellungnahme zu Aussagen inerster Linie die reale Zustimmung betrit.7. Rechte Zuordnung von Stellungnahme undBegrndung.

    Fr die in diesem Titel enthaltene Frage sind im Vorhergehenden dieerforderlichen Voruntersuchungen geleistet; wir wenden uns nunmehr derBeantwortung der Frage selbst zu. Es ist klar, da die Frage nur da einenSinn hat, wo die Stellungnahme nicht unwillkrlich, sondern frei erfolgt.Als mgliche freie Stellungnahme kommen nach dem Gesagten inBetracht der Zweifel, die vorluge Zustimmung (Meinung) und dieendgltige, feste Zustimmung.

    173 Was den Zweifel angeht, mu man wohl sagen: Er ist an sich solange berechtigt, als keine Evidenz, nicht einmal eine unvollkommeneEvidenz27 des zur Frage stehenden Sachverhaltes vorliegt. Der Zustandder mangelnden Evidenz kann allerdings, wie wir sahen, auf einer sittlich

    J. de Vries: Grundfragen der Erkenntnis, Kapitel 9... http://82.135.31.182/deVries/kritik9.htm

    8 de 14 25/05/2015 15:18

  • nicht zu rechtfertigenden Haltung in der Vergangenheit beruhen. Abersolange wirklich noch jede Evidenz des betreenden Sachverhaltes fehlt,bleibt der Zweifel selbst berechtigt. Er ist ja nur der entsprechendeAusdruck dafr, da sich hier und jetzt kein Grund zeigt, der die Wahrheitder betreenden Aussage gewhrleistet und ihre Falschheit ausschliet.

    Schwieriger ist die Frage nach der Vereinbarkeit derMeinung mitdem Wahrheitsgewissen. Der Einwand ist hier mglich: Wer ohne Evidenzeine wenn auch nur vorluge Zustimmung gibt, setzt sich derGefahr des Irrtums aus. Darauf lt sich antworten: Irrtum imeigentlichen Sinn ist nur eine feste Zustimmung zu einer falschenAussage. Oft scheint es aber erwnscht, auch in Fragen, in denen einevolle Klarheit noch nicht zu erlangen ist, wenigstens zu einer vorlugenStellungnahme zu kommen, durch die der weiteren Untersuchung fr denAugenblick ein Ende gesetzt wird. Namentlich dann erscheint diesvernnftig, wenn es sich um eine Frage handelt, von deren Lsung einenicht aufschiebbare praktische Entscheidung abhngt. So mu der Arztoft ein nur wahrscheinlich wirksames Heilmittel anwenden, wenn einsicheres nicht vorhanden ist; er lt sich dann durch die Meinungleiten, dieses Mittel sei unter den gegebenen Umstnden dasaussichtsreichste. Eine solche Meinung ist vor der Vernunft gerechtfertigt,wenn ernst zu nehmende Grnde sie als wahrscheinlich erweisen, es seidenn, da eine andere Auassung sich deutlich als wahrscheinlicherzeigt.

    Eine feste Zustimmung schlielich ist gerechtfertigt, wenn sie durchevidente Grnde gesttzt wird. Im 6. Kapitel haben wir gezeigt, da diesauch fr die unvollkommene, auf der Konvergenz vielerWahrscheinlichkeiten beruhenden Evidenz gilt. Dagegen lt sich nichtmit Recht einwenden, durch eine solche Zustimmung setze man sich derGefahr des Irrtums aus, und dies sei stets unvernnftig. Denn allein dieabsolute Mglichkeit der Tuschung, die durch die Konvergenz derGrnde nicht ausgeschlossen wird, bedeutet noch keine Gefahr derTuschung.

    174 Gefahr nennen wir nicht jedes absolut mgliche bel, sondern nur einbel, das durch irgendwie beachtliche Grnde wahrscheinlich gemachtwird. Solche Grnde wrden aber zugleich die Konvergenz der Grndefr das Nichtbestehen des bels, in unserem Fall der Tuschung,aufheben.8. Sittlich nicht gerechtfertigte Stellungnahme.

    Das ber die rechte Stellungnahme Gesagte bedarf noch derErgnzung sozusagen durch die Gegenprobe, d. h. durch den Nachweis,da das Fehlen der gekennzeichneten Zuordnung zu sittlich nichtgerechtfertigten Stellungnahmen fhrt.

