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Unterrichtsreihe zu Ein- und Aussegsprozessen in der rechtsextremen Szene

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Vorbereitung EXIT-Vortrag

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Unterrichtsreihe zu Ein- und Ausstiegsprozessen

in der rechtsextremen Szene

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Titel der Audio-CD

01 Biografie Matthias Adrian02 Biografie Nick Greger03 Biografie Christine Hewicker04 Einstieg Matthias Adrian05 Einstieg Nick Greger06 Einstieg Christine Hewicker07 Festigung Matthias Adrian08 Festigung Nick Greger09 Festigung Christine Hewicker10 Zweifel Matthias Adrian11 Zweifel Nick Greger12 Zweifel Christine Hewicker13 Ausstieg Matthias Adrian14 Ausstieg Nick Greger15 Ausstieg Christine Hewicker

Gesprochen vonSophia Oppermann – Biografien und „Zitate“ Christine HewickerOle Tillmann – „Zitate“ Matthias AdrianKlaas Heufer-Umlauf – „Zitate“ Nick Greger

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Einführung

Rechtsextreme sind für die Öffentlichkeit nicht mehr allein durch Äußerlichkeiten wie Glatzen, Springerstiefel und Bomberjacken zu erkennen; auch die Wege in die rechtsextreme Szene werden immer vielfältiger.

Wurde rechtsextremes Gedankengut noch vor einigen Jahren lediglich in bestimm-ten Subkulturen offen zur Schau gestellt, fassen Rechtsextreme nun zunehmend auch in anderen Jugendkulturen Fuß. Es gibt Hip-Hop mit rechtsextremen Texten, und einschlägige Bekleidungsmarken bieten neben der klassischen Bomberjacke und dem biederen Lodenmantel lifestyle-orientierte Kleidung wie Sweatshirts im Skater-Look oder T-Shirts mit rechten Parolen im Graffiti-Stil an. Neben diesen sichtbaren Bekenntnissen zum rechtsextremen Gedankengut bietet derzeit vor allem das Internet einen einfachen und niedrigschwelligen Einstieg in die rechts-extreme Erlebniswelt, der für Außenstehende weitgehend unbemerkt bleibt.

Diese Veränderungen stellen auch die Präventionsarbeit gegen Rechtsextremis-mus vor neue Herausforderungen, und die Schule spielt hierbei eine besondere Rolle. Denn auch wenn SchülerInnen in der 9. oder 10. Klasse nur in den seltensten Fällen bereits der organisierten rechtsextremen Szene angehören, ist die Schule ein sehr wichtiger Rekrutierungsraum für den rechtsextremen Nachwuchs.

Außerdem sind in der Schule auch Jugendliche vereint, die ansonsten für eine Rechtsextremismus-Präventionsarbeit nur sehr schwer zu erreichen sind. Diese Chance gilt es zu nutzen. Das vorliegende AussteigerInnen-Modul bietet Ihnen hierzu eine Möglichkeit.

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Die Arbeit mit Biografien von AusteigerInnenIn öffentlichen Debatten wird der Rechtsextremismus häufig nicht mehr als ein Phänomen behan-delt, das soziale und politische Ursachen hat. Stattdessen werden die TrägerInnen rechtsextre-mer Ideologie als ein diffuses „Böses“ dargestellt und ihre Ansichten als gegeben angenommen. Wir haben uns bei diesem Unterrichtsmodul bewusst für die Arbeit mit AussteigerInnenbio-grafien entschieden, da diese eine Innenperspektive auf das Thema Rechtsextremismus eröff-nen. Interne Zusammenhänge der rechtsextremen Szene werden authentisch und auf einer per-sönlichen Ebene thematisiert.

Die Biografien zeigen Rechtsextreme nicht nur als eine abstrakte Bedrohung, sondern als Men-schen, deren konkreter Lebensweg sie in die rechtsextreme Szene führte. So wird deutlich, dass Rechtsextreme nicht mit einer bestimmten politischen Einstellung geboren werden, sondern sich durch ihr Umfeld und ihre eigenen Entscheidungen zu Angehörigen dieser Szene entwi-ckeln. Dieses Bild entspricht in der Regel auch eher den Wahrnehmungen von Jugendlichen, die Rechtsextreme aus ihrem persönlichen Umfeld, z.B. als „netten Freund der älteren Geschwister“ oder als „Fußballtrainer, der sich auch abseits des Sportplatzes um uns kümmert“, kennen. Durch die Tatsache, dass die späteren AussteigerInnen während der Pubertät ihre ersten Kontakte zur rechtsextremen Szene knüpften und somit in einem ähnlichen Alter waren wie Ihre SchülerIn-nen, können diese Bezüge zu ihrer eigenen Lebensrealität herstellen.

Klassische Themen der extremen Rechten – NPD-Infomaterial, © Archiv work 404

Unser Ansatz Wir haben für dieses Modul einen Ansatz gewählt, der die selbstschädigenden Aspekte eines Engagements in der rechtsextremen Szene in den Mittelpunkt rückt: Ausgrenzung aus dem sozi-alen Umfeld, Aufgeben des Berufs, Verlust von Freundschaften und Anerkennung. Weit entfernt davon, das Bedrohungspotenzial durch Rechtsextreme herunterspielen oder verharmlosen zu wollen, wählten wir hierbei eine nicht-moralisierende Herangehensweise. Hiervon versprechen wir uns eine offene Beschäftigung mit dem Thema Rechtextremismus, die bei den SchülerInnen keine Abwehrreaktionen hervorruft. Gründe für eine mögliche Attraktivität der rechtsextremen Szene werden thematisiert, aber ebenso über die selbstschädigenden Folgen rechtsextremen Engagements informiert. Auch wenn dieses Modul für die Arbeit mit gefährdeten Jugendlichen entwickelt wurde, profitieren von unserem Ansatz auch SchülerInnen, die nicht akut gefährdet sind, in die rechtsextreme Szene abzurutschen. SchülerInnen, die Freunde oder Bekannte in der rechten Szene haben und sich um diese sorgen, bekommen eine Argumentationshilfe, Schüle-rInnen die keinerlei derartige Kontakte haben, werden über aktuelle Entwicklungen in der extre-men Rechten informiert.

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Integration in den RegelunterrichtDas Modul umfasst insgesamt zehn Schulstunden, die als fünf Doppelstunden zusammengefasst sind. Es eignet sich deshalb zum kontinuierlichen Einsatz über fünf Wochen. Für die 2. Sitzung bieten wir zwei Varianten an: „Comic“ oder „Szenische Darstellung“. Sie können natürlich auch beide Methoden nacheinander durchführen. Durch den produktorientierten Ansatz eignet sich das Material aber ebenfalls für ganze Projekttage.

Das MaterialDas AussteigerInnen-Modul ist für SchülerInnen der 9. und 10. Klassen an Haupt-, Real- und Gesamtschulen konzipiert. Die Arbeitsmaterialien sind in einer leicht verständlichen Sprache verfasst. Als Grundlage dienen Biografien von drei AussteigerInnen, die ihre Aktivitäten in der rechtsextremen Szene in ihren Autobiografien verarbeitet haben. Wir haben vier Stationen ihrer „Karriere“ in der rechten Szene ausgewählt. Die Textauszüge aus den Biografien stellen wir zum einen in Textform zur Verfügung. Zusätzlich haben wir die Passagen vertont und stellen sie auf beiliegender Audio-CD zur Verfügung. Von den eingesprochenen Texten versprechen wir uns eine unmittelbare und direkte Ansprache.

Ziele des Moduls Wir geben Ihnen zusätzlich Informationen über die aktuelle rechtsextreme Szene und ihre Ak-tivitäten. Die Unterrichtsreihe gibt Ihnen die Möglichkeit, anhand der individuellen Biografien von drei politisch Aktiven, die Anziehungskraft, Arbeitsweise und Mechanismen für Ihre Schü-lerInnen nachvollziehbar zu machen. Das pädagogische Material bietet in dieser Form erstmals Unterrichtseinheiten, die sich interaktiv und produktorientiert mit dem Thema „Rechtsextreme Szene“ beschäftigen. Wir zeigen die Attraktivität dieser Gruppen, aber auch die Konsequenzen der Zugehörigkeit.

Durch die Arbeit am AussteigerInnen-Modul sollen rechtsextremistisch gefährdete Jugendliche über die selbstschädigenden Effekte eines Engagements in der rechtsextremen Szene aufgeklärt werden. Das Modul soll Jugendlichen, die nicht akut gefährdet sind, Hintergrundwissen über die rechtsextreme Szene vermitteln.

Beschlagnahmte Neonazi-Devotionalien

©Archiv EXIT-Deutschland

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Aufbau und Ablauf

Inhaltlich gliedert sich das Modul in fünf Teile, von denen der erste in das Thema einführt, bevor dann vier – für die Biografien von AussteigerInnen charakteristische – Phasen bearbeitet werden:

Einstieg – Festigung – Zweifel – Ausstieg

Das Modul verfolgt einen produktorientierten Ansatz. Das Ergebnis der fünf Sitzungen sind Plakate, auf denen die Biografien der AussteigerInnen veranschaulicht werden. Außerdem soll auf den Plakaten Hintergrundwissen zum modernen Rechtsextremismus vermittelt werden. Zum Einsatz kommen während des Arbeitsprozesses Methoden, die das kreative Potenzial der Schü-lerInnen fordern (das Zeichnen von Comics oder das Nachspielen von Szenen aus dem Leben der AussteigerInnen), aber auch klassische Textarbeit. Durch die kontinuierliche Arbeit an einem Produkt wird bei den SchülerInnen der Ehrgeiz geweckt, sich durch aktive Mitarbeit am Prozess zu beteiligen.

Mit Ausnahme der ersten Sitzung bildet die Arbeit mit den Biografien der AussteigerInnen Matthias Adrian, Nick Greger und Christine Hewicker den Kern der einzelnen Unterrichtsein-heiten. Um sich den Lebensläufen der AussteigerInnen zu nähern, werden Auszüge aus ihren Autobiografien gehört (Audio-CD). Anschließend werden Aufgaben zu den gehörten Texten be-arbeitet, die die Beschäftigung mit den Inhalten vertiefen. Diese Aufgaben unterscheiden sich von Sitzung zu Sitzung deutlich und hängen jeweils von der gewählten Zielsetzung der Unter-richtseinheit ab.

Inhaltliche Übersicht

EinleitungIn diesem ersten Teil wird grundsätzlich in das Thema Rechtsextremismus eingeführt. Vor-handenes Wissen der SchülerInnen wird gesammelt, Klischeevorstellungen hinterfragt und Faktenwissen vermittelt.

EinstiegZum ersten Mal wird mit den Biografien der AussteigerInnen gearbeitet. Anziehungsfaktoren der rechtsextremen Szene werden thematisiert und Bezüge zur Lebenswelt der SchülerInnen hergestellt.

Festigung Die rechtsextremen Ansichten festigen sich, das Engagement wird intensiviert. In dieser Phase werden unterschiedliche rechtsextreme Szenen behandelt und Faktenwissen über einzelne rechtsextreme Organisationen vermittelt.

ZweifelDie AussteigerInnen bekommen Zweifel am eigenen Handeln. Selbstschädigende Aspekte rechtsextremer Betätigung werden thematisiert, Widersprüche zwischen dem ideologischen Anspruch und der Realität rechtsextremer Lebenswelten werden aufgezeigt.

AusstiegDie AussteigerInnen fassen den Entschluss, der rechtsextremen Szene den Rücken zu kehren. Den SchülerInnen wird vermittelt, dass Rechtsextremismus kein zu ertragendes Schicksal und keine Einbahnstraße ist, sondern die Folge von getroffenen Entscheidungen. Die Bedeutung des eigenen Willens wird herausgearbeitet.

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Literatur:

Adrian, Matthias (2002): Meine Tausend Jahre. In: Zentrum Demokratische Kultur (Hrsg.): „…dann hab‘ ich mir das Hitlerbärtchen abrasiert“. Exit – Ausstieg aus der rechtsextremen Szene. Bulletin 2/2002, S.16-30. Leipzig: Ernst-Klett Verlag.

Greger, Nick W. (2005): Verschenkte Jahre. Berlin: Zentrum Demokratische Kultur.

Hewicker, Christine (2001): Die Aussteigerin. Autobiographie einer ehemaligen Rechtsextremistin. Oldenburg: Igel-Verlag.

Weitere Angebote

Wenn Sie die Thematik vertiefen wollen, können Sie sich auch an die Aussteiger-Initiative EXIT-Deutschland wenden. Interessierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen bietet EXIT-Deutsch-land in Seminaren und Workshops die Möglichkeit, sich einen Überblick über rechtsextremisti-sche Entwicklungen in Deutschland zu verschaffen, Handlungsoptionen zu erschließen und zu diskutieren. Durch die EXIT-typische Einbindung von Aussteigern aus der rechtsextremen Szene sowie erfahrenen Extremismus-Experten kann den TeilnehmerInnen aktuelles Wissen über die rechte Szene vermittelt werden, verbunden mit einer Sicht von innen, die subjektive Beweggrün-de, Glaubenssysteme und ideologische Abwehrmechanismen verstehen lässt und damit angreif-bar macht.

Kontakt: [email protected]

Auch die extreme Rechte hat die Globalisierungs-kritik für sich entdeckt; ©Archiv EXIT-Deutschland

Autonome Nationalisten mit revolutionärer Rhetorik ©Archiv EXIT-Deutschland

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Zeit Arbeitsphase Ziele Vorbereitung:Medien, Material, Technik

2 min Begrüßung,Ablaufplanvorstellen

Das Thema der Sitzung wird erfasst, dem Verlauf der Unterrichtseinheit kann besser gefolgt werden

Schreiben Sie den Ablaufplan der folgenden Doppelstunde an die Tafel:

• Einführung • „Mal´ mir mal einen Nazi!“• Gruppenarbeit (rechtsextreme Szene)• Ergebnispräsentation

Tafel

Inhalt und Methode,Anmerkungen

3 min Die SchülerInnen erhalten einen Überblick über die folgenden Sitzungen

Siehe Methode (S. 8)„Mal‘ mir mal einen Nazi!“

40 min „Mal‘ mir mal einen Nazi!“

Vorstellungen über das Aussehen und die Ideologie von Angehörigen der rechtsextremen Szene werden thematisiert und visualisiert

Erklären Sie Ihren SchülerInnen, dass in den kommenden fünf Doppelstunden die Lebensläufe von ehemaligen Rechtsextremen behandelt werden, die aus der Szene ausgestiegen sind. Weisen Sie darauf hin, dass im Laufe des „AussteigerInnen-Moduls“ Plakate mit den Lebens-läufen der AussteigerInnen angefertigt und hierfür in den einzelnen Sitzungen Zeichnungen erstellt und Arbeits-blätter bearbeitet werden.

Erklären Sie Ihren SchülerInnen, dass die Biografien der Aus-steigerInnen erst in der nächsten Doppelstunde besprochen werden und die kommenden zwei Unterrichtsstunden zur Einführung ins Thema dienen.

