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Welche Ziele Verfolgt der Kliniker mit der Leberfunktionsprüfung?

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24. SEPTEMBERI926 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 5- J A H R G A N G . Nr. 39 1833

PRAKTISCHE ERGEBNISSE. WELCHE ZIELE VERFOLGT DER KLINIKER MIT

DER LEBERFUNKTIONSPROFUNG ? Von

RICHARD BAUER u n d WILHELM NYIRI. Aus der II. gedizinischen Abteilung des Krankenhauses Wleden in Wien

(Vorstand: Primarius Doz. Dr. RICHARD BAUER).

Da zahlreiche Funkt ionen der normalen Leber seit langem gut bekannt sind, muBte es von jeher leicht erscheinen, eine St6rung dieser Funkt ionen nachzuweisen. Wenn es z.B. eine sichergestellte Hauptfunkt ion der Leber ist, aus den Abbauprodukten des NahrungseiweiB Harnstoff zu bilden und den aus der Pfortader resorbierten Zucker in Glykogen zu verwandeln, so muBte schon der Nachweis tier St6rung dieser beiden Hauptfunkt ionen leicht eine Leberfunktions- st6rung erkennen lassen. Ffir klinische Zwecke haben sich abet beide Proben als unbrauchbar erwiesen, haupts~chlich deshalb, weil auch bei hochgradigen Lebervergnderungen noch andere Organe diese Funkt ion tibernehmen k6nnen, bei geringgradigen Erkrankungen der Leber hingegen noch reichlich Parenchym fibrigbleibt, damit die Leber selbst diesen Anforderungen gentigen kann. Als das verl~tBlichste Symptom einer Erkrankung der Leber gait wohl immer die Gelbsucht, doch erschien hier der gr6Bere Teil der F~ille durch Erkrankungen der Gallenwege und meist der gr6Beren bedingt, die Leber also nur sekundgr erkrankt, wie dies sensu strietiori auch fiir den Ikterus bei t~lutkrankheiten, septischen und anderen Zustgnden zutrifft. Wir wollen hier den Gegen starid nicht dadurch komplizieren, dab wit auf die Frage der t3ildung yon Gallenfarbstoff im Reticuloendothelialsystem eingehen, um so mehr, als ja nach der neuesten Arbeit yon MELCHIOR, ROSENTHAL und LICHT 1) die Leberzelle doch wieder die Hauptbildungsst~ttte des Gallenfarbstoffes zn sein seheint. Aus dieser Sachlage heraus hat sich, wie bei der Niere, und noeh viel mehr als bei dieser, das Bestreben geltend gemacht, die Leberfunktion dadureh zu priifen, dab man mehr oder weniger k6rperfremde Substanzen, deren Assi- milation oder Entgif tung erh6hte Anspriiche an die Leber stellen, dem K6rper einverleibt. Solche Substanzen sind z.B. das Ammoniumcitrat nach HET~NYI~), die Amino- s/~uren nach GLAESSNER3), ferner die L~vulose nach H. STRAIJSS~), die Gataktose nach R. BAUER5), der Campher nach v. STEYSKAL 6) und GRONWALD. Diese Stoffe werden der Leber bei der Funktionsprtifnng auf dem Wege der Pfortader zugeftihrt. Es soil gleich hier hervorgehoben werden, daI3 dieser Weg der Leberfunktionsprfifung prinzipiell als der gtinstigste erscheinen mug, weil ja die Leber als assimilierendes und entgiftendes Organ zwischen Pfortader und Gesamt- kreislaui eingeschaltet ist. Trotzdem, wie schon erw~hnt, das Auftreten yon Gelbsucht in erster Linie yon den Ver- h~Itnissen in den Gallenwegen, besonders auBerhalb der Leber, in hervorragendem MaBe abh~ngt, hat man in den letzten Jahren auch immer wieder versucht, hier in der Diagnostik der Leberkrankheiten selbst vorwarts zu kommen. Das so tausendfach getibte Studium der Aldehydreaktion z.B. hat uns einigermal3en neue Erkenntnisse ermittelt. Dabei hat sich gezeigt, dab der Vergleich zwischen Stuhl- und Harnurobilinogen und die quanti tat ive Bestimmung des Urobilinogens in Harn und Stuhl yon besonderer Wertig- keit ist. Doch auch die einfache Kontrolle der Aldehyd- reaktion im Ham, besonders das quanti tat ive Studium der Aldehydkurve, gibt dem Kliniker guten AufschluB. Des- gleichen ist der Nach~ eis yon Urobilinogen im Duodenalsaft fiir Leberkrankheiten yon Bedeutung. Bei Ikterus sind die Kurven der Aldehydreaktion im H a m insbesondere im Verein mit der Bilirubinkurve ftir die einzelnen Ikterus- formen geradezu pathognomonisch. So wissen wit heute, dab das Abfangen des Urobilinogens aus dem Piortader- blur an die normale Funkt ion der Leberzelle gebunden ist. Besteht also keinerlei erkennbarer Ikterus und findet sich kein Gallenfarbstoff im Ham, so wird eine mehr

oder weniger starke Aldehydreaktion mit wenigen Ein- schr~nkungen, wie z . B . der ~berproduktion im Darm, Ms Ausdruck einer Leberfunktionsst6rung gewertet. Die h6heren Grade der Aldehydreaktion im H a m bei nicht ikterischen Lebercirrhosen sind gewii3 so zu deuten, ebenso die starke Aldehydreaktion bei st~trkerer Stauungsleber, wobei es nattirlich often bleibt, ob die Stauung die Resorption des Urobilinogens aus der Plortader st6rt, oder der Druck des Blutes auf die Leberzelle die Funkt ion der Zellen be- eintrAchtigt. Genauere Studien der letzten Jahre, besonders yon vA~ DEN ]BER~HT), haben aber gezeigt, dab ein soge- nannter latenter Ikterus bestehen kann, so dab die St6rung in der Urobilinogenresorption auch auf ver~nderter Gallen- bildung und Gallensekretion beruhen kann. Solche Beispiele bieten alle beginnenden Ikterusf~lle vor Auftreten yon Gallen- farbstoff im Harn und vor erkennbarem Ikterus; Ierner die abklingenden FAlle von Ikterus, viele F~lle yon Stauungs- leber und nieht wenige F~lle yon scheinbar nichtikterischen Cirrhosen mit latentem Ikterus. Die Fortschritte, die dutch die neueren Forschnngen angebahnt wurden, liegen also in der Erkenntnis, dab zwischen normalem Zustand und Anwesen- heir yon Gallenfarbstoff im Harn oder ~ul3erlich erkennbarem Ikterus eine breite Zone liegt, in der das Blutserum 1/~ bis 4 Einheiten Bilirubin enthXlt, wo also der 1Viensch latent ikterisch ist. Ans dem Vergleich zwischen Aldehydreaktion im H a m und Diazoreaktion im Serum lgl3t sich folgendes sagen: Es gibt offenbar FAlle, bei denen die Resorption des Urobilinogens aus der Pfortader gest6rt ist, ohne dab das t31ut wesentlich mehr Gallenfarbstoff enth~lt. Man findet dann z. B. bei Stauungsleber deutliche Aldehydreaktion im Harn, bei kaum oder nicht vermehrter Diazoreaktion im Blur. Andererseits k6nnen diese Reaktionen parallel vermehrt sein, wie beim Beginn jeglicher Art yon Gelbsucht. So verr~t sich also der beginnende Icterus catarrhalis schon vor dem Auftreten yon Gallenfarbstoff im Harn und Gelbwerden des Patienten durch starke Aldehydreaktion im Harn und ver- mehrte Diazoreaktion im Blur.

