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(Aus der Psychiatrischen und Nervenklinik der Universit~t Greifswald [Direktor: Prof. Dr. E. Forster].) Weiteres fiber die pathologisehen Funktionen bei Chorea minor. Yon Konrad Zucker. Mit 5 Textabbildungen. (Eingegang~n am 4. August 1932.) Vor kurzem beriehtete ich I, dab sich in Fallen von Chorea minor eine ~nderung der Sensibilitat nachweisen ls die, ahnlieh wie bei Encepha- litis lethargiea-Fallen 2, auf der motorisch starker betroffenen Seite am deutlichsten ist. Bei beiden Krankheiten greift sie in verminderter In- tensits fiber die Mittellinie auf die weniger betroifene Seite breit hinaus und bietet somit gewissermaBen einen Dreizoneneharakter, fiber dessen Form und Erscheinungsbedingungen eingehend gehandelt wurde. Quali- tativ unterseheidet sich diese StSrung bei der Chorea vonder bei der Encephalitis unter anderem dadureh, daB bei Choreafallen, je naeh Inten- sitar der Erkrankung, eine Labilits im Sinne Steins bzw. deren Vorstufen dazu zu finden sind. Diese Labilitat, die fiir Sehmerz und Beriihrung gleichermaBen darstellbar ist, zeigte bei Reizhaaruntersuchungen neben anderen die beiden Besonderheiten, dab sie 1. auf einer horizontal ver- laufenden Reizlinie sukzessiv fortlaufend ausgelSst, nun auch nach ~ber- springen gr5Berer Strecken {8--12 cm) auf der Gegenseite in der Richtung der Reizlinie vorhanden ist, indem sie, wie das damals ausgedrfiekt wurde, den langsam vorriickenden Reizen vorauseilt; 2. zeigten sich eigenartige Sehwankungen in der GrSBe der Liickenbildungen, d. h. der einzelnen Fehlwerte, bevor man von einer pr~ktisch erreichten Sehwellen- erhShung sprechen konnte. -- Es wurde dieses Schwanken auch als ein Ausdruck, sozusagen als Vorstufe oder Tendenz zur Labilit~t angesehen, ohne dab etwas l~heres dariiber ausgemacht werden konnte. In der vorliegenden Arbeit soll nun auf Grund weiterer UntersuehungerL n~her auf all diese Einzelheiten eingegangen werden und schlieBlich 1 Mschr. Psychiatr. 84. 2 Sensibilit~t und sensible Vorstellungen bei chronischen Encephalitikern. Z. Neur. 140, 100 (1932).

Weiteres über die pathologischen Funktionen bei Chorea minor

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(Aus der Psychiatrischen und Nervenklinik der Universit~t Greifswald [Direktor: Prof. Dr. E. Forster].)

Weiteres fiber die pathologisehen Funktionen bei Chorea minor.

Yon

Konrad Zucker.

Mit 5 Textabbildungen.

(Eingegang~n am 4. August 1932.)

Vor kurzem beriehtete ich I, dab sich in Fallen von Chorea minor eine ~nde rung der Sensibilitat nachweisen ls die, ahnlieh wie bei Encepha- litis lethargiea-Fallen 2, auf der motorisch s tarker betroffenen Seite am deutlichsten ist. Bei beiden Krankhe i ten greift sie in verminderter In- tensi ts fiber die Mittellinie auf die weniger betroifene Seite breit hinaus und bietet somit gewissermaBen einen Dreizoneneharakter , fiber dessen Form und Erscheinungsbedingungen eingehend gehandelt wurde. Quali- t a t iv unterseheidet sich diese StSrung bei der Chorea v o n d e r bei der Encephalitis unter anderem dadureh, daB bei Choreafallen, je naeh Inten- si tar der Erkrankung, eine Labili ts im Sinne Steins bzw. deren Vorstufen dazu zu finden sind. Diese Labili tat , die fiir Sehmerz und Beriihrung gleichermaBen darstellbar ist, zeigte bei Reizhaaruntersuchungen neben anderen die beiden Besonderheiten, dab sie 1. auf einer horizontal ver- laufenden Reizlinie sukzessiv fort laufend ausgelSst, nun auch nach ~ber - springen gr5Berer Strecken {8--12 cm) auf der Gegenseite in der Richtung der Reizlinie vorhanden ist, indem sie, wie das damals ausgedrfiekt wurde, den langsam vorriickenden Reizen vorauseil t ; 2. zeigten sich eigenartige Sehwankungen in der GrSBe der Liickenbildungen, d. h. der einzelnen Fehlwerte, bevor man von einer pr~ktisch erreichten Sehwellen- erhShung sprechen konnte. - - Es wurde dieses Schwanken auch als ein Ausdruck, sozusagen als Vorstufe oder Tendenz zur Labilit~t angesehen, ohne dab etwas l ~ he re s dariiber ausgemacht werden konnte.

In der vorliegenden Arbeit soll nun auf Grund weiterer UntersuehungerL n~her auf all diese Einzelheiten eingegangen werden und schlieBlich

1 Mschr. Psychiatr. 84. 2 Sensibilit~t und sensible Vorstellungen bei chronischen Encephalitikern.

Z. Neur. 140, 100 (1932).

Weiteres tiber die pathologischen Funktionen bei Chorea minor. 851

we l te r gegen das Ziel vorger f ick t werden, das ffir d ie e ingesch lagene Be t r ach tungswe i se d a r i n be ruh t , das Wesen der motor i sehen und d e r sens ib len Besonde rhe i t en auch fiir die Chorea begriff l ieh zu vere in igen . D i e h i e r erw/~hnten Befunde bez iehen sich auf zwei (weitere) ge na ue r du rch - u n t e r s u e h t e F~l le y o n Chorea m i n o r im A l t e r y o n 15 bzw. 19 J a h r e n .

Es soll dami~ begonnen werden , dal~ fiir den e inen F a l l die m i t Reiz- h a a r e n gewonnenen Sens ib i l i t s sti~nde z u s a m m e n g e s t e l l t w e r d e n m i t den zur Ze i t jeweils be s t ehenden moto r i s chen (choreat ischen) Ersche i - nungen. D a die Pr f i fungen m i t Be- r i ih rungs re izen im P r inz ip die g le ichen l~esul ta te e rgaben wie die m i t Schmerz- re izung, mSge h ier die W i e d e r g a b e der Befunde ffir d ie l e t z te ren genfigen. Die Tabe l l en bzw. Zusammens$e l lun- gen w u r d e n naeh de r gle ichen Methode gewonnen, wie sie in den f r i iheren A r b e i t e n 1 be re i t s erw/~hnt w u r d e : Der K S r p e r wurde a n 36 Ste l len ~ F e l d e r n u n t e r s u c h t ( m e i s t w u r d e n einige H S h e n ausgelassen) u n d die m i tge t e i l t en W e r t e s ind die D u r c h s c h n i t t s f e h l w e r t e aus 1 0 - - 2 0 E inze l feh lwer ten . (Feh lwer t die Anzah l y o n Re izen bei g le icher Reizs t / i rke , bis Pa t . den Reiz empf in- de t . N o r m a l : F f i r 1 g Sehmerz -Re iz - h a a r e twa 1 ,0 - -1 ,4 je nach den KSr- pers te l len , a n de r gere iz t wird . ) Die A b b . 1 or ien$ier t f iber die L a g e der e inze lnen Fe lde r .

Die Pat. Fr. Tre. war bereits 1/2 gahr vor ihrer letzf~n Aufnahme wegen einer

A b b . 1.

Chorea minor, die sich w~hrend der Behandlung bis zu hef$igsten Jaktationen steigerte, in der Klinik gewesen und geheilt entlassen. Jetzige Aufnahme am 25. 4.32. Seit einigen Wochen seien wieder allm~hlieh leichte Zuekungen aufge~reten.

Untersuchung am 26. 4. 32. Motorische Ersc~inungen. Choreatische Zuckungen yon ganz geringem Aus-

mal~e mit lokomotorischem Effekt nur an den Fingern und Zehen. An den meist betroffenen Absehnitten etwa alle 1--3 Sek. eine choreatische Bewegung. In absteigender Reihenfolge sind betroffen: Gesicht und Hals (reehts mehr als links), Oberbauch; reehte Hand; linke Hand; rechter Full; rechter Oberschenkel; linkes Bein.

Sensibilitdt. Geprtif~ mit 1 g Schmerz. l~tir jedes Feld 20 Einzeluntersuehungen.

1 Z. Neur. 140; Msehr. Psychiatr. 84. Z . f . d . g . N e u t . u . P s y c h . 142. 23

859. Konrad Zucker :

Kopf {

Hals

Rumpf

Beine

Arme

l%echt s ]~Iitte L i n k s

~4 4,1 (.~ 3,0 (~ 3,1

2,9 ~2C0) 3,6 (~ 2,4

1,4 1,7 2,0 2,6

@ 2,2

C~ 3,5 (~ 3,4 @ 2,6 1~ 2,1 @ 2,8 (2~ 2,2

1,2

(~ 3,0 2,4

@ 2,9 ~) 2,2

2,6 (~ 1,8 (~ 1,0

~ ) 2,9 (~ 2,5

2,4 i~ 2,2 @ 2,3 @ 1,8 @ 1,1 @ 1,4 @ 1,7

2,1 1,7

Untersuchung am 3. 5. 32. MotorischeErscheinungen. Gibt an, dab seit gestern die rechte Seite noch mehr zucke. Objektiv. M/~Bige Zurmhme der choreatischen Bewegungen, und zwar in beiden

Oberarmen und am Bauch. Sensibilitgt. Gepriift mit 1 g Schmerz. Ftir jedes Feld 20 Einzelprtifungen.

Rumpf

Armo

R e c h t s l ~ i t t e L i n k s

@ 3,1 @ 3,0 @ 2,6 @s 1,7

4,3 a(~6) 1,7

2,7 @ 2,4 @ 2,7

1,5

(~ 2,3 @ 2,2 @ 3,0 @ 1,5

Uutersuchung am 4. 5 . 3 2 . Motorisches Verhalten. Seit gestern weitere generelle Zunahme

schen Erscheinungen, die jetzt zu lokomotorischen Effekten auch

@ 1,8 @ 2,4

6,3 (~ 2,2 (~ 3,2 (~', 2,1

der choreati- an den Obe:-

armen gefiihrt haben. Sensibilittit. Geprtift mit 1 g Schmerz. Fiir jedes Feld 10 Einzelprtifungen.