Stifte in verschiedenen Farben,leere Plakate (mindestens Größe A2)

1. Sitzung Erscheinungsformen der extremen Rechten

THEMATISCHE EINFÜHRUNG

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Zeit Arbeitsphase Ziele Vorbereitung:Medien, Material, Technik

Inhalt und Methode,Anmerkungen

Die SchülerInnen stellen die Ergebnisse ihrer Gruppenarbeit der Klasse vor. Diese werden stichpunktartig an der Tafel protokolliert.Während der Vorstellung der Ergebnisse werden die Arbeits-blätter mit den Fotos der rechts-extremen Gruppen aus den unterschiedlichen Szenen herum-gereicht, um auch den Schüler-Innen, die nicht in der jeweiligen Arbeitsgruppe waren, einen visuellen Eindruck zu vermitteln.

Fragen Sie im Anschluss die SchülerInnen, ob ihnen diese unterschiedlichen Gruppierungen bekannt waren.

15 min

Klischeevor-stellungen werden hinterfragt und Hintergrundwissen für die folgenden Sitzungen vermittelt

Unterschiedliche Spektren inner-halb der extremen Rechten werden kennengelernt und Differenzen inner-halb der rechts-extremen Szene wahrgenommen

Nehmen Sie die Zeichnungen aus der ersten Stunde hervor und stellen Sie diese den neu- gewonnenen Erkenntnissen gegenüber. Versuchen Sie mit den Schüler-Innen die Frage zu klären, warum häufig Klischeebilder von der extremen Rechten vorherrschen.

10 min

20 min Gruppenarbeit„Information über rechte Szenen“

Hintergrund-informationen über Szenen inner-halb der extremen Rechten werden gewonnen

Teilen Sie die Klasse in vier Arbeitsgruppen ein und verteilen Sie an jede Arbeitsgruppe Arbeits-blätter zu jeweils einer der rechten Szenen.

Mit Hilfe der Arbeitsblätter beantworten die SchülerInnen innerhalb der Arbeitsgruppen folgende Fragen, die vorher an die Tafel geschrieben werden:

- Wie kleiden sich die Angehörigen dieser Gruppe?- Wie verhalten sie sich in der Öffentlichkeit?- Warum verhalten sie sich so?- Welche Ziele vertreten sie?

Tafel,Arbeitsblätter 1-3„Rechtsextreme Szenen“

1. Sitzung Erscheinungsformen der extremen Rechten

Vorstellung der Ergebnisse der Arbeits-gruppen

Abschluss-diskussion

Tafel

Tafel, Zeichnungen aus der ersten Stunde

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1. Sitzung MAL‘ MIR MAL EINEN NAZI!METHODEN- BLATT

Die SchülerInnen setzen sich mit ihren Vorstellungen über die rechtsextreme Szene auseinander. Die Teamarbeit lässt die Schüler-Innen über typische äußere Merkmale Rechtsextremer miteinander in Diskussion treten.

Durch den Austausch über die verschiedenen Wissensstände wird so eine Grundlage für die weitere Arbeit geschaffen.

Geeignet für Klassengrößen von bis zu 30 SchülerInnen

Diese Methode bietet einen guten Einstieg in das darauffolgende AussteigerInnen-Modul. Verbreitete Klischeevorstellungen können thematisiert und Fakten- wissen abgerufen werden.

Lernziele Didaktisch-methodischer Kommentar

Ablauf

Mögliche Diskussionsfragen sind hierbei zum Beispiel:

• Welche Ähnlichkeiten sind auf den Plakaten festzustellen?

• Warum sind die gezeichneten Personen in aller Regel männlich?

• Woher bezieht ihr Euer Wissen über die rechtsextreme Szene?

• Habt Ihr selbst Erfahrungen mit Rechtsextremen gemacht?

Bedingungen

Zeit: 15 Minuten

Materialien: vier leere Plakate (möglichst großes Format, mindestens A2), mehrere farbige Stifte

THEMATISCHE EINFÜHRUNG

Zuerst werden die SchülerInnen in vier Gruppen eingeteilt. Anschließend bekommen sie den Auf-trag, in Teamarbeit eine rechtsextreme Person zu zeichnen. Hierbei sollen sie sich an den eigenen Vorstellungen und dem eigenen Wissen über Rechtsextreme orientieren. Gestalterische Vor-gaben sollen nicht gemacht werden.

Die Zeichnungen der einfachen Körperumrisse sollen zum Einen mit typischen Accessoires aus-gestattet werden, zum Anderen werden bestimm-ten Körperteilen Fragen zugeordnet, die es zu beantworten gilt (Kopf: Was denkt er/sie?, Hand: Was tut er/sie?, Bauch/Herz: Wie fühlt er/sie sich?, Füße: Was ist sein/ihr Umfeld? Wo steht er/sie?). Als Hilfestellung wird ein Strichmännchen mit den jeweiligen Fragen an die Tafel gezeichnet.

Die SchülerInnen haben nun ca. 15 Minuten Zeit, ihre Figur zu zeichnen und die Fragen zu beant- worten. Anschließend werden die Plakate im Klassenraum ausgestellt, und die „KünstlerInnen“ präsentieren den anderen ihre Zeichnungen.

Nachdem die einzelnen Zeichnungen vorgestellt wurden, diskutieren Sie mit Ihren SchülerInnen über die von ihnen dargestellten Rechtsextremen.

Anmerkung:

Achten Sie darauf, dass eventuellen Sympathisanten mit der rechten Szene keine Möglichkeit geboten wird, sich vor der Klasse zu profilieren.

Besondere Gefahr besteht hier, wenn SchülerInnen von positiven Erfahrungen mit Rechtsextremen be-richten.

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Autonome Nationalisten

Die „Autonomen Nationalisten“ sind eine relativ neue Strömung innerhalb der extremen Rech-ten in Deutschland. Auch wenn es „Autonome Nationalisten“ gibt, die Mitglieder rechtsextremer Parteien sind, sehen sich „Autonome Nationalisten“ als radikale und kämpferische Alternative zum Parteiensystem. Im Gegensatz zu den eher konservativ und fast spießig auftretenden rechts-extremen Parteien, versuchen „Autonome Nationalisten“ eher, Jugendliche anzusprechen, die etwas Aufregendes erleben möchten und Action suchen.

Obwohl sie Demokratie ablehnen, einen Führerstaat errichten wollen und rassistische Ansichten vertreten, orientieren sie sich in Auftreten und Aussehen an der linken Szene. Durch das Tragen schwarzer, sportlicher Kleidung, das Umdichten linker Slogans und das Umdeuten linker Symbole sind die „Autonomen Nationalisten“ für Außenstehende oft sehr schwer als Rechtsextreme zu erkennen.

Arbeitsblatt 1 „RECHTSEXTREME SZENEN“ Sitzung 1

Ihr Verhalten führt jedoch auch zu einigen Widersprüchen innerhalb der rechtsextremen Szene:

• Es ist widersprüchlich, sich „autonom“ (selbstbestimmt, eigenverantwortlich) zu nennen und einen Führerstaat mit unbedingtem Gehorsam errichten zu wollen.

• Innerhalb der „Autonomen Nationalisten“ engagieren sich auch zahlreiche Frauen, was dem klassischen Rollenbild innerhalb der Rechten (Hausfrau und Mutter) widerspricht.

• Auch innerhalb der rechtsextremen Szene sind die „Autonomen Nationalisten“ umstritten, da ein Verschrecken gemäßigterer Wähler durch ihr radikales Auftreten befürchtet wird.

Autonome Nationalisten auf einer Demonstration; Archiv EXIT-Deutschland

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Rechte Parteien

In der Bundesrepublik Deutschland gibt es mehrere Parteien, die als „rechtsextrem“ eingestuft werden können. Neben kleineren Parteien, den Republikanern und der DVU ist hier vor allem die NPD zu nennen, die derzeit mitgliedsstärkste und einflussreichste rechtsextreme Partei in Deutschland.

In ihren Positionen unterscheiden sich die Parteien teilweise stark voneinander, ihnen gemein-sam sind jedoch bestimmte Ansichten:

Arbeitsblatt 2 „RECHTSEXTREME SZENEN“ Sitzung 1

In Deutschland ist der positive Bezug auf den Nationalsozialismus und die offene Ablehnung der Demokratie für Parteien nicht erlaubt. Um ein Verbot zu vermeiden, bewegen sich die rechts-extremen Parteien deshalb häufig an der Grenze zum Verbotenen. In der Öffentlichkeit halten sie sich mit radikalen Äußerungen zurück und das Erscheinungsbild ihrer Mitglieder ist eher un-scheinbar bis ordentlich, nicht zuletzt um konservative WählerInnen nicht zu verschrecken.

Neonazi-Aufmarsch; ©Archiv EXIT-Deutschland

Die Bedeutung des „Nationalen“ und „Deutschen“ wird sehr stark betont.

Rechtsextremisten treten in aller Regel für ein politisches System ein, in dem der Staat und das Volk eine untrennbare Einheit bilden. Wer zu diesem „Volk“ gehört, bestimmt sich für rechte Parteien in der Regel durch die Abstammung. „Fremde“ gehören nicht zum Volk. Als fremd gelten zum Beispiel „Ausländer“, Moslems und Juden.

Die Demokratie der Bundesrepublik Deutschland wird abgelehnt und stattdessen ein „starker Staat“ gefordert, in dem demokratische Wahlen oder abweichende politische Meinungen nicht vorgesehen sind.

• •

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Rechte Skinheads

Die Skinhead-Bewegung entstand gegen Ende der sechziger Jahre in den Arbeitervierteln Lon-dons. Die extremen Kurzhaarfrisuren ihrer Anhänger sind vor allem als Abgrenzung von den da-mals modischen Haarschnitten und den langen Mähnen der Hippies entstanden. Die ursprüng-lichen Skinheads, zu denen auch viele schwarze Einwanderer aus Jamaika gehörten, definierten sich vor allem über ihre Zugehörigkeit zur Arbeiterklasse und waren nicht rechtsextrem.

Die rechtsextreme Skinheadbewegung entwickelte sich in den achtziger Jahren in Großbritanni-en, verbreitete sich aber schnell in ganz Europa und auch in Deutschland. Auch wenn die Mehr-heit der Skinheads nie rechtsextrem war, verband man in der Öffentlichkeit bald schnell das Thema Rechtsextremismus mit jungen Männern mit kahlrasierten Köpfen, Bomberjacken und Springerstiefeln.

In der Regel haben die rechtsextremen Skinheads keine einheitlichen politischen Ansichten oder Forderungen. Wichtig ist für sie eher ein starker Gruppenzusammenhalt, gemeinsame Unter-nehmungen und der Besuch von Szene-Konzerten. Trotzdem stellen rechtsextreme Skinheads eine Gefahr dar: Gerade im Alkoholrausch kommt es immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen auf „Ausländer“, politisch Andersdenkende und andere, die nicht in das Weltbild der rechten Skinheads passen.

In der öffentlichen Wahrnehmung ist Rechtsextremismus immer noch fest mit dem Bild vom Skinhead in Bomberjacke und Springerstiefeln verbunden. Tatsächlich gibt es aber immer we-niger rechtsextreme Skinheads in Deutschland. Die rechtsextreme Skinheadszene kann immer weniger Jugendliche begeistern und ehemalige Skinheads sind jetzt in der Hooliganszene oder bei den „Autonomen Nationalisten“ aktiv.

Arbeitsblatt 3 „RECHTSEXTREME SZENEN“ Sitzung 1

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EINSTIEG – SITZUNGSVARIANTE „COMIC“

Zeit Arbeitsphase Ziele Vorbereitung: Medien, Material, Technik

5 min Ablaufplanvorstellen

Das Thema der Sitzung wird erfasst, dem Verlauf der Unterrichtseinheit kann besser gefolgt werden

Fragen Sie Ihre SchülerInnen, ob sie sich daran erinnern können, was in der letzten Sitzung gemacht wurde.

Erklären Sie Ihren SchülerInnen, dass in der folgenden Doppelstunde zum ersten Mal die Biografien der Aus-steigerInnen behandelt werden und dieses Mal der Einstieg in die rechts-extreme Szene thematisiert wird. Schreiben Sie den Ablaufplan der folgenden Doppelstunde an die Tafel:

• Audiobeiträge zum Thema „Einstieg“• Comics zeichnen• Comics präsentieren• Abschlussdiskussion

Tafel

Inhalt und Methode,Anmerkungen

25 min Hören der Audiobeiträge zum Thema „Einstieg“

Gründe für eine mögliche Attraktivi-tät der rechts-extremen Szene werden erkannt

Die SchülerInnen werden in drei Arbeitsgruppen eingeteilt, die jeweils ein Plakat für einen Aussteiger/eine Aussteigerin erarbeiten (siehe S. 27).Diese Arbeitsgruppen bleiben auch in den folgenden Unterrichtseinhei-ten bestehen. Nach der Gruppenein-teilung erhalten die SchülerInnen das Arbeitsblatt „Zitate“ ihres Aussteigers/ihrer Aussteigerin. Außerdem erhält jede Arbeitsgruppe vier Exemplare des Arbeitsblatts „Comic-Vorlage“.

CD-Player,Tafel

15 min Gruppen-arbeit

Unterschiedliche Gründe für eine mögliche Attraktivi-tät der rechtsextre-men Szene werden erkannt und mit Bedürfnisstrukturen von Jugendlichen in Verbindung gebracht

Spielen Sie den SchülerInnen den ers-ten Hörbeitrag zum Thema „Einstieg“ von der CD vor (Titel 04).

Fordern Sie Ihre SchülerInnen auf, sich Notizen zu folgenden Fragen zu machen. Schreiben Sie diese an die Tafel:

• Aus welchem Umfeld (Familie, Wohnort etc.) stammt der/die Betreffende?• Wie kommt die Person mit Rechts- extremen in Kontakt?• Welche Gründe für das Interesse an der extrem rechten Szene werden genannt?

Sammeln Sie die Antworten durch Zuruf oder Melden und schreiben Sie diese an die Tafel.Anschließend werden diese Arbeitsschritte ebenfalls für die beiden anderen AussteigerInnen mit den Hörbeiträgen 05 und 06 durchgeführt.

Arbeitsblätter 4-6„Zitate“, Arbeitsblatt 7„Comic-Vorlage“,Plakatpapier (möglichst groß, mindestens DIN A1)

2. Sitzung Die AussteigerInnen kommen mit der rechtsextremen Szene in Kontakt

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Zeit Arbeitsphase Ziele Vorbereitung: Medien, Material, Technik

Inhalt und Methode,Anmerkungen

In einem „Galerie-Rundgang“ wer-den die Comics der Klasse der Reihe nach präsentiert. Um den Eindruck der gezeichneten Bilder zu verstär-ken, können die passenden Zitate von der CD vorgespielt werden. Anschließend erläutern die Arbeits-gruppen ihren MitschülerInnen die Comics. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf dem Herausarbeiten der jeweiligen Einstiegsmotive.

