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Alexander Roßnagel Fracking und Wasserrecht 22. wasserrechtlicher Gesprächskreis Kanzlei DLA Piper, Köln 19. September 2012

Wasserrechtliche Fragen der unkonventionelle · NRW-Studie: „Fracking in unkonventionellen Lagerstätten in NRW“, 6.9.2012. Roßnagel/Hentschel/Polzer: „Rechtliche Rahmenbedingungen

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Alexander Roßnagel

Fracking und Wasserrecht

22. wasserrechtlicher GesprächskreisKanzlei DLA Piper, Köln

19. September 2012

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Hintergrund

In vielen Regionen Deutschlands wurden Anträge gestellt und Erlaubnisseerteilt, Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten zu gewinnen.

Erdgas ist ein wichtiger Pfeiler des deutschen Energie-Mixes. Die Reservenin Deutschland sind zu ca. 80 % in unkonventionellen Lagerstätten. Die(BGR: ca. 5.000 km3 technisch gewinnbares Erdgas).

Ihre Gewinnung erfordert die Technologie des Hydraulic Fracturing(Fracking).

Berichte aus USA von brennenden Wasserhähne, verunreinigtem Wasserund kleinen Erdbeben beunruhigen die Menschen.

Bis Risiken und Umweltverträglichkeit geklärt sind, ruhen derzeit(weitgehend) Erkundungs- und Förderbohrungen.

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Studien

Neutraler Expertenkreis (Exxon): „Risikostudie Fracking –Sicherheit und Umweltverträglichkeit der Fracking-Technolo-gie für die Erdgasgewinnung aus unkonventionellen Quellen“,25.4.2012

UBA-Studie: „Umweltauswirkungen von Fracking bei derAufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus unkonventio-nellen Lagerstätten“, 6.9.2012.

NRW-Studie: „Fracking in unkonventionellen Lagerstätten inNRW“, 6.9.2012.

Roßnagel/Hentschel/Polzer: „Rechtliche Rahmenbedingungender unkonventionellen Erdgasförderung mittels Fracking“,21.8.2012.

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Übersicht

1. Unkonventionelle Gewinnung von Erdgas

2. Raumbedeutsame Auswirkungen und Planung

Raumplanung

Bauplanung

Fachplanung (Wasserschutzgebiete)

3. Risiken und Schutzregelungen

Erlaubnispflicht

Voraussetzungen einer Erlaubnis

Verfahren und Zuständigkeiten

4. Empfehlungen

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1. Unkonventionelle Gewinnung von Erdgas

These

Die Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten eröffnetdas Potential einer heimischen Energiequelle, ist aber nur mit Hilfe vonFracking möglich und erfordert eine Entsorgung des „Flowbacks“.

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Fracking

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Entsorgung

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Raumdimensionen

Pro Bohrplatz sollen mehrere Bohrungen ermöglichen, die gasführende Schichtflächendeckend zu fracken und aus ihr das gesamte Gas zu gewinnen. ProBohrplatz kann so ein Bereich von bis zu 10 km2 ausgebeutet werden.

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Raumdimensionen

In einer gashöffigen Region werden die Bohrplätze systematisch gesetzt, umdas gesamte Gas zu gewinnen. Die Bohrplätze werden durch Pipelines für Gasund Abwasser verbunden und um Gasreinigungs- und Abwasseraufbereitungs-anlagen ergänzt. Zusätzlich sind Versenkbohrungen erforderlich.

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2. Raumbedeutsame Auswirkungen und Planung

These

Fracking kann mit raumbedeutsamen Auswirkungen verbunden sein, dieKonflikte verursachen, die nur durch planerische Entscheidungensinnvoll gelöst werden können.

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Raumordnung

Aufgabe der Raumordnung des Landes ist es, den Raum durchRaumordnungspläne zu entwickeln, zu ordnen und zu sichern.

Abwägung der Nutzungsinteressen

Erdgasgewinnung Wasserwirtschaft, Landwirtschaft, Tourismus,Wohnen, ErholenNatur und Landschaft

Entscheidung über Nutzungsvorrang in fachbezogenem Regionalplan mitGebietsfestlegungen in

• Vorranggebiete: konkurrierende Nutzungen ausgeschlossen

• Vorbehaltsgebiete: Nutzung erhält besonderes Gewicht

• Eignungsgebiete: Nutzung hier zulässig und in anderen Gebieten nicht

Strategische Umweltprüfung des Planentwurfs ist zwingend

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Bauleitplanung

Aufgabe der Bauleitplanung der Gemeinde ist es, die bauliche und sonstigeNutzung der Grundstücke vorzubereiten und zu leiten.