Rechts

Ko~ Hals

Rumpf

Oberschenkel Oberarme

@ @

| @ | @

3,4 4,8 3,2 7,1 3,7 2,5 4,4

l~I i t te

3,2 1~_~') 3,5 @ 4,0 @ 3,0

4,1

1,7 1(~ 3,6 (~-') 3,3 @ 3,1

2,6

@ @ @ @ @ | @

L i n k s

2,5 3,7 2,4 3,7 5,3 2,9 3,1

Weiteres fiber die pathologischen Funk$ionen bei Chorea minor. 353

Untersuchu,rt9 am 9. g. 32. Motorische Erscheinungen. WeiSere deutliche Zunahme der choreatischen Be-

wegungen auf der ganzen rechten K6rperMilfle, besonders im ganzen reehton Arm, die gelegentlich sehon zu deutlichem Schleudern der rechten Extremit/~ten und zu leichten WMzbewegungen ffihren. Die Sprache is~ deutlieh etwas ersehwert. Keine sichere Zunahme gegeniiber der letzten Untersuehung an den linken Extremitaten.

Sensibili~t. Geprfift mit 1 g Schmerz. Ffir jedes Feld 10 Einzelpriifungen.

Reehts Mitre Links

Kopf (~) 5,0 Hals (~ 6,3

Rumpf @ 5,8 ~) 5,9

Obersehenkel ~) 5,4

Arme ] (~ 6,1 ! 3@ 7,8

.@ 3,3 @ 4,6 (~ 5,0 @ 4,9 @ 4,5

@ 1,5 @ 4,2 @ 4,0 @ 3,0 (~ 4,5

@ 3,0 ~ ) 2,5 "1@ 2,5 1@ 4,1 @ 3,0 @ 3,7 ~ ) 2,5 @ 4,1

A_m n~chsten Tage erreieh~en die motorischen Erscheinungen generalisiert hoch- gradigen Jaktationseharakter unter Anstieg der Temperatur bis auf 40 ~ Die Pat. muBte etliche Tage unter Dauernarkose gehalten werden.

Seit dem 19.5. un$er Riickgang der Temperatur auch Rfickgang der choreati- sehen Unruhe, bis am 23. 5. nur noch geringe Erseheinungen bestanden.

Untersuchung am 24. 5. 32. Motorische Erscheinungen. Nur noeh ganz geringe choreatische Bewegungen

beiderseits an den Handen (Reehts mehr als Links) nachweisbar. Sen~ibili~t. Gepriif~ mit 1 g Schmerz. Ffir jedes Feld 12 Einzelpriifungen.

Rechts Mitre Links

Kopf @ 1,0 Hals (1~) 1,1

1,1 Rumpf @ 1,1

@ 1,0 Beine ~.~o') 1,1

Arme / ~ 1,1 I 1,5

@ 1,1 1@ 1,0 (~ 1,1 @ 1,0 @ 1,0

@ 1,0 1,1

1@ 1,1 1,0

@ 1,0

(~ 1,2 (~) 1,0 @ 1,0 @ 1,1 ~)1 1,1 @ 1,1 @ 1,1 (~ 1,3

Diese Zusammenstellungen sollten zur Evidenz zeigen, daB der St/~rke der jewefls bes~ehenden motorischen Erscheinungen entsprechend gleich- zeitig deutliche Ab~nderungen auf dem Gebiete der Hautsensibilit/~t be- stehen. Nich~ nur das; wir sehen auch aus den Tabellen, dab dieses

23*

354 Konrad Zucker:

konjugierte Verhalten sogar - - ann~hernd wenigstens - - fiir einzelne Ext remi t~ ten bzw. KSrperabschnit te zutrifft. Dcr Dreizonencharakter, den diese Sensibilit/~tsst6rungen bei mehr halbseitiger Betonung der Er- k rankung zeigen, und fiber den in den friiheren Arbeiten eingehend ge- sprochen wurde, kommt in diesem Falle bei der relativ geringen Seiten- differenz naturgem~G kaum zum Ausdruck. Nur bei der Untersuchung v o m 9 . 5 . 3 2 , wo die rechte KSrperh/~gte einen besonders s tarken Vor- sprung der Erscheinungen bot, l~l~t er sich ffir die Hals- und Rumpf- felder einigermal~en deutlich aufzeigen. Wir glauben also, dab dami t (&hnheh wie frfiher fiir die Encephali t is lethargica) bei der Chorea minor nicht nur zugegeben werden kann, dab auch hier ,,mal Sensibilit/s s tSrungen vorkommen k6nnen", sondern den Beweis erbracht zu haben, dab die Ab~nderungen der Sensibilit/~t ein anderer Ausdruek ffir das Spe- zifisehe des Krankheitsgesehehens bei der Chorea minor sind.

Mit der Feststellung dieser Tatsache ist natfirlich noch nieht viel fiber die eigentliehe Qualit/~t dieser St6rung als pathologische Funktlon gesagt. I n der vorigen Arbeit wurden allerdings sehon einige wiehtige diesbezfigliche Einzelheiten mitgeteilt . Besonders interessant war dabei das unterschiedliche Verhalten der Labilit/s je naeh der Intensit/~t der Erkrankung einerseits und nach der Art der Ausl6sung (enges Areal oder I~eizhnie) andererseits. Das gleiehe Verhalten konnte auch in unseren beiden jetzigen F/~llen wieder konsta t ier t werden. Die Labilit/s wurde zu verschiedenen Zeiten mi t 1 g Schmerz und in einem Areal von 0 ,6qcm untersucht. Dabei wurden die Lficken ( ~ Fehlwerte) zwar allm/s gr6Ber, gingen aber fiber eine bes t immte GrSl3e selbst bei lang ausgedehnten Untersuehungen nicht hinaus. Und diese GrSl~en waren eben offenbar abh~ngig yon der jeweiligen Intensit/~t der zur Zeit bestehenden Krankheitserseheinungen. So betrugen bei solchen Labili- t/~tsuntersuchungen in verschiedenen Feldern der rechten Seite die maximal (bei jedem Male mehrfach) erreichten Fehlwerte in dem Falle, dessen Ergebnisse wir oben zusammenstel l ten: Am 26. April zwisehen 5 und 7; am 3. Mai zwisehen 6 und 13; am 4. Mai zwischen 17 und 35; a m 9. Mai zwischen 29 und 40, und bei nahezu erreichter Heflung a m 24. Mai zwischen 3 und 5. (Es wurde bereits frfiher auseinander- gesetzt, dal~ der Begrifi der Labflit/~t ein relat iver sein kann, je naeh- dem, bei welchem Fehlwert man sie als erreieht ansehen will.)

E twas anders liegt der Fall allerdings bei der Chorea ffir die Labilit/~t, die auf einer horizontalen Linie mi t fort laufenden geizen in Abst~nden yon 1/2--1 rnm auszul6sen ist und die dann aueh naeh ]~berspringen yon e twa 10--12 cm sogar auf der Gegenseite besteht. Diese Art, die Labil i t~t auszul6sen, gelang im obigen Falle erst a m 9. Mai also bei sehon reeht erhebliehem Grade der ehoreatischen Erscheinungen. (Auf dem H6he- punk t der Erkrankung war die Pat . nieht zu untersuehen.) Ein Beispiel daffir wird unten gegeben werden. Diese Art der Irradiierung der Labilit/s

Weiteres fiber die pathologischen l~unktionen bei Chorea minor. 355

scheint demnach abh~ngig zu sein v o n d e r Ar t ihrer Ausl5sung. Denn die Irradiierung, die man findet, wenn man l~ngere Zeit auf engbegrenzten Arealen (0,6--2 qcm) reizt, betriff~ ein Gebiet yon Ellipsenform mi t ziemlich schaffer Grenze. Beispiel: Am 4. Mai wurde in ~ mi t 2 g Sehmerz in einem Areal yon anfangs 1 qcm und spi~ter 2 qem solange gereizt, bis die Fehlwerte zuletzt (nach 300 Einzelreizen) betrugen: 35 , 23, 18, 32. Die soweit erreiehte Labili t~t zeigte eine I r radia t ion auf ein Areal mi t den Durehmessern ~ : 8 cm und ~ : 6 em. Die schr~gen Durchmesser betrugen 7 cm. Nachdem das Areal genauer umgrenzt war, wurde e~wa 2 - -3 m m innerhalb dieser Grenze rundherum weiter- gepriift, wobei die Fehlwerte betrugen: 18, 10, 7, 18, 12, 12, 18, 22, 12, 15, 16. Schon 8/4 em aul~erhalb dieser Grenze be~rugen die Fehlwerte (wieder rundherum gepriift) nur zwischen 1 und 4; das entsprach den Verh~lt- nissen, wie sie vor der Labilit~tspriifung in ~ mi t 2 g gefunden wurden.

Aber auch mi t diesen beiden Formen der Tendenz zur Labil i ts ist das Besondere, das die choreatische Sensibilit~tsst6rung bietet, nicht ersch6pft. Schon in der vorigen Arbeit wurde das eigenartige Schwanken erwi~hnt, welches sieh manchmal in einem starken Wechsel der Fehl- werte zeigte, bevor die Labiliti~t als erreicht angesehen wurde. Beim gen~ueren, gerade hierauf gerichteten Studium zeigte es sich nun, da~ diesem Wechsel in der Gr6l~e der Fehlwerte ein Vorgang zugrunde liegt, der doch nichts mi t einer sich entwickelnden Labilit/~t zu tun hat , viel- mehr ganz unabh~ngig yon ihr betrachtet werden kann und der im Gegen- teil dutch eine eintretende Labili t~t in seiner vollen Klarhei t verdeekt werden kann. Da, w o e s gelingt, diesen Vorgang deutlich zu erfassen, bietet er sich der Untersuehung in Form zweier Phasen: einer meist langsameren, ansteigenden und einer meist schnelleren, abfallenden. Wi~hrend der einen sieht man bei fortlaufender Reizhaarprtifung, da~ die Fehlwerte an GrS~e mehr oder weniger bald zunehmen bis zu einem (je naeh Umst~nden versehieden gro~en) Maximum, um dann in der zweiten Phase meist plStzlich oder doch schneller als der Anstieg erfolgte, wieder auf einen kleinen bzw. normalen Wert abzusinken. Darauf wieder- holt sich das Ganze, meist, nachdem noch weitere kleine oder normale Werte gefunden wurden.