20 min

Handlungsalter-nativen zum Ein-stieg in die rechts-extreme Szene können entwickelt werden

Die mögliche Attraktivität der rechtsextremen Szene wird mit Bedürfnisstrukturen von Jugendlichen in Verbindung gebracht

Lassen Sie Ihre SchülerInnen über die dargestellten Einstiegsmotive diskutieren. Mögliche Fragen sind hier: • Was bieten die rechtsextremen Szenen den späteren AussteigerInnen?• Welche Bedürfnisse haben die späteren AussteigerInnen als Jugendliche?• Welche Möglichkeiten hätte es für die drei noch gegeben?

10 min

15 min Zeichnen der Comic-Bilder

Nachdem sich innerhalb der Arbeits-gruppen auf die zu zeichnenden Bilder geeinigt wurde, beginnen die SchülerInnen damit, die Comics für die Plakate zu erstellen. Sind die vier Comics pro Gruppe fertig, werden sie in der richtigen Reihenfolge neben der Überschrift „Einstieg“ auf das Plakat geklebt. (siehe Bsp. S. 27)

Plakatpapier

Präsentation der Comics

Abschluss-diskussion

CD-Player

Die Arbeitsgruppen erstellen Zeichnungen zu den gehörten Zitaten und ordnen diese in chronologischer Reihenfolge auf dem Plakat an. Die Zeichnungen sollen hierbei Szenen aus dem Leben der AussteigerInnen darstellen, die für deren Einstieg in die rechtsextreme Szene von Bedeutung waren. Je nach Gruppengröße müssen hier mehrere SchülerInnen zusammen an einer Zeichnung arbeiten. Bevor die SchülerInnen mit dem Zeichnen beginnen, einigen sie sich darauf, was gezeichnet werden soll und von wem.

Hinweis: Als Hilfestellung für die Zeichnungen können auch die Arbeitsblätter mit den Szenen-anweisungen der Sitzungsvariante „Szenische Darstellung“ ausgeteilt werden.

2. Sitzung Die AussteigerInnen kommen mit der rechtsextremen Szene in Kontakt

Arbeitsblätter 4a, 5a, 6a„Szenenanweisung“

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EINSTIEG – SITZUNGSVARANTE „SZENISCHE DARSTELLUNG“

Zeit Arbeitsphase Ziele Vorbereitung: Medien, Material, Technik

5 min Begrüßung,Ablaufplan vorstellen

Das Thema der Sit-zung wird erfasst,dem Verlauf der Unterrichtseinheit kann besser gefolgt werden

Fragen Sie Ihre SchülerInnen, ob sie sich daran erinnern können, was in der letzten Sitzung gemacht wurde.Erklären Sie Ihren SchülerInnen, dass in der folgenden Doppelstunde zum ersten Mal die Biographien der AussteigerInnen behandelt werden und dieses Mal der Einstieg in die rechtsextreme Szene thematisiert wird. Schreiben Sie den Ablaufplan der folgenden Doppelstunde an die Tafel:

• Audiobeiträge zum Thema „Einstieg“• Szenenvorbereitung• Theater

Tafel

Inhalt und Methode,Anmerkungen

20 min Hören der Audiobeiträgezum Thema „Einstieg“

Gründe für eine mögliche Attrakti-vität der rechts-extremen Szene werden erkannt

Die SchülerInnen werden in drei Arbeits-gruppen eingeteilt, die jeweils ein Plakat für einen Aussteiger/eine Aussteigerin erstellen. Diese Arbeitsgruppen bleiben auch in den folgenden Unterrichtseinhei-ten bestehen. Nach der Gruppeneinteilung erhalten die SchülerInnen das Arbeitsblatt „Zita-te“ ihres Aussteigers /ihrerAussteigerin. Außerdem erhält jede Arbeitsgruppe die „Szenenanweisung“ sowie die „Rollen-karten“. Sollten Ihre SchülerInnen mit dem Vorbereiten und Spielen von Szenen vertraut sein, können Sie auch auf die Szenenanweisungen und die Rollenkarten verzichten und die SchülerInnen selb-ständig Szenen ausarbeiten lassen.

CD-Player,Tafel

20 min Szenenvor-bereitung

Das Verhältnis von Bedürfnisstrukturen von Jugendlichen zur möglichen Attraktivität der rechtsextremen Szene wird erkannt

Spielen Sie den SchülerInnen den ersten Hörbeitrag zum Thema „Einstieg“ von der CD vor (Titel 04). Fordern Sie Ihre SchülerInnen auf, sich Notizen zu folgenden Fragen zu machen, die Sie an die Tafel schreiben:

• Aus welchem Umfeld (Familie, Wohnort etc.) stammt der/die Betreffende?• Wie kommt die Person mit Rechtsextremen in Kontakt?• Welche Gründe für das Interesse an der extrem rechten Szene werden genannt?

Nach dem Abspielen des Hörbeitrags beantworten die SchülerInnen gemein-sam in der Klasse die Fragen. Die Antworten werden stichpunktartig an der Tafel gesammelt. Anschließend werden diese Arbeits-schritte ebenfalls für die beiden anderen AussteigerInnen mit den Hörbeiträgen 05 und 06 durchgeführt.

Arbeitsblatt 4-6„Zitate“, Arbeitsblätter 4a, 5a, 6a„Szenenanweisung“,Arbeitsblätter 4b, 5b, 6b„Rollenkarten“,Plakatvorlagen (möglichst groß, mindestens DIN A1)

2. Sitzung Die AussteigerInnen kommen mit der rechtsextremen Szene in Kontakt

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Zeit Arbeitsphase Ziele Vorbereitung: Medien, Material, Technik

Inhalt und Methode,Anmerkungen

2. Sitzung Die AussteigerInnen kommen mit der rechtsextremen Szene in Kontakt

Nach der Pause haben die SchülerInnen kurz Zeit, um das Spielen der Szenen vorzubereiten.

Anmerkung: Sie können die Arbeits- gruppen auf verschiedene Räume auf-teilen, um ein störungsfreies und kon-zentriertes Erarbeiten und Proben der Szenen zu ermöglichen.

5 min Szenenvor-bereitung

Lassen Sie die anderen beiden Gruppen ebenfalls ihre Szenen vorspielen und besprechen Sie sie im Anschluss mit der gesamten Klasse.

zuvor genannteArbeitsblätter

10 min Spielen der ersten Szene

Unterschiedliche Gründe für eine mögliche Attrak-tivität der rechts-extremen Szene werden erkannt und mit Bedürfnis-strukturen von Jugendlichen in Verbindung gebracht

Die erste Gruppe spielt ihre Szene. Hiervon werden Fotos gemacht, die zur nächsten Stunde entwickelt oder ausgedruckt und auf dem Aussteiger-Plakat angebracht werden.Anschließend sind die Mitschüler-Innen aufgefordert, die Motive für den Einstieg in die rechte Szene zu erraten. Hierbei werden sie von den Darsteller-Innen unterstützt. Die genannten Einstiegsmotive werden an der Tafel festgehalten.

Fotoapparat oder Digitalkamera,Tafel

Lassen Sie Ihre SchülerInnen über die dargestellten Einstiegsmotive diskutieren. Mögliche Fragen sind hier:

• Was bieten die rechtsextremen Szenen diesen Jugendlichen?• Was macht die rechtsextreme Szene für sie attraktiv?• Wie hätten die Jugendlichen ihre Bedürfnisse anders befriedigen können?

Anschließend haben die SchülerInnen die Aufgabe, eine kurze Szene aus dem Leben des jeweiligen Aussteigers/der Aussteigerin, die den Einstieg in die rech-te Szene darstellt, einzustudieren, um sie später der Klasse vorspielen zu können.

Anmerkung: Achten Sie darauf, dass eventuellen Sympathisanten mit der rechten Szene keine Möglichkeit geboten wird, sich vor der Klasse zu profilieren, indem sie rechtsextreme Personen in der Szene spielen oder die anderen Schau-spielerInnen diskreditieren.

10 min Abschluss-diskussion

Handlungsalternati-ven zum Einstieg in die rechtsextreme Szene können entwi-ckelt werden

20 min Spielen der zweiten und dritten Szene

Unterschiedliche Gründe für eine mög-liche Attraktivität der rechtsextremen Szene werden erkannt

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Arbeitsblatt 4 „ZITATE“ Sitzung 2

Matthias Adrian

„Ich wurde als erster von drei Söhnen geboren. Um meine Erziehung kümmerte sich vor allem meine Mutter, die seit meiner Geburt ihre Berufstätigkeit für Haushalt und Kinder aufgegeben hatte. Eine weitere wichtige Rolle spielten seit meiner frühesten Kindheit meine Großeltern. Sie hatten auf meine Erziehung und die mir vermittelte Wertewelt ent-scheidenden Einfluss. So wurde zum Beispiel darauf geachtet, dass ich ein ‚ordentlicher‘ junger Mann werden sollte, nicht so ein Langhaariger oder ein Gammler.

Meine ersten Erinnerungen an Begegnungen mit dem Nationalsozialismus kann ich zeit-lich nicht mehr genau einordnen, aber mit den Themen Geschichte und Drittes Reich wurde ich im Laufe meiner Kindheit immer wieder konfrontiert, was allerdings nicht in Form von gezielter Indoktrination stattfand, sondern eher im Alltag durch Bemerkungen oder Erzählungen. Höhepunkt meiner Kindheit stellten die zahlreichen Familienfeste dar. Zu vorgerückter Stunde versammelten sich die Männer zur obligatorischen Skatrunde, bei der von der „guten alten Zeit“ mit KDF* beim RAD** und über die unglaublichsten Kriegserlebnisse berichtet wurde. Es wurde über die ‚Politik im Büßerhemd‘ und ‚den Dreck am Stecken der Engländer und Amerikaner‘ gesprochen. Ansichten, die mir so oder so ähnlich immer wieder begegneten und die im gesamten Umfeld, in dem ich aufwuchs, geteilt wurden.

Als ich in der sechsten Klasse anlässlich einer Ausstellung zum ersten Mal bewusst mit den Verbrechen des Dritten Reiches konfrontiert wurde, war ich natürlich entsetzt über den Massenmord und die Vernichtungslager und über den Terror des Hitlerregimes. Emo-tional war ich mit dieser Thematik völlig überfordert. Auf der einen Seite die Verbrechen und das Entsetzen darüber, auf der anderen die Macht, der Glanz, die Uniformen, die pompöse Atmosphäre des Dritten Reiches.

Spätestens als ich in die 7. Klasse kam, hatte ich mehr und mehr Probleme, mit der Ent-wicklung einiger meiner Klassenkameraden umzugehen. Denn während bei den meisten meiner Mitschüler das Interesse an Rock- oder Pop-Musik wuchs, die Haare immer länger wurden und sich Markenkleidung durchzusetzen begann, fing ich an, mir bewusst kha-kifarbene Hemden und schwarze BW-Hosen zu kaufen, zu denen ich meistens Springer- oder Schaftstiefel trug. Da ich ‚uniformiert‘ in die Schule ging, hatte ich an dieser Schule bald meinen Ruf weg. So lernte ich im Laufe der Zeit mehr und mehr Rechte kennen und begann das zu organisieren, was ich mir so unter einer Kameradschaft vorstellte.“

* Organisation „Kraft durch Freude“** Reichsarbeitsdienst

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Arbeitsblatt 5 „ZITATE“ Sitzung 2

Nick W. Greger

„Ich stamme aus einer bürgerlichen Familie der demokratischen Mitte, wie man heute wohl sagen würde. Eltern und Großeltern kümmerten sich rührend um mich und da ich ein Einzelkind war, stand ich als Jüngster im Mittelpunkt der Familie. Es fehlte mir an nichts und mir wurde so ziemlich jeder Wunsch erfüllt. Kurz gesagt, ich hatte nichts zu leiden und gebe heute auch offen zu, dass es mir wohl ein wenig zu gut ging und ich einfach nur ein verwöhnter Rotzlöffel war.

So verlief meine Kindheit recht sorglos und behütet, bis sich im siebten Schuljahr lang-sam aber sicher die Anzeichen der Pubertät bei mir einschlichen und mehr und mehr Auflehnung in mir hervorriefen – gegen die Schulordnung, die Lehrer, meinen Vater und einfach jede Autorität, die versuchte, mein Leben in einer Bahn zu halten. Waren es die Hausaufgaben der Lehrer, die mir die Nachmittage bei schönem Wetter verdarben, oder der Vater, der sagte: ‚Um 20 Uhr hast du zu Hause zu sein.‘ Ich verspürte den Drang, aus den Grenzen die mir gesetzt wurden, auszubrechen. Ich war wie viele Jugendliche auf ein wenig Aufsässigkeit eingestellt.

Meinen Aufruhr untermauerte ich mit schlechten Noten, und am Ende durfte ich die 7. Klasse noch einmal wiederholen. In dieser Zeit überschlugen sich die Ereignisse, als sich immer öfter eine Gruppe Jugendlicher, alle zwischen 17 und 19 Jahre alt, gekleidet in Springerstiefel, zum Teil in Armeehosen und in den bekannten Bomberjacken, auf dem örtlichen Marktplatz traf. Auf den Jacken waren Aufnäher wie ‚Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein‘ zu sehen. Es sprach sich herum, dass diese Gruppe ein Grundstück mit einem alten Haus im abgelegenen Steinbruch am Rande der Stadt gepachtet hatte. Es wurde über dort vermeintlich abgehaltene Nazi-Zeremonien gemunkelt, und die Dorfbewohner waren im Großen und Ganzen entsetzt.

Den Chef der Gruppe kannte ich schon aus dem Kindergartenalter und ich beschloss, ihn darauf anzusprechen, ob ich denn nicht auch einmal ins Haus im Steinbruch kommen kön-ne. Somit wurde ich zum ersten ‚Nachwuchsanwärter‘, und bereits am darauf folgenden Wochenende saß ich im berüchtigten Nazi-Quartier.Die Lagerfeuerromantik, die ungewöhnlichen und teils trotzigen Texte der Skinhead-Musik und auch der erste Bierrausch sagten mir ziemlich zu. Zudem war alles – bis auf die Klei-dung – nicht gerade militärisch, wohl aber kämpferisch geprägt. In der folgenden Zeit ver-säumte ich kein Saufgelage mit den Kameraden. Ich hatte mir inzwischen auch eine Bomberjacke zugelegt, die damals bei allen Leuten als ‚Naziuniform‘ galt. Was folgte, waren Schlägereien auf dem Schulhof mit türkischen und russischen Mitschülern und anderen Kontrahenten, die ich schon als Kleinkind nicht aus-stehen konnte. Schnell bekam ich in der Schule den Ruf eines üblen Chaoten, dem man besser aus dem Weg gehen sollte, und die Lehrer warnten meine Mitschüler, sich ja nicht mit mir einzulassen.“

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Arbeitsblatt 6 „ZITATE“ Sitzung 2

Christine Hewicker

„Nachdem bereits fünf Jungs unsere Familie bevölkerten, war die Freude meiner Eltern riesig, als nun als Sechstes ein Mädchen geboren wurde. Ich war in dieser Familie heiß-ersehnt und wurde von jedem einzelnen Familienmitglied verwöhnt und vergöttert. Meine Eltern waren sehr fleißige, ehrliche Leute, die uns Kinder liebevoll, aber mit strengen Regeln erzogen.

