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Wenn Kinder partizipieren Kinderkonferenzen in der Praxis Fotos: Katharina Deeg; iStock.com: © SergiyN Kinderkonferenzen bieten eine gute Möglichkeit, bereits junge Kinder in Entscheidungsprozesse einzubezie- hen, die die Gestaltung ihres Alltags in der Einrichtung betreffen. Die Kin- der lernen dadurch, ihre Meinung zu äußern, sie erfahren Selbstwirksam- keit und merken, dass es sinnvoll ist, sich zu beteiligen. Was sich hinter dem Begriff der Kinderkonferenzen verbirgt und wie man diese in der Kita umsetzt, beschreibt der folgende Beitrag. Katharina Deeg Entscheidungsfindungsprozesse, in die möglichst viele unterschiedliche Mei- nungen und Sichtweisen einfließen, gehören zu einer demokratischen Ge- sellschaft, wie wir sie uns idealerweise vorstellen. Es entspricht daher unse- rem Wertekanon, dass bereits (junge) Kinder gehört und in Entscheidungen einbezogen werden. In der UN-Kinder- Beruf 54 www.kleinundgross.de 05 / 2014

Wenn Kinder partizipieren - Startseite: Konzept-e · allen das Kind berührenden Angele - genheiten frei zu äußern, und berück-sichtigen die Meinung des Kindes an-gemessen und

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Wenn Kinder partizipierenKinderkonferenzen in der Praxis

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Kinderkonferenzen bieten eine gute Möglichkeit, bereits junge Kinder in Entscheidungsprozesse einzubezie-hen, die die Gestaltung ihres Alltags in der Einrichtung betreffen. Die Kin-der lernen dadurch, ihre Meinung zu äußern, sie erfahren Selbstwirksam-keit und merken, dass es sinnvoll ist, sich zu beteiligen. Was sich hinter

dem Begriff der Kinderkonferenzen verbirgt und wie man diese in der Kita umsetzt, beschreibt der folgende Beitrag.

Katharina Deeg

Entscheidungsfindungsprozesse, in die möglichst viele unterschiedliche Mei-nungen und Sichtweisen einfließen, gehören zu einer demokratischen Ge-sellschaft, wie wir sie uns idealerweise vorstellen. Es entspricht daher unse-rem Wertekanon, dass bereits (junge) Kinder gehört und in Entscheidungen einbezogen werden. In der UN-Kinder-

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rechtskonvention sind diese Werte verankert. Artikel 12 schreibt fest: „Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angele-genheiten frei zu äußern, und berück-sichtigen die Meinung des Kindes an-gemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife“ (UN-Kinderrechts-

konvention 1990, Absatz 1). Eine gute Möglichkeit, um Kinder ihrem Alter gemäß zu beteiligen, bieten die Kin-derkonferenzen.

Was bedeutet der Begriff „Kinderkonferenz“?Den Begriff „Konferenz“ definiert der Duden als „Besprechung mehrerer Per-sonen über fachliche, organisatorische oder ähnliche Fragen“ (www.duden.de/

suchen/dudenonline/konferenz). Diese allge-meine Beschreibung ist auf die Kinder-konferenz übertragbar. Sind es bei einer Konferenz im her-kömmlichen Sinne vielleicht Politike-rinnen und Politiker, die über das The-ma „Ausbau der Kinderbetreuungs- plätze“ diskutieren, oder eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern, die sich über den Ablauf des bald stattfin-denden Ausfluges beraten, so sind es in der Kinderkonferenz Kinder in einer Krippe oder Kita, die sich untereinan-der sowie mit Erzieherinnen zum Bei-spiel über den Tagesablauf, über Re-geln, bestimmte Ereignisse oder mögliche Veränderungen in der Ein-richtung austauschen. Bei Kinderkon-ferenzen gibt es keine Einschränkun-gen in der Themenauswahl. Hierbei sind der Kreativität und den Wünschen der Kinder und Fachkräfte keine Gren-zen gesetzt.