Wir haben absichtlich die Kompliziertheit dieser Ver- h~.ltnisse der Farbstoffresorption und Sekretion entsprechend dem heutigen Stande unseres Wissens dargestellt, weil daraus hervorgeht, dab auch die Resorption und Elimination der sog. gallenffihigen, k6rperfremden Substanzen, zu denen vor allem die Farbstoffe der Phenolphthaleinreihe geh6ren, /~uBerst kompliziert sein mtissen. Es ist ohne weiteres klar, dab die Resorption und Sekretion dieser k6rperfremden Stoffe

"bei erkennbarem Ikterus des Patienten ebenso wie die der k6rpereigenen Farbstoffe gest6rt sein muB, was aber auch beim oben geschilderten latente~ Ikterus ebenso wie ftir Aufnahme und Abscheidung yon Urobilinogen und Gallen- farbstoff, auch fiir die der k6rperfremden Stoffe zutreffen muB. In der Breite, wo das Serum zwischen 1/2 und 4 Bilirubin- einheiten enth~lt, muB daher die alleinige Beurteilung soleher Farbstoffproben wesentlich leiden, kann abet andererseits, wenn wit Harn und Blur auf Urobilinogen- und Diazoreaktion untersuchen, kaum mehr aussagen als diese Proben selbst. Nur dann, wenn der Kreislauf der k6rpereigenen Farbstoffe sich als normal erweist, der der k6rperfremden aber deutlieh beeintr~chtigt erscheint, kSnnen wit ans der verz6gerten Resorption und Elimination dieser k6rperfremden Stoffe auf eine Sch~digung der Leberzelle selbst zurtickschliel3en. Es ergibt sich aus dem Gesagten gewil3 zur Genfige, wie sehr sich der Wert solcher Farbstoffunktionsprtifungen ein- schr~tnkt, indem dadurch vielfach nicht mehr ausgesagt wird als durch Aldehydreaktion im Harn und Diazoprobe im Serum, da die Funktionsst6rung der Leberzelle als solche verdeckt wird; dagegen mfissen die F~lle, wo Aufnahme und Sekretion der k6rperfremden Farbstoffe isoliert gest6rt ist, wie wit sp/~ter zeigen werden, naturgem~B selten sein, well ja insbesondere die Urobilinogenreaktion zu den feinsten Reagentien auf Leberst6rungen zXhlt. Die Situation, der der Kl iniker gegentibersteht, ist also ungef~hr folgende:

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Er ist imstande, feinste St6rungen der Leberfunktion dutch Aldehyd- und Diazoreaktion nachzuweisen. Beeintrt~chtigt wird der Wert dieser Proben nnter anderem dadurch, dab sie auch dutch St6rungen im Gallenflul3 bedingt sein k6nnen. Sie sind also keine Leberfunktionsprfifungen im engeren Sinne. Die Proben mit k6rperfremden Farbstoffen leiden an einem ~hnlichen Fehler, indem sowohl ihre Aufnahme aus dem Blur als auch ihre Sekretion in die Galle von den- selben Faktoren beeinflul3t werden, so dab sich in den aller- meisten klinischen F~llen ein diagnostisches Resultat in bezug auf die Funktion der Leberzelle selbst kaum ergibt. Es geht also deutlich hervor, dab jeder, der die Leberfunktion entscheidend prfifen will, fiber Methoden verftigen muB, die von Gallenbereitung und Sekretion, d .b . sowohl yore latenten wie manifesten Ikterns, weitgehend unabh~ingig stud.

Diejenige Leberfunktionsprfifung, die bisher diesen An- fordernngen am ehesten gerecht wurde, ist die Gala.ktoseprobe nach R. BAUER, 1. C. Diese Probe bleibt bet alien F~llen yon mechanischem Ikterus, set es nun, dab derselbe manifest oder la tent ist, negativ. Sie wird nur dann posit@, wenn der Ikterus Ausdruek oder Begleiterscheinung ether wirklichen St6rung der Fnnktion der Leberzelle ist, wie z. B. beim katarrhalischen Ikterus, atrophischen und hypertrophischen Cirrhosen, der Phosphorvergiftung, der akuten und subakuten Leber- atrophie. Auf diese Weise haben wit auch die Erkenntnis gesch6pft, dab die Leberzelle durch vorfibergehenden, mechani- schen Ikterus nur in den seltensten F~tllen schwer gesch~digt wird, und dab eine endgfdtige Sch~digung der Leberzellen nur selten dabei resultiert. Ganz ~hnliche Resultate zeigen die Proben yon HETs (1. C.), mit Ammoniumcitrat , die AminosXureprobe nach GLA~SSNER (1. C.), wie auch die Campher- probe nach v. STEYSKAL nnd GRUNWALD (1. C.). Wit verdanken also der Galaktoseprobe nieht nur groi3e differentialdiagnosti- sche M6glichkeiten, sondern auch direkte Erkenntnisse in der Pathologie des Ikterus. Bet den nieht ikterischen Fgllen, bet denen, wie oben erw~hnt, die Frage des latenten Ikterus in Betracht kommt, ist die Galaktoseprobe yon diesen Ver- hgltnissen ebenfalls nnabhgngig. Sie zeigt auch hier lediglich die Funktionsst6rung der Leberzelle selbst an. So ist z. B. die Galaktoseprobe bet der Lebereirrhose vor allem im pr~t- ascitischen Stadium so ziemlich regelm/iBig positiv, gleich- gfiltig, ob der Cirrhotiker gar nicht, latent oder manifest ikterisch ist. Bet den lokalisierten Erkrankungen der Leber, wie Gummen, benignen und malignen Tumoren usw., bleibt die Galaktoseprobe negativ oder doch normal, well bier die Leberfunktion, wie auch aus allen anderen Proben hervorgeht, kaum gest6rt ist, was bet der Gr6Be des Organs auch gar nicht verwunderlich ist, wXhrend z. ]3. die Aldehyd- reaktion in diesen F~llen schon deutliche Ausschlgge zeigt. Die Resultate der Galaktoseprobe sind beim Ieterus catarrha- lis, bet der akuten Leberatrophie und PhosphorvergifLung beinabe his zu lOO% verlgl31ich, woht ebenso bet der pr/~- ascitisehen Laennecschen Cirrhose, nicht weniger bet der allerdings bet uns seltenen Hanotschen Cirrhose. Bet der subakuten Leberatrophie und dem Salvarsanikterus finder man ebenfalls deutlieh positive Werte, die allerdings mit der Bessernng des Zustandes oder dem Schwanken des Verlaufes parallel gehen. Bet der ascitischen Cirrhose leidet manchmal die Gr6Be der Gesamtausscheidung unter der verminderten Resorption und der verz6gerten otigurischen Ausscheidung. Hier ist aber die Dauer der Zuckerausscheidung, die weir fiber 4 Stunden bis zu 2 4 Stunden andauern kann, sowie der perzentuell hohe Zuckergehalt des sp~irlichen Harnes an sich pathognomisch.

