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Wasserentkeimung mit Hilfe tragergebun- dener Desinfektionsmittel Klaus J. Huttinger und Dieter Zeller* Herrn Professor Dr. Erich Fitzer zum 65. Geburtstag Tragergebundene Desinfektionsmittel sind antimikrobiell wirkende Verbindungen, die an der Oberflache von Feststoffen chemisch ge- bunden sind und im gebundenen Zustand ihre antimikrobielle Akti- vitat (Desinfektion, Sterilisation, Konservierung) entfalten [ 11. Die Anwendbarkeit tragergebundener Desinfektionsmittel fur Konser- vierung [2] und Luftentkeimung [3] wurde in fruheren Arbeiten nachgewiesen. Die Anwendung im Hygienebereich ist zweifelsohne interessant und vielversprechend. Von groRter Attraktivitat ware je- doch der Einsatz in der Wasserentkeimung, denn durch diese neue Technologie konnte auf die bei den derzeit groBtechnisch angewand- ten Verfahren benotigten korrosiven und toxischen Gase Chlor und Ozon verzichtet werden [4]. Die vorliegende Arbeit stellte sich zum Ziel, fur die Wasserentkei- mung geeignete tragergebundene Desinfektionsmittel zu entwickeln. Folgende Kriterien waren zu beachten: 1) Hydrolyse-Stabilitat und Morphologie der Trager $vlikrokugeln, Fasern); 2) Hydrolyse-Stabilitat und hohe antimikrobielle Aktivitat des Des- infektionsmittels bei moglichem Verzicht auf toxische Schwerme- talle; 3) hydrolyse-stabile, kovalente Bindung zwischen Tragermaterial und Desinfektionsmittel; 4) starke Adhasion der Wasserkeime am gebundenen Desinfektions- mittel; 5) einstufige, d. h. wirtschaftlich durchfuhrbare Synthese. Aufgrund dieser Kriterien wurden Polyamid (Vlies, ohne und rnit Vorhydrolyse), Polystyrol (Mikrokugeln, aminomethyliert) und Glas (Gewebe, ohne und mit y-Aminopropyltriethoxysilan als Finish) als Tragermaterialien, y-Glycidoxypropyl-tri-n-butyl-stannan und Di- methyloctadecyl [3-(trimethoxysilyl)propyl]-ammoniumchlorid als Desinfektionsmittel verwendet. Das zinnorganische Desinfektions- mittel wurde auf allen drei Tragermaterialicn (Glas rnit Finish), s. Abb. 1, die quaternare Ammonium-Verbindung auf Glas (ohne Fi- nish), s. Abb. 2, fixiert. OH HO C-(CH2);N CHrCH-R co OH I H H POLYSTYROL C,H2 J-Cl OH C H -C H' C - CH2-N-CH2-CH-R 1 H OH GLAS .r-Si-O-ii-(CH2)3N-CH~-CH-R C ' P, DESINFEKTIONSMITTEL HZC-CH-R R -CH2-O-(CH2),- Sn-(n-C,H9), Abb. 1. Tragergebundene Desinfektionsmittel mit y-Glycidoxypro- pyl-tri-n-butylstannan als Desinfektionsmittel. * Prof. Dr.-Ing. K. J. Hiitfinger und DipLChem. D. Zeffer, Institut fur Chemische Technik, Univ. Karlsruhe, KaiserstraRe 12, 7500 Karlsruhe. Die ausgewahlten Stoffkombinationen erlauben in allen Fallen eine einstufige Synthese, so daB eine wirtschaftliche Herstellung der Pro- dukte moglich ist. Nach chemischer Analyse und erfolgreicher Vorte- stung der Produkte auf antimikrobielle Aktivitat (Agardiffusionstest, Agarabklatschtest) und insbesondere Hydrolyse-Stabilitat (Hydroly- se-Test) mit Hilfe von Escherichia coli als Testkeim wurden konti- nuierliche Keimfilterversuche unter Verwendung von Filtermodulen (Filtervolumen ca. 30 ml) durchgefuhrt. DESINFEKTIONSMITTEL Qg Abb. 2. ammoniumchlorid als Desinfektionsmittel. Glas mit Dimethyloctadecyl [3-(trimethoxysilyl)propyl]- Mit den Produkten von Abb. 1 gelang eine Reduktion der Keimkon- zentration (Escherichiu coli) von 1 . lo3 bis 2 . lo3 Keimeniml (cfu) nicht unter 200 bis 400 Keime/ml, rnit dem Produkt von Abb. 2 dage- gen auf unter 50 Keime/ml. Die wesentlich schlechtere Wirkung mit dem fixierten zinnorganischen Desinfektionsmittel kann durch man- gelnde Adsorption bzw. Haftung der Bakterien an dem apolaren, an- timikrobiell wirksamen Tributylzinn-Rest erklart werden. Parallele Untersuchungen uber das Adsorptionsverhalten von Escherichia coli in einem Stromungssystem an morphologisch gleichen Oberflachen, die jedoch unterschiedliche funktionelle Gruppen aufwiesen, hatten namlich gezeigt, daB Adsorption und Haftung durch polare Gruppen begunstigt werden und bei Vorliegen positiver Ladungen maximal sind [5]. Mit der auf Glas fixierten quaternaren Ammonium-Verbindung (Abb. 2) wurden Langzeit-Filterversuche bis iiber 4 Wochen durch- gefuhrt (Abb. 3). Dabei arbeitete das Filter einwandfrei (Keimreduk- tion unter 50 Keime/ml). Durch Spiilen mit physiologischer Koch- salz-Losung bzw. thermische Behandlung bei 130 OC ist eine vollstan- dige Regeneration des Filters moglich; nach diesen Behandlungen ar- beitete das Filter sogar noch besser als nach Start des Experiments. Aufgrund der Ergebnisse werden groBere Einheiten nunmehr in ei- ncm Wasserwerk getestet, um die Wirksamkeit gegenuber einer naturlichen Bakterien-Population zu iiberpriifen. Dem Bundesministeriurn fur Forschung und Technologie danken wir fur die finanzielle Unterstutzung zur Durchfuhrung der Arbeit. Fur die Moglichkeit, die mikrobiologischen Untersuchungen am In- 5 4- 3: I, z0 FILTRASONSDAUER !! Abb. 3. Langzeitfilterversuche mit Regenerationen. Relative Keim- konzentration in Abhangigkeit von der Filtrationsdauer unter Varia- tion der Keimkonzentration; 0 Glasfasergewebe, W Dimethyloctade- cyl [ 3-(trimethoxysilyl)propyl]ammoniumchlorid auf Glasfasergewe- be; Filtrationsgeschwindigkeit 1,2 mllmin. 70 Chem.-1ng.-Tech. 58 (1986) Nr. 1, S. 70-71 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim 1986 0009-286>;/86/0 10 1-0070 $ 02.50/0