Der pädagogische Nutzen von KinderkonferenzenZiel einer Kinderkonferenz ist es, die Meinungen und Anliegen aller Betei-ligten, in erster Linie die der Kinder zu erfassen und ernst zu nehmen. Ge-meinsam diskutieren alle die einge-brachten Themen, entwickeln neue Ideen und planen Abläufe. Auf diese Weise bekommen Kinder die Gelegen-heit, ihre Bedürfnisse und Interessen zu erkennen und sie zu formulieren. Die Kinderkonferenz ist eine Möglich-

keit, Kindern im Alltag Raum zu ge-ben, um ihre Interessen, Anliegen und Meinungen zu artikulieren. In vielen, insbesondere in partizipations- und demokratieorientierten Einrichtungen ist die Kinderkonferenz bereits ein fes-ter Bestandteil im Tagesablauf gewor-den. Dadurch, dass Kinder in Prozesse ein-bezogen werden, die sie selbst und die Kita betreffen, entwickeln sie ein Ge-fühl von Selbstwirksamkeit: Sie bewe-gen eigenständig oder in der Gemein-schaft etwas und erfahren somit die Auswirkungen ihres Tuns. Durch diese Konferenzen werden Kinder auch selbstständiger, weil sie in diesem Rah-men ihre Interessen und Anliegen äu-ßern und ihre Meinung vor einer Gruppe vertreten. Das Einbringen von Vorschlägen för-dert zudem den kindlichen Spracher-

werb. Die Kinder müssen sich nämlich überlegen, was sie sagen möchten, und vor allem wie sie das tun, damit es für die anderen verständlich ist. Durch den Austausch mit den anderen lernen die Kinder auch neue Begriffe und Ausdrucksweisen, die sie dann in ihren eigenen Wortschatz aufnehmen kön-nen. Davon profitieren vor allem Kin-der, die sich sprachlich wenig äußern. Die Kinderkonferenzen stärken zudem die sozialen Kompetenzen der Kinder, weil sie hier mit anderen (Kindern

oder Erwachsenen) in einen Aushand-lungsprozess treten, um ihre Interes-sen und Wünsche durchzusetzen. Die so entstehenden Diskussionen führen schließlich zu der ebenfalls sehr wichti-gen Phase der Kompromissfindung. Hier lernen die Kinder letztendlich ih-re eigenen Interessen zu vertreten, ge-nauso aber auch, auf die Wünsche an-derer Rücksicht zu nehmen.

Die Kinderkonferenz in KitasKinderkonferenzen können als fester Bestandteil im Tagesablauf integriert sein, sie können aber auch spontan be-ginnen oder situationsbedingt einbe-rufen werden. Für jede dieser Formen ist es wichtig, dass die Konferenz ei-nen gewissen strukturgebenden Rah-men aufweist. So sollte es eine Ge-sprächsführerin bzw. einen Gesprächsführer geben, der die Beiträ-ge moderiert und auf diese Weise für

„Kinder bekommen die Gelegenheit, ihre Bedürfnisse und Interessen zu erkennen und sie zu formulieren.“

„Das finde ich gut!“

„Jetzt ist Kinderkonferenz“

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eine gute Gesprächskultur sorgt, die es erlaubt, die geäußerten Anliegen hö-ren und verstehen zu können. Des Weiteren ist es wichtig, dass es einen passenden Raum für die Kinderkonfe-renz gibt, in dem alle ausreichend Platz haben, sodass sie sich ohne Prob-leme austauschen können.

Umsetzung einer fest integrierten KinderkonferenzBetrachten wir im Folgenden die Um-setzung einer fest in den Tagesablauf integrierten Kinderkonferenz zum Thema „Ausgestaltung der (anschlie-ßenden) Intensivphase“. Die Intensiv-phase ist eine Zeit, in der sich die Kin-der ihren Themen und Interessen vertieft widmen und sich dabei auch mit neuen Herausforderungen ausein-andersetzen können. Für die Fachkräf-te ist diese Zeit eine der wichtigsten pädagogischen Phasen im Tagesablauf. In den element-i-Kinderhäusern findet die Kinderkonferenz jeden Tag zur gleichen Uhrzeit statt. Das ermöglicht ein festes Ritual im Tagesablauf, wel-ches den Kindern Orientierung und Si-cherheit gibt.