In diesen Fgtlen zeigt aueh die Blntzuckerkurve einen zwar hohen, aber verspgteten Anstieg und verz6gerten Ab- fall als Ausdruck der verz6gerten Resorption und ver- schleppten Ausscheidung der Galaktose.

Das bisher Gesagte zeigt nach unserer Meinung, dab wir eigentlieh f fir die Differentialdiagnose der einzelnen Leber- erkrankungen, wie anch ffir die F~rkennung ihrer Pathologie in der Galaktoseprobe im Verein mit der Aldehydreaktion im Harn, Stuhl und Duodenalsaft und der Diazoreaktion im ]31utserum fiber genfigende Mittel verffigen.

R I F T . 5. J A H R G A N G . Nr. 39 24. SEPTEMBER 1926

In neuester Zeit wurde y o n ROWNTR]EES), HURWITZ und BLOONFIELD und Mc. NF.IL ~ die Ausseheidungsf~ihigkeit des Tetrachlorphenolphthaleins durch die Galle geprfift; ferner haben ROSENTItAL 10) und FALKENItAUS]EN die Ausscheidung yon Methylenblau, LEPEHNE 11) nnd HATIEGANU die des Indigoearmins durch die Leber gepriift. Obwohl alle diese Proben gewisse Anhaltspunkte fiir die Leberfunktion gegeben haben, konnten sie sich anch wegen ihrer Umst~ndlichkeit, i. e. Untersuehung der durch Duodenalsondierung gewonnenen Galle auf Farbstoffe, niehfl einbfirgern. Erst die yon S. M. ROSENTHAE 12) im Jahre 1922 angegebene Probe mit Phenoltetraehlorphthalein, dessen Resorption aber im Blut kontrolliert wird, hat gr6Bere Verbreitung gefunden und wird derzeit als Leberfunktionsprfifung verwendet.

Die Technik dieser Probe ist folgende: Das DinatriumsaIz des Phenoltetrachlorphthaleins (Cholegnostyl ,,Gehe") wird in der Menge yon ca. 5 mg pro I kg K6rpergewicht intraven6s injiziert. Das Cholegnostyl ,,Gehe" enthalt in 5 ccm 35 ~ mg des Farbstoffes, welche Menge wohl ziemlich allgemein injiziert wird. Die Kontrolle der Farbstoffresorption aus dem Blute geschieht jetzt meist in qualitativer Weise derart, dab der Farbstoff normMerweise inner- halb 6o Minuten aus dem Blut verschwunden sein muB. Patho- logischerweise kann er noch 2--4, ja bis 2o Stunden im Blur nach- weisbar sein. Der Nachweis ist uugemein einfach: Zum Serum gibt man einige Tropfen 3proz. Salzs~ure und schichtet diese Flflssigkeit vorsichtig fiber 5proz. Natriumhydroxydl6sung. An der Beriih- rungsflXche entsteht ein blau-rosa bis intensiv roter Ring (s. R. KuNrI, Klin. Wochenschr. 1924, Nr. 39, S. 1753).

Die Autoren kommen ziemlich fibereinstimmend zu dem Schlul3, dab mit dieser Probe Leberfunktionsst6rungen nachweisbar sind. Nur fiber die Details, besonders die Empfindlichkeit der Probe und diagnostische Wertigkeit, herrscht keine Einstimmigkeit. Aus ziemlich alien Arbeiten geht hervor, dab bet alien Arten yon Gelbsucht die Probe positiv gefunden wird, gleichgfiltig, ob die Gelbsucht durch Obstruktion erzeugt wird oder bet Icterus catarrhalis oder Cirrhose besteht. Nicht ikterische Cirrhosen reagieren nicht einheitlich. Nach S. M. ROSENTHAL, der die Probe quant i ta t iv real3, findet man bet maligner Stauung ca. 13% Retention, beim Icterus catarrhalis 28%, w~hrend bet der Lebercirrhose nur 9% gefunden wird, was wenig ist, wenn man bedenkt, dab manehe Autoren nut eine Ansscheidung yon 8% als verlXBlich pathologiseh beurteilen. Die exakte Abh~tngigkeit der Probe von der Gelbsucht hebt WALTERS 13) in Rochester hervor: Unterbindet man beim Hund den Choledoehus, so wird die Probe rasch stark positiv; beseitigt man die Stauung, wird sie rasch wieder negativ. Bet den isolierten Erkrankungen der Leber, wie Lebertumoren aller Art, ebenso bet Lebersyphilis, sind die Angaben ungemein schwankend, ebenso bet den Leberver~nderungen bet myeloischer Leuk~mie, Malaria, pernizi6ser An~mie, wie auch bet Lebermetastasen. So berichten PIIERSOL und BOCKUS 14) fiber auffallend negative Befunde bet Lebertumoren und Lebersyphilis, REICHE ia) fiber negative Probe in 9 Ffillen yon sicheren Lebermetastasen. REICHE sagt ausdrficklich, dab ein negatives Ergebnis Leber- leiden kaum ausschlieBen ltil3t. Dieser Autor finder auch prompte Ausscheidung bet einer enorm groBen Leber bet myeloischer Leuk~mie. Bet Icterus haemolyticus sind die Angaben schwankend. Bezfiglich der normalen Werte 1/il3t sich nut sagen, dab der Stundenwert wohl die richtigste Grenze darstellen dfirfte, aber auch hier ergeben sich Un- stimmigkeiten, auf die besonders FRANKE (1. C.) hinweist. Die Gefithrlichkeit der Injektion, die dieser Autor hervor- hebt, wird aber yon den meisten Autoren nicht best~tigt. Diese Rosenthalsche Probe hat abet deshalb wieder neues Interesse gefunden, weil von ihr ausgehend GRAHAM 1~) und COLE die Choleeystographie entdeckten, indem sie ~hnliche, aber brom- und jodhaltige Farbstoffe ins Blur einspritzten, yon denen sich das Tetrabrom- und Tetrajodphenolphthalein am geeignetsten erwiesen. Derzeit wird die Cholecysto- graphie bet uns mit Brom- und dodtetragnost (Merck) aus- geffihrt, indem entweder 3 g Jodtetragnost injiziert oder 5- -6 g Bromtetragnost bzw. 3 g Jodtetragnost als Kapseln per os verabreicht werden [EISLER U. N'ZlRI2~)]. Die Sicht- barmachung der Gallenblase be~uht darauf, dab der Farbstoff

