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DOKUMENTATION 15. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR 21. UND 22. NOVEMBER 2014 IN DER HAFENCITY UNIVERSITÄT HAMBURG, ÜBERSEEALLEE 16 HERAUSGEBER: LANDESRAT FÜR STADTTEILKULTUR DER KULTURBEHÖRDE HAMBURG Konzepte der Stadtteilkultur im universitären Diskurs Theorie und Praxisfeld lokaler Kultur und kultureller Bildung

Konzepte der Stadtteilkultur im universitären Diskurs · • Mach dir ein Bild von der Stadt – Partizipieren und archivieren Die Theorie und Praxis der Stadtteilkultur zeichnet

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TATION15. HAMBURGER RATSCHLAG STADTTEILKULTUR

21. UND 22. NOVEMBER 2014 IN DER HAFENCITY UNIVERSITÄT HAMBURG, ÜBERSEEALLEE 16HERAUSGEBER: LANDESRAT FÜR STADTTEILKULTUR DER KULTURBEHÖRDE HAMBURG

Konzepte der Stadtteilkultur im universitären Diskurs Theorie und Praxisfeld lokaler Kultur und kultureller Bildung

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15. RATSCHLAG STADTTEILKULTUR: KONZEPTE DER STADTTEILKULTUR IM UNIVERSITÄREN DISKURS

INHALTSVERZEICHNIS

EINFÜHRUNG Yvonne Fietz ......................................................................................................................................... 4

KÜNSTLERISCHE ANEIGNUNG UND PARTIZIPATION IM STADTRAUM Öffentlichen Gestaltungsberatung ........................................................................................................ 6Holger Börgartz: Gute Nacht Eidelstedt ................................................................................................ 9Diskussionsprotokoll ........................................................................................................................... 11

COMMUNITY EDUCATION UND STADTTEILKULTURELLE BILDUNGSKONZEPTEDr. Anke Wischmann, Prof. Dr. Cornelie Dietrich: Kulturelle Bildung in Bildungslandschaften .......... 14Marcel Pouplier: Gestaltung kultureller Bildungsprozesse in Kooperationen .................................... 20Diskussionsprotokoll .......................................................................................................................... 24

URBANE ÖFFENTLICHKEITEN UND PERFORMATIVE KÜNSTEMatthias Quabbe: Choreografie der Nachbarschaft ............................................................................ 26Imanuel Schipper: Gestaltung von Öffentlichkeiten im urbanen Raum ............................................. 29Diskussionsprotokoll .......................................................................................................................... 32

MACH DIR EIN BILD VON DER STADTJoachim Räth: Archivieren und partizipieren: stadtteilgeschichten.net .............................................. 35Yvonne Fietz: HMJokinen – Kunst und Stadtraumforschung auf kolonialen Spuren ........................ 37Diskussionsprotokoll .......................................................................................................................... 40

REFERENTINNEN UND REFERENTEN.................................................................................................... 42

TEILNEHMERLISTE ............................................................................................................................... 43

IMPRESSUM ........................................................................................................................................ 44

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KONZEPTE DER STADTTEILKULTUR IM UNIVERSITÄREN DISKURS

Stadtteilkultur ist zwar eine junge Kultursparte, dennoch schaut sie mittlerweile auf drei Jahrzehnte Praxiserfahrung und ein breites Spektrum innovativer Konzepte zurück, die viele wertvolle Potenziale einer internationalen Stadtge-sellschaft erschließen. Nicht nur die Stadtteilkultur arbeitet mit einem erweiterten Bildungsbegriff, auch Universitä-ten experimentieren mit der Gestaltung innovativer Bildungsprozesse und begeben sich mit Forschungsfragen und -projekten in die Stadtteile.

Der diesjährige 15. RATSCHLAG STADTTEILKULTUR bringt Theorie und Praxisfeld der Stadtteilkultur mit aktuellen universitären Diskursen und Projekten zu folgenden Schwerpunkten zusammen:

• Wie wollen wir leben in ...? Künstlerische Aneignung und Partizipation im Stadtraum• Kollektiv entwickeln & bilden: Community Education und stadtteilkulturelle Bildungskonzepte• Urbane Öffentlichkeiten und performative Künste: Wirkungsweisen theatraler Interventionen• Mach dir ein Bild von der Stadt – Partizipieren und archivieren

Die Theorie und Praxis der Stadtteilkultur zeichnet sich dadurch aus, dass sie interdisziplinär ange-

legt ist und dass sich ihre Konzepte meist aus ver-schiedenen Fachdiskursen speisen. Vor einigen Jahren wurde von der Kulturpolitischen Gesellschaft eine Untersuchung umgesetzt zu der Fragestellung, ob zur Sicherung der fachlichen Kompetenz der Mitarbeite-rInnen aus dem soziokulturellen Handlungsfeld bei-spielsweise ein eigener Fachbereich an den Hoch-schulen eingerichtet werden sollte. Ergebnis der Untersuchung: Das Handlungsfeld der Zentren stellt sich so vielfältig dar, dass sich die Kompetenzen nur durch interdisziplinäres Forschen und Arbeiten erlangen lassen. Obwohl sich die Schnittmengen zwischen Stadtteil-kultur und universitären Diskursen verschiedener Fachbereiche in den letzten Jahren zusehens ver-größert haben, gab es bislang eher nur punktuell einen fachlichen Austausch der Akteure. Vor diesem

Hintergrund stellte der 15. RATSCHLAG STADTTEILKUL-TUR diese Schnittmengen in den Mittelpunkt und lud ExpertInnen und Akteure aus Theorie und Praxis dazu ein, sie weiterzuentwickeln.

Kultur für alle – Forschen für alleDie Diskussion am Freitagabend unter dem Motto „Kultur für alle – Forschen für alle“ ging mit Exper-tInnen aus verschiedenen Handlungsfeldern Aspek-ten des wissenschaftlichen Arbeitens, Lernens und Lehrens sowie stadtteilorientierten Kulturkonzepten und -praxis nach.

Vor über 30 Jahren ist die Stadtteilkultur unter dem Motto „Kultur für alle“ mit einem erweiterten Kultur-begriff angetreten, der auch performative Kunstpro-zesse, Alltagskultur und kulturelle Bildung umfasst. Unter dem Motto „Forschen für alle“ lassen sich nun die Entwicklungen beschreiben, mit denen Universi-

Yvonne Fietz

Theorie und Praxisfeldlokaler Kultur und kultureller Bildung

Der diesjährige 15. RATSCHLAG STADTTEILKULTUR stellt Verbindungen her zwischen universitären Diskursen und Konzepten der Stadtteilkultur und kulturellen Bildung. Im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlicher Forschung und zielgruppen- und teilhabeorientierter kultureller Praxis ergaben sich spannende Impulse für beide Seiten.

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Gtäten ihren konzeptionellen und praktischen Ansatz des Forschens, Lehrens und Lernens erweitern und mit unterschiedlichsten Projekten ihre angestammten Gebäude und Terrains verlassen und z.B. in die Stadt und in die Stadtteile gehen.Zum Auftakt des 15. RATSCHLAG STADTTEILKULTUR wurden am Freitagabend verschiedene Projekte vor- und zur Diskussion gestellt: Prof. Jesko Fezer (Hochschule für Bildende Künste Hamburg) stellte das von ihm initiierte Studio für Experimentelles Design und das Projekt „Öffentliche Gestaltungsberatung“ vor. Ortrud Schwirz (Stadtteilkulturzentrum LOLA) beschrieb Forschungsprozesse im stadtteilkulturellen Praxisfeld. Vom stadtteilorientierte Partizipations-projekt „Choreografie der Nachbarschaft“ berichtete Matthias Quabbe (K3 – Zentrum für Choreographie | Tanzplan Hamburg) und Joachim Räth erläuterte das internetbasierte Partizipationsprojekt „stadtteilge-schichten.net“. Einen Einblick in das Forschungsfeld „Kunst macht Gesellschaft und Urbane Öffentlichkei-ten und performative Künste“ der Hafencity Univer-sität bot Hilke Berger. Fachkundig moderiert wurde die Diskussion von Prof. Dr. Alexa Färber (Hafencity Universität Hamburg).

Unter dem Motto „Wie wollen wir leben...?“ wurde in der Arbeitsgruppe mit dem Schwerpunkt „Künst-lerische Aneignung und Partizipation im Stadtraum“ das Konzept und die Arbeitsweise der Öffentlichen Gestaltungsberatung vorgestellt, die „Design als Selbstermächtigung“ versteht und die Studierende des Studios für Experimentelles Design von Prof. Jesko Fezer an der Hochschule für Bildende Künste in Kooperation mit der GWA St. Pauli umsetzten. Holger Börgartz vom Stadtteilkulturzentrum Eidelstedter Bürgerhaus gab Einblick in eine interaktiv gestaltete Talk-Show, bei der Stadtteilentwicklungsprozesse, so-ziale Themen und künstlerische Darbietungen unter-haltsam verwoben wurden. Seit vielen Jahren prakti-zieren Stadtteilkulturzentren künstlerische Interventi-onen in städtischen Prozessen, um die Eigeninitiative von BewohnerInnen zu aktivieren und sich mit stadt-teilpolitischen Themen künstlerisch auseinanderzuset-zen. Neuerdings beforschen immer mehr Universitäten derartige Prozesse mit neuen Wissenschafts- und Bildungsstrategien.

Sich ändernde ökonomische, demografische und poli-tische Bedingungen, wie sie z.B. in Hamburg eine in-ternationale Stadtgesellschaft mit sich bringt, stellen

neue Anforderungen an Bildung und an ihre Organi-sation. Die Frage ist, wie sich gerade mit Migrations- und Stadtteilentwicklungsprozessen Bildungserfolge erreichen lassen. In der Arbeitsgruppe „Kollektiv bilden und entwickeln“ stellte Dr. Anke Wischmann den Begriff der „Kommunalen Bildungslandschaft“ in Abgrenzung zur „Community Education“ vor und reflektiert vor diesem Hintergrund u.a. das Programm „Lernen vor Ort“. Marcel Pouplier untersuchte in seinem Beitrag die kulturelle Bildungspraxis auf der Schnittstelle von Stadtteil, Schule, Kulturorganisation, KünstlerInnen und SchülerInnen.

Bei der Arbeitsgruppe „Urbane Öffentlichkeiten und performative Künste“ stand die Rolle der performa-tiven und medialen Künste im Kontext der neuen urbanen Demokratisierungsbewegungen im Zentrum des Interesses. Das von Imanuel Schipper vorgestell-te Projekt „Re/Okkupation“ untersuchte exemplarisch am Beispiel von theatralen Interventionen im Stadt-raum Zürich, wie performative Techniken zur Erzeu-gung und Gestaltung von Öffentlichkeit im urbanen Raum genutzt werden können. Matthias Quabbe stellte vor, wie SchülerInnen der Reformschule Winter-hude in Zusammenarbeit mit dem choreografischen Zentrum K3 Menschen, Orte und Geschichte(n) in ihrer Nachbarschaft entdeckten und anschließend künstlerische Heldentaten begannen.

Joachim Räth führte die TeilnehmerInnen der Arbeits-gruppe „Mach dir ein Bild von der Stadt – Partizipie-ren und archivieren“ in das digitale Bürgerarchiv zur Alltagsgeschichte im Internet: stadtteilgeschichten.net – der konsequente Transfer der partizipativen „Ge-schichtsschreibung“ ins digitale Zeitalter. Die bilden-de Künstlerin HMJokinen schälte bei der Vorstellung verschiedener Projekte Stück für Stück die weitge-hend vergessene und verdrängte Kolonialgeschichte Hamburgs heraus und hinterfragte die koloniale Ge-genwart unserer Stadt. Ihre Arbeit beinhaltet beteili-gende Kunst im öffentlichen Raum, Ausstellungsku-ratorium, Publikationen und auch Projekte zwischen Ghana/Tansania und Hamburg.

Beim 15. RATSCHLAG STADTTEILKULTUR wurden wieder vielfältige Impulse für die Theorie und Praxis geliefert, die mithilfe der nun vorliegenden Dokumen-tation weiter vertieft werden können.

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KÜNSTLERISCHE ANEIGNUNG UND PARTIZIPATION IM STADTRAUM

Die künstlerische Aneignung und Partizipation im Stadtraum wird seit vielen Jahren von Stadtteilkulturzentren prak-tiziert und neuerdings auch immer mehr von Universitäten beforscht. Dabei geht es um künstlerische Interventionen in städtische Prozesse, um die Eigeninitiative von BewohnerInnen zu aktivieren und sich mit stadtteilpolitischen The-men künstlerisch auseinanderzusetzen. In der Arbeitsgruppe wird das Konzept und die Arbeitsweise der „Öffentlichen Gestaltungsberatung“ vorgestellt, die „Design als Selbstermächtigung“ versteht und die Studierende des Studios für Experimentelles Design von Prof. Jesko Fezer an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg in Kooperation mit der GWA St. Pauli umsetzen.

Vorstellung GWA ST. PauliDie GWA St. Pauli ist seit fast 40 Jahren als Einrich-tung im Stadtteil verortet. Vielfältige Kooperationen und interpersonelle Kontakte mit den Einrichtungen im Stadtteil sowie die Netzwerke mit den Bewohne-rInnen bieten tragfähige Strukturen. Diese sind über Jahrzehnte gewachsen, teilweise auch in den Ausei-nandersetzungen, die gemeinsam bestritten wurden, wie bei der erfolgreichen Durchsetzung des Park Fiction.

Gemeinwesenarbeit ist ein eigenständiges Konzept der Sozialen Arbeit, welches an den konkreten Le-bensverhältnissen der BewohnerInnen eines Stadt-teils und den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ansetzt. GWA verortet soziale Probleme als strukturell verursacht und versucht die gesellschaftlichen Rah-menbedingungen hinter bestimmten Benachteiligun-gen sichtbar zu machen. Dabei setzt die GWA nicht primär bei der Unterstützung individuellen Bewälti-gungshandelns an, sondern fördert darüber hinaus die Entwicklung gemeinsamer Handlungsfähigkeit von Menschen bezüglich der Gestaltung bzw. Verände-rung von infrastrukturellen, politischen und sozialen Lebensbedingungen. Das Augenmerk liegt dabei verstärkt bei den Menschen, denen nicht ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen, um die eigenen Interessen nachdrücklich vertreten zu können. Ange-

lehnt an die Methode des Community Organizing wer-den kollektive Interessenvertretung und Handlungs-formen gefördert, um durch den Zusammenschluss Öffentlichkeit zu erhalten, Druck auf Entscheidungs-trägerInnen aufzubauen und Verbesserungen zu er-wirken. GWA ermutigt und unterstützt BewohnerInnen in der Organisierung und Vertretung ihrer Interessen, befördert Eigeninitiative und soziale Netzwerke und erarbeitet mit den BewohnerInnen Problemlösungen auf der lokalen Ebene des Stadtteils. Dabei orientiert sich die GWA an den Bedürfnissen und Interessen der BewohnerInnen, nimmt die alltäglichen Themen ernst und verbindet persönliche Unterstützungsbedarfe mit bürgerschaftlicher Einmischung.

Der Arbeitsbereich Stadtteilpolitik der GWA St. Pauli arbeitet kritisch zu der derzeitigen Entwicklung im Stadtteil und unterstützt insbesondere MieterInnen- und Nachbarschaftsinitiativen in der Organisierung und der Durchsetzung ihrer Interessen. Zudem beför-dern er Aushandlungsprozesse zwischen den lokalen EntscheidungsträgerInnen aus Politik und Verwaltung und der Bevölkerung. Ziel ist es, die Mitsprache- und Entscheidungsbefugnisse der BewohnerInnen hin-sichtlich des Gemeinwesens zu erweitern und Einfluss auf Stadtentwicklungsprozesse und wohnungspoliti-sche Themen in Hamburg zu nehmen. Die Mitarbeite-rInnen sehen sich als ProzessbegleiterInnen, bieten

Öffentliche Gestaltungsberatung

Im Mittelpunkt der Abeitsgruppe „Wie wollen wir leben in...“ stand das Kooperationsprojekt „Öffentlichen Gestal-tungsberatung“ (ÖGB) im Mittelpunkt, das das Studio Experimentelles Design von Prof. Jesko Fezer der Hochschule für Bildene Künste (HfBK) gemeinsam mit dem Stadtteilkulturzentrum GWA St. Pauli umsetzt.

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Strukturen an und bringen professionelles Wissen, Methoden sowie die bereits in anderen Auseinander-setzungen gemachten Erfahrungen ein.

Die GWA St. Pauli ist in einem Stadtteil verortet, der sich schon seit Längerem, aber verstärkt in den letz-ten Jahren in einem starken Umstrukturierungsprozess befindet. Zentrale Themen hierbei sind Gentrifizie-rung, steigende Wohn- und Gewerbemieten und deren Folgen auf die strukturelle und soziale Zusam-mensetzung der Wohnbevölkerung und der Gewerbe-struktur. In St. Pauli treffen Gegensätze aufeinander: Es ist ein weiterhin größtenteils armer Stadtteil mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an Transfer-beziehenden und Menschen ohne deutschen Pass, die auf Grund vielfältiger Diskriminierungen über-wiegend zu der einkommensschwachen Bevölkerung gehören. Gleichzeitig zählt St. Pauli im Bereich der Neuvermietungen mittlerweile zu den teuersten Stadt-teilen in ganz Hamburg. Auch die immer weiter voran-getriebene Kommerzialisierung und Eventisierung des Viertels stellt sich als eine Belastung für die Wohn-bevölkerung dar. Dass diese benannten Entwicklun-gen zu massiven Verdrängungsprozessen führen, ist offensichtlich.

Die Öffentliche GestaltungsberatungDie Gestaltungsberatung wurde 2011 von Studieren-den im Studio Experimentelles Design der HfBK Hamburg bei Professor Jesko Fezer gegründet. Die jungen DesignerInnen wollten sich außerhalb fiktiver Problemstellungen des Hochschulkontextes mit den gesellschaftlichen Realitäten auseinandersetzen und Verantwortung übernehmen. Dabei wollten sie auch herausfinden, was Design heute sein soll, was es sein könnte und nicht zuletzt wollten sie natürlich auch irgendwie dazu beitragen, die Welt zu verbessern. In der Öffentlichen Gestaltungsberatung verbinden sich junge DesignerInnen und StudentInnen der Hoch-schule für bildende Künste Hamburg und setzen prak-tisch Experimentelles Design um. Ihrer Ansicht nach sollte Design allen zur Verfügung stehen, weil es viel mehr ist, als nur schicke Edel-Möbel zu entwerfen. Design ist nach ihrer Auffassung nicht nur das End-produkt mit der perfekt polierten Oberfläche, sondern sollte alle Rahmenbedingungen und Regelungen, die das Projekt beeinflussen, mit einbeziehen und sie mitdenken.Vor diesem Hintergrund boten die junge DesignerIn-nen und StudentInnen eine kostenlose Beratung zu

Fragen der Gestaltung im privaten und öffentlichen Raum für jeden an. Das Angebot richtet sich an jeden, der sein Umfeld aktiv mitgestalten möchte. Dabei haben sie nicht den Anspruch, die Probleme auf vordefinierte Design-Lösungen hin passgerecht auszulegen, sondern sie wollen frei von disziplinä-ren Beschränkungen über entwerferische Strategien nachdenken und ob solche überhaupt in Betracht kommen. Die Öffentliche Gestaltungsberatung bietet also keine fertigen Entwürfe an, sondern möchte gemeinsam mit Leuten aus der Nachbarschaft an de-ren Themen und Problemen arbeiten und zusammen machbare Lösungen finden. Gemeinsam Platz schaf-fen, organisieren, umgestalten, ausbauen, aufmotzen, gemütlich machen, bewerben und strukturieren in Wohnung, Laden, Straße, Stadtteil, Schule, Betrieb, Familie, Garten, Hof, Platz, Lokal und Keller. Dafür wurde gemeinsam mit der GWA St. Pauli und Park Fic-tion eine wöchentliche Design-Sprechstunde angebo-ten: jeden Mittwoch von 18-19 Uhr im Teamraum der Gemeinwesen Arbeit St. Pauli, der 2014 umgestaltet und als Beratungsraum der Öffentlichen Gestaltungs-beratung eröffnet wurde.

1. Uschis TischUschi kam im Dezember 2012 zur Öffentlichen Gestal-tungsberatung. Sie ist Anwohnerin des Passiv-Hauses am Pinnasberg. In ihrer Ein-Zimmer-Wohnung steht ein runder Massivholz-Tisch der durch Ausziehen und dann durch Einsetzten von einem oder zwei schweren Mittelstücken zu einem größeren, ovalen Tisch wird. Das Auseinanderziehen des Tisches fordert einiges an Kraft und ist für Uschi alleine recht schwer zu bewerkstelligen.Sie wollte uns motivieren, doch einmal das Platz-problem, das viele Bewohner kleinerer Wohnungen haben, bei unserer „Design-Arbeit“ zu überdenken. Ihren Küchentisch durch die Mittelstücke zu ver-größern, sei zu viel Arbeit. Sie ist jedoch mit der Modul-Haftigkeit des Tisches sehr zufrieden.Bei einem Hausbesuch Anfang Februar 2013 war zu erkennen, dass die Raumeinteilung in Uschis Woh-nung sehr durchdacht ist und der vorhandene Tisch in seiner Form ideal in ihren Wohnraum passt. So ein richtiges Problem gab es gar nicht: Die Vergrößerung des Tisches wäre sowieso selten nötig, und falls sie dies einmal nicht alleine schaffe, könne sie immer ihre Nachbarn um Hilfe bitten. Die soziale Vernetzung im Haus am Pinnasberg ist sehr gut. Nur um den Tisch komplett zu verrücken, um z. B. Yoga an dieser

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Stelle zu praktizieren, wäre es hilfreich, nicht andau-ernd Nachbarn um Hilfe bitten zu müssen.

