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Wasser Als Ware

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Page 1: Wasser Als Ware

Thema der Woche32 Thema der Woche Costa Blanca Nachrichten I Nr. 1519, 25. Januar 2013

Michael AllhoffMadrid

EU-Kommission entscheidet über Liberalisierung der Trinkwasserversorgung – Spanien plant Verkauf öffentlicher Wasserwerke

Neuer Krieg ums Wasser

Manuel Aldeguer kann es kaumfassen. Das spanische Ministeriumfür Landwirtschaft, Ernährung undUmwelt hat jüngst Studien zur Pri-vatisierung des Wasserwerks„Mancomunidad de Canales delTaibilla“ (MCT) in Auftrag gegeben.MCT, gegründet 1927, versorgt alsöffentliche Wassergesellschaft 80Gemeinden im dürren Südosten Spa-niens mit dem kostbaren Nass, ins-gesamt drei Millionen Menschen imDreieck wischen Alicante, Elche undCartagena. Es ist die nach Madridund Barcelona am dichtesten besie-delte Zone Spaniens.

Studien zu PrivatisierungWenn derartige Studien in Auftraggegeben worden seien, meint Al-deguer als langjährige stellvertre-tender Vorsitzender des Wasser-werks Canales del Taibilla im Ge-spräch mit der CBN, dann „beste-he auch die Absicht zu verkaufen.“Aldeguer war vor seinem Vorsitzbei MCT mehrere Jahre tätig alsBeamter des Wasserwirtschafts-amts des Segura (CHS) und kenntdas Thema als Experte. „Es ist einschwerwiegender Fehler, die Was-serversorgung der Provinz Alican-te und der Region Murcia zu priva-tisieren“, sagt Aldeguer.

Von der kostengünstigen Ver-sorgung mit Trinkwasser hänge dieweitere wirtschaftliche Entwick-lung der gesamten Region ab, lau-tet sein Credo. Das öffentlicheWasserwerk MCT garantiere dieWasserversorgung der Bevölke-rung auf 11.000 Quadratkilo-metern an der Costa Blanca dankseiner vier Entsalzungsanlagen inAlicante und San Pedro del Pina-tar, des Stausees des Taibilla mitseiner jährlichen Kapazität von 43Kubikhektometern Wasser sowieVerträgen mit den Entsalzungsan-lagen von Torrevieja, Dénia undÁguilas, die der staatlichen Was-

sergesellschaft Acuamed unterste-hen. „MCT ist eine solvente Ge-sellschaft von bestem Ruf“, sagtAldeguer. Der Preis von derzeit 64Cent je Kubikmeter Trinkwasser

sei „sehr günstig“. Und dennochwürde MCT rentabel wirtschaftenkönnen.

„Es macht wirtschaftlich keinenSinn“, sagt Manuel Aldeguer,„dass die Regierung ihr milliarden-

schweres Investment in Entsal-zungsanlagen aufs Spiel setzt, in-dem sie auf Jahrzehnte die Wasser-rechte der Gewinnmaximierungprivater Unternehmen überlässt.“Angesichts des konstanten Was-sermangels im Südosten Spanienssei die Nachfrage nämlich garan-tiert: „Das ist ein todsicheres Ge-schäft.“ Die Kontrolle über dieRessource Wasser den Gemeindenzu entziehen sei für ihn äußerstfragwürdig. „Die Regierung ver-kauft ihre Wasserrechte und ris-kiert damit, dass der Preis fürTrinkwasser steigen wird.“

Nicht nur an der Costa Blanca,auch in Madrid ist die fortschrei-tende Privatisierung der Wasser-versorgung ein heiß ideologischdiskutiertes Thema. Im Brenn-punkt steht in der Hauptstadt diePrivatisierung der Wassergesell-schaft „Canal de Isabell II“, ge-gründet 1857. Das staatliche Un-ternehmen versorgt Madrid undseine sechs Millionen Menschenmit Trinkwasser. 2.200 Arbeiterund Angestellte halten 14 Stauseenmit einer Kapazität von 946 Ku-bikhektometer Wasser am Laufen.Der Wasserversorger, geschätztnach Informationen der Tageszei-tung „El País“ auf einen Wert von2,7 Milliarden Euro, hat im Jahr2010 zwar über 114 MillionenEuro Gewinn erzielt, aber Schul-

den in Höhe von 1,6 Milliarden Euroaufgetürmt. Das Wasser steht derStadt bis zum Hals. Madrid ist stehtmit 15,2 Milliarden Euro in der Krei-se und ist die am dritthöchsten ver-schuldete spanische Stadt.

Privat Public PartnershipMit dem Verkauf eines Anteilsvon 49 Prozent am WasserwerkIsabell II plant die Hauptstadt Ein-nahmen in Höhe von 245 Millio-nen Euro. Doch bislang konntekein Konsens über die angestrebtePrivat Public Partnership (PPP) er-zielt werden. Die vertraglich gere-gelte Zusammenarbeit zwischenöffentlicher Hand und Privatunter-nehmen zur Erfüllung einer öffent-lichen Aufgabe – der Trinkwasser-versorgung – scheitert bislang ankomplizierten Rechenspielen zumWert der Infrastruktur. Oder an po-litischen Querelen sowie am Pro-test von Bürgerinitiativen gegendie Privatisierung.