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aus dem Blur resorbiert und in die Gallenwege abgeschieden wird. Erfahrungsgem~13 enth~lt die Gallenblase nach 12 bis 16 Stunden so vieliarbstoffhaltige Galle, dab die Photographie normalerweise deutlich gelingt. Ver~tnderungen der Gallenblase selbst lassen sich dabei leicht feststellen ; es hat sich abet heraus- gestellt, dab auch sp~ter als normal befundene Gallenblasen sich nicht immer prompt sichtbar machen lassen. Das muB nattirlich tiberall dort zntreffen, wo mehr oder weniger deuttiche Gelbsucht besteht, da hier naturgem~g dieselben Gesetze herrschen wie beim ChlorprS.parat und die Gallen- stauung den Transport des Farbstoffes in die Galle ver- hindert. Man konnte aber auch beobachten, dab ohne Ikterus eine sp~ter als normal befundene Gallenbtase sich nicht ftillte, wie z .B. bei Lebercirrhose und Lebertumoren. Das konnte man sich nur so erkl~ren, dab eine St6rung der Leber- funktion bei diesen Fgllen schuld war, darin bestehend, dab einerseits die Aufnahme des Farbstoffes aus dem Blut und andererseits die Abscheidung in die Galle irgendwie gest6rt sein muBte. Aus diesen Verh~ltnissen heraus wurde die Forderung gestellt, vor oder bei der Cholecystographie zu- n~chst die Leberfunktion zu prfifen und bei nachgewiesener Sch~digung derselben bei der Wertung der Cholecystographie Vorsicht walten zu lassen. Die Prtifung der Leberfunktion gelingt zun~chst nicht mit den zur Photographie verwendeten Farbstoffen, weshalb vorher das Chlorpr~parat eingespritzt wurde.

Hier kommen wir nun zu dem heikelsten Punkt der ganzen Frage, in der leider einige .Verwirrung herrscht. Die hente vorliegende Erfahrung zeigt bereits, .dab die Dar- stellbarkeit der Gallenblase nicht identisch ist mit normaler Leberfunktion. Klinisch gesprochen, kann der Farbstoff aus dem Blur normal verschwinden, die Gallenblase normal darstellbar sein und trotzdem kann eine Leberkrankheit bestehen. Das kann z .B. bei Lebercirrhose zutreffen und best immt h~ufig bei Lebertumoren. Andererseits kann z. B. beim Icterus catarrhalis wie auch bei der Lebercirrhose der Farbstoff deutlich retiniert werden nnd trotzdem die Gallen- blase r6ntgenologisch bereits gut sichtbar sein. Praktisch liegt also die Situation folgendermal3en: die Nichtdarstell- barkeit der Gallenblase im R6ntgenbild ist gewil3 nut dann verwertbar, wenn der Farbstoff innerhalb einer Stunde aus dem Blur verschwunden ist. Es ist aber nicht zul~ssig, aus normalem Verschwinden des Farbstoffes und guter Darstell- barkeit der Gallenblase auf eine normale Leberfunktion zu schliegen. Ganz allgemein gesprochen ist aus der Verquickung der Leberfunktionsprtifung mit der Cholecystographie wohl ftir die letztere ein Vorteil erwachsen, in bezug auf die Leber- funktionsprtifung als solche jedoch mancher FehlschluB gemacht worden. Diese schwierigen VerhMtnisse erfordern hier eine genauere Besprechung: Wir haben schon eingangs dargelegt, dab die Priifung der Leberfunktion mit Farb- stoffen a priori an einem wesentlichen Fehler leidet, da die Ausscheidung dieser Farbstoffe mit der Galle erfolgt und daher von Gallenbereitung und Sekretion engstens abhS~ngig ist. Wit sind daher bei jeglicher Art yon manifestem Ikterus auBerstande, zu entscheiden, inwieweit die Ver~nderung des Gallenflusses als solche oder die St6rung der Funktion der Leberzelle die Verz6gerung tier Ausscheidung bewirkt. Dies hat Itir die Prtifung der Leberfunktion besonders ftir den Xliniker eine wesentliche Bedeutung, denn er mul3 auf diese Weise auf jede Differentialdiagnose innerhalb der einzelnen ikterischen FS.11e a priori verzichten. Bei den nicht ikterischen Fgllen kann die Probe in bezug auf die Prtifung der Funktion der Leberzelle ebenfalls dutch den sog. latenten Ikterus gestSrt werden, nur bei AusschluB eines solchen latenten Ikterus k6nnte ein solches Resultat auf die Leber- zelle bezogen werden. Dies kann manchmal bei Leber- cirrhose der Fall sein. Das Hauptgebiet dieser Farbstoff- proben mtil3te also dort liegen, wo sich die Lebererkrankung weder durch latenten noch dutch manifesten Ikterus verrgt, noch auch sonst durch klinische Zeichen. Solche Erkrankungen sind beginnende Cirrhosen, vielleicht auch Tumoren der Leber aller Art, ferner die Leber bei vereinzelten F~llen yon Leuk~mie, perniziSser An/imie und Malaria, eventuell

Leberzust~tnde bei den verschiedensten Infektionskrankheiten, insbesondere Lues. Auf diesem Gebiete sind durch Aldehyd- reaktion und Galaktoseprobe mancherlei latente Leber- funktionsst6rungen nachweisbar geworden. Immerhin wtirde es hier mancher Erg~Lnzung bedtirfen. Nun zeigt abet gerade die Erfahrung, dab hier auch das Grenzgebiet der Farbstoff- proben beginnt; denn alle Autoren sind dartiber einig, dab bei den erw~hnten Erkrankungen auch die Farbstoffproben v611ig unsicher werden. Theoretisch bewiesen erscheint dies dadurch, dab ROSENTHAL selbst angibt, dab erst bei Re- duktion des Leberparenchyms um 12 % die Chlorprobe anfgngt, positiv zu werden; praktisch bewiesen ist es dadurch, dab sclfon die Lebercirrhosen allgemein schwache und manchmal negative Resultate geben und Lebertumoren, insbesondere Lebersyphilis, tiberwiegend in der Literatur negative Er- gebnisse zeigen.