Beispiele fiir einen solehen idealtypischen Verlauf: I n ~ gereizt alle 1--11/~ Sek. mi t l g ; Areal ~ 4 qcm: 2, 3, 15, 1, 1, 3, l l , 1, 4, 7, 1, 1, 1, 1, 1 ,2 , 7, 1, 2, 10, 1. O d e r i n ~ e b e n f a l l s m i t l g : 3 , 3, 4, 7, 17, 4, 6, 9, 10, 1, 2, 6, 1, 10, 2, 4, 8, 1, 6, 1, 2, 6, 6, 1, 3, 3, 10, 3, 7, 2, l , 1, 2, 1.

Nun sind solche deutliehen Verl~ufe der Phasen keineswegs immer darstellbar. Was i iberhaupt die Aufmerksamkei t auf sie lenkte, war das auffallend h~ufige Vorkommen sehr tiefer oder normaler Werte neben sehr hohen Fehlwerten, innerhalb von Gebieten, die doch schon soweit al ter iert waren, da~ sie bei fortgesetzter Reizung labil wurden. Und dabei war einmal die Differenz zwischen den tiefen und hohen

856 Konrad Zucker:

Wer ten , und zum andern die relative H~ufigkei t der t iefen Wer te der- ar t , dab das Gesamtbi ld solcher Reihen weir auBerhalb der M6glichkeit einer Zufallsstreuung fiel. Solange die chorea t i schen Gesamterschei- nungen in einem Falle noch geringe sind, solange also in einem t t au t - felde Fehlwerte fiber 5 oder 6 noeh nieht v o r k o m m e n , wird man einen solchen Phasenver lauf nicht aufdeeken k6nnen, weil er sich dann noch durchaus innerhalb des Rahmens der Zufal lss t reuung bewegt, wie etwa im folgenden Beispiel: (~ gereizt mi t 1 g Areal ~ 4 qcm : 3, 3, 2, 1, 5, 2, 1, 3, 6, 1, 1, 4, 3, 4, 6, 1, 1, 1, 3, 1, 5, 1, 2, 1, 1, 1, 2, 1, 3, 1, 4, 1, 4, 1, 6, 1, 4, 2, 1, 1; obwohl hier gegen E n d e der Reihe das gerade erfaBte Abweehseln yon 1 und hSheren Wer t en z u m mindes ten bemerkenswer t erseheinen mfiBte. Aber sehon eine Reihe wie die folgende, die in ( ~ mi t 4 g ausgereizt wttrde (Areal ~ 4 qem) : 1, 1, 1, 1, 1, 6, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 3, 1, 1, k a n n k a u m mehr innerhalb der Zufal lss t reuung liegen. I s t bei st/~rkeren ehoreatisehen Gesamtersehe inungen dieser phasen- ar t ige Wechsel offenbar sehon deutl ieh vo rhanden , dann besteht die Gefahr seiner Verdeekung in der bald e in t re tenden Labilit/~t bzw. der Tendenz dazu, die - - wie erw~hnt - - dar in bes teht , dab die Fehlwerte mehr und mehr an GrSBe zunehmen. Hier werden dann vielfaeh die t iefen Wer te der absteigenden Phase sozusagen y o n der sieh entwiekeln- den Labilit/~t ~bgefangen. I m Prinzip ist al lerdings dann aueh noch ein phasenhaf tes Schwanken zu erkennen.

Beispiel: Gereizt mit 1 g in ~ ; Areal ~ 1 qcm. Zu Anfang: 2, 4, 5, 1, 7, 4, 1, 1, 5, 6, 9, 1, 7, 10, 1, 5, 9, 18, 3, 1 . . . . . Am Ende 7, 7, 13, 3, 5, 11, 11, 8, 15, 1, 20, 4, 5, 13, 2, 3, 12, 17, 3, 12, 5, 11, 8, 2, 18, 1, 18. Oft kommen gar keine tieferen Werte mehr vor wie in folgender Reihe, die in (~) mit 2 g in einem Areal yon 1 qcm ge- funden wurde; am Ende: 4, 7, 17, 17, 24, 10, 7, 10, 14, 16, 17, 8, 4, 6, 14, 16, 20, 10.

F,s ist also ffir die Darstel lung dieser Ersehe inung Bedingung, dab m a n in einem grSBeren Areale untersucht . ] ) a n n b e k o m m t m a n den oben mitgetef l ten l~eihen entspreehende Ergebnisse. Aus solehen Ver- suchen ist dann aueh zu ersehen, dab diese Sehwankungen sich im selben Zei tabsehni t t gleiehsinnig attf gr6Bere Gebiete erstreeken.

Beispieh Es wird auf der Brust in den Feldem ~ ) -4- ~ mit 2 g geprtift. Die einzelnen Reize liegen meist 1--2 cm auseinander. Jedesmal aber, sobald ein Fehlwert tiber 4 erreicht ist, wird der n~chste l~eiz entweder in einem Abstand yon mindestens 8 cm vom letzten gesetzt oder es wird sogar auf der Gegenseite mit der Prfifung fortgefahren. ( I ~ Abstand yon mindestens 8 cm auf der gleichen Seite; • = ~bergehen auf die Gegenseite.) 5; t 1, 7; t 1, 2, 8; • 2, 5;11 , 1, 5; • 1, 15;I 1, 1, 1 ,4 ,2 , 1 ,8 ; • 1, 1,13; • 1 , 1 , 1 , 2 , 2 , 5 ; [ 4 , 1 , 1 , 1 , 8 ; • 1,9;I 1,1,2,4, 11; • 1 ,8; • 1, 1, 1, 4, 1, 5; [2, 1, 1, 1, 2, 5; • 7; 12, 7; x 1, 1, 11;I 1.

l~atfirlieh lieB es sieh nieht vorhersagen, welcher Wer t das jeweilige M a x i m u m der Ampl i tude sein werde; und so sehen wir denn auch, daft an zwei Stellen bereits der Wer t 4 die HShe darstel l te und ein Absinken vor dem beabsieht igten Weehsel e in t ra t ; u n d einmal war mi t 5 die H6he noch nicht erreicht, und die Phase stieg nach dem Wechsel auf der

Weiteres fiber die pathologischen Funktionen bei Chorea minor. 357

Gegense i te noch bis 7 an . I m i ibr igen abe r s ieht man , dal3 m i t e ine r A u s n a h m e au f j eden jewefls grSBten F e h l w e r t sofort e in W e r t y o n 2, me i s t sogar yon 1 erfolgt .

Anfangs wurden in solehen Versuchen alle Einzelre ize in A b s t ~ n d e n von mindes t ens 1 cm v o n e i n a n d e r gesetz t , e inmal , u m d e m E i n w a n d e iner S u m m a t i o n s w i r k u n g als E r k l s fiir den P h a s e n v e r l a u f zu en t - gegnen u n d dann , u m - - wie e rw~hnt - - d ie E n t w i c k l u n g e iner L a b i l i t ~ t zu ve rme iden , die die R e s u l t a t e t r i i ben konnte . Spa re r w u r d e n L a b i l i - t ~ t s u n t e r s u c h u n g e n auf ho r i zon t a l e r Reizl inie vo rge nomme n , a u f de r die Einze l re ize jeweils nu r u m 1/2--1 m m vone inander e n t f e r n t l agen . U n d bei dieser A r t ihrer Aus lSsung zeigte es sich, da~ die Vor s i eh t ihr gegeni iber bis zu e inem gewissen G r a d e unnSt ig war. I n so lchen Ver- suchen s ieh t m a n in / iberaus k l a re r F o r m , wie die an fangs n i c h t s eh r grol~en s p o n t a n e n S c h w a n k u n g e n a l lm~hl ich grSl~ere A m p l i t u d e n be- k o m m e n , ganz of fenbar u n t e r d e m EinfluB, der sich z u n e h m e n d g e l t e n d m a c h e n d e n Lab i l i t~ t . Sie t r e i b t die F e h l w e r t e in die HShe, k a n n a b e r eine Ze i t l ang die zur N o r m abfa l l ende Phase mi t den t i e fen W e r t e n noch n i ch t ve rh indern . S o b a l d m a n abe r d a n n die l inke, wen ige r be- t rof fene K S r p e r s e i t e verls u m nach ~]berspr ingen von 10 c m a u f de r r ech ten Sei te die Reiz l in ie we i t e r zu verfolgen, so f inder m a n d o r t e ine bere i t s we i t e r vo rgesch r i t t ene L a b i l i t ~ t vor , u n d u n t e r f a s t nu r h o h e n F e h l w e r t e n i s t yon den S e h w a n k u n g e n wenig mehr zu sehen. Es w u r d e in de r vo r igen A r b e i t d a r a u f h ingewiesen, daB, wenn m a n m i t e i n e r ho r i zon ta l en Reiz l in ie v o n d e r weniger be t roffenen zur s t a r k e r geseh~- d ig t en K S r p e r s e i t e her f ibergeht , d ie Lab i l i t s sozusagen au f e in , ,Gef~l le" ger~t. So m a c h t sie sich auf der l e tz te ren als i r r ad f i e r t e L a b i l i t s schon s t a r k e r b e m e r k b a r , bevor m a n mi t den R e i z e n se lbs t die Mi t te l l in ie e r re ich t ha t . (Wir werden sparer N~heres d a r i i b e r er- fahren. ) P r i l f t m a n a b e r bei so e r r e i ch tem Zus t ande au f de r s t a r k e r be t ro f fenen Sei te e twa 4 cm ober- oder un t e rha lb de r be re i t s l ab i l en Zone pa ra l l e l zu dieser , d a n n f inder m a n nur geringe F e h l w e r t e u n d v o r a l l em wieder d ie d u r c h ke ine L a b i l i t ~ t ge t r i ib ten s p o n t a n e n Sc hw a n- kungen . Das fo lgende P r o t o k o l l soll das Gesagte i l lus t r ieren.

Versuch am 9. Mai. Pat. Tre. In der HShe yon D 8 wird auf der Haut yon der linken bis zur r~chten Axillarlinie eine etwa dem Segmentverlauf entsprechende Linie gezogen. Auf ihr wird yon links nach rechts zu in Abst~nden yon 1/2--1 mm mit 2 g Schmerz in wechselnden Zeitabst~nden yon 1--2 Sek. gereizt mit fol- genden Ergebnissen: 1, 2, 3, 1, 1, 6, 5, 1, 2, 3, 2, 2, 8, 1, 6, 1, 4, 4, 1, 1, 3, 10, 1, 5, 6, 5, 8, l l , 1, 7, 1, l , 5, 8, 12, 1, 1, 3, 9, l , 9, 1, 2, 8, 1, 10, 1, 5, 17, 18, 9, 1, l , 15. Mitre erreicht. Nun werden 10 em auf der Linie nach rechts zu iiberspIungen und dann beliebig hin und her in Abstanden von 1--2 cm auf der Linie welter gereizt mit dem Ergebnis: l l , 16, 12, 13, 21, 19. Dann wird parallel zur Reizlinie, 4 cm oberhaib in gleicher Weise gepriift: 4, 5, 6, 1, 1, 4, 1, 1, 6. Darauf dasselbe 4 cm unterhalb der Reizlinie: 2, 2, 5, l , 3, 3, 4, 1, l , 1, 6, 1. Zur Kontrolle wird nun nochmals auf die alte Reizlinie (immer auf der rechten Seite) zuriickgegangen mit den Resultaten: 9, 16, 15, 2, 6, 39, 29.