Der Plan der spanischen Regie-rung unter Ministerpräsident Ma-riano Rajoy (Volkspartei, PP), alt-eingesessene und gut funktionie-rende öffentliche Wasserwerkeganz oder teilweise zu privatisie-ren, sorgt in dem von Rezession,Überschuldung und Arbeitslosig-keit gebeutelten EU-Staat für neu-en Aufruhr. Die Sozialisten(PSOE) wollen den Entscheid zur

Kostenintensive Infrastruktur: Unzählige Staudämme und über 40 Entsalzungsanlagen garantieren die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung. Foto: Ángel García

Im dürren Südosten

Spaniens ist Wasser „ein

todsicheres Geschäft“

Wasser aus dem Hahn: Keine Selbstverständlichkeit. Foto: dpa

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Thema der Woche 33Nr. 1519, 25. Januar 2013 I Costa Blanca Nachrichten

Privatisierung von Isabell II gege-benenfalls vor das Verfassungsge-richt bringen. Auf der Straße schüt-teln Bürger empört den Kopf ange-sichts der neuen Hiobsbotschaften.

Und die Medien berichten der-zeit ganzseitig über das Thema.„Die neuen Kriege um Wasserbreiten sich in ganz Spanien aus“,titelte etwa die Tageszeitung „ElPaís“ am 12. Januar. Eine Wochedarauf, am vergangenen 20. Janu-ar, lautete die Headline der Zei-tung: „Wieder das Geschäft mitdem Wasserhahn.“

„Unmoralisches Geschäft“Pedro Arrojo hat einen klarenStandpunkt. „Geschäfte mit Was-ser zu machen ist unmoralisch“,sagt der Gründer der Stiftung„Nueva Cultura del Agua“ (NeueKultur des Wassers). Arrojo, Wirt-schaftsprofessor der Universitätvon Zaragoza, hat den renommier-ten Goldman-Preis erhalten, eineArt Nobelpreis für engagiertenUmweltschutz.

„Wasser ist Leben“ lautet seineKernthese. In seinem Essay „Dieethische Herausforderung der glo-balen Wasserkrise“ formuliert Ar-rojo die Kritik einer fortschreiten-den Privatisierung der Wasserver-sorgung. „Das neoliberale Modellder Globalisierung, bar jeglicherelementaren ethischen Prinzipien,weit entfernt vom Engagement ge-gen Umweltzerstörung und der Un-gleichverteilung des Reichtums so-wie ohne Interesse daran, den Ärms-ten ihre Grundrechte zuzugestehen,wie Trinkwasser, hat dem Markt dasManagement von Wasser als Ge-schäft geöffnet, mit dem Resultat ei-nes noch rasanteren Raubbaus anWasservorräten und einer erhöhtenVerwundbarkeit der schwächstenMitglieder einer jeden Gesellschaft.“

Es sind vielfältige ideologischeKonflikte um die Liberalisierungder Wasserversorgung im Gang.Arrojo betont, dass eine Verwal-tung, eine auf vier Jahre gewählteRegierung oder der Bürgermeistereiner Gemeinde nicht über einePrivatisierung entscheiden könne,deren Folgen sich für die Bevölke-rung über Jahrzehnte auswirken.Bei der Versorgung mit Trinkwas-ser handle es sich um ein Bürger-

recht, über das allein im Rahmeneiner Volksbefragung entschiedenwerden dürfe. Der Grund? „Wenneine Kommune das Wasser priva-tisiert und die Nutzungsrechte ausder Hand gibt“, sagt Pedro Arrojo,„wird eine nicht umkehrbare Situa-tion geschaffen, weil die Gemein-de, so sie die Wasserrechte wiederöffentlich gestalten will, das Un-ternehmen für den Gewinnverlustentschädigen muss.“

Tatsächlich aber weist derTrend in Spanien auf eine zuneh-mende Privatisierung der Wasser-versorgung hin. Noch 1996 bezo-gen 63 Prozent der BevölkerungTrinkwasser von öffentlichenWasserwerken und 37 Prozent vonPrivatunternehmen. Zehn Jahrespäter hatte sich das Verhältnis na-hezu umgekehrt, wie das staatliche„Sistema Español de Informaciónsobre el Agua“ (Hispagua) bezif-fert: Nur 47 Prozent der Spaniererhalten noch Wasser von öffentli-chen Wasserwerken, 53 Prozent

von privaten Versorgern.Ist Wasser ein Menschenrecht

und Allgemeingut oder ist Wasserein flüssiges Handelsgut wie Bier vonHeineken oder Limo von Coca-Cola?Brüssel hat offenbar bereits entschie-den. Geht es nach den Plänen der EU-Kommission soll das Wasser in Zu-kunft mehr den Konzernen gehörenund weniger den Bürgern.