    Wir beginnen wieder mit dem Zweifel. Er ist nicht mehrgerechtfertigt, wenn eine unvoreingenommene Prfung der Grnde zudem Ergebnis fhrt, da eine bestimmte Auassung so schwerwiegendeGrnde fr sich hat, da die Wahrheit des Gegenteils praktischausgeschlossen ist. Diese Formulierung drfte der Schwierigkeit derFrage mehr gerecht werden als die einfache Behauptung: Der Zweifel istunberechtigt, wenn Evidenz vorliegt. Denn die Evidenz ist ja nicht etwas,was einer Aussage oder einem Beweis sozusagen rein an sich zukommt.Ihr Zustandekommen hngt vielmehr, wie wir zeigten, oft in hohem Mavon den Erkenntnisbemhungen des Subjektes selbst ab. Inwieweit aberdas Fehlen dieser Bemhungen einem Menschen sittlich angerechnetwerden kann, vermgen andere Menschen kaum je zu beurteilen. Sicherist nicht jeder Mensch verpichtet, sich in jeder Frage um Klarheit zubemhen. Viele Fragen wird man unvermeidlich links liegen lassenmssen. Gegenber entscheidenden Lebensfragen allerdings besteht ansich die sittliche Picht, sich nach Krften um eine Klrung zu bemhen.Aber diese Picht kann nur insoweit unmittelbar praktischeGewissenspicht werden, als sie erkannt wird. Wie wahr es also auch ist,

    J. de Vries: Grundfragen der Erkenntnis, Kapitel 9... http://82.135.31.182/deVries/kritik9.htm

    9 de 14 25/05/2015 15:18

  • da es einen schuldbaren Zweifel geben kann, so schwer ist es, imeinzelnen zu entscheiden, ob und inwieweit er vorliegt.

    Die Meinung schliet einerseits den Zweifel noch nicht aus,andererseits besagt sie schon eine vorluge Zustimmung. Sie kanndaher aus zwei Grnden eine ungerechtfertigte Stellungnahme sein:einerseits weil sie einen nicht mehr zu rechtfertigenden Zweifeleinschliet, andererseits weil sie eine nicht gerechtfertigte Zustimmungist; im ersten Fall bedeutet sie ein Zuwenig, im zweiten Fall ein Zuviel.Zum ersten Fall wurde das Notwendige schon gesagt. Zum zweiten Fall:Die Zustimmung, auch als nur vorluge, ist dann vor der Vernunft nichtgerechtfertigt, wenn sie einer Aussage gegeben wird, die entweder garkeine ernst zu nehmenden Grnde, nicht einmal wahrscheinliche Grnde,fr sich hat oder sich klar als weniger wahrscheinlich erweist. Da esunvernnftig ist, eine Aussage auch nur vorlug als wahr anzunehmen,wenn nicht einmal wahrscheinliche Grnde fr sie sprechen, drfte ohneweiteres klar sein. Wenn nicht das Gefhl zu einer solchen Zustimmungdrngt, drfte sie als ernst gemeinte Zustimmung sogar unmglich sein.Aber auch eine Aussage anzunehmen, die von der Vernunft als wenigerwahrscheinlich beurteilt werden mu, ist unvernnftig, weil dieZustimmung eine klare Bevorzugung der Meinung bedeutet, die manannimmt.28

    175 Die feste Zustimmung schlielich ist in der Regel dann vor demWahrheitsgewissen nicht gerechtfertigt, wenn jede, auch unvollkommeneEvidenz des behaupteten Sachverhaltes fehlt. Denn durch eine solcheZustimmung setzt man sich der Gefahr des Irrtums aus, und das ist einum so grerer Fehler, je bedeutsamer fr das eigentlich menschlicheLeben die Entscheidung ist, die in der betreenden festen Zustimmungenthalten ist. Darum lehrt die katholische Theologie, da der, dem dienotwendige Gewiheit ber die Wirklichkeit der gttlichen Oenbarungnoch fehlt, nicht nur zum Glauben nicht verpichtet ist, sondernumgekehrt sich verfehlen wrde, wenn er trotz der fehlenden Gewiheitschon zu einer festen Glaubenszustimmung bergehen wollte; ein solcherGlaube wre fr das Heil des Menschen wertlos.29

