4
AUFSÄTZE | Yildirim, Kündigung von Bausparverträgen: Wirksamkeit und Folgen für den Bausparer keinen Wertersatz leisten. Der Makler hingegen kann die frei ge- wordene Mietwohnung erneut vermitteln. Dies wird der Situation des bei der Wohnungsbesichtigung überforderten Verbrauchers gerecht, der nachträglich seinen übereilten Vertragsschluss bereut. Neben dem Mietvertrag kann er sich auch von dem Maklervertrag und der Provision lösen. C. Ausblick: Einführung des Bestellerprinzips Im März wurde das Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestel- lerprinzips bei der Wohnungsvermittlung (Mietrechtsnovellie- rungsgesetz) verabschiedet. 62 Es tritt am 01.06.2015 in Kraft. I. Mögliche Vorteile für Mietinteressenten Mit Einführung des Bestellerprinzips soll derjenige, der den Makler beauftragt, im Erfolgsfall auch die Provision bezahlen. Hierbei wurde den langjährigen Forderungen des Deutschen Mieterbundes Rechnung getragen, um der verschärften Wohn- raumsituation in den Ballungszentren gerecht zu werden. 63 Mit dieser Regelung sollen bestellende Mietinteressenten weiterhin die bezahlte Arbeitserleichterung durch den Makler nutzen kön- nen. In Regionen mit Wohnungsknappheit hingegen müssten Makler, die Wohnungen für Vermieter inserieren, auch von den Vermietern bezahlt werden und nicht wie bisher von den Mie- tern. II. Umgehungsgefahren Neben einem vorhersehbaren großen Aufschrei unter den Mak- lern, die ihre Existenz gefährdet sehen, ist auf Mieterseite frag- Kündigung von Bausparverträgen: Wirksamkeit und Folgen für den Bausparer Von RAin Dr. Nuriye Yildirim, München * Ein Großteil der deutschen Bevölkerung verfügt über einen Bausparvertrag mit dem Ziel, ein zinsgünstiges Baudarlehen zu erlangen. Dafür spart der Bausparer ein Guthaben an, auf wel- ches die Altverträge Verzinsungen von über 2,5 % Zinsen vorse- hen. Die aktuelle Niedrigzinslage lässt diese Verträge für die Bausparkassen zu einer schweren Bürde werden. Der vermeint- liche Befreiungsschlag ist die Kündigung dieser Verträge. In den letzten Jahren haben Bausparkassen wie Wüstenrot, LBS und BHW zusammen ca. 50.000 Verträge gekündigt. Sicher ist diese Zahl nicht abschließend. Dieser Beitrag erörtert die Vorausset- zungen einer wirksamen Kündigung eines Bausparvertrages durch die Bausparkassen, die jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn die vereinbarte Bausparsumme erreicht ist. 258 | VuR 7/2015 lich, ob diese Regelung im Ergebnis langfristig zu finanziellen Vorteilen bei den Wohnraumsuchenden führt. Gerade in Groß- städten mit Wohnungsknappheit werden Inserierende von tele- fonischen und elektronischen Anfragen überflutet. Dem folgen zahlreiche zeitintensive Termine, Besichtigungen und Gespräche mit anschließender Auswertung der Unterlagen nach dem geeig- netsten Mieter. Nicht wenige Vermieter werden trotz der Kosten einen Makler beauftragen, um sich diesen Aufwand zu ersparen. Die angefallenen Provisionskosten könnten vom Vermieter auf die monatlichen Mietpreise je nach Fluktuationsrate umgelegt werden. Die ebenso vorgesehene Mietpreisbremse könnte eine Umlegung jedoch zumindest teilweise begrenzen. Zudem kön- nen Vermieter die Provision bei Vermietung als Werbungskosten i.S.d. § 9 Abs. 1 S.1 EStG steuerlich absetzen, sodass sie im Er- gebnis nicht mit dem vollen Betrag belastet werden. Dennoch könnte unter dem Strich die Rendite aus der Immobilie sinken. D. Fazit Im Ergebnis ist der Verbraucherwiderruf jedenfalls nach der Ge- setzesnovellierung kein geeignetes Instrument für schutzwürdige Wohnungssuchende. Interessengerechter erscheint die Lösung des österreichischen Rechts, die Zahlungspflicht an den Miet- vertrag sowie den erhaltenen Mehrwert zu koppeln. Vorerst bleibt jedoch abzuwarten, ob das Bestellerprinzip die Erwartun- gen erfüllen und Wohnraumsuchende entlasten kann. Langfris- tig wäre eine Anpassung des Maklerrechts auch für Immobilien- käufe erstrebenswert. 62 BGBl. 2015 I, 610. 63 Redaktion FD-MietR, FD-MietR 2014, 356454. A. Wesen des Bausparvertrages Die Grundidee eines Bausparvertrages ist es, monatliche Spar- einlagen in einer Spargemeinschaft anzusammeln, um für ein Bauvorhaben ein zinsgünstiges Bauspardarlehen zu erbringen. Die Rechtsgrundlagen für diesen Vertragstyp finden sich in dem Bausparkassengesetz (abgekürzt: BSpkG) sowie hieraus resultie- rend in den Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ab- gekürzt: ABB) wieder. Nach den ABB ist das Bausparen „zielge- richtetes Sparen, um für wohnungswirtschaftliche Verwendun- gen Darlehen zu erlangen, deren Verzinsung niedrig, von An- * Die Autorin ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht in der Kanzlei Wilhelm Lachmair & Kollegen.