Ich hatte gleichermaßen viele Jungen und Mädchen als Freunde. Ich kletterte genauso gerne auf Bäume oder über Zäune wie ich auch liebend gerne mit meinen Freundinnen den Puppenwagen durch den Ort schob oder ‚Familie‘ mit Puppen und Teddys spielte.Bei den Schülern war ich sowohl bei den Jungen als auch bei den Mädchen gleichermaßen anerkannt. Schon in der Schule konnte ich es nicht ertragen, wenn andere Kinder über schwächere oder ärmere Kinder lästerten und ich prügelte mich regelmäßig für die Un-terdrückten. Da mein jüngster Bruder als Leukämie-Erkrankter immer ziemlich schwach und bleich war und oft gehänselt wurde, sah ich es als meine vorrangige Aufgabe an, mich mit den Jungs auch aus den höheren Klassen zu prügeln, um so die Ehre meines Bruders wiederherzustellen.

Ich war wohl gerade 14 Jahre alt, als ein ehemaliger Mitschüler meines ältesten Bruders aus Berlin in unser 2000-Seelen-Dorf zurückkehrte und dort die NPD publik machte. Meine Brüder ließen sich auch gleich in seinen Bann ziehen wie noch etliche weitere Jugendliche und auch ein paar ältere Leute aus unserem Ort. Unser kleines, sehr idyllisch mitten in der Heide gelegenes Dorf, hatte für die Jugend nicht viel zu bieten. So waren die Geschehnis-se, die die NPD mit sich brachte, bald zum Lebensinhalt mancher Teenager geworden. Zu Anfang meiner ‚politischen Karriere‘ gab es fast ständig diese Kameradschaftsabende. Es wurde gewandert und bei Lagerfeuer und Gitarrenmusik wurden Volkslieder gesungen.

In der Schule hatte ich wegen meiner neuen Aktivitäten und meinen neuen Freunden keine nennenswerten Probleme. Meine Leistungen wurden eher besser. Besonders in den Sachkundefächern wurde ich immer stärker. Gemeinsam mit meinen älteren Brüdern besuchte ich ab meinem 15. Lebensjahr Discos und Veranstaltungen der NPD oder der Wiking-Jugend im regelmäßigen Wechsel – bis mir eines Tages die Kameradschaft in der Partei wichtiger wurde als das Herumtreiben in irgendwelchen Diskotheken.“

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Matthias Adrian

Seit längerem grenzt sich Matthias in seiner Schule bewusst von seinen MitschülerInnen ab, für die es wichtig ist, sich modisch anzuziehen: Er trägt Militärkleidung und Springer-stiefel.

Dass er sich außerdem nur noch für Geschichte interessiert und anstelle aktueller Pop- und Rockmusik alte Soldatenlie-der hört, stößt auf Unverständnis. Matthias behauptet im Geschichtsunterricht, dass der Nationalsozialismus gar nicht so schlimm gewesen sei; er hätte das von seinen Großeltern gehört. Daraufhin beschließen ein früherer Freund und ein Mitschüler von Matthias, mit ihm zu reden.

Auf dem Heimweg von der Schule sprechen sie Matthias auf sein Verhalten an. Hinzu kommen zwei Jugendliche, die eben-falls Militärkleidung tragen und Matthias‘ Faszination für die rechte Szene teilen.

Arbeitsblatt 4a „SZENENANWEISUNG“ Sitzung 2

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Arbeitsblatt 4b „ROLLENKARTEN“ Sitzung 2

Du bist Schülerin/Schüler an der örtlichen Berufsschule und bereits einige Jahre älter als Matthias. Du kennst Matthias über einen Bekann-ten und weißt, dass er sich für alles, was mit dem Nationalsozialismus und der rechten Szene zu tun hat, begeistern kann. Deshalb hast Du Matthias auch schon einmal mit zu Deinem Großvater genommen, der noch Wehrmachtssoldat war und Dir und Deinen Bekannten Geschich-ten von der Front erzählt.

Du warst mal ein guter Freund/eine gute Freundin von Matthias. Da Ihr früher viel zusammen unternommen und Euch für ähnliche Dinge interessiert habt, kannst Du Matthias‘ Verhalten in letzter Zeit nicht mehr verstehen. Dass Matthias sich neuerdings nur noch für den Natio-nalsozialismus begeistern kann und sich bewusst von Dir und den an-deren SchülerInnen abgrenzt, macht Dir Sorgen.

Du bist ein Mitschüler/eine Mitschülerin von Matthias. Durch Deine älteren Geschwister weißt Du, dass es bei Euch in der Gegend viele Rechtsextreme gibt, von denen eine große Gefahr für „Ausländer“ und Andersdenkende ausgeht. Du befürchtest, dass Matthias auf die schiefe Bahn geraten könnte. Du hoffst außerdem, dass Matthias‘ Verhalten nur eine Phase ist und er mit seinem Verhalten nur versucht, zu provozieren.

Du bist Matthias. Häufig haben Dir Personen aus Deiner Verwandtschaft von der Zeit des Nationalsozialismus vorgeschwärmt. Auch Du findest das Dritte Reich faszinierend. Wenn es in der Schule um Probleme wie Arbeitslosigkeit oder Kriminalität geht, sagst Du, dass es so etwas im Dritten Reich nicht gegeben hätte oder, dass die Ausländer an allem Schuld sind. Deine Mitschülerinnen und Mitschüler sind da ganz ande-rer Meinung. Deshalb kannst Du nicht mehr viel mit ihnen anfangen.

Du bist Schülerin/Schüler an einer anderen Schule. Du kennst Matthias,weil er genau wie Du häufig Bundeswehrkleidung und Springerstiefel trägt. Ihr habt Euch schon häufiger miteinander unterhalten und festge-stellt, dass Ihr ähnliche Ansichten habt. Zusammen begeistert Ihr Euch für die Uniformen und die prachtvolle Atmosphäre des Dritten Reichs. Du kannst Matthias‘ Ablehnung gegenüber den anderen Schülerinnen und Schülern gut nachvollziehen, da Du an Deiner Schule aufgrund Dei-ner Ansichten selbst als Außenseiter giltst.

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Nick Greger

Nick hat in letzter Zeit zu Hause und in der Schule immer häu-figer Ärger, weil er sich gegen seine LehrerInnen auflehnt und Streit mit „ausländischen“ MitschülerInnen anfängt. Nach einer Schlägerei mit einem russischstämmigen Mitschüler wird Nick von seinem Direktor der Schule verwiesen.

Nach dem Gespräch mit dem Direktor geht er zu einem Haus an einem nahegelegenen Steinbruch, dem Treffpunkt der Rechten aus der Gegend. Nick und viele andere Jugendliche verbringen dort seit längerem einen Großteil ihrer Freizeit. Dort unterhält sich Nick mit den anderen über den Schulver-weis.

Später geht Nick nach Hause und trifft seine Eltern. Da sie über den Vorfall in der Schule informiert wurden, warten sie bereits auf Nick. Sie möchten mit ihm über sein Verhalten sprechen.

Arbeitsblatt 5a „SZENENANWEISUNG“ Sitzung 2

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Du bist der Mieter des Hauses am Steinbruch und deutlich älter als die Jugendlichen, die dort ihre Zeit verbringen. Für die rechte Szene in der Gegend bist Du sehr wichtig, weil Du häufig Veranstaltungen und Ka-meradschaftsabende organisierst. Langfristig ist es Dein Ziel, eine Ge-sellschaft nach dem Vorbild des Nationalsozialismus aufzubauen. Die Jugendlichen sind für Dich hierbei sehr nützlich, da sie durch ihr gewalt-tätiges Verhalten Ausländer und Andersdenkende einschüchtern. Du un-terstützt Nick in seinem Verhalten und versuchst, seine Zweifel kleinzu-reden. Letztlich seien die Ausländer schuld daran, dass er jetzt Ärger hat.

Du bist drei Jahre älter als Nick und verbringst fast Deine gesamte Freizeit im Haus am Steinbruch. Als Nick Dir vom Streit mit seinen Eltern berich-tet, erzählst Du ihm, dass es bei Dir genauso war, bis Du von zu Hause ausgezogen bist. Außerdem unterstützt Du Nick in seinem Verhalten, da Du Dir auch von niemandem etwas gefallen lässt und Gewalt für Dich ein geeignetes Mittel ist, Probleme zu lösen.

Du bist Nick. Seit längerem macht es Dir großen Spaß, dich gegen Autori-täten aufzulehnen. Die Rechten-Clique im Haus im Steinbruch kommt Dir da gerade recht, da das gesamte Dorf wegen ihr besorgt ist. Das Verhält-nis zu Deinen Eltern war eigentlich immer gut, aber Du findest, dass sie Dir in letzter Zeit viel zu wenige Freiheiten lassen. Die Warnungen vor den Gefahren des Rechtsextremismus hältst Du für völlig übertrieben.

Du bist Nicks Mutter. Seit einiger Zeit fällt Dir auf, dass Nick häufig ange-trunken und sehr aggressiv ist, nachdem er sich mit seinen Freunden beim Steinbruch getroffen hat. Nachdem Dir nun von einem Nachbarn erzählt wurde, dass dort Neonazis ihre Treffen abhalten, bist Du sehr besorgt über die Zukunft Deines Sohnes. Du beschließt deshalb, mit ihm zu reden.

Du bist Nicks Vater. Schon seit längerem bist Du besorgt über Nicks schu-lische Leistungen, die immer schlechter werden. Nachdem Nick nun auch noch einen Schulverweis bekommt, weil er Mitschüler mit Migrations-hintergrund verprügelt hat, wird Dir klar, dass Nicks Verhalten im Zusam-menhang mit seinem neuen Umfeld stehen muss. Du beschließt deshalb, mit ihm zu reden.

Arbeitsblatt 5b „ROLLENKARTEN“ Sitzung 2

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Christine Hewicker

Christine sitzt am Samstagabend mit Schulfreunden im Park. Zusammen überlegen sie, was man denn am Wochenende unternehmen könnte. Christines Freunde schlagen vor, zu-sammen ins Kino zu gehen.

Nach kurzer Zeit kommen zwei ältere Jugendliche hinzu, von denen bekannt ist, dass sie in der NPD aktiv sind. Sie kennen Christine durch ihre älteren Brüder und haben sie auch schon einige Male zu Parteiveranstaltungen und Demonstrationen mitgenommen. Sie sind gerade auf dem Weg zu einem Kame-radschaftsabend in einer Kneipe und versuchen, Christine zum Mitkommen zu überreden.

Christine kann sich nicht gleich entscheiden, was sie tun möchte. Es entsteht eine Diskussion aller Beteiligten.

Arbeitsblatt 6a „SZENENANWEISUNG“ Sitzung 2

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Arbeitsblatt 6b „ROLLENKARTEN“ Sitzung 2

Du bist ein Freund/eine Freundin von Christine und möchtest mit ihr ins Kino gehen. Dass Christine in den letzten Wochen immer weniger Zeit für Dich hat, stört Dich, weil ihr früher immer füreinander da wart. Außerdem bezweifelst Du, dass sich Christines neue Freunde wirklich für sie als Mensch interessieren. Da Du weißt, dass sich Christine sehr schnell für alles Neue begeistern kann, befürchtest Du, dass sie nur ausgenutzt wird.

Du bist ein Freund/eine Freundin von Christine und möchtest mit ihr ins Kino gehen. Du findest es nicht gut, dass Christine immer mehr Zeit mit den Rechten verbringt, da Du schon mitbekommen hast, wie diese in Schlägereien verwickelt waren. Du machst Dir Sorgen um Christine und kannst nicht verstehen, warum sie Zeit mit Personen verbringt, die ausländerfeindliche Ansichten haben.

Du bist Christine. Du hast immer sehr gerne Zeit mit Deinen Freun-den und Freundinnen verbracht, jedoch wünschst Du Dir seit einiger Zeit etwas mehr Abenteuer. Du findest es toll, etwas mit Älteren zu unternehmen und hoffst, von ihnen anerkannt zu werden. Außerdem glaubst Du, durch Dein Engagement in der rechten Szene die Gesell-schaft verändern zu können.

Du bist ein Freund von Christines älterem Bruder und kennst Christine schon seit mehreren Jahren. Du bist der Ansicht, dass Christine ihre Freizeit nicht damit verbringen sollte, im Park herumzulungern. Des-halb begrüßt Du ihr Engagement in der NPD.

Du bist der Führer einer Kameradschaft in der Region, aus der Christine kommt. Dir ist Christines Interesse an der Kameradschaft und der NPD aufgefallen und Du bist immer auf der Suche nach Nachwuchs für die Organisation. Deshalb hast Du ein großes Interesse daran, sie mit zu Veranstaltungen zu nehmen und weiter von Deinen Ansichten zu über-zeugen. Da Christine noch sehr jung ist, trittst Du möglichst harmlos auf, um sie nicht zu verschrecken.

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Arbeitsblatt 7 „COMIC“ Sitzung 2

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Beispiel „COMIC“ Sitzung 2

Beispiel für das Produkt „Comic“ aus der Sitzung 2anhand der Biografie vonMatthias Adrian

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Zeit Arbeitsphase Ziele Vorbereitung: Medien, Material, Technik

Inhalt und Methode,Anmerkungen

3. Sitzung Das Engagement in der rechtsextremen Szene verstetigt sich

FESTIGUNG

5 min Begrüßung,Ablaufplan vorstellen

Das Thema der Sitzung wird erfasst, dem Verlauf der Unterrichtseinheit kann besser gefolgt werden

Fragen Sie Ihre SchülerInnen, ob sie sich daran erinnern können, was in der letzten Sitzung gemacht wurde. Erklären Sie Ihren SchülerInnen anschlie-ßend, dass in der folgenden Doppelstunde wieder mit den Biografien der Aussteiger-Innen gearbeitet wird und dass dieses Mal die Festigung der rechtsextremen Überzeugungen thematisiert wird. Schreiben Sie den Ablaufplan der folgenden Doppelstunde an die Tafel:

• Audiobeiträge zum Thema „Festigung“• Gruppenarbeit• Comic-Präsentation• ExpertInnen-Vorträge

Tafel

20 min Hören der Audiobeiträgezum Thema „Festigung“

Unterschiedliche „Karrieren“ in der rechtsextremen Szene werden kennengelernt

Die SchülerInnen finden sich wieder in den Arbeitsgruppen der letzten Sitzungen zusammen und erhalten das Arbeitsblatt „Zitate“ ihres Aussteigers/ihrerAussteigerin. Außerdem erhält jede Arbeitsgruppe vier Exemplare der „Comic-Vorlage“.Anschließend haben die SchülerInnen die Aufgabe, innerhalb jeder Arbeitsgruppe vier Zeichnungen zu erstellen, die in chrono-logischer Abfolge die in den Zitaten ange-sprochenen Inhalte wiedergeben. In dieser Sitzung soll die Festigung der rechtsextre-men Einstellungen der Person dargestellt werden. Je nach Gruppengröße müssen hier mehrere SchülerInnen zusammen an einer Zeichnung arbeiten.