Um ein einfacheres Verrücken des Tisches zu ermögli-chen empfahlen wir Uschi, zwei der vier Tischbeine zu kürzen und an den Schnittkanten Rollen anzubringen. So kann sie den Tisch durch Anheben an der gegen-überliegenden Seite durch die Wohnung schieben.Bei der Kürzung der Tischbeine und der Montage der Rollen bekommt Uschi Hilfe von Ihrem Sohn, der handwerklich ausgebildet ist.

2. Niebuhr: Flur-PunschabendDas Niebuhr-Hochhaus befindet sich auf der Reeper-bahn. Es beherbergt 150 Mietwohnungen mit jeweils ca. 50-68 qm Grundfläche. In dem zweigeschossigen Sockel des Gebäudes befinden sich ausschließlich Gewerbeflächen und ein Parkdeck. Alle Flächen ober-halb dieses Sockels gehörten bis vor kurzer Zeit der Firma Excelsius. Diese Immobiliengesellschaft hat versucht, alle Wohnungen zu sanieren und an private Eigentümer zu veräußern. Mit einigen Wohnungen ist das bereits geschehen. Im Zuge der Treppenhaus-Re-novierung und der Einrichtung eines Concierge kam es zu starken Mieterhöhungen. Außerdem wurde bei den Bauarbeiten Asbest freigesetzt – zunächst, ohne die nötigen Sicherheitsvorkehrungen einzuhalten. Die MieterInnen des Hochhauses richteten daraufhin einen Mailverteiler ein und trafen sich zu einer Mie-terversammlung im Kölibri.

Da es in Zukunft vermehrt Anlässe für Mieterver-sammlungen geben würde, wünschten sich die BewohnerInnen einen Raum dafür innerhalb des Hau-ses. Dieser Raum könnte auch für andere Veranstal-tungen zur Verfügung stehen. Bei unserem zweiten Treffen schloss sich der Nachbar Dirk Bunte als weite-rer Auftraggeber an. Zunächst wurden mögliche Orte in näherer Umgebung und im Haus selbst auf ihre Nutzbarkeit und Qualität geprüft. Die Nutzung des Flures oder die Anmietung einer leerstehenden Woh-nung betrachteten wir im Nutzen-Aufwand-Verhältnis als am sinnvollsten. Doch die Suche und Planung ei-nes Gemeinschaftsraumes für eine Gemeinschaft, die wir nicht kannten bzw. die noch nicht einmal existier-te, erschien uns letztendlich voreilig. Wir entschlos-sen uns, den Fokus weniger auf eine Räumlichkeit als mehr auf den Gemeinschaftsbildungsprozess an sich zu legen.

Wir planten einen Flur-Punschabend, bei dem die BewohnerInnen sich untereinander näher kennen-lernen konnten. Für den schmalen Korridor speziell entworfene Stehtische und eine Theke, gespannt zwi-schen Decke, Boden und Türzarge schonten Decken und Wände und transformierten den Flur von einem Erschließungsraum zu einer temporären Bar. Die nächste Veranstaltung – einen Frühschoppen – haben die BewohnerInnen selbst organisiert.

So unterschiedlich die beiden Projekte auch sind, wird vielleicht gerade dadurch deutlich, was die ÖDB unter Design versteht. Der Prozess des Gestaltens verläuft bei beiden Projekten nach derselben Metho-de: eine unvoreingenommene Vorgehensweise, den Ort anschauen, hören, Bilder machen, Informationen sammeln, das Umfeld betrachten und das Problem in seinem Kontext zu definieren versuchen. Dann erst wird gemeinsam mit den Klienten an der Idee zu einem Entwurf gearbeitet.Dazu haben wir einige Abmachungen für die Öffentli-che Gestaltungsberatung formuliert:• Alle Themen und Probleme können aufgeworfen,

erörtert und zum Gegenstand von Design-Prozes-sen werden.

• Wir arbeiten mit Leuten, die sich kein professionel-les Design leisten können.

• Die Öffentliche Gestaltungsberatung ist kostenlos.• Beratungssuchende sind AuftraggeberInnen mit

Anspruch auf Unterstützung.• Die Lösungen werden nicht für, sondern mit den

KlientInnen entwickelt.• Wir designen so wenig wie möglich. • Am Anfang erforschen wir das Problem, Design

oder gar Lösungen kommen später.• Hinter einem offensichtlichen Problem liegt oft ein

verborgenes oder ein einzelnes Problem ist einge-bunden in einen Haufen anderer.

• Individuelle Hilfe ist wichtig, aber den erweiterten und strukturellen Kontext der Probleme zu betrach-ten, ist meist notwendig.

• Wir verweisen auf andere Beratungsangebote, wenn eine andere Form der Unterstützung benötigt wird.

Außerdem freuen wir uns über weitere GestalterInnen aus dem Bereichen Design, Architektur, Kunst, Hand-werk, Stadtplanung und weitere, die Lust und ein wenig Zeit haben, bei der Öffentlichen Gestaltungsbe-ratung ehrenamtlich mitzumachen.

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Vielfalt leben – wie bekommen wir das hin? Diese Frage warf beispielsweise die Infotainment-Show

„Gute Nacht Eidelstedt“ auf. Vor dem aktuellen Hin- tergrund, dass es derzeit 50 Millionen Flüchtlinge weltweit gibt und einige wenige davon auch in Ei-delstedt ankommen, wurden Fragen bewegt wie: Wer lebt wo und unter welchen Umständen? Was brau-chen die Menschen, um sich in Eidelstedt einzuleben? Was können sie dem Stadtteil geben? Wie können wir dazu beitragen, gemeinsam ein positives Klima im Stadtteil zu gestalten? Das Bürgerhaus Eidelstedt hatte verschiedene Gäste eingeladen, um mit ihnen zu diskutieren, mit dabei war der Poetry Slammer Michel Abdollahi, der als Kind aus dem Iran zugewan-dert und in Eidelstedt aufgewachsen ist, Lukulule und die Show-Band „Haus 35“. Eine kulinarische Pause mit einem Imbiss und ein nettes Moderatoren-Team rundeten das Setting des Abends ab.

Stadtteilentwicklung in EidelstedtDer Stadtteil Eidelstedt (Hamburger Bezirk Eimsbüt-tel) hat sich dörfliche Strukturen bewahrt, ist jedoch

durch mehrere große Straßen und eine Autobahn zerschnitten. Dadurch gliedert er sich in stark abge-grenzte Quartiere (Einfamilienhäuser vs. Hochhausar-chitektur). Ein in die Jahre gekommenes, von vielen AnwohnerInnen als „unattraktiv“ erlebtes Einkauf-scenter (Eidelstedt-CENTER), Leerstände auch in um-liegenden Einkaufsstraßen und ungastliche, von der Bevölkerung nicht angenommene Freiflächen lassen den Stadtteil mehr und mehr veröden.

Eine Modernisierung und Weiterentwicklung des Ei-delstedter Stadtzentrums ist dringend geboten, zumal dies (von allen relevanten Gruppen) als wirtschaftlich sowie im soziokulturellen Zusammenhang von exis-tenzieller Bedeutung eingeschätzt wird. Eine geplante Erweiterung des Eidelstedt-CENTERS auf die letzte im Zentrum verbliebene Grünfläche wurde durch einen Bürgerentscheid im Mai 2012 gestoppt. Dieses Ergeb-nis führte zu einer Art Vakuum: Der einzige Investor am Ort, der bereit war, in nennenswerte Innovationen Geld zu investieren, wurde ausgebremst. Alle ande-ren Akteure zeigten keine Bereitschaft, notwendige

Holger Börgartz

„Gute Nacht Eidelstedt“ –Infotainment unterwegs im Stadtteil

Holger Börgartz stellt das Veranstaltungsformat „Gute Nacht Eidelstedt“ vor, eine Infotainment–Show mit mobilen Betei-ligungsaktionen im Stadtteil, die unter wechselndem Motto aktuelle Fragen diskutiert.

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Investitionen zu tätigen oder es fehlte ihnen generell am Veränderungswillen.

Kulturzentrum Eidelstedter BürgerhausDer Verein Stadtteilkulturzentrum Eidelstedter Bür-gerhaus sieht sich in diesem stadtentwicklungspoliti-schen Thema als einen bedeutenden Mittler zwischen allen relevanten Gruppen wie Bevölkerung bzw. Nach-barschaft, Geschäftswelt, Politik und Verwaltung. Es ist die originäre Aufgabe des Stadtteilkulturzentrums, sich diesem und ähnlichen sozialräumlichen Themen zu widmen. Das Stadtteilkulturzentrum ist durch sei-ne Basisarbeit (Erreichen breiter Bevölkerungsschich-ten und aller Generationen durch das ganzjährige Angebot in Form von Kursen, Kulturveranstaltungen und Projekten, sowie Bereitstellung von Räumen für ein breites Spektrum an Gruppenaktivitäten) prädes-tiniert, um Diskussionsprozesse „für alle und mit allen“ zu initiieren und im Fluss zu halten.Zudem verfügt das Kulturzentrum über die nötigen Kompetenzen, um diese Prozesse nicht nur auf der sprachlich/intellektuellen, sondern auch auf einer künstlerisch vermittelnden Ebene zu gestalten. Da-durch sind weit mehr Menschen die Zugänge zu den Beteiligungsprozessen geebnet.Das Stadtteilkulturzentrum wurde zu Beginn der 1980er-Jahre auf eine Initiative von Eidelstedter Bür-gerInnen ins Leben gerufen, die eine alte Schule im Herzen Eidelstedts vor dem Abriss bewahrten, um hier einen Ort der Begegnung, Kommunikation, Kunst und Kultur für die Menschen im Stadtteil zu schaffen.Der Verein mit seinen Haupt-, Neben- und Ehrenamt-lich tätigen Personen initiiert seither gemeinsame Aktionen mit weiteren lokalen Interessengruppen, führt eigenständige Kultur-Projekte und Veranstaltun-gen, Kurs- und Werkstattangebote durch und bietet etlichen Initiativen, Selbsthilfegruppen, Vereinen und privaten Personen aus dem Stadtgebiet Räumlichkei-ten und Infrastruktur für ihre Tätigkeit.Der Verein versteht sich als eine integrierende In-tendanz für ein gemeinwesenorientiertes Wirken im Stadtteil. Der Verein verfügt über alle erforderlichen Kontakte innerhalb des Stadtteils und ist in der Lage, diese zielgerichtet zu aktivieren und zu bündeln.

„Gute Nacht (in) Eidelstedt“ wurde als ein Veranstal-tungsformat konzipiert, in dem unter wechseln-dem Motto regionale Geschichte, Perspektiven der Stadtentwicklung sowie soziale Themen und künstle-rische Darbietungen anspruchsvoll und unterhaltsam

zugleich miteinander verbunden werden. Sehens-, Hörens- und Wissenswertes aus dem Stadtteil wurde in Form von unterhaltsamen und interaktiv gestalte-ten Talk-Shows auf die Bühne gebracht. Und damit zum Gesprächsthema für die Gäste. Das Veranstal-tungsformat wird in lockerer Folge seit 2013 über das Jahr verteilt mehrmals angeboten und inhaltlich den jeweiligen Ist-Zuständen angepasst.Im Vorfeld der Shows geht jeweils das „EIDELSTED-TER OHR“ auf Reisen. Das „EIDELSTEDTER OHR“ ist eine auffällige und überlebensgroß gearbeitete Ohr-Skulptur, verankert auf einer fahrbaren Stele. Die vier Seiten der Stele können als beschreibbare Tafeln und Pinnwände genutzt werden.Unter verschiedenen Fragestellungen begleitete das „EIDELSTEDTER OHR“ getreu dem Motto „Wir sind ganz Ohr für Ihre Anliegen“ Beteiligungs-Aktionen an unterschiedlichen Plätzen des Stadtteils. Innerhalb der Beteiligungsaktionen wurden Stimmen und Ideen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu dem übergeordneten Thema „Wie wollen wir leben in Eidelstedt?“ oder auch „Was braucht die Mitte Eidel- stedts zum guten Leben?“ gesammelt. Ein Augenmerk wurde zudem auf Bevölkerungsgruppen mit mögli-cherweise speziellen Anliegen, z.B. SeniorInnen und Menschen mit Behinderungen, gelegt.

Bei den „Gute Nacht Eidelstedt“–Shows stehen Betei-ligungsprozesse im Vordergrund. Verschieden besetz-te und lebendig moderierte Gesprächsrunden haben aktuelle Themen aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet. Neben den Gesprächsrunden werden auch künstlerische Zugänge, z.B. ein Filmbeitrag über ein gelungenes vergleichbares Entwicklungsprojekt in der Stadt, Foto- und Licht-Installationen, musikalisches Rahmenprogramm etc. einbezogen.

Die Nachbarschaft (AnwohnerInnen, ansässige Gewer-betreibende, aber auch MarktbeschickerInnen) hat ein starkes Interesse an der Weiterentwicklung und Neugestaltung der Mitte des Stadtteils. Dem mittler-weile gut zu beobachtenden „Trading-Down-Effekt“ soll wirksam entgegengetreten werden. Angebote, die ein Forum für Austausch, Auseinandersetzung und gemeinsame Ideenfindung schaffen, sind von vielen Beteiligten gewünscht und dringend erforderlich. Im Stadtteil lebende KünstlerInnen stehen in den Start-löchern, um eine Auseinandersetzung mit dem Thema zu befördern.A

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Nach einer Vorstellung der Öffentlichen Gestal-tungsberatung sowie der Veranstaltungsreihe

„Gute Nacht Eidelstedt“ und der Kooperation des Stadtteilkulturzentrums Eidelstedter Bürgerhaus mit der HafenCity Universität Hamburg (Studiengänge Stadtplanung und Architektur) wurde die Frage disku-tiert, welchen Nutzen bzw. Mehrwert die Kooperation von Kulturzentren und Universitäten für beide Partner haben könnte.Für Universitäten und Studierende steht der Theo-rie-Praxis-Transfer in Verbindung mit verschiedenen Effekten. Studierende bekommen durch eine Koope-ration mit Stadtteilkulturzentren die Möglichkeit, in realgesellschaftlichen Bereichen zu arbeiten, statt nur in einem fiktiven hochschulischen Kontext. Dabei erwerben sie Kompetenzen und machen Erfahrun-gen, die sie für ihre spätere Berufstätigkeit nutzen können, weil sie an realen Problemen bzw. Fragestel-lungen arbeiten. Dabei spielt auch die Erfahrung von Selbstwirksamkeit der Student/innen eine Rolle, denn plötzlich hat das, was man sich ausdenkt, eine ganz konkrete Wirkung im realen Leben.

Wenn eine Universität eine Veranstaltungsreihe über Interventionen im Stadtteil (Kultur der Metropolen) anbietet und solche Projekte wie „Sound-Walk“

initiiert, so weckt dies natürlich auch das Interesse der Kulturzentren, die in diesen Stadtteilen tätig sind, ebenso wie Kooperationen der Hochschulen für ange-wandte Wissenschaften die Projekte mit Praxisbezug umsetzen. Im Übrigen ließ sich feststellen, dass die Mitwirkung von Studierenden sich auch positiv auf ihre Bereitschaft auswirkt, im Rahmen ihrer späteren Berufstätigkeit als z.B. Designer/in weiterhin auch ein soziales Engagement zu pflegen und Non-Profit-Orga-nisationen zu unterstützen.

Für Stadtteilkulturzentren bedeutet die Kooperation mit einer Universität eine Erweiterung von Perspek-tiven, Methoden und Handlungsmöglichkeiten. So bereichert z.B. die Design-Perspektive den Blickwinkel aus der sozialen Arbeit.Eine Teilnehmerin stellte die Frage, welche Bedeutung es eigentlich für die Kulturzentren habe, mit einer wissenschaftlichen Einrichtung wie einer Universi-tät zu kooperieren – muss es eine Universität sein? Was ist der besondere Charakter der Kooperation? Man könne ja auch eine Kooperation mit z.B. einer/em Künstler/in organisieren. Auf die Frage, welche Aspekte hier eine Rolle spielen, ist sicher die Mo-tivation der Studierenden zu nennen, unbezahltes Engagement einzubringen – was bei der schwierigen

Diskussionsprotokoll: Wie wollen wir leben?

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finanziellen Situation der Kulturzentren ein wichtiger Faktor sein könnte. Studierende können sich daher in Planungsprozessen viel besser mit zeitaufwändigeren Methoden auf die Interessen und Bedürfnisse der Stadtteilbewohner/innen einstellen, weil sie an kein enges Kosten-Nut-zen-Korsett gebunden sind.Die beteiligten Professor/innen setzen sich ja ebenso inhaltlich mit dem Thema der Kooperation auseinan-der, sodass der inhaltlich-konzeptionelle Diskurs bei dem jeweiligen Projekt ein hohes qualitatives Niveau erlangt.

Holger Börgartz beschrieb noch einmal sehr ausdrück-lich den großen Mehrwert, den das Eidelstedter Bür-gerhaus durch eine Kooperation mit der HafenCity Universität erhielt, dabei betonte er vor allem das

Know-how und das Potenzial, das die Universitäten als Wissenschaftsinstitution mit sich bringen. Er beschrieb, wie es durch das Engagement eines Pro-fessors zu einer studiengangsübergreifenden Koope-ration im Bereich Architektur und Stadtplanung kam und neben den Studierenden auch Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter/innen im Projekt tätig waren. So haben Stadtplaner eine Analyse des Stadt-teils Eidelstedt erstellt, im Rahmen der Kooperation wurde ein Architekten-Wettbewerb organisiert und wurden diverse Druckwerke layoutet und gedruckt – z.T. allerdings auch mit finanzieller Unterstützung der Kulturbehörde.

Jochen Schindlbeck von der Stiftung Kultur Palast Hamburg betonte, dass Stadtteilkulturzentren wert-volle Impulse in die Universitäten geben können, weil

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Moderatorin Corinne Eichner (Stadtkultur Hamburg) und Referent Steffen Jörg (GWA St. Pauli).

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setzung über den Stadtteil, die Stadt hinaus und bie-tet ggf. Impulse für den Transfer in andere Quartiere.

Utopischer ÜberschussAls weiterer Mehrwert wurde ein durch die Praxis er-weiterter Blickwinkel angesehen: bei der Öffentlichen Gestaltungsberatung ging es schon im Ansatz nicht nur darum, einen Stuhl zu gestalten, es war möglich, sich auch die grundsätzliche Frage zu stellen: Wie wollen wir sitzen? Oder noch weitergehender: Wollen wir überhaupt sitzen?Die Reflexion, ab welchem Punkt die Gestaltung eigentlich beginnt, oder ob man noch einen Schritt weiter zurück gehen kann, wurde von den Studieren-den als sehr wertvoll angesehen. Auch diese Heran-gehensweise wäre wieder auf andere Vorhaben oder Fragestellungen übertragbar.Holger Börgartz ergänzt mit eigenen Erfahrungen aus der Kooperation mit der Universität, denn genau dieser Prozess habe auch in Eidelstedt stattgefun-den, weil der Blick der Studierenden nicht in erster Linie konkret auf Umsetzung ausgerichtet gewesen sei. Aber genau darum ginge es: den Blick und das Denken zu weiten und neue Ideen zur (Mit)Gestaltung zu initiieren. Dabei müsse man sich auch einmal von der Schere im Kopf befreien, was alles aufgrund der Rahmenbedingungen nicht möglich ist, sondern über die Ideen auch auf die Bedürfnisse der Stadtteilbe-wohner/innen kommen. Vielleicht lässt sich die Idee so nicht umsetzen, aber womöglich etwas anderes finden, das auf die Bedürfnisse, die dahinter standen, einzugehen – eine andere Lösung zu finden.

Gelingensbedingungen • Auf der Partizipationsleiter eine möglichst hohe

Stufe erreichen• Partizipation braucht politische Unterstützung:

Politik muss Partizipation auch wollen!• Partizipation will auch Rahmenbedingungen verän-

dern, worum soll es sonst gehen?• Zeitliche Rhythmen sind bei Universitäten und Kul-

turzentren völlig unterschiedlich: zeitliche Einglie-derung des Projektes in den 3-Monats-Rhythmus der Uni

• Verankerung im Stadtteil: Vertrauen durch Koopera-tion mit Stadtteilakteur, um Niedrigschwelligkeit zu ermöglichen.

sie Verbindungen in die Stadtteile ermöglichen und näher an den aktuellen Themen dran sind. So ist z.B. Gentrifizierung in Billstedt kein Thema, dafür aber die Errichtung großer Flüchtlingsunterkünfte oder die wachsende Vormachtstellung einzelner religiöser Gruppierungen.