858 Konrad Zucker:

Aus den beiden letzten Versuchen sehen wir also, da~ dieser in Phasen verlaufende Vorgang des Sensibiliti~tsverhaltens und die Labil i t~t zwei voneinander unabhs Funkt ionen sind, die sich nur im Effekt gegenseitig verschieden iiberdecken k6nnen, bis schlie61ich in Gebieten, die sti~rker zur Labili ts neigen, letztere das Bild beherrscht. Ws nun der Labilit~t ein Vorgang zugrunde liegt, d e r n u r durch Beanspru- chung eines Hautgebietes in Erscheinung t r i t t und aufgedeckt werden karm, haben w i r e s bei der Phasenfunkt ion mi t einem solchen zu tun, der oifensichtlich unabh~ngig yon einer Beanspruchung verl~uft, was besonders der vorletzte Versuch auch zu zeigen hat te . Es ist wichtig, sich das klar zu machen, allein deshalb schon, um den Untersuchungs- protokollen, die auf diesen Vorgang gerichtet sind, das volle Verst~ndnis entgegenzubringen: L~uft n~mlich dieser Vorgang mi t seinen Schwan- kungen unabhgngig yon unseren Reizpriifungen ab, so kann es gar nicht anders sein, als da6 wir nicht gerade immer das Culmen oder den Tief- punk t einer Amplitude fassen. Dadurch erkli~rt sich schon der hs nicht idealtypische Verlauf unserer Protokolle. Demgegeniiber ist viel- leicht yon geringerer Bedeutung der Fak to r der immer bestehenden Zufallsstreuung, d . h . da6 man wi~hrend des Anstieges in Richtung grSl~erer Fehlwerte, an Stelle eines solchen zuf~llig schon beim ersten oder zweiten Reiz einen erregbaren Punk t bekommt , wodurch die Fehl- werte fiberhaupt ung le i chm~ig erscheinen.

Man wird hier fragen: I s t denn die Annahme oder Aufzeigung dieses phasenhaften Schwankens als ein Charakter is t ikum ffir die choreatische Sensibilit/~tsstSrung lediglich gegriindet auf solche Protokolle wie die mitgeteilten, die doch - - wie zugegeben wurde - - diesen Vorgang noch nicht einmal immer typisch wiedergeben kSnnen ? Und ferner: Zeigen sich bei dieser Art der Untersuchung und Protokollierung ~hnliche Schwankungen nicht auch bei anderen Formen gest5rter Sensibilitat ? Derart ige Untersuchungen, die in grSfleren AreaIen bei anderen Sen- sibiliti~tsstSrungen vorgenommen wurden, konnten Schwankungen der Fehlwerte auBerhalb des Rahmens der Zufallsstreuung nicht feststellenL Bei Priifungen im engen Areal (0,6--2 qcm) kann es bei alien mSglichen Formen der Sensibilit/~tsstSrungen zu einem rnehr oder weniger raschen und verschieden hohen Anstieg der Fehlwerte kommen, woriiber be- reits in der vorigen Arbeit gesprochen und Beispiele gegeben wurden. Ein solcher Anstieg kann (je nach der Art der StSrung) zu einer prak- tisch erreichten Labiht~t werden, er kann aber auch (bei wieder anderen StSrungen) nur bis zu einer bes t immten HShe gelangeu und dann eine gewisse Konstanz bewahren. Das hangt aber, abgesehen yore Sitz der Schiidigung, ferner noch von deren Intensi t~t ab und kann im gleichen Falle ffir Schmerz und Beriihrung auch noch verschieden sein. In den

1 Mit bislang einer Ausnahme, einer links % rechts bestehenden Hypasthesie unklarer cerebraler Genese.

Weiteres fiber die pathologischen Funktionen bei Chorea minor. 359

F/~llen (spinalen oder corticalen), bei denen es bei lange ausgedehnten Reizuntersuchungen im engen Areal zu einem allm~hhehen Anstieg der Fehlwerte, nicht aber zu einer roll erreichten SchwellenerhShung kommt , zeigen sich vielfach auf der einmal erreichten H6he keine wesentlichen (d. h. auBerhalb der Zufallsstreuung fallenden) Schwankungen mehr : z. B. Fall einer corticalen (Trauma) Sensibiht/itsstSrung, Feld @, Areal = 1/2 qcm, gepriift mi t Sp. 7,5. Die ersten 10 Gheder der 50gliedrigen Reihe lauten: 2, 4, 1, 5, 9, 15, 10, 20, 24, 20. Die letzten 10 Glieder: 47, 11, 41, 17, 29, 35, 46, 24, 10, 17. Oder Fall einer Tabes, Feld @ , Areal = 1/2 qem, gereizt mit 1 g Schmerz. Die ersten 10 Glieder der 68gliedrigen Reihe lauten: 4, 3, 4, 3, 6, 3, 5, 5, 4, 3; die letzten 10 Glieder 17, 7, 8, 32, 7, 18, 6, 12, 19, 14. Andererseits aber kommt es unter sonst gleichen Bedingungen, d. h. ohne dab etwas Typisches ftir den Befund zur Zeit schon gesagt werden k6nnte, auch zu einem deutlichen Schwanken innerh~lb der so gewonnenen Fehlwertreihen. Doch diese Schwankungen, die aber, wie gesagt, aueh nut bei Reizungen im engen Areal gefunden wurden, sind im Gegensatz zu denen bei der Chorea augerdem noeh /~uBerst langphasig. Beispiele: Fall einer Radialisverletzung; lX/2 Jahre nach Nervennaht , gepr/ift mit 4 g Sehmerz mit ten im Defekt. Areal = 1/2 qem. Aus der Mitre der 85gliedrigen Reihe: 33, 14, 16, 6, 2, 1, 3, 3, 2, 2, 1, 3, 1, 3, 3, 2, 7, 4, 13, 17, 5, 5, 1, 1, 1, 1, 4, 3, 3, 4, 1, 5, 32, 6, 25, 10, 39, 15, 7, 8, 2, 3.

Fall: Tabes; Feld @, gereizt mit Sp. 7,5, Areal = 3 qmm. Ende einer 180gliedrigen Reihe: 3, 4, 5, 2, 4, 3, 2, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 1, 2, 7, 9, 4, 3, 2, 2, 2, 3, 5, 4, 2, 6, 5, 6, 2, 1, 1, 1, 1, 2, 1.

Fall einer t raumatischen corticalen Sensibilit/itsst6rung: Feld @ ; Areal = 4 q m m , gepriift mit 2 g Schmerz: 13, 19, 30, 17, 3, 3, 3, 1, 1, 2, 2, 2, 2, 1, 2, 2, 2, 2, 12, 39, 17, 20, 47.

Ganz offenbar handel t es sich in solchen F/~llen, deren Reihen viel- fach mit den tieferen Werten beginnen, um dann nach allm/~hlichem Anstieg wieder einen ebenso allm/ihlichen Abfall der Fehlwerte und evtl. s. f. zu zeigen, urn etwas prinzipiell anderes als bei den kurzen Phasen der Chorea, deren Charakteristikum in dem fast regelm/~Bigen pl6tzlichen Riickgang zu normalen Werten nach einem meist etwas langsameren Anstieg der Fehlwerte besteht. ])as zeigt uns, dab diese langphasigen Schwankungen bei den letzterw/ihnten und ihnen ent- sprechenden F/~llen direk$ abh/~ngig sind yon dem Vorgang, der zur Labilit/~t fiihrt. Man kann sie also auffassen als ein Schwanken inner- halb des Labiliti~tsvorganges selber. Das besti~tigen auch solche Fi~lle, in denen es nach welter ausgedehnten Prfifungen unter /thnlichem Auf und Nieder dann doch schlieBlich zu einer Schwellenerh6hung kommt. Fiir den Phasenverlauf aber bei der Chorea stellten wir bereits seine Unabh/~ngigkeit vom Labilit/itsvorgange fest.

860 Konrad Zucker:

Fiir das eben Auseinandergesetzte li~flt sich auch noch ein indirekter Beweis erbringen: Bei der Methode, mit der die Durchschnittswerte gefunden wurden, die sich in den oben wiedergegebenen Tabellen linden, werden die 36 KSrperfelder der Reihe nach j eweils nur einmal geprii~t. D. h. es wird immer nur ein Wert (Fehlwert) bestimmt. Dann erst beginnt ein neuer Turnus, der ira ganzen 10--20real wiederholt wird. Auf diese Weise wird in jedem einzelnen Felde in Abst/inden yon 2 bis mehreren Minuten gereizt. Dabei wird jede Neigung zum Labilwerden weitgehend vermieden. Man sollte nun erwarten, dab in Fallen mit irgendwie beding~en geringgradigen SensibilitiitsstSrungen die so ge- wonnenen Einzelfehlwerte alle ziemlich dicht beieinander liegen, d. h. keine gr61~ere Streuung zeigen. Eine solche Annahme hat natiirlich zur Voraussetzung, dal~ der Zustand der Sensibiliti~t (oder der Grad des Ausfalles) ceteris paribus w/~hrend der Untersuchung eine gewisse Konstanz bewahrt. Bei den meisten anderen Sensibiht~tsst6rungen lehren die Befunde, die mit der eben erw/s Methode gewonnen wurden, dab diese Annahme auch wohl mehr oder weniger zutrifft. Z. ]3. :

Fall: Tabes; Feld @, mit 1/2 g Schmerz: 9, 3, 8, 4, 4, 5, 5, 4, 6, 4, 4. Oder Fall: Corticale Hypi~sthesie; Feld (~, mit Sp. 3: 27, 17, 10,

21, 25, 9, 29, 11, 21, 15. Oder l~all: Sclerosis multiplex; Feld ~ , mit 1 g Sehmerz: 3, 1,

3, 2, 1, 5, 1, 5, 2, 1. Bei der Chorea ist das scheinbar, solange die Krankheitserschei-

nungen noch nicht erheblich sind, ebenfalls so. Allerdings nur schein- bar, denn bei stiirkeren Graden der St6rung finder sich die auffallende Tatsache, dab die Einzelwerte eine so erhebliche ])ifferenz (d. h. Streuung) aufweisen, dab ein Zufall als Erkl~rung auBer Frage steht. Z. ]3. bei der Pat . , deren Befunde oben mitgeteilt wurden (vgl. die Tabelle).

Am 3. Mai: Feld ~), 4, 2, 4, 2, 10, 1, 2, 3, 3, 8, 5, 8, 2, 4, 5, 1, 1, 8, 11, 1. Am 4. Mai: Feld 1~, 4, 7, 2, 4, 1, 1, 3, 12, 1, 5. Am 9. Mai: Feld @), 1, 9, 8, 15, 1, 1, 15, 7, 3, 1. Bei solchen Befunden kSnnen spontane Schwankungen des Sensi-

bilit/~ts-,,Niveaus", und zwar unabhangig von jeder durch Beanspruchung hervorgerufenen Labilitatstendenz, nicht in Abrede gestellt werden. Die Erw/~hnung der Durchschnittsfehlwerte in den obigen Zusammen- steilungen bekommt durch diese Erkenntnis natiirlich einen etwas be- schr/~nkten Wert. Das hat seine Begrtindung in der Tatsache, dab man von einem Zustand noch nicht auf das Wesen der Funkt ion schlieBen kann. Immerhin bleibt sie yon orientierender Bedeutung, insofern sie uns doch zeigen konnte, dab mit der jeweiligen Starke der motorischen Erscheinungen eine genau entsprechende Alteration auf den sensiblen Gebieten einhergeht. AuBerdem b/iBen diese Werte ja erst bei st/~rkeren Graden der Erkrankung, d. h. bei hSheren Amplituden der Schwan- kungen sensibler Funktionen an Genauigkeit ein.

Weiteres tiber die pathologischen Funktionen bei Chorea minor. 361

Ffir das Verhalten der Gelenksensibiliti~t wurden eberdalls 1/inger ausgedehnte Untersuchungen angestellt. Diese k5nnen eigentlich nicht vorgenommen werden, solange .die motorischen Erscheinungen noch derartig sind, dab sie die ann/~hernd exakte Durchfiihrung nicht nur erschweren, sondern den Weft fortlaufender Ergebnisse illusorisch machen. So wurden diese Versuche erst dann angest611t, nachdem die choreatischen Zuckungen schon so weitgehend abgeklungen waren, dab sie nur noch gering in den H/~nden bestanden. Untersucht wurden beide Male die Verh/~ltnisse im Ellenbogengelenk : Unterarm und Hand wurden durch Wickeln an eine Schiene, deren Verl/~ngerung als Zeiger diente, fixiert. Die Exkursionen, die bei immer gleich langsamer Winkel- geschwindigkeit vorgenommen wurden, wurden auf einer Winkelgrad- skala abgelesen, der die Schiene als Radius entsprach. Die unter gleichen Bedingungen am ~Tormalen vorgenommenen Untersuchungen ergaben, daB, selbst bci ausgedehnten Priifungen (d. h. 80--90 Einzelwerte) die Genauigkeit zwischen 1/2 bis maximal 2 Grad lag. Bei den Chorea- fallen, deren Ergebnisse erst nach 1/~ngeren ~bungen bewertet wurden, schwankten die Einzelwerte in dem einen Falle zwischen 20 und 140 am rechten Arm, und am linken zwischen 1 ~ und 12~ im anderen Falle beiderseits zwischen 1 ~ und 7 ~ In beiden FMlen waren die tieferen ( z besseren) Werte, d. h. im ersten Falle die zwischen 1 ~ 40 und im zweiten zwischen 1 ~ und 2 ~ die h/~ufigeren, andererseits aber lagen die h6heren Fehlwerte meist dicht beieinander. Ein allm/~hliches Ansteigen der Fehlwerte etwa im Sinne einer Ermiidung, war in beiden F/~llen nicht zu beobachten. Wenn nun auch in diesen Versuchen nicht durch- gehends yon einem allm/~hlichen Zunehmen und schnellerem Abnehmen der Fehlwerte gesprochen werden kann, was bei dem g/~nzlich anderen Verhi~ltnis yon Untersuchungssubstrat zu Anordnung aueh nicht anders erwartet werden daft, so muB doch als wichtig die Tatsache fest- gehalten werden, dab neben normalen oder fast normalen Werten, h6u/ig extrem hohe Fehlwerte vorkommen, wie sie an sich und vor allem in diesem Wechsel weder im Bereiche des Normalen vorkommen, noch ffir einen gleichmis herabgesetzten Sensibilit/itszustand sprechen.

Beispiele: 1. Fall: Linker Arm (t ~ Bewegung nach oben; 4 nach unten). . . . . . 2o~'; 1~ 2~ 1~ 8~ 504; 3~ 5~ 404; 7~ 2~ l~ . . . 1~ 204; 2~ 60r 4~ 13o~ '.

2. Fall: Linker Arm (alle snach oben) : 1 ~ 3 ~ 2 ~ 2~ 4 ~ 2 ~ 3 ~ 5 ~ 1 ~ 7 ~ 1 ~ 2 ~ 1 ~ 1 o, 1 ~ 3 ~ 30 , 1 ~ 50 , 1 o, 1 o.

I)iese Ergebnisse erhalten ihre voile Bedeutung, wenn man bedenkt, dab sie bei bereits stark im Abklingen begri/fenen Krankheitserschei- nungen gewonnen wurden. (Ergebnisse yon in etwas friiherem Stadium angestellten Versuchen, in denen die Werte zwisehen 2 o und 34 o sehwankten, sollen hier wegen damals noch gering bestehenden Zuk- kungen im Ober-" bzw. Unterarm nicht als unbeding~ fests~ehend an- gesehen werden.)

362 Konrad Zucker:

Nach diesen Fests~ellungen werden wir nun weiter zu fragen haben, ob und wie wir diese Schwankungen noch weiter charakterisieren k6nnen ?

Bislang k6nnen wir als sicher annehmen, dal3 es sich dabei um einen dauernden Wechsel yon Zus~nden handelt , in denen die Hau t oder das Gelenk ffir unsere angewandten Reize mal weniger, mal mehr erregbar sind 1. Die Zunahme der krankhaf ten Erscheinungen scheint sich dabei darin zu spiegeln, dal~ die Ampli tuden dieser Schwankungen h6here werden, nicht aber auch darin, da~ e twa das Normalniveau gar nich~ mehr in diesem Wechsel erreicht wird. Denn, soweit fiberhaupt unter- sucht werden konnte, immer fanden sich dabei noch ziemlich hi~ufige normale Werte ( ~ 1) und oft mehrere hintereinander , selbst in den am st~rksten betroffenen Gebieten. Wir k6nnen also nicht von einer Hyp~sthesie und auch nioht von einer eigentlichen Rarefizierung sprechen, worunter wir Zustgnde verstehen, w/~hrend das Wesen der vorliegenden St6rung nur mit einem Funktionsbegriff n~her bes t immt werden k6nnte.

Worfiber wir mi~ unserer Methode zu untersuchen, nichts aussagen kSnnen, das sind Fragen nach der Frequenz und besonders nach der ns Art des Verlaufes, ob gleichms oder in welcher Form ungleich- m~]ig. Hier[iir ks andere Methoden in Frage, wie etwa die einer l~ngerdauernden Faradisation einer begrenzten Hautstel le oder mehrerer zugleich, und zwar mit verschieden schwachen Str6men und vor allem bei verschiedenen Graden der k rankhaf ten Erscheinungen. Bislang liegen dafiir nur einige Versuche an einem Choreafalle mit nur noch ge- ringen Erscheinungen vor, die ftir diesen aber einwandfrei ergeben, da[3 ein deutlich ffihlbarer faradischer Strom, der auch zu Muskelkontrak- t ionen fiihrte, jeweils nach Zeiten von 30--120 Sek. fiir 5- -18 Sek. sicherlich nicht gefiihlt wurde, um dann pl6tzlich wieder so deutlich wie zuvor emp~unden zu werden. Kontrol luntersuchungen an drei Normalen und im Selbstversuch unter gleichen Bedingungen ergaben, dab w~hrend der Versuche (5--8 Min.) keinerlei Anderungen in der Deutlichkeit der St romempfindung auftra~. Andererseits zeigten Versuche, in denen gleichzeitig zwei korrespondierende Hauts te l len (Unterarm) rechts und finks bei der Chorea untersucht wurden, dal3 die Zeiten des Nichtemp- findens fiir die beiden Seiten nicht zusammenfielen, und dal3 ein Wechsel attf der etwas sti~rker betroffenen Seite h~ufiger, und die Pausen l~nger waren als aug der Gegenseite. Da aber diese Versuche mit mancherlei Ab~nderungen, und zwar an mehreren Fi~llen, erst durchgefiihrt werden miissen, ehe damit Abschlie~endes zu sagen ist, so soll zur Zeit darauf nicht weiter eingegangen werden.

Es w/~re je tzt noch weiteres fiber die Labilit~it zu sagen. Unter Labiliti~t wird bekanntlich die Tatsache vers tanden, dab die anf~nglich

1 Auf die Sinnespunkttheorie soll hier nicht eingegangen werden. Die hier mitget~ilten Versuche, die ja eigentlich fiir andere Zwecke vorgenommen wurden, sind dafiir nicht geeignet.

Weiteres fiber die pathologischen Funktionen bei Chorea minor. 363

bes~hende Reizschwelle f/ir afferente Funktionen bei Be~nspruchung yon mehr oder weniger l~ngerer Dauer nicht aufrechterhalten wird, sondern steigt. Es lassen sich aber auf Beobachtungen fuBende Griinde beibringen, dab der so definierte Begriff, wie gesagt, ein relativer ist. Auch lehren Untersuchungen, dab ein allms Zu- und Abnehmen der Fehlwerte stattfinden kann, bevor es zu solchen hohen Fehlwerten kommt, die praktisch einer SchwellenerhShung gleichen. Dieser ver- schiedenartige Verlauf der sich entwickelnden SchwellenerhShung scheint aber nicht eharakteristisch ffir eine bestimmte Form der Erkrankung. Nun ist der Begriff der Labiht~t untrennbar verknfipft mit dem der Beanspruchung. Und in der Beobaehtung dieses Verh~ltnisses yon Sehwellenerh6hung bzw. deren Vorstufen in Gestalt gr6Ber werdender Fehlwerte zur Art der sie ausl6senden Beanspruchung ist die MSglich- keit gegeben, evtl. verschiedene Formen der Labilit~t zu unterscheiden und sie in charakteristische Beziehung zu bestimmte~L Erl~'a~kungs- formen zu bringen.