CD-Player,Tafel

20 min Gruppen-arbeit

Der Einfluss eines Engagements in der rechtsextremen Szene auf die Lebenswirklichkeit und das soziale Umfeld der Aus-teigerInnen wird erkannt

Spielen Sie den SchülerInnen den ersten Hörbeitrag zum Thema „Festigung“ von der CD vor (Titel 07). Fordern Sie Ihre Schüler-Innen auf, sich Notizen zu folgenden Fragen, die Sie an die Tafel schreiben, zu machen:

• In welcher Situation befindet sich die Person gerade?• Wie engagiert sich die Person in der rechtsextremen Szene?• Wie verändert sich das Umfeld der Person durch das Engagement in der rechtsextremen Szene?

Nach dem Abspielen des Hörbeitrags beant-worten die SchülerInnen gemeinsam in der Klasse die Fragen. Die Antworten werden stichpunktartig an der Tafel gesammelt. Anschließend werden diese Arbeitsschritte ebenfalls für die beiden anderen Ausstei-gerInnen mit den Hörbeiträgen 08 und 09 durchgeführt.

Arbeitsblätter 8-10 „Zitate“,Arbeitsblatt 7„Comic-Vorlage“, Arbeitsblätter 11-13„Hintergrundwissen“,

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Zeit Arbeitsphase Ziele Vorbereitung: Medien, Material, Technik

Inhalt und Methode,Anmerkungen

3. Sitzung Das Engagement in der rechtsextremen Szene verstetigt sich

Nach der Pause wird die bisherige Arbeit fortgesetzt. Die SchülerInnen haben noch weitere zehn bis fünfzehn Minuten Zeit, um die Comic-Bilder zu zeichnen und auf die Plakate zu kleben beziehungsweise um die „ExpertInnen“-Vorträge vorzube-reiten.

15 min Gruppenarbeit

Die „Experten“ stellen in Kurzvorträ- gen die bearbeiteten Themen vor. Anschließend müssen die Themen mit Hilfe der Klasse einer AussteigerInnen- biografie zugeordnet und die Arbeitsblät-ter „Hintergrundwissen“ auf die entspre-chenden Plakate geklebt werden.

Anmerkung: Weisen Sie Ihre Schüler-Innen nach dem ExpertInnen-Vortrag zum Thema „Neonazis in Ostdeutsch-land“ darauf hin, dass Rechtsextremismus keinesfalls ein rein ostdeutsches Phäno-men ist. Der Rechtsextremismus ist in bestimmten Regionen Ostdeutschlands jedoch besonders stark ausgeprägt. Die Hintergrundinformation soll hier vor allem dazu dienen, die Biografie von Nick Greger zu kontextualisieren.

optional: Arbeitsblätter 14-16 „Anregungen für die Zeichnungen“

20 min Präsentation der Comics

Die unterschied-lichen Folgen des Engagements in bestimmten rechtsextremen Szenen für das soziale Umfeld der Betroffenen werden erkannt

In einem „Galerie-Rundgang“ werden die Comics der Klasse der Reihe nach präsentiert. Um den Eindruck der gezeich-neten Bilder zu verstärken, werden die passenden Zitate von der CD vorgespielt. Anschließend präsentieren die Arbeits-gruppen den anderen ihre Comics. Der Schwerpunkt liegt darauf, herauszu-arbeiten, wie sich rechtsextreme Über-zeugungen durch eine aktive Beteiligung in dieser Szene festigen.

Plakate,CD-Player,

Aus jeder Arbeitsgruppe erhalten ein oder zwei SchülerInnen den Auftrag, sich jeweils zu einem der Themen „Neonazis in Ostdeutschland“, „JN“ und „Rechts-terrorismus“ anhand der Arbeitsblätter „Hintergrundwissen“ zu informieren und die Fragen auf den Arbeitsblättern zu beantworten. Sie beteiligen sich nicht am Zeichnen und sind später die „ExpertIn-nen“, die die anderen SchülerInnen mit einem Kurzvortrag über die jeweiligen Themen informieren.

10 min „ExpertInnen“-Vorträge und Zuordnung der Arbeitsblätter „Hintergrund-wissen“ zu den jeweiligen Biografien

Unterschiedliche Formen rechtsextre-men Engagements können bestimmten rechten Szenen zugeordnet werden

Arbeitsblätter 11-13„Hintergrundwissen“

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Matthias Adrian

„Ich kam zu dem Punkt, wo mir alles auf den Geist ging und ich anfing, mir Fragen zu stel-len nach mir und meiner Identität. Zu dieser Zeit suchte ich schon intensiv nach Kontakten zu Rechtsextremen. Für mich stand fest, ich wollte zu dieser ‚Elite‘ gehören und ein Teil der ,Bewegung‘ werden. Aus diesem Selbstverständnis heraus entwickelte ich später die Hal-tung, möglichst so zu handeln, als existiere das Dritte Reich immer noch, um so gegen die demokratische Grundordnung durch grundsätzliche Verweigerung Widerstand zu leisten. Aber zunächst trat ich der NPD bei, wurde Mitgliedsanwärter bei der JN und abonnierte die Nordische Zeitung.

Weiter beschloss ich, einem Aufruf zur nationalen 1. Mai-Demo in Leipzig nachzukommen und mich aktiv am ‚Kampf um die Straße‘ zu beteiligen. Auf der Fahrt nach Leipzig fuhren auch Leute im Bus mit, die in etwa den gleichen Seitenscheitel wie ich trugen und Gesprä-che über Volk, Rasse und germanische Mythologie führten. Auf der Fahrt nach Leipzig hörte ich erstmals etwas über die „Zionistische Weltverschwörung“. Von nun an sollte der Antisemitismus zum wesentlichen Bestandteil meiner Ideologie werden.

Etwa vierzehn Tage später kam es zu einem Kameradschaftsabend im Garten meines El-ternhauses. Auf diesem Kameradschaftsabend wurde mir ein JN-Kader vorgestellt, der in Zukunft zu meinem engeren Kameradenkreis zählen sollte. Durch ihn kam ich mehr und mehr mit der Kaderebene der JN und mit freien nationalistischen Kräften in Kontakt. Mein Stand in der JN war nicht immer einfach, da ich aufgrund meiner Radikalität, meiner unverblümten Nähe zum NS und vor allem wegen meines fast schon pathetischen Juden-hasses doch sehr umstritten war.

Meine Freundin Gunda hatte ich auf der letzten Sonnenwendfeier kennengelernt, auf der ich Hauptredner und Mitorganisator war. Unser Hass auf den Staat und die Juden, die un-serer Meinung nach hinter allem steckten, wuchs ins Unermessliche. Zunächst machten wir uns im Internet in diversen Gästebüchern von Nazihomepages Luft. Aber das reichte uns nicht. Deshalb machten wir uns eines Nachts auf den Weg, um die alte Wormser Syna-goge auf das Übelste zu beschmieren.“

Arbeitsblatt 8 „ZITATE“ Sitzung 3

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Nick Greger

„Mitte 1992 sah meine Situation so aus, dass ich auf Grund meiner Saufgelage und Schul-schwänzerei mittlerweile nach Jugendstrafrecht vorbestraft war und wegen meines Jung-nazi-Gebarens einen Haufen Ärger in Schule und Elternhaus auszustehen hatte. Ich war gerade 15 Jahre alt geworden, als ich beschloss, aus den mir gesetzten Grenzen auszubre-chen, das ganze Theater hinter mir zu lassen und an der ‚Aufbruchstimmung‘ der Neonazis und Skinheads im Osten Deutschlands teilzunehmen. Da mir aus den Medien besonders Dresden als ‚geheime Hauptstadt der Neonazis‘ im Kopf herumspukte, beschloss ich auf gut Glück, Dresden zu meinem Reiseziel zu machen, in der Hoffnung dort schon irgendwie Anschluss an die Szene zu finden.

Ich stand gerade mal zehn Minuten auf dem Dresdner Hauptbahnhof, als ich von den ersten Dresdner Kameraden angesprochen wurde. Ich zog in den Dresdner Stadtteil Reick und wurde Rädelsführer einer der dortigen rechten Cliquen. Wir hatten es uns zum Ziel gesetzt, Reick von allem zu ‚säubern‘, was nicht in unser Weltbild passte. So zog unser Mob Nacht für Nacht, bewaffnet mit Baseballschlägern, Gaspistolen und Stahlketten, durch die Reicker Plattenbausiedlung. Es wurde jeder gejagt und verprügelt, der bunte Haare hatte, irgendwie links orientiert aussah oder einem Ausländer glich. Auch in der Straßenbahn, die durch Reick fuhr, patrouillierten wir und wenn uns ein Linker oder ein Ausländer in der Bahn auffiel, wurde er zusammengeschlagen und manchmal auch aus der fahrenden Bahn geworfen. Wir markierten unser Revier mit aufgesprühten Hakenkreuzen und Nazi-Parolen an den Hauswänden.

Dass sich bei derartigen Aktionen die Strafanzeigen und Aufenthalte auf Polizeirevieren häuften, war klar. Ich wurde wegen mehrfacher gefährlicher Körperverletzung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Hausfriedensbruch und zahlreichen Sachbeschädigungen zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Besonders erfreut, falls man das unter den gegebenen Umständen sagen kann, war ich, dass ich auf diesem Wege mit Kameraden aus ganz Sachsen zusammenkam. Wenn auch das Potenzial an Skins und Neonazis zu dieser Zeit in der JVA noch gering war, so hatten wir doch eine gute Basis, um für die Zukunft Pläne der Zusammenarbeit zu schmieden.

Einige Kameraden waren bereits wieder entlassen und versorgten uns mit Adressen und Informationen aus der Szene. So war es mir möglich, Kontakt zu der ‚Hilfsorganisation für nationale und politische Gefangene‘, genannt ‚HNG‘, aufzubauen. Diese wurde 1979 mit dem Ziel gegründet, inhaftierte Neonazis zu unterstützen. In den nächsten beiden Jahren konnte ich über die HNG auch zahlreiche Kontakte zu ausländischen Neonazi-Gruppen aufbauen.“

Arbeitsblatt 9 „ZITATE“ Sitzung 3

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Christine Hewicker

„Meine Mitarbeit bei der JN wurde immer intensiver. Ich verteilte Handzettel in Fußgän-gerzonen und diskutierte mit den Passanten, wenn man das ‚diskutieren‘ nennen konnte. Ich war noch nicht so wortgewandt, dass ich alleine eine echte Diskussion hätte führen können. So stellte ich mich immer neben einen Kameraden, der hierin perfekt war. Wie wichtig kam ich mir vor, wenn ich was ‚Intelligentes‘ einwerfen konnte. Ja, ich war Wer! Genau genommen, verstand ich nicht einmal, was die NPD eigentlich wollte. Ich kannte das Programm dieser Partei im Prinzip überhaupt nicht. Aber ich glaube, das fiel nieman-dem auf. Oft kamen wir von den politischen Veranstaltungen – und manchmal auch von den Sauf-gelagen - erst in aller Frühe zurück, so dass mir zum Schlafen keine Zeit mehr blieb. Ich ging also des Öfteren direkt von den Veranstaltungen unter die Dusche und dann zur Ar-beit oder in die Berufsschule. Manchmal schwänzte ich die Schule einfach, bis mir eines Tages ein Bäckerlehrling aus unserem Betrieb zuraunte: ‚Schönen Gruß von Herrn Früh-auf! So hieß der Berufschullehrer. Wenn du am Montag nicht zur Schule kommst, wirst du nicht zur Abschlussprüfung zugelassen.‘ Ich stellte fest, dass eigentlich grundsätzlich alle Menschen – außer denen, die der extremeren rechten Szene angehörten – sich zum Ziel gesetzt hatten, mich fertigzumachen. Und genau das wollte ich nicht zulassen.

Eines Tages saßen wir mit mehreren Kameraden in einer Gaststätte zusammen und berie-ten, wie die Zukunft aussehen, und was man in nächster Zeit machen könnte, um gegen den Staat angehen zu können. Es fiel einmal die Bemerkung, dass die Arbeit der RAF ei-gentlich nicht unbedingt abzulehnen sei. Jetzt entstanden Überlegungen, dass man künf-tig ähnlich arbeiten sollte, und wir stellten uns eine Entführung von einem höheren Staats-diener oder so etwas Ähnliches vor. Weiter ‚planten‘ wir, die Wiederzulassung der NSDAP zu fordern und auf lange Sicht, notfalls mit Waffengewalt, ein ‚Viertes Reich‘ zu etablieren. Dass die BRD von dieser Regierung befreit werden sollte, war klar. Aber zuvor brauchte man Geld, um Waffen und Munition besorgen zu können. So entstand der Plan, eine Bank zu überfallen.

Irgendwo in einer Kiesgrube hatten wir zusammen mit einigen anderen Kameraden eine Zeit lang Schießübungen veranstaltet. Ich habe keine Ahnung, wem die Kleinkaliberge-wehre und Pistolen gehörten, die dabei stets mitgebracht wurden. Jedenfalls waren wir alle nach einer gewissen Zeitspanne sicher, mit diesen Waffen keinerlei Probleme zu ha-ben, wenn wir sie eines Tages benutzen müssten.“

Arbeitsblatt 10 „ZITATE“ Sitzung 3

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Rechtsterrorismus

Neben den etablierten rechtsextremen Parteien gab es auch in der Bundesrepublik Deutschland immer wieder rechtsextreme Gruppen, die aus dem Untergrund agierten und versuchten, durch gezielte Anschläge und mit Waffengewalt ihre politischen Ansichten durchzusetzen. Sie wollten das demokratische Parteiensystem stürzen und einen Führerstaat nach dem Vorbild des Natio-nalsozialismus aufbauen. Diese Gruppen nahmen bei ihren Aktionen, die sich gegen „Fremde“ und die Staatsmacht richteten, auch unbeteiligte Opfer in Kauf und wurden als „rechtsterroris-tisch“ bezeichnet.

Der zeitliche Ursprung der rechtsterroristischen Gruppen in Deutschland liegt in den siebziger Jahren. Da zu dieser Zeit die rechtsextremen Parteien in Wahlen immer schlechter abschnitten, zogen einige Rechtsextremisten den bewaffneten Untergrundkampf in Betracht. Innerhalb sogenannter „Wehrsportgruppen“ trainierten Rechtsextreme Nahkampf sowie den Umgang mit Waffen und Sprengstoff. Neben diesen militärischen Trainings, wurden aber auch konkrete Anschläge geplant und durchgeführt. Ziele waren in Deutschland stationierte US-Solda-ten, „Ausländer“, jüdische Einrichtungen sowie politische Gegner.