    176 Gerade im Zusammenhang mit der Glaubensentscheidung ergibtsich aber eine Schwierigkeit, die zu einer Einschrnkung der soebenaufgestellten These ntigt. Die Entscheidung fr einen Glauben, derdem Leben einen Sinn gibt, kann nicht das Vorrecht einiger weniger sein,sondern mu jedem Menschen, entsprechend seinem Bildungsstand,mglich sein. Eine Begrndung des Glaubens auf eigentlichwissenschaftlicher Reexionsstufe drfte aber nie allen Menschenmglich sein; sie ist auch fr eine hinreichende Gewiheit nichterforderlich; es mag sogar sein, da sie wenig geeignet ist, zu jenerrealen Zustimmung zu fhren, die in diesem Bereich wichtiger ist alseine alle Forderungen wissenschaftlicher Methodik bercksichtigendeBegrndung. Aber andererseits darf doch auch die reale Zustimmungin einer so entscheidenden Sache nicht eine rein subjektive Gewiheitohne hinreichende Begrndung sein. Ist aber jeder Mensch, der einerStellungnahme zu den letzten Sinnfragen fhig ist, damit auch schonbefhigt, eine irgendwie mit Recht als 'evident' (wenn auchunvollkommen 'evident') zu bezeichnende Begrndung seinerStellungnahme zu erfassen?

    Die Schwierigkeit ist in der katholischen Theologie schon im 17.Jahrhundert gesprt worden, und man hat zu ihrer Lsung die Theorie dersogenannten relativen Gewiheit ausgearbeitet. Man stellte sich dieFrage: Wie kann ein Kind oder ein ungebildeter Erwachsener (rudis) zujener sicheren Erkenntnis der gttlichen Oenbarung kommen, ohne dieder Glaube unvernnftig und darum sittlich nicht zu rechtfertigen wre?Tatschlich scheinen solche Menschen die Wirklichkeit der Oenbarungnur aufgrund der menschlichen Autoritt der Eltern bzw. etwa ihresPfarrers anzunehmen. Eine kritische Betrachtung dieser Autoritt muaber zugeben, da sie, wenigstens in den meisten Fllen, in den Fragen,um die es sich hier handelt, nicht ausreicht, um die Wirklichkeit der

    J. de Vries: Grundfragen der Erkenntnis, Kapitel 9... http://82.135.31.182/deVries/kritik9.htm

    10 de 14 25/05/2015 15:18

  • Oenbarung evident zu machen, auch nicht, wenn man mit einer zumoralischer Gewiheit hinreichenden Evidenz zufrieden ist. Mitdemselben Recht, mit dem ein christliches Kind seinen Eltern dieTatsache der christlichen Oenbarung glaubt, scheint auch einmohammedanisches Kind seinen Eltern zu glauben, da Mohammed dervon Gott gesandte Prophet ist. Sowohl dem mohammedanischen wie demchristlichen Kind ist ein kritisches Urteil darber unmglich, da dieAutoritt der Eltern in solchen Fragen keine objektiv zureichendeBegrndung darstellt. Beide sehen in ihren Eltern ihre rechtmigenLehrer, denen zu glauben fr sie naturgem und gut ist. Und ist nichtdieses Urteil des Kindes durchaus berechtigt?

    Hier setzt die Lsung der Frage, wie sie in der Theorie der relativenGewiheit gegeben wird, an. Das praktische Urteil, durch das sich dasKind leiten lt, ist in der Tat richtig. Es ist fr das Kind in seinemunentwickelten Geisteszustand sittlich geboten, dem Urteil derer zuglauben, die Gott selbst ihm als erste Lehrer gegeben hat. Darum ist aberauch das theoretische Urteil sittlich gerechtfertigt, in dem das Kind dieWahrheit dessen annimmt, was ihm durch das Wort der Elternglaubwrdig gemacht wird, obwohl dieses Urteil durch deren Autorittobjektiv nicht hinreichend begrndet ist.