Wasserentkeimung mit Hilfe trägergebundener Desinfektionsmittel

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Page 1: Wasserentkeimung mit Hilfe trägergebundener Desinfektionsmittel

Wasserentkeimung mit Hilfe tragergebun- dener Desinfektionsmittel

Klaus J. Huttinger und Dieter Zeller*

Herrn Professor Dr. Erich Fitzer zum 65. Geburtstag

Tragergebundene Desinfektionsmittel sind antimikrobiell wirkende Verbindungen, die an der Oberflache von Feststoffen chemisch ge- bunden sind und im gebundenen Zustand ihre antimikrobielle Akti- vitat (Desinfektion, Sterilisation, Konservierung) entfalten [ 11. Die Anwendbarkeit tragergebundener Desinfektionsmittel fur Konser- vierung [2] und Luftentkeimung [3] wurde in fruheren Arbeiten nachgewiesen. Die Anwendung im Hygienebereich ist zweifelsohne interessant und vielversprechend. Von groRter Attraktivitat ware je- doch der Einsatz in der Wasserentkeimung, denn durch diese neue Technologie konnte auf die bei den derzeit groBtechnisch angewand- ten Verfahren benotigten korrosiven und toxischen Gase Chlor und Ozon verzichtet werden [4]. Die vorliegende Arbeit stellte sich zum Ziel, fur die Wasserentkei- mung geeignete tragergebundene Desinfektionsmittel zu entwickeln. Folgende Kriterien waren zu beachten: 1) Hydrolyse-Stabilitat und Morphologie der Trager $vlikrokugeln,

Fasern); 2) Hydrolyse-Stabilitat und hohe antimikrobielle Aktivitat des Des-

infektionsmittels bei moglichem Verzicht auf toxische Schwerme- talle;

3) hydrolyse-stabile, kovalente Bindung zwischen Tragermaterial und Desinfektionsmittel;

4) starke Adhasion der Wasserkeime am gebundenen Desinfektions- mittel;

5) einstufige, d. h. wirtschaftlich durchfuhrbare Synthese. Aufgrund dieser Kriterien wurden Polyamid (Vlies, ohne und rnit Vorhydrolyse), Polystyrol (Mikrokugeln, aminomethyliert) und Glas (Gewebe, ohne und mit y-Aminopropyltriethoxysilan als Finish) als Tragermaterialien, y-Glycidoxypropyl-tri-n-butyl-stannan und Di- methyloctadecyl [3-(trimethoxysilyl)propyl]-ammoniumchlorid als Desinfektionsmittel verwendet. Das zinnorganische Desinfektions- mittel wurde auf allen drei Tragermaterialicn (Glas rnit Finish), s. Abb. 1, die quaternare Ammonium-Verbindung auf Glas (ohne Fi- nish), s. Abb. 2, fixiert.

OH

HO C-(CH2);N CHrCH-R co OH

I H H POLYSTYROL C,H2 J - C l OH

C H -C

H'

C - CH2-N-CH2-CH-R

1 H OH GLAS .r-Si-O-ii-(CH2)3N-CH~-CH-R

C ' P,

DESINFEKTIONSMITTEL HZC-CH-R

R -CH2-O-(CH2),- Sn-(n-C,H9),

Abb. 1. Tragergebundene Desinfektionsmittel mit y-Glycidoxypro- pyl-tri-n-butylstannan als Desinfektionsmittel.