Die rechtsterroristischen Gruppen konnten ihre Ziele nie erreichen, und durch die fehlenden Erfolge lösten sich viele Gruppen nach kurzer Zeit wieder auf. Trotzdem ist die Gefahr, die von ihnen ausgeht, nicht zu unterschätzen. Auch heute noch spielen Waffen- und Nahkampftrainings und die Arbeit im Untergrund in der rechtsextremen Szene eine bedeutende Rolle.

Fragen:

1. Was waren die Gründe dafür, dass sich in der BRD rechtsterroristische Gruppen bildeten?

2. Was unterscheidet rechtsterroristische Gruppen von rechtsextremen Parteien?

3. Welche Gegner bekämpfen rechtsterroristische Gruppen?

Arbeitsblatt 11 „HINTERGRUNDWISSEN“ Sitzung 3

Rechtsterroristen; ©Archiv EXIT-Deutschland

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Neonazis in Ostdeutschland

Unmittelbar nach der Öffnung der innerdeutschen Grenze im Herbst 1989 versuchten rechts-extreme Parteien und andere rechtsextreme Organisationen aus den West-Bundesländern, auf dem Gebiet der ehemaligen DDR Fuß zu fassen. Auch wenn das nicht direkt klappte, wurden rechtsextreme Parteien auf Dauer gerade dort immer stärker, wo die Menschen mit den Folgen der Wiedervereinigung am unzufriedensten waren.

Des Weiteren hatte der Zusammenbruch der DDR auch die Gerichte und die Polizei in Ost-deutschland stark geschwächt. Deshalb waren sie mit dem Anstieg rechtsextremer Straftaten hoffnungslos überfordert. Oft wurden Straftaten nicht weiter verfolgt und auch Verurteilungen führten nur zu milden Strafen.

In den Jahren 1991 und 1992 erhielt das Thema Rechtsextremismus in Ostdeutschland durch mehrere Ereignisse dann aber sogar internationale Aufmerksamkeit. So griffen rechtsextreme Skinheads im September 1991 unter dem Beifall der Bevölkerung ein Ausländerwohnheim in Hoyerswerda an und verletzten zahlreiche Menschen. Im August 1992 attackierten mehrere hundert Gewalttäter die zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber in Rostock-Lichtenhagen und setzten ein Wohnheim für vietnamesische Vertragsarbeiter in Brand. Dabei waren tausende Schaulustige vor Ort, die den Randalierern applaudierten.

Diese Vorfälle führten dazu, dass das Thema Rechtsextremismus in Ostdeutschland auch von Polizei und Politik ernster genommen wurde. Dennoch gelang es Rechtsextremisten, hier ihre Hochburgen zu etablieren und Regionen zu schaffen, in denen es für Jugendliche kaum Freizeit-angebote gibt, die nicht von rechtsextremen Gruppen organisiert sind.

Fragen:

1. Wieso konnte der organisierte Rechtsextremismus nach der Wiedervereinigung in Ostdeutschland so schnell Fuß fassen?

2. Welche Folgen hatte der zunehmende Rechtsextremismus in Ostdeutschland?

3. Wie hat sich die rechtsextreme Szene in Ostdeutschland weiterentwickelt?

Arbeitsblatt 12 „HINTERGRUNDWISSEN“ Sitzung 3

Nazi-Schmierereien;©Archiv Gegen Vergessen – für Demokratie e.V.

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JN (Junge Nationaldemokraten)

Die JN ist die Nachwuchsorganisation der NPD und richtet sich an Personen zwischen 14 und 35 Jahren. Obwohl die JN nur ca. 400 Mitglieder hat, ist sie die einzige größere rechtsextreme Parteijugendorganisation in Deutschland, und ihr Einfluss auf den rechtsextremen Nachwuchs ist groß. Vom Programm her verfolgt die JN ähnliche Ziele wie die NPD: auch sie strebt einen undemokratischen Führerstaat an, lehnt das Recht auf Opposition (abweichende politische Mei-nungen) und freie Wahlen ab, vertritt eindeutig fremdenfeindliche Ansichten und bezieht sich positiv auf die Zeit des Nationalsozialismus.

Im Gegensatz zur NPD, die sich in der Öffentlichkeit mit radikaleren Äußerungen zurückhält, um konservative WählerInnen nicht zu verschrecken, tritt die JN wesentlich aggressiver auf. Die JN möchte zum Beispiel nicht durch Wahlen die Macht in Deutschland erlangen, sondern durch einen Umsturz. Außerdem gibt es zahlreiche Überschneidungen zwischen der JN und gewaltbe-reiten Neonazis aus der Kameradschaftsszene.

Die JN leistet sehr intensive Jugendarbeit. Sie bietet Nachhilfestunden an, organisiert Feste und hat eine eigene Fußballmannschaft. Zielsetzung ist es, über unpolitisch erscheinende Aktivitäten Jugendliche und Kinder für rechtsextremistisches Gedankengut zu begeistern und sie auf eine Parteitätigkeit in der NPD vorzubereiten.

Fragen:

1. Für welche Ziele setzt sich die JN ein?

2. Was ist die Zielgruppe der JN?

3. Wie geht die JN vor, um neue Mitglieder zu gewinnen?

4. Was unterscheidet die JN von der NPD?

Arbeitsblatt 13 „HINTERGRUNDWISSEN“ Sitzung 3

Propagandamaterial der JN; ©Archiv work 404

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Arbeitsblatt 14 „ANREGUNGEN FÜR DIE ZEICHUNGEN“ Sitzung 3

Bild 3:

Auf dem Rückweg lernt Matthias aber auch andere Rechtsextreme ken-nen, die sich genau wie er „ordentlich“ kleiden und sich hauptsäch-lich für Geschichte interessieren. Die meisten von ihnen sind bei der JN (Nachwuchsorganisation der NPD) organisiert und versuchen, Matthias von ihren Ansichten zu überzeugen.

Bild 1:

In der Schule grenzt sich Matthias immer stärker von seinen Mitschü-lerInnen ab. Er sucht immer intensiver nach Kontakten zu Rechtsextre-men und lebt gedanklich in der Vergangenheit des Nationalsozialismus.

Bild 2:

Matthias entschließt sich, nach Leipzig zu fahren, um zum ersten Mal an einer rechten Demonstration teilzunehmen. Während der Demons-tration kommt er in Kontakt mit rechten Skinheads und Hooligans und ist entsetzt. Viele sind betrunken, aggressiv und grölen durcheinander – so hat er sich die „nationale Elite“ nicht vorgestellt.

Bild 4:

Matthias setzt sich immer intensiver mit rechtsextremen Themen aus-einander. Sein Hass auf Juden, die seiner Ansicht nach hinter allem Übel der Welt stecken, wird immer stärker. Zusammen mit seiner Freundin beschließt er, eine Synagoge zu beschmieren.

Matthias Adrian

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Arbeitsblatt 15 „ANREGUNGEN FÜR DIE ZEICHUNGEN“ Sitzung 3

Nick Greger

Bild 1:

Mit 15 Jahren hat Nick Greger so viel Ärger mit Schule, Polizei und Eltern, dass er sich entschließt, von zu Hause abzuhauen. Da Nick ge-hört hatte, dass Dresden die „geheime Hauptstadt der Neonazis“ sei, macht er sich auf den Weg dorthin.

Bild 2:

Schon am Hauptbahnhof lernt er gleichgesinnte Skinheads kennen, die in einem Dresdner Stadtteil Jagd auf Linke und „Ausländer“ machen.

Bild 3:

Nick zieht ebenfalls in diesen Stadtteil und beteiligt sich am Treiben sei-ner Kameraden. Sie verprügeln Menschen, die nicht ihrem Weltbild ent-sprechen und markieren ihr „Revier“ mit rechten Parolen und Zeichen.

Bild 4:

Infolge seines Verhaltens wird Nick zu einer Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Diese Zeit nutzt er, Kontakte zu anderen Rechtsextremen aus ganz Sachsen zu knüpfen.

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Arbeitsblatt 16 „ANREGUNGEN FÜR DIE ZEICHNUNGEN“ Sitzung 3

Bild 1:

Christine verbringt immer mehr Zeit auf Veranstaltungen ihrer rech-ten Kameraden und der JN (Nachwuchsorganisation der NPD). Nach dem offiziellen und inhaltlichen Teil wird hierbei noch oft bis tief in die Nacht gefeiert. Die Auswirkungen auf ihre Ausbildung zur Bäckerin sind Christine hierbei egal.

Bild 2:

Als Christine am Morgen nach einem Kameradschaftsabend erneut nicht in der Berufsschule erscheint, wird es ihrem Chef in der Bäcke-rei zu viel. Er setzt Christine ein Ultimatum und fordert sie auf, sich zwischen ihren Kameradschaftstreffen und der Fortsetzung der Ausbil-dung zu entscheiden. Christine will sich von niemandem Vorschriften machen lassen und schmeißt die Ausbildung hin.

Bild 3:

Christines Engagement in der rechten Szene wird immer intensiver. Der Besuch von Parteiveranstaltungen und Kameradschaftsabenden ist ihr jedoch auf Dauer zu langweilig, denn sie möchte etwas erleben. Da trifft es sich gut, dass einige von Christines Kameraden sich regelmäßig in einer Kiesgrube treffen, um dort Schießübungen durchzuführen.

Bild 4:

Christine und ihre engsten Bekannten in der rechten Szene sind immer enttäuschter von der aktuellen politischen Lage. Sie erhoffen sich nicht viel von den rechten Parteien in der BRD und wollen selbst aktiv han-deln und haben die Idee, ihren Forderungen durch Terroranschläge auf „ausländische“ Einrichtungen Gehör zu verschaffen. Um an das nötige Geld für ihr Vorhaben zu bekommen, überfallen sie eine Bank.

Christine Hewicker

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Beispiel „COMIC“ Sitzung 3

Beispiel für das Produkt „Comic“ aus der Sitzung 3anhand der Biografie vonMatthias Adrian

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Zeit Arbeitsphase Ziele Vorbereitung: Medien, Material, Technik

Inhalt und Methode,Anmerkungen

4. Sitzung Das eigene Handeln wird hinterfragt

ZWEIFEL – „BAUM DER ZWEIFEL“

5 min Begrüßung,Ablaufplanvorstellen

Das Thema der Sitzung wird erfasst, dem Verlauf der Unterrichtseinheit kann besser gefolgt werden

Fragen Sie Ihre SchülerInnen, ob sie sich daran erinnern können, was in der letzten Sitzung gemacht wurde.Erklären Sie Ihren SchülerInnen anschließend, dass in der folgenden Doppelstunde wieder mit den Biografi-en der AussteigerInnen gearbeitet wird und dass dieses Mal deren Zweifel am eigenen Handeln thematisiert wird.

Schreiben Sie den Ablaufplan der folgenden Doppelstunde an die Tafel:

• Audiobeiträge zum Thema „Zweifel“• „Baum der Zweifel“ erstellen• Präsentation der Bäume

Tafel

20 min Widersprüche zwischen rechts-extremen Idealen und der Lebens-wirklichkeit werden erkannt

Spielen Sie den SchülerInnen den ersten Hörbeitrag zum Thema „Zweifel“ von der CD vor (Titel 10). Fordern Sie Ihre SchülerInnen auf, sich Notizen zu folgenden Fragen, die Sie an die Tafel schreiben, zu machen:

• In welcher Situation befindet sich die Person? • Wie beurteilt die Person die rechtsextreme Szene?• Wie sieht die Person sich selbst innerhalb der rechtsextremen Szene?

Nach dem Abspielen des Hör-beitrags beantworten die Schüler-Innen gemeinsam in der Klasse die Fragen. Die Antworten werden stichpunkt-artig an der Tafel gesammelt.

Anschließend werden diese Arbeitsschritte ebenfalls für die beiden anderen AussteigerInnen mit den Hörbeiträgen 11 und 12 durchgeführt.

Hören der Audiobeiträge zum Thema „Zweifel“

CD-Player,Tafel

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Zeit Arbeitsphase Ziele Vorbereitung: Medien, Material, Technik

Inhalt und Methode,Anmerkungen

4. Sitzung Das eigene Handeln wird hinterfragt

Die SchülerInnen finden sich wieder in den Arbeitsgruppen aus den vorigen Wochen zusammen und erhalten das Arbeitsblatt „Zitate“ und das Arbeitsblatt „Baum der Zweifel“.

Anhand der Zitate gestalten sie auf der Vorlage einen Baum der Zweifel. Dieser beschreibt die wesentlichen Lebensbereiche, die durch das Enga-gement in der rechtsextremen Szene immer mehr in eine Krise geraten und die AussteigerInnen dadurch an ihrem bisherigen Weg zweifeln lassen. Der Stamm des Baumes steht für die momentane Lebensphase der Aus-steigerInnen, die dicken Äste für die Lebensbereiche, die aus der Bahn gera-ten. Jede Arbeitsgruppe sucht in ihrem Zitat Gründe für das Zweifeln, die sie in die entsprechenden kleinen Äste schrei-ben. (Siehe Bsp. auf S.43). Es sollten pro Ast mindestens zwei Gründe gefunden werden. Die Bäume werden nach Fertig-stellung neben die Überschrift „Zweifel“ auf die Plakate geklebt (Siehe Bsp. S.58)

Anmerkung: In einige der Lebensbe-reiche können sich die SchülerInnen gut hineinversetzen. Wenn sie anhand der Zitate keine Gründe für die Zweifel finden, fragen Sie sie, welche Zweifel entstehen können, wenn sie aufgrund ihrer politischen Einstellung keine Arbeit mehr bekommen, die Freundin die Beziehung beendet, der Vater keinen Kontakt mehr haben möchte und die Kameraden einen bestehlen wie im Beispiel von Matthias Adrian.

20 min Gruppenarbeit „Baum der Zweifel“

Die Bedeutung der eigenen Entschei-dungsfreiheit wird erkannt, alternative Verhaltensweisen werden entwickelt

Stifte, Arbeitsblätter 17-19„Zitate“,Arbeitsblätter17a, 18a, 19a„Baum der Zweifel“

25 min Präsentation der Bäume

In einem „Galerie-Rundgang“ werden die „Bäume der Zweifel“ der Reihe nach präsentiert. Um den Eindruck der beschriebenen Bäume zu verstär-ken und den Bezug zu den Biografien zu verdeutlichen, werden die passen-den Zitate von der CD vorgespielt.