Experten schätzen den Umsatzmit Wasser in Europa auf ein drei-stelliges Milliardengeschäft. Füh-rend sind in Spanien Konzerne wieAgbar, vor drei Jahren von SuezEnvironment España (75 Prozent)und La Caixa Holding (24,2 Pro-zent) übernommen. Zu Agbar ge-hört Aquagest Levante, eine Fir-ma, die in den meisten Gemeindender Costa Blanca die Lizenz zurWasserversorgung erworben hat.Suez Environment hat mit über80.000 Angestellten 2011 einenUmsatz von 14,8 Milliarden Euroerwirtschaftet, davon in Europa 71Prozent seiner Gesamtbilanz.

Zusammen mit der deutschenGruppe RWE, der französischenFirma Veolia, Nestlé und Saur ge-hört der Konzern zu den Big Play-ern auf dem lukrativen Wasser-markt. Zitat von Suez Environ-

ment auf seiner Homepage im In-ternet: „Die Übernahme von Agbarermöglicht es dem Konzern, weite-re Positionen in schnell wachsen-den Märkten zu erobern, in ersterLinie in Europa.“

Teuerung befürchtetDie fortschreitende Privatisierungder Wasserversorgung ereignetsich ungeachtet von Studien, dieergeben, dass die Privatisierungdie Qualität des Wassers ver-schlechtert und den Preis für Ver-braucher erhöht. Nichts Genauesweiß man nicht, doch die Konse-quenzen für den Konsumentenkönnten drastisch sein. Das deut-sche TV-Magazin Monitor sendetevor wenigen Wochen die Doku-mentation „Geheimoperation Was-ser: Wie die EU-KommissionWasser zur Handelsware machenwill“. Darin kommt der EU-Kom-missar für den Binnenmarkt, Mi-chel Barnier, zu Wort: „Wir gebendie Möglichkeit, das Wasser aucheinem privaten Partner anzuver-trauen, jetzt wird auch das gere-gelt, zum Wohl des Verbrauchers.“

Wasserlizenzen müssten in Zu-kunft, so die Idee, europaweit aus-geschrieben werden. Die Kommis-sion hat am Donnerstag ihren Vor-schlag dem Europaparlament zurAbstimmung vorgelegt. Sollte derVorschlag angenommen werden,kämen private Investoren zumZug. Zitat Monitor: „Denn mit denDumpingangeboten der großenKonzerne kann kein kommunalerBetrieb konkurrieren.“

Das umstrittene Vorhaben hateine erste Europaweite Bürgerini-tiative (EBI) auf den Plan gerufen.Die Kampagne www.right2water.eu läuft im Internet in neun Spra-chen unter dem Motto „Wasser istein Menschenrecht“. Wenige Wo-chen nach Start hat die Initiativeüber eine halbe Million Unter-schriften von Bürgern aus siebenEU-Mitgliedstaaten gesammelt.Mit der EBI verfügen EU-Bürger

über die Chance, ein Thema aufdie politische Agenda zu setzen.Dafür müssen eine Million Unter-schriften aus sieben EU-Staatengesammelt werden. Die Initiativeunterstützen die Bürgermeister vonParis, Amsterdam, Wien, Kopen-hagen, München und Sevilla. Lastnot least: Auch Freddy Thiele-manns ist dabei, Bürgermeistervon Brüssel.

Die Öffentlichkeit sensibilisierthat in großem Stil erstmals der Do-kumentarfilm „Water makes Mo-ney“ von Herdolor Lorenz undLeslie Franke. Die Koproduktionmit ZDF/Arte, nominiert für dendeutsch-französischen Journalis-tenpreis 2012, zeichnet auf, wieWasserpreise bei privaten Versor-gern in Frankreich nach der Priva-tisierungswelle rund 20 bis 60 Pro-zent höher liegen als bei öffentli-chen Versorgern. Wasserkonzernewie Veolia würden in Frankreichbereits 80 Prozent der Bevölke-rung mit Trinkwasser versorgen.Die Autoren wollen eine Verfil-zung von Politik und privaten An-bietern beobachtet haben.

Unbestrittene FaktenDen Regisseuren wehte prompt einkalter Wind entgegen. Veolia hatKlage wegen Verleumdung erho-ben. Der Prozess beginnt am 14.Februar um 13.30 Uhr im PariserJustizpalast – mit der Vorführungdes Films. Zwei Tage vorher, am12. Februar um 22 Uhr, wird Artedie Dokumentation demonstrativein weiteres Mal ausstrahlen.

Im Prozess werde Veolia gegendie Verwendung des Begriffs„Korruption“ klagen. Nicht die imFilm gezeigten Fakten werden be-stritten, nur mit dem strafrechtlichrelevanten Wort „Korruption“ hät-te man es nicht benennen dürfen.

Eines wird in der Debatte überöffentliche oder private Wasser-versorgung offensichtlich: Trink-wasser aus dem Wasserhahn istkeine Selbstverständlichkeit.

Hightech fürs kostbare Nass: Entsalzungsanlage San Pedro del Pinatar produziert Trinkwasser aus Meerwasser. Fotos: Ángel García

Politischer Machtkampf der Regionen: Murcia und Alicante fordern Wasser von Castilla-La Mancha.

Wasser als

Menschenrecht oder

Wasser als Geschäft?