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Waldgut Bücher 2019-2 Maria Arnold Vietnam 1969 Eine Schweizerin an der Frontlinie in Dakto Autobiographische Erzählung Herausgegeben von Irène Bourquin Reihe ZeitZeugnis, Band 2 ISBN 978-3-03740-144-6 ca. 140 Seiten, ca. CHF 26.– / ca. EUR 24.– Maria Arnold Vietnam 1969 Eine Schweizerin an der Frontlinie in Dak To Im Alter von knapp 20 Jahren reist die Schweizerin Maria Arnold im Frühjahr 1969 nach Vietnam, um im Kriegsgebiet als medizinische Arzthelferin tätig zu sein. Was sie dort erlebt, sieht, hört, erfährt, hat sie als Mensch geprägt und beschäftigt sie – auch als Künstlerin – bis heute. Schon während ihrer Einsätze hat Maria Arnold ge- zeichnet: 1969 in Dak To, Mittelvietnam, an der Front- linie; 1970 in einem Waisenhaus in Saigon; 1973-75 in Buon Hang Hai im Süden, wo sie gegen Ende des Krieges, zusammen mit ihrem Team, in Ge- fangenschaft des Vietcong geriet und in den Dschungel verschleppt wurde. Später hat sie ihre Erinnerungen aufgeschrieben, in Schüben, zunächst auf Französisch. 2017 sind Maria Arnolds Texte auf Deutsch in einem Katalog erschienen, anlässlich ihrer Ausstellung «Warum erlaubt uns die Natur, die Au- gen zu schliessen» in der Kunsthalle Luzern. Band 2 der Reihe «ZeitZeugnis» bringt eine überar- beitete und erweiterte Fassung von Maria Arnolds Erinnerungen an ihren ersten Einsatz, 1969 in Dak To. Das Buch ist dem Bergvolk gewidmet, den «Monta- gnards», speziell den Sedang und Bahnar, deren Hei- mat zur «Free Fire Zone» erklärt worden war. Diese Stämme waren daher gezwungen, in Flüchtlingsla- gern an der Frontlinie Zuflucht zu suchen. Ihre Häu- ser und neu angelegten Felder wurden immer wieder durch den Krieg zerstört. Auch in Dak To, wo Maria Arnold in der medizinischen Station arbeitete, lebten die Flüchtlinge in ständiger Angst vor den häufigen Bombenangriffen. Manche Kinder kamen zwischen Spinnen, Skorpionen und Kröten zur Welt, in Erdlö- chern, die als Bunker dienten. In Maria Arnolds Texten wird erschütternd deutlich, wie sich die Kriege der Großmächte, ihre ideolo- gischen und geopolitischen Kämpfe, auf die Bevöl- kerung der betroffenen Gebiete auswirken – damals wie heute. Die eigenwillige literarische Sprache, die Maria Ar- nold für die Aufzeichnung ihrer Erinnerungen gefun- den hat, zeugt aber auch von einer Faszination, vom Eintauchen in eine fremde Welt im Fernen Osten. Maria Arnold *1949 in Luzern. Ausbildung zur Arztge- hilfin. Zwischen 1969 und 1975 vier Jahre berufliche Tätigkeit in Südvietnam. Darauf folgten fünf Jahre grafische Ausbildung an der Schule für Gestaltung Luzern. Von 1983-1985 war Maria Arnold Mitarbeiterin im Grafikkollektiv Grapus in Paris. 1985 Gründung des eigenen grafischen Ateliers in Paris. Zusätzlich Realisa- tion von persönlichen Projekten: zwei Künstlerbücher über Vietnam. Danach größere Malserien. 1995 Auflö- sung des grafischen Ateliers. Seither ist Maria Arnold freischaffende Künstlerin. Sie hatte Lehraufträge in Luzern, Zürich, Paris und Orléans. Ausstellungen in Paris, Luzern, Köln, Kriens u.a. Maria Arnold lebt heu- te in Paris und Kriens. Leuchtspurmunition sticht in den Nachbarwald. Auf dem Stützpunkt ist Hochbetrieb. Eine Leucht- rakete nach der anderen geht hoch. Und es wird Tag mitten in der Nacht. Ich ertappe mich einmal mehr beim Genuss des Schauspiels, alle Gefahren und Fragen vergessend. Die Phosphorlichter über uns hängen an seidenen Fallschirmchen. Ihr zi- schendes Geräusch wird immer lauter, bis sie in der Nähe ins Gras purzeln. Noch ein kurzes Aufbe- gehren und Schluss. Phosphorgeruch steigt mir in die Nase. Dort, wo der feindliche Soldat so oft im Schatten des Bananenbaumes gestanden hat und jetzt verschwunden ist, sind jetzt sie. Morgen früh werden Familienväter in die verbotene Zone ein- dringen und die seidenen Fallschirmchen einsam- meln, denn diese sind begehrt als Halstuch, Stirn- band und als Windeln für die ganz Kleinen.