    177 Freilich wird fr das Kind einmal die Zeit kommen, da ihm die elterlicheAutoritt als Grund fr die Annahme der Voraussetzungen des Glaubens(praeambula dei) zweifelhaft wird. Wenn das nicht zu einerGlaubenskrise fhren soll, mssen dem heranwachsenden Kind bzw.Jugendlichen anstelle der allzu kindgemen Begrndung schrittweiseseinem wachsenden Verstndnis angemessene Grundlagen gebotenwerden. Es handelt sich also bei der Begrndung durch die Autoritt derEltern um eine Begrndung, die zwar fr das Kind, aber nicht frjedermann zur Gewiheit ausreicht. Eine solche Gewiheit ist also relativauf den noch unentwickelten Geisteszustand des Kindes; eben darumwird sie >relative Gewiheit genannt.

    Im brigen ist klar, da die dargelegte Theorie nur jene Grnde derGlaubwrdigkeit (rationes credibilitatis) bercksichtigen kann, die sichallgemein fr alle Menschen oder grere Gruppen von Menschendarbieten. Es ist aber durchaus nicht auszuschlieen, da persnlichereligise Erfahrungen dem Einzelnen eine grere Gewiheit gebenknnen.

    Anmerkungen Kapitel 91 Illud, quod inclinat ad assentiendum principiis intellectis aut

    conclusionibus scitis, est suciens inductivum et ideo etiam cogit adassensum:Thomas v.Aquin, Expositio super librum Bothii de trinitate,q. 3 a. 1 ad 4: ed. Decker, S. 114, Z. 10-12.

    1

    2 Aristoteles: De anima 3. 6: 430 a. 26-28. 23 Vgl. S. 21 f. 34 Vgl. S. 73. 45 Vgl. S. 91 f. 56 suspensio mentis inter utramque contradictionis partem. d. h. zwischen

    Ja und Nein.6

    7 Dieser Wahrscheinlichkeitsbegri ist jedenfalls zu unterscheiden vondem mathematischen Wahrscheinlichkeitsbegri. Dieser wird etwadeniert als das Zahlenverhltnis der fr ein bestimmtes Geschehengnstigen Flle zu allen mglichen Fllen. Wenn etwa in einer Lotterie100 000 Lose ausgegeben worden sind, von denen 100 einen Gewinnerwarten knnen, so ist die mathematische Wahrscheinlichkeit, da derKufer eines einzigen Loses einen Gewinn erzielt, 100: 100 000 =1:1000. Dieser Kufer wird dann aber gewi nicht sagen:Wahrscheinlich wird mein Los gewinnen, sondern er wird nur sagen:Mglicherweise gewinnt es. Hier zeigt sich deutlich der Unterschied der

    7

    J. de Vries: Grundfragen der Erkenntnis, Kapitel 9... http://82.135.31.182/deVries/kritik9.htm

    11 de 14 25/05/2015 15:18

  • mathematischen Wahrscheinlichkeit von der Wahrscheinlichkeit, wie siein der Umgangssprache und auch im philosophischen Sprachgebrauchverstanden wird. Nur jene mathematische Wahrscheinlichkeit, bei derein besonders gnstiges Zahlenverhltnis besteht, etwa das Verhltnis2: 3 oder auch etwa noch 1: 2 oder 1: 3, ist Wahrscheinlichkeit imSinn der Umgangssprache.

    8 Diese Auassung ndet sich z. B. bei Francisco Surez. Erunterscheidet zwar das bloe Denken als apprehensio composita(zusammengesetzte Vorstellung, Vorstellung eines Sachverhalts) ohneStellungnahme (non ferendo sententiam) vom eigentlichen Urteil, dasdie Zustimmung (adhaesio) zum gedachten Sachverhalt besage. Dannaber setzt er das Urteil in diesem Sinn, also die Zustimmung. mit derErkenntnis der Wahrheit gleich: Sooft der Verstand ein Prdikat zueinem Subjekt in Beziehung setzt (comparat). tut er das entweder mitder Erkenntnis, da das Prdikat dem Subjekt zukommt, oder mit derErkenntnis, da es ihm nicht zukommt, oder mit keiner der beidenErkenntnisse. Im dritten Fall haben wir eine bloe Vorstellung(apprehensio) ohne Urteil; im ersten und zweiten Fall dagegen einDenkgebilde, das Urteil ist (compositio iudicativa): De anima. lib. 3, c.6. n. 4 (Opera, ed. Vivs. t. 3. p. 637 s. ).