VuR - · PDF fileseiner Entscheidung vom 07.12.2010, Az. XI ZR 3/10 offen ge-lassen.5 Nach der wohl überwiegenden Meinung stellt der Bau

  • Upload
    vandien

  • View
    217

  • Download
    1

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: VuR -  · PDF fileseiner Entscheidung vom 07.12.2010, Az. XI ZR 3/10 offen ge-lassen.5 Nach der wohl überwiegenden Meinung stellt der Bau

AU FSÄT Z E | Yildirim, Kündigung von Bausparverträgen: Wirksamkeit und Folgen für den Bausparer

nomos.vur.2015.0007.cic.xml (vur.fmt), Seite 18 von 40, 22-06-15 10:35:00

keinen Wertersatz leisten. Der Makler hingegen kann die frei ge-wordene Mietwohnung erneut vermitteln.

Dies wird der Situation des bei der Wohnungsbesichtigungüberforderten Verbrauchers gerecht, der nachträglich seinenübereilten Vertragsschluss bereut. Neben dem Mietvertrag kanner sich auch von dem Maklervertrag und der Provision lösen.

C. Ausblick: Einführung des Bestellerprinzips

Im März wurde das Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs aufangespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestel-lerprinzips bei der Wohnungsvermittlung (Mietrechtsnovellie-rungsgesetz) verabschiedet.62 Es tritt am 01.06.2015 in Kraft.

I. Mögliche Vorteile für Mietinteressenten

Mit Einführung des Bestellerprinzips soll derjenige, der denMakler beauftragt, im Erfolgsfall auch die Provision bezahlen.Hierbei wurde den langjährigen Forderungen des DeutschenMieterbundes Rechnung getragen, um der verschärften Wohn-raumsituation in den Ballungszentren gerecht zu werden.63 Mitdieser Regelung sollen bestellende Mietinteressenten weiterhindie bezahlte Arbeitserleichterung durch den Makler nutzen kön-nen. In Regionen mit Wohnungsknappheit hingegen müsstenMakler, die Wohnungen für Vermieter inserieren, auch von denVermietern bezahlt werden und nicht wie bisher von den Mie-tern.

II. Umgehungsgefahren

Neben einem vorhersehbaren großen Aufschrei unter den Mak-lern, die ihre Existenz gefährdet sehen, ist auf Mieterseite frag-

Kündigung von Bausparverträgen: Wirksamkeit und Folgenfür den BausparerVon RAin Dr. Nuriye Yildirim, München*

Ein Großteil der deutschen Bevölkerung verfügt über einenBausparvertrag mit dem Ziel, ein zinsgünstiges Baudarlehen zuerlangen. Dafür spart der Bausparer ein Guthaben an, auf wel-ches die Altverträge Verzinsungen von über 2,5 % Zinsen vorse-hen. Die aktuelle Niedrigzinslage lässt diese Verträge für dieBausparkassen zu einer schweren Bürde werden. Der vermeint-liche Befreiungsschlag ist die Kündigung dieser Verträge. In denletzten Jahren haben Bausparkassen wie Wüstenrot, LBS undBHW zusammen ca. 50.000 Verträge gekündigt. Sicher ist dieseZahl nicht abschließend. Dieser Beitrag erörtert die Vorausset-zungen einer wirksamen Kündigung eines Bausparvertragesdurch die Bausparkassen, die jedenfalls dann anzunehmen ist,wenn die vereinbarte Bausparsumme erreicht ist.