Waldgut Bücher 2019-2

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Page 1: Waldgut Bücher 2019-2

Waldgut Bücher 2019-2

Maria ArnoldVietnam 1969Eine Schweizerin an der Frontlinie in DaktoAutobiographische ErzählungHerausgegeben von Irène BourquinReihe ZeitZeugnis, Band 2ISBN 978-3-03740-144-6ca. 140 Seiten, ca. CHF 26.– / ca. EUR 24.–

Maria Arnold

Vietnam 1969Eine Schweizerin an der Frontlinie in Dak To

Im Alter von knapp 20 Jahren reist die Schweizerin Maria Arnold im Frühjahr 1969 nach Vietnam, um im Kriegsgebiet als medizinische Arzthelferin tätig zu sein. Was sie dort erlebt, sieht, hört, erfährt, hat sie als Mensch geprägt und beschäftigt sie – auch als Künstlerin – bis heute. Schon während ihrer Einsätze hat Maria Arnold ge-zeichnet: 1969 in Dak To, Mittelvietnam, an der Front-linie; 1970 in einem Waisenhaus in Saigon; 1973-75 in Buon Hang Hai im Süden, wo sie gegen Ende des Krieges, zusammen mit ihrem Team, in Ge-fangenschaft des Vietcong geriet und in den Dschungel verschleppt wurde. Später hat sie ihre Erinnerungen aufgeschrieben, in Schüben, zunächst auf Französisch. 2017 sind Maria Arnolds Texte auf Deutsch in einem Katalog erschienen, anlässlich ihrer Ausstellung «Warum erlaubt uns die Natur, die Au-gen zu schliessen» in der Kunsthalle Luzern.

Band 2 der Reihe «ZeitZeugnis» bringt eine überar-beitete und erweiterte Fassung von Maria Arnolds Erinnerungen an ihren ersten Einsatz, 1969 in Dak To. Das Buch ist dem Bergvolk gewidmet, den «Monta-gnards», speziell den Sedang und Bahnar, deren Hei-mat zur «Free Fire Zone» erklärt worden war. Diese Stämme waren daher gezwungen, in Flüchtlingsla-gern an der Frontlinie Zuflucht zu suchen. Ihre Häu-ser und neu angelegten Felder wurden immer wieder durch den Krieg zerstört. Auch in Dak To, wo Maria Arnold in der medizinischen Station arbeitete, lebten die Flüchtlinge in ständiger Angst vor den häufigen Bombenangriffen. Manche Kinder kamen zwischen Spinnen, Skorpionen und Kröten zur Welt, in Erdlö-chern, die als Bunker dienten.In Maria Arnolds Texten wird erschütternd deutlich, wie sich die Kriege der Großmächte, ihre ideolo-gischen und geopolitischen Kämpfe, auf die Bevöl-kerung der betroffenen Gebiete auswirken – damals wie heute.Die eigenwillige literarische Sprache, die Maria Ar-nold für die Aufzeichnung ihrer Erinnerungen gefun-den hat, zeugt aber auch von einer Faszination, vom Eintauchen in eine fremde Welt im Fernen Osten.

Maria Arnold*1949 in Luzern.Ausbildung zur Arztge-hilfin. Zwischen 1969 und 1975 vier Jahre berufliche Tätigkeit in Südvietnam. Darauf folgten fünf Jahre grafische Ausbildung an der Schule für Gestaltung Luzern. Von 1983-1985 war Maria Arnold Mitarbeiterin im Grafikkollektiv Grapus in Paris. 1985 Gründung des eigenen grafischen Ateliers in Paris. Zusätzlich Realisa-tion von persönlichen Projekten: zwei Künstlerbücher über Vietnam. Danach größere Malserien. 1995 Auflö-sung des grafischen Ateliers. Seither ist Maria Arnold freischaffende Künstlerin. Sie hatte Lehraufträge in Luzern, Zürich, Paris und Orléans. Ausstellungen in Paris, Luzern, Köln, Kriens u.a. Maria Arnold lebt heu-te in Paris und Kriens.