Wir haben uns auch ein eigenes Urteil zu verschaffen �9 gesucht, wobei lebergesunde F~lle und leberkranke mit und

ohne Ikterus zur Untersuchung kamen. Solche F~tlle betrafen benigne nnd maligne Verschlfisse der Gallenwege, akute Leberatrophie, Ikterus catarrhalis, nicht- und subikterische Cirrhosen, Lebergummen, Lebermetastasen ohne Ikterus, Hepar lobatum mit Ascites, hfimolytischen Ikterus und Basedow. Bei den drei malignen Verschltissen, bei denen reichlich Gallenfarbstoff im t31utserum vorhanden war, war die Probe sowohl im Serum als im H a m mehrere Stunden lang positiv. Ebenso positiv in Serum und H a m bei stS, rkerem Steinikterus, obwohl die 4ofache Aldehydreaktion im Harn bereits auf einsetzenden GallenfluB hinwies. Auf dem H6he- punkt yon Icterus catarrhalis war die Probe in einem Falle b i s zu 8 Stunden positiv, in einem zweiten, schw~cheren Ikterusfall schwS.cher, abet immerhin im Harn und Serum sehr deutlich. Dieser zweite Icterus catarrhalis zeigte im weiteren Abklingen, obwohl er kaum mehr gelb war und die Gallenblase sich r6ntgenologisch bereits gut darstellen lieB, noch immer deutliche Retention des Farbstoffes his zu 2 Stunden im Serum und Ausscheidung im Ham. Dal3 der Ikterus noch nicht ganz abgeklungen war, lieB sich aber auch aus der noch deutlichen Diazoreaktion im Serum und der stark positiven Aldehydreaktion im Harn erkennen. Auch die Galaktoseprobe, die bei Beginn eine Ausscheidung yon 3,5 g ergeben hatte, war unterdessen auf 2, 4 g und 1,8 g herabgesunken. Eine neuerliche Untersuchung, eine Woche spS.ter, ergab nun v611iges Schwinden des Ikterus, sowohl ~ul3erlich wie innerlich, indem der Pat ient keinen erkennbaren Ikterus mehr aufwies, die Aldehydreaktion im Harn negativ und die Diazoreaktion sowohl direkt wie in- direkt im Serum keine Spur yon Gallenfarbstoff mehr anzeigte. Die neuerlich vorgenommene Farbstoffprobe ergab nun ein negatives Resultat, erwies sich demnach in allen Stadien des Ieterus catarrhalis dem Grad der Gelbsucht parallelgehend. Von den zwei atrophischen Cirrhosen war der eine Tall stark positiv, 2 Stunden im Serum und 7 Stunden im H a m ; der zweite Fall nach 11/2 Stunden im Serum bereits schwach positiv, im H a m 4 Stunden positiv. Ein Fall yon h~mo- lytischem Ikterus, der im Serum besonders lndirekte Diazo- reaktion stark positiv zeigte, ergab ein beinahe fihnliches positives Ergebnis im Harn und Serum wie die eine Cirrhose mit der schwachen Reaktion. Bei dem Fall von Gummen der Leber zeigte sich die Reaktion im Serum bis 2 Stunden, im Harn his 4 Stunden positiv; der Fall yon luetischer Cirrhose zeigte die Ringprobe im Serum positiv nach 11/2 Stunden, im H a m noch nach 3 Stunden. Ein Tall yon akuter gelber Leberatrophie (Autopsie !) nnd ein Fall yon Cirrhosis carcino- matosa mit Ikterus (Autopsie!) reagierten ungef~hr gleich deutlich positiv, vAthrend ein Fall mit ausgebreiteten Leber- metastasen ohne Ilcterus eine ganz negative-Ringprobe gab. In einem Fall yon akutem Basedow war die Reaktion im Blut nach I u n d 2 Stunden schwach positiv, im H a m bis zu 3 Stunden nachweisbar. Bei lebergesnnden F~llen, wie Apicitis, Atherosklerose, Polyarthritis, kompensiertem Mitral- vi t ium usw., war die Probe nach einer halbert Stunde stets positiv, um nach i Stunde gew6hnlich schwach positiv oder negativ zu werden. Ebenso verhielten sich F~lle yon

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Cholelithiasis ohne Ikterus. Dabei haben wir stets auch bei normaler Serumprobe den Farbstoff im Harn, wenigstens in der ersten Stundenportion, deutlich nachweisen kSnnen.

Ein Oberblick fiber unsere eben geschilderten Resultate lehrt, dab dieselben sowohl mit den theoretischen Voraus- setzungen als auch mit den Resultaten der meisten Autoren fibereinstimmen. I3ei den ikterischen FS~llen war der Farbstoff regelmXBig steigend mit dem Grade des Ikterus retiniert. Dabei war zwischen benignem und malignem, mechanischem Ikterus, Icterus catarrhalis und Ikterus bei akuter Leber- atrophie kein Unterschied zu linden, nut der hamolytische Ikterus reagiert etwas schwacher. So hangt anch bei Chole- lithiasis die Retention des Farbstoffes lediglich vom Ikterus ab. Bei Cirrhosen, die einen nur chemisch erkennbaren, also nut latenten Ikterus zeigen, sind die Retentionen zwar schw/tcher, aber immerhin deutlich, vielleicht sogar etwas deutlicher als der latente Ikterus erwarten lieBe. Die Ver- z6gerung der Resorption ist abet im Verh/~ltnis zu den ikteri- scheii Fallen wesentlich geringer und gegenfiber den normalen Fallen kaum auf eine zweite Stunde sich erstreckend. Wit sehen also, dab die Retention des Farbstolfes in erster Linie und in den h6chsten Gradeii bei dem ausgesprochenen Ikterus welcher Natur immer zu linden ist. Bei Chotelithiasis und Icterus catarrhalis richter sich die Starke der Retent ion in erster Linie nach dem sichtbaren Ikterus; wenn der Ikterus nut mehr dutch Aldehydreaktion im Harn uiid Diazoreaktion im Serum nachweisbar ist, ist die Retent ion geringer, aber noch deutlich, also noch immer kein Hinweis auf St6rungen der Leberfunktion, sondern kann ebenso als yon der Gelb- sucht abh~ngig aufgefal3t werden. Das zeigen die Falle von Cholelithiasis uiid Icterus catarrhalis, bei denen die Retent ion in dem Moment ganz verschwindet, wo auch im Serum und H a m keiiie Zeicheii yon latentem Ikterus sich mehr finden. Bei den cirrhotischen Fallen, die wit untersucht haben, bestand wohl regelmS.13ig latenter Ikterus, der durch die Diazoreaktion im Serum nachweisbar war; hier war die Retention gr6Ber als dem latenten Ikterus entspracb. Bei all diesen F~illen war abet die Galaktoseprobe viel besser imstande, die LeberfunktionsstSrung differentialdiagnostisch nachzuweisen. 13ei den normalen und GrenzfS.11en trifft das zu, was alle Autoren bis auf FALTITSCHEK und KRASSO 11) beschreiben; es fiel die Farbreaktion im Blutserum, die nach einer halben Stunde immer ausgesprochen war, langsanl ab und war nach 1--11/2 Stunden negativ oder fraglich. Wit sehen also, dab die Farbstoffprobe bei den deutlieh ikterischen FXlleii eigentlich nicht mehr aussagt als der Ikterus selbst, bei den latent ikterischen Fallen, beim beginnenden, wie abk!ingenden Icterus catarrhalis und entsprechender Chole- lithiasis nicht mehr als dem latenten Ikterus entspricht und nur bei den Cirrhosen vielleicht etwas starker ausfallt, als sich durch den latenten Ikterus erklaren l~Bt. Die Befunde von FALTITSCHEK a n d t~RASSO bezfiglich des Grenzwertes yon 1/, Stunde konnten wit ebensowenig wie alle anderen Autoren best~tigen. Der normale Grenzwert muB anch nacb unseren Untersuchungen mit einer Stunde fixiert werden. Wfirde man dag nicht tun, sondern den Halbstundenwert oder gar den Viertelstundenwert als Grenze annehmen, so wfirde man wohl bei den allermeisten Menschen auf eine Leberfunktionsstbrung schliegen miissen.