258 | VuR 7/2015

lich, ob diese Regelung im Ergebnis langfristig zu finanziellenVorteilen bei den Wohnraumsuchenden führt. Gerade in Groß-städten mit Wohnungsknappheit werden Inserierende von tele-fonischen und elektronischen Anfragen überflutet. Dem folgenzahlreiche zeitintensive Termine, Besichtigungen und Gesprächemit anschließender Auswertung der Unterlagen nach dem geeig-netsten Mieter. Nicht wenige Vermieter werden trotz der Kosteneinen Makler beauftragen, um sich diesen Aufwand zu ersparen.Die angefallenen Provisionskosten könnten vom Vermieter aufdie monatlichen Mietpreise je nach Fluktuationsrate umgelegtwerden. Die ebenso vorgesehene Mietpreisbremse könnte eineUmlegung jedoch zumindest teilweise begrenzen. Zudem kön-nen Vermieter die Provision bei Vermietung als Werbungskosteni.S.d. § 9 Abs. 1 S.1 EStG steuerlich absetzen, sodass sie im Er-gebnis nicht mit dem vollen Betrag belastet werden. Dennochkönnte unter dem Strich die Rendite aus der Immobilie sinken.

D. Fazit

Im Ergebnis ist der Verbraucherwiderruf jedenfalls nach der Ge-setzesnovellierung kein geeignetes Instrument für schutzwürdigeWohnungssuchende. Interessengerechter erscheint die Lösungdes österreichischen Rechts, die Zahlungspflicht an den Miet-vertrag sowie den erhaltenen Mehrwert zu koppeln. Vorerstbleibt jedoch abzuwarten, ob das Bestellerprinzip die Erwartun-gen erfüllen und Wohnraumsuchende entlasten kann. Langfris-tig wäre eine Anpassung des Maklerrechts auch für Immobilien-käufe erstrebenswert.

62 BGBl. 2015 I, 610.63 Redaktion FD-MietR, FD-MietR 2014, 356454.

A. Wesen des Bausparvertrages

Die Grundidee eines Bausparvertrages ist es, monatliche Spar-einlagen in einer Spargemeinschaft anzusammeln, um für einBauvorhaben ein zinsgünstiges Bauspardarlehen zu erbringen.Die Rechtsgrundlagen für diesen Vertragstyp finden sich in demBausparkassengesetz (abgekürzt: BSpkG) sowie hieraus resultie-rend in den Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ab-gekürzt: ABB) wieder. Nach den ABB ist das Bausparen „zielge-richtetes Sparen, um für wohnungswirtschaftliche Verwendun-gen Darlehen zu erlangen, deren Verzinsung niedrig, von An-

* Die Autorin ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht in derKanzlei Wilhelm Lachmair & Kollegen.

Page 2: VuR -  · PDF fileseiner Entscheidung vom 07.12.2010, Az. XI ZR 3/10 offen ge-lassen.5 Nach der wohl überwiegenden Meinung stellt der Bau

Yildirim, Kündigung von Bausparverträgen: Wirksamkeit und Folgen für den Bausparer | AU FSÄT Z E

nomos.vur.2015.0007.cic.xml (vur.fmt), Seite 19 von 40, 22-06-15 10:35:00

fang an fest vereinbart und von Zinsschwankungen am Kapital-markt unabhängig ist“.

Gemäß § 1 BSpkG ist der Bausparvertrag ein Vertrag zwi-schen einem Bausparer und einer Bausparkasse, durch den derBausparer nach Leistung von Bauspareinlagen einen Rechtsan-spruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens erwirbt. Hierfürvereinbaren die Bausparkasse und der Bausparer eine Bauspar-summe sowie feste Zinssätze auf das anzusparende Guthabenund für das zeitversetzte Darlehen. Der Bausparer verzichtet da-bei während der Ansparung auf marktübliche Renditen für seinGuthaben, um bei der Inanspruchnahme des Bauspardarlehensdieses zu besonders günstigen Konditionen zu erhalten.1 DerGeschäftszweck des Bausparvertrages besteht daher darin, demBausparer ein Anwartschaftsrecht auf ein zinsgünstiges Bau-spardarlehen durch die Bausparkasse zu gewähren.