Eine bei anderen Erkrankungen bisher nieht beobachtete Art der Ausl6sung der Schwellenerh5hung mit hSchstwahrscheinlich aueh spezi- fischer Form der Irradiation wurde bereits bier und in der vorigen Arbeit beschrieben. Es soll nun noch eine weitere Form crwKhnt werden, die sich in etliehen Versuchen bei beiden Choreafi~llen bei Schmerz- und Beriihrungsreizen land. Sie besteht in dem Irradiieren der au/kommenden Labilitiit au/ die lcorrespondierende Hautstelle der Gegenseite; w/~hrend dazwischen-, dariiber- und darunterliegende Partien davon verschont bleiben. Die Befunde bei der ersten Patientin stammen aus der Zeit eines m/~Bigen Rezidivs, die des zweiten Falles aus der Zeit weitgehender Remission. Die ersteren sind um so interessanter, als sie Zufallsbefunde darstellen, d . h . sie wurden seinerzeit noch gar nicht zu dem Zwecke unternommen, zu dem sie jetzt Verwendung finden, sondern nur, um den Stand der derzeitigen Labilit/~tsneigung an verschiedenen Tagen und in den verschiedenen Feldern festzustellen, wobei sich eben diese auf- fallende Tatsache land, ffir die hier einige Beispiele dienen mSgen. Die mitgeteilten Durchschnittswerte beziehen sich auf 20--30 Einzelwerte.

Beispiele ffir das Labilit/~tsverhalten in symmetrisch sich entsprechen- den Hautgebieten

Areal stets = 1 qcm. Fall 1. Priifung mit 1 g Schmerz.

Zustand vor der Labilit~tspriifung in Feld: @ = 1,s @ = 2,1 @ = 2,1 | = 2,5

Nach 350 Eiazelreizen in @ :

| = 7,0 @ = 2,6 | = 2,4 | = v,0

Fall 1. Gepriift wurden zwei Stellen im Riicken in H6he yon D 7 mit 1 g Sehmerz, jo 10 em neben der Mittellinie.

364 Konrad Zucker:

Zustand v o r der Labilit~tspriifung (linke = weniger betroffene Seite)- Links ~ 1,2 Rechts = 1,8

Nach 100 Einzelreizen links: Links = 1,4 Rechts = 3,0

Fall 2. Priifung mit 2 g Schmerz. Zustand w r der I~bilitgtsprtifung in Feld:

@ = | = 1,1

Nach 250 Einzelreizen in a~):

| = 1,8 | = 1,8

Kontrollen: 13 em unterhalb ~ 1,1; in ( ~ ~ 1,2.

Fall 2. Priifung mit Beriihrungsreizen: Sp. 6. Stelle: Sehultergelenk vorne. Zustand vor der Labilit~tspriifung:

Links = 1,4 Rechts = 1,4 Nach 400 Einzelreizen im linken Areal mit Sp. 8

(Sp. 6) Links = 2,0 Rechts ~ 2,0 Darnach Kontrollen:

Areal am reehten Sehultergelenk hinten . . . . 1,4 Areal reehts in dem unteren Deltoideusgebiet = 1,4 l~oehmals im fragliehen Areal reehts . . . . = 2,1.

Zum Vergleiehe nun ein Beispiel am l~ormalen, das den Bedingungen des letzt- erw~hnten entspricht, nur, dal~ zur Ermiidung des linken Schulterareals sogar 1000 Einzelreize angewandt wurden. Normalversuch:

Priifung mit Beriihrungsreizen, Sp. 6. Stelle: Schultergelenk vorne (Areal 1 qcm).

Zustand v o r der Labilit~tsprtifung: Links = 1,3 Reehts = 1,2

Nach 1000 Einzelreizen im linken Areal mit Sp. 8: (Sp. 6) Links = 2,3 Rechts = 1,2

Kontrolle im erweiterten Gebiet des rechten Areals ~ 1,2.

(~ber diese Versuche beim Fal le 2, yon denen im ganzen 9 angeste l l t wurden , ist noch zu sagen, dal3 die Differenz der Wer te vor u n d nach der E r m i i d u n g in dem durch I r r a d i a t i o n be t rof fenen Areal u m so grS~er waren , m i t ]e mehr Reizen das Areal der Gegensei te zuvor ermi ide t war. I m i ibr igen aber diirfte das, wie e in Vergleich mi t den Versuchen yon Fa l l 1 zeigt, wesentl ich auch yore Grade der E r k r a n k u n g abh~ngen . Es s ind aber die Ergebnisse, wie sie hier im Fal le 2 erzielt wurden , t ro tz der n i ch t so gro~en Differenzen wie im Fa l le 1 deshalb beachtl ich, weil der Sens ib i l i t~ tszus tand v o r der Pr i i fung, besonders in den zur Kon t ro l l e he ranzuz iehenden Gebie ten ein wesen$lich s tabi lerer ist ~ls bei s t~rkeren G r a d e n der choreatischen Ersche inungen , wo wir beim Aufsuchen der I )u rchschni t t swer te mi t e inem erhebl ichen s p o n t a n e n Wechsel u n d mi t der Gefahr eines Ansteigens der Fehlwer te , sehon durch die no twendige Pr i i fung, rechnen miissen. I m Fa l le e iner zur Zei t bes tehenden Sei ten- differenz wirkt sich der I r r ad i a t i onsvo rgang yon der weniger zur s ta rker be t rof fenen Seite deut l icher aus als umgekehr t .

Weiteres fiber die pathologischen Funktionen bei Chorea minor. 365

Wenn wir uns nun die beiden Formen des Irradiationsvorganges, die hier als fiir die Chorea offenbar spezifisch I beschrieben wurden, noch- mals vergegenw~rtigen, so wird es klar, dab sie im Prinzip identisch sind. Die Irradiation, die wir zuvor als ,,entlang einer Reizlinie und dieser vorauseilend" schilderten, ist eigentlich nur ein anderer Ausdruck ffir die (nur sparer ge~undene) Tatsache, dab die Irradiat ion den sym- metrisch entsprechenden Ort der Gegenseite bef~llt plus der anderen (ls bekannten) Tatsache, da9 die aufkommende Labilit~t auch am AuslSsungsorte selbst fiber das engere Areal hinaus irradiiert. Denn auch auf der Gegenseite bleib~ die symmetrische Irradiation nicht auf das enge Areal yon 1 qcm beschri~nkt, sondern strahlt darfiber hinaus.

Was nun diesem symmetrischen Irradiationsvorgang pathophysio- logisch entsprlcht, darauf soll erst sparer eingegangen werden. Wenn wir ihm zun~ichst auch nur die Seite abgewinnen, die sich bei unseren Untersuchungen erst auf Beanspruchung durch Reizung offenbart, so mug dem im ganzen doch eine pathologische Funktion zugrunde liegen, die dauernd sozusagen symmetrisch aktiv ist. Erst so verstehen wit die in der vorigen Arbeit im Falle der Hemichorea hervorgehobene eigenartige Tatsache, dal~ auch auf der gesunden oder doch scheinbar gesunden Seite eine regelrechte SchwellenerhShung erreichbar war, ob- gleich sich bei der Priifung auf ,,Rarefizierung" so gut wie vSllig normale Werte ergaben, ws dagegen ein anderer Choreafall, der beiderseits gleich stark, aber schw~cher als die Hemichorea auf der kranken Seite betroffen war, eine solche regelrechte SchwellenerhShung nirgends zeigte. Es wurde damals schon der Vermutung Raum gegeben, daI~ diese sonderbare Erscheinung dem Einflu~ der kr~nkeren Gegenseite zuzuschieben sei. Je tz t sehen wir sie in etwas klarerem Lichte.

Von diesen Ph~nomenen aus kSnnen wir nun zum ersten Male die Brficke zum Motorischen schlagen. Da~ die Erscheinung der symmetri- schen Irradiation im Motorischen iiberhaupt ihr praktisch erwiesenes Gegenstiick hat., das geht aus Versuchen yon Al tenburger und Kro l l ~ an Normalen hervor, in denen sie fanden, dab nach lung ausgedehnter faradischer Reizung eines Muskels nicht nur dieser, sondern auch der ihm auf der Gegenseite entsprechende eine deutliche Ver~nderung der Chronaxie aufwies. Bei der Chorea stoBen wir in diesem Zusammen-

1 Bislang wurden auf diesen Vorgang hin untersucht: An bilateral betroffenen Fallen solche yon Sclerosis multiplex, Syringomyelie, ein Fall yon im unt~ren Corticalmark sitzendem Stiftgliom (nach Operation), ein Fall von traumatischer Quersehnittslahmung in C 5, Encephalitis lethargiea, eiu Fall mit beiderseitigem diffusem Gef~BprozeB bzw. beiderseitiger ttyl~thesie yon corticalem Typus, und an einseitigen Fallen ein solcher mit Herd in der Schleife nnd sechs cortieale Falle. Ferner zwei Normale unter Anwendung von jeweils fiber 1000 Reizen im engeu Areal. In keinem Fall war auch nur eine Andeutung dieser Irradiationsph~nomene zu beobachten.

2 Altenburger und Kroll: Z. Neur. 182, 484 (1931).

366 Konrad Zucker:

hang auf die bekannten Mitbewegungen, die bei st~trkeren Willktir- kontraktionen, und zwar meist haupts~chlich, oft sogar allein in den symmetrisch entsprechenden Muskelgruppen auftreten. Fgrster 1, der unter anderem diese •itbewegungen in den korrespondierenden Muskelgruppen der Gegenseite nicht nur bei der Athetose, sondern auch, , im gleichen Ma6e" bei der Chorea betont, beobachtete bei der Hemiathetose eine unseren Labilitgtsverh~ltnissen entsprechende Tatsache, dab diese Mitbewe- gungen im wesentlichen nur auftreten, wenn die gesunde Seite, die will- kiirlich bewegte ist. DaB es nun, je nach dem Grade der Krankheits- erscheinungen, dartiber hinaus auch zu Mitbewegungen zahlreicher anderer Muskelgebiete kommt, kann, in Analogie zu der Irradiat ion vom Orte selbst aus, wohl mit unseren Anschauungen in Einklang ge- bracht werden. Hier soll nur das Symmetrische sozusagen als Krystalli- sationspun/ct ~tir die kontralateralen Mitbewegungen, als der es sich gerade in fas~ ausgeheilten F~llen dokumentier t , hervorgehoben werden.