Es soll aber hier endlich einmal nicht nur fiber mehr oder minder starke Reaktionen berichtet werden, aus denen auf eine Leberfunktionsstbrung geschlossen werden kann, sondern die ganze Frage vom klinisch-diagnostischen Standpuiikt aus beleuchtet werden. Da muB einmal Mar ausgesprochen werden, dab der Kliniker zunachst in den allerseltensten Fallen dartiber uiiorientiert bleibt, ob fiberhaupt irgendeine primS~re oder sekundfire Ver/inderung in der Leber besteht. Bei den ilcterischen Fallen ist ihm die St6rung ohne weiteres Mar; sein Interesse kann sich nur darauf beziehen, welche Art yon Leberstbrung und welche Atiologie vorhanden isf. Bei den nieht ikteriseher~ Kranken ist in der fiberwiegenden Mehrzahl der Falle offenkundig, dab irgendeine Stbrung in der Leber bestehen muB, nnd zwar auf folgende Weise: Bei der Stauungsleber, Malaria, pernizibser Anamie und Leuk~Lmie

ist die Lebervergr6Beruiig wohl meist tastbar; bei Cirrhosen und Tumoren der Leber reicht Aldehydreaktion in Harn nnd Stuhl sowie Diazoreaktion im Serum aus, eine Leberaffektion als solche zu konstatieren, viel 6fter aber 1/~13t schon der Tastbefund all Leber und Milz bei diesen Erkrankungen keinen Zweifel walten fiber das Vorhandensein der Organ- erkrankung. Fraglieh bleibt bei allen diesen Fallen nicht die Leberveranderung als solche, sondern nur die Di/]erential- diagnose. Nach den Erfahrungen aller Autoren und unseren eigenen k6nnen abet hier die Farbstoffproben nur das be- statigen, was uns die klinische Untersuchung, erganzt durch Aldehydreaktion im H a m und Diazoreaktion im Blut, lebren. Wit fiiiden aber in ihnen keinei1 weiteren Anhaltspunkt Ifir die Differentialdiagnose, ja vielfach nicht einmal ffir den t3e- stand einer Leberver~nderung fiberhaupt, wie auch aus den zitierten Befunden yon ROSENTHAL (1. C.) und REICHE (h c.) hervorgeht. Finden wir z. B. bei einem nichtikterischen Tall mit oder ohne Ascites mit sicher pathologischem, abet diagnostisch unklarem Leberbefund verl~ngerte Farbstoff- retention im Serum, so gewinnen wir aus der Farbstoffprobe doch keinen Anhaltspunkt, ob z .B . Cirrhose, Carcinom, Fet t - oder Stauungsleber oder Amyloidose besteht. Noch weniger sagen diese Proben bei jeder Art yon Ikterus, wo sie immer positiv sind. Deswegen finden wit auch in der Li teratur nut die Erwartung ausgesprochen (LEPEI~.~E, 1. C.), dab uns diese Proben in ganz wenigen Fallen, yon denen hauptsachlich die Schadigung durch Lues niid latenter Salvarsanschaden hervorgehoben wird, in Zukunft Aufkl~rung bringen k6nnten, was REICHF. beobacbtet zu haben angibt. Es soll aber gleich bier bemerkt werden, dab der eine yon uns [R. BAUERlS)] sowie NEUGEBAUER 19) sctlon langst darauf hingewiesen haben, dab bei sekund~.rer Lues dutch die Galaktoseprobe Leberfunktionsstbrungen nachweisbar sind und daher diese Probe in zweifelhaften F~tllen vor der Sal- varsanbehandlung angewendet werden soll. Der Kliniker profitiert also durch diese neue Farbstoffprobe keineswegs in bezug auf das, was ihn ja einzig iiiteressieren kann, namlich die Differentialdiagnose. Dagegen lal3t sich ohne Uber- treibung feststellen, dab die yon R. BAUER gefundene Galak- toseprobe dem Kliniker eben das leistet, was er, wenn er eine Leberveranderung klinisch und durch die Aldehyd- und Diazoreaktion festgestellt hat, weiterhin braucht. Wie oben erwahnt wurde, bringt uns die Galaktoseprobe besonders bei den so wichtigen und h~ufigen ikterischen Fallen, aber auch den nichtikterischen Erkrankungen, allein oder im Verein mit der Aldehydreaktion zu einer Differentialdiagnose, was durch die Farbstoffproben niemals gelingt. Deswegen mfissen wir als Kliniker erklaren, dab die Farbstoffproben wohl ein wesentliches theoretisehes Interesse verdienen, dab sie aber als kliniscbe Leberfunktionsprfifung wohl in den wenigsten F~llen geeignet sein werden, uns fiber das hinaus zu belehren, was wir heute durch klinische Untersuchung, Galaktoseprobe, Aldehydreaktion und Diazoreaktion bereits wissen. Zu einem ahnlichen Urteil kommt EPPINGER (Krank- heiten der Leber. Leipzig, Thieme 1926).