Nichts anderes ergibt sich aus der Legaldefinition für Bau-sparkassen laut § 1 Abs. 1 S. 1 BSpkG. Demnach sind Bauspar-kassen Kreditinstitute, deren Geschäftsbetrieb darauf gerichtetist, Einlagen von Bausparern (Bauspareinlagen) entgegenzuneh-men und aus den angesammelten Beträgen den Bausparern fürwohnungswirtschaftliche Maßnahmen Gelddarlehen (Bauspar-darlehen) zu gewähren. Eine zinsgünstige Geldanlage, wie esvereinzelt vertreten werden mag, ist das Bauspardarlehen nicht.2

Hierfür wäre dieser ohnehin völlig ungeeignet, da zu Hochzins-zeiten deutlich höhere Renditen als 4 % für Bausparverträge inAussicht gestellt wurden.

B. Rechtsnatur des Bausparvertrages

Aus dem Wesen des Bausparvertrages wird deutlich, dass dieseraus einer Sparphase und einer Darlehensphase besteht. In derSparphase sammelt der Bausparer mit seinen regelmäßigen Leis-tungen ein Guthaben an, welches er der Spargemeinschaft alsKapitalstock für ein Bauspardarlehen an andere Bausparer zurVerfügung stellt. In der Darlehensphase profitiert der Bausparervon dem angesparten Guthaben seiner Mitsparer, indem er sichdie Differenz zwischen der vereinbarten Bausparsumme unddem angesammelten Guthaben, welches aus den Spareinlagen,den Zinsen und den sonstigen Gutschriften besteht, als Bauspar-darlehen auszahlen lässt.3

Teilweise wird für jede Phase des Bausparvertrages vom Vor-liegen eines Darlehensvertrages gemäß §§ 488 ff. BGB ausge-gangen.4 Der Bausparvertrag als Ganzes wird nach dieser Auf-fassung wiederum als ein Vorvertrag zum Darlehensvertrag defi-niert, da zu seinem Abschlusszeitpunkt weder die Zuteilungnoch das Zustandekommen des Bauspardarlehens sicher seien.Der BGH hat die rechtliche Einordnung des Bausparvertrages inseiner Entscheidung vom 07.12.2010, Az. XI ZR 3/10 offen ge-lassen.5 Nach der wohl überwiegenden Meinung stellt der Bau-sparvertrag einen einheitlichen Darlehensvertrag dar6, bei demin der Ansparphase die Bausparkasse Darlehensnehmerin istund zur Darlehensgeberin in der Darlehensphase wird. Es findetalso ein wechselseitiger Rollentausch statt.7

Die letztgenannte Meinung überzeugt. Die Klassifizierung alsVorvertrag für einen Darlehensvertrag als Minus zum Darle-hensvertrag wird dem Sinn und Zweck des Bausparvertrages

VuR 7/2015 | 259

nicht gerecht. Durch den Abschluss des Bausparvertrages wirddem Bausparer die Anwartschaft, ein zinsgünstiges Baudarlehenzu erlangen, eingeräumt. Darin ist die vertraglich vereinbarteLeistung der Bausparkasse zu sehen.8 Die Bausparkasse wird zurDarlehensgewährung verpflichtet, ohne dass der Bausparer sei-nerseits zur Vorleistung verpflichtet wird.9 Charakteristikum ei-nes Bausparvertrages ist daher nicht etwa die tatsächliche Inan-spruchnahme eines Bauspardarlehens. Vielmehr ist ausschließ-lich die Einräumung einer Anwartschaft auf ein zinsgünstigesBaudarlehen das Wesensmerkmal des Bausparvertrages. Daherkommt es auf den Zeitpunkt der Zuteilungsreife genauso wenigan wie darauf, ob das Bauspardarlehen de facto gewährt wird.

C. Kündbarkeit des Bausparvertrages durch dieBausparkasse

Die ABB räumen den Bausparkassen nur in bestimmten Konstel-lationen ein Kündigungsrecht in der Ansparphase ein. Das ist inder Regel dann möglich, wenn sich der Bausparer mit mehr alszwei Regelbeiträgen in Verzug befindet und trotz einer schriftli-chen Mahnung die rückständigen Beiträge nicht ausgleicht. Einedarüber hinausgehende, ordentliche Kündigungsmöglichkeit se-hen die ABB nicht vor.