Bei dieser Betrachtung wollen wir im Auge behalten, da~ das Wesent- liche, womit wir den eigentlich zugrunde liegenden Vorgang begreifen kSnnen, lediglich das symmetr ische Irradiieren ist, gleichviel zun~chst, ob es sich dabei um das Irradiieren einer geschaffenen Ermiidungs- erscheinung oder eines willkiirlichen Bewegungsimpulses handelt.

(Es scheint nach zur Zeit noch im Gange befindlichen Untersuchungen als hSchstwahrscheinlich, dab tiberhaupt den Irradiationsvorg~ngen auch bei anderen neurologischen Erkrankungen und dann auch homolateraler Art und ferner nicht nur denen im Sinne einer SchwellenerhShung, sondern auch solchen einer Herabsetzung zuvor erhShter Schwellen, eine bislang nicht beobachtete Bedeutung zukommt. Jedenfalls diirfte mit der Irradiation fiir die Funkt ionsbetrachtung ein Begriff vorhanden sein, dessen Bedeutung ftir das moderne physiologische Verstehen noch nicht abzusehen ist.)

Haben wir nun fiir einen solchen, in seiner Art fiir die Chorea spezi- fischen Irradiationsvorgang ein Homologon auf dem Gebiete der Motilit~t gefunden, so lg~t sich das gleiche auch ftir die andere Funktion, n~mlich die der spontanen Schwankungen, aufzeigen. Es sind schon mehrfach, zuletzt von Wilson ~, triftige Grtinde dafiir geltend gemacht, dal~ die choreatischen Bewegungen nicht nur viel Gemeinsames mit den Will- kiirbewegungen haben, sondern dal~ i iberhaupt die gesamte, also auch willktirliche Motorik der Choreatiker vergndert sei. Wilson macht mit Recht auf das Abrupte der Bewegungen aufmerksam (unter anderem auf die ,,choreatische Zunge"), das gerade auch dann noch vorhanden sei, wenn die sog. ,,unwillkiirlichen" Bewegungen bereits geschwunden seien. ])as genauere Studium des motorischen Verhaltens gerade nach dem vSlligen Abklingen der choreatischen , ,Zuckungen" bietet allerlei Auf-

1 F6rster: Z. Neur. 73. Wilson: Dtsch. Z. Nervenheilk. 107; 108.

W e i t e r e s f i b e r d i e p a t h o l o g i s c h e n F u n k t i o n e n b e i C h o r e a m i n o r . 867

schlfisse dariiber, dab das Besondere der eigentlichen choreatischen Be- wegungen nur in einer Steigerung der auch dann vorhandenen Auf- f~lligkeiten beruht. Das, was das , ,Abrupte" der choreatisehen Will- kiirbewegungen ausmacht, kommt am deutlichsten zum Ausdruck, wenn man solchen Pat . ganz langsam und gleichm~Big Finger- oder Hand- bewegungen auszuffihren aufgibt und dann den Ablauf kymographisch

/Lbb. 2 ( K u r v e 1). C h o r e a n a c h A b k l i n g e n tier c h o r e a t i s c h e n B e w e g u n g e n . / ~ u f t r a g : L a n g s a m e s S t r e c k e n u n d B e u g e n des I L u n d I I I . F i n g e r s n a c h Z~h len . D a u e r 18 Sck .

/~bb. 3 ( K u r v c 2). C h o r e a n a c h • b k l i n g e n tier c h o r e a t i s c h e n B e w e g u n g e n . i u f t r a g : L a n g s a m c s B e u g e n n n d S t r e c k e n des I I . u n d I I I . F i n g e r s . D a u e r 28 Sek.

registriert [vgl. die Abb. 2 und 3 (Kurve 1 und 2)]. Man sieht., dab die Bewegung nur kurze Strecken einigermaBen gleiehm~iBig verl~iuft, oft ist sie unterbrochen yon plStzlichen, sehnellenden Bewegungen und dann wieder yon Zeiten des Stillstandes, so dab einzelne Abschnitte etwas Treppenf6rmiges bekommen. Im Prinzip das gleiche zeigt die Abb. (Kurve) 4, bei der die Pat . am Sommerschen Apparat mit zwei Fingern gleichm~Big auf eine Feder driieken soll. Fiir die ziemlich kurze Dauer yon 40 Sek. ist sic dazu nicht imstande: P16tzlich liiBt der Druek nach und ebenso schnell erfolgt das korrigierende Wiederdriicken. Der Wilson- schen Anschauung gibt auch noch eine andere klinische Beobachtung

Z. f . d. g . N e u t . n . P s y c h . 142. 24

368 Konrad Zucker:

recht, wenn n~mlich die in der Ruhe bereits nicht mehr siehtbaren choreatischen Erscheinungen dana noch wieder s iehtbar werden, sobald man die Pat . zu Hal tungen veranlal~t, z. B. die Arme ruhig von sieh zu streeken. F S r s t e r 1 finder bei den hier gemeinten St6rungen der will- kfirliehen Bewegungen der Choreatiker eine ausgesprochene Ersehwerung der Innervationsfindung, einen Mangel an P rompthe i t und Stabilit~t der Innerva t ion der Agonisten; eine enorme Innervationsentgleisung beim Bewegungsbeginn und eine mangelhafte Inne rva t ion bei statisehen

Abb. 4 (Kl t rve 3). N o r m a l e r A u f t r a g : L a n g s a m e S t r e e k u n g des I I . u n d I I I . Fingers. Daue r 18 Sek.

Abb . 5 ( K u r v e 4). Chorea nach 2~bklingen tier e h o r e a t i s c h e n Bewegungen . 2~uftrag; Gleichm~l~iger D r u c k au f e ine Fede r . D a u e r 40 Sek.

Muskelleistungen. W i l s o n ~ legt Wert auf die Konstat ierung, da~ von einem Defekt im motorischen System selber dabei ksine Rede sein k6nne, gerade dieses mfisse in takt sein. Die eigentliche StSrung verlegt er a u f a fferente Funktionen. Der Ursprung der Reize, die eine Bewegung ausl6sen, mfisse letzten Endes sensoriseh sein.

Die Beobaehtungen F S r s t e r s und die Erkli~rungen W i l s o n s fiber diesen Punk t sehliel~en sich keineswegs aus. Allerdings die Alternative: Was night im Motorisehen liegt, muB im Sensorischen zu suehen sein, braucht nicht unbeding~ in dieser Einfachheit akzeptier~ zu werden. Dean d i e

Funktion, die physiologiseh gemeint, d e m entsprieht , was psychologiseh mit dem Begriffe Bewegungsentwur[ vers tanden wird, enth~lt - - wenn

1 Fdrs t e r : 1. c. s W i l s o n : 1. c.

Weiteres iiber die pathologischen Fnnkgionen bei Chorea minor. 869

das da i iberhaupt noch begrifflich getrennt werden soll - - sowohl sen- sorische wie motorische Tendenzen. Und yon bier aus kSnnen wir wold

- - wenn auch nicht in Anlehnung an anatomische Vorstellungen - - diese Besonderheiten choreatischer Motilit~t gemeinsam mi t den Schwan- kungen der sensiblen Funkt ionen verstehen. Entsprechend der Wilson- schen Ansicht yon der In t ak the i t des cortico-spinal-motorischen Systems an sich, isb ja aueh die Sensibilitdt, wie wir zeigten, nicht eigentlich in ihrem Zust~nd generell auf ein tieferes Niveau gesunken. I m m e r wieder zeigen sich einze]ne of~ hintereinander auftretende durchaus normale Werte. Charakteristisch ist vielmehr eine Ungleichmdifligkeit in der Funk- tion, eine Entstabilisierung der Leistung, deren Gleichmiifligkeit doch o//enbar Voraussetzunq ist tiir einen gleichmiifligen motorischen Ablau/. Au/ eine Entstabilisierung der prdimotorischen Funktion, die dem psycho- logischen ,,Bewegungsentuntr/" entspricht, lassen sich abet auch all die obengenannten Besonderheiten, mit denen F6rster die WiUkiirbewegungen der Choreatiker charakterisiert, zuriick/iihren. Sie sind eigentlich, nur verschiedene Ausdriicke /iir die gleiche Grundst6rung.

Wenn mit diesen Erkl/~rungen nun auch die in Frage stehende Funk- t ion in die ~/~he der Praxisst6rungen geriickt zu sein scheint, so sind es doch grundlegend quali tat ive Differenzen, die sie yon apraktischen Er- scheinungen t rennt . Bei letzteren handelt es sich um eine H e m m u n g oder gar Aufhebung der Funktion, evtl. auch um Umwegleistungen oder Entdifferenzierungen; bei der Chorea jedoch lediglich um Schwan- kungen innerhalb ihrer normaliter garantier ten Stetigkeit des Ablaufes. I m motorischen Effek~ leidet darunter die Einheitlichkeib des Bewegungs- verlaufes. Dutch kurzfristige Richtungsungenauigkeiten k o m m t es zu motorischen Entgleisungen. F~llt gerade der Beginn einer Handlung in eine solche Phase, in der die pr~motorische Funkt ion diffuser ist, so k o m m t es zu versp~tetem Bewegungsbeginn oder zu der erwiihnten Erschwerung der Innervationsfindung. Dazwischen aber linden sich immer wieder Abschnit te nahezu normalen Funktionsablaufes, die aller- dings mi t zunehmender St~rke der Erkrankung kiirzer und seltener werden, bis schlieBlich erst in exzessiven Graden der Chorea yon ihnen prakt isch nichts mehr nachweisbar ist.

Zum vollen Verst~ndnis des choreatischen Gesamtbildes miissen wir aber auger dieser in Phasen verlaufenden Funktionsst6rung, deren Ampli tuden bei zunehmender St~rke grSl3er und wahrscheinlich auch kfirzer werden, noch den Vorgang der Irradiat ion hinzunehmen. E r besteht, wie wir gezeigt haben, in seiner Eigenart darin, dab er sowohl homolateral wie auch jeweils kontrolateral, also symmetrische Ausgangs- punkte hat . Diese beiden, in der theoretisehen wie auch experimentellen In te rpre ta t ion voneinander t rennbaren Funkt ionen gehen prak~iseh in- einander ein, wobei sie sich in dem einheitliehen Effekte nieht addieren, sondern potenzieren, wie sich das ]eicht bei anschaulicher l~berlegung

24*

870 Konrad Zucker:

verstehen li~Bt, ohne dal3 das hier noch breiter dargetan zu werden braueht.

Zusammen/assung und Schluflbetrachtungen: In einer friiheren und in dieser Arbeit wurde an Fs yon Chorea minor (bzw. Hemichorea) festgestellt, dab auch bier deutliche Sensibilit~tsi~nderungen konstant vorhanden sind. Sie waren nachweisbar durch Reizhaaruntersuchungen, und zwar mit der Methode, die naeh , ,Fehlwerten" (vgl. oben S. 351) pro- tokolliert. I-Iier wurde claim zun~chst an einem Falle (friiher ~hnlich bei der Hemichorea) fortlaufend festgestellt, dab die Intensi ts der sensiblen Fehlerscheinungen vollkommen parallel geht mit der Intensit~t der motorisehen Besonderheiten, und zwar nicht nur in der jeweiligen KSrper- h~lfte, sondern sogar im jeweiligen KSrperabschnit t . Hinter dieser bis soweit nur als Zustand dargestellten Erscheinung verbarg sich jedoch eine pathologische Funlction, die eben nur als solche und nicht als Zu- ~tand recht begriffen werden kann. Diese Funktion. lieB sich als eine in Phasen verlaufende darstellen, wobei sich die zeitlichen Schwankungen zwischen ganz normalen Werten und solchen von quan$itativer Herab- setzung bewegten. Untersucht wurde sie fiir Schmerz, Beriihrung und Gelenksensibilit~. Der Zunahme der Erkrankung entsprach iiir diese Funkt ion ein HSherwerden der Amplituden (d. h. der vorkommenden Fehlwerte). Soweit die Krankheitserseheinungen eine Untersuchung noeh zulie~en, wurde aber das normale Ausgangsniveau nie vSllig ver- lassen, d. h. es kamen immer auch noch normale Werte vor. l~ber die n~here Verlaufsform der Schwankungen konnte noch lfichts Bestimmtes ermittelt werden. Dieser Phasen~unktion entspreehen auf motorisehem Gebiete, als anderer Ausdruck fiir die gleiche GrundstSrung, die fiir die Chorea charakteristischen Erscheinungen der erschwerten Inner- vationsfindung; der Innervationsentgleisung, der mangelnden Stabilit~t der Agonisten bei Haltungen usw. Die allen gemeinsam zugrunde liegende Grundst6rung liefl sich charakterisieren als eine Entstabilisierung des 8ensomotorischen Vorganges, der dem Handlungsentuner] in seiner physio. logischen Bedeutung entspricht, bzw. der /i~r die Einheitlichlceit der zu tdtigenden Handlung die sie begleitende Steuerung abgibt. Von den eigent- lichen apraktischen StSrungen l~gt sich diese Funkt ion gut abtrennen.

Seit den Bonhoe//erschen VerSffentlichungen wurden in der Folge- zeit yon etlichen Autoren die motorischen Erscheinungen bei der Chorea auf Schs innerhalb zentripetaler Systeme zuriickgeffihrt; zuletzt noch yon F. Krause und H. de Jong 1, die yon einem veri~nderten Entladungsmechanismus zentripetaler sensorischer Elemente spreehen, wodureh es zu abnormer Energieabgabe kommen kSnne und die ab- flieBende Energie auf inad~quatem Wege motorisehe Symptome er- reiche . . . . . .

1 Krause, 2'. u. H. de Jong: Z. :Near. 138~ 412 (1931).

WeiSeres fiber die paShologischen Funktionen bei Chorea minor. 871

W/ihrend aber solche ~ber legungen an anatomische Vorstellungen gebunden, den pathologischen Vorgang im Sinne eines kausal nach- zeitigen Prozesses begreifen und lediglich den motorischen Effekt inter- pretieren, sollte hier der Versuch - - /~hnl ich wie/r i iher bei der Encepha- litis epidemica - - gemacht werden, die motorischen zusammen mi t den sensiblen Besonderheiten bei der Chorea als gleichsinnige Ausdriicke einer gestSrten Grundfunktion zu erfassen.

I m Prinzip unabh/~ngig yon dieser liel3 sich noch eine andere patho- logische Funktion aus dem Gesamtbild choreatischer Erscheinungen herauslSsen. Das war eine Tendenz zur Irradiation ~iir die Erscheinung der SchwellenerhShung oder der Vorstufe dazu in Gestalt grSBer werden- der Fehlwerte. Charakteristisch ffir diese Irradiation, wie sie bei liingerer Beanspruchung yon enger begrenztem Hautareal ausgeht, ist, dal3 sie nicht nur vom Reizort selbst ausgeht, sondern auch vonder korrespondieq'en- den SteUe der Gegenseite. Auf dem Gebiete der ,~lotilit~it entsprechen dieser Erscheinung die Mitbewegungen, yon denen die konstantesten ebenfalls solche sind, die in der den Willkiirbewegungen korrespondierenden ]VIuskeIgruppen der Gegenseite auftreten. Ffir beide Erscheinungen (ffir die Mitbewegungen nach F6rster) tr ifft die T~tsache zu, dab sie yon der weniger betroffenen Seite aus leichter und deutlicher auslSsbar sind als yon der s tarker betroffenen Seite.

Es liegt nahe, diese Irradiat ionsvorgs in Zusammenhang zu bringen mi t dem auch fiir die Chorea gefundenen Dreizonencharakter der Sensibiliti~tsstSrung. I)al3 wir diesen I)reizonenzustand in F~llen mi t beiderseits gleichem Betroffensein nicht na~hweisen kSnnen, das besag~ nur, dab er dann verdeckt ist, nicht aber, dab er fehlt. Oder drticken wir es besser aus, indem wir sagen: Die Funkt ion, die sich in mehr halbseitigen F~llen unserer Prii/ung als Dreizonenzustand offenbart, mul3 auch in beiderseits gleich stark betroffenen Fi~llen ihre Rolle spielen, wenngleich sie wiederum nur als Zustand gesehen, ausgeglichen erscheint. Gerade dieser Unterschied der Erscheinungen, je nachdem man sie als Zustand oder als Funktion bet rachte t (oder nur betrachten kann), mach t oft beim Aufsuchen yon Beziehungen Schwierigkeiten. In diesem Falle werden wir sie fiberwinden kSnnen: I n der vbrigen Arbeit wurden triftige Griinde dafiir ange~iihrt, daft dem Dreizonenzustand der Sensibilitdt eine Angleichtendenz zugrunde liegt, womit die pathologische Funktion der ]cr~inIceren Seite auch die normale Funk~tion der gesunden Seite und umgekehrt beein/luflt. (Die erreichbare Schwellenerh5hung auch auf der gesunden Seite einer Hemi- chorea ist eine weitere I l lustrat ion dazu.) Anders formuliert ist die Angleichungstendenz natiirlich der Ausdruck einer Funkt ion, die yon einer Seite ausgehend auf beide Seiten gerichtet ist. In der oben- erw~hnten symmetr ischen I r radia t ion der Labilitiit h~t ten wir also einen Vorgang vor uns, der diese bereits vorhandene, auf beide Seiten

872 Konrad Zueker: Weiteres tiber die pathologischen Funktionen usw.

geriehtete Funktion als Basis beniitzt oder der innerhalb letzterer nur eine lokal betonte Ver~nderung bedeutet . Diese Ver~nderung ist her- vorgerufen durch eine l~ngere Beanspruchung, die bei der Chorea eine bereits zu gro~e Belastung darstellt. Man mtil3te somit innerhalb der symmetrischen I r radia t ion zwei Fak to ren t rennen: 1. Die auf die Bilateraliti~t i iberhaupt gerichtete Tendenz. Ihre Existenz, auch aul~er- halb anatomischer Schi~digungen wird durch die hervorragenden Ver- suehe und Beobachtungen yon Dusser de Baren n e und O. Sager 1 experi- mentell gesicher~, die an Ka tzen mi t Insti l lat ionen yon Strychnin in die verschiedenen Thalamuskerne vorgenommen wurden: Hier t ra ten bei Vergiftung eines Thalamus (auch nach For tnahme beider Hemi- sph~ren) Reizerscheinungen auf beiden KSrperh~lften ein. Es scheint aber, dab diese auch im normalen Geschehen vorhandene Funkt ion in ihrer Eigenart als symmetrische nur bei bes t immten Sch~digungen klinisch irgendwie zum Ausdruck kommt . Und 2. dann den Vorgang, der bei erhShter Beanspruchung des Sinnesgebietes zur SchwellenerhShung fiihrt. Er ist fiir sieh genommen bekanntl ich fiir die Pathologie der Chorea nicht spezifisch, sondern erst im Zusammenhang mit dem obigen.

Andererseits ist eine StSrung der bilateral gerichteten oder Angleich- funktion allein ftir sich ebensowenig fiir die Chorea spezifiseh; denn ihr klinischer Ausdruek als Dreizonenzustand der Sensibilit~t finder sich ja aueh - - wie friiher gezeigt wurde - - bei der Encephalitis lethargica. Hier wird er zur Basis fiir die interessante ZuwendungsstSrung, ein Begriff, der sich ebenfalls sowohl fiir motorische als auch sensible Besonderheiten bei der Encephalitis in Anwendung bringen lieB.

Es sind also mehrere Vorgi~nge, die sich aus dem Gesamtbilde der Krankheitserscheinungen herauslSsen lassen und die erst in ihrem jeweils verschiedenen Zusammenwirken das Spezifisehe einer bes t immten Er- krankungsform ausmachen.

Es wiire eine nicht nur an sich mSgliche, sondern aueh notwendige Konsequenz, nun noch die psychischen Auffi~lligkeiten der Choreatiker (nieht der Choreapsychose) unter dem Gesichtspunkt der aufgezeigten Funktionen zu untersuchen, wie das im allgemeinen yon Goldstein 2

bereits 1924 vorgeschlagen wurde. Der vielfach beobaehtete zeitliehe Zusammenfall von affektiver Anregung und Verst~rkung der motori- schen Erscheinungen bei Choreakranken, ihre eigenartige , ,spontane" affektive Labilit~t, ihre mangelnde Tenazit~t bei Leistungen, das wi~ren wohl geeignete Ausgangspunkte fiir eine solche Betraehtung. Doch kSnnen diese Fragen erst an umfangreieherem ~r gel(ist werden, da dabei individuelle Besonderheiten eine gr5f~ere Rolle spielen, bis es gelingen wird, das Invar ian te sieher herauszuholen.

1 Dusser de Barenne u. O. Sager: Z. Neur. 138, 231 (1931). 2 Goldstein: Mschr. Psychiatr. ~7.