Abwägung der Nutzungsinteressen und Festlegung der Bodennutzung unterBeachtung der Raumplanung durch

• Flächennutzungsplan, der Flächen für Erdgasgewinnung festlegt unddies in anderen Flächen ausschließt (Konzentration) oder konkurrierendeNutzungen festlegt (Ausschluss)

• Bebauungsplan, der Flächen für Erdgasgewinnung sichert und siebauplanungsrechtlich ermöglicht

Ohne planerische Festlegung ist Erdgasgewinnung im Außenbereichgrundsätzlich möglich.

Eine Umweltprüfung des Planentwurfs ist durchzuführen, die die SUP inanderen Planungsverfahren ergänzen soll. Die Öffentlichkeit ist zu beteiligen.

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Fachplanung

Die Ausweisung von Schutzgebieten schützt bestimmte Gebiete undschließt konkurrierende Nutzungen aus.

• Wasserschutzgebiete werden durch Verordnung festgelegt, in der auchbestimmte Handlungen ausgeschlossen oder eingeschränkt werden können.

• VGH Hessen 2011 zu Geothermie: „Schutz des Grundwassers vorVerunreinigung hat eine alle anderen Belange überragende Bedeutung“

• In den Schutzgebietsverordnungen sollte die Erdgasgewinnung mittelsFracking ausgeschlossen werden.

Für alle Schutzgebiete ist eine Befreiung von den Schutzbestimmungenmöglich ist, wenn dies aus überwiegenden öffentlichen Interessen oderwegen einer unzumutbaren Belastung notwendig und die Abweichung mitdem Schutzziel vereinbar ist.

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3. Risiken und Schutzregelungen

These

Fracking verursacht Risiken für die Schutzgüter Grund- und Trinkwasser,Umwelt sowie Leben und Gesundheit. Deren Schutz ist auch mitkonsequenter Anwendung der bestehenden Schutzregelungen nur sichermöglich, wenn geeignete Zulassungskriterien entwickelt werden.

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Oberirdische Risiken

Freisetzung desgesamten Inventars

Freisetzung GZM

Gasausbruch

AbrissPanzerschlauch

Tankerunfall

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Unterirdische Risiken

Rohrleckage durchLeck oder Abscheren

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Rechtsgebiete

Bergrecht(führend)

Wasserrecht(Risiken fürGrund- undTrinkwasser)

Immissionsschutzrecht(oberirdische Risiken)

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Grundwasser?

Grundwasser ist nach § 3 Nr. 3 WHG „das unterirdische Wasser in derSättigungszone, das in unmittelbarer Berührung mit dem Boden oder demUntergrund steht“

Unerheblich ist• die Tiefe, in der das Wasser vorkommt• der Salzgehalt des Wassers

Voraussetzung für die Bewirtschaftungsbedürftigkeit ist• Teilnahme am Wasserkreislauf (fließendes Gewässer)• Berührung mit bewirtschaftetem oberflächennahem Grundwasser

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Erlaubnispflicht?

Die Benutzung eines Gewässers (so auch Grundwasser) bedarf einerErlaubnis (§§ 8, 9, 12 WHG)

Relevante Handlungen: Bohren, Fracken, Rückführen, Verpressen

Unterscheidung von „echter“ und „unechter“ Benutzung:

•„echte“ Benutzungen sind u.a. das Einbringen und Einleiten von Stoffen inGewässer (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG)

•„unechte“ Benutzungen sind alle Handlungen, die „geeignet sind, dauerndoder in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß nachteilige Veränderungender Wasserbeschaffenheit herbeizuführen“ (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG)

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Einbringen von Stoffen?

• Bohren

Für Einbringen spricht Wortlaut, da Metall und Zement eingebracht werden,und die Anwendung des Besorgnisgrundsatzes nach § 48 Abs. 1 WHG

Gegen „Einbringen“ spricht, dass durch die wasserführende Schicht nurEinrichtungen gelegt werden, die verhindern sollen, dass Stoffe in dasGrundwasser gelangen, die sich darin auflösen oder darin verbleiben undnachteilige Veränderungen bewirken.

• Fracken

Funktioniert nicht in wasserführender Schicht. Kein Einbringen, wenn Frackennicht in wasserführender Schicht erfolgt.

• Rückförderung

Entnehmen von Grundwasser? Kein zu bewirtschaftendes Grundwasser

• Verpressen

Kein gezieltes Einbringen in Grundwasser

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Unechte Benutzung

Bohren, Fracken, Rückfördern und Verpressen sind „unechte“ Benutzung

Nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG liegt diese vor, wenn Handlungen „geeignet sind,dauernd oder in nicht unerheblichem Ausmaß nachteilige Veränderungen derWasserbeschaffenheit herbeizuführen“.

Dieser Auffangtatbestand soll sicherstellen, dass jede Gefährdung desGewässers einem Überprüfungsprozess zugeführt wird. Kann durch eineHandlung eine nachteilige Veränderung nicht ausgeschlossen werden, bedarfdiese einer Erlaubnis.

Lagern und Handhaben wassergefährdender Stoffe

Ebenfalls unechte Benutzungen

§§ 62 und 63 WHG nicht anwendbar, weil keine gewerbliche Wirtschaft

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Voraussetzungen einer Erlaubnis

1. Bohren, Fracken, Rückfördern und Verpressen dürfen nach §§ 5, 6 und 12WHG keine „Veränderungen von Gewässereigenschaften, die das Wohl derAllgemeinheit, insbesondere die öffentliche Wasserversorgung, beeinträchtigen“hervorrufen.Konkretisierung durch Anlage 2, 7 und 8 GrwV sowie TrinkwV oder WHO-Guidlines for Drinking Water Quality

2. Keine „Besorgnis nachteiliger Veränderung der Grundwasserbeschaffenheit“bei der Lagerung und Beförderung von Stoffen nach § 48 Abs. 2 WHG.

3. Die Einleitung von Abwasser in den Untergrund darf nach § 57 Abs. 1 WHGnur erfolgen, wenn

• Menge und Schädlichkeit so gering wie möglich

• Einleitung mit den Anforderungen an die Gewässereigenschaft vereinbar

• Abwasseranlagen betrieben werden

AbwV gilt nicht, weil Bergbau kein erfasster Herkunftsbereich ist.

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Ausnahme für Verpressen?

Verpressen

Nach § 82 Abs. 6 Satz 2 WHG können Einleitungen in das Grundwasser„unter Festlegung entsprechender Bedingungen“ zugelassen werden.

Nach Art. 11 Abs. 3 lit. j WRRL darf die Einleitung von Wasser ausnahms-weise gestattet werden, „das Stoffe enthält, die bei der Exploration undFörderung von Kohlenwasserstoffen oder bei Bergbauarbeiten anfallen …Solche Einleitungen dürfen keine anderen Stoffe als solche enthalten, die beiden obengenannten Arbeitsvorgängen anfallen.“

Dies gilt nicht für das Verpressen des Rückflusses von Frac-Fluid

„Es soll nur das nach unten gelangen, was zuvor schon unten war.“

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Konkretisierung der Anforderungen

Problem: Unbestimmte Rechtsbegriffe

Wie kommt man von unbestimmten Rechtsbegriffen zur Gewährleistungund Überprüfung ausreichender Sicherheit in der Praxis?

Lösung: „Sicherheitsphilosophie“

Definition und Maßstab von Sicherheit

Probabilistische oder deterministische Betrachtungsweise von Sicherheitmöglich.

Für eine probabilistische Bewertung fehlt sowohl die statistische Basis alsauch ein Risikomaß

Geeignet ist die deterministische Prüfung auf der Grundlage der Erfahrungmit vergleichbaren Störfällen

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Deterministische Sicherheitsphilosophie

Sicherheit ist die ausreichende Beherrschung festgelegter (determinierter)Störfälle.

Die Störfälle ergeben sich aus Plausibilitätsüberlegungen zu möglichenEreignissen = Auslegungsstörfall.

Sicher ist eine Anlage, wenn alle Störfälle ausreichend beherrscht werden.

Es müssen die Schutzmaßnahmen ergriffen werden, die notwendig sind, umdie Störfälle zu beherrschen.

Die Szenarien dienen als Auslegungsstörfälle

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Sicherheitskonzept

Schutzmaßnahmen zum Ausschluss der Auslegungsstörfälle.

Es reicht der Schutz gegen „umhüllende“ Störfälle.

Schutzmaßnahmen müssen hierfür folgende Ziele verfolgen:

1. Schäden vermeiden oder reduzieren

2. Eintrittswahrscheinlichkeit reduzieren

3. Monitoring / Betriebskontrollen gewährleisten

4. Sicherheitsmanagement sicherstellen

5. Ausreichenden Abstand einhalten

Anforderungen für Schutz der Mitarbeiter in der ABBergG enthalten.

Anforderungen für Schutz Dritter aus allgemeinen Vorgaben abzuleiten.

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Notwendige Sicherheitsmaßnahmen

Risiken im geologischen und hydrologischen System

• Keine oder nur schwach wassergefährdende Stoffe

Falls doch riskante Stoffe verwendet werden:

• Keine Bohrungen in Trinkwasserschutzgebieten

• Beschränkung der Ausbreitung schädlicher Stoffe durch Frack-Design

• Deckgebirge ausreichend dick (ca. 1000 m) und undurchlässig

• Ausschluss des gleichzeitige Auftretens von artesisch gespanntemTiefenwasser und durchgängigen Transportwegen

• Ausschluss von Wechselwirkungen mit alten Förderbohrungen oderBrunnen im Umfeld der Bohrung

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Notwendige Sicherheitsmaßnahmen

Untertägige Risiken im technischen System

• Standfestigkeit und Dichtigkeit des gesamten Bohrlochs

• Überwachung der Dichtigkeit während Frack und Rückspülung

Obertägige Risiken im technischen System

• Blow Out Preventer zur Verhinderung eines Gasausbruchs

• Dichtigkeit der Rohrleitungen

• Absperreinrichtung, die Freisetzung von Frack-Fluid oderLagerstättenwasser verhindert

• Ausreichender Abstand zur nächsten Wohnbebauung

• Passive Sicherheitseinrichtungen, die freigesetzte Flüssigkeitsmengenaufnehmen

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Wissensdefizite

Untertägige Risiken

• Weiterentwicklung biozidfreier Frack-Fluide

• Ausbreitung und Auswirkungen von Frack-Rissen und deren Begrenzung

• Mikrobiologische und chemische Umsetzungsprozesse im Zusammenspielmit Druck und Temperatur

• Freisetzungspfade für diffuse Emissionen von Methan

• Regionale Stoffstrombilanzen

• Systemische Klima- und Energiebilanzen

Obertägige Risiken

• Erfahrung mit spezifischem Sicherheitsmanagement

• Entwicklung eines Stands der Sicherheitstechnik für Fracking

• Weiterentwicklung emissionsarmer und nicht raumwirksamer Verfahren(Szenario 2)

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Zuständigkeiten

Für alle Zulassungen von Bergbauvorhaben (auch nach Immissionsschutzrechtund Wasserrecht) sind die Bergbehörden zuständig

• Die Bergbehörden müssen den Behörden, deren Aufgabenbereiche berührtwerden, Gelegenheit zur Stellungnahme geben

• Keine Bindung der Bergbehörden an diese Stellungnahmen

• Einvernehmen mit Wasserbehörde notwendig

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4. Empfehlungen

These

Das Gewinnen von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten sollte sehrvorsichtig, mit klarer politischer Prioritätensetzung und risikoadäquaterRechtsanwendung und -fortentwicklung weiterverfolgt werden.

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Politische Empfehlungen

Empfehlungen des Neutralen Expertenkreises

Wenn die Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten politischgewünscht ist, dann sollten folgende Empfehlungen beachtet werden:

• Klare Priorität: Trink- und Gewässerschutz gehen vor Energiegewinnung

• Bekannte Risiken und Folgen mit den besten verfügbaren Mitteln ausschließen

• Prozesse bei der Nutzung unkonventioneller Ressourcen weiter erforschen

• Langsame Entwicklung in vorsichtigen Schritten: Vorerst nur Erkundung derLagerstätten und der Betrieb einzelner Demonstrationsvorhaben

• Erprobung einer „Guten Praxis“ der Beteiligung und Risikokommunikation

• Anpassung des rechtlichen Rahmens durch risikoadäquate Konkretisierung desbestehenden Rechts und Ergänzung um fehlende Regelungen

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Rechtspolitische Empfehlungen

Verwaltung: Konsequente Umsetzung vorhandener Instrumente

• Fachlicher Regionalplan mit Strategischer Umweltprüfung

• Nachbesserung der Schutzgebietsverordnungen

• Sicherheitskriterien in Zulassungsverfahren entwickeln und einfordern

• Einvernehmen mit Wasserbehörde einfordern

Gesetzgeber: Ergänzende Regelungen zur besseren Risikobewältigung

• Standortbezogene Risikoanalyse als Teil des Betriebsplans

• Standortbezogene UVP und Öffentlichkeitsbeteiligung bei standortspezifischenProblemen (= abgeschichtete zweifache UVP)

• Vorläufige positive Gesamteinschätzung als Teil jeder Zulassung

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Zusammenfassung

Noch sind viele Fragen zur Sicherheit von Fracking offen.

Der Umgang mit den Risiken des Fracking ist nirgendwo im Recht explizitgeregelt.

Unspezifische Regelungen des geltenden Rechts sind nur anwendbar, wennsie risikoadäquat konkretisiert werden. Hierfür sind weitere Kriterien fürdie Vollzugspraxis zu entwickeln.

Ergänzende Regelungen sind notwendig, um

• Sicherheit von Fracking zu gewährleisten

• das notwendige Risikowissen zu generieren

• die Öffentlichkeit adäquat zu beteiligen