Inwieweit ein gesetzliches Kündigungsrecht besteht, wird inder Rechtsprechung bislang uneinheitlich gesehen. Die Bauspar-kassen leiten ein gesetzliches Kündigungsrecht aus § 489 Abs. 1Nr. 2 BGB10 her. Nach Auffassung des OLG München ist dieseRegelung nicht anwendbar, da sie als Nachfolgeregelung von§ 609 a a.F. eine verbraucherschützende Norm darstellt.11 DieOLG Stuttgart und Frankfurt am Main sowie die LG Mainzund Ulm nehmen hingegen eine Anwendbarkeit der §§ 488, 489BGB auf Bausparkassen an. Im Ergebnis dürfte diese Ansicht zu-

1 BGH, Urt. v. 07.12.2010, Az. XI ZR 3/10.2 So auch Graf von Westphalen/Thüsing-Fandrich, Vertragsrecht und

AGB-Klauselwerke, 2014, Bausparbedingungen (ABB), Rn. 5; OLG Stutt-gart, Beschl. v. 14.10.2011, Az. 9 U 151/11 sowie LG Mainz, Urt. v.28.07.2014, Az. 5 O 1/14, wenn auch letzteres im Ergebnis unzutref-fend.

3 Staudinger-Mülbert, Neubearbeitung 2011, § 488 Rn. 538; Münch-KommBGB-Berger, 6. Auflage 2012, Vor §§ 488 ff. Rn. 28.

4 Graf von Westphalen/Thüsing-Fandrich, Vertragsrecht und AGB-Klau-selwerke, 2014, Bausparbedingungen (ABB), Rn. 5; Schäfer/Cirpka/Zehnder, Bausparkassengesetz und Bausparkassenverordnung, 5. Aufl.1999, Anhang 19, 572 ff., 581 ff.

5 BGH, Urt. v. 07.12.2010, Az. XI ZR 3/10 m.w.V.. Hingegen nehmen eineneinheitlichen Darlehensvertrag an: OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.10.2011,Az. 9 U 151/11; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 02.10.2013, Az. 19 U106/13; LG Mainz, Urt. v. 28.07.2014, Az. 5 O 1/14.

6 Palandt-Weidenkaff, 74. Auflage 2015,Vorb v § 488 Rn. 17; Staudinger-Mülbert, Neubearbeitung 2011, § 488 Rn. 538; MünchKommBGB-Ber-ger, 6. Auflage 2012, Vor §§ 488 ff. Rn. 28; Mülbert/Schmitz, FS Horn2006, 779.

7 Vgl. auch OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.10.2011, Az. 9 U 151/11; OLG Frank-furt am Main, Beschl. v. 02.10.2013, Az. 19 U 106/13.

8 So auch der BGH, Urt. v. 07.12.2010, Az. XI ZR 3/10.9 Mülbert/Schmitz, FS Horn 2006, 779.

10 Die Anwendbarkeit der Vorschriften §§ 488 ff. BGB für Verträge, dievor dem 01.01.2002 entstanden sind, folgt aus Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB.

11 Vgl. OLG München, Urt. v. 21.11.2011, Az. 19 U 3638/11, wobei es hierbeium die Fälligkeit einer Forderung aus einem Sparkassenbrief/Na-mensschuldverschreibung und nicht um einen Bausparvertrag ging.Dort war der Vertrag lediglich mit „Darlehensvertrag“ überschrieben.Die Unanwendbarkeit hat es insbesondere auf teleologische Gesichts-punkte begründet unter Hinweis auf eine Entscheidung des OLGStuttgart, Urt. v. 09.12.1998, Az. 9 U 177/98.

Page 3: VuR -  · PDF fileseiner Entscheidung vom 07.12.2010, Az. XI ZR 3/10 offen ge-lassen.5 Nach der wohl überwiegenden Meinung stellt der Bau

AU FSÄT Z E | Yildirim, Kündigung von Bausparverträgen: Wirksamkeit und Folgen für den Bausparer

nomos.vur.2015.0007.cic.xml (vur.fmt), Seite 20 von 40, 22-06-15 10:35:00

treffend sein, wofür insbesondere die Gesetzessystematikspricht. Denn mit der Schuldrechtsmodernisierung sind die spe-ziellen verbraucherschützenden Regelungen nunmehr in den§§ 491 ff. BGB geregelt. Die Vorschriften §§ 488, 489 BGB wer-den ferner nur noch mit „Darlehensvertrag“ überschrieben undgelten auch für Darlehensverträge zwischen Unternehmen.12