Leuchtspurmunition sticht in den Nachbarwald. Auf dem Stützpunkt ist Hochbetrieb. Eine Leucht­rakete nach der anderen geht hoch. Und es wird Tag mitten in der Nacht. Ich ertappe mich einmal mehr beim Genuss des Schauspiels, alle Gefahren und Fragen vergessend. Die Phosphorlichter über uns hängen an seidenen Fallschirmchen. Ihr zi­schendes Geräusch wird immer lauter, bis sie in der Nähe ins Gras purzeln. Noch ein kurzes Aufbe­gehren und Schluss. Phosphorgeruch steigt mir in die Nase. Dort, wo der feindliche Soldat so oft im Schatten des Bananenbaumes gestanden hat und jetzt verschwunden ist, sind jetzt sie. Morgen früh werden Familienväter in die verbotene Zone ein­dringen und die seidenen Fallschirmchen einsam­meln, denn diese sind begehrt als Halstuch, Stirn­band und als Windeln für die ganz Kleinen.

Page 2: Waldgut Bücher 2019-2

Bäume sind Persönlichkeiten, die ganz andere Heraus-forderungen des Lebens bestehen müssen als wir Men-schen. Bäume sind auch ästhetisch und ihre Struktur ist oft als Bild faszinierend. Ich habe ururalte Bäume gesehen: in der Bretagne die 1000-jährige Eiche der «Forêt de Brocéliande»; in Sri Lanka den 2000-jährigen Bodhi-Baum von Anuradhapura, der als ältester von Menschenhand gepflanzter Baum gilt. Einst, als Kind, habe ich eine Eichel und eine Kastanie in Töpfe gesteckt und sah die jungen Bäume wachsen – heute sind beide riesig.

Seit 1991 wohne ich in Schottikon (Elsau) nahe am Wald, den ich vom Schreibtisch aus sehe. Auf Spaziergängen durch Wald und Feld entstehen oft Gedichte, die ich im Gehen memoriere und später zu Hause aufschreibe. Eine Auswahl findet sich in diesem Band.In den letzten drei Jahren habe ich neben dem Schreiben fotografiert. Bald zeigte sich, dass auch hier der Wald ein Hauptthema ist. Diese Fotos nenne ich «Bildgedichte» – Lyrik mit anderen Mitteln. Sie sind jeweils begleitet von einem Ein-Wort-Gedicht: eine lyrische Wortfindung, ein Spracheinfall oder ein «normales» Wort. Dieses Begleitwort kann das Bild in Sprache fassen, ihm eine zusätzliche Bedeutung geben oder in eine vorstellbare Geschichte hinter dem Bild führen. Irène Bourquin

Irène Bourquin

WaldmelodieFotos & Lyrik

Irène Bourquin*1950 in Zürich.Studium der Geschichte und Germanistik an der Universität Zürich. Pro-motion 1976.Sie war Kulturredakteu-rin und Journalistin; heu-te Autorin, Lektorin und Herausgeberin.Zahlreiche Publikationen seit 1986: Lyrik, Kurzpro-sa, Erzählungen, Essays.

Vier Theaterstücke, Hörspiele und Chansontexte.

Acht Bücher bei Waldgut, zuletzt:2018 Im Bauch des Hauses, Neue Prosa2016 Schaukelnd im grünen Atem des Meeres,

Ligurien • Côte d'Azur • Provence • Katalonien, Gedichte

2014 Der Fuchs ist ein Symboltier, Erzählung2012 Herbstflut, Bretagne – eine Liebesgeschichte

(zusammen mit Oskar Pfenninger)2011 Türkismäander, Island • Irland • Bretagne, Gedichte

Weitere Informationen auf www.irene-bourquin.ch.