Dagegen ist ihre Bedeutung f fir die Prfifung der Leber- funktion eben nicht zu verwechseln mit der Wichtigkeit, die sie ffir die Untersuchung der Gallenblase durcb R6ntgen- photographie unstreitig haben. Hier ist es ffir den Unter- sucher natfirlich klar, dab er die Nichtdarstellbarkeit der Gallenblase nut dann verwerten kann, wenn er sicher ist, da[3 der Farbstoff aus dem Blute in der entsprechenden Zeit resorbiert und zur Gallenblase gebracht wurde. Ffir diesen Zweck ist diese Probe gewiB ein Fortschri t t ; wir wollten aber dutch unsere Ausffihrung klarlegen, dab diese Tatsache nicht dazu ffihren dart, diese Farbstoffproben ffir klinisch allgemein brauchbare oder gar den bisherigen Methoden fiberlegene Leberfunktionsprtifungen zu bezeichnen. Es zeigt sich fibrigens auch bier, dab zwischen Darstellbarkeit der Gallenblase und normalem Verschwinden des Farbstoffes aus dem Blut nur ein teilweiser Parallelismus besteht, indem auch verz6gerte Farbstoffresorption trotzdem mit guter Darstellbarkeit der Gallenblase einhergehen kann, wie z. t3. bei nns in je einem Tall yon luetischer Pylephlebitis und ab-

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24. SEPTEMBER 1926 KLINISCHE WOCHENSCH

kl ingendem Ic te rus ca tar rhal is . Ft i r diese F r a g e ' d e r Chole- cys tograph ie w/ire es aber no twendig , dab der e ingespr i t z t e Fa rbs to f f selbst , also das vor al lem ve rwende t e J o d t e t r a g n o s t (Merck) zngleich auch zur Fa rbs to f funk t ionsp r i i f ung v e r w e n d e t werden k6nnte . Bis j e t z t wurde j a bekann t l i ch hierzu das Chole- gnos ty l , ,Gehe" ve rwende t , i n d e m es vorhe r g e t r e n n t inj izier t wurde. In r icht iger E r k e n n t n i s dieses U m s t a n d e s h a b e n FAI.TITSCI-Ia~K u a d KRASSO (1. C.) diesen Versuch mi t dem J o d t e t r a g n o s t u n t e r n o m m e n und geben an, zu b rauchbaren , dem Cholegnostyl paral lel gehenden Resu l t a t en gekommen zu sein. Wir h a b e n diese V e r s u c h s a n o r d n u n g bei den meis ten unserer Cholegnostylfgl le angewende t , es is t uns abe t n ich t gelungen, das J o d t e t r a g n o s t i ibe rhaup t im Serum oder H a r n nachzuweisen . Die rosa fa rbenen Ringe, die m a n bei der Te t r agnos tp robe im Serum erhglt , f inden sich vor allem bei Ik te rus und sind bier wohl durch die Anwesenke i t yon Gal lenfarbs tof f zu erklaren. Es zeigt sich auch ca r kein Ab- lauf der Reakt ion , i n d e m auch das Serum vor der E insp r i t zung des Fa rbs to f fe s die gleichen schwachen Ringe zeigt. Noch schwgcher und fragl icher sind die R e a k t i o n e n bei n icht - ik te r i schen Lebe re rk rankungen . D a m i t fallen auch alle SchluBfolgerungen, die FALTITSCHEK und KRASSO 2~ ans ihren Se rumproben nach J o d t e t r a g n o s t i n j e k t i o n ziehen. Dieselben E r f a h r u n g e n h a b e n auch BEHRE~D und HEESCI{ 2I) gemacht , denen es nu r ganz vereinzel t , und wean sehr vim Fa rbs to f f im B lu t s e rum v o r h a n d e n war, gelungen ist, eine schwache R ingprobe zu e rha l tea . Desha lb h a b e n diese Au to ren in Blur und H a r n das Jod du rch Ve ra schuag nachgewiesen und glauben, auf diese Weise zu b r a u c h b a r e n Resu l t a t en zu kommen . Sie kt indigen eine wei tere Arbe i t an, doch wird jedenfal ls durch die No twend igke i t yon Veraschung yon Blur und H a m die Probe fiir den p rak t i s chen Gebrauch sehr wesent l ich er- schwert . Es le idet also bisher auch die Koa t ro l l e der Chole- cys tograph ie an e inem noch n i ch t b e h o b e n e n {3belstand.

Wir hoffen, du rch unsere Ausf t ih rungen da rge t an zu haben, dab es schon heu te auf Grund der phys ika l i schen U n t e r - suchung und mi t Hilfe der derze i t ge i ib ten F u n k t i o n s - pr t i fungen dem Kl in iker be inahe i m m e r gelingt, eine Leber- e rk rankung a n d F u n k t i o n s s t 6 r u n g als solche festzustel len, und dab er dahe r vor al lem auf dem di f fe ren t ia ld iagnos t i schen

R I F T . 5. J A H R G A N G . N r . 39 1837

Gebiet an F o r t s c h r i t t e n in te ress ie r t ist. So mul3 also sein S t reben auf die Ausges t a l t ung der d i f fe ren t ia ld iagnos t i schen Methoden ge r i ch te t sein. Die F a r b s t o f f p r o b e n abet , so sehr sie auch theore t i sches In te resse ve rd ienen und eine b r a u c h b a r e Hilfe bei der Cholecys tographie dars te l len, haben , wie aus unseren Versuchen hervorgeh t , fiir die Leber funk t ions - pr i i fung und insbesondere die Dif ferent ia ld iagnose keine wesent l iche Bere icherung gebracht , da sie e inersei ts bei den ik te r i schen F~llen, wie ja auch al lgemein b e t o n t wird, a i ch t s Wesent l iches aussagen, andererse i t s bei den n ich t ik te r i schen Grenzf~llen, wie dies fiir T u moren der Leber, ger inggradige S tauungs lebern , beg innende Cirrhosen usw. zutr i ff t , an der Grenze ihrer Le is tungsfghigke i t s tehen. Sie m6gen hbchs teas , wenn sie regelmgl3ig paral lel mi t den ande ren Leber fuak t ionspr i i fungen anges te l l t werden, manch- real in vere inzel ten Fgl len als E rggnzung d ienen kbnnen.