Es ist einheitliche Auffassung in der Rechtsprechung und inder Literatur, dass der Bausparvertrag gekündigt werden kann,wenn die vollständige Bausparsumme erreicht ist.13 Zur Bau-sparsumme dürften auch die Zinsen und Boni auf die Spareinla-gen zu rechnen sein. Das OLG Frankfurt am Main geht in sei-nem Beschluss vom 02.10.2013, Az. 19 U 106/13 zutreffend da-von aus, dass ein Kündigungsrecht bis zum Zeitpunkt der Voll-besparung des Bausparvertrages ausgeschlossen ist.14 Auch dasLG Mainz hat zunächst richtig erkannt: „[..], dass die Bauspar-kasse den Bausparvertrag nicht kündigen darf, wenn sie da-durch dem Bausparer den Anspruch auf das Tilgungsdarlehenentzieht.“ Dies bedeutet, dass der Bausparvertrag solange un-kündbar ist, wie die Auszahlung des Tilgungsdarlehens möglichist und der Bausparer seine hierzu erforderlichen planmäßigenSparpflichten erfüllt.“.15 Allerdings geht das LG unzutreffenddavon aus, dass der Zweck des Bausparvertrages nicht mehr ge-geben sei, wenn der Bausparer seine regelmäßigen Einlagen aus-gesetzt hat. Denn das LG Mainz setzt voraus bzw. konstruiertunzutreffend eine Vorleistungspflicht des Bausparers und ver-kennt den Zweck des Bausparvertrages. Die Entscheidung desLG ist im Ergebnis nicht überzeugend.

Ist die Bausparsumme voll angespart, ist die Differenz zwi-schen dem Bausparguthaben und der Bausparsumme null. Indiesem Fall hat der Bausparer keine Anwartschaft mehr auf einDarlehen. Folglich fällt der Sinn und Zweck des Bausparvertra-ges, nämlich die Gewährung eines Bauspardarlehens weg. DerBausparer verzichtet faktisch darauf, ein Bauspardarlehen inAnspruch zu nehmen, wenn er die Bausparsumme voll ange-spart hat.16 Damit bringt er auch hinreichend seinen Willen zumAusdruck, an dem Bausparvertrag, der aus seiner Sicht sinnent-leert ist, nicht mehr festhalten zu möchten. Für diesen Fall wirdein ordentliches Kündigungsrecht in § 488 Abs. 3 BGB gese-hen.17 Daneben wird auch eine Kündigungsmöglichkeit aus§ 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB unter Einhaltung einer Kündigungsfristvon sechs Monaten hergleitet, wenn zehn Jahre nach dem voll-ständigen Empfang des Darlehens vergangen sind. Eine An-wendbarkeit des § 489 Abs. 1 Nr. 1 BGB hingegen scheitert be-reits an der Anwendbarkeit dieser Regelung, da ein bestimmteLaufzeit für die Sollzinsbindung bei den Bausparverträgen nichtvorgesehen ist.

Anders hingegen verhält es sich, wenn der Bausparvertragnicht vollständig angespart, also die Bausparsumme nicht er-reicht wurde. Dann besteht für den Bausparer nach wie vor dieAnwartschaft auf ein Spardarlehen. Kündigt die Bausparkasseden Bausparvertrag in der Ansparphase, würde sie dem Bauspa-rer die Möglichkeit zur Erlangung eines Bauspardarlehens ent-ziehen.18

Dieses Vorgehen ist nicht durch § 488 Abs. 3 BGB gedeckt.Zwar findet diese Regelung Anwendung auf Bausparverträge,da sie Darlehensverträge mit unbestimmter Laufzeit sind.19 Al-

260 | VuR 7/2015

lerdings könnten sich die Bausparkassen beliebig, bereits kurzeZeit nach Abschluss des Bausparvertrages ihrer Leistungspflichtfreisprechen und sich somit über den Zweck des Bausparvertra-ges hinwegsetzen. Ein jederzeitiges, ordentliches Kündigungs-recht ist hiermit nicht vereinbar.20 Zumal der Bausparer bei Ab-schluss des Bausparvertrages Gebühren entrichtet und mit sei-nen Spareinlagen in Vorleistung tritt.

Die Bausparkassen selbst berufen sich in diesen Fällen auf§ 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Demnach setzt eine Kündbarkeit vo-raus, dass zehn Jahre nach dem vollständigen Empfang des Dar-lehens verstrichen sind. Dann erst beginnt die sechsmonatigeKündigungsfrist zu laufen. Erforderlich ist dafür der vollstän-dige Empfang des Darlehens. Die Bausparkassen möchten einenvollständigen Empfang des Darlehens dann annehmen, wenndie Mindestsumme angespart wurde und dieses Guthaben eineZeit lang in dem Vermögen der Zweckgemeinschaft verbliebenist. Mit Eintritt der Zuteilungsreife habe die Bausparkasse alsDarlehensnehmerin das Darlehen, also die Spareinlagen desBausparers vollständig empfangen.