Anschließend erläutern die Arbeits-gruppen ihren MitschülerInnen die Bäume. Der Schwerpunkt liegt darauf, die Zweifel der AussteigerInnen am Engagement in der rechtsextremen Szene herauszuarbeiten.

die fertigen „Bäume“, CD-Player

Rechtsextreme „Karrieren“ werden als Folge getroffener Entscheidungen erkannt, die vorhan-dene Möglichkeit eines Ausstiegs wird deutlich

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Zeit Arbeitsphase Ziele Vorbereitung: Medien, Material, Technik

Inhalt und Methode,Anmerkungen

4. Sitzung Das eigene Handeln wird hinterfragt

Enttäuschte Erwartungen an die rechtsextreme Szene und die Bedeutung der eigenen Entscheidungs-freiheit werden erkannt

Nach der Vorstellung der Zeichnun-gen werden in der Klasse die Zweifel der AussteigerInnen diskutiert. Sorgen und Befürchtungen sollen hier genauso thematisiert werden wie Wünsche und Hoffnungen. Genannte Punkte, die bei mehreren AussteigerInnen auftauchen, können an der Tafel notiert werden.

Mögliche Diskussionsfragen sind hier:

• Welche Zweifel könnt Ihr gut nachvollziehen?• Wie würdet Ihr Euch in der Situation verhalten?• Welche Gründe fallen Euch noch ein, die einen Menschen an seinem bisherigen Lebensweg zweifeln lassen können?

Anmerkung: Bei der Diskussion über die Zweifel der AussteigerInnen ist es besonders wichtig, ihre Entschei-dungsfreiheit zu betonen, um ihre Geschichte nicht als Einbahnstraße erscheinen zu lassen. Die Phase des Zweifels eignet sich hierzu besonders gut, da sowohl äußere Umstände und das soziale Umfeld als auch die Bedeutung des eigenen Willens thematisiert werden können.

20 min Diskussion Tafel

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Beispiel „BAUM DER ZWEIFEL“ Sitzung 4

Beispiel für das Produkt „Baum der Zweifel“ aus der Sitzung 4 anhand der Biografie von Matthias Adrian

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Matthias Adrian

„Gunda und ich hatten immer öfter Streit wegen politischer Fragen. Ich ging von nun an al-leine zu Veranstaltungen der Szene, und sie ging in die Disko. Ich weiß nicht mehr warum, aber die Situation eskalierte mal wieder, und ich konnte nicht mehr anders als gehen. Ich schlug die Tür hinter mir zu und brüllte noch einmal ‚Sieg Heil‘ durch den Gang.

Ich war zu diesem Zeitpunkt in eine schwere Krise geraten. Ich hatte die Frau, die ich noch immer liebte, verloren, ich war zum ersten Mal arbeitslos, mein Vater und ich kamen über-haupt nicht mehr miteinander aus, und einige Vorfälle in der Szene zehrten an mir. War das noch das, was ich wollte? Skins, die unsere eigenen Leute ausrauben? Vergewaltigungen innerhalb der Szene? Angebliche Geheimdokumente, die man sich am Biertisch ausdachte und die dann offizielle Schulungsgegenstände wurden? Wo war die große Kameradschaft? Skins wurden von den Vorständen ausgenutzt, die hinter vorgehaltener Hand mit Sprü-chen kamen wie: ‚Für das, was wir nach der Machtergreifung mit denen vorhaben, haben die jetzt schon die richtige Frisur‘. Mir hatte man in einer Runde, in der nur Vorstandsmit-glieder beisammensaßen, die Geldbörse gestohlen. War das Kameradschaft?

Ich beschloss, mich erst einmal von der Szene fernzuhalten und ging in den nächsten Ta-gen sehr viel in den Wald, um nachzudenken. Denn mir war eines von vornherein klar: Meine Weltanschauung war eine der radikalsten überhaupt, und ich hatte keine Probleme damit, für sie zu kämpfen, ins Gefängnis zu gehen oder sogar Schlimmeres zu erdulden, solange ich davon überzeugt war, dass sie richtig sei. Aber genau diese Überzeugung war mir abhanden gekommen. Die Sache war mir mit einem Mal einfach zu unrund, zu unaus-gegoren, um sie weiter mit solch einer Vehemenz vertreten zu können.“

Arbeitsblatt 17 „ZITATE“ Sitzung 4

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Arbeitsblatt 17a „BAUM DER ZWEIFEL“ Sitzung 4

Aussteiger: Matthias Adrian

KameradschaftArbeitslosigkeit

Familie

Lieb

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Nick Greger

„Nachdem ich dann schon wieder zwei Monate mit Haftbefehl gesucht worden war, reif-te der Entschluss in mir, Deutschland ein für alle Mal zu verlassen, um mich aktiv in den Kampf um einen weißen Volksstaat in Südafrika einzubringen. Um an vorderster Front gegen die ‚verhassten Neger‘ zu kämpfen, war ich um die halbe Welt gereist. Mehr als je zuvor war ich auf Kampf eingestellt und fühlte mich ‚im Glauben an die Sache‘ unerschüt-terlich.Und wieder wurde das Problem erörtert, woher wir für wenig Geld mehr Waffen bekom-men könnten. Wir wurden uns schließlich einig, dass Angola das naheliegendste Land zur Waffenbeschaffung sei. Das Problem war nur, dass man die entsprechenden Kontakte in Angola herstellen musste, und so meldete ich mich freiwillig für diese Mission.

Mit der Mission, in Angola Kontakte für Waffengeschäfte aufzubauen sowie auch in Nami-bia eine Kameradschaft in unserem Sinne zu gründen, bestieg ich in Kapstadt den Bus nach Namibia. Kurz gesagt, der ‚Feind‘ verfügte über die nötigen Kontakte wie auch die Waffen, die wir benötigten, um ihn bekämpfen zu können. Es blieb mir also nichts anderes übrig, als in die ‚Höhle des Löwen‘ vorzudringen, und so fuhr ich eines Nachts in das ‚Township‘ Otjiwarongos.

Je weiter ich in das Township fuhr, umso enger wurden die Straßen. Schließlich winkte mich ein Schwarzer zum Anhalten. Er fragte mich, ob ich ihn nicht mit in die Stadt nehmen könne. Er war von freundlicher und aufgeschlossener Natur und hatte im Gegensatz zu mir keinerlei Berührungsängste. Er hatte den Spitznamen Nelly.

Er schleppte mich zu seiner bevorzugten Bar mitten im Township, in der er mich mit seinen Freunden und Freundinnen bekannt machte. Die Menschen in der kleinen Bar waren von Anfang an aufgeschlossen, und ich war sofort Teil dieser Gemeinschaft. Von allen Seiten wurden Getränke herumgereicht, und die Stimmung mir gegenüber sah zusammengefasst folgendermaßen aus: Wir leben alle zusammen, wir feiern zusammen und wir trinken so-mit auch alle gemeinsam.

Nun war ich also der Weiße in einer ‚schwarzen Bar‘, wurde freundschaftlich in ihrer Mitte aufgenommen und musste für mein Bier noch nicht mal bezahlen. Das erste Mal in meiner Laufbahn als Neonazi kam in mir ein Gefühl der Scham auf.“

Arbeitsblatt 18 „ZITATE“ Sitzung 4

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Arbeitsblatt 18a „BAUM DER ZWEIFEL“ Sitzung 4

Aussteiger: Nick Greger

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Christine Hewicker

„Während der Isolationshaft hatte ich hervorragende Gelegenheit, meine Ablehnung ge-gen Staatsanwälte und Richter weiterhin zu pflegen. Ich wollte und konnte keine mensch-lichen Regungen zulassen. Ich hatte es mir einfach verboten. Genauso hatte ich Schwie-rigkeiten, mit mir selbst umzugehen, als ich begann, meine bisherigen Einstellungen und meinen bisherigen Lebenswandel kritisch zu überdenken. Irgendwie sehnte ich mich nach Ruhe, nach einer Familie und nach Liebe. Weil ich diese Gedanken überhaupt nicht akzep-tieren konnte, begann ich, mich nun selbst zu hassen.

Mir selbst wurde ich immer fremder, und um nichts auf der Welt hätte ich in der Öffent-lichkeit zugegeben, dass ich mir meiner bisherigen Meinung gar nicht mehr so sicher war. Ich verstand mich selbst nicht mehr.

Irgendwann ist man an einem Punkt angelangt, wo man in ein tiefschwarzes Loch fällt. Man ist einsam und fühlt sich unverstanden und ungeliebt. Man hat Angst und möchte nur noch laut schreien... Und man möchte mal in den Arm genommen und getröstet werden.

Irgendwie hatte ich mir bisher immer eingeredet, ich könne vor meiner Vergangenheit davonlaufen. Ich betrachtete das Geschehene als etwas, was mich nichts mehr anging und was nie mehr auftauchen würde. Ich wurde eines Besseren belehrt. Ich fragte mich, ob ich es jemals schaffen würde, mit dieser meiner Vergangenheit ohne Probleme umgehen zu können. Oder würde ich dieses Paket mein Leben lang mit mir rumschleppen? Wird dieses Paket eine ständige Belastung für mich sein? Hass war es jetzt nicht mehr, was ich emp-fand – aber eine große Beschämung. Und ich hätte mich am liebsten in Luft aufgelöst.“

Arbeitsblatt 19 „ZITATE“ Sitzung 4

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Arbeitsblatt 19a „BAUM DER ZWEIFEL“ Sitzung 4

Aussteigerin: Christine Hewicker

Beziehung zu mir selbst Angst vor...

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Zeit Arbeitsphase Ziele Vorbereitung: Medien, Material, Technik

Inhalt und Methode,Anmerkungen

5. Sitzung Der Ausstieg aus der rechtsextremen Szene wird vollzogen

AUSSTIEG

5 min Begrüßung,Ablaufplanvorstellen

Begrüßung und Vorstellung des Inhalts der Stunde

Fragen Sie Ihre SchülerInnen, ob sie sich daran erinnern können, was in der letzten Sitzung gemacht wurde.

Erklären Sie Ihren SchülerInnen anschließend, dass in der folgenden Doppelstunde wieder mit den Bio-grafien der AussteigerInnen gearbeitet wird und dass dieses Mal deren Ausstieg aus der rechtsextremen Szene thematisiert wird. Schreiben Sie den Ablaufplan der folgenden Doppelstunde an die Tafel:

• Rätsel• Audiobeiträge zum Thema „Ausstieg“• Gegenüberstellung „Weitermachen – Verändern“• Comics zeichnen• Comics präsentieren• Abschlussdiskussion

Tafel

20 min Die Biografien der AussteigerInnen werden wiederer-kannt und mögliche Ausstiegsmotive thematisiert

Die SchülerInnen haben die Aufgabe, die Ausstiegsmotive der Aussteiger- Innen zu erraten. Um den Schüler- Innen diese Aufgabe zu erleichtern, führen Sie mit ihnen ein „Rätsel“ durch. Am Beginn eines „Rätsels“ steht eine Situation (in diesem Fall: „X ist aus der rechtsextremen Szene ausgestiegen.“), die die Frage „Wie ist es dazu gekommen?“ aufwirft. Lesen Sie den SchülerInnen den kurzen Biografie-Teil und die Frage vom Arbeitsblatt „Rätsel“ vor. Anschließend müssen die SchülerInnen raten, was der Anlass für den Ausstieg aus der rechtsextremen Szene war. Die SchülerInnen stellen Ihnen hierzu ausschließlich Fragen, die Sie mit „ja“ oder „nein“ beantworten. Sollten die SchülerInnen an einem Punkt nicht weiterkommen, können Sie ihnen Tipps geben. Wenn die Schüler- Innen dem Ergebnis bereits sehr nah sind, lesen Sie das Zitat vom Arbeits-blatt „Rätsel“ und anschließend die Auflösung des Rätsels vor.

Anmerkung: Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Methode „Rätsel“ bei Schüle-rInnen sehr gut ankommt und es ihnen Spaß macht, sich am gemeinsamen Raten zu beteiligen. Gerade im Zusam-menhang mit den Biografien der Ausstei-gerInnen rekapitulieren die SchülerInnen so die Inhalte der letzten Stunden.

Rätsel „Ausstieg“

Arbeitsblatt 20„Rätsel“

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Zeit Arbeitsphase Ziele Vorbereitung: Medien, Material, Technik

Inhalt und Methode,Anmerkungen

5. Sitzung Der Ausstieg aus der rechtsextremen Szene wird vollzogen

Spielen Sie den SchülerInnen den ersten Hörbeitrag zum Thema „Ausstieg“ von der CD vor (Titel 13). Fordern Sie Ihre SchülerInnen auf, sich Notizen zu folgenden Fragen, die Sie an die Tafel schreiben, zu machen:

• In welcher Situation befindet sich die Person? • Was motiviert die Aussteiger- Innen, aus der rechtsextremen Szene auszusteigen?

Nach dem Abspielen des Hörbei-trags beantworten die SchülerInnen gemeinsam in der Klasse die Fragen. Die Antworten werden stichpunkt-artig an der Tafel gesammelt.

Anschließend werden diese Arbeits-schritte ebenfalls für die beiden anderen AussteigerInnen mit den Hörbeiträgen 14 und 15 durchge-führt.

20 min Hören der Audiobeiträge zum Thema „Ausstieg“

Motive für den Ausstieg aus der rechtsextremen Szene werden erkannt

CD-Player, Tafel

20 min Zeichnen der Comic-Bilder

Ausstiegsmotive werden mit konkreten Biografien in Verbindung gebracht

Die SchülerInnen finden sich wieder in den Arbeitsgruppen aus den vorigen Wochen zusammen und erhalten das Arbeitsblatt „Zitate“ ihres Aussteigers/ihrer Aussteigerin. Anschließend zeichnen die Schüler-Innen ein Bild, das den Ausstieg der jeweiligen Person aus der rechts- extremen Szene versinnbildlicht. Dies kann auch bedeuten, dass eine Arbeitsgruppe mehrere Bilder zeichnet. Die Aufgabenstellung lautet, anhand der Zitate herauszufinden, was den AussteigerInnen Mut macht, in ihrer schwierigen Lebenssituation den Schritt des Ausstiegs zu machen. Was gibt ihnen Kraft für das Leben nach dem Ausstieg? Das, was ihnen Mut und Kraft gibt, zeichnet die Arbeitsgruppe auf das Arbeitsblatt Comic-Vorlage und klebt es auf das Plakat (Siehe Bsp. auf S. 52).

Anmerkung: Lassen Sie den Schüle-rInnen gestalterische Freiheit, denn gerade Zeichnungen mit einem gro-ßen Interpretationsspielraum bieten eine gute Grundlage für die spätere Diskussion.

Arbeitsblätter 21-23 „Zitate“,Arbeitsblatt 7„Comic-Vorlage“

52

Zeit Arbeitsphase Ziele Vorbereitung: Medien, Material, Technik

Inhalt und Methode,Anmerkungen

5. Sitzung Der Ausstieg aus der rechtsextremen Szene wird vollzogen

Rechtsextremismus wird nicht länger als „Einbahnstraße“ wahrgenommen – die Bedeutung der eigenen Entschei-dungsfreiheit wird erkannt

Die Vorstellung der „Ausstieg“-Zeichnungen sollte nahtlos in die Abschlussdiskussion übergehen. Hierbei können sich die SchülerInnen in der Klasse frei bewegen und die fertigen Plakate ansehen. Thematisiert werden sollten die Lebenswege der AussteigerInnen und die Umstände und Entscheidungen, die sie bestimmt haben. Ein weiteres Thema sind die Hoff-nungen, die die AussteigerInnen mit der rechten Szene verknüpft hatten, und die Gründe, aus denen diese (eventuell notwendigerweise) nicht eingelöst werden konnten.