Begonnen wird die Konferenz mit ei-nem Begrüßungslied, welches sich die Kinder aussuchen. Dann werden die anstehenden Themen besprochen (z. B. die Auswirkungen des Wetters auf den Tagesablauf, Bestimmtes zu der Jahreszeit oder dem Wochentag etc.). Dabei werden die Kinder nach ih-rer Meinung gefragt, sodass ein Aus-tausch entstehen kann. Von großem Nutzen sind hierfür vorbereitete Sym-bole und Bilder, die das Gesagte veran-schaulichen und die Kinder so besser in den Austauschprozess einbeziehen. Anschließend folgt der wichtigste Teil der Kinderkonferenz, die Vorstellung der einzelnen Angebote und Impulse.

Mit „Impulsen“ sind Beschäftigungs-anstöße der Pädagoginnen gemeint, entstanden durch die intensive Beob-achtung der Kinder. Die Fachkräfte versuchen damit, an den Interessen der Kinder anzusetzen und diese zum weiteren Entdecken und For-schen anzuregen. Den Weg des Ex-perimentierens entscheiden die Kin-der, die Fachkräfte begeben sich lediglich gemeinsam mit ihnen auf Entdeckungsreise. Auf diese Weise wird der Erfahrungshorizont der Kin-der erweitert.

Es sollte ein möglichst ausgeglichenes Verhältnis zwischen den Vorschlägen der Kinder und der Fachkräfte geben. Die Kinder haben jetzt die Gelegen-heit, ihre Wünsche und (kreativen) Ideen einzubringen, sodass diese in der Intensivphase aufgegriffen wer-den können. Auf diese Weise erfahren die Kinder Selbstwirksamkeit und Wertschätzung: Sie werden wahrge-nommen und ernst genommen, sie können mit ihren Vorschlägen etwas bewegen. Und ihre Ideen werden ge-schätzt – das zeigt ihnen auch die Tat-sache, dass sie die Möglichkeit haben, sie in der Kinderkonferenz zu präsen-tieren. Nachdem Kinder und Erwachsene ihre Impulse, Ideen und Angebote vorge-stellt haben, kann sich jedes Kind ei-genständig entscheiden, was es ma-chen möchte.

Als Hilfsmittel für diese Entschei-dung bietet sich ein „Redestab“ oder ein „Redestein“ an, der reihum wei-tergegeben wird. Das Kind, welches diesen Gegenstand in der Hand hält, erklärt, woran es sich in der Intensiv-phase beteiligen möchte.

„Partizipation von Kindern beginnt bei den Erwachsenen.“

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Zum Abschluss der Kinderkonferenz können alle gemeinsam ein Lied sin-gen, um das Ende der Konferenz zu verdeutlichen. Je nach Kinderzahl dau-ert eine Kinderkonferenz dieser Art etwa 15 bis 20 Minuten.In der Krippe ist es sinnvoll, die Dauer der Konferenz auf etwa zehn Minuten zu verkürzen. Bei den Null- bis Dreijäh-rigen ist es besonders wichtig, die ein-zelnen Impulse und Angebote symbo-lisch zu verdeutlichen. So kann ein zu dem geplanten Vorhaben passendes Bild oder ein entsprechender Gegen-stand in die Kreismitte gelegt werden. Gerade die jüngeren Kinder können dann auf den Gegenstand deuten, der das symbolisiert, was sie spannend und interessant finden.