Im weiteren Verlauf der Diskussion stellte sich he-raus, dass Kulturzentren Orte im Stadtteil sind, an denen gerade im Zusammenhang mit Kooperationen mit Universitäten etwas Neues passieren kann, an denen z.B. Studierende arbeiten können.

Die Gestaltungsberatung hat sich vorher bewusst die Frage gestellt, ob sie dem Stadtteil mobil begeg-nen möchte oder sich an einem feste Ort verankern will. Verschiedene Überlegungen führten dazu, mit der GWA als festem Ort zu starten, um sichtbar und auffindbar zu sein. Außerdem ist die GWA ein gut im Stadtteil verankerter Ort, dem die Bewohner/innen auch ein gewisses Vertrauen entgegenbringen. Es wurde hervorgehoben, dass vor allem auch die Stadt-teilbewohner/innen als Experten des Alltags einen Nutzen von dieser Kooperation haben (sollten), weil sie Zugang zu Ressourcen und Kompetenzen erlan-gen, die sie sonst nicht hätten.

Es wurde in der Diskussion herausgearbeitet, dass jede Profession bzw. jeder universitäre Fachbereich spezifische Grundlagen hat, Kooperationsprojekte je-doch professionsübergreifend angelegt seien und ein hohes wissenschaftliches Niveau in Verbindung mit Praxisnähe erlangten. Dies wurde aus universitärer Sicht als etwas ganz Besonderes identifiziert und als richtungsweisend angesehen. Dabei gehe es um eine wissenschaftliche „Aus-Entwicklung“ theoretischer Konzepte, um neue Handlungsstrategien entwickeln zu können.

Ein Nutzen von Kooperationen zwischen Universitä-ten und Stadtteilkulturzentren könnte daher eine Übertragbarkeit und Dokumentation neuer, auf Nach-haltigkeit angelegter Methoden, Strategien und Betei-ligungskonzepte sein. Konkrete, im Stadtteil veran-kerte Projekte sind meist nicht übertragbar, da sie sehr stark mit den Rahmenbedingungen verbunden sind, übertragbar auf andere Stadtteile sind jedoch die Methoden und Strategien. Dabei hebt der wissen-schaftliche Diskurs die einzelne Kooperation aus dem regionalen Kontext und ermöglicht eine Auseinander-

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COMMUNITY EDUCATION UND STADTTEILKULTURELLE BILDUNGSKONZEPTE

Aufgrund sich ändernder ökonomischer, demografischer und politischer Bedingungen, wie sie z.B. in Hamburg eine internationale Stadtgesellschaft mit sich bringt, stellen sich neue Anforderungen an Bildung und deren Organisation. Die Frage ist, wie sich gerade mit Migrations- und Stadtteilentwicklungsprozessen Bildungserfolge erreichen lassen. Prof. Dr. Cornelie Dietrich und Dr. Anke Wischmann stellen den Begriff der „Kommunalen Bildungslandschaft“ in Abgrenzung zur „Community Education“ vor und reflektieren vor diesem Hintergrund u.a. das Programm „Lernen vor Ort“. Marcel Pouplier untersucht in seinem Beitrag die kulturelle Bildungspraxis auf der Schnittstelle von Stadtteil, Schule, Kulturorganisation, KünstlerInnen und SchülerInnen.

Community Education und kommunale BildungslandschaftenAnhand vieler verschiedener Projekte und Initiativen (z.B. Lernen vor Ort, Jugendverbände und Jugendrin-ge in kommunalen Bildungslandschaften) lässt sich aktuell ein großes Interesse an der Weiterentwicklung kommunaler und regionaler Bildungslandschaften feststellen. Häufig wird auf ein Konzept oder auf Prin-zipien einer „Community Education“ verwiesen, die jedoch oft nicht weiter ausgeführt werden (Coelen 2009; Weiß 2011; Müller 2011). Dabei handelt es sich keinesfalls um einen feststehenden Begriff oder ein definiertes Konzept, sondern um ein Konglomerat verschiedener Ansätze, deren Ausgestaltung an den jeweiligen Bezugskontext geknüpft wird (Buhren 1997). In der Regel wird jedoch auf gemeinsame Traditionslinien in Großbritannien und den USA verwiesen, deren Ursprünge sich in den 1920er- und 30er-Jahren (ebd.) zurück reichen. Die Ausgangslagen in England und Amerika waren durchaus unterschied-lich: In England sah man sich in den 20er-Jahren mit einer wachsenden Kluft zwischen Stadt und Land in Bezug auf Bildungs- und Arbeitsmöglichkei-ten konfrontiert, die insbesondere bei der jungen Bevölkerung zu einer regelrechten Landflucht führte

und zu einem Verfall des ländlichen Gemeinwesens. In den USA hingegen sah man sich in den urbanen Zentren angesichts der Weltwirtschaftskrise einem „sozialen Kollaps“ (Buhren 1997: 27) gegenüber, der zu einer Verarmung und Ghettoisierung großer Teile der Arbeiterschaft führte. In beiden Fällen hatte die Community Education den Anspruch, erodierenden Sozial- und Bildungsstrukturen entgegenzuwirken und ein demokratisches Ge-meinwesen zu re-etablieren. Auch wenn sich in bei-den Ländern die Community-Education-Bewegung weiterhin sehr unterschiedlich entwickelt hat, lässt sich konstatieren, dass sich die Grundgedanken der Implementierung lokaler Bildungsstrukturen, gekop-pelt an demokratische Beteiligungsprozesse – v.a. im Kontext ganztägiger Beschulung und Erwachsenenbil-dung – durchgesetzt haben.In Deutschland hingegen konnte sich ein solcher An-satz nie nachhaltig etablieren, auch wenn der Begriff immer wieder im Kontext von Reformdebatten, etwa zur Öffnung der Schule oder zur Entwicklung der Ganztagsschule, auftauchte (Göhlich 1998). Anders als in England und den USA, wo das Schulwesen insge-samt durch die Tätigkeiten von local authorities und K

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Cornelie Dietrich & Anke Wischmann

Kulturelle Bildung in regionalen Bildungslandschaften und in der Community Education

Der Beitrag beschreibt zunächst die Verhältnisbestimmung zwischen einer an anglo-amerikanische Ansätze anknüpfen-den Community Education und der aktuell geführten Debatte um kommunale Bildungslandschaften in Deutschland. In einem nächsten Schritt wird dann anhand eines Beispiels untersucht, inwiefern die Kulturelle Bildung, die in diesen Zusammenhängen verortet ist, ihrem eigenen Anspruch der Ermöglichung von Partizipation, gerecht wird.

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ENSchulverwaltungsräten viel stärker kommunal bzw. re-gional organisiert ist (Harris & Gorard 2010), erschwe-ren die in Deutschland wirkenden Prinzipien der, in den Bundesländern je zentral organisierten, Schulpo-litik ein Agieren auf kommunaler Ebene. Umso mehr fällt auf, dass aktuell erneut Bezug auf Community Education genommen wird (Erler & Kloyber 2013). Der Anlass sind neue, sich aus ökonomischen und demografischen Entwicklungen ergebende Heraus-forderungen für Gemeinden und Regionen einerseits und für das Bildungssystem andererseits. Konkret handelt es sich um den – in einigen Regionen be-sonders stark zu verzeichnenden – Geburtenrückgang sowie Reurbanisierungsbewegungen der arbeitenden Mittelschicht. So werden einige Regionen regelrecht entvölkert, und nur die Armen und Alten bleiben zurück, in den gefragten Metropolen hingegen führen Gentrifizierungsprozesse zu sozialen Verdrängungs-prozessen. Weitere strukturelle Einflussfaktoren sind darüber hinaus wachsende soziale Diskrepanzen (Lessenich & Nullmeier 2006), etwa im Hinblick auf Armut und Reichtum, sowie eine gesamtgesellschaft-liche Pluralisierung der Bevölkerung und damit der Schülerschaft. Diese fordern nicht nur die Entwicklung neuer Theorien und didaktischer Konzepte zum „Um-gang mit Heterogenität“ heraus (z.B. Budde 2013), sondern ebenso auch Überlegungen und Forschung zur Entwicklung von Bildungsinstitutionen und Bildungslandschaften. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Notwendigkeit der Erweiterung bereits etablierter Kooperationen zwischen Sozialer Arbeit und Schule bzw. zwischen Jugendhilfe und Ausbildungsbetrieben. Hinzu kommen neuere Kooperationsbeziehungen zwi-schen bspw. Formen kultureller oder Umweltbildung und allgemeinbildenden Institutionen. In der Ausein-andersetzung fällt jedoch auf, dass zwar der Begriff Community Education immer wieder auftaucht, dass aber die theoretischen Vorannahmen und praktischen Implikationen, die sich daraus ergeben, in vielen Fällen unreflektiert bleiben.

Community Education bezeichnet Erziehung, Bildung und Lernen in Bezug auf bzw. im Kontext eines sozia-len Raumes oder Netzwerks. Dabei beziehen sich die Erziehungs-, Bildungs- und Lernprozesse einerseits auf die sozialen Strukturen (Bildungslandschaften, kommunale Netzwerke, Gemeinwesen etc.) selbst und andererseits auf die daran partizipierenden und darin verstrickten Subjekte (Individuen, Personen, Akteure, Gruppen etc.).

John Dewey ist in den sehr unterschiedlichen Kon-zepten und Traditionen der Community Education ein wichtiger Theoretiker. Insbesondere in seiner Studie zu Demokratie und Erziehung (1916/2011) entwirft er Erziehung als einen sozialen Prozess, der notwendi-gerweise in einer Gemeinschaft und diversen Gruppen sowie einer spezifischen Umwelt verankert ist. Dabei spielt die praktische Erfahrung des Einzelnen in der Gemeinschaft eine zentrale Rolle. Community Education zeichnet sich durch ein spe-zifisches normatives Profil aus. Ihr Anliegen ist es, die Bedingungen für Erziehungs-, Bildungs-, und Lernprozesse in einem bestimmen sozialen Raum zu verbessern und für die beteiligten Subjekte zu ermög-lichen und zu unterstützen. Dabei orientiert sich die Community Education an den jeweiligen Bedarfen und kann damit als reaktives bzw. responsives Kon-zept verstanden werden. Bereits bei der Generierung und Formulierung der Bedarfe sollen möglichst alle Beteiligten einbezogen werden. Daraus ergibt sich der Anspruch der Transparenz und der Partizipation, und zwar milieu- und altersübergreifend. Bei der Schaffung entsprechender Strukturen bietet sich in diesem Sinne ein bottom up organisiertes Vorgehen an, wobei auch denkbar ist, dass z. T. top-down-Ent-scheidungen notwendig bzw. unumgänglich sind.Im Zentrum der Community Education stehen grundsätzlich die diversen Akteure sowie spezifi-sche, kontext- und situationsabhängige Themen. Die Konzentration auf die Interessen und Wünsche der Akteure einerseits und auf die als relevant befun-denen Themen andererseits ermöglichen eine auf gemeinsame Anliegen fokussierte Zusammenarbeit, um zu vermeiden, dass Differenzen eine produktive Zusammenarbeit vereiteln.

Ein wichtiges Element, das in der gesichteten Litera-tur wenig Beachtung findet, ist die Frage nach einer professionellen (pädagogischen) Organisation oder Koordination von Community Education unter der Be-rücksichtigung der Expertise aller beteiligten Akteure für ihre je partikularen Perspektiven. Umsetzungen des Konzepts in Großbritannien und den USA (Göh-lich 1997; Buhren 1997) sowie neuere Arbeiten zum Thema in Deutschland (Bleckmann & Schmidt 2012) zeigen, dass eine entsprechende Instanz wichtig, wenn nicht sogar notwendig ist, um die divergieren-den Ansprüche moderieren zu können und auch um erarbeitete Konzept tatsächlich (professionell) und nachhaltig umsetzen zu können.

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Mehr Partizipation durch kulturelle Bildung in der Community Education?Sowohl staatlich geförderte Programme wie „Lernen vor Ort“ als auch in den Kommunen entstandene Initiativen sprechen von der Notwendigkeit von mehr Partizipation auf kommunaler und regionaler Ebene, wenn es um Bildung geht.Was damit allerdings im Einzelnen gemeint ist oder gemeint sein kann, lässt sich nicht anhand der pro-grammatischen bildungspolitischen Texte, sondern nur im Detail der Analysen von partizipativer Bildung ermitteln. Wir stellen im Folgenden die Analyse eines Projektes vor, das im Rahmen des BMBF-geförderten Programms „Kultur macht stark“ gefördert wurde.

„Künste öffnen Welten“ – welche Welten öffnen Künste?Bei dem Projekt handelt es sich um ein lokales Bünd-nis von drei Akteuren – einer Kunstschule, einer Ge-samtschule und einem Jugendzentrum in einer ost-deutschen Kleinstadt –, die gemeinsam ein Graffiti- Projekt für Kinder und Jugendliche initiiert haben. Das Projekt präsentiert sich im Internet mit mehreren kleinen Bildern, die alle die Teilnehmerinnen-Gruppe während des Prozesses der Erarbeitung des Graf-fiti zeigt – allerdings sieht man keine Aktivität der Gruppe, sondern eher jeweils eine Ansammlung Einzelner bei der Arbeit. Das Abschlusspräsentations-

bild zeigt die ganze Gruppe vor dem Graffiti, sodass das Produkt der gemeinsamen Arbeit fast vollständig verdeckt ist.Fotos

Mit Blick auf die szenische Choreografie zeigt sich im Zentrum des Bildes eine Gruppe von neun Menschen, von denen einer mit dem Rücken zur Wand, die anderen – bis auf einen – diesem zugewandt stehen. Der offene Mund, die zugewandte Haltung der ande-ren sowie die zeigende Geste auf die Sprühdose in seinen behandschuhten Händen sowie die Kleidung lassen vermuten, dass dies der künstlerische Leiter des Projekts ist, der hier den TeilnehmerInnen gerade etwas zeigt oder erklärt. Im Zentrum des Bildes steht also hier das pädagogische Arrangement des Projekts: ein Künstler/Pädagoge erklärt den Jugend-lichen den Umgang mit den Materialien, führt sie in die Technik des Sprayens ein. Etwas weiter hinten in dieser Gruppe steht ein älterer erwachsener Mann, eventuell Vertreter einer der am Projekt beteiligten Institutionen. Er hält eine Fotokamera in der rechten Hand, seine Rolle ist vermutlich auch die des Doku-mentators des Prozesses. Soweit erkennbar, sind die Blicke der Jugendlichen nicht alle auf den Graffi-ti-Künstler gerichtet, dennoch wirkt die Gruppe durch die Körperhaltungen auf den Sprecher zentriert, wenn auch nicht kon-zentriert. Ein Jugendlicher verlässt die

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Szene und geht aus dem Bildvordergrund heraus in Richtung der abseits agierenden Zweiergruppe. Diese agiert an der Wand, man kann nicht genau erken-nen, ob sie Farbe oder Grundierung aufträgt oder die Wand reinigt, jedenfalls aber arbeiten diese beiden Jugendlichen unabhängig von der zentral dargestell-ten Projektgruppe.Ganz vorne im Bild befindet sich ein Mädchen, das durch mehrere Merkmale abseits der Gruppe platziert ist. Sie ist (als Einzige) allein, sie sitzt (als Einzige) und sie trägt als Einzige keines der Insignien, die die anderen Jugendlichen zu Mitgliedern der Graffiti-Sze-ne(rie) machen: Kopfbedeckung, Turnschuhe, Hand-schuhe, Schutzoverall, locker sitzende, eher alte und verwaschene Hosen und T-Shirts sowie die entspre-chende Körperhaltung. Mindestens ihre Schuhe, die Stellung ihrer nackten Beine und die Körperhaltung sowie das kräftige Blau ihrer Jacke bilden dazu einen Gegensatz und lassen sie eigentümlich fehl am Platze wirken. Sie beobachtet das Geschehen, aber sie macht nicht mit.Die drei Gruppen sind nicht einfach unverbunden nebeneinander, sondern alle Jugendlichen sind Teil eines interaktiven Geschehens, sind handelnd aufei-nander bezogen. Allerdings richten sie sich nicht in

gemeinsamer Intentionalität auf die Arbeit an einem und demselben ästhetischen Produkt aus, sondern sie sind aufeinander bezogen im Sich-Unterscheiden im Hinblick auf die pädagogische Zentralfigur. Sie re-alisieren vier verschiedenen Haltungen dem pädago-gischen Arrangement kultureller Bildung gegenüber: (a) zuhören und mitmachen, (b) weggehen, (c) beobachten, aber nicht teilnehmen oder (d) selbstständig an einem Nebenort agieren. Aber sie inszenieren diese Unterschiedlichkeiten so, dass das Arrangement nicht auseinanderfällt, dass es eine Szene bleibt.

Verwirrend unklar bleibt der Stellenwert und auch der ästhetische Wert des Werkes, des Graffitis. Das Bild gibt kaum Aufschluss darüber, wie der Gestal-tungsprozess verlaufen ist, wie viele eigene Ideen und wie viele künstlerische Vorgaben hier auf welche Weise miteinander verbunden wurden, ob es Raum gab für die Artikulation oder auch überhaupt für die Entstehung ästhetischer Bedürfnisse. Es gibt hier, wie auch in keinem anderen Foto, Hinweise auf das Bildsujet, lediglich auf die Techniken des Entwerfens und Sprayens.

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Foto: http://www.kuenste-oeffnen-welten.de/praxisbeispiele/graffiti-projekt/

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Die Ziele und Akteure des ProjektesDas Graffiti-Projekt kam zustande, indem sich drei lokale Bündnispartner (Kunstschule, Jugendtreff und eine örtliche Integrierte Gesamtschule) zusammenge-tan und bei einem übergeordneten Projektträger (BKJ: Künste öffnen Welten) Geld für dieses lokale Vorha-ben eingeworben haben. Dieser Projektträger verteilt wiederum, wie viele andere größere Projektträger auch, einen Teil (knapp ein Zehntel) eines großen Bundesförderprogramms „Kultur macht stark“. Aus den ausgeschütteten Summen, aus denen weder Personal noch der Aufbau längerfristig arbeitender Strukturen bezahlt werden kann, lässt sich schließen, dass diese Projekte als ein von der Bildungspolitik angestoßenes Anreizsystem für die Entwicklung einer lokale, freiwillige und durch ehrenamtliche Tätigkei-ten unterstützten Entwicklung lokaler Bildungsland-schaften aufgefasst werden müssen.

Durch die zweifache top-down-Struktur werden Ziele und Anliegen des konkreten Projekts dann auch nicht von den AkteurInnen vor Ort frei formuliert, sondern beziehen sich stark auf die Vorgaben der beiden übergeordneten Instanzen BKJ und BMBF und bleiben zugleich eigentümlich nebulös: Es gehe nämlich in dem Förderprogramm um „mehr kulturelle Bildungs-gelegenheiten für Kinder und Jugendliche, die bisher weniger davon profitieren konnten, dass die Künste einzigartige Lernwege und ganz eigene Weltzugänge eröffnen“. Es sollen diejenigen erreicht werden, „die nur selten und schwer Zugänge zu Bildung, Kultur und Gesellschaft finden“. In den Projekten werde dann „ganzheitliche Bildung“ ermöglicht und „Per-sönlichkeitsentwicklung“ unterstützt.

Impliziert ist hier eine Defizitperspektive; Kinder, die bisher etwas noch nicht bzw. selten hatten, erhalten nun mehr davon: Zugang zu Bildung, Kultur und Ge-sellschaft; da natürlich jedes Kind von Beginn an Teil mindestens von Kultur und Gesellschaft ist, können hier die Begriffe nur in einer hierarchischen Ordnung gemeint sein, es geht um den Zugang zu höherer Kultur, besserer Gesellschaft, umfassenderer Bildung. Das Kulturelle bzw. Ästhetische wird in seiner Exklu-sivität und Einzigartigkeit in den Texten mehrmals hervorgehoben: Künste eröffnen „einzigartige Lern-wege, ganz eigene Weltzugänge“ und enthalten das „einmalige Potenzial, sich neue Wege und Orte zu erschließen“. Adressaten sind letztlich Individuen, die auf diesem Weg zu mehr Bildung kommen, „indivi-

duelle Stärken entfalten, Selbstbestimmung, Engage-ment und Eigenmotivation entwickeln“. Auch hier, in den Texten, verschwindet das Objekt hinter den individuellen Tätigkeiten, wird die ästhetische Erfah-rung zum Vehikel von höheren Bildungserfahrungen. In der Art und Weise, wie die Projekte angebahnt werden, zeigt sich, wie das schon in sozialpädago-gischen Kontexten häufig problematisierte Dilemma der Repräsentation von hilfebedürftigen Kindern und Jugendlichen durch erwachsene Hilfeanbieter auf die Kulturarbeit hin sich transformiert, hervorgebracht durch das Bündnis der Träger aus Bildung (Schule), Kultur (Kunsthaus) und Sozialraum (Jugendzentrum). Um an die öffentlichen Gelder zu gelangen, muss dieses Bündnis vorab ein Projekt entworfen und im Antrag dargelegt haben. Für den Antrag gibt es vom Geldgeber eine ganze Reihe Vorgaben hinsichtlich der formalen und organisatorischen Struktur der Projekte und der Projektakteure, der anvisierten Zielgruppe und Teilnehmerzahl, der Dauer. Inhaltliche Vorgaben hingegen, die über die Bestimmung von „Kunst und Kultur“ hinausgingen, existieren nicht.

