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24 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 10/2017 Weiterentwicklung der Armee Eugen Thomann, Redaktor ASMZ Rund hundert Personen folgten am 31. August der Einladung ins Armee-Logis- tikzentrum (ALC) Burgdorf. Hier sollten Vertreter der Politik, der Bildungsland- schaft, der Wirtschaft, der Behörden und der Medien als Treuhänder der Öffent- lichkeit vertraut gemacht werden mit den nächsten Schritten der WEA. Die Gelegen- heit zum persönlichen Gespräch mit Bun- desrat Guy Parmelin und KKdt Philippe Rebord nahmen zwei Dutzend Medienleu- te mit sehr sachbezogenen Fragen wahr. Drei Stationen widmeten sich den Eckwerten der WEA: Ein Infanteriezug demonstrierte die Mobilmachung als Kern der höheren Bereitschaft. Br Rolf André Siegenthaler, Stellvertreter des Ar- meestabschefs und Chef Armeeplanung, referierte über Ausrüstungsfragen, KKdt Daniel Baumgartner, designierter Chef Ausbildungskommando, über die Ka- derausbildung und Br Yvon Langel, künftiger Kdt der Territorialdivision (Ter Div) 1, über die Regionalisierung, na- mentlich über Struktur und Aufgaben der Ter Div. Analyse des Chefs der Armee KKdt Philippe Rebord bewertet die WEA als richtige Antwort auf die aktuel- len Herausforderungen. Sie zu realisie- ren, braucht Zeit. Während allen Etappen muss die Armee zum Einsatz bereit blei- ben. Nachdem das Anpassen der Kader- ausbildung schon begonnen hat, fällt der Startschuss am 1. Januar 2018. Das Ziel er- reichen wir Ende 2022. Dazwischen soll es an periodischer Information nicht fehlen. Im Vordergrund steht das Steigern der operativen Verfügbarkeit. Schliesslich wird bis zur Hälfte der Armee gleichzeitig der Unterstützung ziviler Behörden dienen Die Weiterentwicklung der Armee (WEA) vor dem Startschuss Mit einem aufwändigen Informationstag lüfteten VBS und Armee- spitze den Schleier über dem Umbau der Armee. Optimismus klang an. Hohe Erwartungen wurden laut, grosse Herausforderungen nicht verheimlicht. Vollausrüstung Der Begriff verwirrt die Diskussion bis heute, weil er zu grosse Erwartungen weckt. Die WEA schafft vier Kategorien: 1. Mittel der ersten Stunde, also Berufs- organisationen und Bereitschaftsfor- mationen sowie Miliz mit hoher Bereit- schaft (MmhB) sind vollständig aus- gerüstet. Für sie ist eine Umlaufreser- ve (ULR) von 15 Prozent vorhanden. 2. Für jeden über die erste Kategorie hi- naus zur Unterstützung ziviler Behör- den vorgesehenen Einsatz liegt die komplette Ausrüstung samt ULR bereit. 3. Zur Grundausbildung aller Truppen, die speziell für Unterstützungsein- sätze in Betracht fallen, ist ein Aus- bildungssatz ausgeschieden. 4. Formationen zur Abwehr bewaffneter Angriffe, also namentlich die drei Me- chanisierten Brigaden, verfügen über vollständige Ausrüstung, müssen sie aber mit den Schulen teilen. Das wird erst 2022 erreicht. Selbst dann gilt für die Inf Bat, dass eine Kompanie mit dem Geschützten Mannschaftstrans- portfahrzeug, eine mit den heute schon vorhandenen Radpanzern, die dritte in- des mit dem ungeschützten «Duro» in den Einsatz fährt. Bundesrat Guy Parmelin erläutert seine Erwartungen. Bilder: ASMZ

Weiterentwicklung der Armee Die Weiterentwicklung der · PDF file•Das neue Mobilmachungssystem greift bei den Bataillonen der «Miliz mit ho-her Bereitschaft» (MmbH). Individuell

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24 Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 10/2017

Weiterentwicklung der Armee

Eugen Thomann, Redaktor ASMZ

Rund hundert Personen folgten am 31.August der Einladung ins Armee-Logis-tikzentrum (ALC) Burgdorf. Hier solltenVertreter der Politik, der Bildungsland-schaft, der Wirtschaft, der Behörden undder Medien als Treuhänder der Öffent-lichkeit vertraut gemacht werden mit dennächsten Schritten der WEA. Die Gelegen-heit zum persönlichen Gespräch mit Bun-desrat Guy Parmelin und KKdt PhilippeRebord nahmen zwei Dutzend Medienleu-te mit sehr sachbezogenen Fragen wahr.