Eine Kündigung im Sinne von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB schlägtjedoch aus verschiedenen Gründen fehl. Sowohl Bausparer alsauch Bausparkasse gehen mit dem Abschluss des Bausparvertra-ges eine langfristige Bindung gerade hinsichtlich der Spareinla-gen einerseits und zinsgünstiger Darlehenskonditionen anderer-seits ein. Die Beendigung des Bausparvertrages in der Anspar-phase würde nur dem Interesse der Bausparkasse gerecht, da sieauf diese Weise die aus ihrer Sicht ungünstigen Sparzinsen um-gehen könnte. Das Zinsrisiko ist jedoch ein gegenseitiges Risiko,welches langfristigen Verträgen wie einem Bausparvertrag im-manent ist. Dennoch nehmen beide Vertragspartner dieses Ri-siko bewusst in Kauf und profitieren davon.

Ein ordentliches Kündigungsrecht in der Ansparphase ver-schiebt diese Risikoverteilung einseitig zu Lasten des Bauspa-rers. Dieser hätte seine Spareinlagen und die Abschlussgebührenerbracht, auf marktübliche Guthabenszinsen verzichtet, wärezugleich der Gefahr einer Kündigung durch die Bausparkasseausgesetzt und würde sein Anwartschaftsrecht auf ein zinsgüns-tiges Darlehen verlieren. Das ist mit dem Zweck des Bausparver-trages nicht vereinbar.

Die Zuteilungsreife kann aus einem weiteren Grund nicht alsvollständig empfangenes Darlehen bewertet werden: Der Bau-sparer ist schon laut den eigenen ABB der Bausparkassen nichtverpflichtet, die Zuteilungsreife anzunehmen, er kann weiter an-

12 Palandt-Weidenkaff, 74. Auflage 2015, Einf v § 488, Rn. 3.13 BGH, Urt. v. 07.12.2010, Az. XI ZR 3/10; Mülbert/Schmitz, FS Horn 2006,

779.14 Das OLG Frankfurt am Main hatte zuvor einen Hinweisbeschluss nach

§ 522 ZPO erteilt, in dem es zur Begründung insbesondere auf denZweck des Bauspardarlehens abgestellt hat. So auch das OLG Stutt-gart, Urt. v.14.10.2011, Az. 9 U 151/11. Bei dieser Entscheidung ging esebenfalls um vollständig besparte Bausparverträge.

15 Vgl. auch OLG Stuttgart, Beschl. v.14.10.2011, Az. 9 U 151/11.16 OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.10.2011, Az. 9 U 151/11.17 OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.10.2011, Az. 9 U 151/11; LG Hannover, Urt. v.

25.09.2009, Az. 13 O 14/09 und dieses später bestätigt durch OLGCelle, Beschl. v. 09.12.2009, Az. 3 u 257/09.

18 OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.10.2011, Az. 9 U 151/11.19 Mülbert/Schmitz, FS Horn 2006, 782.20 Mülbert/Schmitz, FS Horn 2006, 782; MünchKommBGB-Berger, (Fn. 6),

Vor § 488 Rn. 29.

Page 4: VuR -  · PDF fileseiner Entscheidung vom 07.12.2010, Az. XI ZR 3/10 offen ge-lassen.5 Nach der wohl überwiegenden Meinung stellt der Bau

Bankrecht | R E C H TS P R E C H U N G

nomos.vur.2015.0007.cic.xml (vur.fmt), Seite 21 von 40, 22-06-15 10:35:00

sparen und die ursprünglich vereinbarte Bausparsumme erwei-tern. In diesem Fall kann die Bausparkasse nicht zehn Jahre nachder angebotenen Zuteilungsreife eine Kündigung gemäß § 489Abs. 1 Nr. 2 BGB aussprechen. Die Zehnjahresfrist laut § 489Abs. 1 Nr. 2 BGB beginnt bei Ablehnung der erstmaligen Zutei-lungsreife und dem weiteren Besparen nicht zu laufen. Aus die-sem Grund dürften die derzeit ausgesprochenen Kündigungennicht rechtswirksam sein.

Wollte man für die Kündbarkeit auf eine einseitig erklärte Zu-teilungsreife durch die Bausparkasse abstellen, könnte die Bau-parkasse das Anwartschaftsrecht des Bausparers sehr leicht aus-hebeln. Im Ergebnis kommt es daher auf die Zuteilungsreifenicht an, da hierfür neben dem Angebot eine Annahme durchden Bausparer Voraussetzung ist.

