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Walter Wippersberg - Der Kater Konstantin

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Walter Wippersberg

Der KaterKonstantin

Jubiläumsausgabe:30 Jahre „Kater Konstantin”

60. Geburtstag von Walter Wippersberg

Walter Wippersberg

Der Kater Konstantin

Mit Zeichnungenvon Helga Demmer

Drei Bücher in einem Band:

Der Kater Konstantin

Konstantin wird berühmt

Konstantin auf Reisen

Gekü rzt er A bdru ck a u s:Der Ka ter Kon sta n t in

© 1 9 7 3 Obelisk-V er la g , In n sbr u ckKon sta n t in w ir d ber ü h m t

© 1 9 7 4 Obelisk-V er la g , In n sbr u ckKon sta n t in a u f Reisen

© 1 9 7 5 Obelisk-V er la g , In n sbr u ck

Neu e Rech tsch r eibu n g

Lektor a t : In g e A u böckCov er g esta ltu n g : Ca r ola Holla n d

Sa m m elba n d5. n eu gest a lt et e A u fla ge

© 2 01 1 , 2 005 , 1 9 9 3 by Obelisk-V er la g ,In n sbr u ck-Wien

ISBN 9 7 8 -3 -8 5 1 9 7 -4 9 7 -3

Der Kater Konstantin

Ein Kater will ins Schwimmbad

Es war an einem Donnerstagnachmittag imSommer.

Der Bäckermeister Semmelweiß öffnete seineLadentür – aber nur einen Spalt breit. Erblinzelte hinaus auf die Stifterstraße.

„Was für eine Hitze!”, stöhnte er.

Als Bäcker war Herr Semmelweiß Hitzegewohnt.

In seiner Backstube war es auch nicht geradekalt, aber doch nicht halb so heiß wie hierzwischen den Häusern. Zumindest glaubte dasHerr Semmelweiß.

„Heiß wie in einem Backofen ist es!”, seufzte er.„So eine richtige Backofenhitze hält nicht einmalein Bäcker aus.”

Die Stifterstraße lag ein wenig abseits v omgroßen Verkehr. Sie war ein ruhigesSeitengässchen. Aber heute schienen selbst dieHäuser zu schlafen. Damit die Hitze nicht auchin die Zimmer kroch, hatten die Leute ihreFenster v erhängt.

„Das sieht aus, als wären den Häusern dieAugen zugefallen – v or Müdigkeit und Hitze”,dachte Herr Semmelweiß.

Dann gähnte er laut. Die Hand hielt er sichnicht v or den Mund. Dazu war er v iel zuschläfrig.

Aber was machte das schon aus? Heute ließsich ohnehin keine Menschenseele auf der Straßeblicken.

Nur ein großer schwarzer Kater schlich daher.Herr Semmelweiß gähnte noch einmal.„Ich werde mich ein Stündchen aufs Ohr

legen”, beschloss er. „Die Leute gehen ja doch erstam Abend einkaufen, wenn es ein bisschenkühler ist.”

Da kam der große schwarze Kater v or seinemLaden an. Er stellte sich auf die Hinterbeine undsagte höflich:

„Guten Tag, mein Herr. Können Sie mir bitteden Weg zum Schwimmbad zeigen?”

„Schwimmbad?”, fragte Herr Semmelweiß undüberlegte. „Hm, ganz einfach. Da gehst du dieStifterstraße hinunter …”

Weiter kam er nicht.„Ja, und weiter?”, fragte der Kater.Aber Herr Semmelweiß sah plötzlich aus, als

hätte man sein Gesicht mit Mehl bestäubt. Soblass war er geworden.

„Eine sprechende Katze!”, murmelte er.Dann griff er sich mit beiden Händen an den

Kopf und stotterte: „Das darf doch nicht wahrsein! Eine sprechende Katze! Ich glaube … o Gott,o Gott … ich fürchte, ich war zu lange in der

Sonne. Ich habe einen Sonnenstich!”Herr Semmelweiß knallte die Ladentür zu –

und schrie gleich danach ganz schrecklich auf.Er hatte nämlich den Kopf noch nicht ganzzurückgezogen gehabt und sich die Nasenspitzeeingezwickt.

„Warum werfen Sie sich selber die Tür an denKopf?”, fragte der Kater erstaunt. Er standimmer noch auf den Hinterpfoten. „Sie müssen esanders machen: Zuerst den Kopf zurückziehenund dann die Tür v on innen schließen.”

Da stammelte der Bäcker: „Ja. Danke! VielenDank für den Tipp!” Und er tat, wie ihm derKater geraten hatte.

Das große schwarze Tier trat näher an diegeschlossene Ladentür heran.

So konnte es hören, wie der Bäcker drinnenimmer wieder rief: „Hilfe! Einen Arzt! Ich habeeine sprechende Katze gesehen! Ich habe einenSonnenstich! Hilfe!”

Der Kater schüttelte den Kopf. „SeltsameGeschöpfe, diese Menschen!”, meinte er zu sichselber.

Dann ließ er sich wieder auf die Vorderpfoten

nieder und trippelte weiter. Die Stifterstraßenickte wieder ein und schlief noch ein Weilchen.

Nichts rührte sich, nur die heiße Luftflimmerte über dem Straßenpflaster.

Da traten zwei Kinder aus einem Haus. Einhoch aufgeschossener, magerer Junge und einpummeliges Mädchen.

„Puh!”, ächzte der Junge.Die Hitze v erschlug ihm fast den Atem.„Komm, beeilen wir uns!”, drängte das

Mädchen.Die beiden rannten los.Aber schon an der nächsten Straßenecke

sprach sie jemand an: „Hallo, ihr zwei! Bin ichhier richtig?Ist das die Stifterstraße?”

Die Kinder blickten sich um.Wer hatte da gesprochen?Es war niemand da – nur ein großer schwarzer

Kater.Dieses Tier aber richtete sich auf die

Hinterbeine auf und fragte: „Steht da obenStifterstraße?”

Mit seiner rechten Vorderpfote deutete es die

Hausmauer hinauf. Dort war ein Straßenschildangebracht.

„Ja”, antwortete der Junge.Und das Mädchen sagte noch: „Da oben steht

Stifterstraße.”„Ihr glaubt wahrscheinlich, ich kann nicht

lesen”, meinte der Kater und strich v erlegenüber seine Schnurrbarthaare. „Aber das stimmtnicht. Ich kann sogar sehr gut lesen. Nur bin ichleider ziemlich kurzsichtig.”

„Da solltest du dir eine Brille besorgen”, schlugder Junge lachend v or.

„Woher denn?”, fragte der Kater. „Woher solleine Katze eine Brille bekommen?”

Er sagte das ein wenig traurig.„Du müsstest lustig aussehen mit Gläsern v or

den Augen”, meinte der Junge.Aber das Mädchen widersprach:„Nein. Du wärst mit einer Brille genauso

hübsch wie jetzt.”Da begann der Kater auf einmal zu schnurren.Und ein bisschen eitel fragte er:„Du findest mich wirklich hübsch?”„O ja, sehr!”, wollte das Mädchen rufen. Aber

da erschrak es.Und gleichzeitig erschrak auch sein Bruder.„Ich weiß schon”, sagte das große schwarze Tier

und grinste freundlich. „Ihr habt auch noch nieeinen sprechenden Kater getroffen, wie?”

„Nein”, flüsterte das Mädchen.Und der Junge stammelte: „So etwas gibt es

doch gar nicht. Höchstens in denMärchenbüchern.”

„Ja eben”, meinte der Kater.„Was eben?”, fragte der Junge.

„Ich bin aus so einer Art Märchendav ongelaufen. Aus einer Geschichte. Sie warnoch gar nicht fertig.”

Die Kinder v erstanden den Kater nicht.„Ich kann es euch erklären. Aber wir sollten

nicht zu lange in der Sonne stehen. Sonstbekommen wir einen Sonnenstich.”

Dem Kater gefiel das neue Wort, das er v omBäckermeister Semmelweiß gelernt hatte.

„Wo wollt ihr beide denn hin?”„Ins Schwimmbad.”„Fein!” Der Kater freute sich. „Da möchte ich

auch hin. Nehmt ihr mich mit?”„Natürlich”, sagte der Junge.Und das Mädchen rief: „Na, dann! Worauf

warten wir noch?”Also gingen alle drei los.Und der Kater erzählte:„Etwas außerhalb der Stadt – oben auf dem

Schlossberg -, da wohnt ein Schriftsteller. Ihrwisst doch, was ein Schriftsteller ist?”

„Klar”, meinte der Junge, „das ist einer, derGeschichten schreibt.”

Der Kater nickte.

„Der da oben heißt Fliederbusch. Er schreibtGeschichten für Kinder. Gestern am Abend hat ersich hingesetzt und hat eine neue Geschichteangefangen. Da kommt ein großer schwarzerKater darin v or. Und der bin ich.”

„Aber warum bist du denn dav ongelaufen?”,wollte das Mädchen wissen.

„Ich durfte überhaupt nichts tun, was mirSpaß machte. Es sollte in dieser Geschichtezugehen wie in den alten Märchen. Die Tieresollten sprechen wie die Menschen. Und das findeich dumm. Tiere sprechen wie Tiere, nicht wieMenschen. Aber Herr Fliederbusch v ersteht janichts v on Tieren – und v on Katzen schon garnichts. Ich muss darum sprechen wie einMensch. Herr Fliederbusch wollte es so. Dagegenkonnte ich nichts tun. Aber was er michsprechen ließ! Ihr könnt euch nicht v orstellen,wie langweilig das war. Dreimal bin ich mittenin einem Satz eingeschlafen v or lauterLangeweile.”

„Und? Weiter?”, drängte der Junge.„Heute zu Mittag war mir schrecklich heiß.

Da habe ich zu Herrn Fliederbusch gesagt: ‚Ich

möchte baden gehen.’ Aber der war ganz böse:‚Dazu ist keine Zeit. Wir müssen die Geschichtefertig schreiben', hat er gesagt. – Und wisst ihr,was er noch gesagt hat?”

„Nein. Keine Ahnung.”„Er hat gesagt, Katzen wären wasserscheu! –

Da bin ich einfach dav ongelaufen. Bei einemMann, der so etwas glaubt, bleibe ich nicht.”

Das Mädchen lachte: „Da sitzt dieser HerrFliederbusch jetzt aber schön in der Tinte.”

„O nein!”, entgegnete der Kater. „Er sitztwahrscheinlich an seinem Schreibtisch unddenkt sich eine neue Geschichte aus. Ich habe ihnimmer nur auf einem Stuhl sitzen sehen, niemalsin der Tinte.”

„In der Tinte sitzen, das ist doch nur so eineRedensart”, erklärte das Mädchen lachend.

„Redensarten v erstehe ich nicht”, sagte derKater. „Ich v erstehe nur Wörter und Sätze. Wenndu Tinte sagst, dann ist das für mich eineFlüssigkeit zum Schreiben, eben Tinte.”

Die drei gingen weiter.Plötzlich blieb das Mädchen noch einmal

stehen.

„Jetzt weiß ich nicht: Bist du nun ein richtigerKater oder …?”

„Greif mich einmal an!”, forderte der Kater dasMädchen auf und streckte ihm die rechteVorderpfote hin.

Das Mädchen nahm sie. Es war eine richtigesamt-weiche Katzenpfote.

„Übrigens, ich heiße Konstantin”, stellte sichder Kater v or.

„Und ich heiße Uschi.”Da reichte auch der Junge dem Kater die

Hand.„Ich heiße Philipp. Aber alle sagen Flip zu mir.”„Schön, dass ich euch getroffen habe.”Konstantin v erbeugte sich höflich.„Darf ich dich auch ein bisschen streicheln?”,

fragte Uschi.„O ja!” Die grünen Augen Konstantins

leuchteten auf v or Freude. „Hier unten am Halshabe ich es am liebsten.”

Da kraulte Uschi den Hals des Katers undPhilipp streichelte seinen Kopf. Konstantin gefieldas so gut, dass er schnurrte wie … na eben wieein Kater, der sich sehr, sehr wohl fühlt.

Dann aber meinte er: „Das könnte stundenlangso weitergehen. Wenn es hier nur nicht so heißwäre!”

„Hat dich Herr Fliederbusch nie gestreichelt?”,erkundigte sich Uschi.

„Nicht ein einziges Mal!”, fauchte Konstantinwütend. „Ich sage euch ja: Er hat keine Ahnungv on Katzen. Ich bin wirklich froh, dass ich euchgetroffen habe.”

Jetzt beeilten sich die drei aber.Sie kamen im Laufschritt v or dem

Schwimmbad an.Neben dem Eingang hing eine Tafel mit den

Eintrittspreisen.Der Kater Konstantin zwickte die Augen

zusammen. So konnte er besser lesen, was daraufstand.

„Muss man da wirklich fürs Baden bezahlen?”,fragte er erstaunt. „Ich habe nämlich kein Geld.Wo sollte ich es auch haben? Mein Fell hat jakeine Taschen, wo ich's einstecken könnte.”

Philipp griff in seine Hosentasche. Er zog einpaar Münzen heraus. „Das wird auch für dichreichen”, tröstete er Konstantin.

Dann ging er zur Kassa. Ein junger braungebrannter Mann saß dahinter.

„Zweimal Kinder und einmal Katze”, v erlangtePhilipp.

„Katze?” Der junge Mann lachte. „Katzendürfen nicht ins Schwimmbad.”

„Aber einmal könnten Sie doch eine Ausnahmemachen”, bat Philipp. „Es ist nämlich eine ganzbesondere Katze.”

Er drehte sich nach Konstantin um.„Komm, Konstantin, sag etwas! Zeig dem

Herrn, was du kannst.”Aber der Kater sagte nur: „Miau!”Der junge Mann lachte wieder. Er kam hinter

seinem Schalter herv or und kniete nebenKonstantin nieder.

„Tut mir Leid, Mieze. Aber das musst du dir ausdem Kopf schlagen. Es ist behördlich v erboten,Tiere mit ins Bad zu nehmen.”

Da lief der Kater zurück auf die Straße. Uschiund Philipp hinter ihm nach.

Und sie sahen: Konstantin saß auf demGehsteig und hämmerte mit den Vorderpfotenauf seinen Kopf ein.

„Was machst du denn da?”, rief Uschierschrocken.

„Der Mann hat gesagt, ich muss es mir ausdem Kopf schlagen”, sagte Konstantin undtrommelte weiter auf seinen Kopf.

„Aber das ist doch wieder nur so eineRedensart”, lachte Philipp.

Da ließ der Kater erleichtert seine Pfotensinken.

„Da bin ich aber froh. Das Aus-dem-Kopf-Schlagen tut nämlich ordentlich weh. Ich seheschon, mit euren Redensarten werde ich es nichtleicht haben.”

„Warum hast du denn mit dem Mann an derKasse nicht gesprochen?”, fragte Philipp. „Einensprechenden Kater hätte er bestimmthineingelassen.”

Konstantin aber machte ein beleidigtesGesicht.

„Wenn er mich als gewöhnlichen Kater nichtbaden lässt, dann will ich auch als sprechenderKater nicht hinein. Ich glaube, es gibt hier in derNähe einen Fluss. Dann werde ich eben dortbaden.”

„Und ich habe mich schon so darauf gefreut,dass du mit uns kommst”, sagte Uschienttäuscht.

Konstantin schielte zu ihr hinauf. Dann lachteer.

„Weißt du nicht, dass Katzen ein ganz famosesGehirn haben? Und dieses famose Katzenhirnwird sich eben etwas einfallen lassen. Achtung,aufgepasst!”

Konstantin setzte sich auf seine Hinterpfoten,legte sorgsam den Schwanz um die Vorderpfotenund drückte fest die Augen zu. Bald darauf riefer: „Eins, zwei, drei, ich hab's!”

„Was denn?”„Das werdet ihr schon sehen. Geht nur v oraus,

ich komme nach.”Die beiden Kinder zögerten.„Geht nur”, meinte der Kater. „Ich komme

nach, ganz bestimmt.”Da kauften Uschi und Philipp ihre

Eintrittskarten.Der Kater schaute ihnen nach. Sie

v erschwanden im Schwimmbad.Konstantin blieb noch eine Weile auf dem

Gehsteig sitzen, dann machte er sich auf denWeg.

Der Herr Bürgermeister hat es erlaubt

Zweimal schlich der Kater Konstantin rund umdas Schwimmbad, dann fand er ein kleines Lochim Zaun. Er machte sich ganz schmal undschlüpfte durch.

„Jetzt muss ich nur noch Uschi und Flipsuchen”, dachte Konstantin.

Damit er sie auch wieder fand, hatte er sich diebeiden Kinder ganz genau angesehen:

Uschi trug ein blaues Leinenkleid, Philipp hattekurze weiße Hosen an und ein knallrotes Hemdmit kurzen Ärmeln …

Als sich Konstantin aber jetzt umsah, erschraker.

Auf der Wiese, auf den Holzliegen rund um diebeiden Schwimmbecken und im Wasser, da gabes so v iele Menschen. Große Menschen, kleineMenschen. Und das Schlimmste war: Alle warenbeinahe nackt. Sie trugen nur winzigeBadeanzüge oder Badehosen. Nicht ein einzigesMädchen hatte ein Kleid an, und nicht eineinziger Junge trug ein Hemd.

Wie sollte der kurzsichtige Kater Konstantin daUschi und Philipp herausfinden?

Das war ganz und gar aussichtslos.„Nun ja”, überlegte Konstantin, „wenn ich die

beiden nicht finden kann, dann müssen diebeiden eben mich finden.”

Am Ende des einen der beiden Schwimmbeckenragte ein Sprungturm in den wolkenlosenHimmel. Die meisten Leute sprangen v om

Einmeterbrett und v om Dreimeterbrett. AufsFünf- oder Zehnmeterbrett wagten sich nurwenige.

„Ich werde mich auf das oberste Brett stellen”,beschloss Konstantin. „Da werden mich Uschiund Flip bestimmt sehen.”

Konstantin lief quer über die Wiese. DieMenschen kümmerten sich nicht um ihn. Sieließen sich in der Sonne braten und waren zu faulzum Schauen. Einem dicken Herrn tratKonstantin sogar auf die Hand, aber der Dickegrunzte nur und wischte sich den Schweiß v onder Stirn.

Konstantin war froh, als er endlich denSprungturm erreichte. Seine empfindlicheKatzennase hatte unter dem Geruch v onMenschenschweiß und Sonnenöl arg gelitten.

Blitzschnell huschte der Kater jetzt über dieheißen Betonstufen den Turm hinauf.

Vorsichtig trat er auf das Zehnmeterbrett.Schritt für Schritt wagte er sich v or bis an den

Rand. Als er dann hinuntersah, wurde ihm fastschwindlig. Mit allen v ier Pfoten krallte er sichfest.

Bald aber hatte er sich an die luftige Höhegewöhnt. Er legte sich ganz v orne hin auf denBauch und ließ die Vorderpfoten baumeln. DieSonne brannte auf sein Fell. Und es roch gut hieroben.

Konstantin fühlte sich wohl.Außerdem musste man ihn gut v on unten

sehen können.Aber es schaute niemand zu ihm herauf.Da rief Konstantin: „Hallo! Uschi! Flip! Hier! Da

bin ich!”Tatsächlich blinzelten ein paar Leute hinauf

zum Turm. Hatte da nicht ein Mensch gerufen?Es war aber keiner dort.

Darum hielten sie ihre Gesichter wieder derSonne entgegen. Sie konnten ja nicht wissen, dasses ein Kater war, der gerufen hatte.

Konstantin wartete. Aber niemand entdeckteihn. Gerade wollte er wieder hinunterklettern,da hörte er ein Klatschen. Es kam immer näher.

Ein Mann stieg die Treppe herauf. Er hatteriesige Plattfüße, die klatschten auf denBetonstufen.

Jetzt entdeckte der Mann auch Konstantin.„Hat man so etwas schon gesehen!”, wunderte

er sich. „Da legt sich hier oben eine Katze in dieSonne! Komm, Miezekatze, du musst weg v onhier. Ich springe nämlich gleich. Und da federtdas Brett so stark, dass du mit mirhinunterfällst."

Konstantin erhob sich und machte Platz.„Brav e, Miezekatze!”, lobte ihn der Mann mit

den Plattfüßen. Dann stellte er sich ganz v ornean die Kante des Sprungbretts. Er streckte dieArme aus und hüpfte ein wenig.

Da fiel dem Kater Konstantin ein: Er konnte

diesen Mann fragen. Vielleicht hatte er Uschiund Philipp gesehen.

„Mein Herr!”, rief Konstantin.Der Mann drehte sich um.„Ich bin hier im Schwimmbad mit zwei

Kindern v erabredet. Sie heißen …”Der Plattfüßige hatte zuerst geglaubt, es wäre

noch ein Mensch auf den Turm geklettert. Jetztaber sah er den Kater sprechen. Das erschreckteihn so sehr, dass er nach hinten kippte.

Es knallte ganz schrecklich, als er auf demWasser aufschlug. Eine Welle schwappte überden Beckenrand. Die Leute rund um das Beckensprangen erschrocken auf. Es dauerte eine Weile,bis der Plattfüßige wieder auftauchte.

Prustend kletterte er aus dem Wasser undkeuchte aufgeregt: „Da oben! Da oben ist eineKatze! Sie hat mit mir gesprochen!”

Er musste eine Menge Wasser geschluckthaben, denn mit jedem Wort brach einWasserschwall aus seinem Mund.

Ein Mann in einem weißen Leibchen kamdahergerannt. Es war der Bademeister.

„Bei Ihnen ist wohl eine Schraube locker!”,

brüllte er den Plattfüßigen an.Und Konstantin – oben auf dem

Zehnmeterbrett – dachte v erwundert:„Komisch! Der Plattfüßige hat doch überhaupt

keine Schraube an seinem Körper, die hätte ich jasehen müssen.”

Aber der Bademeister schrie weiter: „Siekönnen v on Glück reden, dass Sie noch leben!Vom Zehnmeterbrett dürfen nur Leute springen,die das auch können!”

„Ich kann es ja!”, empörte sich der Plattfüßige.„Ich bin Landesmeister im Turmspringen.”

„Und ich bin der Kaiser v on China!”, spotteteder Bademeister.

Da drehte sich der Plattfüßige um. „Ich lassemich v on Ihnen nicht beleidigen!”, rief er. „Michsehen Sie hier nicht wieder!”

Dann platschte er auf seinen riesigen Füßendav on.

„Eines ist klar”, sagte sich Konstantin oben aufdem Turm. „Ich darf mit den Leuten nur reden,wenn es unbedingt notwendig ist. Die Menschensind sehr schreckhaft.”

Aber wie konnte er Uschi und Philipp finden?

Ihm fiel nichts ein.Da beschloss der Kater, erst einmal ins Wasser

zu gehen. Zum Baden war er ja hergekommen.Wahrscheinlich würde ihn dabei der Bademeisterentdecken und hinauswerfen. Vielleicht aberbemerkten ihn auch die Kinder. Dann konnte ersich mit ihnen v erabreden.

„Und wenn sie mich nicht sehen”, dachteKonstantin, „werde ich eben auf der Straße aufsie warten. Dort trägt Uschi dann wieder ihrblaues Kleid und Flip hat wieder Hemd und Hosean.”

„Ja, so werde ich es machen”, sagte Konstantinhalblaut. Dann lief er die Turmtreppe hinunter.

Ehe ihn einer der menschlichen Badegästeentdeckt hatte, war er schon mit einem Satz insWasser gesprungen.

„Da ist eine Katze!”, hörte er ein Kind hintersich rufen.

„Wo?”, fragte ein anderes.„Dort! Im Wasser!”Konstantin schwamm natürlich nicht so

elegant wie die Menschen. Er strampelte mitallen v ier Beinen so schnell er konnte. Damit

hielt er sich recht gut über Wasser. Und esmachte Spaß.

Es tat Konstantin Leid, dass die Menschen sorasch auf ihn aufmerksam geworden waren. Nurnoch wenige Augenblicke, dann würde derBademeister kommen und ihn dav onjagen …

Der Kater sah sich um. Die Leute rund um dasSchwimmbecken waren wieder aufgestanden,und fast alle zeigten mit ihren Fingern auf ihn.

„Hat der Turmspringer v orhin nicht etwas v oneiner Katze gesagt?”, fragte eine Frau.

„Vielleicht war sie wirklich oben auf demTurm”, meinte ein Mädchen.

Und da kam auch schon der Bademeister.Eine hagere, ältere Dame stürzte auf ihn zu

und kreischte: „Das Vieh muss sofort aus demWasser! Ich kann doch nicht in ein unddemselben Wasser baden wie eine Katze!”

Aber ein paar Kinder baten: „Nein, die Katzesoll im Wasser bleiben. Sie schwimmt sokomisch.”

Das kränkte Konstantin ein bisschen. Erschwamm, wie eben Katzen schwimmen. Aberdie Kinder wollten ihn in ihrem Wasser haben!

Und das freute ihn.Der Bademeister aber meinte zu den Kindern:

„Katzen haben hier nichts zu suchen. Es istbehördlich v erboten, Tiere mit ins Bad zubringen. Wem gehört die Katze?”

Er blickte sich um. Niemand meldete sich. DieMenschen sahen einander an und zuckten dieAchseln.

Aber da drängten sich zwei Kinder zwischenden Leuten durch, ein Junge und ein Mädchen.

„Uns gehört die Katze!”, rief der Junge.Und das Mädchen winkte dem Kater im Wasser

zu:„Uuuh, Konstantin!”Vor Freude hätte Konstantin beinahe

zurückgerufen. Die beiden Kinder mussten Uschiund Philipp sein! Aber er nahm sich zusammen.Er durfte jetzt nicht in der Sprache der Menschenreden, sonst würde der Wirbel rund um dasBecken noch größer.

„Sofort holt ihr die Katze aus dem Wasser!”,befahl der Bademeister.

„Nein!”, riefen ein paar Kinder. „Die Katze sollim Wasser bleiben. Wir haben noch nie eine Katze

im Schwimmbad gehabt.”Da meldete sich wieder die hagere Dame:„Heraus mit dem Vieh! Eine Katze in unserem

Badewasser, das ist unhy gienisch!”Unhy gienisch. Das war ein Wort, das

Konstantin noch nicht kannte. Aber es mussteetwas Schreckliches bedeuten, denn v ieleErwachsene wiederholten das Wort:„Unhy gienisch. Ja. Unhy gienisch. Heraus mitder Katze!”

Diese Zustimmung freute die Dame. „Wenn dieKatze nicht sofort dav ongejagt wird”, rief sie,„dann beschwere ich mich beim Bürgermeister!”

„Hoho!”, rief da ein älterer Herr. „DerBürgermeister kümmert sich nicht um Katzen.Der hat v iel Wichtigeres zu tun.”

Dieser ältere Herr sah sehr lustig aus. Überseinem freundlichen Gesicht wölbte sich einespiegelblanke Glatze. Und die spindeldürrenArme und Beine passten gar nicht zu seinemkugelrunden Bauch.

Mit seinen Worten hatte er die hagere Damebeleidigt: „Der Bürgermeister wird sich darumkümmern. Schließlich bin ich die Witwe des

Regierungsrates Obergottsberger.”Der Herr mit dem Kugelbauch breitete ein

Handtuch über seine Glatze, um sie v or derSonne zu schützen. Jetzt sah er noch v iel lustigeraus.

„Ich glaube nicht, dass es gesundheitsschädlichist, wenn eine Katze ein einziges Mal hier badet”,sagte er. „Aber jeder soll das halten, wie er will.Wer ausnahmsweise einmal mit einer Katzebaden will, der soll in dieses Becken hüpfen. Wernicht, für den ist ja noch das andere da. Wozu hatdieses Schwimmbad denn zwei Becken?”

Sprach's, wischte das Handtuch v on der Glatzeund sprang kopfüber in das Becken, in dem auchder Kater Konstantin schwamm.

„Wer ist denn dieser freche Kerl?”, zeterte diehagere Dame. „Ich werde mich über ihn beim …”

„… Bürgermeister beschweren”, hatte sie sagenwollen, aber stattdessen stieß sie einen spitzenSchrei aus. „Du lieber Himmel”, piepste sie,„dieser Kerl … ich meine: dieser Herr, das ist jader Herr Bürgermeister.”

Da tauchte der kahle Kopf des Herrn wiederauf.

„Jawohl, Frau Regierungsratswitwe, Sie habenes erraten: Ich bin der Bürgermeister.”

Die hagere Dame wurde knallrot im Gesicht,sie v erbeugte sich: „Entschuldigen Sie bitte, HerrBürgermeister. Ich habe Sie in der Badehosenicht gleich erkannt. Und ich konnte ja nichtwissen, dass Sie auch im Schwimmbad sind.”

„Dachten Sie v ielleicht, ich bleibe bei dieserHitze im Rathaus sitzen?” Der HerrBürgermeister drehte sich auf den Rücken undsein Bauch ragte als Halbkugel aus dem Wasser.

„Außerdem möchte ich mir die Sonne auf denBauch scheinen lassen”, fügte er noch hinzu. „Ichkann das nämlich gleichzeitig: Schwimmen undmir die Sonne auf den Bauch scheinen lassen.”

Die Leute rund um das Schwimmbeckenlachten.

Die hagere Dame aber machte sich eilig dav on.Der Kater Konstantin hätte sich gern beim

Herrn Bürgermeister bedankt. Doch er ließ eslieber bleiben. Er wusste ja, wie schreckhaft dieMenschen sein konnten.

Uschi und Philipp sprangen nun auch insWasser. Und v iele andere Kinder hüpften

hinterdrein.Es wurde noch ein v ergnügter Nachmittag.Konstantin sprach zwar nicht mit den Kindern,

aber er v ersuchte, richtig schwimmen zu lernen.In weniger als einer halben Stunde hatte er dasBrustschwimmen erlernt und in einer weiterenhalben Stunde auch das Kraulen. Seinen langen,buschigen Schwanz benutzte er dabei als Steuer.Und so schwamm er bald fast so schnell wie dieKinder.

Gegen Abend kamen neue Badegäste. Daswaren Leute, die sich nach ihrer Arbeit noch einwenig erfrischen wollten. Manche beschwertensich beim Bademeister über die Katze imSchwimmbecken.

Aber der Bademeister flüsterte immer nur:„Der Herr Bürgermeister hat es persönlicherlaubt.”

Die Sonne war schon halb hinter den Hügelnim Westen v erschwunden, da machten sichPhilipp und Uschi auf den Heimweg.

„Gehst du wieder zurück zu HerrnFliederbusch?”, erkundigte sich Uschi auf derStraße.

„Nein”, lachte der Kater. „Zu dem gehe ich niewieder.”

„Aber wohin willst du denn?”, fragte Philipp.„Was soll das heißen?”Konstantin blickte die Kinder v erwundert an.„Ich bleibe natürlich bei euch. Wo denn sonst?”„Fein”, sagte Uschi. Aber es klang gar nicht

froh. „Weißt du, Konstantin, unsere Eltern …”„Wir müssen sie zuerst fragen”, meinte Philipp.

„Du musst das v erstehen, Konstantin. UnsereEltern haben noch nie einen sprechenden Katergesehen …”

„Natürlich nicht”, knurrte Konstantin. „Außermir spricht ja keiner.”

„Wie ich unseren Vater kenne”, fuhr Philippfort, „würde er bestimmt irgendwen anrufen undmelden, dass sich in seiner Wohnung einsprechender Kater herumtreibt.”