Die Kinderkonferenz aus aktuel-lem AnlassDas Kita-Team kann z. B. auch dann ei-ne Kinderkonferenz einberufen, wenn es um organisatorische Veränderun-

gen oder um die Gestaltung des Kin-derhauses geht. Die Kinder werden so an Planungen und Entscheidungen be-teiligt, die sie selbst und die Gemein-schaft im Alltag betreffen. Auch dieser Prozess kann im Dialog und in einer Partnerschaft mit den Kindern statt-finden. Der Inhalt einer solchen Kinderkonfe-renz kann zum Beispiel die Umgestal-tung eines Raumes in der Kita sein. Hierzu werden die Kinder befragt, was sie gerne in diesem Raum verändern möchten. In der Gemeinschaft entwi-ckeln sie dann ein Konzept, dem alle Beteiligten zustimmen müssen.

Hier lassen sich z. B. auch Zusatzver-einbarungen aushandeln, die einen gewissen Spielraum in der Raumnut-zung einräumen: So können sich die Kinder dafür entscheiden, dass der Raum an einem Tag nur den Mäd-chen, an einem anderen Tag nur den Jungen zur Verfügung steht. Die Ab-stimmung darüber findet in der ge-meinsamen Diskussion statt.

Auch bei dieser Art der Kinderkonfe-renz ist ein Gesprächsführer bzw. eine -führerin wichtig. Diese Person mode-riert die Diskussion und sorgt für einen gelungenen Austausch. Es muss nicht notwendigerweise eine Fachkraft sein, die diese Rolle ausfüllt, auch viele Kin-der übernehmen das gerne.

Tipps für die Einführung von Kin-derkonferenzen in den Kita-AlltagDer Implementierung von Kinderkon-ferenzen in den Alltag muss eine Aus-einandersetzung mit dem Thema im

Kita-Team vorausgehen. Die Mitarbei-ter und Mitarbeiterinnen sollten vorab ihre eigene Haltung dazu reflektieren und sich darüber austauschen. Partizi-pation von Kindern beginnt bei den Erwachsenen. Nur wenn diese bereit sind, Kinder an Entscheidungen teilha-ben zu lassen und sie in den Alltag ein-zubeziehen, können Demokratie und Partizipation in der Kita gelebt wer-den. Leitfragen zur Besprechung des Themas in einer Teamsitzung könnten sein:ßß Wann kann und will ich Kinder im Alltag beteiligen? ßß In welchen Situationen oder Angele-genheiten kann ich mir eine Mitbe-stimmung von Kindern überhaupt nicht vorstellen bzw. wann kann ich es nicht verantworten?

ßß Wie sollen Kinderkonferenzen kon-kret ablaufen? Welche wiederkeh-renden Elemente geben eine Struk-tur vor?ßß Welche Bilder und Gegenstände können es den Kindern erleichtern, den Inhalten der Konferenz zu folgen?

Diese und ähnliche Fragen dienen der gemeinsamen Auseinandersetzung mit dem Thema im Team und sind gleich-zeitig Grundlage für die Vereinbarung von gemeinsamen Umsetzungsstrate-gien. Anschließend sollte zunächst eine Test-phase mit den Kindern folgen, um zu überprüfen, wie sie darauf reagieren und wie sie alles annehmen. Wichtig ist dabei, dass das Team die Kinder auch in diesen Prozess einbezieht und sie nach ihrer Meinung fragt. Dadurch finden die Erzieherinnen auch heraus, was sie anders, kindgerechter gestal-ten können.Insbesondere in der Anfangsphase der Einführung von Kinderkonferenzen ist es wichtig, die stattfindenden Prozesse und Entwicklungen in der Einrichtung fortlaufend im Team zu reflektieren. Partizipation und Demokratie in der Kita beginnen also nicht bei den Kin-dern. Voraussetzung dafür sind ent-sprechende Strukturen unter den Er-wachsenen sowie deren Wunsch nach Beteiligung von Kindern.

Katharina Deeg, B. A. Soziale Arbeit, Päda-

gogischer Leitungskreis „Konzept-e für Bil-

dung und Betreuung gGmbH“

Kontakt

[email protected]

Literatur

Bundesrepublik Deutschland: UN-Kinder-

rechtskonvention. Übereinkommen über die

Rechte des Kindes. Artikel 12, Absatz 1,

1990

„Wann kann und will ich Kinder im Alltag beteiligen?“

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