    8

    9 Auch diese Auassung ndet sich bei Surez: Nunquam potestintellectus in falsum iudicium incurrere, nisi per liberam motionemvoluntatis: Disp. met. d. 9 s. 2 n. 6. (Damit ist allerdings implizitzugegeben, da Urteil und Sehen der Wahrheit nicht dasselbe sind. )Ebenso Descartes: Woher kommen meine Irrtmer? Nur daher: Da derWille ein weiteres Feld hat als der Verstand, so halte ich ihn nicht in den(dem Verstand gesetzten) Grenzen, sondern lasse ihn sich auch auf daserstrecken, was ich nicht mit dem Verstand erfasse: Meditationes deprima philosophia, Med. 4 (Adam-Tannery, Bd. 7. S. 58, Z. 20-23). ZumVerstndnis des Textes ist zu beachten, da Descartes die Zustimmung(assensus) fr einen Willensakt hlt. Zum Problem des Irrtums undseiner Ursachen vgl. Leo W. Keeler, The Problem of Error from Plato toKant, Rom 1934; ferner: Balduin Schwarz, Der Irrtum in der Philosophie,Mnster 1934. mit Recht als Irrtum bezeichnet werden.

    9

    10 De actibus humanis: in der scholastischen Ethik und Moraltheologiebliches Kapitel.

    10

    11 error invincibilis, error involuntarius; der letztere Ausdruck schon beiThomas von Aquin: S. th. 1, 2 q. 19 a. 6. Der unberwindliche Irrtum ist natrlich als fr diesen Menschen in diesem Augenblickunberwindlicher Irrtum zu verstehen, nicht als ein Irrtum, der frjeden Menschen und zu allen Zeiten notwendig ist; sonst wre er nieals Irrtum erkennbar und knnte von keinem Menschen

    11

    12 Aristoteles: De caelo 3, 7; 306 a, 8 f. Ebd. 306 a, 11-13; Eth. Nic. 1,3; 1096 a, 2.

    12

    13 Aristoteles: Eth. Eud. 7, 2; 1236 b, 22. 1314 Aristoteles: De caelo 3, 7; 306 a, 29s. und 16s. 1415 Newman: An Essay in aid of a Grammar of Assent, London 1917, S.

    9-97. Deutsche bersetzung: Entwurf einer Zustimmungslehre. Mainz1961. S. 7-68.

    15

    16 A. a. O. Anm. 37. S. 376. 1617 Newman: Essay S. 22 f.; deutsche bers.: S. 16. 1718 our own thoughts: S. 20; dt. bers.: S. 14. 1819 S. 9: dt. bers.: S. 7. 1920 S. 47: dt. bers.: S. 33. 2021 S. 10 bzw. S. 7. 2122 S. 46 bzw. 32. 2223 S. 52 bzw. 36. 23

    J. de Vries: Grundfragen der Erkenntnis, Kapitel 9... http://82.135.31.182/deVries/kritik9.htm

    12 de 14 25/05/2015 15:18

  • 24 S. 55 bzw. 39. 2425 S. 82 bzw. S. 57 f. Vgl. hierzu auch die Lehre des Thomas von Aquin

    ber die Erkenntnis aufgrund von seelischer Verwandtschaft(connaturalitas): S. th. 2, 2 q. 45 a. 2. Die dort gemachteUnterscheidung eines Urteils aufgrund rationaler Untersuchung (exrationis inquisitione) und aufgrund der seelischen Verwandtschaft(secundum quandam connaturalitatem) kommt zum mindesten nahean Newmans Unterscheidung heran.

    25

    26 Vgl. hierzu z. B.: Joh. B. Lotz, Einben ins Meditieren am NeuenTestament, Frankfurt 1965, S. 115-121. Es ist klar, da gerade diechristliche Meditation darauf hinzielt, die zunchst etwa nur reinbegriich aufgefaten Inhalte des Glaubens zu realisieren. berNewmans Begri der Realisierung vgl.: Werner Becker, Realisierungund realizing bei John Henry Newman, in: Cardinal Newman-Studien,5. Folge, Nrnberg 1962, S. 269-282. Ferner: Franz Wiedmann, Theoriedes realen Denkens nach John Henry Newman, ebd., 4. Folge, Nrnberg1960, S. 144-248.