Mögliche Diskussionsfragen sind hier:

• In welcher Lebenssituation befinden sich die AussteigerInnen kurz vor ihrem Ausstieg?• In welchen Momenten zeigte sich die Entscheidungsfreiheit der AussteigerInnen?• Was erhofften sich die Aussteiger- Innen von ihrem Engagement in der rechtsextremen Szene?• Welche Hoffnungen wurden erfüllt und welche enttäuscht? • Was hat die AussteigerInnen motiviert, aus der rechtsextremen Szene auszusteigen?• Was denkt Ihr, wie es den AussteigerInnen heute geht oder was sie heute machen?

15 min Abschluss-diskussion

In einem „Galerie-Rundgang“ werden die Zeichnungen der Klasse der Reihe nach präsentiert. Hierbei erläutern die Arbeits-gruppen ihren MitschülerInnen die Zeichnungen.

10 min Ursachen für und Veränderungen durch den Ausstieg aus der rechtsextre-men Szene werden erkannt

Präsentation der Comic-Bilder

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Matthias Adrian:

Matthias wurde in Mannheim geboren und wuchs in einer ländlichen Gegend auf. Schon in sei-ner Kindheit hört er immer wieder von älteren Verwandten, dass „bei den Nazis ja nicht alles schlecht gewesen sei“. Matthias beginnt, sich für die Zeit des Nationalsozialismus zu begeistern und militärische Kleidung zu tragen. Wegen seiner Ansichten und seiner Klamotten wird Mat-thias in der Schule zum Außenseiter. Anschluss findet er bei Rechtsextremen in der Gegend, die er bei einer Demonstration kennenlernt. Matthias wird Mitglied bei der NPD und ist bei der JN (Nachwuchsorganisation der NPD) für die Jugendarbeit zuständig. Matthias‘ Ansichten werden immer radikaler und sein Judenhass immer größer. Er möchte ein Zeichen setzen und beschließt, zusammen mit seiner Freundin eine Synagoge zu beschmieren.

Dennoch steigt Matthias Adrian aus der rechtsextremen Szene aus. Warum?

Zitat: „War das noch das, was ich wollte? Skins, die unsere eigenen Leute ausrauben? Vergewal-tigungen innerhalb der Szene? Angebliche Geheimdokumente, die man sich am Biertisch aus-dachte und die dann offizielle Schulungsgegenstände wurden? Mir hatte man in einer Runde, in der nur Vorstandsmitglieder beisammen saßen, die Geldbörse gestohlen. War das Kamerad-schaft?“

Auflösung: Matthias Adrian stieg aus der rechtsextremen Szene aus, da er Zweifel an seinen ehemaligen Überzeugungen bekam. Die Widersprüche zwischen Anspruch und Wirklichkeit in-nerhalb der Szene führten dazu, dass er dem Rechtsextremismus den Rücken kehrte.

Nick Greger:

Nick wurde in einem kleinen Dorf in Bayern geboren und wuchs wohlbehütet als Einzelkind auf. Mit dem Beginn der Pubertät lehnt Nick sich gegen seine Eltern und die Lehrerinnen und Lehrer in seiner Schule auf und bekommt deswegen immer häufiger Ärger. Zu dieser Zeit kommt Nick mit rechtsextremen Jugendlichen aus seiner Gegend in Kontakt, mit denen er von da an viel Zeit verbringt. Sie bestätigen ihn in seinem aufsässigen Verhalten, und zusammen besuchen sie Kameradschaftstreffen und fahren zu ersten Demonstrationen. Da er immer mehr Ärger in Schu-le und Elternhaus bekommt, flieht Nick mit 15 Jahren nach Dresden, weil er gehört hat, dass das die „geheime Hauptstadt der Neonazis“ sei. In Dresden lernt Nick andere Rechtsextreme ken-nen, mit denen er durch die Stadt zieht, Menschen, die nicht in sein Weltbild passen, zusammen-schlägt und rechtsextreme Parolen an die Wände sprüht. Als ihm eine längere Haftstrafe droht, flieht er nach Südafrika und findet dort bei weißen Rassisten Unterschlupf. Zusammen mit ihnen versucht er, sich Waffen zu besorgen und die schwarze Bevölkerung Südafrikas zu bekämpfen.

Dennoch steigt Nick Greger aus der rechtsextremen Szene aus. Warum?

Zitat: „Nun war ich also der verirrte Weiße in einer ‚schwarzen Bar‘, wurde freundschaftlich in ih-rer Mitte aufgenommen und musste für mein Bier noch nicht mal bezahlen. Das erste Mal in mei-ner Laufbahn als Neonazi kam in mir ein Gefühl der Scham auf. Wie sollte es nun weitergehen? Eins war klar, ein Zurück in die Nazi-Bewegung kam nicht mehr in Frage. Wie konnte ich eine der-artige Politik und Weltanschauung noch propagieren, nachdem ich nun ein so herzliches und un-voreingenommenes Verhalten im Township – ja, in der Höhle des Löwen – vorgefunden hatte?“

Auflösung: Nick Greger kam in Südafrika zum ersten Mal in seinem Leben mit Schwarzen in Kon-takt und stellte fest, dass seine rassistischen Vorurteile nicht der Wirklichkeit entsprachen. Er lernte die Menschen in dem Schwarzen-Armenviertel als freundlich und aufgeschlossen kennen und fühlte sich dort besser aufgehoben als in den Siedlungen der hasserfüllten weißen Rassisten.

Arbeitsblatt 20 „RÄTSEL“ Sitzung 5

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Arbeitsblatt 20 „RÄTSEL“ Sitzung 5

Christine Hewicker:

Christine wuchs zusammen mit ihren fünf Brüdern in einem kleinen Dorf in Niedersachsen auf. Schon mit 14 Jahren beginnt Christine, sich für die NPD zu engagieren. Ihr Kontakt zur rechtsex-tremen Szene war damals ein Freund ihres älteren Bruders. Christine verbringt von da an immer weniger Zeit mit anderen Freundinnen und Freunden und immer mehr Zeit bei rechtsextremen Kameradschaftstreffen und Parteiveranstaltungen. Schnell beteiligt Christine sich nicht mehr nur an der legalen Parteiarbeit, sondern verteilt verfassungsfeindliche Flugblätter, sprüht rechts-extreme Parolen an Hauswände und schändet jüdische Friedhöfe. Durch ihr zeitraubendes politi-sches Engagement hat Christine bald kaum noch soziale Kontakte außerhalb der rechtsextremen Szene, und auch ihre Ausbildung schmeißt sie hin. Da die rechtsextreme Parteiarbeit erfolglos bleibt, beschließt Christine zusammen mit anderen Rechtsextremen, mit Waffengewalt eine po-litische Veränderung zu erreichen. Sie planen einen Sprengstoffanschlag auf US-Soldaten und einen Banküberfall, um sich das nötige Geld zu beschaffen.

Dennoch steigt Christine Hewicker aus der rechtsextremen Szene aus. Warum?

Zitat: „Ich wollte und konnte keine menschlichen Regungen zulassen. Ich hatte es mir einfach verboten. Irgendwie sehnte ich mich nach Ruhe, nach einer Familie und nach Liebe. Weil ich diese Gedanken überhaupt nicht akzeptieren konnte, begann ich, mich nun selbst zu hassen.“

Auflösung: Je stärker sich Christine Hewicker in der rechtextremen Szene engagierte, desto stärker isolierte sie sich auch von allen Kontakten außerhalb der Szene. Die soziale Isolation durch die rechtsextreme Szene und das Gefühl, mehr Schaden anzurichten als Gutes zu tun, lassen in Christine den Wunsch wachsen, aus der rechtsextremen Szene auszusteigen und ein normales Leben zu führen.

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Matthias Adrian

„Ich denke heute, dass die Liebe von und zu Gunda mir in dieser Zeit die Kraft gab, diese für mich immer schlimmer werdende Krise zu überstehen. Denn indem ich meinen alten Positionen und Ansichten gegenüber immer kritischer wurde, legte ich die ideologischen Scheuklappen ab und begann, mich zum ersten Mal in meinem Leben aus anderen als rechtsextremen und revisionistischen Quellen zu informieren, ohne den Hintergedanken, dass alles eine Verschwörung sei. Was mir anfangs sehr schwer fiel. Wenn überhaupt, schenkte ich nur Quellen aus explizit nicht-linken Kreisen Glauben. Aber auch das reichte schon aus, um immer mehr Mythen und Lügen, die meine Weltanschauung bildeten, auf-zudecken.

Schließlich entschied ich mich am 10. Januar, meinem Geburtstag, zu erklären, dass ich das, was ich bisher vertreten hatte, nicht mehr mit gutem Gewissen weiterführen könne. Ich trat von meinen Ämtern zurück und verkündete meinen Austritt aus der Partei.

Mitte Februar kam es dann noch einmal zu einer Hausdurchsuchung wegen der Schän-dung des jüdischen Friedhofs. Der Prozess dauerte nur etwa zwei Stunden, und die An-klage stütze sich im Wesentlichen auf unsere Aussagen. Als der Prozess vorüber war, war unser erster Gedanke nicht, wie man sich vielleicht vorstellen könnte, zum Glück nur Be-währung, sondern eher: Jetzt können wir endlich aktiv werden, ohne in den Verdacht zu geraten, irgendwelche Vorteile für uns herausschlagen zu wollen. Seit dieser Zeit began-nen wir, uns gegen die rechtsextreme Szene und Weltanschauung zu engagieren.

Leider kam meine geliebte Lebensgefährtin bei einem tragischen Unfall ums Leben. Ich vermisse sie sehr und sie fehlt mir jeden Tag, aber die Erinnerung an sie und ihr Wirken geben mir die Kraft, unseren gemeinsamen Weg nun alleine weitergehen zu können.“

Arbeitsblatt 21 „ZITATE“ Sitzung 5

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Nick Greger

„Nellys Schwester arbeitete als Bedienung hinter der Bar, und sie fiel mir schon sofort beim Betreten des Lokals auf. Zu meiner Erschütterung musste ich mir eingestehen, dass dies das schönste Mädchen war, das ich bis dahin in Afrika zu Gesicht bekommen hatte. Nach diesem Abend stand für mich fest, dass ich sie auf jeden Fall wiedersehen wollte.Die nächsten Tage war es dann so, dass ich mich mehr und mehr von meinen weißen Ka-meraden in Otjiwarongo zurückzog. Stattdessen zog es mich abends ins Township zu den neuen Freunden, um darüber zu sprechen, wie man seine Zukunft in diesem Land wohl am besten gestalten könnte.

Wie sollte es nun weitergehen? Eins war klar, ein Zurück in die Nazi-Bewegung kam nicht mehr in Frage. Wie konnte ich eine derartige Politik und Weltanschauung noch propagie-ren, nachdem ich nun ein so herzliches und unvoreingenommenes Verhalten im Township – ja, in der Höhle des Löwen – vorgefunden hatte? Wie konnte ich weiter gegen Rassen-verräter fluchen, wo ich mich doch nun selbst in ein schwarzes Mädel verliebt hatte?

In einer groben, jedoch geradlinigen Zusammenfassung spielte sich das Leben in der Szene folgendermaßen ab: eine verlorene Jugend im Hass, verraten von Kameraden, Knast, Ge-walt, Polizei, zerbrochene Beziehungen, Knast, Kampf, ein Haufen Geld ins Nichts investiert – und das Ganze wieder von vorn, denn so funktioniert der Kreislauf in der Neonazi-Szene.

Ich selbst hatte mir das jedenfalls solange angetan, bis ich heute das Gefühl habe, als hätte sich mir ein Fenster geöffnet, durch das ich Licht sehe und nun frische Luft zum Atmen bekomme. Ich möchte dieses neue Lebensgefühl, durch das ich mich einfach nur frei füh-le, nicht mehr missen und werde in meinem künftigen Leben darauf achten, dass dieses Fenster geöffnet bleibt.“

Arbeitsblatt 22 „ZITATE“ Sitzung 5

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Christine Hewicker

„Ich durfte mein früheres Leben nicht mehr verdrängen, sondern ich musste endlich ler-nen, dazu zu stehen. Nicht die Vergangenheit, nicht Hitler und seine Machenschaften wa-ren der Inhalt meiner politischen Einstellung, sondern vielmehr der Wille, die Ungerech-tigkeiten, die in der ganzen Welt herrschten, zu beseitigen. Irgendwie habe ich mich auch als weiblichen Robin Hood gesehen, der völlig uneigennützig für die Schwachen eintritt und dafür die Reichen und Machthaber bekämpft.

Rückblickend kommt mir meine Vergangenheit vor wie eine Sucht: Erst probiert man nur – später kommt man nicht mehr davon los. Ein Süchtiger wird auch kaum noch über seine Situation nachdenken, weil er das gar nicht mehr kann.

Ich führe heute ein Leben, das nicht mehr von politischem Gedankengut, von Hass und Gewalt geprägt ist, sondern allein von dem Streben nach einem bürgerlichen, ehrlichen Berufs- und Familienleben. Mein Ehemann und meine Kinder sind der ganze Lebensinhalt für mich, und ich tue alles dafür, dass wir eine glückliche Familie sind.

Wichtig ist mir, dass ich meinen Kindern eine Erziehung biete, die nicht von Vorurteilen Menschen gegenüber, die einer anderen Rasse oder Religion angehören, geprägt ist. Sie sollen zu toleranten, offenen, hilfsbereiten Menschen werden, die ihre Mitmenschen und das Leben lieben.“

Arbeitsblatt 23 „ZITATE“ Sitzung 5

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Beispiel „PLAKAT“ Sitzung 5

...und so könnte es aussehen.

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Wir danken allen, die uns bei der Erstellung dieses Materials unterstützt haben:

Exit Deutschland, Matthias Adrian, Christine Hewicker und Nick Greger

für die Überlassung der Textauszüge sowie Klaas Heufer-Umlauf, Sophia Oppermann und Ole Tillmann für die Vertonung der Texte.

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Impressum

Herausgeber:Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland e.V.Koppenstraße 9310243 Berlin

Tel. 030 - 30 30 808-0Fax 030 - 30 30 808-30

[email protected]

Konzeption und Durchführung: Sören Schneider, Christian Martens, Johanna SchwarzProjektleitung: Rebecca WeisAutor: Sören SchneiderRedaktionelle Mitarbeit: Sabine Ganzer, Christian Martens, Johanna, Schwarz

Fotos: Archiv Exit-Deutschland, Archiv work 404, Archiv Gegen Vergessen – für Demokratie e.V.

Grafische Gestaltung: Mathias Salomon, Berlin

Berlin, Oktober 2010

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Ein Projekt von Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes DeutschlandGefördert im Rahmen des Bundesprogramms „VIELFALT TUT GUT. Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“