Irène BourquinWaldmelodieFotos & LyrikReihe Kunst & Textca. 208 SeitenISBN 978-3-03740-145-3ca. CHF 35.– / ca. EUR 33.–

Aufmarsch

Baumvolk

Waldorgelzieht alle RegisterRauschen und BrausenWispern und WehenKnacken und Knistern

aufgewühlt das Grüntanzt in die Nacht

Grillen zirpenunbeirrt

Schaukelnddie Spiegelbildermächtiger Bäumeim Herbstteich –goldgrün die einzelne Birkeauf winziger Inselreckt sich ins Licht

Platschgeräuschfallender Eicheln

Page 3: Waldgut Bücher 2019-2

Dieser Band bringt neue Gedichte von Ruth Loosli, die als Lyrikerin schon lange ihren eigenen Ton gefunden hat. Leichtfüßig, mit schrägem Wortwitz und oft inhaltlich oder formal überraschenden Wendungen, geht sie ganz verschiedene Themen an: Sprache, Natur und Mensch, ironische Selbstbetrachtung, Familie, Freundschaft, Ge-sellschaft und Politik, Religion und Zeit. Es gelingt ihr, auch ernste Inhalte – Flüchtlingsproblem, Klimawandel, Tod – so in ihre Sprache zu fassen, dass das Lesen nachdenklich, aber nicht schwermütig macht.

Ruth Looslis stetige Beschäftigung mit dem Schreiben spiegelt sich auch in ihren dichten Schreibbildern, von denen einige den Lyrikband begleiten.

Ruth Loosli*1959 in Aarberg, in Worben im Berner Seeland aufge-wachsen. Ausbildung zur Primarlehrerin. Seit 2002 lebt und arbeitet Ruth Loosli in Winterthur, wo sie sich in verschiedenen Bereichen für die Literatur engagiert.Ruth Loosli hat drei erwach-sene Kinder.Hungrige Tastatur ist ihr dritter Lyrikband. Weitere Informationen auf www.ruthloosli.ch.

Ruth LoosliHungrige TastaturGedichteReihe lektur, Band 59ca. 100 SeitenISBN 978-3-03740-146-0ca. CHF 24.–ca. EUR 22.–

Iren Baumann*1939 in Cobham, England.Lebt als Lyrikerin in Zürich.

Bisher im Waldgut erschienen:2016 An einem dieser Abende2014 In stummer Ruh lag Babylon2011 Noch während die Pendler

heimfahren2006 Die Gesichter schon weiß

Iren BaumannEin paar Schwebe-sekundenGedichteReihe lektur, Band 60ca. 64 SeitenISBN 978-3-03740-147-7ca. CHF 22.–ca. EUR 20.–

Foto: Yvonne Böhler

Geschichten, Gefühle, Ideen, Beobachtungen, Erkennt-nisse, Lob und Kritik hoch konzentriert und in freie Verse gebracht, welche die oft scheinbar schwierige Ma-terie leicht herüberbringen und zum Weiterlesen und -denken anspornen – das ist der Stil der neuen Gedichte von Iren Baumann. Sogenannt alltägliche Themen oder Stichwörter wie zum Beispiel Begrüßung, Der Tag, Vom Zögern, Comic, Um Haaresbreite, Der Brief, Seenotruf, Der Maulwurf, Gespräche mit Häusern, Veränderungen, Liebeskummer, Die Ausrede, Kind im Karton, Hochzeit, Nacht mit Melville erfahren kreative Ausdeutung und oft überraschende Sprachbilder und Denkresultate – immer mit dem Ziel: bisher Gewohntes, Gewöhnliches, Selbst-verständliches, Unrefl ektiertes durch die poetische Spra-che der Dichterin neu zu erleben, sich anzueignen und vielleicht sogar nützlich zu machen.

Der Mensch

Wie will man wissenob auf der bewaldeten Seiteeine Route vom Hügelkammzur Römerbrücke über den Bach führtwo doch der Blick an den lila Tupferndes Hibiskusstrauchs hängenbleibt …Erst wenn ein Fußgängerim hellen Hemd dort hinabsteigtwird der Weg in seiner ganzen Längesichtbar

Foto: Anne Bürgisser

Aufmarsch

Baumvolk

Man wechselt die Perspektive

Man verwirft die Geschichtedie Farbe der Linsenden Duft des Parfums.

Man schiebt die Hirnhälftenhin und her vergnügt sich inkühner Manier.

Hört das Sirren der Synapsendas beinahe lautlose Drehender Sufi s, den Wind.

Page 4: Waldgut Bücher 2019-2

Buchhandelsvertretung

Markus Wieser Tel. +41 (0)44 2603605Fax +41 (0)44 2603606 [email protected]

Waldgut Verlag & Atelier Bodoni

Industriestr. 23CH-8500 Frauenfeld Tel. +41 (0)52 [email protected]

Alle Titelinformationen, Autoren­porträts, Fotos, Rezensionen, Veranstaltungstipps und Archiv­beiträge auf:

www.waldgut.ch

Auslieferungen

• Schweiz

AVA Verlagsauslieferung AG Centralweg 16, CH-8910 Affoltern a. A. Tel. +41 (0)44 7624200, Fax +41 (0)44 7624210 [email protected]

• Deutschland und Österreich

SOVA GmbH Philipp-Reis-Str. 17, D-63477 Maintal Tel. +49 (0)6181 9088072, Fax 9088073 [email protected]

Barbara Traber

Auf den Brücken der FreundschaftEin Leben zwischen Literatur und Musik

Barbara Traber*1943 in Thun.Handelsdiplom, Auslandsaufent-halte in London, Lagos, Paris. Lebt in Worb BE.Freie Autorin, Übersetzerin, He-rausgeberin von Mundartlitera-tur, Lektorin, Redaktorin.Zahlreiche Veröffentlichungen: Lyrik, Romane, Erzählungen, auch in Mundart (Berndeutsch), Sachbücher.

Barbara TraberAuf den Brückender FreundschaftEin Leben zwischenLiteratur und Musikca. 300 SeitenISBN978-3-03740-148-4ca. CHF 26.–ca. EUR 24.–

Eva, noch nicht zwanzig und begierig auf die weite Welt, nimmt 1962 eine Stelle in Genf an, um ihre Franzö-sischkenntnisse zu vervollkommnen. Mit theoretischem Wissen vollgestopft, aber wenig Lebenserfahrung wird die Handelsschülerin, kaum hat sie das Diplom in der Ta-sche, ins kalte Wasser geworfen und muss sich in der Pra-xis als Korrespondentin in einer Fabrik bewähren. Zum ersten Mal wohnt sie allein, bei einer Schlummermutter, und will endlich auf eigenen Füßen stehen. Sie entdeckt die internationale Stadt Genf, schwärmt für einen Stu-denten und fühlt sich einsam. Ihre wahren Freunde sind Bücher, die für sie immer wichtiger werden. Als ihr Vertrag abgelaufen ist, zieht sie weiter zu zwei Damen in Westengland. Dort wird das Au-pair jedoch als ein Dienstmädchen ausgenutzt. Sie rebelliert und reist nach London, wo sie eine neue Stelle sucht. Durch Zufall landet sie im Haushalt des jüdischen Kompo-nisten Franz Reizenstein und lernt einen Schriftsteller kennen, für den sie als Privatsekretärin tätig sein darf – den späteren Nobelpreisträger Elias Canetti. Die Be-gegnung mit Canetti wirkt sich noch Jahrzehnte später auf das Leben der Protagonistin aus.Die Lehr- und Lesejahre von Eva sind autobiografisch geprägt, aber zugleich ein in jeder Hinsicht starkes Bei-spiel, welche Hindernisse junge Frauen damals über-winden mussten, um sich von den Eltern abzunabeln und einen eigenen Weg zu finden. Foto: Markus Traber

«Enchanté», sagte Pierre und streckte mir mit einem gewinnenden Lächeln seine Hand entgegen. «Wir werden uns sicher noch öfters sehen. Leider bin ich in Eile. A bientôt», und er zwinkerte mir verschwö­rerisch zu. Ich verstand sofort, was er meinte: Er war gerade froh, unserer neugierigen Hausbesitzerin zu entkommen, sicher hatte sie ihn bereits eine Weile in Beschlag genommen. Ich schaute kurz in seine blauen (oder grauen?) Augen, er gefiel mir auf den ersten

Blick. Ich spürte seinen Händedruck – und schon war er leider um die nächste Ecke verschwunden. Er war nicht viel größer als ich, stellte ich fest, aber ich hätte ihn nicht im Detail beschreiben können, es ging viel zu schnell, und natürlich errötete ich aus lauter Ver­legenheit und Freude. Von nun an wartete ich insge­heim auf die nächste Begegnung mit ihm, sah mich jeden Tag nach ihm um, hoffte, von ihm angespro­chen zu werden.