Betrachtet man nun die Dokumente der Akteure vor Ort, wird allerdings noch etwas anderes deutlich: Die Leiterin des Kunsthauses nämlich berichtet hinsicht-lich der vom Geldgeber verlangten Nachhaltigkeit, dass diejenigen Jugendlichen, die man über das Graffiti-Projekt erreicht habe, auch nach Abschluss des Projekts ins Kunsthaus zu ihr kämen. Allerdings kämen sie nicht, um andere Angebote des Hauses zu nutzen, sondern nur, weil es dort weitere Graffiti-Kur-se gäbe. So fänden die Jugendlichen Kontakt zur lokalen Graffiti-Szene und lernten neben dem Hand-werk auch das „Graffiti-Ethos“ kennen. Mit diesem Begriff ist ein schillerndes Phänomen benannt, das sich der eindeutigen Zuordnung zur kulturpädagogi-schen Erfolgsgeschichte entzieht: Denn das „Graffi-ti-Ethos“ besteht gerade darin, in halb- oder illegalen Kontexten und ganz bestimmt ohne erwachsene Projektleitung zu sprayen. Insofern wird hier aus der Fahrstuhl- eine Drehtürpädagogik. Die Jugendlichen kommen, um Material zu nutzen und ihr Handwerk zu erlernen, aber dann gehen sie wieder, um das Erlernte gerade in Differenz zur pädagogischen Kultur der „Höherbildung“ auszuüben. Es entstehen so zwei parallele Öffentlichkeiten als Sphären gemein-samen Handelns (Arendt 2001), die man über die Art und Weise des Sichtbar-Werdens miteinander vergleichen kann. Das eine, pädagogisch inszenierte K

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Graffiti-Handeln wird an institutionell-öffentlichen Orten (der Schule, dem Kunsthaus, der Homepage des BMBF und BKJ) ausgestellt als Erfolgsmeldung des bildungspolitischen Vorhabens: Hier stehen die Akteure in ihrem Handeln im Vordergrund; das andere Graffiti-Handeln, das gemäß den ästhetischen und ethischen Maßstäben der Szene agiert, wird sichtbar allein als Werk, die Akteure bleiben unsichtbar und verweigern sich damit den Vereinnahmungs- und Zu-schreibungspraktiken institutionalisierter Pädagogik (Schaffer 2008).

Literatur:Arendt, H. (2001): Vita activa oder Vom tätigen Leben. 12. Aufl. München.Bleckmann, Peter; Schmidt, Volker (Hg.) (2012): Bil-dungslandschaften. Mehr Chancen für alle. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwiss. Budde, J. (Hrsg.) (2013): Unscharfe Einsätze. (Re-)Pro-duktion von Heterogenität im schulischen Feld. Wiesbaden.Buhren, Claus G. (1997): Community education. Münster: Waxmann (Lernen für Europa 4).Coelen, Thomas (2009): Ganztagsbildung im Rahmen einer Kommunalen Kinder- und Jugendbildung. In: Peter Bleckmann und Anja Durdel (Hg.): Lokale Bildungsland-schaften. Perspektiven für Ganztagsschulen und Kommu-nen. Wiesbaden: VS, Verl. für Sozialwiss., S. 89–104.Dewey, J. (1916/2011): Democracy and Education. An In-troduction to the Philosophy of Education – The Original

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Classic Edition. Dayboro.Dietrich, Cornelie & Wischmann, Anke (2016): Kulturar-beit in regionalen Bildungslandschaften: ein Fallvergleich zwischen England und Deutschland. Zeitschrift für Sozi-alpädagogik, Heft 14 (1) 2016, S. 17-37.Erler, I./Kloyber, C. (2013): Editorial. Community Educati-on. Konzepte und Beispiele der Gemeinwesenarbeit. In: Magazin erwachsenenbildung.at. Das Fachmedium für Forschung, Praxis und Diskurs. H. 19, online im Internet: http://www.erwachsenenbildung.at/magazin/13-19/meb13-19.pdf.Göhlich, Michael (1997): Community Education. Ge-schichte und Konzeption. In: Michael Göhlich (Hg.): Offener Unterricht, Community education, Alternativ-schulpädagogik, Reggiopädagogik. Die neuen Reformpä-dagogiken; Geschichte, Konzeption, Praxis. Weinheim u.a: Beltz (Beltz grüne Reihe), S. 90–102.Harris, N./Gorard, S. (2010): Vereinigtes Königreich. In: Döbert, H. et al. (Hg.): Die Bildungssysteme Europas. Baltmannsweiler, 3. Aufl., S. 823-852.Lessenich, S./Nullmeier, F. (Hrsg.) (2006): Deutschland - eine gespaltene Gesellschaft. Frankfurt am Main, New York.Schaffer, J. (2008): Ambivalenzen der Sichtbarkeit. Über die visuellen Strukturen der Anerkennung. 1. Aufl. Biele-feld.Weiß, Wolfgang W. (2011): Kommunale Bildungsland-schaften. Chancen, Risiken und Perspektiven. Weinheim: Juventa Verl. (Veröffentlichungen der Max-Traeger-Stif-tung. 48).Wischmann, Anke (2014):Was haben kommunale Bil-dungslandschaften mit Bildung zu tun? In: Pädagogische Korrespondenz. Heft 49 (1) 2014, S. 75-92.

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Marcel Pouplier

Gestaltung nachhaltiger Bildungsprozesse in Schulen in Kooperation mit Kultureinrichtungen und dem Stadtteil

Mit ausgereiften Projektmodulen und sehr viel Erfahrung mit der Kooperation von Schulen und Kultureinrichtungen sowie KünstlerInnen unterstützt QUARTIER seit vielen Jahren Schulentwicklungsprozesse, welche die Entfaltung der Qualitäten kultureller Bildung in schulischen Bildungsprozessen vorantreiben.

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Aus den Erfahrungen vieler Vorlaufprojekte und Programme kristallisierten sich für QUARTIER zwei

Ansatzpunkte heraus, wie sich kulturelle Bildung über temporäre Projekte als gelegentliche Unterbrechung des Schullebens hinaus zum strukturellen Bestandteil von Schulprofil und Schulalltag machen lässt:• übertragbare Good-practice-Projekte• Verankerung von Kultur im Qualitätskanon und Qualifizierung

Übertragbare Good-practice-ProjekteDie Entwicklung von Kulturprojekten, die auf andere Schulen übertragbar und für Schulen als Bestandteil eines eigenen Schulprofils attraktiv sind, hat sich als wirkungsmächtig bei der Verstetigung eines Kultur-profils an Schulen erwiesen. In der Vergangenheit sind regelmäßige Tanzprojekte und bildkünstlerische Werkstätten ganz ohne gezielte Einwirkung durch QUARTIER von Schulen in ihren Außenauftritt bei Tagen der offenen Tür und Elternvorstellungen aufge-nommen worden. Die Entwicklungsarbeit von QUAR-TIER richtete sich darauf, ein fest in der Schulstruktur verankertes Netz von durchlaufenden kulturellen Werkstätten nachhaltig anzulegen. QUARTIER hat umfangreiche Erfahrungen mit zwei Formen von Projektmodulen: kompakte Projektwo-chen und kontinuierlich durchlaufende Werkstätten. Die blockweise Einrichtung von Werkstätten in z.B. Kulturprojektwochen, in denen ausschließlich künst-lerische Werkstätten stattfinden, ist in vielen Schulen ohne Weiteres möglich. Bis zu vier solcher Wochen in einem Schuljahr wurden in Bremer Schulen einge-richtet. Der Zeitumfang (100-120 Unterrichtsstunden) entspricht einer dreistündigen durchlaufenden Werk-statt. Durchlaufende Werkstätten lassen sich ebenfalls inzwischen stundenplantechnisch einrichten – die Notwendigkeit von offenen Projektphasen in der Wo-che ist inzwischen common sense. Zudem haben sich Mischformen wie ein verzögerter Anlauf nach den Herbstferien bzw. zum 2. Halbjahr mit Intensivphasen

von mehreren Wochen gegen Ende des Schuljahrs als sehr produktiv erwiesen.

Verankerung von Kultur im Qualitätskanon und QualifizierungDie Verankerung von künstlerischer Projektarbeit im Qualitätsentwicklungskanon von Schulen und gezielte Fortbildung von Multiplikator/innen, Schulleitungen, Fachlehrer/innen: Diese konstitutionelle Vorgehens-weise hat sich im Verlauf der letzten zwei Jahre als sehr wichtiger Hebel erwiesen. Widerlegen die Good practice-Beispiele das oft gehörte Argument „schöne Idee – klappt aber nicht in (unserer) Schule“ schafft die Verankerung im Qualitätskanon institutionelle Sicherheit für engagierte Schulleitungen und Kolleg/innen gegenüber den Zweifeln von Eltern und den Zeitbedarfen von Fachlehrer/innen aus dem Sprach- und Mint-Bereich. Dabei geht es ja nicht nur um die „Slots“ im Stundenplan, sondern auch um die Freistellung von PädagogInnen zur Betreuung von Projekten. Fortbildungen dienen als gemeinsame Vergewisserung über die Bedeutung der Profilent-wicklung, der Entwicklung von Konzepten und dem Erwerb von Kompetenzen für das Projektmanage-ment.

Schule mit kulturellem ProfilFür QUARTIER gelten verschiedene Qualitätskriterien für ein kulturelles Profil einer Schule: Es sollten feste Kooperationsbeziehungen zwischen Schulen und Künstler/innen und Kultureinrichtungen entstehen. Durch eine solche Verbindung erhalten Schulen einen fortwährenden Zufluss von kreativen Ansätzen und neuen Sichtweisen auf ständige Baustellen wie Integ-ration und Inklusion oder andere Arbeitsformen. Alle SchülerInnen sollen die Chance erhalten, künst-lerische Produktion selbst zu erfahren. Das gelingt durch jahrgangsweise Organisation der Werkstätten, aber auch durch offene Ausschreibungen, Beteiligung aller Klassen/Kurse eines bestimmten Typs. Produkti-

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ENonen laufen auf Präsentationsphasen und öffentliche Präsentationen im Stadtteil zu, mit denen sich die Schule als Produktionsort und Ausgangspunkt von stadtteilöffentlichen Veranstaltungen und Impulsen vorstellt. Damit verbunden ist das Ziel, dass sich Schule nicht als Kulminationspunkt von Problemen im Stadtteil versteht, sondern als Produktivkraft in der kulturellen Stadtteilentwicklung.

Merkmale einer StadtteilorientierungEin fester Baustein der Formate und der angestreb-ten Profile von QUARTIER ist die Neupositionierung der Schule im Stadtteil. Die Werkstätten nehmen Stadtteilentwicklungsimpulse auf und thematisieren Gestaltungssituationen in den Stadtteilen wie z.B. die Planung von Plätzen und Stadtteilzentren. Genauso nehmen die Werkstätten inhaltlich Stellung zu aktuel-lem Spannungslinien und Brüchen im sozialen Gefüge ihrer unmittelbaren Lebensumwelt. Die Ergebnisse werden in Form von Ausstellungen und öffentlichen Tanz- und Theateraufführungen im Stadtteil vorge-stellt. Dabei werden neue Schauplätze entdeckt und für Produktionen genutzt. So entstehen temporäre Opernhäuser und Tanzbühnen in Lagerhallen oder Hochschulateliers und Skaterparks.Durch die Beteiligung von Stadtteilinitiativen und kommunalem Management kommt zusätzliche Exper-tise in die Projekte. Damit lassen sich auch hochbri-

sante Spannungsfelder im sozialen Zusammenleben in die Aufgabenstellungen einbeziehen.

Zusammenarbeit mit KünstlerInnen und KultureinrichtungenNach den Erfahrungen von QUARTIER und anderen Kultureinrichtungen in Bremen ist die fest vereinbarte Zusammenarbeit mit externen Kultureinrichtungen ein sicherer Anker für die Entwicklung eines kulturellen Profils. Auf diese Weise wird kulturelle Produktion als permanentes Element des Schulalltags abgesichert. Der künstlerische Impuls als wichtiger Moment in der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen hat so ei-nen zuverlässigen Input. Gleichzeitig bringen die Part-ner/innen zusätzliche Infrastruktur und den Zugang zu ihren Finanzierungswegen in die Projekte ein.

Qualitätskriterien für Kulturprojekte Der konzeptionelle Ansatz von QUARTIER versteht die Werkstätten als Produktionen nicht als Kurs oder Un-terricht. Die Produktionslogik bringt erfahrungsgemäß einen Ernstcharakter mit sich. Es entsteht positiver Stress, der Gruppen neu ausrichtet. Tunichtgute wer-den zu tragenden Figuren, besondere Talente „retten“ die Szene. Im Produktionsablauf entwickelt sich ein Zwang zur Kooperation, der nicht auf moralischer Aufforderung, sondern auf ganz praktischer Notwen-digkeit beruht. Werkstätten aus unterschiedlichen Bereichen müssen zusammenarbeiten, damit eine Präsentation gelingt. Innerhalb einer Werkstatt beruht

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der Erfolg in wesentlichen Teilen auf der Qualität der Zusammenarbeit der Jugendlichen miteinander und mit den Künstler/innen. Darüber hinaus erzeugen Produktionen eine Erfah-rung der „Selbstwirksamkeit“, die der Schulalltag mit seinen kaskadierenden Anforderungen nicht vermit-teln kann.Die Werkstätten arbeiten ergebnisoffen – nicht auf ein vorgegebenes Ziel hin. Diese Qualität entfaltet sich an anderen Stellen des Systems „Schule“ kaum, da sich das Ergebnis aus dem Prozess heraus entwickelt und definiert und nicht von vorneherein feststeht. Hier liegt auch die „Chance des Scheiterns“, die die MitarbeiterInnen und KünstlerInnen von QUARTIER immer wieder in Projekten herausfordern und auch gegenüber den SchülerInnen als realistische Alterna-tive formulieren. Damit entwickelt sich eine Weichen-stellung, in der die definitive Entscheidung jedes

Einzelnen und der gesamten Gruppe gefragt ist – mit dem Risiko des Scheiterns, nicht vor Publikum, son-dern vor sich selbst, und dem Anspruch, etwas vom Eigenen zu gestalten. Die KünstlerInnen kommen in die Werkstätten mit dem Anspruch, bei den Jugend-lichen eine künstlerische Haltung zu entwickeln. Das bedeutet, sich selbst einzubringen in die Gestaltung, einen eigenen Ausdruck finden, der den eigenen Fragen, Themen und Zweifeln entspricht – unabhän-gig von den Vorlieben des Publikums und dessen Zustimmung (frei nach Markus Kronsberger).

Der Prozess wird gesteuert durch die Künstler/innen und folgt den Regeln der künstlerischen Produktion mit Irr- und Sonderwegen, Stressphasen und keiner pädagogischen Didaktik und Methodik mit schema-tisiertem Ziel- und Methodenkanon. Der provokative Grundsatz ist: „Kunst vermittelt sich durch Kunst!“

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ENDie Zusammenarbeit mit professionellen KünstlerIn-nen provoziert im Idealfall eine produktive Irritati-on. Tanzprojekte beschäftigen sich mit Formen des Tanztheaters, African Dance, Moderner Tanz und kreie-ren nicht noch ein HipHop-Spektakel. Musikalische Ausflüge in die Moderne Klassik oder Minimal Music werden vom Dirigenten der Deutschen Kammerphil-harmonie Bremen mit den Worten eingeleitet: „Diese Musik werdet ihr euch niemals bei iTunes runterla-den!“, was alleine schon Faszination auslöst. Es gibt eben einen Respekt vor der Professionalität einer Tänzerin, die in einer fließenden Bewegung vom Stand zum Liegen kommt, und vor einem Orchester, das mit der Wucht einer Rockband intoniert.Die Werkstätten arbeiten mit dem Grundverständnis, dass die Jugendlichen ihre Begabungen und beson-deren Talente einbringen. Unsere Erfahrung ist, dass viele dieser besonderen Fähigkeiten in der Schullauf-bahn unentdeckt bleiben und nur in einer Situation des offenen Ausprobierens den Jugendlichen selbst bewusst werden und damit ihr Selbstbild und ihre Selbstwahrnehmung entscheidend beeinflussen.

Die Werkstätten unterstützen die (Wieder-)Aneignung der eigenen Lebensumwelt durch die Jugendlichen. Schulen wie auch Neubaustadtteile sind in ihrer Zuordnung anonym – d.h. sie sollen für alle sein, also für niemanden besonders. Die Gestaltung von Plät-zen, Höfen, aufgelassenen Un-Orten durch die Jugend-lichen als die selbstverständlichen und alltäglichen NutzerInnen bewirkt eine Inbesitznahme und auch eine Übernahme von Verantwortung. Die aus solchen Prozessen entstandenen Anlagen oder Skulpturen bleiben erstaunlicherweise lange vor Vandalismus verschont. Dieser Impuls trifft zudem in Zeiten von Stuttgart 21 auf ein günstiges Umfeld. Beteiligung ist wieder gefragt, und niemand will am guten Vorschlag einer Jugendinitiative vorbei planen.

In der Strukturierung der Profilbildung hat QUAR-TIER sich an die erfolgreichen „Vettern“ aus dem Sport angelehnt. SchülerInnen aus den sogenannten Kaderschulen haben in den Schulalltag integriertes Training und können bei Wettkämpfen beurlaubt werden. Klassenarbeiten werden entsprechend ver-schoben oder dem Trainer per Mail mitgegeben. Die entsprechenden Förderbedingungen sollten auch für Werkstätten und insbesondere für die Präsentations-phasen im Kulturbereich gelten!

Gelingensbedingungen für erfolgreiche und nachhaltige ProfilentwicklungIm Programm „Kreativpotentiale Bremen“ arbeiten zehn Schulen aus Bremen und Bremerhaven an der Entwicklung eines kulturellen Profils für die eigene Einrichtung. QUARTIER als Agentur in diesem Verbund unterstützt die entstehenden Strukturen und Arbeits-zusammenhänge in den Schulen durch den Aufbau eines tragfähigen Systems von Finanzierungswegen und -quellen. Bei dieser „Erschließung“ ist gerade die besondere und damit bewerbbare Qualität der Pro-jektansätze und Ergebnisse ausschlaggebend. Durch ein Netz von zentralen und regionalen Kultureinrich-tungen wird diese Qualität sichergestellt.Weitere Gelingensbedingung für die Verankerung ei-nes kulturellen Profils ist eine stabile innere Struktur einer Schule. Zeiten der Nichtbesetzung von Schullei-tungen haben sich als außerordentlich schwierig für die gewohnte Bahnen sprengenden ambitionierten Projekte erwiesen.Auch ist die Zustimmung einer gesamten Schul-konferenz einschließlich der Elternvertreter/innen unerlässlich, um spätere überraschende Rückzüge auszuschließen. In diesem Zusammenhang sind praktische Fortbil-dungen der beteiligten Fach- und Klassenlehrer/innen sehr hilfreich, um sich einen unmittelbaren und handfesten Eindruck von dem von den Künstler/innen visionierten und mit eigenen Besorgnissen beladenen Projektkonzept zu verschaffen. Gleichzeitig muss ein Verfahren zur Beteiligung der Fach- und Klassenleh-rerInnen entwickelt werden, das die PädagogInnen nicht nur zu Aufpassern degradiert oder disponibel für Vertretungseinsätze macht. Die Entscheidung, Schule mit kulturellem Profil zu werden, bedeutet auch die Fokussierung der häufig vorhandenen Projektvielfalt. Es geht eben nicht dar-um, noch einen Schwerpunkt mit dazuzunehmen, der dann endgültig die totale Überlastung herbeiführt. Mit dieser Fokussierung ist auch das Einbringen eige-ner Ressourcen der Schule verbunden. Dazu gehören Zeitressourcen für Planungsphasen, Fortbildungen, Projektmanagement genauso wie eigene Finanzie-rungswege und -möglichkeiten.

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Nachdem Anke Wischmann und Cornelie Dietrich ihren Fachinput über die „Kulturelle Bildung in

regionalen Bildungslandschaften und in der Commu-nity Education“ vorgestellt haben, wurde im Gespräch erläutert, dass sich die „Kultur“-Landschaften im z.B. Wendland oder in Mümmelmannsberg / Billstedt sehr unterscheiden und sich daraus auch unterschiedliche Konzepte der Bildungslandschaft und Community Education für Stadt und Land ableiten lassen. So unterschiedlich die Rahmenbedingungen in Stadt und Land sich zeigen, so verschieden sind auch die Problemlagen:• Hamburg ist konfrontiert mit Gentrifizierung,

Segregation, Migration• Ländliche Räume sind konfrontiert mit Überalte-

rung, Entvölkerungstendenzen, Verarmungs- prozessen

Aus dieser Sicht ist Community Education kein fest-stehendes Konzept, bietet jedoch wissenschaftliche Methoden und Strategien, den sozialen Raum und Netzwerke als Kontext zu integrieren und damit Bildungs- und Lernprozesse in Abhängigkeit von sozialen Strukturen und Akteuren zu erforschen und zu verstehen. Dabei geht es um die Herausarbeitung „normativer Profile“, die in der Lage sind, Bedingun-gen für Erziehungs-, Bildungs-, Lernprozesse in einem sozialen Raum zu verbessern. Die Profile sollten sich an den Bedarfen von Feld und Akteuren orientieren.In der Arbeitsgruppe wurde der Begriff der Partizipa-tion im Kontext von Kultur- und Projektarbeit disku-tiert und die Frage beleuchtet, auf welcher Ebene sie umgesetzt wird, bei:

Diskussionsprotokoll: Kollektiv entwickeln und bilden?

• der Themenfindung und Stoffentwicklung,• der Auswahl des Materials, Stils, der KünstlerInnen,• dem Prozess der Erarbeitung.Wie konsequent werden Vorgaben der Partizipation formuliert und eingehalten, wonach richten sie sich? In der Diskussion wurde konstatiert, dass Partizipa-tion unweigerlich im Zusammenhang mit der Qualität des Projekts stehe, Qualität in dem Sinne, dass kultu-relle Bildung auch als Teil der allgemeinen Bildung zu verstehen sei – im Sinne eines erweiterten Bildungs-begriffs – und Kultur somit lebensnotwendig sei.

Im weiteren Verlauf der Diskussion wurde herausgear-beitet, dass ästhetische Erfahrung angewiesen sei auf die Qualität des Prozesses und der Ergebnisse, erst dann sei die ästhetische Erfahrung wirklich befriedi-gend und bereichernd. In der Praxis selbst stellt sich jedoch die Frage, für wen: ob für die Zielgruppe oder nur als Richtlinie der Förderer.Es wurde betont, dass eine ästhetische Alphabetisie-rung notwendig sei, um Kindern und Jugendlichen zu ermöglichen, sich selbst artikulieren und ein künstle-risches Bewusstsein schaffen zu können.Insbesondere im Hinblick auf partizipatorisch ange-legte Kulturprojekte zeigte sich in der Diskussion, dass Projekte allein Partizipation nicht leisten kön-nen, die Öffentliche Hand sich jedoch zunehmend zu-rückzieht. Daraus resultiert, dass Projekte und Events nicht mehr auf Langfristigkeit angelegt sind / sein können, und immer wieder neu um die Verlängerung bzw. Verstetigung von (Modell-) Projekten gekämpft werden muss.Die Ansprüche an Partizipation finden sich in Am-bivalenz zwischen Assimilationserwartungen und Anerkennung von Heterogenität. Zudem widerspricht dies dem Anliegen eines „audience development“, bei dem große Institutionen ihr Publikum selbst entwickeln müssen. Dies setzt eine gezielte Arbeit voraus und ein Investieren in die Zukunft, wobei be-triebswirtschaftliche Zwänge und kulturpädagogische Zielsetzungen meist in innerem Zwiespalt zueinander stehen.In der Arbeitsgruppe wurde im Anschluss an den Fachinput von Marcel Pouplier die Frage aufgeworfen, ob die stadtteilorientierten Schul-Kultur-Kooperatio-nen schon als „Community Education“ zu verstehen seien. Anke Wischmann äußerte sich hierzu vorsich-tig, es würde ein möglicher Raum gestaltet werden,

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Marcel Pouplier könnte sich länderspezifische Aus-handlungsprozesse vorstellen, zu denen alle einge-laden werden, mitzuentscheiden, wie ein Programm in das Land eingebracht werden kann. Es wurde eingewandt, dass dies wiederum wegen der Unter-schiedlichkeit der Rahmenbedingungen stadtteil-spezifisch entwickelt werden müsste – oder sollen besser erprobte Projektformate in die Fläche gebracht werden, die stadtteilorientiert angepasst werden können? Es wurde kontrovers diskutiert, wer, wie und wo zu beteiligen und sei was überhaupt eine gute Begleitung sei.

Sowohl für den Bereich der Community Education als auch für das Programm Kreativpotentiale wurden folgende Punkte in der Diskussion gesammelt, die in der Vorbereitung von Kooperationsprojekten zu bedenken sind:• Wer „darf“ die Veränderungen initiieren?• Wer wird ins Boot geholt?• Ziele und Art der Vernetzung• Aspekt der Freiwilligkeit bei der Beteiligung• Auftragsklärung und -kommunikation• Konkurrenz verschiedener Projekte an Schulen• Allgemeine Belastung und drohende Überlastung

aber das Konzept der Community Education umfasse wesentlich mehr. Marcel Pouplier führte dazu aus, dass QUARTIER mit Hilfe und durch das Engagement des Stadtteils die Projekte aus den Schulen rausbrin-ge, weil sie das Credo verfolgten: „Wir sind Kunst, wir gehen raus!“

Es gab die Nachfrage, ob innerhalb der Schule oder Behörde bereits Rahmenbedingungen entwickelt wor-den seine, woraufhin Marcel Pouplier erläuterte, dass sich das Programm noch im Aufbau befinde und eine neue Stelle geplant sei.

Es wurde nachgefragt, wie die Kreativpotentiale bzw. die Projekte evaluiert werden und wie die Wirksam-keit gemessen wird. Marcel Pouplier führte dazu aus, dass eine Begleitung durch den Studiengang Kul-turwissenschaften geplant sei und sie bereits dabei seien, Studierende in die Praxis holen und evaluieren zu lassen. An dieser Stelle wurden die Kriterien dis-kutiert, wie Veränderungen bei Jugendlichen erkannt werden könnten. Anke Wischmann warf die grund-sätzliche Frage auf, ob sie unter Berücksichtigung eines erweiterten Bildungsbegriffs überhaupt messbar seien. Einigkeit über die Notwendigkeit, den Bil-dungsbegriff zu erweitern, bestand zwar, die Messbar-keit, das Sichtbarmachen von Wirkungsforschung und die Qualität der Ergebnisse wurde jedoch kontrovers diskutiert. Cornelie Dietrich warnte vor ästhetischen „Versprechungen“.

Community Education <–> Kreativpotentiale

• Partizipation• Fahrstuhlpädagogik vs. „auf

Augenhöhe“• Ästhetische Alphabetisierung

• Erweiterter Bildungsbegriff• Neue Perspektiven entwickeln• Räume für Bildung schaffen

• Kulturelle Bildung fest in den Schulen verankern

• Schule im Stadtteil: Einbezie-hung möglichst vieler Akteure aus dem Stadtteil

• Inklusion auch für LehrerInnen• Lernen durch Begeisterung

(auch für LehrerInnen)

• Qualität des Prozesses und der Ergebnisse

• Evaluation und Wirkungsfor-schung

• Verschiedene Qualitäten: Pro-zess, Pädagogik und künstleri-sche Produktion

• Netzwerk der Akteure – Netz-werk der Evaluation

• Veränderungen bei Jugendlichen wissenschaftlich erforschen und dokumentieren

• Kurzatmigkeit bei Veränderungs-projekten

• Spende oder „Dauerauftrag“

• Verstetigung von Projekten• Finanzierung langfristiger Beteili-

gungsprojekte

• Schulen umwerben• Magnetismus von Schulen• Zwangsbeglückung vs. Freiwillig-

keit• Wettlauf der Schulen um

kostenlose und qualitätsvolle Angebote

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URBANE ÖFFENTLICHKEITEN UND PERFORMATIVE KÜNSTE

Unter dem Motto „Kultur für alle“ gab die Stadtteilkultur vor über 30 Jahren Impulse u.a. zur Demokratisierung durch Kultur. Das künstlerisch-wissenschaftliche Graduiertenkolleg der Hafencity Universität „Versammlung und Teilhabe: Urbane Öffentlichkeiten und performative Künste“ fragt, welche Rolle die performativen und medialen Künste im Kontext der neuen urbanen Demokratisierungsbewegungen spielen können. Imanuel Schipper stellt verschiedene Projekte vor, die theatrale Interventionen im Stadtraum umsetzen, und zeigt auf wie performative Techniken zur Erzeugung und Gestaltung von Öffentlichkeit im urbanen Raum genutzt werden können. In Zusammenarbeit mit dem choreografischen Zentrum K3 entdecken SchülerInnen der Reformschule Winterhude Menschen, Orte und Geschich-te(n) in ihrer Nachbarschaft und begehen anschließend künstlerische Heldentaten. In diesem Schwerpunkt werden Methoden, Strategien und künstlerischen Konzepte performativer Interventionen vorgestellt, analysiert und diskutiert.

K3 – Zentrum für Choreographie | Tanzplan Hamburg auf Kampnagel ist Kompetenzzentrum und Ansprech-partner für zeitgenössischen Tanz und Choreographie, künstlerische Forschung und Tanzvermittlung.In der Spielzeit 2006/2007 im Rahmen der Initiative Tanzplan Deutschland (2006 bis 2010) der Kulturstif-tung des Bundes gegründet und seit 2011 von der Freien und Hansestadt Hamburg gefördert, ist K3 eines der wenigen choreographischen Zentren bzw. Tanzhäuser im deutschsprachigen Raum und trägt als lokal, überregional und international vernetztes Kompetenzzentrum wesentlich zur kontinuierlichen Sichtbarkeit und Stärkung der Kunstform bei.

Als Kompetenz- und Informationszentrum besteht eine wesentliche Aufgabe von K3 darin, Ansprech-partner für Tanzinteressierte, Tanzschaffende und auch Kulturpolitik zu sein. Dazu gehört insbesondere auch, zeitgenössischen Tanz verstärkt im Bereich der kulturellen Bildung zu verankern. Zeitgenössischen Tanz und Choreographie als künstlerische Disziplinen in ihrer Verbindung von Theorie und Praxis zu kom-munizieren und zur Diskussion zu stellen, ist dabei grundlegendes Konzept des Programms von K3.Einer der Arbeitsschwerpunkt von K3 liegt im Bereich

kultureller Bildung. Neben Projekten von, mit und für Jugendliche bestehen langfristige Kooperationen mit Schulen und Einzelangebote für Schulklassen. K3 setzt dabei auf partizipative und transdisziplinäre Konzepte, die Tanz und Choreographie als eigenstän-dige Kunstformen verstehen und auf Nachhaltigkeit und Kontinuität setzen.

Beispielhaft für die Arbeit von K3 im Bereich Vermitt-lung / kulturelle Bildung und in der Stadtteilkultur sei folgend das Projekt Choreographie der Nachbarschaft beschrieben:

Im Rahmen von Tanzfonds Partner – einer Initiative der Kulturstiftung des Bundes – realisierte K3 in den Jahren von 2012 bis 2014 eine zweijährige Partner-schaft mit der Winterhuder Reformschule/Stadtteil-schule Winterhude unter dem Motto „Choreographie der Nachbarschaft“. Mehr als 26 Projekte mit Künst-lerInnen und SchülerInnen konnten realisiert werden. Die Auseinandersetzung mit der Nachbarschaft und dem sozialen Nahraum der Kinder und Jugendlichen eröffnete ungeahnte Zugänge und Dialoge, weit über die Schülerschaft hinaus.

Matthias Quabbe

Choreografie der Nachbarschaft

Eine modellhafte künstlerische Auseinandersetzung mit dem Stadtteil in einer Kooperation zwischen dem Zentrum für Choreographie und der Reformschule Winterhude beschreibt Matthias Quabbe anhand des des Projekts „Choreographie der Nachbarschaft“. Zudem erläutert er die Gelingensbedingungen für die erfolgreiche Kooperation bei den beiden Partnern.

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In dem zweijährigen Projekt erkundeten SchülerInnen und KünstlerInnen intensiv in gemeinsamen choreo-graphischen Projekten, die jeweils in einem Schul-halbjahr durchgeführt wurden, ihre spezifische Quar-tiersumgebung. Die Kinder und Jugendlichen aller vier Jahrgangsstufen der Schule – von der Grundschule bis zur Oberstufe – entwickelten gemeinsam mit den KünstlerInnen Themen, die sich um Fragen ihrer Nach-barschaft drehten und sie persönlich interessierten. Vor dem Hintergrund, dass im Zuge technologischer Entwicklung die Welt immer näher kommt, Nähe in sozialen Netzwerken virtuell simuliert wird und somit der uns konkret umgebende Nahraum – die Straßen, Orte und Menschen unserer Nachbarschaft – immer mehr in die Ferne zu rücken scheint, ist dies von besonderer Relevanz. Gerade für Kinder und Jugend-liche ist es wichtig, aber nicht mehr alltäglich, ihr konkretes soziales Umfeld kennenzulernen, mit den Menschen in ihrer Umgebung in Dialog zu treten, die Besonderheiten der Umgebung – Parks, Plätze, Geschichte, Architektur, Kultur(en) – zu erfahren und

ihren Horizont durch das Entdecken des Unbekannten im vermeintlich Bekannten zu erweitern. Der Körper mit all seinen Sinnen, seiner Intelligenz und seiner Fähigkeit, mit Bewegung Raum zu erfahren, Nähe zu erleben und in Kommunikation mit anderen Men-schen zu treten, besitzt ein großes Potenzial für die Entwicklung sozialer und kommunikativer Kompeten-zen und die Lernfähigkeit von Kindern und Jugendli-chen.

Über 280 SchülerInnen arbeiteten mit 26 Künstle-rInnen. Mehr als 1200 BesucherInnen nahmen an Proben-, Vorstellungsbesuchen und Workshops teil. Über 700 ZuschauerInnen besuchten die als Nachbar-schaftsfeste angelegten halbjährlichen Präsentatio-nen.

Choreographie der Nachbarschaft zeichnete sich zu-dem durch eine enge Zusammenarbeit zwischen einer Schule und einer Kulturinstitution aus, die fußläufig ca. 10 Minuten auseinanderliegen. Die Andockung

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an das Thema Nachbarschaft war insofern nicht nur naheliegend, sondern bezeichnete auch die Koopera-tion. Durch die fußläufige Nähe zwischen den beiden Kooperationspartnern konnte gewährleistet werden, dass die angebotenen Kurse und Projekte direkt in den Studios von K3 | Tanzplan Hamburg stattfinden konnten. Dies hatte zur Folge, dass die beteiligten SchülerInnen nicht nur K3 als Kooperationspartner kennengelernt haben, sondern sich auch als Teil des-sen identifizierten, neben den eigenen Projekten auch Bezüge zu anderen am K3 stattfindenden Projekten herstellen konnten und somit der Zugang zur Kunst-form des zeitgenössischen Tanzes fester Bestandteil der Kooperation wurde.

Die Kooperation und das Projekt Choreographie der Nachbarschaft hatten großen Einfluss auf verschie-dene Ebenen von K3 als Kulturinstitution. Da bis auf drei Kurse alle in den Studios der K3 durchgeführt wurden, musste eine genaue, teilweise stundenweise Vergabe der Studios geplant werden, was natür-lich auch Einfluss auf die Arbeit der am K3 tätigen ChoreographInnen, auf stattfindende Workshops oder das Profitraining hatte. Neben der engen räumlichen Verbindung der Bereiche wurde zudem versucht, die einzelnen Arbeitsbereiche am K3 auch inhaltlich mit dem Projekt zu verknüpfen, sodass u.a. Probenpro-zesse von K3 Residenz-ChoreographInnen oder dem K3-Jugendklub geöffnet und als Proben- und Vorstel-lungsbesuche angeboten wurden.Durch den reformpädagogischen Ansatz der Stadtteil-schule Winterhude/Winterhuder Reformschule konnte gewährleistet werden, dass die während der Koope-ration angebotenen Kurse direkt im Stundenplan der SchülerInnen angedockt werden konnten. Daneben nimmt die aktive Beteiligung von SchülerInnen einen hohen Stellenwert innerhalb der Schule ein. Nicht nur das eigenverantwortliche Lernen, sondern auch die eigenständige Zusammenstellung des Stundenplans und der eigenen Lernweise wurde auch innerhalb der künstlerischen Projektarbeit im Rahmen von Choreographie der Nachbarschaft aufgegriffen. Zwar beschrieben die angebotenen Kurse ein fest umrahm-tes Thema innerhalb des Oberthemas Nachbarschaft, allerdings war während des Prozesses das Einbringen von Ideen und die Beteiligung der SchülerInnen ein wesentlicher Arbeitsbestandteil.

Choreographie der Nachbarschaft, das bedeutete: erforschen, entdecken und ausprobieren und sich mit

dem Erforschten (künstlerisch) auseinandersetzen. Im Mittelpunkt stand dabei die Nachbarschaft von der Winterhuder Reformschule und K3. Auf verschie-denen Ebenen eröffnete sich ein neuer Zugang zum zeitgenössischen Tanz – nicht nur für SchülerInnen, sondern auch für LehrerInnen und Eltern. Dass dabei verschiedene SchülerInnen sich u.a. für die Teilnah-me am K3-Jugendklub entschieden oder Praktika am Haus absolvierten, zeigt, dass diese enge Zusammen-arbeit auch eine nachhaltige Beschäftigung mit dem Arbeitsfeld mit sich bringt.

Für K3 machte das Tanzfonds Partner Projekt in vielerlei Hinsicht neue Türen auf: Nicht nur ganz praktisch, indem es innerhalb der beiden Part-nerschaftsjahre die Räume für die stattfindenden Kurse öffnete, sondern auch, indem der Bereich der kulturellen Bildung über das Projekt hinaus weiter ausgebaut werden konnte. So entstand auf Initiative von SchülerInnen und LehrerInnen die Reihe Junger-TanzHamburg, die erstmals in Hamburg regelmäßig Tanzproduktionen für junges Publikum entwickelt und damit eine bislang bestehende Lücke im Kulturange-bot für junges Publikum in Hamburg schließt und die zudem die Kinder jeweils aktiv in die Stückentwick-lung einbezieht.

Auch die beteiligten KünstlerInnen profitierten von dem gemeinsamen Projekt. Nicht nur sammelten sie neue Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in einem schulischen Kontext, sondern sie erhielten auch neue Perspektiven für ihre eigene künstlerische Arbeit.

Die Kooperation mit der Winterhuder Reformschule erwies sich als besonders erfolgreich. Die unmittelba-re Nähe von Schule und K3 sowie das gute Kommu-nikationsnetz schufen eine gute Basis für das Gelin-gen des Projekts und eine darüber hinausgehende Zukunft. Aus der guten Zusammenarbeit sind weitere Ideen für eine zukünftige Zusammenarbeit entstan-den. K3 hat der Schule außerdem wichtige Anstöße für die Überarbeitung ihres kulturellen Konzepts gegeben, die in die Diskussion über eine bessere Ver-ankerung der kulturellen Bildung im weitesten Sinne einfließen werden.

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Imanuel Schipper

Gestaltung von Öffentlichkeiten im urbanen Raum durch theatrale Interventionen

In seinem Beitrag beschreibt Imanuel Schipper wie performative Inszenierungen den städtischen Raum verändern, der offensichtlich mehr ist als nur die Summe seiner gebauten Teile. Anhand verschiedener Projektbeispiele erläutert er das Zusammenspiel von gestalteten oder vorgefundenen Räumen, erzählten Geschichten und aktiver Partizipation der BetrachterInnen.

Durch eine Performance kann Räumen etwas hinzugefügt werden, durch das sich ihre Funktion

temporär verändert. So stellte der Holländer Dries Verhoeven im Juni 2014 bei seiner künstlerischen Intervention „Ceci n’est pas ...“ zehn Tage lang einen Glaskasten auf den Claraplatz in Basel, in dem täglich ein neues „lebendiges Bild“ präsentiert wurde. Wie einst auf den Jahrmärkten wurden darin Menschen ausgestellt. An einem Tag waren es ein Vater mit sei-ner Tochter auf dem Schoß, beide nur mit Unterwä-sche bekleidet, an einem anderen ein bärtiger Mann in einer kugelsicheren Weste, der, aufgefordert von einem Muezzinruf, auf seinem Teppich betete.

Die künstlerische Performance veränderte den öffent-lichen Raum. Statt wie bisher über den Claraplatz zu hetzen, blieben die Menschen irritiert stehen, ver-suchten das Gesehene einzuordnen, stellten Fragen und diskutierten. Auf einmal erinnerte der Claraplatz mehr an eine griechische Agora als an die funktiona-

„Ceci n’est pas ...“: Erst die jeweilige Nutzung macht einen Ort zu dem speziellen Raum, als den wir ihn wahrnehmen.

le oder ästhetische Raumplanung des 20. Jahrhun-derts. Die Agora definierte in der Antike einen Ort, an dem die BürgerInnen über alle öffentlichen Angele-genheiten redeten, stritten und lachten. Sie ist ein mindestens so starker Ausdruck von Demokratie wie Volksabstimmungen und parlamentarisch geführte Debatten. Die Performance und insbesondere die Reaktionen der PassantInnen veränderten den Platz, der offensichtlich mehr ist als nur die Summe seiner gebauten Teile. Oder allgemeiner gesagt: Erst die jeweilige Nutzung macht einen Ort zu dem speziellen Raum, als den wir ihn wahrnehmen.

Die Stadt als Labor„Walking the City“ ist eine ortsspezifische und audio-geleitete Versammlungsaktion der Hamburger Perfor-mancegruppe LIGNA, die durch ihre an Flash-mobs erinnernden Radioballette bekannt geworden ist. Ihre Performance ohne DarstellerInnen fordert das Publi-kum auf, durch den existierenden, schon gebauten

Stadtraum zu flanieren, ihn auf beson-dere Weise zu bespielen und dadurch neu zu lesen. Über einen kleinen Radio-empfänger mit Kopfhörern werden BetrachterInnen und ZuhörerInnen auf einen Stadtspaziergang geführt, der die Aufmerksamkeit immer wieder auf den eigenen Gang, die eigenen Schritte und auf jene der MitgeherInnen führt. Die Stimme weist schließlich alle an, sich den anderen GehforscherInnen zu nähern, sich bei ihnen einzuhaken und in einem gemeinsamen Rhythmus durch die Gasse zu gehen. Militärisch kraftvoll hallen die Tritte von den engen Häuserfronten wider, Passan-tInnen bleiben stehen und betrachten den Umzug ratlos. Was soll das? Wofür

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wird hier demonstriert? Es entsteht ein Moment der Irritation gegenüber dem Raum, der sich durch die optische und akustische Intervention verändert hat. Der Spalenberg ist für eine kurze Zeit nicht mehr das charmante, verschlafene Einkaufsgässchen, in welchem man sich selbst an den belebtesten Ta-gen etwas einsam fühlt, sondern der Laufsteg einer potenziell gewaltigen Truppe. Die laut marschierende Gruppierung nimmt den Raum in Beschlag, drängt die Passanten an den Rand, und plötzlich wirkt die Gasse schmal. Erinnerungen an den Basler Morgenstraich werden wach oder an einen Soldatentrupp, der nach einem Defilee zurück zur Kaserne marschiert. Jeder ist mitten drin und Teil davon und verursacht damit auch diese Veränderung.

Im weiteren Verlauf des Radio-geführten Stadtspa-ziergangs werden die FlaneurInnen aufgefordert, verschiedene solitäre Untersuchungen zum Akt des Gehens zu machen. Erneut verändert sich dadurch die Szenografie, die Gasse ist nun Labor und Unter-suchungsgegenstand zugleich. Während des Gehens werden schon begangene Orte – die Orte der Vergan-genheit – zu einem Netzwerk verknüpft, in dem auch künftige Orte vorhanden sein könnten. Das Erleben dieses Raums lässt erfahren, wie Vergangenheit durch

den jetzigen Moment in eine Zukunft hinein fließt. Ein Raum aus zeitlichen und sozialen Koordinaten spannt sich auf. Geführt und begleitet von der Stimme aus dem Radio, werden die Körper der Flaneure, werden ihre Bewegungen zum Messinstrument für diese Raum Zeit Erfahrung.

In den letzten fünf bis zehn Jahren haben auch die Performances staatlich geförderter Theater im Stadt-raum stark zugenommen, fast jedes hat mittlerweile sein eigenes „Stadt-Projekt“. Bei diesen Projekten liegt mein Fokus besonders darauf, wie genau der städtische Raum genutzt wird. Bei „La Traviata im Hauptbahnhof“ des Opernhauses Zürich (2008) wurde der Bahnhof als Bühnenbild für die Operninszenie-rung für eine Fernsehübertragung genutzt. Obwohl sogar Räume zugunsten der Fernsehübertragung von der alltäglichen Nutzung ausgeschlossen wurden, werden die 15 Kilometer Kabel und 151 Mikrofone den Hauptbahnhof dennoch sehr spezifisch verändert haben – auch wenn die alltäglichen NutzerInnen nicht als AdressatInnen der Opernaufführung geplant gewe-sen sind. Ziel war es, eine ätherische Bühne mitten im Alltag einer Bahnstation zu schaffen, die bruchlos als Realität einer Opernproduktion genutzt werden sollte, die in einer Bahnstation verortet wurde.TH

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„Walking the City“ – in der künstlerischen Intervention ist die/der ZuhörerIn Teil der Veränderung.

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wird durch die Interaktion mit den Menschen auf der Straße – dies initiiert nicht nur einen Prozess der Nutzung des öffentlichen Raums, sondern auch den der Produktion eines öffentlichen Raums.

Gestaltung des ÖffentlichenWie soll es möglich sein, etwas Öffentliches oder gar das Öffentliche zu gestalten, wo das Öffentliche doch gar nicht existiert? Wie können wir auf die Idee kom-men, dass ein/e PerformerIn oder SchauspielerIn wirk-lich das Öffentliche in dem Sinne gestaltet, das es in einer bestimmten Art nach Wunsch eine/r KünstlerIn konstruiert und geformt werden könnte? Insbeson-dere, wenn unser Kunstkonzept auf der Annahme basiert, dass für eine Produktion einer Erfahrung, die sich „Kunst“ nennt, die Arbeit der/des KünstlerIn nur einen Teil darstellt, während der zweite sehr wichti-ge und komplexe Teil der Empfänger der Kunst ist. Diesem Gedanken folgend, führt die Frage, wie das Öffentliche gestaltet werden kann, in eine Sackgasse. Daher wird der Fokus sich eher darauf richten, was das die Qualitäten dieser Öffenltichkeiten sein könn-ten. Der öffentliche Raum wird in Kooperation mit den NutzerInnen durch performative und dialogische Instrumente produziert und konstruiert. In ähnlicher Weise kann die Öffentlichkeit (Publikum) als lebendi-ges und flüssiges Phänomen verstanden werden, das genauso permanent durch KünstlerInnen, ihre Kunst-werke und deren BetrachterInnen ko-konstruiert wird, wie die Kunst(-erfahrung) selber eine Ko-Produktion dieser Trias ist.

Der Text wurde erstellt von Yvonne Fietz auf Grundlage folgender Texte: Schipper, Imanuel and Dangel, Johanna: Designing the Public, in: content.associates (Eds.) URBANITYThe Discreet Symptoms of Privatization and the Loss of Urbanity, S. 226.Schipper, Imanuel: City as Performnace, in: The Drama Review, Volume 58, Number 3, 2014 (T223), S. 18-26.Schipper, Imanuel: Nicht aus Stein und Eisen, in: Hrsg. Pro Helvetia: passagen, Erlebnis Raum – Der Siegeszug der Szenografie, Ausgabe 02/2014, S. 27-28.

Ganz anders gehen die KuratorInnen Lola Arias und Stefan Kaegi in „Ciudades Paralelas“ vor. Das zehntä-gige Mini-Festival gastierte in verschiedenen Städten: acht halböffentliche Räume und Gebäude wurden in unterschiedlicher Weise durch verschiedene Künst-lerInnen inszeniert. Die einzelnen Produktionen beinhalteten Führungen, kollektive Choreografien, Konzerte und performative Installationen. Die Besu-cherInnen mussten bei den kooperierenden Theatern Tickets kaufen und erhielten dort die genaue Adresse der Events. Die Züricher Version enthielt die Inszenie-rung eines Apartment-Gebäudes vom Bühnenbildner und Regisseur Dominic Huber, der Titel „Prime Time“ bezieht sich auf die Abendzeit, in der typischerweise viele Menschen fernsehen und in der das beste Pro-gramm ausgestrahlt wird. Wer nicht mit der Umge-bung und der Inszenierung vertraut war, konnte die Performance in ihrer Komplexität nicht wahrnehmen, weil man nur von einem ganz bestimmten Punkt aus den entsprechenden Blick auf die Szenerie hatte. Das Äußere des Gebäudes blieb unberührt, in den Apart-ments gab es geringfügige Veränderungen. Huber arbeitete mit farbigem Theaterlicht von innen, sodass die BesucherInnen auf ein „tableau vivant“ schauten. Die SchauspielerInnen waren die BewohnerInnen der Apartments, ihre Handlungen waren alltägliche wie z.B. am Fenster oder auf dem Balkon stehen, am Klavier spielen etc. Manchmal standen sie auch am Fenster und schauten auf die BesucherInnen auf der Straße – so wurden auch die ZuschauerInnen selbst zu SchauspielerInnen. Die Tonspur der Perfomance war eine Mischung aus Live-Geräuschen aus den Apartments, vorproduzierten und bearbeiteten Inter-views mit den MieterInnen über ihr Leben. Daraus ergab sich eine multi-sourced-Tonspur verschiedener Orte (innerhalb der Apartments und die Orte der In-terviews) und Zeiten (Jetzt und später) wodurch sich Nähe und Distanz im Kontext eines gegenwärtigen Settings überlagert – die Bühne selbst: das Apart-ment-Gebäude, die Fenster und die BewohnerInnen.

So wie „La Traviata im Hauptbahnhof“ trennt auch „Prime Time“ klar und offensichtlich zwischen dem Raum, in dem die Performance stattfindet und dem Raum von dem aus die Performance angesehen wird. Allerdings wurde bei „Prime Time“ der städtische Raum nicht als Bühnenbild, sondern eher als spezifi-sches Gebäude genutzt, das selbst zur Bühne wurde. So wie das private Leben in den Apartments, ob-gleich inszeniert, öffentlich gemacht wird, beeinflusst

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In der Stadtteilkultur werden mit zunehmender Häu-figkeit theatrale Interventionen von Künstlergrup-

pen oder Institutionen genutzt, um auf bestimmte Themen aufmerksam zu machen. Ziel ist es beispiels-weise, zum Nachdenken anzuregen oder gar Verhal-tensweisen von Anwohnern sowie Anwohnerinnen in den Stadtteilen zu beeinflussen. Beim 15. Hamburger Ratschlag Stadtteilkultur ermöglichte es der Landes-rat für Stadtteilkultur der Kulturbehörde Hamburg in- teressierten Institutionen, sich über diese relativ junge Art der Projektform auszutauschen. Anreize und eigene Erfahrungen mit Interventionen vermittelte Imanuel Schipper, Lehrender der Züricher Hochschule der Künste, zusammen mit Matthias Quabbe, Dra-maturg im K3 – Zentrum für Choreographie sowie Tanzplan Hamburg. Beide referierten in dem Work-shop über „Urbane Öffentlichkeiten und performative Künste: Wirkungsweisen theatraler Interventionen“. Unter Interventionen wird die Einmischung in ein Geschehen verstanden. Die Absichten können schlich-tend und vermittelnd sein, jedoch auch protestierend und Einspruch erhebend. Welche Gesichtspunkte gilt es, bei Interventionen zu beachten? Was genau wird unter einer theatralen Intervention verstanden?

Bei der Planung von Interventionen ist neben dem Ziel die Frage nach der Aktivierung von Bedeutung. Wer soll mit der Intervention angesprochen, zum Nachdenken angeregt und schließlich aktiv werden? Zu welchem Handeln soll die Person bewegt werden? Wie kann dieses Handeln durch die Intervention ini-tiiert werden? Um andere Menschen aktiv werden zu lassen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Interven-tionen beeinflussen in erster Linie die Wahrnehmung. Die gewohnten sinnlichen Eindrücke von der Umge-bung können irritiert werden, indem plötzlich neue Objekte im Raum erscheinen. Diese können beispiels-weise keinen Zusammenhang mit ihrer Umgebung haben und deshalb deplatziert wirken. Auf die erste Irritation folgt eine Transformation der Umgebung durch die Objekte. Sie können von anderen Anwoh-nerInnen umfunktioniert werden, wodurch die Objek-te einen neuen Sinn in ihrer Umgebung bekommen und schließlich integriert werden. Die Wahrnehmung wird verändert. Der neu geschulte Blick der einzelnen Person kann nun auch auf andere städtische Räume übertragen werden.

Diskussionsprotokoll: Urbane Öffentlichkeiten und performative Künste

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Diese geschehene interventionistische Verwandlung sorgt für eine narrative Überschreibung der räumli-chen Bedeutung. Als konkretes Beispiel nennt Schip-per eine künstlerische Intervention von knowbotiq, bei der ein schottischer Tarnanzug zum Anziehen im öffentlichen Raum bereit gestellt wurde. Während einer den Anzug trug und normale Handlungen in der Stadt ausführte, fotografierte der andere die bizarr wirkende Figur. Der Tarnanzug wirkte irritierend und deplatziert auf den Straßen. Der ursprüngliche Ge-danke der Erfindung des Tarnanzugs ist, eine Person in der Umgebung verschwinden zu lassen. Auf der Stadtbühne fiel der Tarnanzug hingegen sehr auf, ließ aber zugleich die Person, die ihn trug, getarnt. Durch diese Narration veränderte sich der städtische Kontext für diejenigen, die das Schauspiel miterlebt haben. Ebenso veränderten sich die ZuschauerInnen ein Stück weit. Die Wirkungskraft von Interventionen übt sich auf die eigene Person in variierenden Stär-ken aus. Einigen bleibt der Anblick des Tarnanzuges in einer bestimmten Umgebung in Erinnerung. Andere wiederum werden selbst zum Handeln angeregt und wiederholen die Intervention mit einer eigenen Note.

Neben den geplanten Wirkungen nach einer Inter-vention können, so Schipper, bereits im Projektver-lauf ungeahnte Nebeneffekte auftreten. Wie stark der Einfluss auf das Projekt ist, ist von Situation zu Situation unterschiedlich. Ebenso wird erst im Verlauf deutlich, ob es sich um positive oder negative Ne-beneffekte handelt. Bei einer Theaterinszenierung in einem Wohnhaus („Prime Time“ von Dominic Huber, siehe oben) erklärten sich einige Parteien bereit, zu einer bestimmten Uhrzeit ihre Vorhänge zu öffnen und einen bestimmten Bewegungsablauf durchzu-führen. Das Theaterstück konnten Passanten und Passantinnen von der gegenüberliegenden Straßen-seite aus beobachten. Die Aufführung wurde regel-mäßig über einen festgelegten Zeitraum wiederholt aufgeführt. Durch die Aktivierung von verschiedenen Wohnparteien lernten diese einander genauer ken-nen. Schließlich führten sie gemeinsam, obwohl sie räumlich getrennt waren, ein Theaterstück auf. Eben-so begeisterte die Aufführung ein stetig wachsendes Publikum. Was den Interventionisten und Interven-tionistinnen nicht bekannt war: Ein Anwohner auf

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der Publikumsstraßenseite besaß einen Weinhandel. Aufgrund der regelmäßig wiederkehrenden Gruppen begann er, Wein aus seinem Fenster heraus zu ver-kaufen. Nach wenigen Aufführungen standen Stühle und Tische vor der Wohnung des Weinhändlers bereit, sodass der Eindruck eines kleinen Cafés entstand. Die Kinder aus der Nachbarschaft begannen, das Theaterpublikum für ihre eigene Show auf der Straße zu nutzen. Sie fuhren nun Radrennen und badeten im Applaus des Theaterstücks. In der vorher ruhig gelegenen Straße entstand zum Abend hin durch das Theaterstück ein ungewohntes Treiben. Angestamm-te Ladenbesitzer bemerkten dies und passten ihre Ladenöffnungszeiten den Aufführungszeiten an. Noch Wochen nach dem Ende der Intervention blieben die Öffnungszeiten verlängert. An diesem Beispiel zeigt sich, dass von einer Grundintention ausgehend, viele weitere ungeahnte Ereignisse stattfinden können. Zudem lässt sich eine weitere Wirkungsfrage von Interventionen aufzeigen. Wie nachhaltig ist das Pro-jekt? Veränderten sich die Aktivität und das Handeln lediglich während der Interventionsphase? Wie lange können diese Veränderungen nach Beendigung des Projekts anhalten?Alle bisher aufgezeigten Interventionsbeispiele haben eine Gemeinsamkeit: Sie finden im städtischen Raum statt. Der Hintergrundgedanke dieses Aspekts ist simpel und leicht übersehbar. Kultur ist ein Teil der Stadt. Aus diesem Grund entstand das Bedürfnis der

kreativ Schaffenden, aus dem geschlossenen Haus in den öffentlichen Stadtteil zu gehen. Inspiriert wurden sie von bekannten literarischen Stücken wie „Ödipus“ oder Werken William Shakespeares wie „Hamlet“ oder „Romeo und Julia“. Dort galt das Straßenbild als erstes Bühnenbild der frühen Theaterstücke. Die Stadtteile sollten nun wieder zur Schaubühne wer-den. Die Kultur begann das Theaterhaus zu verlassen und überwand somit das architektonische Element der „vierten Wand“, wie es im Fachjargon des The-aters heißt. Eine Öffnung, eine Neuorientierung der Institutionen begann. Kultur wurde nun im öffentli-chen Raum produziert und produzierte selbst einen öffentlichen Raum.

Neben dem Begriff des öffentlichen Raums sprach Schipper ebenfalls über die Bezeichnungen „Nicht-Or-te“ im Gegensatz zu „Orte“ gesprochen. Diese Begrif-fe stammen von Marc Augé. Mit Nicht-Orten werden vor allem Transit- und Durchgangsorte bezeichnet, für die eine kurze Aufenthaltsdauer gilt. Ein solcher Züricher Transitort wurde mit Literatur von verschie-denen AutorInnen aktiv bespielt. Die Texte sorgten für eine Verlangsamung der Passierenden und führten teilweise zu Stauungen. In diesem Fall wurde die Aufenthaltsdauer verlängert, indem der Nicht-Ort eine spezielle Qualität gewann. Welcher Art kann diese Qualität sein? In welchem Maße kann sie für die jeweiligen Interventionen bewertet werden? In dem

In dem Projekt „Situation Rooms“ (Rimini Protokoll) wird die/der ZuschauerIn durch Verdoppelung der Wirklichkeit zum Kriegsakteur.

Foto: Jörg Baumann

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Raum produzieren, der für die Menschen gemacht ist und nicht für Konsum. An dieser Stelle verweisen die Referenten auf das „Recht auf Stadt“. Ursprünglich wurde es von Henri Lefebvre formuliert, als ein Recht auf neu gestaltetes urbanes Leben in Städten. Mittler-weile vernetzen sich viele soziale Bewegungen unter dem gleichnamigen Motto. Sie möchten die Städte, in denen sie leben, verändern und deren Entwicklungen zum Wohle vieler beeinflussen. Häufig nutzen sie Interventionen, um ihre Vorhaben mit künstlerischen Strategien umzusetzen, meint Schipper und fragt: Was genau kann Kunst in solchen Fällen für den Stadtteil und für die AnwohnerInnen tun? Wie kann sie instrumentalisiert werden? Welche Funktion hat Kunst jenseits von der Instrumentalisierung?

Es gibt keine klaren Grenzen zwischen den Rubriken Kunst und Kultur, den sozialen Aspekten sowie den BewohnerInnen der Stadtteile. Alle Elemente wir-ken in Interventionen. Aus diesem Grund sollen die Projekte transparent für die Nachbarschaft gestaltet werden. Dafür empfehlen Quabbe und Schipper, die Initiative zu ergreifen. Die Interventionen sollen im Alltag sichtbar sein. Es mache zudem Sinn, das Projekt stets in lokalen Zusammenhängen und Ideen zu entwickeln. Sarah Junker

obigen Beispiel brachten die AutorInnen ein Stück Identität an den Nicht-Ort. Es gab für die PassantIn-nen etwas zu entdecken. Sie zeigten Bereitschaft, sich umzuschauen und sich auf die Intervention einzulassen. Der Transitort wurde zu einem Ort im Sinne Augés.

Interventionen werden stets an ihre Umgebung ange-passt. Dies zeigt sich besonders in Großstädten wie Hamburg. Es gibt viele Stadtteile, und jeder hat seine eigenen, besonderen Merkmale und Eigenschaften. Dennoch ergeben alle Stadtteile zusammen die Stadt Hamburg. Hamburg im Ganzen gesehen werden wie-derum andere Erkennungsmerkmale nachgesagt, als sie in den einzelnen Teilen zutreffen. Auf Grundlage dessen werden in Hamburg selbst große Interventio-nen bzw. Events organisiert. Diese haben besondere Themen, mit denen sich die BesucherInnen lediglich in dem Moment der Durchführung auseinandersetzen. Die Stadtteilkultur entspricht jedoch der Alltagskultur. Kleine Interventionen erreichen die Menschen und aktivieren sie. Ihre Reichweite und Nachhaltigkeit ist im alltäglichen Geschehen länger präsent als bei großen Events. Deshalb benötigten solche Inter-ventionen Kontinuität und vor allem gute Ideen, so Quabbe. Ein Ziel der Eventisierung der Städte ist ein ansteigender Konsum. Auf Konsum basieren mittler-weile viele städtische Räume. Kultur und Kulturschaf-fende können auf verschiedene Arten neuen urbanen

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„Prime Time“ in Zürich (2011) von Dominic Huber. Foto: Dominic Huber

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MACH DIR EIN BILD VON DER STADT

Mit stadtteilgeschichten.net entwickelt sich seit vielen Jahren ein einzigartiges Bürgerarchiv der Stadt Hamburg. HM-Jokinen, bildende Künstlerin und Mitglied des Arbeitskreises Hamburg Postkolonial, erforscht den Stadtraum, schält dabei die weitgehend vergessene Kolonialgeschichte Hamburgs heraus und hinterfragt die koloniale Gegenwart unse-rer Stadt. Sie gibt einen Einblick in ihre Projektpraxis und wirft einen kritischen Blick auf das aktuelle Senatspapier „Aufarbeitung des kolonialen Erbes“.