„Na und?”, fauchte Konstantin.„Dann würden bestimmt ein paar Leute

kommen und dich sehen wollen. Und wer weiß”,Philipp erschrak, „am Ende würden sie dichv ielleicht in einen Tiergarten bringen.”

„Tiergarten”, wiederholte Konstantin „Klingt

nicht schlecht. Was ist das?”„In einem Tiergarten”, erklärte Uschi,

„müssen Tiere in Käfigen wohnen und sich v onden Leuten anstarren lassen.”

„Was?” Konstantins Fell sträubte sich. „EuerVater will mich einsperren lassen?”

„Nein, nein”, v ersuchte Philipp den Kater zuberuhigen. „Ich habe nur gemeint …”

Konstantin blieb stehen.„Zu Leuten, die mich einsperren wollen, gehe

ich auf keinen Fall. Auf Wiedersehen, ihr beiden.Macht euch keine Sorgen um mich. Ich findeschon, was ich brauche. Ein Plätzchen zumSchlafen und … etwas zum Essen. Ich kann mir jaein paar Mäuse fangen. Wozu bin ich schließlichein Kater?”

Auf einmal sah Konstantin richtig traurig aus.„Dabei habe ich mich so darauf gefreut”,

seufzte er, „mit euch zu Abend zu essen.”„Bitte, bleib da!”, sagte Uschi. „Wir finden

bestimmt etwas für dich …”„Pssst!”, flüsterte Philipp auf einmal.

„Konstantin, du darfst jetzt kein Wort reden!”Der Kater wollte fragen, warum. Aber da sah

er einen kleinen, dünnen Mann die Straßeherunterschlendern. Er trug einenflaschengrünen Anzug, und auf seinem Kopf saßeine Schirmmütze. Sie war mit einem Abzeichenund einer goldenen Schnur geschmückt.

„Guten Tag, Herr Meier”, grüßten Uschi undPhilipp, als der Flaschengrüne näher gekommenwar.

Auch er grüßte, und dann meinte er:„Das ist aber eine schöne, große Katze.”„Ja”, murmelten Uschi und Philipp.Sie waren froh, als der flaschengrüne Herr

Meier weiterging.„Komm, Konstantin!”, sagte Philipp.Und Uschi beugte sich zum Kater hinunter und

streichelte ihn. Da kam er mit.Uschi und Philipp wohnten mit ihren Eltern im

Haus Stifterstraße Nummer fünf. Gleichgegenüber v on der Bäckerei Semmelweiß.

Hinter dem Haus gab es einen kleinen Hof undin diesem Hof stand – an eine Wand gelehnt – einkleiner windschiefer Verschlag. Hier wurdeBrennholz gelagert.

„Da kommt im Sommer kein Mensch hinein”,

erklärte Philipp dem Kater Konstantin. „Wenn duwillst, kannst du dableiben.”

„So ist das also”, maulte Konstantin. „Ihrbeiden schlaft in euren weichen Betten, undmich legt ihr auf einen Stapel Brennholz.”

Aber Uschi v ersöhnte ihn rasch. Sie v ersprachihm eine Decke und ein feines Abendessen.

„Und wenn du uns nicht böse bist”, meintePhilipp, „dann nehmen wir dich morgenNachmittag mit in den Zirkus.”

Konstantin horchte auf. „Zirkus? Das ist einhübsches Wort. Was ist denn das, ein Zirkus?”

„Das wirst du schon sehen”, lachte Philipp.Und Uschi gab ihrem Bruder Recht. „Ja, das

soll eine Überraschung werden für Konstantin.”Plötzlich spitzte der Kater die Ohren und zog die

Nase kraus. „Gar so übel ist meine neueUnterkunft gar nicht”, meinte er.

„Warum?”, wollten die Kinder wissen.Da lachte Konstantin und flüsterte: „Ich rieche

Mäuse.”

Immer Ärger mit diesen Radfahrern

Herr und Frau Steinmann, Uschis und PhilippsEltern, waren v ielbeschäftigte Leute. Darumhatten sie zu ihren Kindern nicht gesagt: „Wirwollen uns einen schönen Tag machen, wirgehen alle miteinander in den Zirkus.”

Nein. Sie hatten gesagt: „Gestern ist ein Zirkusin die Stadt gekommen. Wir haben zwei Kartenfür euch besorgt. Für Freitag. Leider können wirnicht mitkommen, wir haben zu v iel Arbeit.Geht allein hin. Ihr seid ja schon große Kinder.”

Gestern waren Uschi und Philipp darüber nochtraurig gewesen. Aber da hatten sie ja noch nicht

gewusst, dass sie am Nachmittag einensprechenden Kater kennen lernen würden.

Heute – am Freitagmorgen – waren sie sogarfroh, dass ihre Eltern nicht mitkamen. Denn sokonnte der Kater Konstantin sie begleiten.

„Freilich”, gab Uschi zu bedenken, „wir habennur zwei Karten.”

„Da müsst ihr euch etwas einfallen lassen”,meinte der Kater Konstantin.

Aber Philipp sagte: „Ich denke schon seitgestern Abend darüber nach.”

„Da muss ich wohl mit meinem famosenKatzengehirn aushelfen, wie?”

Konstantin setzte sich auf die Hinterpfoten,legte den Schwanz um die Vorderpfoten unddrückte fest die Augen zu: Er dachte nach.

Dann schrie er: „Eins, zwei, drei, ich hab's!”Der Kater reckte sich in die Höhe.„Wie bringt man eine Katze in den Zirkus? He?

– Ganz einfach. Man steckt sie in eine Tasche undträgt sie hinein.”

„Ja!”, rief Uschi begeistert. „Das ist eine guteIdee.”

Das musste auch Philipp zugeben.

„Ich habe nur gute Ideen.” Konstantin schienrecht eitel zu sein. „Aber jetzt sagt mir endlich,was das ist, ein Zirkus?”

„Das v erraten wir dir nicht”, sagte Philippgeheimnisv oll. „Lass dich nur überraschen.”

Da gab sich Konstantin hochnäsig: „EtwasBesonderes wird es schon nicht sein. – Wannfängt so ein Zirkus denn an?”

„Um halb drei.”„Also noch ein halber Tag bis dahin. Was tun

wir so lange?”Das wusste zunächst keiner. Die Sommerferien

gingen zu Ende, da hatten die Kinder nicht mehrv iele Ideen, was man unternehmen könnte.

„Ein bisschen stöbern v ielleicht”, schlug Uschiendlich v or. „Oben auf dem Dachboden. Wasmeint ihr?”

Stöbern, das taten Uschi und Philipp besondersgern. Und weil sich auch Katzen gerne aufDachböden herumtreiben, stiegen sie alle hinauf.

Hier gab es immer etwas Neues – eigentlichwar es Altes – zu entdecken.

In einer v erstaubten Schachtel fanden siev ergilbte Bücher mit lustigen, altmodischen

Bildern.In einer alten Truhe entdeckte Uschi ihre alten

Kleider. Sie wollte dem Kater eines dav onanprobieren, aber Konstantin lehnte entrüstetab.

„Eine Katze in Menschenkleidern, das istlächerlich!”, fauchte er.

Philipp hatte inzwischen einen Karton v ollalter Schulhefte entdeckt. „Eduard Steinmann”stand v orne drauf, also gehörten sie dem Vater.

Philipp blätterte ein bisschen, dann meinte er:„Ich hab's mir ja immer schon gedacht.”„Was?”, fragte Uschi.„Dass Papa schwindelt. Er sagt doch immer, er

hätte v iel besser gelernt. Ich schaue jetzt schondas zweite Heft durch, Einser habe ich aber nurwenige gefunden.”

Uschi wollte sich auch ein Heft ansehen, aberda rief der Kater Konstantin v om anderen Endedes Dachbodens herüber:

„Kommt einmal her! Ich habe etwas entdeckt.”Die Kinder liefen hinüber: Konstantin hatte ein

winzig kleines Fahrrad gefunden.„Das hat einmal mir gehört.” Philipp freute

sich.„Damit bin ich als ganz kleiner Bub gefahren.

Ich war damals drei oder v ier Jahre alt.”„Gefahren?” Konstantin schien noch nie ein

Fahrrad gesehen zu haben.„Ich zeig' dir's.”Philipp wischte den Staub v om Sattel und

setzte sich drauf. Er wollte wegfahren, aber erstieß mit den Knien immer v on unten gegen dieLenkstange.

„Ich bin wohl schon zu groß”, meinte er undstieg wieder herunter.

„Das muss ich v ersuchen!”, rief Konstantinbegeistert.

„Warum nicht?” Philipp hatte nichts dagegen.Aber Uschi fand: „Hier oben ist doch v iel zu

wenig Platz.”„Dann werden wir das Rad eben

hinuntertragen in den Hof”, schlug Philipp v or.Und das taten sie auch.Der Kater Konstantin war sehr aufgeregt.

Darum fiel er, als er auf den einen Seite auf dasRad klettern wollte, auf der anderen Seite gleichwieder herunter. Er landete in einer der Lacken,

die der Gewitterregen in der Nacht hinterlassenhatte.

Konstantin brauchte eine ganze Weile, bis ersein Fell wieder sauber geleckt hatte. Aber dannwollte er es wieder v ersuchen.

„Ich werde das Rad halten, und Uschi wird dirhinaufhelfen”, schlug Philipp v or.

Und so gelang es.Philipp erklärte dem Kater, wie er in die Pedale

treten und wie er lenken musste, und danndurfte es Konstantin v ersuchen.

Er trat v iel zu heftig. Philipp konnte das Radnicht mehr halten: Rad und Kater fielen um.

„Hast du dir wehgetan?”, fragte Uschi besorgt.Konstantin lachte nur: „Seit wann tut sich eine

Katze weh, wenn sie fällt?” Er wollte gleich nocheinmal auf das Rad klettern.

Philipp erklärte ihm aber zuerst alles nocheinmal. Und dann klappte es.

Zunächst lief Philipp noch mit und hielt dasRad, dann aber fuhr der Kater ganz allein. Rundeum Runde drehte er auf dem Hof.

„Na?”, rief Konstantin den Kindern zu undreckte stolz seinen Kopf in die Höhe. „Was sagt ihr

zu mir?”„Du hast es v iel schneller gelernt als ich”,

musste Philipp zugeben.Konstantin machte noch ein paar Runden,

dann schrie er übermütig: „Immer im Kreisfahren, das ist langweilig. Ich fahre hinaus aufdie Straße. Wiedersehen! Ich komme baldwieder.”

„Das ist v iel zu gefährlich!”, rief Uschierschrocken.

Aber Konstantin kümmerte sich nicht darum.Er fuhr durch die Toreinfahrt hinaus.

Die Kinder liefen nach und beobachteten v omGehsteig aus, was geschah.

Konstantin radelte die Straße hinunter.Glücklicherweise war in der Stifterstraße

wenig Verkehr. Und im Augenblick warüberhaupt kein Mensch zu sehen.

Da bog aber aus der Johannesgasse ein Polizistein.

Er sah Konstantin daherradeln, stellte sichmitten auf die Fahrbahn und hob den rechtenArm.

Der Kater wusste natürlich nicht, was das

bedeuten sollte. Er dachte: „Vielleicht will mirdieser flaschengrüne Mann zuwinken.”

Konstantin hätte gerne zurückgewunken. Aberer brauchte alle beiden Pfoten, um dieLenkstange fest zu halten.

Immer näher kam er auf den Flaschengrünenzu.

Warum ging der nicht aus dem Weg? Ermusste doch sehen, dass Konstantin daherkam!

„Wenn ich ganz nahe bin, wird er schon zurSeite springen”, dachte der Kater.

Aber gleich darauf war es geschehen.Er fuhr dem Flaschengrünen zwischen die

Beine. Das Rad kippte um. Der Mann wankte undfiel der Länge nach hin.

Mit einem Satz war Konstantin aus dem Sattelgehüpft. Das war sein Glück. Denn sonst wäre derFlaschengrüne auf ihn gefallen und hätte ihnv ielleicht erdrückt.

Der Kater war als Erster wieder auf denBeinen.

„Philipp hat nur gesagt, wie man fährt. Derhat doch glatt v ergessen, mir zu sagen, wie manstehen bleibt”, erklärte Konstantin und fügte

hinzu:„Entschuldigen Sie bitte, Herr Meier.”

Der Flaschengrüne ächzte und stöhnte underhob sich endlich.

„Ich heiße nicht Meier!”, knurrte er.„Aber gewiss doch”, meinte Konstantin, „Uschi

und Philipp haben es gestern Abend doch gesagt.”„Ich heiße nicht Meier!” Der Flaschengrüne

brüllte jetzt.„Wirklich nicht?”, fragte Konstantin. Er war

nun doch ein wenig unsicher.„Nein!”Der Kater schaute v erwundert drein.„So etwas!”, murmelte er. „Wie schnell sich die

Menschen v erändern. Als ich Sie gestern v or demSchwimmbad gesehen habe, da waren Sie kleinund schmal. Heute sind Sie auf einmal groß unddick. Gestern waren Sie glatt rasiert und heutetragen Sie einen Schnurrbart. Gestern haben SieMeier geheißen – und heute nicht. Nur derflaschengrüne Anzug und die Kappe sind gleichgeblieben.”

„Ich habe nie Meier geheißen! Seit v ierzigJahren heiße ich Müller.”

„Naja, das ist auch ein schöner Name”, trösteteihn Konstantin.

Dann ging ihm auf einmal ein Licht auf: „Aha!Wahrscheinlich gibt es noch so einenflaschengrünen Mann. Der heißt Meier, wie?”

Herr Müller rückte seine goldv erzierte Kappezurecht und polterte: „Wir sind keineflaschengrünen Männer, sondern Polizisten. Undes gibt nicht nur zwei, sondern – was weiß ich –hunderttausend oder noch mehr.”

„Hunderttausend?” Da staunte der Kater.„Warum denn so v iele?”

„Damit Kerle wie du sie niederfahren können”,schnauzte der Polizist ihn an.

Jetzt lachte der Kater aber: „Nein, das glaubeich nicht. Sie machen sich über mich lustig.Außerdem habe ich Sie ja nicht absichtlichniedergefahren.”

„Absichtlich? Das wäre ja noch schöner!”„Das glaube ich auch nicht. Unabsichtlich war

es nicht schön, warum soll es absichtlich schönersein?”

„Sei still!”, zischte da der Polizist. „Sprich,wenn du gefragt wirst. Das ist eineAmtshandlung, v erstanden?”

„Amtshandlung”, wiederholte der Kater. Schon

wieder ein neues Wort.Er fragte arglos: „Amtshandlung, ist das so

etwas Ähnliches wie Blumenhandlung?”Da brüllte der Polizist: „Ruhe!” Der Schweiß

trat ihm auf die Stirn.Er wies auf ein Verkehrszeichen an einer

Hauswand. „Weißt du, was das bedeutet?”Konstantin schüttelte den Kopf. „Nein, keine

Ahnung. Aber ich finde es sehr hübsch. HabenSie es gemalt?”

„Blödsinn”, knurrte der Polizist und zeigte aufein anderes Verkehrszeichen.

Es war ein bisschen weiter entfernt und aufeiner hohen Stange befestigt.

„Kennst du das?”Wieder schüttelte der Kater den Kopf. „Nein.

Aber wenn ich mir eines aussuchen darf: Daserste gefällt mir besser.”

Der Polizist blickte Konstantin scharf an. „Duwillst mich wohl auf den Arm nehmen, wie?”

Da schüttelte Konstantin zum dritten Mal denKopf. „Wie könnte ich denn? Sie sind doch v iel zuschwer. Stellen Sie sich das einmal v or: ein sogroßer und dicker Mann auf dem Arm eines

Katers!”„Wenn du mich zum Narren halten willst …”Konstantin unterbrach den Flaschengrünen:

„Nein, nein. Bestimmt nicht. Besonders gescheitsind Sie wahrscheinlich ja nicht. Aber deswegenhalte ich Sie doch nicht gleich für einen Narren.”

Der Polizist hatte inzwischen sein Notizbuchgezogen. Mit Hin- und Herreden kam er da nichtweiter. Das hatte er schon bemerkt.

„Name!”, befahl er und machte sich zumSchreiben bereit.

„Konstantin”, antwortete der Kater höflich.„Buchstabieren!”, forderte der Polizist.Also buchstabierte Konstantin: „K wie

Kohlkopf, O wie Ochse, N wie Nilpferd, S wieSonnenstich, T wie Tagedieb, A wie Affe, N wieNashorn, T wie Taugenichts, I wie Igel, N wieNichtsnutz.”

Der Polizist hatte Buchstabe für Buchstabe insein Buch gemalt.

„Weiter!”, drängte er jetzt.„Was weiter? Mein Name ist schon aus.”„Familienname!”„Hab ich nicht”, gestand Konstantin.

„Was soll das heißen?”, schrie der Polizist.„Jeder Mensch hat einen Familiennamen.”

„Aber, Herr Müller!”, rief Konstantin undbegann zu lachen. „Ich bin doch kein Mensch. Ichbin eine Katze, genauer gesagt: ein Kater.”

„Ach so!”, brummte der Polizist. „Naja, dannalso keinen Familiennamen. Eine Katze brauchtwahrscheinlich auch keinen Familiennamen. –Weiter! Geboren, wann und wo?”

„Vorgestern, oben auf dem Schlossberg. Aberich wurde eigentlich nicht geboren, sondernerfunden. Herr Fliederbusch hat sich michausgedacht.”

Jetzt riss dem Polizisten aber die Geduld. Wenner keine ordentlichen Antworten bekam, dannsollte man ihn kennen lernen!

„Na warte!”, schimpfte er. „Dich bekomme ichauch noch klein.”

Der Kater freute sich. „Ausgezeichnet. Daswäre mir sehr angenehm. Für eine Katze bin ichohnehin lächerlich groß geraten.”

Der Polizist Müller kochte v or Wut.„Mund halten!”, schrie er, weil ihm sonst

nichts mehr einfiel.

Sofort griff Konstantin mit beiden Pfoten nachseinem Mund.

Aber dann ließ er die Pfoten wieder sinken undfragte: „Warum soll ich meinen Mund halten? Erfällt ja nicht herunter. Er ist dochangewachsen.”

Der Polizist wurde abwechselnd blass und rot.„Ein Wort noch”, zischte er drohend, „und ich

mache dich zur Schnecke!”

Der Kater Konstantin wollte denFlaschengrünen nicht weiter reizen, aber jetztmusste er einfach lachen: „Da übertreiben Sie

aber, Herr Müller. Ich wette ein Dutzend Mäusegegen ihre schöne Kappe, dass Sie aus einer Katzekeine Schnecke machen können.”

„Verschwinde!” Der Polizist war kreidebleichgeworden. „Verschwinde! Verschwinde!”

Er war mit seinen Nerv en am Ende.„Wie Sie wünschen, Herr Müller”, sagte der

Kater Konstantin artig und schwang sich in denFahrradsattel. „Aber eines muss ich ihnen nochsagen: Sehr höflich sind Sie nicht!”

Dann trat er in die Pedale und radelte zu Uschiund Philipp zurück.

„Und lass dich nicht noch einmal erwischen!”,schrie der Polizist ihm nach. „Sonst kannst duwas erleben!”

Da kam ein Herr des Weges. Den Kater konnteer nicht mehr sehen, der war mit den Kindernschon in der Toreinfahrt v erschwunden. Aberder Mann sah den Polizisten auf der Straße stehenund er hörte ihn schimpfen.

„Mit wem sprechen Sie denn?”, fragte derHerr.

„Ach”, meinte der Polizist, „immer Ärger mitdiesen Radfahrern. Kommt einer daher und fährt

mir direkt zwischen die Beine.”„Wer denn?”, fragte der Herr, „ein Kind?”„Aber nein”, sagte der Polizist, „ein Kater.”„Ein Kater?” Der Herr traute seinen Ohren

nicht. Dann aber lachte er. „Was haben Sie dennmit dem Kater gemacht?”

„Ich habe mir seinen Namen notiert.” DerPolizist hielt dem Herrn sein Notizbuch hin. „Da!Er heißt Konstantin.”

Der Herr hielt das für einen Scherz. Darumfragte er schmunzelnd: „Und Sie haben diesenRad fahrenden Kater ganz so wie einen Menschenbehandelt, was?”

„Wie einen Verkehrsteilnehmer”, v erbesserteder Polizist. „Wer auf einem Rad fährt, ist einRadfahrer – also ein Verkehrsteilnehmer. Undwir dürfen keinen Unterschied machen. Wirbehandeln einen Verkehrsteilnehmer wie denanderen. ‚Ohne Ansehung der Person' heißt das.”

Jetzt wurde der fremde Herr aber dochmisstrauisch. Meinte der Polizist das im Ernst?

„Sie haben den Kater also nach seinem Namengefragt, und er hat geantwortet: Konstantin.”

„Genauso war es”, bestätigte der Polizist. Er

freute sich, dass der Herr ihn endlich v erstand,und sagte lachend: „Glücklicherweise konnte dasVieh sprechen. Sonst wäre es ja ziemlichschwierig gewesen, den Namen festzustellen.”

Da wurde der Herr aber zornig: „Mir scheint,Sie sind schon am hellen Vormittag betrunken!Und so etwas will ein Polizist sein!”

Schimpfend ging der Herr dav on.

Konstantin und seine großen Verwandten

Uschi und Philipp zeigten ihre Eintrittskartenher. Ein Mann in einer roten, gold v erschnürtenUniform riss die Abschnitte weg. Er schautemisstrauisch auf die große Reisetasche, die Uschiund Philipp gemeinsam trugen.

„Was habt ihr da drin?”„Ach, nichts Besonderes”, sagte Philipp schnell.

„Nur unsere Regenmäntel. Es könnte ja wieder

ein Gewitter kommen, nicht? Und ein paar Brotesind drin. Falls wir Hunger kriegen.”

„Aha”, sagte der Mann in der roten Uniform.Dann durften Uschi und Philipp das Zirkuszeltbetreten.

Philipp hatte natürlich geschwindelt. In derTasche waren keine Regenmäntel und auch keineBrote. In der Tasche saß der Kater Konstantin.

Er war sehr schlecht gelaunt. Nun saß er schonfast seit einer halben Stunde in der Tasche. Ersah nichts, hörte nicht v iel und riechen konnteer nur das Leder der Tasche.

Endlich befreiten Uschi und Philipp den Kateraus seinem Gefängnis. Er durfte sich auf UschisKnie setzen.

„Nie mehr komme ich mit in so einen Zirkus!”,schimpfte Konstantin leise v or sich hin. „Ichwäre beinahe erstickt da drin.”

Durch das Zeltdach sickerte trübes Licht. Eswar drückend heiß. Die Zuschauer rutschten aufihren schmalen Holzbänken hin und her. Manwartete und wurde langsam ungeduldig.

Konstantin hob den Kopf. Die stickige Luft warv oll sonderbarer Gerüche.

„Ich rieche Tiere. Eine ganze Menge Tiere. –Augenblick! Das ist ein Pferd, nein, da sind v ielePferde!” Er drehte den Kopf. „Und das – und indieser Richtung – Bären glaube ich.”

Er schnupperte weiter. „Jetzt rieche ich … Hm,diesen Geruch kenne ich gar nicht. Aber so v ielich rieche, sind es sehr große und dicke Tiere.”

„Vielleicht die Elefanten”, meinte Uschi.Konstantin sog die Luft tief ein und war

plötzlich sehr aufgeregt: „Ich rieche Löwen!Wartet eine Augenblick auf mich! Ich mussihnen nur schnell Guten Tag sagen.”

Er wollte aufspringen, aber Philipp hielt ihnzurück: „Bleib da, Konstantin! Es darf dich dochniemand sehen.”

„Aber Löwen sind doch Verwandte v on mir”,maulte der Kater. „Nicht einmal seineVerwandten darf man besuchen.”

Da trat unten endlich ein Mann in einemdunkelroten Anzug in die Manege. Er begrüßtedie Zuschauer und wünschte ihnen eine guteUnterhaltung.

Dann rief er: „Als erste Nummer im Programmpräsentieren wir Ihnen gleich einen Höhepunkt:

Herrn Direktor Carlo Rossano mit seinen feurigenAraberhengsten.”

Gleich darauf begann eine Musikkapelle zuspielen und schwarze Pferde liefen in die Manege.Fein herausgeputzt, mit weißen Federbüschenauf den Köpfen und weißem Zaumzeug.

„Hi, hi, hi”, kicherte der Kater Konstantin.„Sind das Pferde oder Vögel? Ich habe noch nieein Pferd mit Federn auf dem Kopf gesehen.”

Zwischen die Pferde trat jetzt ein dicker Mann:Direktor Rossano. Er knallte mit einer langenPeitsche. Da setzten sich die Pferde in Bewegung.Sie liefen hintereinander im Kreis.

„So etwas Blödes!”, schimpfte Konstantin.„Pferde laufen wild durcheinander.Hintereinander laufen nur Gänse.”

Und so ging es weiter. An allem, was die Pferdezeigten, hatte Konstantin etwas auszusetzen.

Nach den Pferden kam der dumme August. Erstellte sich sehr ungeschickt an und stolperteimmer wieder über seine eigenen Füße. Unddarüber lachten die Leute.

„Ich möchte bloß wissen, was es dabei zu lachengibt, wenn jemand auf die Nase fällt”, wunderte

sich Konstantin.Dann traten Trapezkünstler auf. Sie kletterten

hinauf in die Zirkuskuppel und sprangen dortherum.

„Wie die Affen!”, fand Konstantin. „Wozumachen Menschen Affen nach?”

Nach den Trapezkünstlern kamen richtigeAffen. Es waren Schimpansen. Man hatte ihnenMenschenkleider angezogen, und sie benahmensich auch wie Menschen.

Den Zuschauern gefiel das.Konstantin war nun v ollends v erwirrt. „Jetzt

v erstehe ich gar nichts mehr! Die Menschenführen sich wie Affen auf. Und die Affen tun, alswären sie Menschen. Was hat denn das für einenSinn?”

Dann schleppten Zirkusarbeiter sieben großeHocker und manches andere seltsame Gerätdaher. Die Manege zäunten sie mit Gitterwändenein.

Der Mann im dunkelroten Anzug v erkündete:„Und nun, meine Damen und Herren, einweiterer Höhepunkt: die Könige der Wüste!Sieben gewaltige Löwen in einer

atemberaubenden Dressur des welt-bekanntenDompteurs Johann Johannson!”

Gleich darauf trat ein großer, breiter Manndurch eine Gittertür in den Käfig. Er hatte einenschwarz glänzenden Anzug an und trug einenlangen Stock und eine schwere Peitsche in denHänden. Die Leute klatschten, und der Mannv erbeugte sich.

Da ließ man die Löwen in den Käfig.Hintereinander mussten sie durch einenv ergitterten Laufgang kriechen. Dann knallteder Dompteur mit seiner Peitsche und bei jedemKnall musste ein Löwe auf einen der Hockerspringen.

Das Publikum applaudierte. Aber Konstantinwar außer sich v or Zorn.

„Sollen sich etwa auch die Löwen so albernaufführen?”, schrie er.

Uschi kraulte den Kater ein bisschen undflüsterte: „Sei doch endlich ruhig!”

Der schwarz glänzende Dompteur hob seinenStock hoch in die Luft und knallte ein paar Malmit der schweren Peitsche. Da richteten sich dieLöwen auf und machten Männchen.

Alle – bis auf einen. Der wollte nicht.Da trat der Schwarzglänzende zu ihm, stieß

ihm den Stock v or die Brust und knallte nocheinmal mit der Peitsche.

Der Löwe fletschte die Zähne.Der Dompteur schlug ihm mit dem Stock eins

über den Schädel und schwang drohend diePeitsche.

Da machte auch der siebente Löwe seinMännchen, und die Leute klatschten.

„Das sehe ich mir nicht länger an!”Konstantins Stimme überschlug sich v or Wut.

Er sprang v on Uschis Knie und die Stiegenhinunter zur Manege.

Mit einem Satz hüpfte er aufs Gitter. Erklammerte sich fest und miaute einem Löwenetwas zu.

Es war der, der v orhin nicht Männchen hattemachen wollen.

Der Löwe drehte sich um, sah den Kater aufdem Gitter und antwortete in der Löwensprache.

Ein paar Kinder, die ganz v orne saßen,entdeckten die Katze auf dem Gitter zuerst. Siejubelten v or Vergnügen. Sie glaubten nämlich,sie gehörte zur Raubtiernummer.

Konstantin redete – in der Katzensprache –eine ganze Weile auf den Löwen ein. Da kam derDompteur und wollte den Löwen wieder zwingen,Männchen zu machen.

Der Schwarzglänzende bemerkte die Katze jetzterst. „Verschwinde, du Biest”, schrie er.

Er wollte Konstantin mit seinem Stock v omGitter herunterstoßen. Aber der Löwe schlug ihmmit einem kräftigen Prankenhieb den Stock ausder Hand.

Dann schüttelte das riesige Tier seine Mähne,sprang v on seinem Hocker, lief in die Mitte derManege und brüllte.

Die anderen sechs Löwen brüllten auch: Sieantworteten. Sie knurrten, brüllten undfauchten.

Es sah aus, als beratschlagten sie.Der Schwarzglänzende knallte wütend mit der

Peitsche, aber die Löwen ließen sich nicht aus derRuhe bringen.

Der Dompteur wusste nicht, was mit seinenTieren plötzlich los war. Aber er ahnte, dass esmit der schwarzen Katze zusammenhing.

Er hob die Peitsche und zielte sorgfältig. Erhatte v iel Übung im Peitschenschlagen undhoffte, die Katze sogar zwischen den Gitterstäbenzu treffen.

Er schlug zu. Aber Konstantin musste nur einklein wenig zur Seite springen, und der Schlagging ins Leere.

Das Publikum tobte v or Begeisterung.Dressierte Raubtiere konnte man in jedem Zirkussehen. Hier spielte aber v on außen noch eineKatze mit. Das war neu. Die Leute glaubtenimmer noch, Konstantin gehörte zurZirkusnummer.

Der Dompteur schlug mit seiner Peitscheimmer wieder nach dem Kater. Aber jedes Malkonnte Konstantin rasch ein paar Gitterstäbeweiter springen.

Das war gar nicht so schwierig, denn jewütender der Schwarzglänzende wurde, umsoschlechter zielte er.

Es war ein ohrenbetäubender Lärm im

Zirkuszelt. Die Leute lachten, klatschten undschrien v or Begeisterung.

In der Manege beratschlagten die Löwen. Siebrüllten immer wilder. Und zu all dem Getösespielte die Musikkapelle unv erdrossen weiter.

Dieser schreckliche Lärm lockte denZirkusdirektor Carlo Rossano zurück ins Zelt.

Als er bemerkte, was hier v or sich ging, raufteer sich die Haare und weinte beinahe.

„Mamma mia! Vorstellung kaputt!”, jammerteer immer wieder. Aber natürlich hörte das beidiesem Lärm niemand.

Endlich hatten die Löwen ihre Beratungbeendet. Sie hörten auf zu brüllen.

Mit einem Schlag v erstummte auch dasPublikum. Und auch die Musiker legten ihreInstrumente weg.

Mäuschenstill war es auf einmal in dem großenZelt.

Der Löwe, mit dem Konstantin gesprochenhatte, trottete ans Gitter. Er brüllte dem Kateretwas zu.

Konstantin erschrak, das konnte jedermannsehen. Was mochte der Löwe ihm gesagt haben?

Das große fahl gelbe Raubtier und sein v ielkleinerer schwarzer Vetter sprachen noch eineWeile miteinander, aber Konstantin schienimmer trauriger zu werden. Und dann hing erstumm an den Gitterstäben und starrte v or sichhin.

Diesen Augenblick wollte der Dompteurnützen. Er hob sie Peitsche.

Aber da schrie der Kater ihn an – in derMenschensprache: „Verschwinde, du schwarzlackierter Affe! Sonst kratze ich dir die Augenaus.”

Dem Dompteur fiel v or Schreck die Peitscheaus der Hand.

Jeder Zuschauer – auch im letzten Winkel desZeltes – hatte es gehört: Die Katze hattegesprochen, richtig gesprochen wie ein Mensch.

Der dicke Direktor Rossano stöhnte: „Manamamia! Eine sprrrechende Katze! Sensation!Grrrösste Zirkussensation v on ganzerrr Welt!Sensation v on Jahrrrhunderrrt!”

Er befahl den Stallburschen und den anderenZirkusarbeitern: „Katze soforrrt einfangen!Grrrösste Sensation v on ganzerrr Welt!

Einfangen! Soforrrt!”Die Männer gehorchten. Sie besetzten alle

Ausgänge und zogen einen Kreis um die Manege.Konstantin saß in der Falle. Ein paar Minuten

noch, dann würde man ihn auch in einen Käfigsperren.

Den Männern, die auf ihn zukamen, wäreKonstantin schon entkommen. Aber was halfdas?

Alle Ausgänge waren besetzt. Irgendwannwürden sie ihn ja doch fangen …

Da sprang aber drinnen im Käfig einer derLöwen den Schwarzglänzenden an – und warfihn nieder. Er setzte sich auf die Brust desMannes und brüllte Konstantin etwas zu.

Da rief der Kater: „Ich soll euch v on meinemFreund, dem Löwen Sultan, bestellen: Er frisstdiesen schwarzen Kerl mit Haut und Haaren auf,wenn ihr mir nicht sofort den Weg freigebt.«

Da war es auf einmal mäuschenstill.Konstantin lachte: „Na, warum nicht gleich?

Auf Wiedersehen, Herrschaften!”Er sprang v om Gitter. Auf allen Vieren

trippelte er auf den Ausgang zu. Niemand wagte

es, ihn zu fangen. Und dann war er auch schondraußen.

„Zehntausend Euro für den, derrr mirrr Katzebrrringt zurrrrück!”, schrie der Zirkusdirektor.

Gleich darauf brach im Zirkuszelt ein Wirbellos. Da fiel es niemandem auf, dass auch zweiKinder mit einer Tasche das Zelt v erließen.

Uschi, Philipp und Konstantin beeilten sichnach Hause zu kommen. Sie mussten ja fürchten,dass der Zirkusdirektor sie v erfolgen ließ.

Sie v ersteckten sich in dem Holzv erschlag aufdem Hof. Dort konnte Konstantin den Kindernerzählen, was er mit den Löwen besprochenhatte:

„Ich habe ihnen klar gemacht, dass es einerichtige Schande ist, was sie tun. Eine Schandefür unsere ganze Katzenfamilie. Gerade diegrößten Katzen benehmen sich am dümmsten! –Versteht ihr: Ein Löwe, der in der Steppe eineGazelle oder einen Wasserbüffel jagt, das ist einLöwe. Aber ein Löwe, der Männchen macht, dasist eine Schande, das ist ganz und garlächerlich!”

„Aber warum denn?”, meinten die Kinder.

„Uns gefällt das. Und den anderen Leuten auch.”„So?”, fauchte der Kater. „Und wie würde es

euch gefallen, wenn man euch in einen Käfigsperrte und ihr müsstet Männchen machen? Undrundherum säßen Löwen und sähen zu!”

Uschi und Philipp nickten. Jetzt v erstanden sieden Kater.

„Aber was sollen die Löwen denn tun?”, fragteUschi dann.

„Nichts! Gar nichts sollen sie tun. Ich habeihnen geraten, sie sollten sich einfach in denManegensand legen und dem Schwarzglänzendennicht mehr gehorchen. Aber sie konnten meinenVorschlag nicht annehmen. Sie wären nuneinmal gefangen, haben sie mir erklärt. MitMännchen-Machen und Durch-den-Feuerreifen-Springen v erdienten sie ihr tägliches Fleisch.Wenn sie nicht gehorchten, müssten siev erhungern.”

Philipp nickte v erlegen, dann ging er nocheinmal hinaus auf die Straße.

Der Kater Konstantin sprang auf Uschis Knieund ließ sich streicheln. Uschi musste ihntrösten, denn die Löwen hatten ihn traurig

gemacht. Er schämte sich für sie, undgleichzeitig taten sie ihm Leid.

Bald kam Philipp zurück.„Gerade sind zwei Leute v om Zirkus draußen

v orbeigelaufen”, berichtete er. „Sie suchenwahrscheinlich die ganze Stadt nach dir ab.”

Konstantin zuckte zusammen. „DieseDummköpfe werden jeden schwarzen Kater, densie finden, in den Zirkus schleppen”, sagte erärgerlich.

„Solange der Zirkus in der Stadt ist, kannst dunicht auf die Straße”, bestätigte Philipp.

„Und wie lange bleibt er?”„Morgen noch und übermorgen.”„Na also!” Konstantin atmete auf. „Wir drei

werden diese beiden Tage eben hier v erbringen,was?”

„Du, Konstantin …”, begann Uschi v erlegenund streichelte den Kater. „Ich fürchte, morgenund übermorgen kannst du nicht mit unsrechnen. Morgen ist Samstag und übermorgenSonntag. Da sind unsere Eltern zu Hause. Undweißt du, Konstantin, übers Wochenende wollenunsere Eltern immer mit uns wegfahren, 'raus

aus der Stadt …”„Um so besser!”, freute sich Konstantin. „Ich

fahre mit. Und wenn wir wieder nach Hausekommen, ist der Zirkus schon weg. Alles in besterOrdnung.”

„Ich glaube nicht, dass wir dich mitnehmenkönnen”, sagte Uschi leise.

„Und warum nicht? Bin ich etwa nicht mehreuer Freund?”

„Schon”, v ersicherte Philipp. „Aber bestimmthaben unsere Eltern schon v on dir gehört. So einZwischenfall spricht sich schnell herum in soeiner kleinen Stadt.”

Konstantin sprang v on Uschis Knien herunterund stellte sich auf die Hinterbeine.

„So ist das also. Eure Eltern würden mich wohlin den Zirkus bringen, he? Und dann diezehntausend Euro kassieren, was?”

„So etwas darfst du nicht sagen!”, meinteUschi.

Und Philipp wollte den Kater beruhigen: „Eswird uns schon etwas einfallen.”

„Euch?”, fragte Konstantin hochnäsig. „Wasbekomme ich, wenn ich mir diese Mühe für euch

mache?”„Dann streichle ich dich eine halbe Stunde

lang”, v ersprach Uschi.„Nun gut”, meinte Konstantin. „Muss ich mein

famoses Katzenhirn eben wieder einmal für euchanstrengen.”

Er setzte sich auf seine Hinterpfoten, legtesorgsam den Schwanz um die Vorderpfoten unddrückte fest die Augen zu.

Gleich darauf rief er: „Eins, zwei, drei, ichhab's! – Was ist, wenn eure Eltern morgen undübermorgen so müde sind, dass sie den ganzenTag nur schlafen wollen?”

„Das wäre fein!”, rief Uschi. „Dann könntenFlip und ich das ganze Wochenende über bei dirsein.”

Aber Philipp war enttäuscht.„Unsere Eltern sind nicht so müde”, sagte er.„Wer die ganze Woche arbeitet, ist am

Wochenende müde”, bemerkte Konstantinnaseweis.

„Aber sie schlafen in der Nacht, da ruhen siesich aus”, meinte Philipp.

Darauf antwortete der Kater nicht, sondern

lächelte nur geheimnisv oll.„Was hast du v or?”, drängte Uschi.„Verrate ich nicht”, sagte der Kater. „Nur eins:

Stopft euch heute Abend so v iel Watte in dieOhren wie möglich.”

Dann sprang Konstantin mit einem Satz aufUschis Knie und rief:

„Eine halbe Stunde streicheln, bitte!”

Eine Nacht – gerade richtig für einKonzert

Es war eine wunderbare Sommernacht. DieMond hing wie ein großer Kinderballon amHimmel. Über den Hügeln am Horizont standenkleine milchweiße Federwölkchen. Es war nichtmehr heiß und noch nicht kalt, gerade richtigangenehm.

Der Kater Konstantin saß auf dem Dachfirst desHauses Stifterstraße Nummer fünf. Er horchtehinein in die Nacht. Allmählich wurde es ruhig.

Die Straßenbeleuchtung brannte. Als

leuchtende Perlen waren die Laternen an denStraßen aufgefädelt. Diese Lichtschnüredurchzogen kreuz und quer die Stadt. Eine führteauch hinauf zum Schlossberg.

Dort oben saß jetzt wohl Herr Fliederbusch.Und v ielleicht dachte er an den KaterKonstantin.

Die Fenster der Stadt waren kleine leuchtendeVierecke. Gruppenweise oder in Reihen geordnetstanden sie in der Dunkelheit. Aber baldv erschwand ein Fensterv iereck nach demanderen in der Nacht.

Je dunkler die Stadt wurde, umso hellerleuchtete der Himmel. Es war, als würden fürjede ausgelöschte Lampe oben am Himmelhundert Sterne angeknipst.

„Das ist eine Nacht – gerade richtig für einKatzenkonzert”, dachte Konstantin.

Ganz leise stieß er ein lang gezogenes„Miiaaaauu!” aus. Dann v ersuchte er einklagendes „Rrrrraaaauuuu!” und zuletzt sein„Weeeeeeeeaauuu!”, das auch den tiefstenSchläfer auffahren ließ, wenn Konstantin es inv oller Lautstärke sang. Aber v orläufig sang er

noch ganz leise, er übte nur.Nach einer halben Stunde beendete er seine

Probe. Er war so zufrieden mit sich, dass er sichselber lobte: „Lieber Konstantin, kein Kater aufder ganzen Welt singt so schrecklich schön wiedu!”

Ein Weilchen wartete er noch, dann schlich erhinunter v om Dach.

Zur Wohnung der Familie Steinmann gehörteauch ein Balkon mit v ielen Blumenkästen. Mankonnte ihn v om Elternschlafzimmer und v on denZimmern der beiden Kinder aus erreichen.

Auf diesen Balkon sprang Konstantin.Die Balkontüren standen weit offen – es war ja

eine laue Sommernacht.Aus dem Zimmer der Eltern hörte Konstantin

rasselnde und sägende Geräusche: HerrSteinmann schnarchte. „Aber nicht mehrlange!”, dachte Konstantin – und fing an zusingen.

Das Rasseln und Sägen v erstummte. EineMännerstimme murrte: „Was ist denn das für einscheußlicher Lärm?”

Da meldete sich eine Frauenstimme: „Ich bin

gerade erst eingeschlafen … Das muss eine Katzesein.”

Dann die Männerstimme: „Ich geh einmalnachsehen.”

Und die Frauenstimme: „Jag das Vieh dav on!Ich möchte schlafen!”

Konstantin sang noch einmal sein„Weeeeaauu!”, dann v ersteckte er sich hinterden Geranien in den Blumenkästen.

Herr Steinmann stolperte schlaftrunken aufden Balkon. Er rieb sich die Augen.

Beinahe hätte sich Konstantin jetzt v erraten.Der Geruch der Geranien kitzelte in seiner Nase.

Der Kater hielt die Luft an, damit er nichtniesen musste.

Herr Steinmann blickte sich um, dann ging erwieder zurück ins Zimmer.

„Nichts zu sehen”, sagte er. „Wahrscheinlichist die Katze schon wieder weg.”

Konstantin wartete auf das Rasseln und Sägen.Dann fing er wieder an zu singen.

Jetzt kam Frau Steinmann auf den Balkon,aber auch sie entdeckte nichts. Konstantin hocktegut v ersteckt in den Blumenkästen.

„Das kann ja eine lustige Nacht werden”,murmelte Frau Steinmann und ging ins Bettzurück.

Wieder wartete Konstantin auf dasSchnarchen, dann stimmte er seinen Gesangzum dritten Mal an.

Diesmal knurrte Herr Steinmann: „Ich stehenicht mehr auf. Dieses Biest wird schon v onselber wieder aufhören.”

Aber Konstantin hörte erst auf, als HerrSteinmann endlich doch herauskam. Entdeckenkonnte er den Kater freilich wieder nicht.

So trieb es Konstantin noch einige Male.Sobald Herr und Frau Steinmann

eingeschlafen waren, begann er seinschauerliches Konzert und sang so lange, bisjemand aus dem Bett stieg um nachzusehen.

Dann aber wurde Herr Steinmann zornig:„Wenn ich dieses Vieh erwische, drehe ich ihmden Hals um!”

Frau Steinmann aber meinte: „Mach lieber dieBalkontür zu, da hören wir es nicht so laut.”

Das tat Herr Steinmann. Und er zog auch dieVorhänge zu.

Der Kater Konstantin freilich schlich durchUschis Zimmer in die Wohnung und legte sichv or dem Elternschlafzimmer auf die Lauer. Als erHerrn Steinmann wieder schnarchen hörte,öffnete er leise die Tür und schlich hinein.

Es war stockdunkel im Zimmer. Nicht derkleinste Mondstrahl fiel herein, so fest hatte HerrSteinmann die Vorhänge geschlossen. AberKonstantin mit seinen Katzenaugen fand sichauch in der Dunkelheit zurecht.

Er schlich an das Kopfende des Bettes undtippte der Frau Steinmann mit der rechtenVorderpfote auf die Nase.

Frau Steinmann schlug die Augen auf. Siekonnte Konstantin nicht sehen. Ein schwarzerKater in einem stockfinsteren Zimmer ist so gutwie unsichtbar. Aber sie sah seine Augen: zweigelbgrüne Katzenaugen.

Vor Schreck schrie Frau Steinmann laut auf.So laut, dass Herr Steinmann auf der anderenSeite – ebenfalls v or Schreck – aus dem Bett fiel.

Mühsam erhob er sich und schimpfte: „Was istdenn? Nicht genug, dass eine Katze v or unseremFenster musiziert – musst du auch noch Krach

schlagen?”„Eduard!”, rief Frau Steinmann ganz v erwirrt.

„Eduard! Da sind zwei Augen im Zimmer!”Herr Steinmann blickte sich um – und sah

nichts. Gar nichts, denn Konstantin hatte seineAugen geschlossen. Herr Steinmann krochwieder in sein Bett und meinte: „Du hastgeträumt Schlaf weiter.”

„Ja”, gab Frau Steinmann zu. „Jetzt sehe ichdie Augen auch nicht mehr.”

Konstantin hielt seine Augen geschlossen, bis erFrau Steinmann wieder ganz ruhig atmen undihren Mann schnarchen hörte.

Dann öffnete er die Augen und schlich auf dieandere Seite des Ehebetts: zu Herrn Steinmann.Er biss ihn in die Nase. Nicht so arg, dass eswirklich wehgetan hätte, aber doch so fest, dassHerr Steinmann dav on aufwachte.

„Was fällt dir ein?”, schrie er seine Frau an.„Du kannst mich doch nicht in die Nase beißen!”

„Ich habe dich noch nie in die Nase gebissen!”,stellte Frau Steinmann schlaftrunken fest.„Schon gar nicht mitten in der Nacht.”

„Dann muss diesmal wohl ich geträumt haben.

Schlaf weiter.”Herr Steinmann drehte sich auf die andere

Seite.Als beide wieder eingeschlafen waren, zog

Konstantin ihnen sanft ihre Bettdecken weg undwarf sie in eine Ecke.

Herr und Frau Steinmann tasteten nach ihrenDecken. Das sah sehr lustig aus. Die beidenschliefen nämlich, nur ihre tastenden Händeschienen wach zu sein.

Zuerst schlug Frau Steinmann die Augen auf.„Gib sofort meine Decke her!”, fuhr sie ihren

Mann an.Ihr Mann aber schrie: „Was soll das heißen? Du

hast meine Decke weggenommen.”„Ich habe keine Decke.”„Ich auch nicht.”„Ich mache Licht”, sagte Frau Steinmann und

wollte ihre Nachttischlampe anknipsen.Aber Konstantin riss blitzschnell den Stecker

aus der Wand.Herr Steinmann richtete sich auf. Seine Hand

suchte den Schalter seiner Lampe. AberKonstantin war längst herbeigesprungen und

hatte auch hier den Stecker aus der Wandgezogen.

Herr Steinmann drückte den Schalter ein paarMal, dann stöhnte er: „Auch das noch!Wahrscheinlich eine Stromstörung.”

Er stieg v erdrossen aus dem Bett und machtesich auf die Suche nach den Decken. Endlich fander sie in der Ecke. Aber er war zu müde, um sichdarüber zu wundern, wie sie dort hingekommenwaren.

„Das ist eine Nacht!”, jammerte er. „Dabeisollen wir doch ausgeschlafen sein für unserenWochenendausflug.”

Er warf einen Blick auf seine Uhr, sie hatteLeuchtziffern: „Schon fast halb zwei und ich habenoch nicht einmal eine halbe Stunde geschlafen.”

Immer Neues ließ Konstantin sich einfallen,um die beiden im Schlaf zu stören.

Einmal kitzelte er Frau Steinmann an denFußsohlen. Dann hielt er dem schnarchendenHerrn Steinmann die Nase zu oder zog ihm dieDecke bis über die Ohren. Darauf kitzelte er FrauSteinmann wieder mit seiner Schwanzspitze ander Nase, bis sie niesen musste.

Es wurde jedoch immer schwieriger, die beidenzu wecken, so müde waren sie.

Aber Konstantin war um Einfälle nichtv erlegen, er bekam sie immer wieder wach.

Erst als der Morgen graute, ließ er v on ihnenab und schlich hinunter in seinen Holzv erschlag.Dort legte er sich schlafen. Katzen treiben sichzwar gerne in der Nacht herum, aber jetzt warKonstantin selbst schon ein bisschen müde.

Schlafbären und eine Zeitungsmeldung

Als Philipp erwachte, war es drei v iertel acht. Eswar noch ganz ruhig in der Wohnung.

„Seltsam!”, dachte Philipp. Dann erinnerte ersich, dass er Watte in den Ohren hatte. Er zog sieheraus. Aber es blieb weiter alles ruhig.

Das wunderte Philipp. Sonst waren seine Elternum diese Zeit schon lange auf und packten allesfür den Wochenendausflug ein.

Philipp stieg aus dem Bett. Er ging hinüber zu

seiner Schwester.Auch sie lag schon wach.„Was ist denn mit den beiden?”„Sie schlafen noch”, sagte Uschi.„Komisch”, fand Philipp.Dann gingen sie ins Elternschlafzimmer. Hier

war es noch dunkel, denn die Vorhänge warengeschlossen.

Uschi zog sie weg.Der Vater schnarchte, dass die Wände

zitterten.Philipp rüttelte ihn an den Schultern.„Aufstehen!”, rief er. „Es ist gleich acht!”Da fuhr der Vater hoch und schrie: „Zum

Kuckuck noch einmal! Kann man denn dieseNacht keine Ruhe haben?” Er fiel gleich wiederauf seinen Polster zurück und wollteweiterschlafen.

Philipp rüttelte ihn noch einmal.Da blinzelte der Vater ein bisschen und

murmelte erleichtert: „Ach, du bist's, Flip!”„Ja, Papa. Aufstehen! Gleich acht Uhr.”„Lass mich noch ein bisschen schlafen”, bat der

Vater.Da wachte auch die Mutter auf und schimpfte:

„Ruhe! Ich bin müde, ich will schlafen.”Uschi flüsterte: „Wollten wir nicht einen

Ausflug machen?”Der Vater aber bedauerte: „Ich fürchte, daraus

wird nichts. Auf meinen Schultern sitzen zweiSchlafbären, die haben ganz, ganz weiche Pfoten.Damit drücken sie mir immer die Augen zu.”

„Du träumst ja noch, Papa!”, kicherte Uschi.„Keine Spur!”, wehrte sich der Vater und

richtete sich mühsam auf. „Wisst ihr, dieseSchlafbären, die sind so schwer wie … na eben:wie richtige Bären. Mit zwei so dicken Kerlen aufden Schultern ist das Aufstehen sehr, sehrschwierig.”

Er nahm den Wecker v om Nachttisch und hieltihn sich dicht v or die Augen.

„Hat zufällig jemand Streichhölzer?”„Du wirst doch nicht im Bett rauchen

wollen?”, fragte die Mutter schlaftrunken.„Nein”, sagte der Vater. „Ich brauche

Streichhölzer, um meine Augenliderhochzuspreizen. Diese v erflixten Schlafbären

drücken sie immer wieder zu.”Philipp lachte und nahm dem Vater den

Wecker aus der Hand. „Es ist gleich acht”, sagteer, „aber schlaft ruhig weiter. Wir können janächstes Wochenende wieder wegfahren.”

„Sehr richtig”, murmelte der Vater und ließsich wieder zurückfallen. „Nächstes Wochenendeist auch noch ein Wochenende.” Und schonschnarchte er wieder.

Uschi flüsterte der Mutter zu: „Schlaf du auchweiter. Ich mach schon das Frühstück für Flipund mich.”

Aber auch die Mutter war schon längst wiedereingeschlafen.

Uschi zog die Vorhänge v or die Balkontür undschlich dann mit Philipp aus dem Zimmer.

Während Uschi in der Küche das Frühstückrichtete, lief Philipp hinunter in den Hof undholte den Kater Konstantin.

Heute durfte er mit den Kindern frühstücken.Konstantin trank eine Schale Milch und

zwischendurch erzählte er den beiden v on seinemnächtlichen Abenteuer. Dann fing er an sein Fellzu lecken.

Es war Zeit für die Morgenwäsche.Da hörte er aber draußen an der Wohnungstür

ein Geräusch. Er spitzte die Ohren.„Was war das?”Philipp ging nachsehen – und brachte die

Zeitung mit. „Die Zeitungsfrau hat sie durch denBriefschlitz geworfen.”

Gleich auf der ersten Seite stand es als riesigeÜberschrift:

Philipp las v or, was darunter stand: „Wiebekannt, gastiert zurzeit der Zirkus Rossano inunserer Stadt. Während der gestrigenNachmittagsv orstellung ereignete sich einmerkwürdiger Zwischenfall. Gerade als dieRaubtiernummer des berühmten DompteursJohann Johannson begonnen hatte, tauchte

plötzlich eine riesengroße schwarze Katze auf.Bisher konnte weder festgestellt werden, wohersie kam, noch wem sie gehört. Diese Katze …”

Und so weiter. Ausführlich wurde KonstantinsZirkusabenteuer beschrieben.

Weiter unten aber hieß es: „Das Gerücht v onder sprechenden Katze v erbreitete sich inWindeseile in der Stadt. Kurz v orRedaktionsschluss meldete sich bei uns ein Mann,der sich als Schriftsteller Franz Fliederbuschv orstellte. Er behauptete, er suche diese Katzeschon seit Donnerstag Mittag. Sie wäre nämlich– behauptete er – aus einer seiner Geschichtendav ongelaufen. Und er brauche sie, sagte er,ganz dringend. Er müsste seine Geschichte fertigschreiben. – Herr Fliederbusch erzählte uns nochmehr v on dieser Art. Offensichtlich ist der Herrein bisschen v errückt, wie ja v iele Schriftstellerein bisschen v errückt sind. Jedenfalls klingtseine Geschichte doch zu fantastisch, als dassman ihr Glauben schenken könnte.”

Konstantin hatte bisher schweigend zugehört.Zuerst hatte es ihm gefallen – schließlichschrieben die Zeitungen nicht über jeden Kater.

Jetzt aber schrie er wütend: „Was sind dieseZeitungsschreiber doch für Dummköpfe! Daerzählt ihnen einer eine wahre Geschichte – undsie halten einen für v errückt, nur weil sie selberdie Geschichte nicht v erstehen.”

Der Kater riss Philipp die Zeitung aus derHand. Er konnte ja auch lesen. Immer wiederüberflog er die Zeile, in der stand, dass HerrFliederbusch ihn brauche. Das machte den Katermächtig stolz – aber auch ein bisschen traurig.

Er blickte die beiden Kinder an, und kleinlautsagte er: „Wenn ich euch beide nicht so gernhätte, würde ich jetzt zu Herrn Fliederbuschzurückgehen. Ein bisschen habe ich ihn nämlichauch gern. Und ich möchte nicht, dass man ihnfür v errückt hält, nur weil ich ihm ausgerissenbin.”

„Aber bei ihm darfst du doch nicht tun, was duwillst”, gab Uschi zu bedenken. Sie wollte aufkeinen Fall, dass Konstantin zu HerrnFliederbusch zurückging.

„Darf ich denn hier tun, was ich will?”, fragteKonstantin. „In die Wohnung darf ich nur, wenneure Eltern nicht da sind oder wenn ich sie müde

gemacht habe. Auf die Straße darf ich erstwieder, wenn der Zirkus fort ist. InsSchwimmbad darf ich nur, wenn es der HerrBürgermeister erlaubt …”

Da sprach Philipp endlich aus, was auch Uschidachte: „Wir möchten aber, dass du bei unsbleibst.”

Der Kater nickte: „Ich will ja auch bei euchbleiben. Aber ich möchte auch, dass man HerrnFliederbusch nicht länger für v errückt hält. Dasist er nämlich nicht.”

„Aber was machen wir denn dann?”, fragteUschi.

Da lachte Konstantin auf einmal: „Wie immer!Zuerst einmal: Mein famoses Katzenhirnanstrengen!”

Er setzte sich – wie gewöhnlich, wenn er nach-dachte – auf seine Hinterpfoten, legte sorgsamden Schwanz um die Vorderpfoten und drücktefest die Augen zu.

Diesmal dauerte es sehr, sehr lange, bis errufen konnte: „Eins, zwei, drei, ich hab's!”

„Was denn?”„Lasst mich nur machen!”, rief der Kater

aufgeregt. „Aber ihr müsst mir helfen. Ich habeeine Idee … Rasch! Zieht euch an!”

So schnell waren Uschi und Philipp noch nie inihre Kleider geschlüpft.

„Und jetzt holt die Tasche v on gestern!”,kommandierte der Kater.

Zehn Sekunden später standen die Kinder mitder Tasche bereit.

„Dann los!”, rief Konstantin.Aber Uschi fragte: „Und was ist, wenn unsere

Eltern aufwachen, während wir weg sind?”„Die wachen nicht auf”, stellte Konstantin

trocken fest. Dann kletterte er in die Tasche.„Ihr müsst mich auf den Schlossberg tragen.

Das wird wohl nicht leicht sein, denn für eineKatze bin ich reichlich schwer. Aber ich kann eseuch nicht ersparen. Und ich würde ja auch v iellieber laufen. In einer Tasche schaukeln, das istwirklich kein Vergnügen.”

Philipp zog den Reißv erschluss zu, und losging's.

Der Kater stellt Bedingungen

Quer durch die Stadt marschierten Uschi undPhilipp – immer auf den waldbedecktenSchlossberg zu. Es schien den Kindern, als würdeKonstantin in der Tasche v on Minute zu Minuteschwerer.

Am Fuß des Schlossbergs endlich hielten dieKinder eine Rast. Von hier aus konnte man dieHäuser schon sehen, die auf der Kuppe oben aufeiner Waldlichtung standen. Eine Autostraßeschlängelte sich dort hinauf.

Philipp öffnete den Reißv erschluss der Tasche,damit Konstantin frische Luft bekam.

„Wir gehen nicht auf der Straße, sondern querdurch den Wald”, schlug der Kater v or undsprang aus der Tasche. „Im Wald ist es v ielkühler. Und da kann ich selber laufen. Ihr müsstmich nicht mehr tragen.”

Und so geschah es auch.Sie waren schon nah an ihrem Ziel, da kam

ihnen ein Mann entgegen. Er war grün gekleidet,an seiner Schulter hing ein Gewehr.

Es war ein Förster. Er führte einen Dackel ander Leine.

Der Schreck fuhr den Dreien in die Glieder.Aber der Förster hatte offenbar noch nichts v on

dem Kater gehört, der gestern dieZirkusv orstellung gestört hatte, denn ererwiderte freundlich den Gruß der Kinder undfragte:

„Geht ihr ein bisschen spazieren im Wald?”„Nein”, sagte Philipp. „wir wollen Herrn

Fliederbusch besuchen, der wohnt dort oben.”„Aber passt auf eure Katze auf!”, v erlangte der

Förster. „Wenn ich erfahre, dass sie wildert, mussich sie erschießen.”

Der Kater Konstantin hatte sich fest

v orgenommen, nicht mit Menschenstimme zureden. Er wollte nicht im letzten Augenblicknoch alles v erderben.

Aber der Dackel des Försters knurrte ihn sodrohend an, dass Konstantin losplatzte:

„Sagen Sie Ihrem Hund, er soll mich in Ruhelassen! Sonst müsste ich ihm – so Leid es mir täte– die Augen auskratzen.”

Der Förster blickte sich v erwundert um: „Isthier noch jemand?”

„Nein”, sagte Philipp.„Natürlich muss da noch jemand sein. Es hat

doch eben jemand gesprochen.”„Das war unser Kater”, gab Uschi zögernd zu.Da lachte der Förster schallend: „Der Kater?

Ein sprechender Kater? Wer hat so etwas schongehört?”

„Sie selber”, sagte Konstantin. „Vor einerhalben Minute haben Sie so etwas gehört. Undgerade jetzt hören Sie wieder so etwas.”

Der Förster blickte misstrauisch zu Konstantinhinunter. Dann musterte er Uschi und zuletztPhilipp. Er dachte nach, er lüftete seinen grünenHut und kratzte sich auf dem Kopf. Dann rief er:„Mich kriegt ihr nicht dran! Ich weiß schon”, erzeigte auf Philipp: „Du bist Bauchredner,stimmt's?”

„Ich weiß gar nicht, was ein Bauchredner ist”,stotterte Philipp.

Der Förster lachte. „So, so, das weißt du nichtDann muss ich es dir wohl erst sagen, was?” Erhielt das für einen herrlichen Spaß. „EinBauchredner kann sprechen, ohne den Munddabei zu bewegen. Und das klingt dann genauso,als käme die Stimme v on woanders her.”

„Aber das ist doch dumm. Ich spreche: der

Kater Konstantin.”Der Förster hatte wie gebannt Philipps Lippen

beobachtet. Jetzt freute er sich: „Ausgezeichnet!Du hast deine Lippen nicht ein bisschen bewegt.”

Da meinte Konstantin: „Sie begreifen aber garnichts. Wieso soll Flip die Lippen bewegen, wennich spreche?”

Da war das Gesicht des Försters mit einem Malgar nicht mehr freundlich. „Nicht frech werden,Bürschchen”, drohte er Philipp, „sonst zieh ichdir die Ohren lang.”

„Bitte, tun Sie das nicht!”, rief Konstantinerschrocken. „Ich finde Schlappohren einfachlächerlich. Sehen Sie sich nur einmal IhrenDackel an.”

„Jetzt habe ich aber die Nase v oll!”, schrie derFörster.

„Da sollten Sie sich schnäuzen”, riet ihm derKater.

Der Förster wollte schon nach Philipps Ohrengreifen, besann sich aber und schrie:„Verschwindet v on hier! Katzen habenüberhaupt nichts zu suchen im Wald!”

Konstantin aber wusste wieder eine Antwort:

„Natürlich nicht. Darum suchen wir auchnichts. Wenn Katzen im Wald aber wirklichetwas v erloren hätten, dann würden sie es sicherauch dort suchen.”

Der Förster brüllte: „Verschwindet! Oder ichwerde euch Beine machen!”

Da liefen Uschi, Philipp und Konstantin soschnell sie nur konnten.

Der Kater aber blieb in sicherer Entfernungnoch einmal stehen und rief zum Förster zurück:„Wozu wollen Sie uns Beine machen? Wir habendoch Beine: Uschi hat zwei, Flip hat auch zwei,und ich habe sogar v ier. Mehr Beine könnten wirgar nicht brauchen.” Dann lief auch er weiter.

Glücklicherweise war Herr Fliederbusch zuHause.

Er saß in seinem Arbeitszimmer amSchreibtisch und dachte über eine neueGeschichte nach. Aber es fiel ihm keine ein. Ermusste immer wieder an den Kater Konstantindenken.

Herr Fliederbusch erschrak sehr, als erplötzlich eine Stimme hinter sich hörte.

Sie sagte: „Einen schönen Vormittag wünsche

ich, Herr Fliederbusch.”Er drehte sich um – und sah den Kater

Konstantin.„Wo kommst du denn her?”, stammelte Herr

Fliederbusch.„Durchs Fenster”, antwortete der Kater.

„Katzen läuten für gewöhnlich nicht an der Tür,oder?”

Herr Fliederbusch hatte sich v orgenommen,Konstantin tüchtig auszuschimpfen, wenn er ihnwiederbekäme. Aber jetzt brachte er es nichtübers Herz.

„Ich habe auch jemanden mitgebracht”, sagteder Kater. „Das heißt: Eigentlich haben sie michmitgebracht. Sie stehen draußen v or der Tür.”

Herr Fliederbusch ging nachsehen, undKonstantin machte ihn mit Uschi und Philippbekannt.

Herr Fliederbusch führte seine Gäste insWohnzimmer und sagte: „Ich habe mir Sorgenum dich gemacht, Konstantin. Stell dir nur v or,die Leute v om Zirkus hätten dich eingefangen!”

Und Konstantin sagte: „Ich habe mir auchSorgen um Sie gemacht, Herr Fliederbusch.

Stellen Sie sich nur v or: Die ganze Stadt hielte Siefür v errückt.”

Herr Fliederbusch bedankte sich bei denKindern, dass sie ihm den Kater zurückgebrachthatten.

Und zu Konstantin sagte er: „Auf, an dieArbeit. Du bist aus einer halbfertigen Geschichtedav ongelaufen. Wir müssen die Geschichte zueinem Ende bringen.”

Da stammelte Uschi: „Herr Fliederbusch, wirmöchten Ihnen etwas sagen …”

Aber sie wusste nicht, wie sie anfangen sollte.Darum stieß sie ihren Bruder in die Seite undzischte: „Sag's du!”

Auch Philipp stotterte herum: „Ja, Herr …Herr Fliederbusch. Es ist nämlich so … wir drei …Konstantin und meine Schwester und ich … wirdrei … wir möchten gerne zusammenbleiben, alledrei. Nämlich: Wir möchten, dass Konstantin beiuns bleibt.”

Herr Fliederbusch schaute v erlegen zu Boden.Es tat ihm Leid, dass er die Kinder enttäuschenmusste: „Leider brauche ich Konstantin fürmeine Geschichte. Ich habe ihn für diese

Geschichte erfunden … Ein Vorschlag: Ichschreibe diese Geschichte fertig. Die wird bald alsBuch herauskommen. Dann schenke ich jedemv on euch ein Buch, und wann immer ihr darinlest, ist Konstantin wieder bei euch. Hm?”

Uschi schüttelte nur stumm den Kopf.Und Philipp sagte stockend: „Nein, wir

möchten, dass er so bei uns ist, so wie er in denletzten beiden Tagen bei uns war.”

Konstantin tat, als ginge ihn das alles nichtsan. Das machte Uschi wütend: „Sag doch auchetwas, Konstantin! Es war schließlich deine Idee,dass wir dich heraufbringen sollten.”

Der Kater grinste. „Ich wollte sehen, ob euchMenschen auch etwas einfällt. Das istanscheinend nicht der Fall. Darum werden wirtun, was sich mein famoses Katzenhirnausgedacht hat.”

Er stellte sich v or Herrn Fliederbusch auf.„Also, mein Herr. Zuerst möchte ich, dass Sie

mir hier in Ihrem Wohnzimmer ein Bettaufstellen. Ich werde zwar nicht immer bei Ihnenwohnen, aber wenn ich Sie besuche, dannmöchte ich ordentlich schlafen können.”

„Aha”, sagte Herr Fliederbusch. Mehr fiel ihmnicht ein.

„Außerdem v erlange ich”, fuhr der Kater fort,„dass ich in Zukunft kommen und gehen kann,wann ich will. Sie haben mir nichts mehr zubefehlen. Ab sofort tu ich nur noch, was mir Spaßmacht. – Und dann habe ich noch eine dritteBedingung.”

„Und die wäre?”„Sie besorgen mir endlich eine Brille, damit ich

ordentlich sehen kann. Eine kurzsichtige Katzemacht sich ja lächerlich.”

„Und was bekomme ich, wenn ich deineBedingungen erfülle?”, wollte Herr Fliederbuschwissen.

„Sie dürfen Ihre halbfertige Geschichtewegwerfen, aus der ich dav ongelaufen bin. Siebekommen dafür v on mir eine v iel bessereGeschichte. Ich werde sie Ihnen erzählen, und Siedürfen sie niederschreiben und meinetwegenauch v erkaufen.”

Herr Fliederbusch zögerte, aber Konstantinmeinte: „Entscheiden Sie sich schnell, meinHerr, sonst bin ich auch schon wieder fort.”

Da stimmte Herr Fliederbusch zu –widerwillig, aber doch.

Konstantin v erabschiedete sich v on Uschi undPhilipp: „Heute und morgen sind ja eure Elternzu Hause. Aber am Montagv ormittag bin ichwieder bei euch. Bis dahin werden HerrFliederbusch und ich mit der Geschichte fertigsein. Und am Montag ist auch der Zirkus schonwieder fort. Bis Montag also.”

„Wir warten auf dich”, sagten die Kinder.Dann v erabschiedeten sie sich auch v on Herrn

Fliederbusch. Konstantin brachte sie noch bis andie Haustür.

Als er zurückkam, rief er laut: „Worauf wartenwir noch, mein Herr? An die Arbeit!”

Sie gingen ins Arbeitszimmer, und HerrFliederbusch musste sich an die Schreibmaschinesetzen.

Konstantin aber machte es sich in einemweichen Lehnstuhl bequem.

„Also hören Sie zu, Herr Fliederbusch, undschreiben Sie:

Es war an einem Donnerstagnachmittag im

Sommer. Der Bäckermeister Semmelweiß öffneteseine Ladentür – aber nur einen Spalt breit.Er blinzelte hinaus auf die Stifterstraße.‚Was für eine Hitze!', stöhnte er …”

Und so weiter.Wort für Wort diktierte der Kater Konstantin

Herrn Fliederbusch die Geschichte, die ihr geradegelesen habt.

Konstantin wird berühmt

Ein komischer Vogel, dieser Fink

Draußen hatte sich das Laub schon v erfärbt, einkalter Wind zauste die Bäume und riss schon daseine oder andere gelbe Blatt v on den Ästen.

Eine Stunde lang hatte der Kater Konstantinv om Fensterbrett aus dem Wind zugeschaut, unddav on war er schläfrig geworden. Die Augenfielen ihm zu. Er wollte ein wenig v or sichhindösen, aber gerade in diesem Augenblickfragte Herr Fliederbusch:

„Kommst du mit? Ich muss gleich in die Stadthinunter, den Fink besuchen …”

Der Kater leckte seine Lippen. „Einen Vogelwollen Sie besuchen?”

„Aber nein!”, entgegnete Fliederbusch. „EinenMann, der heißt Fink. Dieser Herr Fink ist meinVerleger.”

„Schade”, bedauerte Konstantin, „ich dachte,es wäre ein richtiger Fink. Übrigens: einVerleger, was ist das eigentlich?”

„Das ist der Mann, der aus unserer Geschichteein Buch machen soll.”

„Aus unserer Geschichte?”, fragte der Kater.„Naja, aus der Geschichte, die du mir diktiert

hast”, gab Herr Fliederbusch zu. „Ich will michnicht mit fremden Federn schmücken.”

„Eigene Federn haben Sie ja nicht”, lachteKonstantin. „Sie müssten übrigens lustigaussehen – mit Federn geschmückt.”

Herrn Fliederbusch schaute auf die Uhr:„Schon so spät. Ich muss los.”

„Na schön”, meinte der Kater und sprang v omFensterbrett hinunter auf den Fußboden. „Ichkomme mit. Gehen wir.”

„Einen Augenblick noch”, sagte HerrFliederbusch. „Ich muss erst noch Schuhe undMantel anziehen.”

„Wie umständlich ihr Menschen doch seid”,wunderte sich Konstantin. „Warum habt ihrnicht auch ein Fell? Das hält im Sommer kühlund im Winter warm.”

Herr Fliederbusch hatte schon ein Taxi bestellt,und so kam er mit Konstantin doch nochpünktlich ins Büro des Verlegers.

Herr Fink nahm hinter dem Schreibtisch, HerrFliederbusch nahm v or dem Schreibtisch Platz,und Konstantin durfte auf seinen Knien sitzen.

„Schön, dass Sie mich wieder einmalbesuchen”, sagte Herr Fink.

Und Konstantin dachte: „Komisch, der siehtgar nicht aus wie ein Fink, eher wie eine Eule.”

Auf der Nase des Verlegers saß nämlich einedicke, kreisrunde Brille, und die ließ ihn wirklicheiner Eule ähnlich sehen.

„Womit kann ich Ihnen heute dienen, HerrFliederbusch?”, sprach der Verleger weiter.

„Ich habe Ihnen v or drei Wochen meine neueGeschichte geschickt.”

„Jaja”, sagte Herr Fink. „Ich weiß schon, dieseGeschichte v om Kater Konstantin, nicht wahr?”Er zeigte auf Konstantin: „Das ist wohl der da?”

„Sehr richtig”, sagte Herr Fliederbusch. „Wiegefällt Ihnen denn die Geschichte?”

„Ganz genau habe ich sie noch gar nichtgelesen”, gab der Verleger zu, „aber mir gefallenja alle Ihre Geschichten, lieber HerrFliederbusch. Vielleicht können wir sie imnächsten Jahr herausbringen, spätesten imübernächsten.”

Herr Fliederbusch sah ein wenig enttäuschtaus. „Ich hatte damit gerechnet, dass das Buchim Frühjahr erscheinen wird …”

„So eine tolle Geschichte kriegen Sie niewieder!”, meinte der Kater Konstantin.

Herr Fink lachte: „Jaja, das sagen alleSchriftsteller.”

Herr Fliederbusch jedoch erklärte: „Ich hab'snicht gesagt, das war der Kater.”

„Der Kater! In Ihrer Geschichte kann der Katerreden, na schön! Aber doch nicht in Wirklichkeit!Ein sprechender Kater! Da lachen ja dieHühner!”

„Was für Hühner?”, wollte Konstantin wissen.Und jetzt hatte Herr Fink gesehen, dass der

Kater wirklich gesprochen hatte.Ganz blass war der Verleger geworden. Dann

stammelte er: „Die Katze hat gesprochen. Mi-mi-mich lau-laust der Affe!”

„Was für ein Affe?”, fragte Konstantin arglos.„Und wieso lausen?”

Er hüpfte v on Fliederbuschs Knien und lief zurTür. „Wenn Sie Läuse haben, kommen Sie mirnicht zu nahe!”

Da sprang Herr Fink unv ermittelt auf, klopfteFliederbusch auf die Schulter – so heftig, dassdieser v or Schmerz aufschrie – und rief: „LieberFliederbusch, wenn Ihre Geschichte nicht einsensationeller Erfolg wird, fresse ich einenBesen.”

„Guten Appetit”, meinte Konstantin.„Her mit der Geschichte”, forderte der

Verleger.„Ich habe sie Ihnen doch schon geschickt”,

sagte Fliederbusch.„Ach ja”, das schien Fink v ergessen zu haben.Auf seinem Schreibtisch türmten sich

Papierstöße. In ihnen begann der Verleger nun zuwühlen. Alles andere v erstreute er achtlos aufdem Fußboden. Endlich hatte er die Geschichtev om Kater Konstantin gefunden.

Er brüllte „Fräulein Hubalek!”, und sofort kamseine Sekretärin gelaufen. „Bringen Sie dasschleunigst in die Druckerei hinunter!”, ordneteer an und überreichte ihr die Geschichte. „Allesandere hat Zeit. Dieses Buch muss in drei Wochenfertig sein.”

„In drei Wochen, das geht doch nicht”,entgegnete die Sekretärin.

„Wenn Sie noch lange hier herumstehen, dannsicher nicht”, schrie Herr Fink.

Da v erließ die Sekretärin fluchtartig das Büro.„Ich dachte, Sie könnten das Buch erst

übernächstes Jahr drucken”, fragte HerrFliederbusch und lächelte spöttisch.

„Das dachte ich auch”, meinte Fink, „aber dawusste ich noch nicht, dass es wahr ist, was Siemir da v on dem Kater erzählt haben.”

Er wollte aus dem Zimmer laufen, aber in derTür drehte er sich noch einmal um:

„Noch eins, Herr Fliederbusch: Bev or das Buch

nicht fertig ist, darf natürlich kein Menscherfahren, dass dieser Kater wirklich sprechenkann. Das wird eine Riesenüberraschungwerden.”

„Aber ein paar Leute wissen es schon”, erklärteFliederbusch. „Uschi und Philipp zum Beispiel,die Kinder, mit denen Konstantin sichangefreundet hat.”

„Sie dürfen kein Sterbenswörtchen v erraten!”,kommandierte Fink – dann war erv erschwunden.

Also gingen auch Herr Fliederbusch und derKater.

Auf der Treppe meinte Konstantin dann:„Ein komischer Vogel, dieser Fink.”„Was sagst du da?”, fragte Fliederbusch

erstaunt.„Ich sage, dass dieser Fink ein komischer Vogel

ist.”„Konstantin!”, rief Herr Fliederbusch

begeistert. „Ein komischer Vogel, das ist docheine Redensart! Du lernst es allmählich.”

„Reiner Zufall”, meinte der Kater.Als sie wieder zu Hause waren, fing Herr

Fliederbusch an, in seinen Bücherregalen zusuchen. Dann hielt er dem Kater ein dickes Buchhin: „Lies, was v orne drauf steht.”

Und Konstantin buchstabierte: „DeutscheRedensarten und Sprichwörter – und was siebedeuten.”

„Wenn du das Buch gelesen hast”, v ersprachHerr Fliederbusch, „dann hast du keineSchwierigkeiten mehr mit Redensarten undSprichwörtern.”

„Fein”, meinte Konstantin, „aber wenn ichlesen soll, dann müssen Sie mir endlich die Brillekaufen, die Sie mir schon lange v ersprochenhaben. Sie wissen doch, wie kurzsichtig ich bin.”

„Du musst das Buch ja nicht gleich heutelesen.”

Aber Konstantin schlug es auf, blätterte einbisschen und fing schließlich doch zu lesen an.

Bis spät in die Nacht hinein las er, und wenn ereine Redensart entdeckte, die ihm besondersspaßig v orkam, dann hörte Herr Fliederbuschihn leise v or sich hin kichern.

Mäuse, die man nicht riechenund nicht fressen kann

Uschi und Philipp saßen schon seit eineinhalbStunden bei ihren Hausarbeiten.

Genau in der Mitte zwischen Uschi und Philippstand eine Glasschüssel auf dem Tisch. Vor einerStunde war sie bis obenhin mit Keksen gefülltgewesen, jetzt war sie beinahe leer.

Uschi und Philipp griffen noch einmal zu undwollten die letzten beiden Kekse gerade in denMund stecken, da hörten sie eine Stimme hintersich:

„So ist's recht. Wer nicht arbeitet, sollwenigstens essen.”

Die Kinder zuckten zusammen.Der Kater Konstantin aber freute sich, weil es

ihm wieder einmal gelungen war, die beiden zuüberraschen. Wie immer, wenn er Uschi undPhilipp besuchte, war er über den Balkongekommen. Die Kinder ließen extra für ihn dieBalkontür einen Spalt breit offen.

„Du erschreckst mich immer wieder”, stöhnteUschi und steckte endlich den letzten Keks in denMund.

„Gut, dass du da bist, Konstantin”, sagtePhilipp. „Ich soll einen Aufsatz über den Herbstschreiben. Kannst du mir helfen?”

„Natürlich kann ich. Fragt sich nur, ob ichauch will.”

Philipp v erstand. „Wenn ich dich zum Beispielfünf Minuten streichle, willst du dann?”

Konstantin schüttelte den Kopf.„Zehn Minuten?”„Eine Viertelstunde”, forderte der Kater.„Na gut.” Philipp schraubte seinen

Füllfederhalter auf und der Kater diktierte ihm:„Der Herbst ist eine schöne Zeit. Da kommen

die Mäuse aus ihren Löchern, weil sie Futter für

den Winter sammeln müssen. Zu keiner anderenZeit kann man so v iele Mäuse fangen wie imHerbst …”

„Das kann ich doch nicht schreiben”,unterbrach Philipp, „ich bin kein Kater undfange keine Mäuse.”

„Wenn du wüsstest, wie gut Mäuse schmecken,würdest du auch welche fangen. Wenn ich dasnächste Mal auf Mäusejagd gehe, bringe ich direine mit – zum Kosten, ja?”

„Pfui Teufel, nein!” Philipp schüttelte sich v orEkel.

„Das ist die alte Geschichte”, meinte der Katerv erächtlich, „was der Bauer nicht kennt, frisst ernicht.”

Die Kinder horchten auf.„Was hast du gesagt?”, fragte Uschi erstaunt.„Ach”, Konstantin tat ganz gleichgültig. „Das

war ein Sprichwort. Kennt ihr es etwa nicht?”„Wir schon, aber wieso kennst du es?”Jetzt lachte der Kater: „Herr Fliederbusch hat

mir gestern ein Buch über Redensarten undSprichwörter gegeben. Ich hab' die halbe Nachtdrin gelesen …”

„Aber du bist doch so kurzsichtig!”, wundertesich Philipp.

„Drum will mir Herr Fliederbusch ja auch eineBrille besorgen”, erzählte Konstantin. „Und wisstihr, wann?”

Die Kinder zuckten mit den Achseln. „Heutenoch!”, v erkündete der Kater. „Um halb v iertreffe ich mich mit ihm auf dem Hauptplatz. Vordem Brillengeschäft.”

Ein wenig enttäuscht fragte Uschi: „Um halbv ier? In einer drei v iertel Stunde? Wir dachten,du wolltest heute Nachmittag bei uns bleiben.”

„Und ich dachte, ihr wolltet mir helfen, eineBrille auszusuchen”, sagte der Kater.

„Natürlich möchten wir, aber wir müssenunsere Aufgaben machen.”

„Was du heute kannst besorgen, das v erschiebauf übermorgen”, riet Konstantin.

„Du hast gut reden”, meinte Uschi. „Was sagenwir morgen den Lehrern?”

Auch da wusste der Kater Rat: „Sagt ihneneinfach: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hansimmer noch.”

„Besonders genau hast du das Buch über die

Redensarten und Sprichwörter nicht gelesen”,v ermutete Philipp.

„Das Buch hat siebenhundert Seiten. Alleskann man sich nicht auf einmal merken.Bekanntlich ist noch kein Meister v om Dachgefallen.”

Da klingelte das Telefon.„Es läutet draußen an der Tür”, sagte

Konstantin.„Aber nein. Das ist das Telefon.”Es klingelte wieder.„Telefon?” Dieses Wort hatte Konstantin noch

nie gehört. „Was ist das?”„Komm mit, du wirst schon sehen.”Konstantin lief hinter den Kindern her ins

Vorzimmer. Hier stand auf einem kleinenTischchen ein seltsames weißes Ding. Die obereHälfte dav on nahm Philipp in die Hand.

„Das ist der Telefonhörer”, erklärte Uschi.Philipp hielt ihn neben sein Gesicht.„Hallo”, rief er, „hier ist Steinmann.” Dann

horchte er. „Ach, Sie sind's, Herr Fliederbusch.Guten Tag.”

Konstantin stutzte.

„Gut, Herr Fliederbusch, ich werde esKonstantin ausrichten”, sprach Philipp weiter.„Wir werden auch mitkommen, ja. Dann bisv ier. Wiedersehen, Herr Fliederbusch.”

Philipp legte den Hörer wieder zurück. „HerrFliederbusch lässt dir sagen, dass er erst um v ierkommen kann”, erklärte er Konstantin.

Der Kater starrte Philipp eine Weile an.„Du hältst mich ja für schön blöd”, meinte er

dann. „Aber schön blöd ist auch blöd und nichtschön. Wie kannst du mit Herrn Fliederbuschreden, wenn er gar nicht da ist, he?”

Jetzt begriffen die Kinder endlich – undbegannen schallend zu lachen.

Das machte den Kater erst recht wütend.„Lacht nur! Ihr werdet schon sehen: Wer

zuletzt lacht, lacht am lautesten.”„Lacht am besten!”, v erbesserte Uschi.„Ach was!”, rief der Kater jetzt. „Wenn ihr

mich auslacht, kann ich ja gehen.”Es dauerte eine ganze Weile, bis die Kinder

Konstantin v ersöhnt hatten. Und noch längerdauerte es, bis sie ihm erklärt hatten, was einTelefon ist.

„Und damit kann man wirklich mit Leutenreden, die ein paar Tausend Meter weit entferntsind?”, fragte der Kater misstrauisch. „Dasmöchte ich doch einmal probieren. Ich will HerrnFink sprechen.”

„Warum nicht?”, meinte Philipp.Er zeigte dem Kater, wie man aus dem

Telefonbuch die Nummer heraussucht, zeigteihm, wie man wählt – und gleich darauf hörteder Kater wirklich die Stimme des Verlegers.

Konstantin plauderte eine Weile mit HerrnFink, dann legte er den Hörer wieder auf.

Sie gingen zurück ins Kinderzimmer.„Wenn wir Herrn Fliederbusch erst um v ier

treffen, können wir ja noch unsere Aufgabenmachen”, überlegte Philipp.

„Und was soll ich inzwischen anfangen?”„Ich hab' eine Idee”, meinte Philip und

zwinkerte seiner Schwester zu. „Im Fernsehengibt's jetzt eine Tiersendung. Die müssteKonstantin interessieren.”

„Fernsehen? Was ist denn das schon wieder?”„Das wirst du gleich sehen.” Philipp grinste

und führte den Kater ins Wohnzimmer. Dort

stand in einer Ecke ein großer Kasten.An der einen Seite gab es eine Reihe Knöpfe, auf

einen dav on drückte Philipp. Er wies dem Katereinen Platz v or dem Kasten an:

„Setz dich her, dann wirst du gleich sehen, wasFernsehen ist.”

Darauf ging er wieder an seine Arbeit.Konstantin saß da und wartete.Aber es geschah nichts.„Die wollen mich schon wieder auf den Arm

nehmen”, dachte Konstantin v erärgert.Gerade in diesem Augenblick aber ertönte ein

leises Rauschen aus dem Kasten, v or dem derKater saß. Und gleich darauf tauchte ein Bild auf:ein Mann mit Bart.

Es war aber nur das Oberteil eines Mannes.„Wo haben Sie denn Ihren Bauch und Ihre

Beine gelassen?”, fragte Konstantin.Der Mann antwortete nicht, sondern sagte:

„Man teilt die Mäuse in sechs Unterfamilien ein…”

Als Konstantin Mäuse hörte, spitzte er dieOhren.

„… dav on ist die Familie der echten Maus mit

etwa siebzig Gattungen die größte. Diewichtigsten Gattungen sind: die Hausmaus undihre frei lebende Wildform, die Ährenmaus …”

Plötzlich v erschwand der bärtige Mann und anseiner Stelle sah Konstantin ein paar Mäuse.

Der Kater duckte sich, legte die Ohren an denKopf, schlich näher. Ganz v orsichtig. Schritt fürSchritt.Und dann sprang er mit einem gewaltigen Satzauf die Mäuse los.

Gleich darauf v erspürte er einen heftigenSchmerz, dann war es ein paar Sekunden langdunkel um ihn herum.

Als Konstantin wieder zu sich kam, tummeltensich die Mäuse immer noch – ganz so, als gäbe esweit und breit keinen Kater.

„Na wartet!”, dachte Konstantin. „Eucherwisch' ich schon …”

Aber da fiel es ihm auf: Er sah die Mäuse zwar,aber er konnte sie nicht riechen.

Sonst roch er Mäuse zehn Meter weit.Nachdenklich befühlte er seinen Kopf, auf dem

eine Beule wuchs. Das machte ihn nochnachdenklicher.

Er schlich an die Mäuse heran, griff nachihnen – und spürte nur Glas.

Konstantin setzte sich wieder auf dieHinterbeine, legte wieder seinen Schwanz um dieVorderpfoten, drückte auch die Augen fest zu …

Aber so sehr er sein Katzenhirn auch marterte:Was es mit diesen Mäusen auf sich hatte, daraufkam er nicht.

Eine Brille für einen Kater

Die Kirchturmuhr schlug v ier.Herr Fliederbusch bog aus der Landstraße auf

den Hauptplatz ein. Uschi, Philipp und der KaterKonstantin warteten schon v or demOptikergeschäft.

Als Herr Fliederbusch v on KonstantinsErlebnissen mit dem Telefon und demFernsehapparat hörte, lachte er:

„Das kommt dav on, weil ich in meinemHäuschen kein Telefon habe und auch keinenFernseher.”

„Wieso nicht?”, fragte Uschi. „Das hat heutedoch jeder.”

Herr Fliederbusch aber entgegnete: „Ichschreibe lieber Briefe anstatt zu telefonieren. Dasklingt v ielleicht ein bisschen altmodisch …”

„Und wieso haben Sie keinen Fernseher?”,fragte Philipp.

„Am Abend arbeite ich meistens”, erzählteHerr Fliederbusch. „Am liebsten schreibe ich inder Nacht.”

„Am liebsten liegt er auf dem Sofa und starrtLöcher in die Luft”, warf Konstantin ein.

Dann öffnete er die Tür des Geschäfts. EineLadenglocke bimmelte.

Konstantin schob Herrn Fliederbusch und dieKinder hinein.

Das Geschäft war leer.Sie warteten, und der Kater sah sich um: In

funkelnden Glasschränken warenBrillenfassungen jeder Art und Größe. AuchFerngläser entdeckte Konstantin. Und ein Regal,bis obenhin v oll mit Sonnenbrillen.

Von hinten kam nun ein blonder junger Mannins Geschäft. „Guten Tag, meine Herrschaften,

womit kann ich dienen?”„Wir brauchen eine Brille”, erklärte Herr

Fliederbusch.„Eine Brille, sehr wohl”, dienerte der Optiker.

„Für wen denn, bitte schön? Für den Herrn oderfür den jungen Mann hier oder für die kleineDame da?”

„Nein. Für unseren Kater.”„Aha”, machte der Blonde. „Eine Brille für

einen Kater, bitte sehr, bitte gleich.” Plötzlichaber stutzte er: „Äh, für welchen Kater denn,bitte schön?”

Er blickte sich um, doch er sah keinen Kater;denn wenn Konstantin als Kater auch sehr großwar, so groß, dass er den Ladentisch überragte,war er auch wieder nicht.

Darum bückte sich Philipp und hob Konstantinhoch.

„Ah!”, rief der Optiker erfreut „Da ist er ja, derKater. Was für ein schönes großes Tier … Und fürdiesen Kater möchten Sie also eine Brille? Tja …also … hm … das ist schwierig, sehr, sehrschwierig.”

Uschi aber meinte: „Wir sind nur deshalb zu

Ihnen gekommen, weil in der Auslage steht, dassSie auch Sonderwünsche erfüllen.”

Und Herr Fliederbusch setzte hinzu: „Wenn esIhnen lieber ist, können wir auch in ein anderesGeschäft gehen.”

„Nein, nein”, wehrte der junge Mann ab. „Wirwerden das schon hinkriegen …” Er strubbelteseine blonden Haare und dachte angestrengtnach: „Irgendwie werden wir das schon machen…Wenn ich bloß wüsste, wie!”

„Ich v erstehe nicht, was da so schwierig seinsoll”, meinte Philipp.

„Ich weiß zum Beispiel nicht, wie stark dieBrille sein muss”, seufzte der Verkäufer. „Beieinem Menschen ist das ganz einfach …”

Er zeigte auf eine große Tafel an der Wand.Ganz oben, in der ersten Zeile, standen ein paar

riesengroße Buchstaben, in der zweiten Zeile einpaar große, in der dritten Zeile ein paarmittelgroße – und so weiter. Die letzte Zeile, ganzunten, war mit winzig kleinen Buchstabenbeschrieben.

„Wenn man sich ein paar Meter v or diese Tafel

hinstellt”, erklärte der Optiker, „und man kannnur die riesigen Buchstaben ganz oben lesen,dann ist man kurzsichtig und muss eine sehrstarke Brille bekommen.”

„Und warum machen Sie's bei unserem Katernicht genauso?”, fragte Philipp.

Da zog der junge Mann seine Stirn in Faltenund meinte ärgerlich: „Weil ein Katerbekanntlich weder lesen noch sprechen kann.”

Philipp wollte etwas sagen, aber HerrFliederbusch kam ihm zuv or:

„Gibt es sonst keine Möglichkeit festzustellen,wie stark die Brille sein muss?”, fragte er.

Vorläufig sollte ja niemand erfahren, dassKonstantin sprechen konnte. Das hatte er HerrnFink v ersprechen müssen.

„Ich kenne sonst keine Möglichkeit”, sagte derOptiker. „Aber v ielleicht kann ein Tierarzt …”

Der Blonde sah recht unglücklich aus. SeinChef hatte ihm aufgetragen, den Kunden jedenauch noch so ausgefallenen Wunsch zu erfüllen.Bisher war das auch gar nicht schwieriggewesen, aber eine Brille für einen Kater …

„Also: in der ersten Zeile stehen die

Buchstaben: O – E – D”, sagte Konstantin, dendas Hin und Her der Menschen schon langweilte.

„Das weiß ich selber, was in der ersten Zeilesteht”, meinte der Optiker, dann erst bemerkteer: „Aber der Kater kann ja lesen und sprechen!”

Er v ergaß ganz, sich darüber zu wundern, sofroh war er, dass er nun auch diesen ganzausgefallenen Wunsch erfüllen konnte. Der Chefwürde sehr zufrieden mit ihm sein.

„Der Kater kann sprechen und lesen”,wiederholte er, „da ist's natürlich ganz einfach.”

Konstantin hatte sich schon ein paar Meter v ordie Tafel mit den Buchstaben hingestellt.

Der Optiker setzte ihm ein seltsamesBrillengestell auf die Nase: „Zuerst müssen wirwissen, welche Art v on Gläsern. Kurzsichtig oderweitsichtig?”

„Durchsichtig”, sagte der Kater. „Am liebstenhätte ich eine durchsichtige Brille.”

„Selbstv erständlich. Wir führen nurdurchsichtige Brillen. Andere gibt's ja gar nicht.”

„Doch”, widersprach Konstantin,„Klosettbrillen zum Beispiel.”

„Ach ja”, seufzte der Optiker. „Aber so was

führen wir nicht. Bei uns gibt's nur Brillen, dieman auf die Nase setzen kann.”

„Genau so eine will ich”, sagte Konstantin.„Eine Brille, die ein kurzsichtiger Kater wie ichauf die Nase setzen kann.”

„Also kurzsichtig”, murmelte der Optikererleichtert und holte ein Kästchen mit v ielenBrillengläsern.

Ein Glas nach dem andern steckte er in dasGestell, das auf Konstantins Nase saß, bis erendlich die richtige Brillenstärkeherausgefunden hatte. Nun konnte Konstantinauch die Buchstaben in der fünften Zeile guterkennen.

„Jetzt müssen wir nur noch eine Fassung fürdie Gläser aussuchen”, meinte der Blonde. „Ichdenke, eine kleine Kindergröße wird geraderichtig sein.”

Er brachte eine Schachtel mitBrillenfassungen, und v or einem Spiegelprobierte der Kater ein paar dav on an. Erentschied sich schließlich für eine kreisrundeBrille – ganz ähnlich der, die Herr Fink trug, nureben v iel kleiner.

Auch den Kindern gefiel diese Fassung.„Findet ihr nicht, dass ich damit aussehe wie

eine Eule, die sich als Kater v erkleidet hat?”,fragte der Kater. Er wandte sich noch einmaldem Spiegel zu. „Ich finde, ich sehe sogar

ausnehmend fürchterlich aus mit dieser Brille.Damit gehe ich auf Mäusejagd. Jede Maus, diemich mit dieser Brille sieht, fällt v or Schreck totum – und ich brauche sie nur mehraufzufressen.”

„Hm. Ja. Aha”, machte der Blonde.Dann meinte er zu Herrn Fliederbusch: „Wenn

Sie fünf Minuten Zeit haben, dann werde ich dieGläser gleich in die Fassung geben.”

„Wenn's wirklich nur fünf Minuten dauert,warten wir gerne.”

„Bitte sehr, bitte gleich”, sagte der jungeOptiker und v erschwand in dem Zimmer, ausdem er v orhin gekommen war.

Tatsächlich brachte er nach fünf Minuten diefertige Brille. Konstantin probierte sie nocheinmal und schnitt v or dem Spiegel schauerlicheGrimassen. Er zeigte seine Zähne und knurrteFurcht erregend.

Die Kinder lachten.„Was gibt's da zu lachen!”, fauchte Konstantin.

„Ich bin Konstantin der Schreckliche, Konstantinder Mäuseschreck!” Aber jetzt musste er selberlachen.

Herr Fliederbusch bezahlte gerade die Brille, datrat ein älterer grauhaariger Herr ins Geschäft.

Der blonde junge Mann begrüßte ihn als„Herrn Chef”.

Der Grauhaarige wollte ins Hinterzimmergehen, aber der Blonde hielt ihn auf: „Gut, dassSie kommen, Herr Chef. Sonst hätten Sie mirbestimmt nicht geglaubt …”

„Was?”, fragte der Mann.„Dass ich diesem Kater”, der Verkäufer zeigte

auf Konstantin, „soeben eine Brille angepassthabe.

Das war bestimmt der ausgefallenste Wunscheines Kunden, der in diesem Geschäft je erfülltwurde.”

Der Chef sah ihn v erwirrt an. „Angepasst?Wie haben Sie denn das gemacht?”„Genau wie bei einem Menschen”, erzählte der

Blonde stolz. „Er hat die Buchstaben dort auf derTafel gelesen.”

„Ach”, meinte der Grauhaarige, „er hatgelesen und mit ihnen gesprochen? Das ist ja sehrinteressant. Sie wollen damit sagen, dass dieserKater hier lesen und sprechen kann?”

„Jawohl, Herr Chef.”„Wenn Sie sich nicht wohl fühlen”, meinte der

Optiker besorgt, „dann gehen Sie nach Hauseund legen Sie sich ins Bett.”

„Ich weiß schon, was Sie meinen”, lachte derVerkäufer, „aber ich bin nicht v errückt. DerKater kann wirklich sprechen.”

Jetzt wurde der Grauhaarige ärgerlich:„Erzählen Sie mir keine Märchen, dafür bin ichschon zu alt!”

Der junge Mann ließ sich aber nichteinschüchtern. „Sie werden gleich sehen”, sagteer und beugte sich hinunter zu Konstantin.„Komm, erzähl dem Herrn Chef, dass ich dirgerade eine Brille angepasst habe.”

Aber der Kater schaute hinauf zu HerrnFliederbusch, und weil der ihm zuzwinkerte undfast unmerklich den Kopf schüttelte, sagteKonstantin nur: „Miau.”

Verwirrt sagte der Blonde: „Mach keine Witze.Gerade v orhin hast du so schön gesprochen. Sagetwas, damit der Herr Chef sieht, dass duwirklich reden kannst wie ein Mensch.”

„Miiiiiau”, machte Konstantin noch einmal.

Da wandte sich der Verkäufer an die Kinder:„Sagt ihr ihm, dass er noch einmal sprechensoll.”

Aber Uschi schüttelte nur den Kopf, undPhilipp meinte: „Ein Kater, der lesen undsprechen kann, wo gibt's denn so was!”

„Bezahlt habe ich schon”, sagte HerrFliederbusch schnell, „dann können wir jagehen.” Und er drängte die beiden Kinder undden Kater zur Tür hinaus.

Auf der Straße schüttelten sie sich v or Lachen.Sie lugten durch die Auslagenscheibe insGeschäft und sahen:

Der Verkäufer v ersuchte noch immerv erzweifelt, seinem Chef klarzumachen, dass derKater wirklich gesprochen hatte. Aber der wurdeimmer ärgerlicher, tippte sich zuletzt an dieStirn und v erschwand im Hinterzimmer.

Ganz allein stand der blonde junge Mann jetztda. Nach einer Weile schüttelte er den Kopf undgriff sich an die Stirn. Auf einmal schien er nichtmehr zu wissen, ob er das alles wirklich erlebtoder v ielleicht nur geträumt hatte.

Der Verkäufer tat Uschi Leid: „Eigentlich ist es

gemein, den armen Kerl so an der Naseherumzuführen.”

Aber die anderen Drei lachten nur noch lauter,und Herr Fliederbusch meinte: „Es darf ja nochniemand erfahren, dass Konstantin sprechenkann. Das hab' ich Herrn Fink fest v ersprochen.”

Konstantin und die Zeitungsleute

Herr Fink hatte Einladungen v erschickt. Daraufstand zu lesen, dass der bekannte SchriftstellerFranz Fliederbusch am 1 6. Oktober um zehn UhrVormittag sein neues Kinderbuch mit dem Titel„Der Kater Konstantin” v orstellen wollte.

Dieses Buch, so hieß es weiter auf derEinladung, wäre wahrhaft sensationell zu

nennen. Eine Riesenüberraschung stünde bev or.Am 1 5. Oktober hatte Herr Fink persönlich

noch bei allen Zeitungen, beim Rundfunk undauch beim Fernsehen angerufen. Und alle Stellenhatten ihm v ersprochen, einen Berichterstatterzu schicken.

Und dann war der 1 6. Oktober da.Um acht Uhr schon waren der Kater

Konstantin und Herr Fliederbusch in den Verlaggekommen. Hier sollte die Buchv orstellungstattfinden. Auf dem Schreibtisch türmten sichhalbmeterhoch die frisch gedruckten Bücher.

Aber Konstantin schenkte ihnen nur wenigAufmerksamkeit, denn: Herr Fink hatte einenriesengroßen Tisch aufstellen lassen, der mithunderterlei Köstlichkeiten beladen war.

Brötchen mit zehn v erschiedenen Wurstsortengab es hier und mit fünf Arten Fleisch, mit Käseund kleinen Gurken. Eine weit ausladendeSilberplatte war v oll mit hübsch v erziertenEiern. Sieben Schüsseln mit leckeren Salatenzählte der Kater Konstantin.

Für die Süßigkeiten, die es auch in großenMengen gab, interessierte er sich nicht so sehr,

dafür stachen ihm die aus Lachsscheibenhergestellten Röllchen umso mehr in die Nase.

Herr Fink hatte sich die Sache etwas kostenlassen.

Konstantin wollte gleich auf den Tisch hüpfenund mit dem Essen beginnen. Aber Fink fuhr ihnan:

„Wirst du das wohl sein lassen! Das ist alles fürdie Herren v on der Presse, v om Rundfunk undv om Fernsehen bestimmt.”

„Meinetwegen.” Konstantin tat beleidigt.„Dann kann ich ja wieder nach Hause gehen. Ichbin hier ja nicht so wichtig.”

Da erschrak Herr Fink und reichte dem Katerdas eine oder andere Häppchen v om Tisch.

„Mit dem Essen kommt der Appetit”, hatteKonstantin im Buch über die Redensarten gelesenund das sagte er jetzt Herrn Fink – und ließ sichnoch etwas Schinken geben.

Auf einem großen Serv ierwagen waren zehnFlaschen Rotwein, zehn Flaschen Weißwein undzehn Flaschen Orangensaft aufgereiht.

„Ist das nicht ein bisschen zu v iel?”, fragteHerr Fliederbusch seinen Verleger. „Wie v iele

Leute erwarten Sie denn?”„Vierundzwanzig haben zugesagt!”,

v erkündete Herr Fink stolz.Konstantin betrachtete den v oll gedeckten

Tisch und meinte: „Das Essen reicht aber gut undgern für v ierunddreißig Leute, da kann ich ja fürzehn essen.”

Und Herr Fink musste ihm noch ein paarWurstbrötchen, ein paar Lachsröllchen undeinen Riesenteller v oll Fleischsalat reichen.

Als der Kater damit fertig war, schlug dieschöne alte Wanduhr gerade drei v iertel zehn.Noch eine Viertelstunde …

„Das reicht, um die Wurst v on zehn Brötchenherunterzufressen”, entschied Konstantin – unddas tat er auch.

Dann war es fünf Minuten v or zehn.„Höchste Zeit, dass du v erschwindest”, seufzte

Fink, dem es leid war um all die schönenBrötchen, die der Kater in sich hineinschlang.

„Sie meinen, ich soll nach Hause gehen?”,fragte Konstantin.

„Mach mich nicht v errückt!”, rief Herr Fink.„Du sollst ins Nebenzimmer v erschwinden.”

Jetzt war der Verleger schon ein bisschennerv ös. „Die Zeitungsleute dürfen dich nichtgleich sehen. Du bist ja die Überraschung, die ichangekündigt habe.”

„Gibt's nebenan auch ein Sofa?”, erkundigtesich der Kater.

„Wozu brauchst du denn ein Sofa?”„Ich hätte Lust, ein Stündchen zu schlafen”,

meinte Konstantin. „Essen macht müde.”„Du findest drinnen einen bequemen Stuhl, da

kannst du dich ausruhen. Aber dass du sofortkommst, wenn wir dich rufen!”

„Aber ja.” Konstantin gähnte. „Ich werde v ordem Einschlafen noch ein paar Seiten v onmeiner Geschichte lesen”, beschloss er und zogdas unterste Buch aus dem Stapel.

Der Bücherturm schwankte. Nach der einenSeite, nach der anderen Seite. Dann fiel er um.Eine wahre Bücherflut ergoss sich auf denTeppich.

„Entschuldigung”, murmelte der Katerschläfrig und trollte sich ins Nebenzimmer.

Beinahe hätte Herr Fink jetzt laut geflucht,aber er nahm sich zusammen und kommandierte

nur: „Los! Helfen Sie mir, Herr Fliederbusch!Rasch!”

Und die beiden beeilten sich den Bücherstapelwieder aufzubauen.

Ehe sie noch fertig waren, kam der erste Gast.Der staunte nicht schlecht, als er Fink undFliederbusch auf dem Teppich knien und Büchereinsammeln sah.

„Ich bitte v ielmals um Vergebung”, bat HerrFink und erhob sich, um dem Gast die Hand zuschütteln.

„Mein Name ist Meier, ich schreibe für dasMitteilungsblatt desKaninchenzüchterv erbandes.”

„Ah!”, machte Herr Fink. „Eine sehrinteressante Zeitung.”

„Bin ich etwa der Erste?”, fragte Herr Meier,nachdem er sich umgesehen hatte.

„Einer ist immer der Erste”, meinte Fink undlachte höflich.

Dann bat er Herrn Meier, doch gleich tüchtigzuzugreifen.

Und das ließ sich der Gast nicht zweimal sagen.Er schaufelte einen Berg der Köstlichkeiten aufseinen Teller und ließ sich auch ein Glas Wein

einschenken.Inzwischen hatte Fliederbusch die letzten

Bücher aufgehoben.Es wurde zehn.Laut und v ernehmlich schlug die Wanduhr.

Gleichzeitig sahen Herr Fink und HerrFliederbusch auf ihre Armbanduhren.

Wo die anderen Eingeladenen nur blieben?Zwei Minuten nach zehn läutete das Telefon.

Ein Herr v on einer großen Tageszeitung rief anund entschuldigte sich: Er könnte leider, leidernicht kommen. Eine sehr, sehr dringende Sachewäre dazwischengekommen.

„Kann man nichts machen”, meinte Herr Fink.Gleich danach trafen zwei weitere

Zeitungsleute ein: ein Herr Müller v omVereinsblatt der Schreber-gartenfreunde und einHerr Huber v on der Zeitschrift „Der jungeBriefmarkenfreund”.

Auch sie wurden freundlich begrüßt undsogleich bewirtet.

Dann klingelte das Telefon zum zweiten Mal.Wieder entschuldigte sich ein Herr v on einerwichtigen Zeitung, dass er leider, leider nicht

kommen könnte, auch ihm war etwas sehr, sehrWichtiges dazwischengekommen.

„Ein andermal v ielleicht”, meinte er.Kaum hatte Herr Fink den Hörer aufgelegt,

läutete das Telefon schon wieder.Hintereinander riefen jetzt elf Zeitungsleute

an, und alle entschuldigten sich, sie könnten –leider, leider – der Einladung doch nicht folgen.

Darüber war es zehn Uhr fünfzehn geworden.Die drei Herren, die bisher erschienen waren,waren gut bei Appetit. Jedenfalls waren sie zusehr mit Essen und Trinken beschäftigt, umungeduldig zu werden.

Fink freilich trat unruhig v on einem Fuß aufden andern und murmelte immer wieder: „Ichv ersteh' nicht, warum sie nicht kommen.”

Dann noch einmal das Telefon, ein Herr v omFernsehen war diesmal dran:

„Es tut uns ja schrecklich Leid, aber wir habenleider, leider v iel zu wenig Leute … Nein, es tutmir sehr, sehr Leid, ich kann Ihnen niemandhinschicken. Viel Erfolg jedenfalls!”

Um fünf v or halb elf traf endlich noch einv ierter Gast ein. Schmidt hieß er und kam v om

Rundfunk. Er trug ein Tonbandgerät an einemSchulterriemen.

Als er sah, dass nur so wenige Leute da waren,fragte er besorgt: „Komm' ich schon zu spät? Istam Ende schon alles v orbei?”

Da allerdings konnte ihn Herr Fink beruhigen.Und so begann auch Herr Schmidt v omRundfunk zu essen und zu trinken.

Der Verleger rechnete im Stillen nach:Vierundv ierzig Leute hatte er eingeladen, v ierwaren gekommen, v ierzehn hatten abgesagt.Blieben also sechsundzwanzig Leute, die sichnicht einmal entschuldigt hatten.

Alle großen Tageszeitungen, alle Illustriertenhatten Fink im Stich gelassen.

Auch Fliederbusch war sehr enttäuscht.„Fangen wir an”, sagte er zu seinem Verleger.

„Es kommt ja doch niemand mehr.”„Nein, warten wir noch ein bisschen!” Fink

schien noch ein wenig Hoffnung zu haben. „DieseZeitungsleute haben v iel zu tun, die kommen fastimmer zu spät.” Und wie gebannt schaute er zurTür hin, aber sie öffnete sich nicht mehr.

„Es ist zum Verzweifeln”, murmelte der

Verleger. „Einmal im Leben hat man einewirkliche Sensation zu bieten und dann kommtniemand.” Er war dem Weinen nahe.

Nach weiteren zehn Warteminuten bat HerrFink endlich die Herren Meier, Müller, Huberund Schmidt „um Ihre geschätzteAufmerksamkeit”. Er hielt ihnen eine kurzeEinleitungsrede.

Dann begann Fliederbusch aus dem neuenBuch v orzulesen.

Die v ier Herren lachten herzlich, als sie v onden Erlebnissen des Katers Konstantin hörten.

Aber heimlich dachten sie: „Warum hat derVerleger v on einer Sensation geredet? DieGeschichte ist recht hübsch, aber es ist einKinderbuch wie v iele andere.”

Die ersten beiden Kapitel las Herr Fliederbuschv or, dann überreichte er jedem der v ier Herrenein Buch mit einer persönlichen Widmung.

„Und jetzt schlagen Sie die v orletzte Seite auf”,bat Herr Fliederbusch schließlich.

Die Herren taten es – und lasen hier: dass derKater Konstantin, v on dem dieses Buch handelte,diese Geschichte selber Herrn Fliederbusch

diktiert hatte.„Eine hübsche Idee”, fand Herr Schmidt v om

Rundfunk und erhob sich.Auch die Herren v on den Zeitungen standen

auf. Sie würden – gelegentlich einmal – ein paarZeilen schreiben über das neue Buch v on HerrnFliederbusch, v ersprachen sie. Das Buch wäre jawirklich ausnehmend hübsch und sehr lustig.

„Wirklich ein nettes Büchlein.”Und schon wollten sich alle Vier

v erabschieden. Nur mit Mühe konnte sie HerrFink zurückhalten.

„Aber meine Herren!”, rief er. „Jetzt kommtdoch erst die Überraschung!” Und dann rannte erins Nebenzimmer und weckte den KaterKonstantin.

„Frechheit!”, schimpfte der Kater, als er hinterFink ins Büro zurückkam. „Ich bin gerade ersteingeschlafen.”

„Darf ich v orstellen!”, rief Herr Fink, jetzt warseine große Stunde gekommen: „Hier sehen Sieihn, den Kater Konstantin, der HerrnFliederbusch seine Erlebnisse diktiert hat.”

Die Herren Meier, Müller, Huber und Schmidt

erstarrten.„Wer sind denn diese Leute?”, fragte

Konstantin.Halb schlief er noch, und im Augenblick wusste

er gar nicht, wo er war. Er streckte seineVorderpfoten weit v on sich, reckte sich, machteeinen schönen runden Katzenbuckel und wardann endlich munter.

Er musterte die v ier Herren und meintezufrieden: „Ah, so wenige sind nur gekommen,das ist gut. Da ist genug übrig geblieben v on alldem schönen Essen. Komisch, ich hab' schonwieder Hunger, dabei hab' ich doch v orhin schonein bisschen gefrühstückt.”

Die v ier Herren standen jetzt mit weitgeöffneten Mündern da und starrten Konstantinan, als wäre er ein Mondkalb.

„Donnerwetter!”, brachte Herr Huber endlichheraus – und setzte sich wieder hin.

„Das nenne ich eine Überraschung!”, stießHerr Schmidt v om Rundfunk herv or. Dann riefer: „Ich muss sofort ein Interv iew machen!”,schaltete sein Tonbandgerät ein, sprang v omSessel hoch und hielt Konstantin sein Mikrofon

unter die Nase …

Und was der Kater dann sagte, das konnte manam Abend im Radio hören.

Uschi und Philipp hörten es, während sie mitihren Eltern beim Abendessen saßen.

Die beiden Kinder wären zu gerne schon amVormittag dabei gewesen, sie hatten sogarüberlegt, ob sie nicht die Schule schwänzensollten, aber es war ihnen keine passende Ausredeeingefallen.

Jetzt mussten sie ein paar Mal lauthals lachenüber die komischen Antworten, die Konstantindem Rundfunkreporter gegeben hatte.

Auch ihre Eltern lachten – aber v or allemdeswegen, weil sie meinten, irgendein Mannhätte sich hier als sprechender Kater ausgegeben.Dass es wirklich ein Kater war, den sie hörten,das wollten sie nicht glauben. Und schon garnicht wollten sie glauben, was ihnen Uschi undPhilipp erzählten: dass dieser sprechende Katerihr Freund war.

Aber in diesem Augenblick klopfte es an derBalkontür.

„Was war denn das?”, fragte die Mutter.„Wahrscheinlich ist's dieser Kater”, spottete der

Vater.Philipp jedoch stieß die Tür auf – und draußen

stand wirklich der Kater Konstantin.Er hatte sich auf die Hinterbeine aufgerichtet

und hielt ein Exemplar seines Buches in denVorderpfoten. „Ich wollte euch nur rasch dasBuch v orbeibringen”, sagte er, „weil ihr heuteVormittag nicht dabei sein konntet.”

Als er die Eltern der beiden Kinder drinnen imWohnzimmer sitzen sah, sagte er artig: „GutenAbend, Frau Steinmann. Guten Abend, HerrSteinmann. Entschuldigen Sie, bitte, dass ich sospät am Abend noch störe.”

Da stieß die Mutter einen spitzen Schrei aus,und der Vater fiel v or Schreck beinahe v omStuhl.

Als sich die Eltern dann aber wieder erholthatten, luden sie den Kater zum Abendessen ein,und dazu ließ sich Konstantin nicht lange bitten.

Von dieser Zeit an durfte er die Kinderbesuchen, wann immer er Lust hatte, denn baldhatte er sich auch mit den Eltern angefreundet.

Eine Fernsehshow – richtig zum Weinen

Konstantin durfte jetzt auch an denWochenendausflügen der Familie Steinmannteilnehmen, wann immer er Zeit hatte.

Aber er hatte nicht mehr v iel Zeit. Er warnämlich berühmt geworden. Seit sein Bucherschienen war und die Leute begriffen hatten,dass er die Geschichte wirklich selber erlebthatte, brachten alle großen Zeitungen, alleIllustrierten seitenlange Berichte über densprechenden Kater. Kaum ein Tag v erging, andem Konstantin nicht interv iewt und v on allenSeiten fotografiert wurde.

Eine Zeit lang gefiel es Konstantin, sein Bildjeden Tag in einer anderen Zeitung zu sehen.Aber bald langweilte es ihn, jedem dieserZeitungsschreiber immer wieder seine

Geschichte zu erzählen. Viel lieber hätte er mitUschi und Philipp gespielt.

Und eines Tages erschien dann ein Mann v omFernsehen bei Herrn Fliederbusch.

„Ich möchte den berühmten Kater Konstantinsprechen”, sagte er.

Konstantin war zufällig zu Hause.Der Mann lud ihn ein, an einer Fernsehshow

teilzunehmen.„Fernsehshow, was ist denn das schon wieder?”„Was Fernsehen ist, das weißt du?”„Ich bin doch nicht v on gestern”, antwortete

Konstantin – und erinnerte sich an sein Erlebnismit dem Fernsehapparat bei Steinmanns.„Fernsehen kennt doch jedes kleine Kind!”

„Und eine Fernsehshow, das ist eineUnterhaltungs-sendung im Fernsehen. – Also:Ich soll dich einladen, an so einer Showteilzunehmen.”

Herr Fliederbusch war ganz begeistert v ondieser Idee. Konstantin jedoch wollte wissen, wasdenn bei einer Show alles geschieht.

„Da gibt es einen Showmaster”, begann derHerr v om Fernsehen, „zu Deutsch einen

Schaumeister.”„Ist das ein Meister im Schauen?”, fragte

Konstantin. „So wie ein Tischlermeister einMeister im Tischlern ist?”

„Nein”, der Mann lachte. „Der Showmasterplaudert ein bisschen mit den Leuten, erzählt einpaar Witze und stellt die Künstler v or, dieteilnehmen.”

„Was für Künstler?”„Zum Beispiel berühmte Sänger oder Tänzer

oder andere Leute, die gerade sehr bekannt sind.”„Tanzen kann ich nicht”, sagte Konstantin,

„dafür singe ich umso schöner. Kein andererKater singt so schön wie ich.” Und gleich ließ erein lang gezogenes „Miiiiiaaauu!” hören, dannsang er „Weeeeeeeeaauu!”, und das klang soschauerlich, dass der Herr v om Fernsehen sichdie Ohren zuhielt.

„Nein, bitte nicht singen!”, seufzte er. „Ambesten wird sein, du erzählst unserenFernsehzuschauern deine Geschichte. DerShowmaster wird dir ein paar Fragen stellen …”

„Ich denke nicht daran!”, unterbrach ihn derKater. „Meine Geschichte habe ich schon

sechsundsiebzigmal erzählt. Ich finde sie selberschon so langweilig, dass ich beim Erzähleneinschlafe. Wer sie kennen lernen will, der sollmein Buch lesen.”

Da schlug der Fernsehmann v or: „Du kannst jav ielleicht ein Stückchen aus dem Buch v orlesen.Das ist zwar nicht so hübsch wie erzählen, aberbesser als gar nichts.”

Und weil Fliederbusch ihn so sehr bat, willigteKonstantin schließlich ein.

Vierzehn Tage später war es dann so weit.Konstantin hatte seine Brille blank geputzt.

Herr Fliederbusch hatte seinen besten Rockaufgebügelt und angezogen. So erschienen diebeiden im Fernsehstudio.

Der Kater hätte ja schon am Nachmittag zueiner Probe kommen sollen. Aber dazu hatte manihn nicht bewegen können.

„Ich kann lesen, mit meiner neuen Brille sogarganz ausgezeichnet. Da brauche ich nicht langezu proben. Wenn die anderen nicht ordentlichsingen oder tanzen können, dann sollen sie nurproben. Ich tu's nicht.”

Jetzt am Abend waren sie eine Stunde zu früh

gekommen.Zunächst fanden sie sich gar nicht zurecht im

Fernsehstudio. So v ieles gab es hier, was sie nochnie gesehen hatten.

Von der Decke baumelten zahlloseScheinwerfer, die nacheinander ein- und wiederausgeschaltet wurden.

Herr Fliederbusch interessierte sich v or allemfür die riesigen Kameras, die man kreuz und querdurch den Raum fahren konnte.

Männer in weißen Arbeitsmänteln liefenumher und erteilten Anweisungen: JederScheinwerfer, jede Kamera, jedes Mikrofon, jedesauch noch so kleine Gerät musste v or derSendung ausprobiert werden.

Den Kater Konstantin interessierten dieMusikinstrumente am meisten.

Im Studio war gegenüber den Zuschauerreiheneine Bühne aufgebaut. In der Mitte führte einebreite Treppe zu einer Tür nach oben. Der Platzlinks v on der Treppe war für die Musikkapellereserv iert.

Die Musiker selber waren nicht da, aber ihreInstrumente hatten sie stehen lassen.

Konstantin schlich näher, ohne dass HerrFliederbusch es bemerkte. Sein Buch, aus dem erv orlesen sollte und das er bis jetzt in den Pfotengehalten hatte, legte er beiseite. Dann setzte ersich ans Schlagzeug und probierte die Trommelnaus.

Aber gleich brüllte einer der Männer in denweißen Arbeitskitteln „Ruhe!” und HerrFliederbusch warf Konstantin einen strengenBlick zu.

So ließ Konstantin das Trommeln sein und sahsich weiter um. Am lustigsten fand er einglänzendes Instrument, das fast dreimal so hochwar wie er selber und sich noch oben zu einemmächtigen Trichter erweiterte. Es war eineTuba, aber das wusste der Kater nicht.

Auf dem Fußboden – neben demRieseninstrument – stand eine halb v olleBierflasche. Ein Musiker musste sie v ergessenhaben.

Auch ein Klav ier war da. Das kannteKonstantin. Er setzte sich hin und klimperte einbisschen.

Aber da brüllte jemand hinter seinem Rücken:

„Welcher Idiot hat denn eine Katzehereingelassen?”

Konstantin drehte sich blitzschnell um: Einerder weiß bemäntelten Männer hatte geschrien.

Ein anderer entgegnete zwar: „Das ist doch derberühmte Kater Konstantin”, aber der eineerklärte: „Mir egal. Jetzt muss er 'raus hier. Wirkönnen niemanden brauchen, der uns bei derArbeit stört. Sonst gibt's bei der Sendungunangenehme Überraschungen.”

„Ich v erschwinde schon”, rief Konstantinzurück.

Daraufhin arbeiteten die Männer weiter.„Eure Überraschung sollt ihr haben”, dachte

Konstantin, kletterte auf einen Stuhl und leertedas Bier aus der Flasche oben in den Trichter derTuba. Dann v erließ er mit Herrn Fliederbuschdas Studio.

„Wir haben noch eine halbe Stunde Zeit”,meinte Fliederbusch, „wir könnten uns im Hausein bisschen umsehen, wenn du willst.”

Damit war Konstantin einv erstanden.Sie liefen treppauf, treppab durch das

Fernsehstudio und bewunderten all die

merkwürdigen Geräte, die hier überallaufgebaut waren.

Besonders hübsch fand der Kater eine Wand,die v om Fußboden bis unter die Decke v oll warmit Schaltern und bunten Lämpchen.

Herr Fliederbusch erklärte ihm: „Das ist eineSchalttafel. Von hier aus kann man den Stromfür alle Geräte im ganzen Haus einschalten.”

„Und was bedeuten die Lämpchen?”„Wenn sie leuchten, bedeutet das

wahrscheinlich, dass der Strom eingeschaltetist.”

Fast alle Lämpchen brannten.„Ob ich einmal die Schalter ausprobiere”,

überlegte Konstantin.„Untersteh dich!”, fuhr ihn Fliederbusch an.

„Dann haben die im Studio keinen Strom.”„Schade”, meinte der Kater, „ich hätte es

wirklich gern ausprobiert.”Sie gingen wieder ins Fernsehstudio.Jetzt strömten die Zuschauer in den Saal.Dann hörte man Klingelzeichen. Die Musiker

nahmen auf der Bühne Platz. Herr Fliederbuschund der Kater konnten durch einen Türspalt auf

die Bühne sehen.Punkt zwanzig Uhr fünfzehn wurde es dunkel,

und die Musikkapelle begann zu spielen. Dannwurde die Tür oberhalb der Treppe hellbeleuchtet.

Sie öffnete sich – und heraus trat derShowmaster.

Konstantin hatte ihn v orher schon einmal kurzgesehen. Er hatte schwarze Haare und trug einenAnzug aus dunkelrotem Samt.

Langsam schritt er die Treppe herunter, unddie Zuschauer klatschen Beifall. Untenangekommen, v erbeugte er sich, und die Musikerbeendeten ihr Spiel.

Konstantin hatte sie genau beobachtet. DasRieseninstrument, in das er das Bier geschüttethatte, war bisher noch nicht v erwendet worden.

Der Showmaster begrüßte die „Zuschauer hierim Studio und zu Hause an den Fernsehgeräten”,machte ein paar witzige Bemerkungen undwünschte „eine gute Unterhaltung bei unsererSendung ‚Gut gelaunt am Samstagabend' ”.

Er v erneigte sich wieder und trat zur Seite –hinter eine Wand, die auf der Bühne aufgebaut

war. Dort war er für die Zuschauer unsichtbar.Konstantin allerdings konnte ihn v on seinem

Platz aus beobachten.Das Licht v eränderte sich, die Musiker spielten.Da quollen aus der Tür oberhalb der Treppe

ganze Trauben v on Mädchen in glitzerndenRöckchen.

Sie tanzten. Zuerst oben auf der Treppe, dannhopsten sie immer weiter die Treppe herunter,schließlich tanzten sie unten auf der Bühne.

„Gefällt Ihnen so was?”, fragte KonstantinHerrn Fliederbusch.

„Ach ja, ich find's ganz hübsch.”„Ich finde, sie hüpfen herum wie die

Ziegenböcke”, meinte der Kater. „Wenn das soalbern weitergeht, ist das die letzte Show, bei erich mitmache.”

Da fiel ihm ein, dass er das Buch, aus dem erv orlesen sollte, drüben bei denMusikinstrumenten hatte liegen lassen. Erzögerte nicht lange, schlüpfte durch den Türspaltauf die Bühne und schlängelte sich zwischen denhüpfenden Mädchenbeinen durch. Das war garnicht einfach, aber Konstantin erreichte

schließlich doch unv erletzt die Musiker.Das Buch lag zu Füßen des Trompeters.

Konstantin nahm es an sich und trat denRückweg an.

Jetzt hüpften aber die Mädchen nochv errückter als v orher, und so geschah es:

Ein Mädchen stolperte über den Kater und rissim Fallen ein anderes Mädchen mit. Sie stürztenv or die Füße eines dritten Mädchens, das nunauch zu Fall kam. In diese drei hinein tanzte einv iertes Mädchen … Zuletzt lag ein riesigerMädchenknäuel auf der Bühne, der v erzweifeltmit zwei Dutzend Armen und Beinen strampelte.

Vor Schreck hörten die Musiker auf zu spielen.Konstantin aber hatte seine Tür längst wieder

erreicht – und erblickte den Showmaster.Kreidebleich war der geworden. Einen

Augenblick lang zupfte er nerv ös an seinerNasenspitze, dann trat er v or die Zuschauer hinund lachte:

„Ich merke es Ihren Gesichtern an, meineDamen und Herren, dass unsere Überraschunggelungen ist. Unsere Tänzerinnen haben sichdiesmal einen ganz besonderen Schluss ihrerDarbietung einfallen lassen. Sie sehen also,meine Damen und Herren, die Sendung ‚Gutgelaunt am Samstagabend' bietet immer wiederNeues.”

Jetzt applaudierten die Zuschauer.„Der tut ja geradeso, als wäre es geplant

gewesen, dass die Mädchen hinfallen!”, meinteKonstantin.

„Du hättest überhaupt nicht hinauslaufendürfen!”, schimpfte Herr Fliederbusch. „Dudarfst die Sendung nicht stören. Du musst darandenken, dass alles, was hier geschieht, v on einpaar Millionen Fernsehteilnehmern beobachtetwird.”

Der Showmaster hatte inzwischen „dieweltberühmte Sängerin Renata Toscanelli”angekündigt.

Jetzt erschien oben auf der Treppe eine beleibteDame in einem engen Kleid, das bis auf denBoden reichte.

Zu den Klängen einer feierlichen Musik schrittsie die Stufen herunter. Dabei hatte sie die Armeausgebreitet, als wollte sie dav onfliegen.

Konstantin beobachtete wieder die Musiker.Und plötzlich sah er, wie einer v on ihnen jenesriesige Instrument an den Mund setzte, in das erdas Bier gegossen hatte. Eine Tuba wird nicht inallzu v ielen Musikstücken v erwendet, jetzt aber– in diesem feierlichen Stück – wurde siegebraucht.

Der Musiker blies, und man v ernahm einGluckern. Gleich darauf schoss ein Strahl ausdem breiten Trichter und ein feiner Sprühregenaus Bier ergoss sich über die Musikkapelle.

Die Männer erschraken so sehr, dass jeder v onihnen ein paar schauerlich falsche Töne bliesoder zupfte oder strich. Die Sängerin aber blieb –mit ausgebreiteten Armen – auf der Treppestehen und schaute sich v erdutzt um.

Und der Showmaster – Konstantin konnte ihnsehen – lief purpurrot an und zischte einemHerrn, der dicht neben ihm stand, zu: „Ich werdeden Kerl, der an dieser Schweinerei schuld ist,eigenhändig 'rausschmeißen!”

Gleich darauf aber lief er auf die Bühne,lächelte ins Publikum und sprang die Treppehinauf. Dort nahm er die dicke Sängerin bei derHand und geleitete sie nach unten.

Hier erklärte er dem Publikum: „Sie haben esschon bemerkt, meine Damen und Herren, dasist eine Show, in der ein Überraschungseffekt denandern jagt. Diesmal hat sich einer unsererMusiker einen Scherz einfallen lassen. Applausfür den Tubabläser.”

Er zeigte auf den Musiker, der erhob sichv erwirrt und bedankte sich mit einer tiefenVerbeugung für den Beifall, den die Zuschauerihm spendeten.

„Wie diese Kerle lügen, das ist ja nicht zufassen!”, dachte Konstantin.

Jetzt stellte sich die beleibte Sängerin hin undbegann zu singen.

Vielmehr: Sie tat so, als würde sie singen.Konstantin bemerkte es sofort: Sie machte nur

den Mund auf und zu, geradeso als würde siewirklich singen. Der Gesang aber ertönte aus denLautsprechern, die überall im Studio aufgehängtwaren. Das fand der Kater höchst merkwürdig.

Herr Fliederbusch erklärte es ihm flüsternd:„Weißt du, die Sängerin hat das Lied, das sie hierv ortragen soll, schon v or der Sendung aufTonband aufgenommen. Dieses Tonband wirdjetzt abgespielt und sie selber bewegt nur denMund dazu.”

„Und wozu soll das gut sein?”„Ist doch ganz einfach. Jetzt während der

Sendung – v or den Zuschauern hier und ein paarMillionen Fernsehzuschauern -, da ist dieSängerin natürlich ein bisschen aufgeregt. Undwenn man aufgeregt ist, singt man v ielleichtnicht so schön wie sonst.”

“Wenn sie nicht singen kann, soll sie doch zuHause bleiben”, meinte der Kater.

„Sie kann ja singen. Vor der Sendung hat sie esso lange probiert, bis es wirklich fehlerfrei war.Und dieses fehlerfreie Lied hören die Leute jetzt.”

„Aber die Leute v or den Bildschirmen zu Hauseglauben, dass die Sängerin jetzt in diesemAugenblick singt, oder?”

„Natürlich.”„Wenn Sie mich fragen, Herr Fliederbusch,

dann finde ich, dass die Leute hier zum Narren

gehalten werden.”Nach der Sängerin trat wieder der Showmaster

auf. „Nun darf ich Ihnen jemanden ankündigen,den v or wenigen Wochen noch niemand kannte,der aber in kürzester Zeit berühmt geworden ist.Er wird Ihnen etwas v orlesen. – Ich weiß, was Siejetzt denken: Etwas v orzulesen, das ist ziemlichlangweilig. Und unsere Sendung, ‚Gut gelauntam Samstagabend' will Sie nicht langweilen,sondern unterhalten.” Der Showmaster lachte.„Langweilig wäre es, wenn es ein Mensch wäre,der Ihnen etwas v orliest. Es ist aber kein Mensch,sondern ein Kater. Der berühmte KaterKonstantin!”

Die Leute applaudierten.„Er wird Ihnen aus seinem jüngst erschienenen

Buch v orlesen.”Konstantin erschrak und war mit einem Mal

sehr aufgeregt.„Denk daran: ein paar Millionen Menschen

sehen dir jetzt zu”, flüsterte Herr Fliederbusch,dann schubste er den Kater auf die Bühne.

Alle Scheinwerfer richteten sich aufKonstantin. Das Licht blendete ihn und er schloss

die Augen.Als er sie nach einer Weile wieder öffnete, sah

er einen riesigen Stuhl, den man hereingebrachthatte. Hier nahm Konstantin Platz. Eine Kamerafuhr auf ihn zu. Ein rotes Lämpchen branntedarauf. Konstantin wusste: Jetzt sah man ihn inv ielen hunderttausend Wohnzimmern.

„Auch Steinmanns sehen mich jetzt!”, schoss esihm durch den Kopf. „Und wenn ich schon inihrem Wohnzimmer sitze, muss ich sie auchbegrüßen.”

„Guten Abend, Frau Steinmann. Guten Abend,Herr Steinmann. Hallo, Uschi, hallo, Flip!”Er winkte in die Kamera. „Na, was sagt ihr?Jetzt bin ich im Fernsehen. Ihr würdet euchwundern, wenn ihr wüsstet, was hier los ist.Habt ihr die dicke Sängerin v orhin gesehen? Ja?Ihr glaubt, sie hätte gesungen, was? Aber da irrtihr euch. Sie hat nur den Mund auf- undzugemacht …”

In diesem Augenblick aber kam derShowmaster auf die Bühne gelaufen undmeldete:

„Ich bitte v ielmals um Entschuldigung, meine

Damen und Herren, wir hatten eine kleineTonstörung. Der Schaden ist aber bereits wiederbehoben.”

Wütend fauchte Konstantin: „Soll das heißen,dass man nicht gehört hat, was ich eben gesagthabe?”

„Nur die letzten paar Sätze nicht.”„Dann will ich sie ganz rasch wiederholen.”„Nein, nein. Wir dürfen unsere Sendezeit nicht

überschreiten. Ich würde bitten, gleich mit demVorlesen zu beginnen.”

Der Showmaster beugte sich zu Konstantinhinunter, streichelte ihn, dabei flüsterte er ihmaber zu:

„Wenn du den Leuten noch einmal solchenQuatsch erzählst, kannst du was erleben!”

Dabei grinste er aber so freundlich, dass dieZuschauer meinen konnten, er hätte dem Kateretwas besonders Nettes zugeflüstert.

„Auch gut”, dachte Konstantin. „Ich werd'seuch schon noch zeigen.” Er schlug das Buch auf.

„Ich werde also was v orlesen”, sagte er.„Das Buch heißt ganz einfach ‚Der KaterKonstantin'. Hören Sie ordentlich zu, damit Sie

auch alles v erstehen.”Und dann las er ein kurzes, lustiges Kapitel v or.

Die Leute hörten aufmerksam zu, lachten undam Schluss klatschten sie begeistert Beifall.

Konstantin v erbeugte sich tief – wie er esv orher bei der Sängerin gesehen hatte –, danntrippelte er wieder hinaus.

„War das v orhin wirklich eine Tonstörung?”,fragte er Herrn Fliederbusch.

„Natürlich nicht. Die haben einfach deinMikrofon ausgeschaltet. So etwas kann man dochnicht sagen.” Fliederbusch schien v erärgert.

Konstantin aber wurde richtig wütend:„Dass man es kann, das haben Sie ja gehört.”Man hatte ihm also das Mikrofon

ausgeschaltet!„Das sollen sie mir büßen!”, schwor er sich.Aber wie?Draußen auf der Bühne stand jetzt ein Sänger.

Auch er bewegte nur die Lippen zu dem Gesang,der aus den Lautsprechern kam.

Alles Licht war auf den Sänger gerichtet.Ringsherum war es finster. So bemerkteniemand, dass der schwarze Kater sich an den

Sänger heranschlich.Nicht einmal Herr Fliederbusch sah es.Als Konstantin nahe genug war: ein Satz – und

dann ein kräftiger Biss in die Wade des Sängers.

Gellend schrie der Mann auf – aus den

Lautsprechern aber tönte weiter fehlerfreierGesang.

Auf einem Bein hüpfte der Sänger jetzt herum,das andere – in das Konstantin gebissen hatte –hielt er mit beiden Händen fest.

Das schmerzv erzerrte Gesicht, der Mund, ausdem statt Gesang ein Fluch nach dem andernkam – das alles passte nicht mehr zumLautsprechergesang.

Jetzt wissen es alle Leute, dachte Konstantinzufrieden und v erließ die Bühne.

Die Zuschauer im Studio brüllten v or Lachen.Der Showmaster aber – hinter seiner Wand –

raufte sich die Haare und stöhnte leise v or sichhin: „Es ist zum Verzweifeln, es ist zum Heulen,zum Weinen ist es!” Dann aber zischte derdrohend: „Wenn ich diesen v erdammten Katererwische, dann mache ich Hackfleisch aus ihm!”

„Oho!”, dachte Konstantin. „Der Kerl drohtmir. Das soll nicht ungestraft bleiben.”

Fürs Erste aber fand es der Kater angebracht,aus der Reichweite des tobenden Showmasters zuv erschwinden.

Und dann hatte er einen Einfall.

Er lief an die Schalttafel.„Wenn die mir das Mikrofon abschalten,

schalte ich ihnen den Strom ab”, murmelteKonstantin.

Blitzschnell kippte er einen Schalter nach demanderen um: Ein Lämpchen nach dem anderenerlosch.

Stockfinster war es. Aber mit seinenKatzenaugen fand Konstantin sich gut zurecht.Er eilte zurück ins Studio.

Auch hier: alles dunkel.„Kein Strom da”, hörte er eine Stimme sagen.„Wie kann denn so etwas passieren?”, fragte

eine andere Stimme.Doch plötzlich v ernahm Konstantin ein leises

Schluchzen.Es war der Showmaster, der hinter seiner

Wand leise v or sich hinweinte. Seine Show warfür diesmal kaputt. Er hatte allen Grund zumWeinen.

„Das kommt dav on, wenn man Hackfleisch ausmir machen will”, flüsterte der Kater ihm zu.

Und dann dachte er daran, dass ein paarMillionen Bildschirme jetzt finster geworden

waren. Vielleicht konnte man „Entschuldigen Siebitte die Störung” darauf lesen.

Bei diesem Gedanken kicherte der KaterKonstantin leise.

Der Kater macht nicht mehr mit

Seit seinem Auftritt im Fernsehen warKonstantin noch berühmter geworden. Alle inder Stadt kannten ihn nun.

Das fand er sehr hübsch. Denn niemanderschrak mehr, wenn er den Kater sprechenhörte. Jedermann war höflich, zuv orkommend

und nett zu ihm.Dann kam eines Tages, als Uschi und Philipp zu

Besuch bei Herrn Fliederbusch waren, der HerrFixundfertig ins Haus.

Herr Fixundfertig überfiel Herrn Fliederbuschmit einem gewaltigen Redeschwall:

„Gestatten, mein Name ist Fixundfertig.Komischer Name, was? Haha! Ich heißenatürlich nicht wirklich so. Das ist meinKünstlername und zugleich mein Motto. Dennalles, was ich anfange, ist im Nu fix und fertig. –Lieber Herr Fliederbusch, ich komme v on derWerbeagentur Fixundfertig und Co., und ichhabe Ihnen ein sensationelles Angebot zuunterbreiten. Ein Angebot, wie man's nur allezehn Jahre bekommt.”

Jetzt erst kam Herr Fliederbusch zu Wort.„Nehmen Sie doch Platz”, sagte er.„Ach ja”, meinte Herr Fixundfertig, aber er

setzte sich nicht, sondern lief weiter imArbeitszimmer auf und ab und redete weiter:

„Es geht, mein lieber Herr Fliederbusch, Siehaben es sicherlich schon erraten – es gehtnatürlich um Ihren Wunderkater, um den

berühmten sprechenden Kater Konstantin. Ichhabe seine Fotos in den Zeitungen gesehen, ichhabe das Buch gelesen, ich habe ihn imFernsehen bewundert. Und Sie dürfen mirglauben, wenn ich Ihnen sage: Dieser Kater istpures Gold wert. Und ich, Anatol Fixundfertigv on der Werbeagentur Fixundfertig und Co.,gedenke Ihnen diesen fabelhaften Kater in Goldaufzuwiegen.”

„Ich v erstehe nicht, was Sie meinen”, sagteHerr Fliederbusch.

Da sah ihn Fixundfertig mit erstaunten Augenan.

„Mann!”, rief er. „Ich rede v on Werbung! Ichrede überhaupt v on nichts anderem alsWerbung. Den ganzen Tag rede ich v onWerbung.”

„Das muss Ihnen ja schon ziemlich langweiligsein”, meldete sich jetzt der Kater.

Er hatte bis hierher ruhig, aber misstrauischzugehört. Dieser aufgeblasene, geschwätzige Kerlgefiel ihm gar nicht.

„Langweilig?”, fragte Fixundfertig. „Wiesolangweilig? Werbung langweilt mich nie.”

„Vielleicht erklären Sie uns, was Sie unterWerbung v erstehen”, schlug Konstantin v or.

„Haha, das ist fabelhaft!” Herr Fixundfertiglachte gezwungen. „Er tut, als wüsste er nicht,was Werbung ist. Das weiß doch jedes Kind. Aberbitte, haha, ich will's gern erklären: Werbung,das ist, wenn man den Leuten klar macht, wassie kaufen sollen, v erstehst du?”

„Nein.” Der Kater schüttelte heftig den Kopf.„Die Leute werden schon selber wissen, was siebrauchen.”

„O nein!”, stöhnte Herr Fixundfertig über sov iel Unwissenheit. „Das wissen die Leute ebennicht. Ich sehe, du hast tatsächlich keineAhnung. – Also hör zu: Ich will dir das an einemBeispiel erklären. Vor zwei Jahren wusste keiner,dass es Panther-Kinderschuhe gibt. Also konnteauch niemand wissen, dass er Panther-Kinderschuhe braucht. Und dann hab ichangefangen für diese Schuhe zu werben. In allenZeitungen hab' ich Inserate drucken lassen.Zweimal täglich läuft im Fernsehen ein kurzerWerbefilm über Panther-Kinderschuhe. Vonjeder Plakatwand lacht ein Kind, das Panther-

Schuhe trägt. – Und seither wissen alle Leute:Ein Kind, das richtig laufen lernen will, brauchtPanther-Schuhe.”

„Und wie war das früher”, wandte Konstantinein, „haben die Kinder da nicht richtig laufengelernt?”

Herr Fixundfertig schrie gequält auf.„Was für eine Frage! – Ich glaube, du v erstehst

das tatsächlich nicht, was?”„Nein. Aber ich halte es für eine Gaunerei, den

Leuten solchen Blödsinn einzureden.”Der Werbemensch wandte sich Herrn

Fliederbusch zu: „Naja, für einen Kater ist dasv ielleicht wirklich ein bisschen schwierig. Ermag ja recht klug sein, aber er ist eben doch nurein Tier.”

Fliederbusch wollte etwas entgegnen, aberHerr Fixundfertig ließ ihn gar nicht zu Wortkommen:

„Ich habe mir die Sache so gedacht: Wirmachen einen kurzen Werbefilm mit IhremKater. Wir werden ihn als den Gestiefelten Katerv erkleiden … Sie wissen schon: der aus demMärchen. – Aber statt richtiger Stiefel wird er

Panther Kinderschuhe tragen. Und er wird denLeuten erklären, dass es keine besserenKinderschuhe gibt.”

„Aber …”, begann Herr Fliederbusch.Herr Fixundfertig unterbrach ihn

augenblicklich: „Dafür bezahlen wir Ihnen, HerrFliederbusch, zehntausend Euro. Bar auf dieHand.”

Zehntausend! Fliederbusch schluckte v orErregung. Das war eine Menge Geld. Erüberlegte, was man alles damit anfangen konnte.

Dann wandte er sich an Konstantin: „Washältst du dav on?”

„Ich denke nicht daran!”, fauchte der Katerund fügte gleich darauf grinsend hinzu:„Höchstens wenn mir dieser Herr beweisen kann,dass diese Schuhe wirklich die besten sind.”

„Du lieber Gott!”, grunzte Fixundfertig jetzt.Es war wirklich nicht einfach, mit einem Katerzu v erhandeln. „Die Panther-Schuhe sindgenauso gut oder genauso schlecht wie alleanderen Kinderschuhe. Aber wenn alleSchuherzeuger behaupten, ihre Schuhe wärendie besten, dann müssen wir's auch tun.”

„Sie v ielleicht, aber nicht ich”, entgegnete derKater.

„In einem halben Tag wäre der Film fix undfertig abgedreht”, sagte Herr Fixundfertig.„Zehntausend für einen halben Tag, das ist dochnicht schlecht, oder?”

„Überleg dir's noch einmal, Konstantin”, batHerr Fliederbusch.

Herrn Fixundfertig riss jetzt die Geduld:„Was reden wir denn da lange herum, Herr

Fliederbusch? Wir beide schließen den Vertrag,und Sie bringen den Kater dazu, dass ermitmacht. Wie, das ist mir egal. – Der Katergehört doch Ihnen, oder?”

„Ich gehöre niemandem”, behaupteteKonstantin. „Und wenn überhaupt, dann ebensogut Uschi und Flip wie Herrn Fliederbusch.”

Die beiden Kinder hatten bis jetzt schweigendzugehört.

„Was meint ihr?”, fragte sie Herr Fliederbusch.„Ich finde, Konstantin soll machen, was er für

richtig hält”, sagte Uschi.Und das war auch Philipps Meinung.Der Werbemann dachte angestrengt nach.

Er sah, dass der Kater auf die beiden Kinderhörte. Er musste – das war ihm klar – die Kinderfür sich gewinnen.

Darum sagte er zu Konstantin: „Wenn dumitmachst, dann dürfen sich deine beidenFreunde etwas v on mir wünschen. Zum Beispielfunkelnagelneue Fahrräder. Oder eineelektrische Eisenbahn. Oder was sie sonst gernehätten.”

Die Augen der Kinder leuchteten auf –Konstantin sah es genau.

Er schwieg.„Zweitausend Euro lasse ich mir das kosten”,

fuhr Fixundfertig fort: „Tausend für das kleineFräulein, Tausend für den jungen Mann.”

Das war v iel Geld, besonders für Kinder –Konstantin wusste es.

Er selber machte sich nichts aus Geld, aber erwar ja auch ein Kater. Für die Menschen jedochschien Geld wichtig zu sein.

„Diesen kleinen Gefallen kannst du deinenFreunden doch tun”, redete Fixundfertig auf ihnein. Er redete beinahe ohne Unterbrechung.

„Halten Sie einmal eine Minute lang den

Mund”, schnauzte ihn Konstantin an. „Ich denkenach.”

Schon seit ein paar Wochen fühlte sichKonstantin nicht mehr richtig wohl. Er dachteund fühlte wie ein Tier, aber immer öfter ließ ersich überreden, zu handeln wie ein Mensch.

Konstantin spürte es, er wurde den Menschenimmer ähnlicher.

Er hatte sich überreden lassen, für Zeitungenund Rundfunk Interv iews zu geben, sich v onallen Seiten fotografieren zu lassen und imFernsehen aufzutreten.

Und jetzt wollte man ihn für einen Werbefilmeinspannen.

Wenn das so weiterging, dann würde er einesTages genauso denken wie die Menschen, aberdabei doch ein Kater bleiben – und das schienKonstantin ganz unmöglich.

„Tut mir Leid”, erklärte er daher. „Ich kanneuch den Gefallen nicht tun.”

Die Kinder schauten ein bisschen traurig drein,sagten aber nichts.

Herr Fliederbusch allerdings bat: „Denk nocheinmal darüber nach, Konstantin.”

„Nein”, antwortete der Kater.Zu genau wusste er:Wenn er jetzt zustimmte, würde man so etwas

immer wieder v on ihm v erlangen.Er wollte aber ein richtiger Kater bleiben.„Nein”, wiederholte er. „Ich tu's nicht.”Herr Fixundfertig sah ein, dass er v erloren

hatte. Er sah Herrn Fliederbusch höhnisch an.„Ich v erstehe wirklich nicht, warum Sie mit

dem Vieh solche Geschichten machen. Derv ersteht einfach nicht, worum es geht.Vermutlich ist das zu v iel für einenKatzenschädel.”

Genau das hatte Konstantin befürchtet:Die Menschen v erlangten v on ihm, dass er sichwie ein Mensch benahm; aber wenn's draufankam, behandelten sie ihn doch nicht wieihresgleichen.

„Sie halten sich wohl für sehr klug, v erehrterHerr Fixundfertig?”, fragte Konstantin.

„Na, jedenfalls bin ich doch klüger als eineKatze.”

„Wetten, ich kann etwas, was Sie nichtkönnen.”

„So? Was denn – außer Miau zu schreien?”„Ich kann Ihnen zum Beispiel eine Flasche

Tinte über den Kopf gießen – ohne dass sie blauoder nass werden, ohne dass ihr schönes Hemdbeschmutzt wird.”

„Glaub' ich nicht”, lachte Fixundfertig, „ganzausgeschlossen.”

„Wollen wir wetten?”, fragte Konstantin.Herr Fixundfertig zögerte. Aber dann gab er

sich einen Ruck. Er durfte sich v on diesem Katernicht unterkriegen lassen.

„Worum wollen wir wetten?”„Um gar nichts. Nur so.”„Meinetwegen.”Herr Fixundfertig musste sich auf einen Stuhl

setzen.Der Kater Konstantin holte eine große

Tintenflasche v om Schreibtisch, kletterte hinterden Werbemann auf die Stuhllehne, schraubtedie Flasche auf – und goss dem Herrn v on derWerbeagentur die Tinte über den Kopf.

„Verdammte Schweinerei!”, rief HerrFixundfertig zornig aus und schnellte hoch. SeineHaare, sein Gesicht, sein Hemd, seine Krawatte,

sein Rock – alles war blau v on Tinte.„Schade”, sagte Konstantin und lachte. „Ich

habe die Wette v erloren.”Dann drehte er sich um und lief aus dem Haus.

Schon v or ein paar Tagen hatte es ein weniggeschneit, aber der Schnee war nicht liegengeblieben. Die Erde, die Häuser und Bäumewaren noch ein bisschen zu warm gewesen, sodass die Schneeflocken darauf zu Wasserzerflossen waren.

Heute schneite es wieder. Und jetzt überzog derSchnee den Schlossberg mit einer dünnen weißenHaut.

Konstantin hatte noch niemals Schneegesehen. Ein paar Mal hatten ihm die Kinderdav on erzählt, aber er hatte sich nichts Rechtesdarunter v orstellen können.

Nun wirbelte ihm der Wind zum ersten Mal diefederleichten Flocken um die Nase.

Eine Weile v ergnügte sich der Kater, indem erv ersuchte, ein paar Flocken zu fangen. Aberdann machte er sich auf den Weg.

Von nun an wollte er ein richtiger Kater sein

und nur mehr tun, was einem Kater Spaßmachte. Kein Mensch sollte ihn mehr zuirgendetwas überreden können.

Wie riesige weiße Leintücher dehnten sich hierdie schneebedeckten Felder v or ihm aus.Konstantin setzte sich hin und konnte sich kaumsatt sehen an dieser neuen, plötzlich weißgewordenen Welt.

Uschi und Philipp waren immer noch seineFreunde.

Er nahm sich v or, den beiden einen Brief zuschreiben, um ihnen zu erklären, warum erfortgelaufen war. Es war nicht leicht zu erklären,aber er musste den Brief ja nicht gleich morgenschreiben …

„Wie die Welt wohl dort hinten aussieht, wo dieFelder mit dem Himmel zusammenstoßen?”,fragte er sich dann.

Konstantin auf Reisen

Ein Kater speist zu Abend

Lange starrte der Kater Konstantin auf dieweißen Felder, über denen sich der Himmel wieeine große graue Glocke wölbte. Ganz weit v orne,am Rand der Himmelsglocke, stand ein Haus, daswar so klein, wie Konstantin noch nie einesgesehen hatte.

„Das muss ich mir ansehen”, sagte der Katerhalblaut und ging hinaus aufs Feld.

Er erschrak, als seine Pfoten im Schneev ersanken. Ein paar v orsichtige Schritte … DerBoden unter der weichen Schneedecke war fest

und sicher. Konstantin begann zu laufen –schnurstracks auf das streichholz-schachtelgroßeHaus zu.

Als er dann aber dav or stand, war es ein ganznormal großes Bauernhaus.

Erstaunt drehte sich Konstantin um – undfuhr zusammen: Der Schlossberg wareingeschrumpft, bis zur Größe einesAmeisenhaufens.

Dem Kater kam das merkwürdig v or.„Bisher war ich”, dachte er, „immer nur in der

Stadt. Ich hab' gar nicht gewusst, wie seltsam dieWelt hier draußen ist. Es war schon richtig, dassich fortgelaufen bin …”

Konstantin ging weiter. Er kam auf eineStraße, und bei jeder Kurv e war er daraufgespannt, wie die Welt dahinter aussah. Hunderttolle Abenteuer würde er in der weiten Welterleben, da war er ganz sicher.

Zunächst allerdings geschah nicht v iel. Nurdas: Wenn ein Auto an ihm v orbeibrauste undihn v on unten bis oben mit Schneematsch v ollspritzte, musste er stehen bleiben, um sein Fellund die Brillengläser zu putzen.

Er war schon eine Stunde lang unterwegs, alser in ein kleines Dorf kam. Er hatte Hunger.

Ob er v ersuchen sollte, in eines der Häuser zugelangen? Vielleicht würde man ihm dort eineSchüssel Milch geben …

Aber der Dorfplatz lag wie ausgestorben da,und die Fenster und Türen der Häuser waren allefest v erschlossen.

Fast reute es den Kater schon, dass erfortgelaufen war. Er hatte sich die große weiteWelt freundlicher v orgestellt.

„Aber noch bin ich ja gar nicht richtig in derweiten Welt”, dachte Konstantin dann. „Ich mussv ersuchen, schneller v orwärts zu kommen.”

Ganz unten auf den Dorfplatz stieg jetzt einMann in einen Lastwagen.

Konstantin rannte so schnell er konnte. Undgerade als der Wagen wegfahren wollte, konnteer noch auf die Ladefläche springen.

Hier lagen lange, dicke Röhren. In eine dav onschlüpfte der Kater. Bald fielen ihm die Augen zu.Schon im Halbschlaf nahm er sich v or, v onMäusen zu träumen. Und v ielleicht auch einbisschen v on Uschi und Philipp.

Als Konstantin wieder erwachte, war es stillum ihn herum. Er gähnte herzhaft und riefdann:

„Herr Fliederbusch, ich hab' Hunger!”Keine Antwort.„Wahrscheinlich”, dachte der Kater, „sitzt

Herr Fliederbusch an seinem Schreibtisch undsteht wieder erst auf, wenn ich brülle wie amSpieß.”

Aber: Er war Herrn Fliederbusch jadav ongelaufen.

Wo er jetzt wohl war?Konstantin richtete sich auf – und stieß dabei

mit seinem Kopf so heftig gegen etwas Hartes,dass ihm beinahe Hören und Riechen v erging.

Das erinnerte ihn daran, dass er in eine Röhregeklettert war.

Die Röhren lagen jetzt in einem Lagerraum.Wahrscheinlich hatte sie jemand v om Wagenabgeladen, hier gestapelt – und dabei den Katernicht bemerkt, der in einer der Röhrengeschlafen hatte.

Konstantin sprang hinunter auf den rauenBetonfußboden.

Der Raum war dämmrig und riesengroß.„Wäre doch gelacht”, dachte Konstantin,

„wenn es hier nicht genug Mäuse für einenhungrigen Kater gäbe.”

Er schnupperte, lief v on einer Ecke in dieandere, aber nicht die Schwanzspitze einer Mauskonnte er entdecken.

Eines der Fenster stand offen. Konstantinschlüpfte hinaus ins Freie und stand auf einerStraße.

Es war Abend. Die Straßenlaternen brannten.Konstantin lief in dieser fremden Stadt umher,

bis er v or einem Restaurant ankam.Eben traten ein paar Leute heraus auf die

Straße. Und mit ihnen kam eine Duftwolke, wieKonstantin sie sich himmlischer nicht hätteträumen lassen. Dem Kater lief das Wasser imMund zusammen, er leckte sich die Lippen.

Da kam ein Herr des Weges, der öffnete die Türund trat ein. Mit ihm der Kater Konstantin.

Der Raum war ungefähr so groß wie einTurnsaal. Von der Decke baumelten funkelndeKristallleuchter. Darunter saßen an weißgedeckten Tischen elegant gekleidete Damen und

Herren. Sie aßen, tranken und unterhielten sich.Zwischen den Tischen liefen Kellner hin und

her. Auf silbernen Tabletts schleppten sie Speisenund Getränke herbei.

„Ich muss mir etwas einfallen lassen”, dachteder Kater, „damit mir die Menschen etwas v onihrem Essen abgeben.”

Er trippelte über den weichen rostbraunenTeppich und v erschwand ungesehen unter demersten Tisch.

Hier gab es drei Paar Beine: Die Beine einerFrau, die Beine eines Mannes und die Beine einesMädchens.

„Jetzt iss endlich fertig, Jutta, damit wir nachHause kommen”, sagte gerade eineFrauenstimme.

Aber das Mädchen, das Jutta hieß, antwortete:„Ich mag nicht mehr, ich bin schon satt.”

„Ich sollte diesem Mädchen ein wenig beimEssen helfen”, dachte Konstantin. „Dann istJutta früher fertig, und ich bin v ielleicht satt.”

Mit der rechten Vorderpfote klopfte er ganz zartan Juttas Beine.

Das Mädchen schaute unter den Tisch.

Konstantin machte leise „Miau” und leckte sichdie Lippen.

Jutta v erstand, denn gleich darauf tauchteihre Hand v or Konstantins Nase auf. Sie hieltihm ein Stückchen Fleisch hin. Der Katerschnappte danach und hatte es – eins, zwei, drei– auch schon hinuntergeschlungen.

Das schmeckte nach mehr.Oben fragte die Stimme der Mutter: „Was

machst du da, Jutta?”„N-n-nichts”, stammelte das Mädchen.„Du hast ein Stück Fleisch unter den Tisch

geworfen”, sagte Juttas Vater. „Ich hab'sgesehen.”

Schon erschien der Kopf des Mannes unter demTisch.

Konstantin sagte „Miau”, weil ihm v or Schrecknichts anderes einfiel.

Sofort zog der Mann den Kopf wieder zurück.Oben schimpfte er dann: „Das ist die Höhe!

Da streunt eine Katze herum.”Schnell schlüpfte Konstantin unter den Stuhl

des Mädchens und schaute sich um. Da drübenstand eine Zimmerpalme …

Lautlos glitt der Kater dav on und v erbarg sichhinter dem Blumenkübel. Von hier aus konnte erJuttas Tisch beobachten.

Die Mutter schaute ebenfalls unter den Tisch,aber der Vater sagte: „Die Katze ist gradweggelaufen.”

Er hob den Arm und winkte einen Kellnerheran: „Werfen Sie die Katze hinaus!”

Der Kellner begriff nicht: „Welche Katze,bittesehr? Bei uns gab es noch nie eine Katze.”

Juttas Vater blieb dabei: „Wir haben eine Katzegesehen, also gibt es hier eine Katze.”

„Jeder Mensen kann sich einmal täuschen”,antwortete der Kellner höflich.

„Wir täuschen uns nicht!”, gab der Vatergereizt zurück.

Vom anderen Ende des Lokals sah der KaterKonstantin einen Herrn an den Tisch eilen. Eswar klein, etwas rundlich und trug einentadellosen schwarzen Anzug mit einersilbergrauen Weste.

„Was ist hier los?”, fragte dieser Herr denKellner.

„Mischen Sie sich nicht ein!”, fuhr ihn Juttas

Vater an. „Wer sind Sie eigentlich?”„Ich bin der Geschäftsführer, wenn Sie

gestatten”, sagte der Herr, strich die Weste überder Bauchwölbung glatt und deutete eineVerbeugung an.

„Haben die Herrschaften Grund zurBeschwerde? Wenn es in meiner Macht steht,werde ich das sofort in Ordnung bringen. Indiesem Restaurant ist der Gast König! Das istunser Leitspruch.”

„König in einem Restaurant, wo die Katzenunterm Tisch liegen?”, fragte Juttas Mutterspöttisch.

„Katzen?” Der Geschäftsführer traute seinenOhren nicht. „Sagten Sie Katzen?Ausgeschlossen!”

„Wenn wir es sagen, dann gibt es hier Katzen.Eine Katze wenigstens.”

„Selbstv erständlich. Wenn Sie es sagen, dannist hier eine Katze. Ganz wie Sie befehlen.”

Der Geschäftsführer wischte sich mit einemTaschentuch den Schweiß v on der Stirn. Erselber schärfte den Kellnern ständig ein, dass derGast immer Recht habe.

Ein Gast – so pflegte er stets zu sagen – könnedumm sein oder sogar total v erblödet, aber Rechthabe er immer.

Heute erfuhr der Geschäftsführer, wieschwierig es manchmal war, sich daran zuhalten.

„Wie sieht das Vieh denn aus?”„Schwarz, sehr groß, und es trägt eine Brille”,

sagte Jutta, die bis jetzt geschwiegen hatte.„Eine Katze mit einer Brille, soso”, meinte der

Geschäftsführer, und in Gedanken sagte er denSatz „Der Gast hat immer Recht” wie eineBeschwörungsformel v or sich her.

„Glauben Sie uns etwa nicht?”, fragte JuttasVater.

„Doch, doch!” Der Geschäftsführer v ersuchtezu lächeln. „Eine Katze mit Brille, das ist ja ganznormal.”

„Sie wollen uns wohl auf den Arm nehmen?”Jetzt schrie Juttas Vater. „Eine Katze mit Brilleist ganz und gar nicht normal!”

„Gut, gut”, meinte der Geschäftsführer. „WieSie wünschen, ganz wie Sie befehlen.”

Dem Kater Konstantin freilich wurde das

Warten hinter der Zimmerpalme langweilig.„Die werden so lange weiterstreiten”, dachte

er, „bis ich v erhungert bin. Dann gibt es wirklichkeine Katze mehr, wenigstens keine lebendige.”

Auf der anderen Seite des Saales wurde einTisch frei.

Keine Sekunde länger hielt es der Kater aus.Er musste etwas zwischen die Zähne kriegen!Vorsichtig schlich er an der Wand entlang zu

dem frei gewordenen Tisch hinüber. Dabei spitzteer die Ohren.

„Schön, schön”, hörte er den Geschäftsführerjetzt sagen. „Ich werde die Katze hinauswerfen,sobald ich sie finde. – Haben die Herrschaftensonst noch einen Wunsch? VielleichtSchokoladencreme als Nachtisch? UnsereSchokoladencreme ist weithin berühmt …”

Der Kater Konstantin war inzwischen an demfreien Tisch angekommen. Jetzt sprang er aufden Stuhl, griff nach der Speisekarte und schlugsie auf.

Da hörte er Jutta auch schon rufen: „Dadrüben sitzt sie ja, die Katze!”

Sie zeigte mit dem Finger auf Konstantin.

Auch ihre Eltern sahen ihn, nicht aber derGeschäftsführer, der ihm den Rücken zuwandte.

„Wirklich!”, sagte Juttas Mutter. „Da drübensitzt die Katze und studiert die Speisekarte.”

Der Geschäftsführer aber blickte nicht einmalüber die Schulter, sondern bemerkte mit leisemSpott: „Ja, ja, das machen die Katzen eben so. Siekommen ins Restaurant, setzen sich an den Tischund studieren die Speisekarte.”

Er hatte sich v orgenommen, auf keinen Fall dahinüberzublicken. Zum Narren halten ließ ersich nicht!

Juttas Vater freilich fasste ihn hinten am Rockund zog daran: Der Geschäftsführer v ollführtewirbelnd eine halbe Drehung um die eigeneAchse – und sah den Kater Konstantin am Tischsitzen, die Speisekarte in den Pfoten!

Ganz bleich wurde da der Geschäftsführer aufeinmal. Dann gab er sich einen Ruck, zupfte seineKrawatte zurecht und kam mit langen steifenSchritten auf Konstantins Tisch zu.

„Jetzt hilft nur mehr Frechheit!”, dachte derKater und rief dem Mann entgegen: „Zuerstmöchte ich ein großes Stück Rindfleisch …!”

Aber schon stand der Geschäftsführer nebenihm und flüsterte giftig: „Hau ab, du hast hiernichts v erloren!”

„Darum suche ich auch nichts”, antworteteder Kater.

„Verschwinde!”, zischte der Geschäftsführer.„Weg, du freches Biest, oder ich zieh' dir das Fellüber die Ohren.”

Konstantin lachte: „Das Fell wächst schon übermeine Ohren, das müssen Sie mir nicht erstdrüberziehen.”

Der Geschäftsführer brüllte: „Duv erschwindest!”

Der Kater Konstantin aber brüllte zurück: „Ichbleibe!” Und setzte dann hinzu: „Weil ichnämlich einen Bärenhunger habe.”

Da war es mit einem Schlag mäuschenstill imLokal.

Erst nach einer Weile stammelte irgendwo eineFrauenstimme: „Die Ka-Katze hat gegesprochen.”

„Ja, die Katze hat gesprochen”, hörteKonstantin es gleich darauf v on allen Seiten.

Der Geschäftsführer aber drehte sichrundherum und murmelte fassungslos: „Wie?

Was? Wo? Wieso gesprochen …?”Da v ernahm man eine Männerstimme: „Ist das

nicht …? Ja! Das ist doch der sprechende Kater,der neulich im Fernsehen aufgetreten ist!”

„Richtig!”, rief eine Dame. „In dieser Showwar's, sie hieß ‚Gut gelaunt am Samstagabend'.Mir kam der Kater gleich so bekannt v or.”

„Ja! Das ist der berühmte Fernsehkater! Ichhab' auch sein Buch gelesen.”

Plötzlich schienen sich alle an dieseFernsehshow zu erinnern. Sogar derGeschäftsführer.

Er v erbeugte sich tief und erklärteunterwürfig, wie Leid es ihm tue, dass er denKater Konstantin nicht gleich erkannt hätte.

Konstantin aber war erschrocken. HerrnFliederbusch und den Kindern war er ja auchdeshalb dav on gelaufen, weil ihn dieseFernsehsendung allzu berühmt gemacht hatte.

Nun hatte man ihn auch in dieser Stadterkannt. Ging das jetzt alles v ielleicht wieder v onv orn los …?

Weit weg wollte Konstantin laufen.Irgendwohin, wo niemand diese Fernsehshow

gesehen hatte. – Aber heute wollte er seineBerühmtheit noch einmal für ein ordentlichesAbendessen eintauschen.

„Meine Damen und Herren!”, rief Konstantinden anderen Gästen zu. „Ich bin wirklich stolzdarauf, dass Sie mich erkannt haben. Ich wäreIhnen aber dankbar, wenn Sie mich nun in Ruhezu Abend speisen ließen.”

Von da an taten die Leute, als beachteten sieden berühmten Kater gar nicht. Aber natürlichbemerkte Konstantin, dass sie ihn immer wiederv erstohlen anschauten und auch über ihnflüsterten.

Der Geschäftsführer fragte Konstantin sehrhöflich nach seinen Wünschen.

Der Kater bestellte zunächst ein großes StückRindfleisch, als nächsten Gang ein StückSchweinefleisch, danach etwas gebratenen Fisch,„und als Nachtisch v ielleicht noch ein oder zweioder drei Leberwürste.”.

„Sehr wohl”, meinte der Geschäftsführer,„auch etwas zu trinken angenehm? Wein?”

„Ich hab' zwar noch nie Wein getrunken”,überlegte der Kater, „aber v ersuchen kann ich'sja einmal.”

„Rot oder weiß?”, wollte der Geschäftsführerwissen.

„Mir egal.”

„Dann würde ich eine Flasche Chateauneuf-du-Pape v orschlagen, das ist ein ganzherv orragender Tropfen.”

„Ein Tropfen wird wahrscheinlich zu wenigsein”, sagte Konstantin.

„Köstlich! Genauso witzig wie im Fernsehen!”Der Geschäftsführer lachte.„Nach dem Essen auch eine Tasse Kaffee?”„Meinetwegen”, drängte der Kater. „Aber

gehen Sie endlich! Wenn das Fleisch nicht ineiner Minute da ist, sehe ich mich gezwungen,Sie in die Wade zu beißen – oder in die Nase.”Dabei fletschte Konstantin die Zähne.

Der Geschäftsführer v erbeugte sich tief und liefdann in die Küche.

„Ein seltsamer Kerl”, sagte der KaterKonstantin laut. „Klein ist er, v orhin war er laut,jetzt ist er ziemlich kleinlaut.”

Die anderen Gäste lachten, taten aber gleichwieder, als wäre der Kater ein Gast wie jederandere.

Auf das Essen musste der Kater nicht langewarten. Gleich drei Kellner kamen mit demGeschäftsführer. Sie brachten Teller und Besteck,

v ier zugedeckte Silberschüsseln, eine FlascheRotwein und ein schön geschliffenes Glas.

Der Kater Konstantin ließ sich das große StückRindfleisch zerschneiden, das man ihm als Erstesauf den Teller gelegt hatte. Er selber konnteMesser und Gabel mit seinen Pfoten nicht halten.

Die Kellner und der Geschäftsführer bliebenam Tisch stehen und sahen zu, wie Konstantinden Teller in weniger als zwei Minuten leer fraß.

Mit einer Serv iette wischte er dann seineSchnurrbarthaare sauber und ließ sich dasSchweinefleisch v orlegen.

Inzwischen hatte der Geschäftsführer dieWeinflasche geöffnet und das Glas gefüllt.

Nun drängte er den Kater, dav on zu kosten.Konstantin tat ihm den Gefallen. Aber dieses

rote Zeug schmeckte so scheußlich, dass er es amliebsten aufs Tischtuch gespuckt hätte. Weil eraber nicht unhöflich erscheinen wollte, schluckteer den Wein tapfer hinunter.

Um den Schweinebraten zu v erputzen,brauchte Konstantin ungefähr drei Minuten.

Während man ihm den gebratenen Fisch ausder silbernen Schüssel auf den Teller legte, ließ

der Kater sich v om Geschäftsführer überreden,noch einmal einen Schluck Wein zu nehmen.

Und diesmal kam er ihm nur halb soscheußlich v or. Aber ein bisschen benommenfühlte er sich.

Da nun der schlimmste Hunger gestillt war,ließ Konstantin sich beim Fischessen Zeit. Ganzefünf Minuten brauchte er, bis auch das letzteStückchen in seinem Mund v erschwunden war.

Er fühlte sich angenehm satt. Aber die dreiLeberwürste, die jetzt auf seinem Teller lagen,sahen allzu lecker aus. Und Konstantin wusste jaauch nicht, wann er wieder etwas zu fressenbekam. Ein bisschen Vorrat im Bauch konntenicht schaden.

Aber schon der allererste Bissen schmeckte ihmnicht. Er v ersuchte noch einen zweiten, derschmeckte noch weniger.

Ob es daran lag, dass Konstantin schon sattwar?

Aber es war noch etwas anderes: Plötzlichärgerte es ihn, dass man ihn bloß deshalbbediente, weil er einmal im Fernsehenaufgetreten war, dass man ihn aber als

gewöhnlichen Kater ohne v iel Federlesenshinausgeworfen hätte.

„Ich mag nicht mehr. Schicken Sie daszurück!” Konstantin schob den Teller mit denLeberwürsten weg.

Der Geschäftsführer zuckte die Achseln, dannbefahl er den Kellnern, die Schüsseln und Tellerwegzubringen.

„Vielleicht noch ein Glas Wein?”, fragte erdann den Kater und hatte das Glas auch schonwieder v oll geschenkt. „Und dürfen wir jetzt denKaffee bringen?”

„Von mir aus”, sagte Konstantin.Plötzlich fühlte er sich müde. Am liebsten hätte

er sich irgendwo in einer Ecke ein Plätzchen zumSchlafen gesucht.

Aber schon kam ein Kellner mit einer TasseKaffee. Und hinter ihm scharwenzelte derGeschäftsführer. Er öffnete eine kleine Schachtelund hielt sie Konstantin hin:

„Eine Zigarre gefällig?”Der Kater betrachtete die braunen Stäbchen in

der Schachtel und fragte: „Was macht mandamit?”

„Man raucht sie.”„Und wie geht das?”„Zuerst in den Mund stecken und dann

anzünden.” Der Geschäftsführer steckte sichselber eine Zigarre an, um dem Kater dasRauchen zu zeigen.

Dann reichte er dem Kater eine Zigarre.Der Kater hielt sich genau an die Anweisungen

des Geschäftsführers. Als er dann aber den Raucheinsog, bekam er einen Hustenanfall. Er warf dieZigarre erschrocken weg, die fiel aufs Tischtuchund brannte dort ein Loch.

Der Kater aber sah: Beim Husten kam Rauchaus seinem Mund.

„Hilfe! Hilfe!”, schrie er entsetzt. „Man hat mirden Hals in Brand gesteckt. Ich brenneeeeee! DasFeuer muss gelöscht werden!”

Verdattert hielt ihm der Kellner die Kaffeetassehin.

Konstantin nahm einen Schluck dav on. Aberder Kaffee schmeckte so bitter, dass der Kater ihnnun wirklich aufs weiße Tischtuch spuckte.

Als er dort den dunkelbraunen Fleck sah,wollte er ihn mit den Pfoten schnell wegwischen.

Dabei warf er freilich das Weinglas um. Und sogesellte sich zum dunkelbraunen noch ein v ielgrößerer roter Fleck.

Der Kellner machte den Mund auf, umKonstantin wütend zurechtzuweisen.

Der Geschäftsführer aber stieß ihm denEllbogen in die Rippen und schärfte ihmflüsternd ein, diesen berühmten Kater nur janicht zu beleidigen. Dabei sah derGeschäftsführer allerdings aus, als hätte er selberdem Kater Konstantin am liebsten den Halsumgedreht.

„Es ist wohl Zeit, dass ich v erschwinde”, dachteKonstantin.

„Die Rechnung, bitte”, sagte er höflich.Er hatte v orhin bei anderen Gästen gesehen,

wie sie fürs Essen und Trinken bezahlten unddafür eine Rechnung erhielten.

Papier und Kugelschreiber hatte derGeschäftsführer schon in der Hand. Er schrieballes auf, was Konstantin gegessen odergetrunken hatte.

Als er die Preise aber zusammenzählen wollte,sagte der Kater: „Das können Sie sich sparen, weil

ich ohnehin nicht bezahlen kann.”Dann sprang er v om Stuhl und rannte auf die

Eingangstür zu.„Aufhalten!”, rief der Geschäftsführer einem

Kellner zu, der neben der Tür stand.„Aufmachen!”, brüllte der Kater den Kellner

an und erschreckte ihn damit so sehr, dass diesertatsächlich die Tür aufriss.

Und schon war der Kater Konstantin draußenin der Nacht v erschwunden.

Die frische Luft v erscheuchte die Müdigkeit.Aber v om Wein war Konstantin immer nochbenommen. Es kam ihm v or, als spielten seineGedanken Nachlaufen.

Er war stolz, weil er sich bis jetzt so gutdurchgeschlagen hatte. Gleichzeitig aber wollteer zurück zu Uschi und Philipp und v ielleichtsogar zu Herrn Fliederbusch.

Kreuz und quer lief er durch die nächtlichenStraßen. Wohin, das wusste er nicht.

Einmal hielt er an, weil er Schritte hinter sichgehört hatte. Aber er sah niemanden und liefweiter.

Vor den Schaufenstern eines Reisebüros blieb er

dann stehen.Denken Sie schon jetzt an den Sommer!

stand da in großen roten Buchstaben und:Buchen Sie heute schon

Ihre Urlaubsreise in den sonnigen Süden!Die Plakate in den Schaufenstern waren so

schön, dass Konstantins Herz schneller schlug v orBegeisterung. Goldgelben Sand gab es da zu sehenund riesige dunkelblaue Wasserflächen mitkleinen weißen Schaumkronen darauf.

Das musste das Meer sein, v on dem ihm HerrFliederbusch einmal erzählt hatte.

Auf anderen Plakaten waren alte Städteabgebildet oder blühende Gärten. Und auf allenBildern schien die Sonne.

Fremdartige Namen las der Kater. Ihr Klangallein v ersprach tausend Abenteuer.

Konstantin ging weiter und gelangte nacheiner Weile an eine Kreuzung mit einemWegweiser:

BAHNHOF.Da rannte der Kater los. Er erinnerte sich

nämlich einmal gehört zu haben, dass werv erreisen wolle, zum Bahnhof müsse …

Der Bahnhof war riesengroß.Hinter einem Mann, der ein paar gewaltige

Koffer schleppte, trippelte Konstantin ungesehendurch die Halle.

Vier, fünf, nein: sogar sechs Züge standen zurAbfahrt bereit.

Aber Konstantin wagte es nicht einzusteigen.Auf einem nur schwach beleuchteten Teil des

Bahnhofsgeländes fand Konstantin einenGüterzug. An der Wand eines Wagons standGENOVA.

Dieser Name kam dem Kater bekannt v or …Richtig! Im Schaufenster des Reisebüros hatte

er ein Plakat gesehen, darauf war ein Hafen mitv ielen weißen Schiffen abgebildet gewesen – unddarüber der Name Genov a.

Der Kater kletterte eine Leiter hinauf undsprang in den Wagon. Er war mit Kohle beladen.

„Umso besser”, dachte Konstantin. „Einschwarzer Kater auf einem Kohlenhaufen fälltkeinem auf.”

Er drückte sich in eine Ecke und schlief sofortein.

Hier kann Konstantinein ganz gewöhnlicher Kater sein

Das gleichmäßige Rattern klang beruhigend.Konstantin richtete sich auf und machte einenKatzenbuckel. Dann erst hob er den Kopf.

Der Fahrtwind blies ihm eiskalt ins Gesicht.Der Zug fuhr zwischen steil abfallenden

Felswänden dahin. Wie Schwalbennester klebtenin den Wänden kleine Häuser, die aus rohen,unregelmäßigen Steinen aufgemauert waren.

Konstantin beugte sich über die Seitenwand desWagons. In einem v iel zu breiten Schotterbett liefunten ein Bach dahin, grün und manchmal weißv or Schaum.

Schneefelder blitzten oben an den Felskämmenzwischen den Nebelfetzen auf, die der Wind v orsich hertrieb.

Der Kater Konstantin war eingeschlafen indieser grässlichen großen Stadt. Aufgewacht warer in dieser wie v erzaubert wirkendenLandschaft, die nur aus Stein, Schnee, Nebel undaus dem Grün des Baches bestand. So fremdartigkam ihm das alles v or, dass er nicht wusste, ob erschon wach war oder noch träumte.

Konstantin schaute und schaute und schaute,bis er wieder einnickte.

Als er das zweite Mal aufwachte, stand der Zugauf einem Abstellgleis eines riesigen Bahnhofs.

Konstantin kletterte aus dem Wagon. VomDurcheinander der Schienen, Masten, Leitungenund Signale wurde ihm fast schwindlig. Wiesollte er aus einem solchen Irrgarten jeherausfinden?

„Erst einmal überlegen”, sagte er sich. „Immermit der Ruhe!”

Er setzte sich auf eine Schiene.Ehe er aber noch den Schwanz um die

Vorderpfoten ringeln konnte, schreckte ihn einGeräusch auf, das mit rasender Geschwindigkeitnäher kam.

Ein gewaltiger Satz zur Seite brachte den Kater

gerade noch in Sicherheit. Beinahe hätte ihn dieLokomotiv e überfahren, die gerade auf jenemGleis daherbrauste, auf dem der Kater sich zumNachdenken niedergelassen hatte.

Da entdeckte er an einem hohen schmalenGebäude das Wort GENOVA.

Vor Freude wäre der Kater am liebsten zweiMeter hoch in die Luft gesprungen.

Zwischen zwei Lagerschuppen fand er danneinen Weg, der ihn hinaus in eine engeSeitengasse führte. Fast gespenstisch still war eshier. Zwischen den hohen alten Häusern warenSchnüre gespannt, darauf trocknetenUnterhosen, Strümpfe und Hemden.

Zwei Frauen standen mit Einkaufskörben v oreinem Geschäft. Der Kater entdeckte auf einemblauen Schild über einer Ladentür das WortPASTICCERIA. Das hatte Konstantin noch niegehört. Auch die Frauen redeten in einerSprache, die der Kater nicht v erstand. Sieredeten laut, schnell, auch gleichzeitig undbemerkten den Kater nicht, der sich an ihnenv orbeidrückte. Später begegnete Konstantinanderen Menschen, die redeten genauso.

Da schoss es ihm durch den Kopf:Dass er wie ein Mensch sprach und sich mit den

Leuten unterhalten konnte, gerade das hatte ihmja all die Schwierigkeiten eingetragen … Hierkonnte er nicht mit den Leuten reden, weil sieanders sprachen als er.

War er jetzt nicht genau das, was er immerhatte sein wollen: Ein ganz gewöhnlicher Kater?

Vergnügt lief er weiter. Bald kam er auf einengroßen weiten Platz.

Tosender Lärm schlug ihm entgegen. Motorenheulten auf, Reifen quietschten, Hupen kläfftenin allen Tonlagen. Die Trillerpfeife eines seltsamuniformierten Polizisten gellte über den Platz.

Dem Kater klingelten die Ohren.Diesen Platz zu überqueren hielt er für

ausgeschlossen. Schon nach zwei Schritten würdeihn eines der v orbeiflitzenden Autos überfahrenhaben, dav on war Konstantin überzeugt.

Nein! Hier in dieser lauten Stadt wollte ernicht bleiben. Aber wohin?

„Einerlei”, dachte Konstantin, „nur weg v onhier!”

Auf dem großen Platz stockte jetzt der Verkehr.

Vor dem Kater stand ein kleiner Lastwagen.Konstantin überlegte nicht lange. Ein Sprung,

und er saß auf der leeren Ladefläche des Wagens.Hier machte er es sich bequem.

Bald fuhr der Laster wieder los, und Konstantinhatte Glück: Er fuhr hinaus aus der Stadt.

Bald schlängelte sich die Straße an der steilabfallenden Küste entlang, hoch über dem Meer,das wirklich so blau schimmerte, wie Konstantines auf den Plakaten des Reisebüros gesehen hatte.

Die Sonne brach jetzt durch die Wolkendeckeund bald darauf war es angenehm warm. Seit erauf dem Bahnhof v on Genov a aufgewacht war,hatte Konstantin noch kein Fleckchen Schneegesehen. Das war ein Land, das Konstantin gefiel.

Gegen Mittag holperte der Lastwagen auf einenDorfplatz. Er fuhr jetzt so langsam, dass es garnicht schwierig war abzuspringen.

Ein schmale Gasse führte den Kater hinunterzum Meer. Ein kleiner Hafen war v onSteinmauern eingefasst. Boote schaukelten aufdem Wasser.

Die Häuser reichten weit ans Hafenbeckenheran. Zu dritt oder v iert standen Männer v or

den Türen, andere saßen mit baumelnden Beinenauf der Kaimauer und unterhielten sich.

Ein köstlicher Duft stieg in Konstantins Nase.Er folgte ihm und kam zu einem flachen, mit

Kieselsteinen bedeckten Küstenstreifen, der sichzwischen dem Hafenbecken und einer felsigenHalbinsel dehnte.

Dort fand der Kater neben einem an den Strandgezogenen Fischerboot einen Haufen Fischabfälle– genug, um sich den Bauch fast bis zum Platzenv oll zu schlagen.

„Jetzt”, dachte Konstantin, „brauche ich nurnoch ein Plätzchen zum Schlafen, dann bin ichder zufriedenste Kater der Welt.”

Er blickte sich um und sah einen altenÖlbaum, der hoch über ihm auf einem Felsenstand.

Unter so einem seltsamen Baum musste es sichganz wunderbar träumen lassen.

Er kletterte die steile Felswand hinauf und sahdann, dass der dicke Stamm des Ölbaums tiefzerfurcht war. Eine richtige kleine Höhle gab esdarin.

Darin ließ sich der Kater nieder.

Die Blätter des Ölbaums glänzten silbern undwaren an der Unterseite behaart.

„Kein Kater auf der ganzen Welt hat eine soschöne Wohnung wie ich”, sagte Konstantinzufrieden, ringelte sich zusammen und schliefein.

Viele Wochen lang bewohnte der KaterKonstantin den alten Ölbaum.

Auf langen Streifzügen lernte er die Gegendkennen, die Küste, die Weinberge imLandesinnern, die Pinienwälder. An dieRegengüsse, die ein-, zwei-oder sogar dreimal amTage niederprasselten, hatte der Kater sichlängst gewöhnt, so dass er immer rechtzeitigSchutz suchen konnte.

Dabei entdeckte Konstantin eines Tages zwölfhohe Häuser, die ein wenig abseits v om Dorfinmitten eines riesigen Parks standen. Es gabbreite Straßen dazwischen, Parkplätze und großeTerrassen, die v om Küstenfelsen übers Meerhinausragten.

Aber die Straßen waren menschenleer, und dieHäuser schienen unbewohnt. Oft kam der Katerin den nächsten Tagen hierher, aber nicht die

Nasenspitze eines Menschen ließ sich blicken.Warum?Die Menschen im Dorf konnte er nicht fragen,

weil sie ja diese fremde Sprache redeten,wenngleich Konstantin jetzt schon einzelneWörter v oneinander unterscheiden konnte. Füreine richtige Unterhaltung hätten seineSprachkenntnisse aber noch lange nichtausgereicht.

Konstantin kam gut mit den Leuten aus. DieFischer hatten nichts dagegen, wenn er sich ausden Fischabfällen heraussuchte, was ihmschmeckte. Und im Dorf tat ihm niemand etwaszuleide, wenn er auf der Kaimauer saß und denBooten zuschaute, wie sie hinaus aufs offene Meerfuhren.

Fängt das allesschon wieder von vorne an?

Nun regnete es nur mehr einmal am Tag, dannblieb einmal der Regen ganz aus. Auch amfolgenden Tag. Am dritten Tag regnete es wieder,aber nur ganz kurz, keine fünf Minuten lang.Den ganzen v ierten Tag lang schien wieder dieSonne.

Dann trug der Ölbaum plötzlich kleineweißgelbe Blüten.

Das Land schien wie v erwandelt. Überallbrachen rote, gelbe, blaue, weiße Blüten aus den

Knospen. Die ganze Küste schien ein einzigerBlumengarten.

Da beobachtete der Kater zum ersten MalMenschen bei den zwölf hohen Häusern.Menschen in Arbeitskitteln. Sie putzten dieFenster, stellten Tische und Stühle auf dieTerrassen und schafften in großen Autos Vorrätean Speisen und Getränken herbei.

Ein paar Tage später standen Autobusse aufden Parkplätzen. Fremde mit Koffern undReisetaschen quollen aus ihnen heraus. AuchKinder waren darunter.

„Vielleicht sind Uschi und Philipp dabei!”,schoss es dem Kater durch den Kopf.

Aber natürlich fand er sie nicht.Zwei Wochen blieben die Fremden hier. Sie

saßen in der Sonne, aßen und tranken,bewunderten die Landschaft. Einige v ersuchtensogar schon im Meer zu baden, aber es war nochzu kalt. Dann reisten sie früh am Morgen ab.

Am Nachmittag brachten andere Busse andereLeute hierher. Uschi und Philipp waren wiedernicht dabei.

„Wieso sollten sie auch!”, sagte der Kater

Konstantin zu sich selber. „Sie wissen ja nicht,dass ich hier bin. Das wäre ein Zufall, wenn sieausgerechnet hierher kämen. Und solche Zufällegibt es nicht.”

Es wurde heißer, und gegen Mittag schien dieSonne so grell, dass Konstantins Augenschmerzten. Immer mehr Leute wagten sich jetztins Wasser. Zwischendurch oder am Abendgingen sie ins Dorf. Dort saßen sie, tranken Wein,aßen Eiscreme und schrieben Ansichtskarten.Viele der Fremden redeten Deutsch, aus ihrenGesprächen wusste der Kater, wozu die buntenFotos dienten.

Einmal beobachtete Konstantin einen älterenHerrn beim Kartenschreiben. Der klebte, ehe ernoch mit dem Schreiben begann, überall dieBriefmarken drauf.

Der Kater schlich v orsichtig an den Mannheran – und stibitzte eine der Karten.

Ein paar Tage später fand Konstantin einenKugelschreiber, den irgendwer v erloren hatte.

Freilich konnte der Kater den Stift nicht wie dieMenschen halten, er musste ihn zwischen beideVorderpfoten klemmen. Und so dauerte es eine

Stunde, bis er auf die Karte geschrieben hatte:Liebe Uschi, lieber Philipp,ich bin in dem Dorf, das ihr auf dem Foto seht.Besucht mich einmal. Ich bin jeden Tag hier imHafen. Ihr werdet mich schon finden. Es ist sehrschön hier, nur die Sonne ist sehr grell.Herzliche Grüße an alle schickt euer KonstantinDann schrieb der Kater noch die Adresse dazu

und steckte die Karte in einen Briefkasten, wie erdas bei den Menschen gesehen hatte.

Ein paar Wochen hielt Konstantin nun nachUschi und Philipp Ausschau, aber dann gab er esauf. Wie eine Ansichtskarte, ein einfaches StückKarton den weiten Weg zurücklegen und dannbei Uschi und Philipp ankommen sollte, das hatteer sich ohnehin nie v orstellen können.

Oft saß Konstantin jetzt unter seinem Ölbaumund dachte daran, dass es wohl Zeit wäreweiterzuziehen. Er hatte erst ein ganz kleinesStück v on der Welt kennen gelernt …

Gerade als er das wieder einmal dachte, dahörte er Schreie.

Sie waren ganz leise. Der Wind trug sie v omoffenen Meer her ans Land.

Konstantin schaute sich um, er rückte seineBrille zurecht und entdeckte endlich weitdraußen einen Schwimmer.

Merkwürdig benahm sich dieser Kerl, sehrmerkwürdig. Immer wieder reckte er eine Handin die Luft, als wollte er winken.

„Aber es ist doch keiner da, dem er winkenkönnte”, sagte sich der Kater v erwundert.

Der Strand unten war noch leer, es war früham Morgen, die Fremden kamen immer erstgegen zehn Uhr aus den Hotels.

Der da draußen winkt, weil er am Ertrinkenist! Und er schreit um Hilfe!

Mit einem Mal war es dem Kater klar. Erzögerte keine Sekunde und rannte hinunter zumHafen.

Achtung! – wie hieß das gleich in dieserfremden Sprache? Ach ja: „Attenzione!Attenzione!”

Konstantin schrie es immer wieder.Ein kleines Fischerboot legte gerade v on der

Kaimauer ab. Ein graubärtiger Mann mit einerschwarzen Baskenmütze saß darin.

„Attenzione!”, schrie der Kater noch einmal,

dann ein Sprung und er saß neben dem Alten imBoot.

„Venga con me!”, rief Konstantin, das hieß:Kommen Sie mit!

„Eh?”, machte der Alte und starrte den KaterKonstantin v erwundert an.

„Infortunio!”, stieß Konstantin herv or.„Bambino! Annegare!”

Verwundert stellte der Kater fest, wie gut erdiese Sprache schon v om Zuhören gelernt hatte.Gut genug jedenfalls, um dem Fischerklarzumachen, dass draußen jemand ertrank,ein Kind wahrscheinlich.

Sofort riss der Alte den Lenkhebel des Außen-bordmotors herum. Das Boot neigte sich zurSeite, beschrieb einen engen Halbkreis undtuckerte dann aus dem Hafenbecken hinaus.

Quälend langsam kam dem Kater die Fahrtv or. Er saß am Bug, er wollte den Ertrinkendennicht aus den Augen v erlieren.

Das Meer war ruhig, aber auch dieallerkleinste Welle v erdeckte Konstantin dieSicht. Jedes Mal meinte er dann, das Herz müsseihm stehen bleiben, weil er fürchtete, der da

draußen wäre schon ertrunken.Es war dem Kater, als käme das Boot

überhaupt nicht v om Fleck. „Presto!”, schrie er.Dann waren sie nahe genug, dass Konstantin

den Ertrinkenden erkennen konnte: Es war einBub, er hieß Giov anni, und sein Vater hatte einkleines Restaurant am Hafen.

Endlich langte das Boot bei ihm an.Nun ging alles sehr schnell: Der Fischer zog

Giov anni aus dem Wasser, das Boot wendete undfuhr zurück Richtung Hafen.

Giov anni lag neben Konstantin und keuchteerschöpft. Erst als sie schon nahe am Ufer waren,erzählte er stockend, dass er sich zu v ielzugemutet habe und zu weithinausgeschwommen sei.

An der Kaimauer eilten gleich ein paar Männerherbei, die dem Alten halfen, das Bootfestzumachen und den Buben nach Hause zubringen.

Auch Signor Agnelli, Giov annis Vater, kamaus seinem Restaurant gelaufen. Er erschrak, alser seinen Sohn auf den Armen der Männer sah.

Aber der alte Fischer beruhigte ihn und

erklärte dann – so laut, dass es alle Umstehendenhören konnten: Dieser schwarze Kater da habeGiov anni gerettet.

Eine Weile war es ganz still. Dann brach derJubel los.

Die Leute drängten sich an Konstantin heranund lachten und schrien dabei.

Signor Agnelli stürzte auf ihn zu, hob ihn hochund drückte ihn an sich. Schließlich küsste er ihnsogar, was Konstantin aber gar nicht gefiel, weilder Mann nach Tabak und Knoblauch roch.

Konstantin sagte den Leuten zwar, dass er denBuben nur ganz zufällig entdeckt hatte. Aberschon hatte ihn Giov annis Vater hoch über denKopf gehoben und trug ihn in sein Restaurant.Die anderen Leute folgten, und es sah wie einekleine Prozession aus.

Konstantin wurde auf einen Tisch gesetzt.Gleich darauf stand eine Schüssel v oll mitköstlichen Fischen v or ihm.

Da ließ sich der Kater nicht lange bitten.

Das kleine Lokal war jetzt bis auf denallerletzten Platz besetzt. Und immer mehr Leutedrängten herein. Einheimische und auchFremde. Der Wirt schleppte immer neueWeinflaschen herbei. Dass sein Sohn v or demErtrinken gerettet worden war, das musstegefeiert werden.

Die Leute blieben zum Mittagessen imRestaurant und tranken den ganzen Nachmittagweiter.

Je mehr sie tranken, umso lauter unterhieltensie sich.

Dass der Kater, der Giov anni gerettet hatte,sprechen konnte, daran hatten sie sich baldgewöhnt.

Er konnte nicht gut Italienisch, aber wasmachte das schon aus, war es nicht ein kleinesWunder, dass er überhaupt sprechen konnte?

Der Abend kam. Die Leute aßen wieder,tranken weiter, redeten noch lauter als zuv orund fingen auch noch zu singen an.

An einem Nachbartisch aber saßen zweiMänner, die waren nicht halb so betrunken wiedie anderen. Auch sie unterhielten sich.

Aber sie sprachen leise. Und so schnell, dass derKater nur die Hälfte v erstand.

Aber so v iel begriff er: Sie sprachen über ihn.So ein sprechender Kater, meinten sie, sei doch

eine Sensation. Mit so einem sprechenden Katermüsste sich doch ein Geschäft machen lassen. Mitdem müsste man doch Geld v erdienen können …

„Nun ist es also wieder so weit!”, dachte derKater Konstantin v erdrossen.

„Ich hätte es wissen müssen”, sagte er sich.Dass er reden konnte, blieb den Menschen auf

die Dauer nicht v erborgen. Und dass dieMenschen daraus Geld schlagen wollten, daranließ sich offenbar nichts ändern.

„Den Menschen liegt das im Blut”, dachteKonstantin. Er wollte einen günstigenAugenblick abwarten und sich danndav onmachen.

Der Augenblick kam, als die Leute nach einerkleinen Ruhepause gerade wieder besonders lautzu singen anfingen.

Da v erschwand Konstantin unter dem Tisch. Indiesem Wald v on Beinen wollte er den Weg zurEingangstür suchen …

Aber schon spürte er eine kräftige Männerhandhinter dem Kopf. Sie fasste sein Nackenfell undhob ihn daran hoch. Das war ein Griff, der jedeKatze wehrlos macht.

„Ich bin gefangen”, dachte Konstantinerschrocken. „Endgültig gefangen.”

Wer eine Katze so anfasst, weiß, wie man mit

Katzen umgeht. So einem dav onzulaufen, istganz unmöglich.

Konstantin wird befreit

Es war an einem Mittwochmorgen im August. Dabekamen Uschi und Philipp eine Ansichtskarteaus Italien.

„Wer schreibt denn?”, wollte Uschi wissen.Philipp drehte die Karte um – und schrie v or

Freude laut auf.Uschi nahm ihm die Karte weg, und als sie sie

gelesen hatte, da hätte sie am liebsten einenFreudentanz aufgeführt. Aber sie sagte nur:„Komm, Flip, wir müssen uns beeilen, wirmüssen sofort zu Herrn Fliederbusch.”

In weniger als zwanzig Minuten waren sie obenauf dem Schlossberg.

Herr Fliederbusch war zu Hause.Uschi und Philipp waren v om Laufen ganz

außer Atem, aber Herr Fliederbusch hätte siev ermutlich ohnehin nicht zu Wort kommenlassen.

„Es ist zum Verrücktwerden", beklagte er sich.„Mir fällt nichts ein. Seit Konstantin fort ist, habeich nicht eine einzige brauchbare Zeilegeschrieben. Vielleicht klingt's komisch, aber …”Er stockte. Dann fragte er: „Wie glaubt ihr, siehtmeine Fantasie aus?”

Uschi v erstand nicht recht, und Philippmeinte: „Was soll das heißen? Fantasie siehtüberhaupt nicht aus.”

„Doch”, widersprach Herr Fliederbusch.„Meine ist groß, schwarz und ein wenig

kurzsichtig.”„Sie meinen: Konstantin ist Ihre Fantasie?”„Genau. Ich habe ihr zu v iel zugemutet, da ist

sie mir einfach dav ongelaufen.” Fliederbuschkaute an seinen Fingernägeln. „Ich bin einSchriftsteller, dessen Fantasie sich irgendwo inder Welt herumtreibt. Einen Schriftsteller ohneFantasie gibt es nicht, dürfte es wenigstens nichtgeben. Wahrscheinlich werde ich mir einenanderen Beruf suchen müssen. Ich habe schondaran gedacht, Ofenrohrdurchbläser zu werden,oder Minutenzeiger, Vogelbauer, Dach-träger,Anhänger, Durchhalter oder v ielleicht sogarAus-der-Haut-Fahrer.”

Die Kinder lachten.„Gar so fantasielos sind Sie ja doch nicht”, sagte

Uschi schließlich erleichtert.„Ja. Seltsam!”, meinte Fliederbusch. „Seit Ihr

da seid, fällt mir wieder etwas ein. Nicht v iel,aber etwas.”

„Ob's daran liegt?”, fragte Philipp und zog dieAnsichtskarte aus der Hosentasche.

„Was ist das?”, fragte Fliederbusch und hattePhilipp die Karte schon aus der Hand gerissen.

Gespannt warteten die Kinder darauf, wasHerr Fliederbusch nun sagen würde. Aber ersagte nichts. Stattdessen fasste er Uschi undPhilipp an den Händen und zog sie hinter sich her– zu seinem Auto.

Er schubste die Kinder hinten hinein, und erstals sie schon die Straße zur Stadt hinunterrasten,kam Philipp dazu den Mund aufzumachen:

„Wo fahren wir eigentlich hin?”„Ins Reisebüro natürlich!”Dort mussten sie zuerst einmal feststellen, aus

welchem Ort Konstantin denn geschrieben hatte.Sie fanden heraus: Der Ort liegt in Italien.

„Genauer gesagt: an der Riv iera de Lev ante”,meinte das Fräulein, das Herrn Fliederbusch unddie Kinder bediente.

„Eure Eltern kommen doch mit?”, fragteFliederbusch, zu Uschi und Philipp gewandt, aberer wartete keine Antwort ab, sondern v erlangtev on dem Fräulein: „Bestellen Sie drei Zimmer indiesem Ort. Zwei Zweibettzimmer und einEinbettzimmer. Von morgen ab, für v ierzehnTage.”

Das Fräulein hielt das für einen Scherz.

„Jetzt im August ist an der Riv iera nichteinmal eine Badewanne frei. EinenSommeraufenthalt an der Riv iera muss manschon im Jänner buchen.”

Herr Fliederbusch drückte dem Fräulein einenGeldschein in die Hand und konnte es überreden,ein paar Telefongespräche zu führen.

Dabei stellte sich heraus, dass in dem Ort, ausdem die Ansichtskarte stammte, zufällig amSamstag ein paar Zimmer frei würden.Allerdings nur für eine Woche.

Herr Fliederbusch meinte: „Besser als garnichts”, und buchte sie.

Am Abend wurden mit Uschis und PhilippsEltern die Einzelheiten besprochen.

Die Eltern meinten zuerst, sie könnteninnerhalb so kurzer Zeit unmöglich Urlaubbekommen.

Aber Herr Fliederbusch überredete sie, in ihrenFirmen anzurufen. Und nach langenTelefongesprächen hatten sie die nächste Wochefrei bekommen.

Inzwischen hatten die Kinder die Ansichtskarteimmer und immer wieder angesehen und waren

dahinter gekommen, dass Konstantin sie schonam 1 1 . Juni abgeschickt hatte.

„Wieso braucht eine Karte fast zwei Monate?”„Die italienische Post nimmt's nicht so genau”,

meinte Herr Fliederbusch.Ob Konstantin jetzt nach zwei Monaten

überhaupt noch in diesem kleinen Ort an derRiv iera zu finden war? – Niemand wagte dieseFrage auszusprechen, aber jeder stellte sie sichheimlich.

Am Samstag fuhren sie zeitig in der Früh inFliederbuschs Wagen los. Den ganzen Tagdauerte die Fahrt, Herr Fliederbusch und HerrSteinmann wechselten einander am Steuer ab.

Als sie dann endlich ankamen, war es bereitsfinster, und sie waren so müde, dass sie sofort inihr Hotel gingen. Das war eines der zwölf hohenHäuser in der Nähe des Dorfes.

Erst am Sonntagmorgen kamen sie ins Dorf,um nach Konstantin Ausschau zu halten.

Eine knappe Dreiv iertelstunde, dann hatten siejedes auch noch so schmale Gässchen abgesucht,das Dorf war ja nicht groß.

Vom Kater Konstantin keine Spur.

„Vielleicht schläft er noch”, meinte Uschi.„Wahrscheinlich ist er am Strand”, v ermutete

Philipp. „Er schwimmt doch so gerne.”Sie gingen an den Strand.Der schmale Küstenstreifen zwischen dem

Hafenbecken und der felsigen Halbinsel schienmit Sonnenöl beschmierten Leibern gepflastert.Kaum ein Kieselstein war zwischen ihnen noch zusehen.

„Wie sollen wir den Kater hier finden!”, stöhnteFrau Steinmann.

„Ich werde rufen”, beschloss Herr Fliederbusch.Zuerst rief er allein, dann riefen sie alle fünf

immer wieder im Chor:„Konstantin! Konstantin!”Aber es half nichts.So gingen sie zurück zum Hafen.Vor dem kleinen Restaurant Agnelli sagte Herr

Fliederbusch plötzlich: „Ich weiß, dass er da ist.Ich spüre es. Er ist ganz in der Nähe.”

„Wir könnten ins Restaurant gehen”, schlugHerr Steinmann v or, „und einen Schlucktrinken. Im Sitzen denkt sich's leichter.”

Sie betraten das Lokal. Es war leer, weil alle

Fremden draußen am Strand waren.Signor Agnelli, der Wirt, brachte Wein für die

Erwachsenen und Limonade für die Kinder. Dannsetzte er sich zu seinen Gästen an den Tisch. Ersprach ein wenig Deutsch und unterhielt sichgerne.

Aber kaum hatte Herr Fliederbusch ihmgegenüber den großen schwarzen Kater mit derBrille erwähnt, sprang der Wirt auf.

„Ich nix wissen! Nix haben gesehen KaterKonstantin. Ich müssen arbeiten!”

Er v erschwand in der Küche.„Da stimmt doch etwas nicht”, meinte Philipp.„Warum weiß er, dass der Kater, den wir

suchen, Konstantin heißt?”, fragte FrauSteinmann.

Tatsächlich: Herr Fliederbusch hatte denNamen v or dem Wirt nicht erwähnt.

Herr Fliederbusch und die Steinmannsnahmen sich v or, die ganze Gegend nach demKater Konstantin abzusuchen.

Frau Steinmann sollte mit den Kindern densüdlichen Teil der Küste übernehmen, die beidenMänner den nördlichen.

Den ganzen Nachmittag waren sie unterwegs.Aber nicht die allerkleinste Spur hatten sieentdecken können.

Am nächsten Tag, am Montag, ganz früh amMorgen machten sie sich wieder auf den Weg.Wen sie trafen, fragten sie nach dem KaterKonstantin.

Aber die Fremden wussten nichts, sie waren

erst seit ein paar Tagen da, und mit denEinheimischen konnte man sich nichtv erständigen.

Am Abend saßen Herr Fliederbusch und dieFamilie Steinmann niedergeschlagen in einemkleinen Café am Hafen, gleich neben demRestaurant Agnelli.

Fliederbusch wollte unbedingt morgen nocheinmal die ganze Gegend absuchen …

Da segelte ein Papierflieger durch die Luft.Philipp hob ihn auf.Das Papier, aus dem der Flieger gefaltet war,

war beschrieben. Und die Schrift …„Das ist Konstantins Schrift!”, schrie Philipp

auf.Er faltete den Zettel auseinander, strich ihn

glatt und las v or:„Ihr müsst mich befreien. Zwei Männer halten

mich gefangen. Der eine ist klein und dürr wieein Zahnstocher, der andere ist auch klein, aberdick wie ein Nilpferd. Die beiden kommen jedenAbend gegen sechs ins Restaurant Agnelli. Dortkönnt ihr sie morgen v erhaften lassen.”

Der Zettel ging v on Hand zu Hand, rund um

den Tisch. Alle waren dav on überzeugt: Dashatte wirklich der Kater Konstantin geschrieben.

Es war halb acht, zu spät, um noch zu Agnellizu gehen.

Sie blickten sich um und betrachtetenmisstrauisch jedes Haus rund um dasHafenbecken. Woher mochte der Papierfliegergekommen sein?

Den nächsten Abend konnten sie kaumerwarten. Schon um fünf saßen sie in AgnellisRestaurant.

Der Wirt war, gleich nachdem er sie erblickthatte, wieder in der Küche v erschwunden.

Punkt sechs traten die beiden Männer ein, aufdie Konstantins Beschreibung haargenau passte.

Sie nahmen an einem Tisch in der Ecke Platz.„Los!”, flüsterte Philipp. „Worauf warten wir?”„Was heißt das?”, fragte sein Vater.„Wir müssen sie v erhaften lassen!”„So einfach wird niemand v erhaftet!”, sagte

Herr Fliederbusch und stand auf. „Ich werde mitihnen reden. Hoffentlich v erstehen sie Deutsch.”

Er ging hinüber zu den beiden Männern undsprach sie an. Er konnte sich mit ihnen

v erständigen und setzte sich an ihren Tisch.Keine zehn Minuten dauerte die Unterredung,

aber den Steinmanns, die am anderen Tischwarteten, kam es wie eine Ewigkeit v or.

Als Herr Fliederbusch dann aufstand, sahen siees schon seinem Gesicht an: Er hatte keinenErfolg gehabt.

„Sie haben Konstantin wirklich gefangen”,berichtete er. „Sie wollen ihn für den Zirkusausbilden. Angeblich hat Konstantin schon eineMenge Kunststücke gelernt. Und Italienisch kanner auch schon.”

Fliederbusch habe, erzählte er weiter, denMännern gesagt, dass Konstantin ihm gehöre,aber darüber hätten die beiden nur gelacht.

„Schweinerei!”, schimpfte Herr Steinmann.Uschi und Philipp aber waren so betroffen, dass

sie nicht einmal schimpfen mochten.Die beiden kleinen Männer aßen zu Abend,

tranken eine Flasche Wein, und als sie dannbezahlten, schlug Philipp v or, ihnen heimlich zufolgen.

„Ja! Vielleicht führen sie uns zum Versteck, wosie Konstantin gefangen halten”, meinte auch

Uschi.Sie v ersuchten es. Aber draußen am Hafen

waren um diese Tageszeit so v iele Fremdeunterwegs, dass es für die beiden Männer einLeichtes war, in der Menge unterzutauchen.

„Ich gehe zur Polizei”, beschloss HerrFliederbusch. „Wartet hier auf mich.”

Nach einer halben Stunde erst kam er zurück,erreicht hatte er nichts.

Die Polizisten hatten ihm klar gemacht, siehätten etwas Wichtigeres zu tun, als sich umKatzen zu kümmern.

Den Mittwoch und den Donnerstagv erbrachten Fliederbusch und die Steinmannsdamit, hunderte Pläne zu schmieden, wieKonstantin befreit werden könnte. Aber nicht eineinziger Plan war darunter, der sich hättev erwirklichen lassen.

„Es ist zum Aus-der-Haut-Fahren!”, schimpfteHerr Fliederbusch am Freitagmorgen, als sie imCafé neben dem Restaurant Agnellifrühstückten. „Wir wissen, dass Konstantin hierist. Wir wissen sogar, wer ihn gefangen hält.

Aber unternehmen können wir nichts.”„Und das Allerschlimmste ist”, fügte Frau

Steinmann hinzu, „wir müssen morgen wiederabreisen.”

Es war aussichtslos! Was sie in fünf Tagen nichtgeschafft hatten, würden sie auch am sechstennicht schaffen …

Plötzlich spürte Herr Fliederbusch eine Handan seiner Hosentasche.

„Jemand hat mir die Brieftasche gestohlen!”,schoss es ihm durch den Kopf.

Er griff in die Tasche. Die Börse war noch da.Und daneben steckte ein gefalteter Zettel.

Herr Fliederbusch blickte sich rasch um undsah gerade noch einen etwa zwölfjährigen Bubenzur Tür hinauslaufen.

„Was ist los?”, wollte Herr Steinmann wissen.Herr Fliederbusch faltete das Papier

auseinander und las den anderen v or, was daraufin Konstantins Schrift geschrieben stand:

„Wenn ihr euch nicht bald etwas einfallenlässt, ist es zu spät. Leider kann ich euch diesmalmit meinem famosen Katzenhirn nichtaushelfen. Aber irgendwas müsste euren

Menschenhirnen doch auch einfallen. Strengteuch gefälligst ein bisschen an!”

„Der Bub, der da grad rausgeflitzt ist, mussIhnen den Zettel zugesteckt haben”, sagte FrauSteinmann.

„Zuerst hab' ich an einen Taschendiebgedacht”, erzählte Herr Fliederbusch. „Wäre eineschöne Bescherung gewesen, wenn ich jetzt ganzohne Geld dastünde.”

Dann plötzlich, nach einer kleinen Pause,schrie Fliederbusch: „Ich hab' eine Idee!”

„Was für eine Idee?”, fragten alle v ierSteinmanns gleichzeitig.

„Keine Zeit, das jetzt zu erklären. Wenn wir unsv orher nicht mehr sehen, dann um sechs beiAgnelli!” Und schon war Herr Fliederbuschv erschwunden.

Den ganzen Freitag über bekamen ihn dieSteinmanns nicht mehr zu Gesicht.

Am Abend kamen sie dann in AgnellisRestaurant.

Es wurde sechs, die beiden Männer, der Dünneund der Dicke, saßen schon in ihrer Ecke, nurHerr Fliederbusch war noch nicht da.

Er kam zehn Minuten nach sechs. Er trugeinen schwarzen Aktenkoffer, nickte denSteinmanns nur zu und ging gleich an den Tischder beiden Männer.

Lange sprachen sie diesmal. Herr Fliederbuschließ sie einen Blick in den schwarzen Kofferwerfen, da strahlten die beiden so sehr, dass essogar die Steinmanns am anderen Tisch sehenkonnten.

Endlich standen Herr Fliederbusch und derDünne auf. Der Dünne v erließ das Lokal,Fliederbusch kam zur Familie Steinmann undbrachte den Koffer mit.

„Geschafft!”, stöhnte er und ließ sich auf einenStuhl fallen. Den Koffer hielt er festumklammert. „In fünf Minuten ist Konstantinhier. Ich hab' ihn diesen beiden Banditenabgekauft. Es war die einzige Möglichkeit.”

Dann erzählte er: Den ganzen Tag über hatteer v ersucht, sein Geld hierher überweisen zulassen. Von Bank zu Bank war er gelaufen.

„Und schließlich ist es gelungen. Alles, was ichan Geld besitze, ist hier in diesem Koffer. Wennich das jetzt gegen Konstantin eintausche, habe

ich keinen Cent mehr.”Genau nach fünf Minuten kam der Dünne

zurück – mit einem kleinen tragbaren Käfig, indem der Kater Konstantin hockte.

Der Geldkoffer und der Käfig wurdenausgetauscht.

Kaum aber war der Kater Konstantin frei,wollte er auf die beiden Männer losspringen undsich für alles rächen, was sie ihm angetanhatten.

Uschi und Philipp hielten ihn zurück.„Dann bringt mich schnell weg v on hier”,

schrie Konstantin.Auf der Fahrt zum Hotel saß er auf Uschis

Knien und ließ sich erst einmal streicheln, redenwollte er erst später.

Zu den drei Hotelzimmern gehörte eingemeinsamer Balkon, dort nahmen Fliederbusch,die Familie Steinmann und der Kater KonstantinPlatz.

Eine ganze Weile saßen sie schweigend da undsahen hinunter aufs Meer und waren einfachglücklich, weil Konstantin wieder da war.

„Morgen müssen wir nach Hause fahren”,

begann Herr Fliederbusch endlich. „Kommst dumit uns, Konstantin?”

„Warum nicht? Sonst müssten Sie sich ja einenanderen Beruf suchen. Ohne mich bringen Siedoch keine v ernünftige Zeile fertig.”

„Woher weißt du das?”, fragte HerrFliederbusch.

„Ich weiß es eben”, meinte Konstantin undgrinste.

Dann erzählte er endlich, wie der kleineGiov anni beinahe ertrunken wäre und wie manihn, den Kater, dann als Lebensretter gefeierthatte …

„Bei der Feier haben mich diese Banditenerwischt”, berichtete er. „Sie haben mich in einwinziges Zimmer gesperrt, in dem es kein Fenstergab. Ich sollte nicht wissen, wo ich bin. Fliehenwar aussichtslos. Darum hab' ich dieKunststücke, die mir die beiden beibringenwollten, ganz schnell gelernt, damit ichmöglichst bald im Zirkus hätte auftreten können…”

„Du im Zirkus?”, unterbrach ihn Uschi.Der Kater lachte. „Beim allerersten Auftritt

wäre ich abgehauen. – Außer diesen beidenKerlen habe ich in all den Wochen kaum einenMenschen gesehen. Nur Giov anni durfte michbesuchen.Von ihm weiß ich auch, dass ihr bei seinem Vaternach mir gefragt habt. Der alte Agnelli hat allesgewusst, aber die beiden Männer haben ihm Geldgegeben, damit er den Mund hält.”

Philipp fragte, wieso Giov anni sie nicht einfachzu Konstantin geführt habe.

„Er hatte Angst v or den beiden”, sagte derKater. „Darum hab' ich die Zettel geschriebenund Giov anni hat sie euch zukommen lassen.”

„Das hätte schlimm ausgehen können”, seufzteFrau Steinmann, „aber jetzt bist du wieder beiuns, das ist die Hauptsache, und morgen fahrenwir miteinander nach Hause.”

Der Kater Konstantin freilich sagte: „Ichkomme nur unter einer Bedingung mit: Ich mussv or anderen Leuten nicht mehr reden. Ich redenur noch mit euch. Und wenn einer v on euchv errät, dass ich sprechen kann, dann beiße ichihm die Nasenspitze ab.”

Der Reihe nach mussten Herr Fliederbusch,

Herr und Frau Steinmann und die beiden Kinderfeierlich v ersprechen, sich an KonstantinsBedingungen zu halten.

„Mich juckt es in den Fingern”, sagte HerrFliederbusch dann unv ermittelt. „Ich habe Lust,ein paar Geschichten zu schreiben. Fünf odersechs neue Kater-Konstantin-Bücher werde ichals Nächstes …”

„Kommt nicht in Frage!”, rief der Kater.„Meine Erlebnisse hier in Italien dürfen Sie nochaufschreiben. Aber dann: kein Wort mehr übermich!”

Es war Nacht geworden. Die Sonne war alsglutroter Ball im Meer v ersunken, und dasWasser lag jetzt ruhig da und glitzerte wiezerknittertes Silberpapier.

„Zeit, schlafen zu gehen”, sagte der KaterKonstantin und gähnte. „Morgen müssen wirfrüh aus den Federn …”

Von dieser Zeit an hat niemand mehr denKater Konstantin sprechen gehört.Ausgenommen natürlich Herr Fliederbusch unddie Familie Steinmann.

Aber die haben ihr Versprechen gehalten,

niemandem dav on zu erzählen.Dafür gibt es einen Beweis: Sie laufen nämlich

alle noch mit ihren Nasenspitzen herum.Herr Fliederbusch hat übrigens auch getan,

was der Kater v on ihm v erlangt hat: Nie mehrüber den sprechenden Kater zu schreiben.

Darum ist das Kater-Konstantin-Buch hierauch zu Ende.