* Prof. Dr.-Ing. K . J . Hiitfinger und DipLChem. D. Zeffer, Institut fur Chemische Technik, Univ. Karlsruhe, KaiserstraRe 12, 7500 Karlsruhe.

Die ausgewahlten Stoffkombinationen erlauben in allen Fallen eine einstufige Synthese, so daB eine wirtschaftliche Herstellung der Pro- dukte moglich ist. Nach chemischer Analyse und erfolgreicher Vorte- stung der Produkte auf antimikrobielle Aktivitat (Agardiffusionstest, Agarabklatschtest) und insbesondere Hydrolyse-Stabilitat (Hydroly- se-Test) mit Hilfe von Escherichia coli als Testkeim wurden konti- nuierliche Keimfilterversuche unter Verwendung von Filtermodulen (Filtervolumen ca. 30 ml) durchgefuhrt.

DESINFEKTIONSMITTEL

Qg

Abb. 2. ammoniumchlorid als Desinfektionsmittel.

Glas mit Dimethyloctadecyl [3-(trimethoxysilyl)propyl]-

Mit den Produkten von Abb. 1 gelang eine Reduktion der Keimkon- zentration (Escherichiu coli) von 1 . lo3 bis 2 . lo3 Keimeniml (cfu) nicht unter 200 bis 400 Keime/ml, rnit dem Produkt von Abb. 2 dage- gen auf unter 50 Keime/ml. Die wesentlich schlechtere Wirkung mit dem fixierten zinnorganischen Desinfektionsmittel kann durch man- gelnde Adsorption bzw. Haftung der Bakterien an dem apolaren, an- timikrobiell wirksamen Tributylzinn-Rest erklart werden. Parallele Untersuchungen uber das Adsorptionsverhalten von Escherichia coli in einem Stromungssystem an morphologisch gleichen Oberflachen, die jedoch unterschiedliche funktionelle Gruppen aufwiesen, hatten namlich gezeigt, daB Adsorption und Haftung durch polare Gruppen begunstigt werden und bei Vorliegen positiver Ladungen maximal sind [5]. Mit der auf Glas fixierten quaternaren Ammonium-Verbindung (Abb. 2) wurden Langzeit-Filterversuche bis iiber 4 Wochen durch- gefuhrt (Abb. 3). Dabei arbeitete das Filter einwandfrei (Keimreduk- tion unter 50 Keime/ml). Durch Spiilen mit physiologischer Koch- salz-Losung bzw. thermische Behandlung bei 130 OC ist eine vollstan- dige Regeneration des Filters moglich; nach diesen Behandlungen ar- beitete das Filter sogar noch besser als nach Start des Experiments. Aufgrund der Ergebnisse werden groBere Einheiten nunmehr in ei- ncm Wasserwerk getestet, um die Wirksamkeit gegenuber einer naturlichen Bakterien-Population zu iiberpriifen.

Dem Bundesministeriurn fur Forschung und Technologie danken wir fur die finanzielle Unterstutzung zur Durchfuhrung der Arbeit. Fur die Moglichkeit, die mikrobiologischen Untersuchungen am In-

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3: I, z 0

FILTRASONSDAUER !!

Abb. 3. Langzeitfilterversuche mit Regenerationen. Relative Keim- konzentration in Abhangigkeit von der Filtrationsdauer unter Varia- tion der Keimkonzentration; 0 Glasfasergewebe, W Dimethyloctade- cyl [ 3-(trimethoxysilyl)propyl]ammoniumchlorid auf Glasfasergewe- be; Filtrationsgeschwindigkeit 1,2 mllmin.

70 Chem.-1ng.-Tech. 58 (1986) Nr. 1, S. 70-71 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim 1986 0009-286>;/86/0 10 1-0070 $ 02.50/0

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stitut fur Biologie der Bundesforschungsanstalt ruhe durchfuhren zu konnen, danken wir Herrn

Eingegangen am 23. August 1985

fur Ernahrung Karls- Prof. Dr. H. K. Frank.

[ 5 ] Hiittinger, K. J.; Rudi, H.: in Vorbereitung.

Schliisselworfe: Wasserentkeimung, Keimfiltermodule, tragergebun- dene Desinfektionsmittel, mikro biologische Testung, Escherichia cok

[l] Hiittinger, K. J.; Miiller, H.; Bomar, M . T.: J. Coll. Interf. Sci. 88

[2] Hiittinger, K. J.; Miiller, H.; Bomar, M . T.: Material Organismen 17

[3] Hiittinger, K. J.; Miiller, H.: Chem.-1ng.-Tech. 54 (1982) S. 58. [4] Wallhauser, K. H.: Sterilisation, Desinfektion, Konservierung,

(1982) S. 274.

(1982) S. 285.

Thieme, Stuttgart 1978.

71 Chem.-1ng.-Tech. 58 (1986) Nr. 1, S. 70-71