Das Internetportal stadtteilgeschichten.net wurde 2008 ins Leben gerufen und ist ein Bürgerarchiv

zur Alltagsgeschichte, das mittlerweile rund 5.000 private Fotografien, Postkarten, Bücher uvm. von 12 Hamburger Stadtteilen veröffentlicht hat. Das Inter-netportal lädt dazu ein, sich aktiv an der Demokra-tisierung der Hamburger Geschichte zu beteiligen und das Archiv mit ganz persönlichen Geschichte zu einem Objekt oder mit Fotografien, Postkarten, Brie-fen, Filmen, Eintrittskarten u.v.m. aus persönlichem Bestand zu ergänzen. In dem Archiv kann gezielt nach historischen Dokumenten zur Alltagsgeschich-te gesucht oder in den Archiven und Sammlungen gestöbert werden. Außerdem besteht die Möglichkeit, selbst kostenlos eigene historische Dokumente zu veröffentlichen.Bildersammlungen, die die Alltagsgeschichte der Menschen widerspiegeln, gibt es viele im Internet. Nur meist sagt ein Bild eben nicht „mehr als tausend Worte“. Das zum Verständnis der Bilder nötige All-tagswissen existiert nur in den Köpfen der ZeitzeugIn-nen – und stirbt mit ihnen. stadtteilgeschichten.net unterstützt die Menschen dabei, ihre Bilder und ihr Wissen langfristig zu bewahren, mit möglichst vielen Menschen zu teilen und zur freien Nachnutzung zur Verfügung zu stellen. Damit dies gelingt, ist die Quali-tät der Veröffentlichungen auf stadtteilgeschichten.net eine wichtige Voraussetzung für deren Nachhaltigkeit.

Denn nur wenn die Bilder in ausreichender Qualität digitalisiert werden, können zukünftige Besuche-rInnen von stadtteilgeschichten.net auf den Scans wichtige Details erkennen und somit möglicherweise weitere Informationen zum Bildinhalt beitragen. Die gute Qualität ermöglicht es den BesucherInnen auch, die Bilder im Rahmen eigener Projekte zu nutzen. Au-ßerdem ist eine ausreichende Beschreibung der Bilder wichtig, um deren Auffindbarkeit über die seiteninter-ne Suche und Navigation und über Internet-Suchma-schinen zu gewährleisten.Um die digitalen Sammelstücke in guter Qualität und ausreichender Beschreibung zu halten, stellt stadtteil-geschichten.net interessierten BürgerInnen Handrei-chungen zur Digitalisierung und Veröffentlichung von historischen Materialien zur Verfügung und veranstal-ten auf Wunsch Schulungen zu diesen Themen.stadtteilgeschichten.net stellt eine Plattform zur Verfügung, auf der BürgerInnen mit Tipps durch den Veröffentlichungsprozess begleitet werden und auf der eine Redaktion die professionelle Verschlagwor-tung übernimmt.

Zukünftig soll stadtteilgeschichten.net dahingehend weiterentwickelt werden, dass die BesucherInnen ihre Veröffentlichungen mithilfe von Crowdsourcing noch einfacher mit eigenen Informationen anreichern können.

Joachim Räth

Das Bürgerarchiv zur Alltagsgeschichte

Das Projekt stadtteilgeschichten.net sammelt und präsentiert ein digitales Bürgerarchiv zur Alltagsgeschichte im Internet – der konsequente Transfer der partizipativen „Geschichtsschreibung“ ins digitale Zeitalter. Joachim Räth stellt in sei-nem Beitrag die verschiedenen Möglichkeiten der Nutzung und Teilhabe des Bürgerarchivs vor und erläutert den Begriff des „Crowdsourcings“.

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ENstadtteilgeschichten.net kooperiert mit dem Gemein-samen Bibliotheksverbund (GBV) und den Portalen HamburgWissen Digital, efoto Hamburg und Europe-ana, um die Veröffentlichungen langfristig über das Internet verfügbar zu halten. Das Projekt hat einen gemeinnützigen Trägerverein und ist rein ehrenamt-lich organisiert.

CrowdsourcingCrowdsourcing bezeichnet die Auslagerung traditio-nell interner Teilaufgaben an eine Gruppe freiwilliger NutzerInnen. Der Begriff wurde im Jahr 2006 von Jeff Howe in seinem Artikel „The Rise of Crowdsourcing“ aus den Begriffen des Outsourcing, der Auslagerung von Unternehmensaufgaben und -strukturen an Drittunternehmen, und der Crowd gebildet (Howe, Jeff (14.06.2006): The Rise of Crowdsourcing. In:WIRED Magazine Issue 14.06.). Zwei Jahre zuvor, 2004, hatte James Surowiecki sein Buch „The Wisdom of Crowds: Why the Many Are Smarter Than the Few and How Collective Wisdom Shapes Business, Economies, So-cieties and Nations“ veröffentlicht. Bei genauerer Be-trachtung erweisen sich viele sog. Crowdsourcing-Pro-jekte jedoch als eine von zwei Verlaufsformen: das Communitysourcing und das Nichesourcing.Crowdsourcing könnte zukünftig auch eine Funktion bei der historisch-fachwissenschaftlichen Erschlie-ßung von Sammlungsgut erhalten. Die traditionelle Erschließung von Sammlungsgut durch dafür ausge-bildete oder geschulte Informationsspezialisten in Bibliotheken, Archiven und Museen hat eine lange Tradition und ein hohes theoretisches Niveau. In der Praxis zeigt sich jedoch insbesondere unter dem Dik-tat des Sparzwangs öffentlicher Haushalte im Kultur-bereich seit Jahren ein Auseinandertreten des perso-nell Machbaren und des sachlich Gebotenen. Immer weniger MitarbeiterInnen von Kulturerbe-Institutionen müssen wachsende Mengen an historisch-fachwissen-schaftlichen Informationen erschließen. Hinzu kommt eine zunehmende Anspruchshaltung aufseiten der NutzerInnen: Interne und externe NutzerInnen von Informationsdienstleistungen verlangen – analog zur Google-Bildersuche – heutzutage nach einer Tiefener-schließung von Sammlungsbeständen auf Objekt- ebene.Eine Einzelerschließung inklusive der notwendigen Erstellung digitaler Kopien ist allein vom zeitlichen Umfang her in zunehmendem Maße nicht mehr allein von den dafür ausgebildeten Informationsspezialisten in Bibliotheken, Archiven und Museen zu leisten.

Darüber hinaus haben die inhaltlichen Anforderungen an das Erschließungswissen in den letzten Jahren zwei Erweiterungen erfahren: Zum einen änderten sich Sammlungsprofile und Kriterien, unter denen Sammlungsgut in Bibliotheken, Archiven und Museen „befragt“ wird, von Fragen der AutorInnenschaft, der Produktionsweise und der Intention hin zu Fragen der Kontextualität, Bedeutung und Wirkung. Zum ande-ren erweiterte sich der AdressatInnenkreis solcher Erschließung von FachwissenschaftlerInnen hin zum interessierten LaiInnen. Beide Entwicklungen führ-ten dazu, dass völlig neue Ansprüche an die in der Erschließung zu dokumentierenden Wissensbestände der InformationsexpertInnen in Bibliotheken, Archiven und Museen gestellt werden. Stützte sich die traditi-onelle Erschließung noch auf das in der Ausbildung erworbenen Fachwissen der Informationsspezialis-tInnen, ergänzt durch schriftliche Quellen, so sind nunmehr Wissensbestände im Erschließungsprozess gefragt, die sich in ihrer Spezialität und Komplexität entweder nicht mehr kurzfristig aneignen lassen oder nie eine Verschriftlichung erfahren haben.Zwei Beispiele: Bei der Erschließung eines Bildbe-standes der Swissair durch die ETH Zürich war es das jahrzehntelange Erfahrungswissen von Pensionären des Unternehmens, das in den Erschließungsprozess einfloss und die InformationsexpertInnen unterstütz-te. Bei stadtteilgeschichten.net ist es das unver-schriftlichte Alltagswissen von ZeitzeugInnen, dass die inhaltliche Erschließung der Bilder häufig über-haupt erst ermöglicht.Doch nicht nur die quantitativen und qualitativen Anforderungen an die historisch-fachwissenschaftliche Erschließung sind gewachsen. Erfreulicherweise bietet auch der Erschließungsprozess aufgrund neuer Tech-nologien neue Möglichkeiten, diesen gestiegenen Anforderungen zu entsprechen.Wo früher die Veröffentlichung im Druck das grund-sätzliche Ende des Erschließungsprozesses darstellte und damit einen ultimativen Qualitätsanspruch an diesen begründete, steht heute die Veröffentlichung im Internet am Anfang eines objektbezogenen Diskur-ses, der unter den richtigen Voraussetzungen auch den Erschließungsprozess fortführen, vertiefen und verbessern kann.Kommen wir nun zu den Voraussetzungen für eine solche erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Infor-mationsexpertInnen und LaienexpertInnen bei der Erschließung von Sammlungsgut.

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Schon seit dem 17. Jahrhundert gründeten hanse-atische Kaufleute Niederlassungen in Übersee,

um interkontinental mit Rohstoffen und SklavInnen zu handeln. Viele dieser „Faktoreien“, vor allem in Afrika, wurden im 19. Jahrhundert zu kolonialen Stützpunkten des Deutschen Reiches, das die bean-spruchten Gebiete im Ersten Weltkrieg wieder verlor. Der Hamburger Hafen war Drehscheibe des deutschen Kolonialismus, dennoch gibt es kaum eine kritische, öffentliche Reflektion über die koloniale Erblast. Hamburger Kaufleute und Reeder waren also Wegebe-reiter und starke Lobbyisten des deutschen Kolonia-lismus. Der Kaufmann Adolph Woermann selbst hat Bismarck maßgeblich dazu bewogen, Deutschland zur Kolonialmacht zu erklären. Im Stadtbild sind daher zahlreiche Zeugnisse der Kolonialzeit erhalten, die aufmerksame StadterkunderInnen aufspüren können: viele Straßennamen sind nach damaligen Kolonialis-ten und kolonial beherrschten Gebieten benannt1, Eh-renmäler, Wohn- und Kontorhäuser mit entsprechend exotischen Fassadenmotiven und Speicher, in denen „Kolonialwaren“ umgeschlagen wurden.

Die Kolonialgeschichte belastet noch heute die Beziehungen zwischen Hamburg und den afrikani-schen Staaten wie deren StaatsbürgerInnen. Denn bis heute sind die in Denkmälern, Gebäuden und Straßennamen konservierten imperiale Ansprüche der Kolonialzeit auf Menschen und Naturreichtümer nicht reflektiert und in ein zeitgemäßes Verständnis und einen entsprechenden Umgang transformiert. Erst im kulturellen Austausch mit anderen Ländern, in künstlerischen Kooperationen kann Versöhnung und Völkerverständigung praktiziert und verbrei-tet werden. Eine Möglichkeit ist es, künstlerische

Yvonne Fietz

Kunst- und Stadtraumforschung auf kolonialen Spuren

Dieser Beitrag zeigt anhand einiger Projekte der Künstlerin HMJokinen die vergessene und verdrängte Kolonial- geschichte Hamburgs auf. Als Bildende Künstlerin und Spurensammlerin erforscht sie den Stadtraum, schält dabei Stück für Stück die weitgehend vergessene und verdrängte Kolonialgeschichte Hamburgs heraus und hinterfragt die koloniale Gegenwart unserer Stadt. Dabei gilt es, den Stadtraum zu dekolonisieren und neue Formen für transkulturelles Erinnern zu finden. Gemeinsam mit den Selbstorganisationen Schwarzer und afrikanischer Menschen, mit People of Colour und mit postkolonialen Initiativen werden u.a. performative Stadtrundgänge durchgeführt. Ihre Arbeit beinhaltet beteiligende Kunst im öffentlichen Raum, Ausstellungskuratorium, Publikationen und auch Projekte zwischen Ghana/Tansania und Hamburg. Der folgende Beitrag bietet einen Einblick in konzeptionelle Ansätze der De-Kolonialisierung und die Projekt-praxis von HMJokinen.

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Interventionen im öffentlichen Raum zu initiieren, um damit neue Spuren zu hinterlassen und Zeichen zu setzen gegen Erinnerungspraktiken, die nur einen Teil der Kolonialgeschichte vermitteln, die Schattenseiten der Unterdrückung und Ausbeutung jedoch verschwei-gen. Es besteht gerade vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse eine gesellschaftliche Notwendigkeit der historischen Aufarbeitung, um immer wieder neue Erinnerungsspeicher für das kollektive Gedächtnis zu ermöglichen.

Vom Umgang mit ungeliebten DenkmälernKolonialdenkmäler repräsentieren und transportieren Mythen und Legenden kolonialer Praktiken. Obwohl neuere Forschungsergebnisse belegen, wie gewalt-tätig und rassistisch die Kolonialzeit geprägt war und dass in den deutschen Kolonialkriegen Hundert-tausende starben, wird diese Epoche von „Traditi-onsverbänden“ bis zum heutigen Tag romantisiert und verherrlicht. Kolonialdenkmäler kommen dabei zuweilen gar zu neuen Ehren. Wie können wir solchen Mythen begegnen? Wie können wir konkret mythische Antithesen schaffen?

Es gibt verschiedene Versuche, mit ungeliebten Denk-mälern umzugehen. Sie sind eingeschmolzen, zerstört oder in Kellern verbannt worden. Das Abstimmungs-ergebnis des Projekts afrika-hamburg.de zeigt jedoch, dass 95 Prozent der 5669 beteiligten Menschen der Meinung sind, dass solche Denkmäler sichtbar blei-ben sollten. Es gibt ein Bedürfnis, sich an ihnen zu „reiben“, um sich zu erinnern.

Es können auch Gegendenkmäler errichtet werden, wie in den letzten Jahrzehnten praktiziert. Doch

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es gibt auch hier wenige gelungene Beispiele. Ein probates Mittel ist die reflektierte Dekonstruktion / Neukontextualisierung solcher Standbilder, die Entzifferung ihrer tradierten Inhalte, um gegenwärtige Kontexte herzustellen. Damit werden die Monumente ihrer ursprünglichen, vermeintlich für alle Ewigkeit festgegossenen Botschaft entkleidet. Sie verändern sich und bieten Raum für neue Gedanken. Statt un-umstößlich und übermenschlich, unabänderlich und übermächtig zu erscheinen, werden sie zu prozess-haften Gestalten. Eine Interaktion mit den lebenden Körpern der BetrachterInnen, neue Konfrontationen und künstlerische Situierungen ermöglichen immer wieder veränderte Sichtweisen, die einer zeitgemäßen Auseinandersetzung eher entsprechen als romanti-sierende und verherrlichende Mythen und Legenden kolonialer Praktiken.

In der Politik und der Bevölkerung herrscht nach wie vor viel Unkenntnis über das koloniale Kapitel der Hamburger Stadtgeschichte. Bis heute wird die Kolonialgeschichte in den Schulen nicht gelehrt und in kaum einem Geschichtsbuch über Hamburg kritisch hinterfragt. In den Köpfen wirken (neo)koloniale Muster und Vorurteile nach, die auch Nährboden für

Fremdenhass werden können. In den partizipativen Stadtraumbeforschungs-Kunstprojekten von HMJo-kinen entsteht zusammen mit den Beteiligten eine Gedenkkultur, die beleuchtet, aufklärt und kritische Lernorte schafft. Recherche und Dokumentation, Veröffentlichung und Ausstellung sind dabei ein sich kontinuierlich fortsetzender Prozess, der sich über viele Jahre erstreckt und zu immer neuen Erkennt-nissen und künstlerischen Produktionen führt. Im Folgenden einige Projektbeispiele aus dem Bereich Schulkooperation:

Weiße Flecken der Erinnerung2

Ein Projektbeispiel zur Veranschaulichung, das die Stadtteilschule Eidelstedt in Kooperation mit HMJo-kinen im Rahmen des Programms „Kulturagenten für Kreative Schulen“ (Prozessbegleitung: Kulturagentin Andreja Dominko) umsetzte, ist „Weiße Flecken der Erinnerung“.Die Schulklasse 13c mit dem Profil „Macht der Bilder“ in den Fächern Kunst und Geschichte hat sich auf eine Suche nach verschütteten Spuren der Erinnerung an die Kolonialgeschichte Hamburgs gemacht. Zu-nächst erfolgten in Begleitung der Künstlerin HMJoki-nen erforschende Stadtrundgänge in Hamburgs City PA

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Collage von Sophie aus dem Projekt „Weiße Flecken der Erinnerung“

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und auf dem Friedhof Nienstedten. Im zweiten Schritt kam sie ins Gespräch mit der Klasse über die Koloni-algeschichte Hamburgs und die AkteurInnen des Wi-derstands gegen das koloniale Unrecht. Die Sensibi-lisierung für koloniale Bilder und ihre Dekonstruktion bildete einen weiteren Schwerpunkt im Unterricht. Die Künstlerin Annika Unterburg führte in die Theorie und Kunstgeschichte von Forschungsbüchern ein. Mit dem Geschichtslehrer Peter Hoffmann wurde die Kolonialgeschichte im Unterricht fokussiert. Aus die-sen Impulsen heraus entstanden im Kunstunterricht Kunstbücher, in denen die SchülerInnen Bilder von kolonialen Beziehungen reflektieren und dekonstru-ieren.

Die Kunstbücher wurden im Bürgerhaus Eidelstedt und in der Kulturfabrik Kampnagel im Rahmen des Young Star Festivals präsentiert. Sie wanderten mit der Ausstellung „freedom roads!“, die im Jahr 2013 im Kunsthaus Hamburg und im Münchner Stadtmuseum gezeigt wurde.

Harburg Postkolonial3

Unter dem Titel „Indigo und Zucker, Palmöl und Kautschuk – Harburg Postkolonial“ führte die Künstle-rin HMJokinen im Jahr 2014 ein Projekt mit einer 7. Klasse der Goethe Schule Harburg um. In einer Pro-jektwoche unternahmen die Jugendlichen Rundgänge, lernten die Methodik künstlerischer Performances im Stadtraum kennen und begaben sich schließlich selbst an ausgewählten Orte auf postkoloniale Spu-rensuche. Beim Rundgang „Füllhorn und Panzerkor-vette“ lernten sie die die historischen und heutigen Zeichen der Spuren der Kolonialmetropole in Ham-burgs City kennen, die auf überseeischen Handelsbe-ziehungen verweisen, zu lesen und zu deuten. In ei-nem zweiten Schritt erfuhren die SchülerInnen bei der Tour Wandsbek World White Revisited auf den Spuren des Wandsbeker Sklavenhändlers Schimmelmann die Methodik der künstlerischen Performance. Dann wurde der eigene Stadtteil Harburg untersucht. Dort fanden die SchülerInnen vielfältige koloniale Spuren über Jahrhunderte hinweg. Die SchülerInnen wählten im historischen Zentrum Harburgs vier Orte für ihre Performances: Bornemannsche Blaufärberei (Indigo), „Kaufhaus“ Bode & Kroos (Kolonialwaren en gros, Zuckersiederei), Thörl’s Vereinigte Harburger Oelfabrik Aktiengesellschaft (Palm- und Kokosöl) und Harbur-ger Salpeterfabrik Francke & Eger (Salpeter aus Chile,

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ENspäter Palmspeicher). Einen zentralen Bestandteil der Arbeiten bildeten die Geschichte des Widerstands und die Stimmen der Menschen, die gegen das kolo-niale Unrecht aufstanden. In Kleingruppen wurden die vier Performances mit Zitaten und eigenen Texten, mit Requisiten, Projektionen und Bühnenbild konzipiert und intensiv geprobt, dann sowohl im Stadtraum als auch vor Publikum in der Schule aufgeführt.

Die Prinzipien der De-Kolonialisierung• Aus den historischen Erfahrungen lernen, um in

Zukunft mit den afrikanischen Ländern zu koope-rieren.

• Das beinahe vergessene Kapitel der Hamburger Stadtgeschichte sichtbar zu machen, zu dekon- struieren und durch Neukontextualisierung aktuel-len rassistischen sowie etwaigen kolonialromanti-sierenden Tendenzen entgegenzutreten.

• Die Gebäude, Straßennamen, Bildzeugnisse, Denk- mäler usw. kolonialen Ursprungs zu reflektieren

und entsprechend im öffentlichen Raum zu kom-mentieren.

• Kolonialdenkmäler zur Diskussion zu stellen und kritische Lernorte schaffen.

• Die Kolonialgeschichte Hamburgs erforschen und lehren.

• Mit afrikanischen WissenschaftlerInnen und Künst-lerInnen kooperieren.

Weiterführende Links:www.hamburg-postkolonial.dehttps://hhpostkolonial.wordpress.com/http://www.afrika-hamburg.dehttp://www.freedom-roads.de/frrd/staedte.htm (Straßennamen mit kolonialem Bezug)

Quellen:

1 http://www.afrika-hamburg.de/parkd.k.html und

http://www.afrika-hamburg.de/stadtgeschichte.html

2 http://www.afrika-hamburg.de/eidelstedt.html

3 http://www.afrika-hamburg.de/harburg.html

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Diskussionsprotokoll: Mach dir ein Bild von der Stadt!

Margret Markert von der Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg moderiert die Gruppe und stellt

Thema und Rahmen vor. Sie bezieht sich dabei auf Anregungen und Zitate aus dem 2013 erschienenen Buch „Das Neue Unbehagen in der Erinnerungskultur“ von Aleida Assmann.Der erste kurze Impulsvortrag kommt von Joachim Räth von stadtteilgeschichten.net, der das Prinzip der Archivierung, der Partizipation (Sharing/Austausch/Beteiligung) und des Publizierens auf der Plattform seines Vereins sowie das Projekt eFoto (eCulture Agenda 2020, Hamburger Kulturbehörde) vorstellt. Eine erste Diskussion über Persönlichkeitsrechte wird angestoßen.Ein weiterer, wesentlich umfangreicherer Vortrag von HMJokinen zeigt anhand von Bildmaterial aus mehreren Projekten zum Thema „Postkoloniale Erinnerungskultur“, wie künstlerisch mit kolonialen Spuren im öffentlichen Raum umgegangen werden kann: Dekonstruktion und Transformation etwa von Denkmälern durch Intervention, Umbau, Verkleidung, Neuverortung und Perspektivwechsel. Die Beispiele kommen vorwiegend aus Hamburger Projekten der vergangenen zehn Jahre.

Dabei tauchte nicht nur die Fragestellung auf, wie wir – die postkolonialen weißen Deutschen – mit unserer Kolonialgeschichte und ihren Spuren für uns selbst umgehen, sondern vor allem auch, wie wir diese vor migrantisch-diasporischen Communities oder aus außereuropäischen Ländern zugezogenen MigrantIn-nen verantworten können. Die dargestellten Aktionen reichen von Umbenennungen von Straßennamen bis hin zu Demontage und künstlerischer Umgestaltung von Denkmälern und Erinnerungsorten und individu-eller Neukartierung der städtischen Räume.

Die anschließende Diskussion zu beiden Impulsvor-trägen beginnt mit Fragen wie:• Wer liefert welche Inhalte… und auch: wer liefert

keine Inhalte?• Wie wird diasporische und migrantische Geschichte

abgebildet… und wie beteiligt man Communities und MigrantIinnen?

• Und wie kriegt man sie überhaupt in Geschichts-werkstätten?

Erste Ansätze von Antworten werden formuliert: durch Anwendung ihrer eigenen Methoden der Geschichts-darstellung, die sehr wahrscheinlich Gegenentwürfe zur hegemonialen Erinnerungskultur der 1970er-Jahre sein dürften, in der das Selbstverständnis unserer Geschichtswerkstätten definiert wurde: nämlich eurozentristische Studiengänge ohne irgendwelche interkulturellen Ansätze.

Forderungen nach offener Kartierung, Entmytho-logisierung im städtischen Kontext, Partizipation und Präsentation auf offenen digitalen Plattformen (eFoto), nach nicht verordneter Geschichte „von unten“ stehen im Raum. Auch die Erkenntnis, dass die kulturelle, geschichtliche Zusammenarbeit mit Communities und MigrantIinnen nur in einem langen, vertrauensbildenden Prozess möglich sein wird. Das Stichwort „Critical Whiteness“ umschreibt die eigenen unbewussten Vorurteile gegenüber schwarzen Men-schen bzw. Persons of Colour. Wie kolonial ist mein eigener Kopf?!

Die deutsche Kolonialgeschichte wurde zwar 1918 offiziell beendet, jedoch gibt es im deutschen und europäischen Kontext andere Kolonialgeschichten, die noch sehr aktuell sind. Für die Auflösung dieser Strukturen wird ein transgenerationaler Ansatz vonnö-ten sein, denn das Sterben der Zeitzeugen bedeutet nicht das Sterben der Geschichte(n).

Nach der Pause wird in der Diskussion die Frage aufgeworfen, inwieweit der öffentliche Rahmen – der Gesetzgeber, die vorherrschende politische Macht und Meinung, die Einstellung der Massen und der Medien – für diese Prozesse hilfreich oder behindernd sind und so freie Meinungsentfaltung (z.B. im Crowdsour-cing) und deren Bekundung in Form von Meta-Inhal-ten in Annotationen und Kommentaren fördern oder hemmen.

Die Vielfalt von Meinungen ergibt in der Regel ein tragfähiges Gesamtbild. Es wurde diskutiert, ob man Mythen nicht auch „stehen lassen“ kann oder ob die Multiperspektivität womöglich dort aufhört, wo sie nicht mehr verfassungskonform und gar gesetzes-widrig (z.B. durch das Einstellen von rechtsradikalem PA

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Propagandamaterial in partizipativ angelegten Inter-netplattformen) sein könnte? Ist nicht Multiperspek-tivität auch das Bewusstsein für die verschiedenen Stufen des Prozesses von Geschichtserschließung: Archivwissenschaft (sammeln, sortieren, dokumentie-ren) – Geschichtswissenschaft (deuten, vereinfachen, in Beziehung setzen) – Kunst (umdeuten, transformie-ren, transferieren, dekonstruieren).

Geschichte „von unten“ zu betrachten, ist doch bereits ein Perspektivwechsel: nämlich durch Diskur-se, in denen Menschen mit einem partizipatorischen Ansatz Geschichte dekonstruieren. Könnte das Projekt eFoto das leisten? Es stellt sich die Sinnfrage: Wo wollen wir hin mit der Fülle von Bildern? Wir wollen die Menschen ermächtigen, befähigen und ertüchti-gen, die Möglichkeitsräume erweitern, in denen sich Menschen selbst ein Bild machen, ihnen Mittel an die Hand geben, mit denen sie ihre eigene Geschichte und Geschichten dekonstruieren und rekonstruieren können.

Nach einer vertiefenden Darstellung von eFoto durch Joachim Räth taucht die Frage auf: Was passiert, wenn das entstehende Bild nicht dem (politisch) gewünschtem Bild der Stadt entspricht? eFoto birgt riesige Chancen für eine „Geschichtsschreibung von unten“, soll jedoch in erster Linie als Sammlung verstanden werden. Präsentation ja – jedoch sollten Dekonstruktion und Rekonstruk-tion im Rahmen eines Diskurses stattfinden.

Wie kann sich die Redaktion einer solchen Sammlung gegen die Dominanz der Plattformbenutzer schützen? Ziel ist doch eine große Vielfalt ohne „weiße“ oder „blinde Flecken“. Redaktion muss für ande-re „mitdenken“ und darf sich nicht von Masse beeindrucken lassen. Der Historiker als „Trüffelschwein“, Die Demokratisierung mittels eines kartografischen Ansatzes und geschichtlicher Schichtigkeit kann einer Besetzung von Themen durch Meinungsoligopole entgegenwir-ken.

Diese Diskurse könnten anonym geführt werde. Es geht nicht um eine akademisch-universitäre Ermäch-tigung, nicht um Meisterschaft und Qualifikation. Gemeint sind Historiker ohne Lehrstühle. Ist der Historiker eine neutrale Instanz? Wie könnte eine „Road of Conduct“ aussehen? Wo sind die Grenzen? Wo hört Sammeln auf? Einer der Teilnehmer sammelt Postkarten von Völkerschauen, würde diese aber nie im Internet „ausstellen“ – weil entwürdigend. Wie könnten sie trotzdem in den Diskurs eingebracht werden?

Es dämmert zu vieles in der Archiven herum. Schätze heben und nutzen. Transparenz schaffen. Die Archi-ve gehören uns allen. Das Niederländische Reichs-museum hat es vorgemacht: Sie haben ihre Bilder in ganz hoher Auflösung gescannt und diese Bilder frei zugänglich ins Internet gestellt und auf diese Weise die Deutungshoheit zurückgewonnen (wer hat die Deutungshoheit zurückgewonnen? Das Museum? Oder alle, indem niemand eine Deutungshoheit mehr „besitzt“? Sondern nur Diskurse im Umlauf sind?). Denn jetzt können alle aus der gleichen guten Quelle schöpfen … statt zu zufälligen Artefakten zufällige Aussagen zu treffen.Joerg Kilian

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Holger Börgartzleitet seit 2001 das Stadtteilkulturzentrum Eidelstedtedter Bürgerhaus. Dort ist er neben der Geschäftsführung für die Gestaltung des Veranstaltungsprogramms im Erwachsenenbereich verantwortlich. Als ausgebildeter Diplom-Pädagoge ist er über Projekte im Grenzbereich von Kunst und Stadtentwicklung in die Soziokultur gekommen.

Prof. Dr. Cornelie Dietrichist Professorin für Allgemeine Erziehungswissenschaft an der Leuphana Universität Lüneburg. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der kulturell-ästhetischen Bildung, der Päda-gogik der frühen Kindheit sowie der ethnographischen Bildungsforschung.

HMJokinenBildende Künstlerin, Spurensammlerin und Mitglied des Arbeitskreises Hamburg Postkolonial. Ihre Arbeit beinhaltet beteiligende Kunst im öffentlichen Raum, Ausstellungskuratorium, Pub-likationen und auch Projekte zwischen Ghana/Tansania und Hamburg. Sie wird einen Einblick in ihre Projektpraxis geben, ebenso einen kritischen Blick auf das aktuelle Senatspapier „Aufarbeitung des kolonialen Erbes“ werfen.

Marcel PouplierProjektentwickler für QUARTIER gGmbH, Dipl.-Pädagoge; Kultur-/Theaterpädagoge

Matthias QuabbeDramaturg K3 – Choreographisches Zentrum Kampnagel, Studium am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft der Universität Gießen, Forschungsstipendium des Japanischen Kultus-ministeriums an der Tokyo Gaikokugo Universität und der Senshú Universität Kanagawa, zum Studium der Philosophie sowie Forschung über Kabuki, Bunraku und Butoh. Seit 2007 ist er Dramaturg und Produktionsleiter am K3 – Zentrum für Choreographie | Tanzplan Hamburg und dort u.a. verantwortlich für das Residenzprogramm. 2011 war er Mitglied in der Jury Spit-zenförderung Tanz NRW.

Joachim Räth M.A.Magister Artium (M.A.) in Geschichtswissenschaften. Spezialisierung auf Social Media, Crowd-sourcing und Digital Humanities. Seit 2007 Freier Historiker & Archivar. Vorsitzender im Verein stadtteilgeschichten.net. Betreute zuletzt den Social-Media-Auftritt zum Tag der Geschichts-werkstätten Hamburg 2014. Imanuel Schipper studierte Schauspiel, arbeitete als Dramaturg, Künstlerischer Direktor und Kurator u.a. auf Kampnagel, am Ballett Frankfurt, Schauspielhaus Hamburg und am Schauspielhaus Zürich u.a. mit William Forsythe, Rimini Protokoll, Luk Perceval, Andreas Kriegenburg, Ruedi Häu-sermann. Seit 2007 Dozent in diversen Masterprogrammen an der Züricher Hochschule der Künste (ZHdK), der Akademie für Darstellende Künste Ludwigsburg, an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a.M und an der TU Berlin. Daneben weiterhin Tätigkeit als Dramaturg u.a mit Sandra Strunz und Rimini Protokoll, 2009 – 2011 Leiter des Forschungspro-jektes „Sehn-Sucht nach Authentizität“, 2011 – 2013 Leiter des SNF/DORE-Forschungsprojekt „Re/Okkupation – Gestaltung von Öffentlichkeiten im urbanen Raum durch theatrale Inter-ventionen“ am Institut für Theorie (ith) der ZHdK. Mit seinem Label „trans4mator“ organisiert er Tagungen und Forschungen über das Zusammenspiel von Kunst und urbanem Leben (u.a. „reART:theURBAN“, „MY CITY“, „rePLAYCE:the CITY, „performaCITY“).

Dr. Anke Wischmann ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Leuphana Universität Lüneburg am Institut für Bildungswissenschaften. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich der qualitativen Erfor-schung von Lern- und Bildungsprozessen unter Bedingungen sozialer Ungleichheit.R

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Atelier Iris Albrecht, HamburgArmbrust, HamburgRuth Asseyer, NDR Hamburg WelleGesa Becher, GWA St. Pauli, HamburgMartina Behling, QUARTIER gGmbH, BremenClaudia Beißwanger, QUARTIER gGmbH, BremenHilke Berger, HafenCity Universität, HamburgAntje Block, Ros e.V., HamburgHolger Börgartz, Stadtteilkulturzentrum Eidelstedter Bürgerhaus, HamburgHildegard Borngräber, Bezirksamt EimsbüttelMichael Braun, Kulturladen Hamm, HamburgBarbara Buchsteiner, BürgerStiftung, HamburgRalph Busch, Bezirksamt Hamburg-MitteHanna Christian, GWA St. Pauli, HamburgHinrich Dagefoer, DUBE, HamburgNaciye Demirbilek, Werkstatt 3, HamburgNepomuk Derksen, Bunte Kuh e.V., HamburgCharlotte Dieckmann, GWA St. Pauli, HamburgCornelie Dietrich, Leuphana Universität, LüneburgGabriela Dobusch, SPD-Abgeordnetenbüro, HamburgMadeleine Does, GWA St. Pauli, HamburgHeinke Ehlers, HamburgCorinne Eichner, Stadtkultur Hamburg Horst Emmel, VIA e.V., HamburgKirsten Encke, conecco, HamburgLisa Engelien, BRAKULA, HamburgSonja Engler, Zinnschmelze, HamburgThea Eschricht, BSW Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, HamburgAlexa Färber, HafenCity Universität, HamburgJesko Fezer, Hochschule für Bildende Künste, HamburgYvonne Fietz, conecco, HamburgWerner Frömming, Kulturbehörde, HamburgGriet Gäthke, Motte e.V., HamburgThomas Giese, Honigfabrik, HamburgChrista Goetsch, HamburgHans-Hermann Groppe, Hamburger VolkshochschuleAndy Grote, Bezirksamt Hamburg MitteBenedict Grumme, Kultur Palast HamburgClara Hanssen, HamburgChristoph Harwart, Fachschule für Sozialpädagogik, HamburgBernd Haß, Goldbekhaus, HamburgJürgen Havlik, Alles wird schön, HamburgMarianne Heidebruch, GWA St. Pauli, HamburgManfred R. Heinz, HamburgRalf Henningsmeyer, GWA St. Pauli, HamburgUlla Hensel, HamburgSusanne Hericks, GRÜNE Bürgerschaftsfraktion, HamburgJochen Hertrampf, Kulturbüro Bremerhaven, BremerhavenFynn-Morten Heyer, Hochschule für Bildende Künste, HamburgAnnika Hoffmann, Hamburger Volkshochschule, Hamburg

Clemens Hoffmann-Kahre, Motte e.V., HamburgRegine Hoppenrath, HamburgAnnette Huber, literaturkontor, HamburgRegine Hüttl, Goldbekhaus, HamburgDörte Inselmann, Kultur Palast HamburgJade Jacobs, Ros e.V., HamburgHanni Jokinen, HamburgSteffen Jörg, GWA St. Pauli, HamburgSarah Junker, conecco, HamburgUta Keite, Bücherhallen HamburgJoerg Kilian, HamburgBarbara Kisseler, Kulturbehörde HamburgSophia Kleyboldt, Werkstatt 3, HamburgJutta Kodrzynski, Kulturausschuss Hamburg-MitteKlaus Kolb, Kulturhaus Eppendorf, HamburgStefanie Könnecke, HamburgMaria Koser, Stadtteilarchiv Eppendorf, HamburgMeggi Krieger, Goldbekhaus, HamburgJutta Krüger, Lichtwark-Forum Lurup e.V., HamburgMalte C. Krugmann, HamburgDiane Kruse, HamburgElke Kuhlwilm, HamburgBernd Kunze, Offenes Atelier MümmelmannsbergAlexandra Lambsdorff, HamburgUte Laukner, HamburgPetra Lehberger, HamburgHolger Lierl, HamburgHelmuth Lorenzen-Schmidt, HamburgKlaus Lübke, HamburgDumisani Mabaso, DUBE, HamburgMaggi Markert, Honigfabrik, HamburgUwe Martin, QUARTIER gGmbH, BremenSabine Maurer, HamburgThomas Mehlbeer, GRÜNE BürgerschaftsfraktionLiane Melzer, Bezirksamt Altona, HamburgKatja Meybohm, KIKU – Kinderkulturzentrum LohbrüggeChristine Moenck, BRAKULA, HamburgCarlotta Münch, HamburgHanna Münster, HamburgAnne Nowak, conecco, HamburgEva-Maria Oehrens, HamburgKathrin Offen-Klöckner, Stadtteilarchiv OttensenJuliana Oliveira, HamburgChristiane Orhan, Kulturladen St. Georg, HamburgReinhard Otto, Geschichtswerkstatt Barmbek, HamburgJan Pastoors, Kulturhaus Süderelbe e.V., HamburgRonnie M. Peplow, Bezirksamt Hamburg-NordUta Percy, Hamburger SchulmuseumAnna Pilatz, Bezirksamt Hamburg-NordChristian Pohl, HamburgKarin Post, HamburgDorothee Puschmann, Zinnschmelze, HamburgMatthias Quabbe, Tanzplan HamburgPeter Räcker, ARGE Arbeitsgemeinschaft für das Puppen-

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spiel e.V., HamburgKerstin Rasmußen, Stadtteilinitiative Hamm, HamburgJoachim Räth, stadtteilgeschichten.net e.V., HamburgPatricia Renz, musica altona e.V., HamburgAntje Richter, conecco, HamburgThomas Ricken, KIKU – Kinderkulturzentrum LohbrüggeUlrike Ritter, Kulturhof Dulsberg, HamburgVolker Roggenkamp, StadtkulTour, HamburgAndrea Rothaug, RockCity Hamburg e.V., HamburgChristina Röthig, GWA St. Pauli, HamburgGun Röttgers, HamburgLubica Rybanska, Kulturladen St. Georg, HamburgKristina Sassenscheidt, Kulturbehörde HamburgCaroline Sassmannshausen, Hamburgische Kulturstif-tung, HamburgNadine Scheffler, QUARTIER gGmbH, BremenPetra Schilling, HamburgJochen Schindlbeck, Kultur Palast HamburgImanuel Schipper, Züricher Hochschule der KünsteAnnika Schmitz, HamburgMusik gGmbHStefanie Schreck, KulturA, HamburgSusette Schreiter, LOLA, HamburgBrigitte Schulz, Honigfabrik, HamburgOrtrud Schwirz, LOLA, HamburgClaudia Sello, Gängeviertel, HamburgPeter Sitt, HafenCity Universität, HamburgUlrike Sitte, HamburgUdo Sobottka, HamburgJana Soldicic, Zinnschmelze, HamburgEkaterina Sorokina, Hamburg

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MDaniela Spitzar, HamburgMartin Spruijt, St. Pauli-Archiv e.V., HamburgRenee Steenbock, Kulturladen St. Georg, HamburgHelga Stödter-Erbe, Bezirksamt Altona, HamburgJan Straßberger, GWA St. Pauli, HamburgBarbara Strauß, Bezirksamt Eimsbüttel, HamburgChristoph Struthmann, KulturWerkstatt HarburgAndré Stüwe, Kultur Palast HamburgRenate Thomsen, Dr. Renate Thomsen – Stiftung für Kinder, HamburgMonika Vogt, HamburgHans-Jürgen von Borstel, HamburgCornelia von der Heydt, BürgerStiftung HamburgFriederike von Gehren, Hamburger VolkshochschuleKirsten von Hardenberg, HamburgNiki von Salisch, HamburgKatharina Wagner, Goldbekhaus, HamburgBettina Walbaum, DUBE, HamburgThando Walbaum, DUBE, HamburgHanne Walberg, Bezirksamt Hamburg MitteMichael Wendt, Motte e.V., HamburgSonja Wichmann, Bezirksamt Harburg, HamburgKlaus Wieser, HamburgChristine Wilms, Bezirksamt Hamburg-NordÖzlem Winkler-Özkan, Open Acting Academy, HamburgAnke Wischmann, Leuphana Universität, LüneburgStefanie Wolpert, HamburgMichael Wudi, BGZ Süderelbe, HamburgGunnar Wulf, Kulturladen Hamm, HamburgMichael Ziehl, urban upcycling, Hamburg

Dokumentation des15. Hamburger Ratschlag Stadtteilkultur

Hrsg: Landesrat für Stadtteilkultur

Kulturbehörde Hamburg Referatsleitung Kulturprojekte Werner FrömmingHohe Bleichen 22, 20354 Hamburg Telefon: 040 / 428 24-221Telefax: 040 / 428 24-256E-Mail: [email protected]

Redaktion: Yvonne Fietz

Die abgedruckten Beiträge sind autorisierte und überarbeitete Fassungen der Tagungsvorträge, de-ren Inhalt in der Verantwortung der Autoren liegt.

Layout, Satz Titelfoto:Yvonne Fietz

Die Dokumentation vom Ratschlag Stadtteilkultur ist als Download erhältlich unter: http://www.hamburg.de/kulturbehoerde/ratschlag/

Die Dokumentation des Ratschlag Stadtteilkultur wurde im Auftrag der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg erstellt.