RECHTSPRECHUNG

Bankrecht

Unzulässige Klausel gegenüber Privatkundenbezüglich Kosten für geduldete Überziehungen

Folgende Klausel ist in Vereinbarungen über geduldete Konto-überziehungen mit Verbrauchern unzulässig: „Die Kosten fürgeduldete Überziehungen, die ab dem Zeitpunkt der Überzie-hung anfallen, betragen 6,90 Euro (Stand August 2012) undwerden im Falle einer geduldeten Überziehung einmalig proRechnungsabschluss berechnet.“(Orientierungssatz der LandesrechtsprechungsdatenbankHessen)

OLG Frankfurt, Urt. v. 04.12.2014, Az. 1 U 170/13 (Vorinstanz: LGFrankfurt, Urt. v. 21.06.2013, Az. 2-12 O 345/12, anhängig beimBGH unter Az. XI ZR 9/15)

bearbeitet und Anmerkung von RA Dr. Achim Tiffe, Hamburg

Sachverhalt (zusammengefasst):

Der Verbraucherzentrale Bundesverband hatte die Klausel derDeutschen Bank für unzulässig gehalten, in der neben demÜberziehungszins von 16,5 % p.a. für eine geduldete Überzie-hung ein zusätzlicher Mindestbetrag in Höhe von 6,90 Euro ver-langt wurde und Klage vor dem LG Frankfurt erhoben. Das LGFrankfurt hatte die Klage mit dem Hinweis abgewiesen, es han-dele sich um eine Preishauptabrede, die sich der Inhaltskontrollegem. § 307 Abs. 3 BGB entziehe. Eine Intransparenz der Klausellehnte das LG Frankfurt ebenso ab. Der Verbraucherverbandhat daraufhin Berufung eingelegt.

VuR 7/2015 | 261

D. Fazit

Stellt sich heraus, dass die Kündigung unwirksam ist, ist dasVertragsverhältnis unverändert fortzusetzen. Eine wirksame Be-endigung des Bausparvertrages kann nur bei vollständiger An-sparung der Bausparsumme einseitig durch die Bausparkasseoder einvernehmlich bei Annahme der Zuteilungsreife durchden Bausparer in Betracht kommen. Für die Frage, ob das Darle-hen vollständig empfangen wurde, kommt es auf die Zuteilungs-reife nicht an. Denn diese setzt voraus, dass der Bausparer dasAngebot der Bausparkasse in Anspruch nimmt. Lehnt er es aboder entscheidet er sich dafür, die Bausparsumme zu erweitern,wird das Vertragsverhältnis fortgesetzt. Die einseitige Kündi-gung durch die Bausparkasse gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB istdann nicht zulässig.

Die Deutsche Bank hat gegenüber Privatkunden in den „Be-dingungen für geduldete Überziehungen …“ mit Gültigkeit ab16.07.2012 unter anderem folgende Klauseln verwendet:

„5. Die Höhe des Sollzinssatzes für geduldete Überziehun-gen, der ab dem Zeitpunkt der Überziehung anfällt, beträgt16,50 % p.a. (Stand August 2012). Die Sollzinsen für gedul-dete Überziehungen fallen nicht an, soweit diese die Kostender geduldeten Überziehung (siehe Nr. 8) nicht übersteigen.“„8. Die Kosten für geduldete Überziehungen, die ab demZeitpunkt der Überziehung anfallen, betragen 6,90 Euro(Stand August 2012) und werden im Falle einer geduldetenÜberziehung einmalig pro Rechnungsabschluss berechnet.Die Kosten für geduldete Überziehung fallen jedoch nicht an,soweit die angefallenen Sollzinsen für geduldete Überziehun-gen diese Kosten übersteigen.“Das OLG Frankfurt hat sich in der Berufung der Position des

Verbraucherverbands angeschlossen, die Klausel als Preisneben-abrede gewertet und darin eine unangemessene Benachteiligunggem. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB gesehen. Darüber hi-naus sah es darin einen Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB. Nachder Entscheidung des OLG Frankfurt ist daher ein fixes Entgeltfür das Überschreiten einer Überziehungsgrenze neben denÜberziehungszinsen unzulässig.

Die Deutsche Bank hat Revision eingelegt, die das OLGFrankfurt im Urteil ausdrücklich zugelassen hatte. Ein Terminfür die mündliche Verhandlung beim BGH ist bisher nicht be-kannt.

Gründe (zusammengefasst):

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass es sich bei der ver-wendeten Klausel der Bank um eine kontrollfähige Preisneben-