    26

    27 ber den Begri der Evidenz vgl. das 6. Kap. Wir verstehen hierEvidenz in dem dort umschriebenen weiten Sinn als jedesSich-Zeigen eines Sachverhaltes durch Grnde, die das Nichtsein desSachverhaltes (wenn auch nicht notwendig absolut) ausschlieen,mgen diese Grnde nun Grnde der Erfahrung, der apriorischenEinsicht, der Schlufolgerung oder eines glaubwrdigen Zeugnissessein. ber den von diesem abweichenden Begri der Evidenz etwabei Thomas von Aquin vgl. Paul Wilpert, Das Problem derWahrheitssicherung bei Thomas von Aquin, Mnster 1931, S. 71-83. BeiThomas wird der Sinn von Evidenz auf schauendes Erkenneneingeschrnkt.

    27

    28 Die Frage ist hier fast unvermeidlich: Wird durch diese Feststellungnicht der sogenannte Probabilismust als unvernnftig verurteilt? DerProbabilismus ist eines jener Systeme, die einen Weg weisen wollen,wie im Zweifel ber das Bestehen oder die Geltung einer allgemeinensittlichen Norm (eines Gesetzes) ein sicheres Gewissensurteil berdie hier und jetzt zu setzende Handlung gewonnen werden kann.Whrend der Probabiliorismus (ein anderes dieser Systeme)annimmt, nur dann sei es erlaubt, ein Gesetz hintanzusetzen, wennsein Nichtbestehen bzw. seine Nichtgeltung grere Wahrscheinlichkeitfr sich hat als sein Bestehen bzw. seine Geltung, lehrt der einfacheProbabilismus, immer dann sei es erlaubt, im praktischen Handelndas Gesetz hintanzusetzen, wenn sein Bestehen bzw. seine Geltungnicht (wenigstens moralisch) sicher, sondern nur wahrscheinlich sei,also auch dann, wenn sein Nichtbestehen bzw. seine Nichtgeltung nurdie geringere Wahrscheinlichkeit (aber eben doch eine echteWahrscheinlichkeit) fr sich hat. Es ist ja mglich, da sowohl fr wiegegen das Bestehen des Gesetzes beachtliche Grnde sprechen, unddadurch, da die Grnde fr die eine Seite beachtlicher sind als die frdie Gegenseite, werden die Gegengrnde nicht notwendig entkrftet;die Sache bleibt also zweifelhaft. Dann aber hlt sich der Probabilismusan den Leitsatz: Ein zweifelhaftes Gesetz verpichtet nicht (lex dubianon obligat). Bevorzugt er darum die weniger wahrscheinlicheMeinung? Durchaus nicht. Denn das Urteil, das der Probabilismusbevorzugt, ist nicht das Urteil ber das Nichtbestehen des Gesetzes,das nur ein entfernt praktisches Urteil (iudicium remote practicum)ist, sondern das unmittelbar praktische Gewissensurteil (iudiciumproxime practicum): Ich bin hier und jetzt nicht verpichtet, diesemunsicheren Gesetz zu folgen. Obwohl also bezglich des entferntpraktischen Urteils die Meinung, nach der das Gesetz besteht undgltig ist, als die wahrscheinlichere den Vorzug verdient (was auch derProbabilist zugibt), folgt daraus nach der Auassung des Probabilismusnicht, da dieses Gesetz das Gewissen unmittelbar bindet, eben weilnur ein sicheres Gesetz das Gewissen bindet.

    28

    J. de Vries: Grundfragen der Erkenntnis, Kapitel 9... http://82.135.31.182/deVries/kritik9.htm

    13 de 14 25/05/2015 15:18

  • 29 Vgl. die von Innozenz XI. zurckgewiesene These: Die bernatrliche,zum Heil dienliche Glaubenszustimmung ist vereinbar mit einer nurwahrscheinlichen Kenntnis der Oenbarung, ja sogar mit dem Zweifeldarber, ob Gott wirklich gesprochen habe: Assensus deisupernaturalis et utilis ad salutem stat cum notitia solum probabilirevelationis, immo cum formidine, qua quis formidat, ne non sit locutusDeus. Denzinger-Schnmetzer, Enchiridion symbolorum, ed. 32, Nr.2121 (in den lteren Auagen Nr. 1171).

    29

    2012 - Clemens Gul, HTML5, 2.Auage. Media Queries mit CSS3

    J. de Vries: Grundfragen der Erkenntnis, Kapitel 9... http://82.135.31.182/deVries/kritik9.htm

    14 de 14 25/05/2015 15:18