Drei Stationen widmeten sich denEckwerten der WEA: Ein Infanteriezugdemonstrierte die Mobilmachung alsKern der höheren Bereitschaft. Br RolfAndré Siegenthaler, Stellvertreter des Ar-meestabschefs und Chef Armeeplanung,re ferierte über Ausrüstungsfragen, KKdtDaniel Baumgartner, designierter ChefAusbildungskommando, über die Ka-der ausbildung und Br Yvon Langel,künftiger Kdt der Territorialdivision (TerDiv) 1, über die Regionalisierung, na-mentlich über Struktur und Aufgabender Ter Div.

Analyse des Chefs der Armee

KKdt Philippe Rebord bewertet dieWEA als richtige Antwort auf die aktuel-len Herausforderungen. Sie zu realisie-ren, braucht Zeit. Während allen Etappenmuss die Armee zum Einsatz bereit blei-ben. Nachdem das Anpassen der Kader-ausbildung schon begonnen hat, fällt derStartschuss am 1. Januar 2018. Das Ziel er-reichen wir Ende 2022. Dazwischen soll esan periodischer Information nicht fehlen.

Im Vordergrund steht das Steigern deroperativen Verfügbarkeit. Schliesslich wirdbis zur Hälfte der Armee gleichzeitig derUnterstützung ziviler Behörden dienen

Die Weiterentwicklung der Armee (WEA)vor dem StartschussMit einem aufwändigen Informationstag lüfteten VBS und Armee-spitze den Schleier über dem Umbau der Armee. Optimismus klang an.Hohe Erwartungen wurden laut, grosse Herausforderungen nicht verheimlicht.

Vollausrüstung

Der Begriff verwirrt die Diskussion bis

heute, weil er zu grosse Erwartungen

weckt. Die WEA schafft vier Kategorien:

1. Mittel der ersten Stunde, also Berufs -

organisationen und Bereitschaftsfor-

mationen sowie Miliz mit hoher Bereit-

schaft (MmhB) sind vollständig aus-

gerüstet. Für sie ist eine Umlaufreser-

ve (ULR) von 15 Prozent vorhanden.

2. Für jeden über die erste Kategorie hi-

naus zur Unterstützung ziviler Behör-

den vorgesehenen Einsatz liegt die

komplette Ausrüstung samt ULR bereit.

3. Zur Grundausbildung aller Truppen,

die speziell für Unterstützungsein-

sätze in Betracht fallen, ist ein Aus-

bildungssatz ausgeschieden.

4. Formationen zur Abwehr bewaffneter

Angriffe, also namentlich die drei Me-

chanisierten Brigaden, verfügen über

vollständige Ausrüstung, müssen sie

aber mit den Schulen teilen.

Das wird erst 2022 erreicht. Selbst dann

gilt für die Inf Bat, dass eine Kompanie

mit dem Geschützten Mannschaftstrans-

portfahrzeug, eine mit den heute schon

vorhandenen Radpanzern, die dritte in-

des mit dem ungeschützten «Duro» in

den Einsatz fährt.

Bundesrat Guy Parmelin erläutert seine Erwartungen. Bilder: ASMZ

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Weiterentwicklung der Armee

können, also das Zehnfache dessen, washeute jeweils durchschnittlich im Wieder-holungskurs steht. Das gebietet das erst-mals verbindlich definierte Leistungs -profil. Nach 2022 tauchen weitere grosse Be dürfnisse auf, weil es gilt, das NeueKampfflugzeug zu beschaffen und veral-tende Hauptsysteme des Heeres zu erset-zen oder zu kräftigen.

Sorgen bereitet die personelle Alimen-tierung. Um auf einen Sollbestand von100000 zählen zu können, brauchen wireffektiv 140000 AdA. Das erreichen wirin den bevorstehenden Jahren, sofern je18000 ausexerzierte Rekruten neu zur Ar-mee stossen; das setzt unter anderem vo-raus, dass die Reduktion der medizinischbedingten Ausmusterungen gelingt, wiesie heute die Rekrutenschulen in den ers-ten Wochen heimsuchen. – Umschulungund Neu-Ausbildung des vorhandenenPersonals gehen schrittweise voran. Dabeiliegt die Priorität auf der «Miliz mit ho-her Bereitschaft» (MmhB).

Am Ende der WEA sind wir fähig, 8000AdA in ein bis drei Tagen und 35000 bin-nen zehn Tagen einzusetzen, was einzigar-tig ist in Europa.

Voraussetzung bildet Planungssicher-heit namentlich in finanziellen Belangen.Mit weniger als 20 Milliarden, gerechnetauf vier Jahre, ist es nicht zu schaffen.

Erwartungendes Departementsvorstehers

Bundesrat Guy Parmelin verweilte kurzbei der Lage mit ihrem breiten Spektrumvon Gefahren und Bedrohungen samt denvielen potenziellen Akteuren. Umso mehrkommt es auf die Fähigkeit an, Entwick-lungen zu antizipieren, auf Reaktionsfä-higkeit und Zusammenarbeit im Schwei-zerischen Sicherheitsverbund.

Die Rahmenbedingungen kennt man:Wir bleiben Milizarmee, benötigen einenSollbestand von 100000 AdA und 20 Mil-liarden in jeweils vier Jahren. Dabei ver-gessen wir nicht, dass die letzte Reform anden fehlenden Finanzen scheiterte.

Die WEA ist unverzüglich und kom-promisslos zu verwirklichen, nicht zu be-lasten mit zusätzlichen Ideen, erst rechtnicht mit früher erörterten und verwor -fenen. Retuschen bleiben möglich, wo siesich als nötig erweisen.

Nicht alle Schlüssel zum Erfolg liegenganz in unserer Hand. Qualitätsarbeit er-leichtert indes das Lösen von Problemen.Unbedingt müssen Aufgaben und Res-sourcen in der Balance bleiben.

Hohe Bereitschaft

Die Bereitschaft bildet eine Kaskade: • Als «Mittel der ersten Stunde» gelten mi-

litärische Berufsorganisationen und dieBereitschaftsverbände. Letztere leistenden Wiederholungskurs unter Auf la gen,haben beispielsweise jederzeit, selbstaus dem Urlaub, binnen 24 Stunden eineEinheit in den Einsatz zu führen;

• Danach kommen die übrigen aktuellWiederholungskurs leistenden Truppenzum Zug und Schulen, soweit deren Aus-bildungsstand genügt;

• Das neue Mobilmachungssystem greiftbei den Bataillonen der «Miliz mit ho-her Bereitschaft» (MmbH). Individuellalarmiert mittels SMS oder E-Mail, wir-ken sie nach 24 bis 96 Stunden mit biszu 8000 AdA;

• Weitere AdA erreichen die Aufgeboteüber Massenmedien oder Marsch be feh -le. Das Leistungsprofil fordert im Extrem-fall zusätzliche 35000 AdA, einsatzbe -reit in zehn Tagen, und von jedem derfünf ALC das Ausrüsten von jeweils zweiBataillonen innerhalb von 24 Stunden.

Die Koordination der Mobilmachung ob-liegt den Ter Div.Zu den Mmhb zählen Teile der Infanterie,Führungsunterstützung, Genie, ABC-Ab-wehr, Rettungstruppen, Sanität und an -dere Logistikformationen. Bestimmt fürjedes Bat sind im Voraus das zuständi-ge ALC, wo das Material dauernd bereit-liegt, und der an eine Militäreinrichtungan gelehnte Mobilmachungsplatz, wo dieTruppe 24 Stunden verweilt, sich selberschützt und einsatzbezogene Ausbildungbetreibt.Ältere Zeitgenossen fühlen sich an die Armee 61 erinnert. Tatsächlich kehrt Ei -niges wieder. So kleben künftig in denDienstbüchlein Mobilmachungszettel, rotfür die MmhB, braun für das Gros. – Neu-erdings sind ganz andere Mengen von Ma -terial zu bewegen. Das wird im Bild untendeutlich.Das Ausbilden der Mobilmachung begannfür das Kader schon 2017 und beschertsämtlichen Einheiten 2018 eine Mobil-machungs-Übung.

Das komplette 1994 von einem Füsilierzug gefasste Material. ■

Das 2018 von einem Infanteriezug zu fassende Material – ohne die vier Fahrzeuge.