L i t e r a t u r : 1.) MELCHIOR, ROSENTHAL nnd LICHT, Klin. Wochenschr. 1926, Nr. 13. -- 2) HETENY, Klin. Wochenschr. 1924, Nr. 2, S. 78. -- a) GLAESSNER, Zeitschr. f. exp. Pathol. u. Therapie 4, 336. 19o7. -- a) H. STRAUSS, Berlin. klin. Wochellschr. 1898, Nr. 51, 1913, :Nr. 32. -- 5) R. BAUER, Wien. med. Wochenschr. 19o6, Nr. I und 52; Dtsch. reed. Wochenschr. 19o8, iXTr. 35; Wien. klin. Wochenschr. 1912, Nr. 24; Wien. Arch. f. inn. Med. 6. 1923. -- 6) STEYSKAL und GRI~INWALD, Wien. klin. Wochenschr. 19o9, Nr. 3 o. -- ~) HI]MANS VAN D. BERGH, Der Gallenfarbstoff im Blut. Leipzig I918. -- s) GREEN, VICAR, WALTER ROWIgTREE, ArCh. of internal reed. 1925, 36, siehe auch ISAAC, Ergebn. d. inn. Med. 1925 . _ o) Mc NEIL, KongreBzentralbl. aI, 536. 1922. -- 1.6) ROSEN- THAL und FALKENHAUSEN, Berlin. klin. Wochenschr. 1921, Nr. 44 und Klin. Wochenschr. 1922, Nr. 17. -- 11) LEPEHNE, Berlin. klin. Wochenschr. 1921, Nr. 49 und Mfinch. reed. Wochenschr. 1922, Nr. io; HATIEGANU, Ann. de reed. 1921 , 1Yr. io. -- 1.2) S. M. ROSEIV- THAL, Journ. of the Americ. reed, assoc. 1922, 79. 1924, 83, lO49- -- la) WALTERS, Kongrel3zentralbl. 41, 376, 377, 842. -- 1.4) PIERSOL und BOCKUS, Journ. of the Americ. reed. assoc. 83. 1924. -- 1.5) REICHE, Med. Klinik 1926, Nr. 8. -- 1.6) GRAHAM 1.l. COLE, Journ. of the Americ. reed. assoc. 82. 1924 . -- 1~) FALTITSCHEK und KRASSO, Wien. klin. Wochenschr. 1926, Nr. 14. -- 16) R. BAUER, Lues und innere Medizin. Wien: Deuticke 191o. -- 1.9) ~X~EUGEBAUER ' Wien. klin. Wochenschr. 1912, Iqr. 14. -- 2o) FALTITSCHEK und KRASSO, Wien. klin. Wochen- schrift 1926, Nr. 23. -- 21.) BEHREND und HEESCH, Med. Klinik 1926, Nr. 20. - - 22) EISLER U. Nu Wien. klin. V%rochenschr. 1925, Nr. 42.

REFERATENTEIL. DAS PROBLEM DER MESSEINHEIT IN DER

DOSIERUNG DER RONTGENSTRAHLEN. Von

P r i v a t d o z e n t Dr . H. K/ZSTNER, G b t t i n g e n .

R6~TGEIV entdeckte die nach ihm benannten Strahlen im Jahre 1895. Unmittelbar darauf wurde ihre biologische Wirkung erkannt und schon 1896 machte FREtTND den Versuch, die Wirkung der R6ntgenstrahlen auf Gewebe zu Heilzwecken zu verwenden und begriindete damit die R6ntgentherapie. Naturgemgl3 entstand hier- mit auch das Bediirfnis nach einer Dosierung der R6ntgenstrahlen.

Fast alle Wirkungen der R6ntgenstrahlen wurden im Laufe der Zeit herangezogen, nm auf sie ein Mel3verfahren aufzubauen. Indessen war es nut selten m6glich, diese verschiedenartigen Wirkungen der R6ntgenstrahlen quanti tat iv in Beziehung zu- einander zu setzen, und so mui3te jedem Mel3verfahren eine be- sondere MeBeinheit zugrunde gelegt werden. Mit den gewaltigen Fortschri t ten der R6ntgentherapie wuchsen die Anforderungen der Praxis an die Mel3genauigkeit und damit an die wissenschaft- liche und technische I)urchbildung der Mel~verfahren und -ger~te. Dies ist der Grund daiflr, dab die mit einem bestimmten Ver- fahren verbundene MeBeinheit zu der oder jener Epoche der Rbntgentherapie vorherrschend war, und dal3 sich noch heute ver- schiedene MeBeinheiten bek~mpfen, indem sie die gr613ere Mel3- genauigkeit ftir das ihr zugeh6rige Verfahren in Anspruch nehmen. Das Problem der MeBeinheit ist daher unzertrennbar yon dem Problem der Mel3technik, nnd wir k6nnen beide nur genleinsam behandeln.

Die Erfolge der R6ntgentherapie lassen keinen Zweifel bestehen, dab wir die R6ntgenstrahlung als Medikament betrachten mtissen. Aber zwischen der I)osierung yon Arzneimitteln und R6ntgen- strahlen besteht ein grundlegender Unterschied. Bei den Arznei- mitteln wird vom Patienten die verabfolgte Dosis stets restlos aufgenommen; im Gegensatz hierzu wird yon den verabfolgten R6ntgenstrahlen nur ein bestimmter BruehteiI vom Gewebe absorbiert, und zwar um so weniger, je durchdringungsf~ihiger die Strahlung ist. Der Rest der Strahlnng tr i t t ungenutzt wieder aus dem Gewebe aus. Ein anderer wiehtiger Untersehied der R6ntgen- strahlen anderen Arzneimitteln gegeniiber ist der, dab wit sie his zu einem gewissen Grade auf bestimmte K6rperteile allein wirken lassen k6nnen, indem wir ein geeignetes Biindel ausblenden.

Am Anfang der Dosimetrie steht daher die Frage, die auch Iiir die Wahl der Einheit entscheidend ist: Sollen wir die applizierte oder die absorbierte Strahlung dosieren?

Das oberste Gesetz aller Naturwissenschaft ist dasjenige yon der s der Energie. Energie kann nie entstehen oder ver- gehen, sie kann nut ihre Erscheinungsform gndern. Das Gesetz yon der Erhaltung der Energie gilt auch ffir alle biologischen Umsetzungen. Es war daher durchaus logisch, wenn CHRISTEN die im Gewebe absorbierte R6ntgenenergie als MaB fiir die biolo- gische ~Virkung der R6ntgenstrahlen ansah. Hiernaeh were die Dosismessung auf die Energiemessung der R6ntgenstrahlen auf- zubauen. Dem stehen aber heute noch nntiberwindliehe Schwierig- keiten entgegen. Erstens wird yon der absorbierten Energie nur ein Bruchteil zur biologischen Umsetzung ansgenutzt. Dieser Bruchteil kann ffir verschieden harte Strahlen und fiXr verschiedene biologische Objekte (Carcinom, Sarkom usw.) verschieden sein: