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b Die Zahl der Schulabgänger sinkt, in der Tendenz entscheiden sie sich vermehrt für ein Hoch- schulstudium, und zugleich verlas- sen mehr Jugendliche ohne Ausbil- dungsreife die Schulen. Um vor diesem Hintergrund einen Fach- kräftemangel abzuwenden, will die BASF zum Herbst 2013 die Zahl der neu Auszubildenden erhöhen. Dazu führt der Konzern die Ver- bundausbildung nicht weiter. Das stellt die Betriebe, deren Nach- wuchs bisher partiell bei der BASF ausgebildet wird, vor die Frage, wie sie künftig ihren Fachkräftebedarf decken. Ausgangssituation b Im September 2012 starteten bei der BASF in Ludwigshafen 650 Jugendliche, an anderen deut- schen BASF-Standorten 260 Aus- zubildende und im Ausbildungs- verbund der BASF in Ludwigsha- fen weitere 300 junge Menschen ins Berufsleben. Für Herbst 2013 strebt der Konzern an, 750 Schul- abgänger in Ludwigshafen allein für die BASF auszubilden. Da die eigenen Mitarbeiter auch die prak- tische Ausbildung bei der BASF absolvieren, stoßen die Ludwigs- hafener an die Grenzen ihrer Aus- bildungskapazitäten, was das Aus für den Ausbildungsverbund in der jetzigen Konstellation bedeu- tet. Bisher profitierten die Partner- betriebe davon, dass der Konzern sie bei der Auswahl der Bewerber unterstützte und ihren Azubis die Grundfertigkeiten des jeweiligen Berufs vermittelt, während sie die Ausbildung im Betrieb überneh- men. Die Partnerunternehmen zahlen dafür pro Auszubildenden monatlich 340 Euro. Außerdem erhielten die kleineren Unterneh- men so Zugang zu Auszubilden- den, die sich sonst eher selten oder gar nicht bei ihnen beworben hätten. Für Mikaela Dimitropoulos, Per- sonalchefin bei Heidelberg Pharma, ist es, so sagt sie, natürlich schwie- riger, sich dem drohenden Fach- kräftemangel entgegenzustellen. Doch sie ist sicher, dass das Unter- nehmen, das 45 Mitarbeiter hat und pro Jahr einen Biologielabo- ranten im BASF-Verbund ausbildet, eine Lösung findet. Wie die ausse- hen könnte, ist jedoch offen. Viel- leicht ergibt sich eine gemeinsame Initiative im Biotechcluster Rhein- Neckar, zu dessen Mitgliedern Hei- delberg Pharma zählt. ACC Beku, ein Hersteller chemi- scher Spezialerzeugnisse mit 20 Mitarbeitern, nimmt dagegen Ab- stand von der eigenen Ausbildung. Geschäftsführerin Sabrina Kunz, die momentan einen Industriekauf- mann und einen Chemielaboran- Claudia Schierloh BASF richtet den Ausbildungsverbund neu aus – die Partnerbetriebe müssen umdenken. Wer bildet die Fachkräfte aus? BChemiewirtschaftV Angehende Che- mielaborantinnen im Ausbildungsla- bor eines chemi- schen Betriebs. (Foto: VCI/Wolf- ram Schroll/foto- gloria) 1109 Nachrichten aus der Chemie| 60 | November 2012 | www.gdch.de/nachrichten

Wer bildet die Fachkräfte aus?

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Page 1: Wer bildet die Fachkräfte aus?

b Die Zahl der Schulabgänger sinkt, in der Tendenz entscheiden sie sich vermehrt für ein Hoch-schulstudium, und zugleich verlas-sen mehr Jugendliche ohne Ausbil-dungsreife die Schulen. Um vor diesem Hintergrund einen Fach-kräftemangel abzuwenden, will die BASF zum Herbst 2013 die Zahl der neu Auszubildenden erhöhen. Dazu führt der Konzern die Ver-bundausbildung nicht weiter. Das stellt die Betriebe, deren Nach-wuchs bisher partiell bei der BASF ausgebildet wird, vor die Frage, wie sie künftig ihren Fachkräftebedarf decken.

Ausgangssituation

b Im September 2012 starteten bei der BASF in Ludwigshafen 650 Jugendliche, an anderen deut-schen BASF-Standorten 260 Aus-zubildende und im Ausbildungs-

verbund der BASF in Ludwigsha-fen weitere 300 junge Menschen ins Berufsleben. Für Herbst 2013 strebt der Konzern an, 750 Schul-abgänger in Ludwigshafen allein für die BASF auszubilden. Da die eigenen Mitarbeiter auch die prak-tische Ausbildung bei der BASF absolvieren, stoßen die Ludwigs-hafener an die Grenzen ihrer Aus-bildungskapazitäten, was das Aus für den Ausbildungsverbund in der jetzigen Konstellation bedeu-tet. Bisher profitierten die Partner-betriebe davon, dass der Konzern sie bei der Auswahl der Bewerber unterstützte und ihren Azubis die Grundfertigkeiten des jeweiligen Berufs vermittelt, während sie die Ausbildung im Betrieb überneh-men. Die Partnerunternehmen zahlen dafür pro Auszubildenden monatlich 340 Euro. Außerdem erhielten die kleineren Unterneh-men so Zugang zu Auszubilden-

den, die sich sonst eher selten oder gar nicht bei ihnen beworben hätten.

Für Mikaela Dimitropoulos, Per-sonalchefin bei Heidelberg Pharma, ist es, so sagt sie, natürlich schwie-riger, sich dem drohenden Fach-kräftemangel entgegenzustellen. Doch sie ist sicher, dass das Unter-nehmen, das 45 Mitarbeiter hat und pro Jahr einen Biologielabo-ranten im BASF-Verbund ausbildet, eine Lösung findet. Wie die ausse-hen könnte, ist jedoch offen. Viel-leicht ergibt sich eine gemeinsame Initiative im Biotechcluster Rhein-Neckar, zu dessen Mitgliedern Hei-delberg Pharma zählt.

ACC Beku, ein Hersteller chemi-scher Spezialerzeugnisse mit 20 Mitarbeitern, nimmt dagegen Ab-stand von der eigenen Ausbildung. Geschäftsführerin Sabrina Kunz, die momentan einen Industriekauf-mann und einen Chemielaboran-

Claudia Schierloh

BASF richtet den Ausbildungsverbund neu aus – die Partnerbetriebe müssen umdenken.

Wer bildet die Fachkräfte aus?

BChemiewirtschaftV

Angehende Che-

mielaborantinnen

im Ausbildungsla-

bor eines chemi-

schen Betriebs.

(Foto: VCI/Wolf-

ram Schroll/foto-

gloria)

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Nachrichten aus der Chemie| 60 | November 2012 | www.gdch.de/nachrichten

Page 2: Wer bildet die Fachkräfte aus?

ten über die BASF ausbildet, ist ins-besondere der bürokratische Auf-wand zu hoch.

Alternativen zur Verbundausbildung

b Michael Böffel, Leiter Ausbil-dung bei der Industrie- und Han-delskammer Pfalz, schätzt, dass die meisten Partnerfirmen erst im nächsten Jahr realisieren, dass sie nun nicht mehr ausbilden können wie zuvor. Bisher diskutierten etwa ein Dutzend Partnerbetriebe mit ihm die Alternativen. Vier Firmen signalisierten Interesse, gemeinsam auszubilden. Nun prüfen sie, wer welchen Ausbildungsteil überneh-men könnte. Böffel verweist darauf, dass sich kleinere Betriebe schon seit etwa 40 Jahren gegenseitig bei der Ausbildung unterstützen und Ausbildungsmodule auch von an-deren Branchen dazukaufen.

ABB Deutschland hat im nächs-ten Jahr noch Kapazitäten für etwa 56 zusätzliche Auszubildende in Heidelberg, berichtete Marcus Braunert, Leiter des ABB Training Center Heidelberg. Das auf Ener-gie- und Automatisierungstechnik spezialisierte Unternehmen könnte also Ersatz für den BASF-Ausbil-dungsverbund bieten. Acht Part-nerbetriebe der BASF schauten sich bereits bei ABB um und überprü-fen, ob sich diese Zusammenarbeit für sie rechnet. Denn hier müssen sie für eine vollständige Ausbil-dung die Vergütung selbst tragen und zudem einen Verrechnungs-satz von 780 Euro pro Monat zah-len. Bei starker Nachfrage externer Firmen wäre ABB Braunert zufolge bereit, die Ausbildungskapazitäten zu erhöhen.

Andere Chemieunternehmen

b Auch andere Chemieunterneh-men bieten eine Ausbildung im Verbund an. Bayer gründete dazu im Jahr 2004 die an verschiedenen Standorten tätige Ausbildungsini-tiative Rheinland (AIR). Zusätz-lich zu den mehr als 600 eigenen Auszubildenden begannen in die-

Thomas Seuß beantwortet Fragen zum Patentrecht

Frage 64:

Unser Unternehmen hat kürzlich

ein anderes Unternehmen und da-

mit dessen Patente gekauft. Müs-

sen wir nun weltweit sämtliche Pa-

tente bei den Ämtern auf unser Un-

ternehmen umschreiben lassen

oder ist das nicht nötig? Mir geht es

um die Vermeidung von überflüssi-

gem Aufwand und Kosten.

Antwort:

Jedes Patentamt führt ein öffent-

lich einsehbares Register, welches

eine Reihe von Daten über anhängi-

ge Patentanmeldungen und erteil-

te Patente enthält. Zu den Daten

gehören insbesondere die Angaben

über die Erfinder, den Patentanmel-

der oder -inhaber und dessen Ver-

treter. Viele dieser Register sind

auch online abrufbar. Für das deut-

sche Register gilt, dass die Eintra-

gungen nur einen rein deklaratori-

schen Charakter haben: Die Eintra-

gungen im Register müssen nicht

notwendigerweise richtig sein. Die

Übertragung eines Patents, bei-

spielsweise durch einen Kauf, ist

daher wirksam, auch wenn sie

nicht im Register eingetragen ist.

Will der nicht eingetragene Patent-

inhaber Rechte aus seinem Patent

geltend machen, dann muss er

durch Vorlage entsprechender Pa-

piere nachweisen, dass er der recht-

mäßige Patentinhaber ist, da die

Anscheinswirkung der Registerein-

tragungen zunächst den ehemali-

gen Eigentümer legitimiert. Umge-

kehrt würde sich eine Patentnich-

tigkeitsklage zunächst gegen den

im Patentregister Eingetragenen

richten, da der Kläger nicht wissen

kann, dass das Recht inzwischen

übergegangen ist. Im Normalfall ist

die Vorlage von Urkunden, wonach

sich der Eigentumswechsel vollzo-

gen hat, einfach zu führen. Im Ein-

zelfall kann es aber durchaus Pro-

bleme geben, z. B. wenn kurzfristig

eine einstweilige Verfügung bean-

tragt werden muss. Dies gilt auch

und vor allem dann, wenn Patente

in anderen Ländern betroffen sind.

Häufig bestehen bestimmte Form-

vorschriften für die Beurkundung

des Rechtsübergangs (z. B. notariel-

le Beurkundung, Apostillen) die

nicht ohne weiteres kurzfristig be-

schafft werden können. In solchen

Fällen kann es für den Rechteinha-

ber durchaus nachteilig sein, wenn

er nicht im Register eingetragen ist.

Vor diesem Hintergrund ist es

grundsätzlich empfehlenswert, die

Rechte in den Registern entspre-

chend umtragen zu lassen, weil

dann im Regelfall ausreichend Zeit

bleibt, um den Formvorschriften zu

genügen. In Deutschland ist die

Umschreibung nicht mit amtlichen

Gebühren verbunden. Eingeschal-

tete Anwälte lassen sich allerdings

ihren Aufwand vergüten. Für ande-

re Länder fallen neben amtlichen

und anwaltlichen Gebühren häufig

noch Beurkundungsgebühren an.

Besonders lohnt es, PCT-Anmel-

dungen, die noch nicht in eine na-

tionale Phase eingetreten sind,

und europäische Patentanmeldun-

gen, die noch nicht erteilt sind,

umzuschreiben, da diese Um-

schreibungen bei den Registrie-

rungsbehörden (Wipo bzw. Epa)

relativ einfach gehandhabt wer-

den und Aufwand und Kosten spä-

terer Einzelumschreibungen in

den einzelnen Ländern vermieden

werden.

Fragen für Thomas Seuß an: nachrichten@

gdch.de. Info zur kostenfreien Beratung

unter www.gdch.de/rechtsberatung

Umschreiben oder nicht?

Thomas Seuß Patentanwalt

Nachrichten aus der Chemie| 60 | November 2012 | www.gdch.de/nachrichten

1110 BBlickpunktV Chemiewirtschaft

Page 3: Wer bildet die Fachkräfte aus?

sem Jahr etwa 150 junge Leute ei-ne Ausbildung. Diese Verbundaus-bildung ist ähnlich konzipiert wie bei der BASF und unterstützt ins-besondere Betriebe im Umfeld der Standorte, die pro Auszubilden-dem einen Kostenbeitrag von etwa 600 Euro beisteuern. Am Konzept der AIR will der Konzern auch weiterhin festhalten, betont Dirk Pfenning, Leiter Sourcing & Hir-ing Germany bei Bayer. Lediglich im nächsten Jahr will Bayer auf-grund des doppelten Abiturjahr-gangs in Nordrhein-Westfalen die eigene Ausbildungskapazität erhö-hen und dafür das Kontingent in der Initiative etwas reduzieren.

Evonik bildet an den Standor-ten Marl und Hanau etwa 100 Per-

sonen für Dritte aus. Dieser Ver-bund ist jedoch nicht mit dem der BASF vergleichbar und steht nicht auf dem Prüfstand. Die Jugendli-chen erhalten hier eine Vollausbil-dung und somit exakt die gleiche Schulung wie die Auszubildenden der Evonik, wobei alle mehrere Betriebe durchlaufen. Die Partner-betriebe kommen selbst für die Ausbildungsvergütungen auf und tragen zudem einen Anteil an den Kosten der Ausbildung, der höher ausfällt als bei der BASF.

Ausbildungsreife fördern

b Die BASF will die Kooperation mit den Partnerbetrieben nicht ganz aufgeben, sondern den Ver-

bund auf schwächere Schulabgän-ger ausrichten. Förderprogramme sollen erweitert und ergänzt wer-den, um Wissen und Persönlich-keit dieser Jugendlichen innerhalb eines Jahres auf einen Stand zu bringen, mit dem sie eine Ausbil-dung beginnen können. Für den Herbst 2013 bietet BASF 250 Plätze in den Startprogrammen für die Be-rufsausbildung an. Für Partnerbe-triebe, die mit der Frage ringen, ob und wie sie künftig ausbilden kön-nen, ist dies allerdings keine Alter-native.

Claudia Schierloh ist freie Mitarbeiterin der

Nachrichten aus der Chemie.

Forschungsausgaben gestiegen

b Die chemisch-pharmazeutische Industrie hat im Jahr 2011 etwa 8,8 Mrd. Euro in Forschung und Entwicklung (F + E) investiert, da-von 3,8 Mrd. in die Chemie. Die Zahlen präsentierte Andreas Krei-meyer, Vorsitzender des Ausschus-ses Forschung, Wissenschaft und Bildung des Verbands der Chemi-schen Industrie. Insgesamt sind die Forschungsetats seit dem Jahr 2005 um 11 % gestiegen, also durchschnittlich um 1,6 % jährlich, ähnlich der mittleren Inflationsrate von 1,7 %. Mit den aktuellen For-schungsausgaben belegt Deutsch-land nach USA und Japan den drit-ten Platz.

Im Jahr 2011 stellte die che-misch-pharmazeutische Industrie in Deutschland 425 promoviere Chemiker ein. Dies entspricht 37 % der Absolventen.

5 Mrd. Euro gaben die Unter-nehmen für F + E im Ausland aus. An der weltweiten Chemiefor-schung hat Deutschland einen An-teil von 12 %. JS

Neue Pharmamärkte notwendig

b In Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien (Pharmerging Countries) legen die Pharmamärkte im nächsten Jahr mehr zu als in den Industrienationen. Abgelaufene Pa-tente und die stärkere Konkurrenz durch Generika könnten für die Pharmabranche Verkaufseinbußen bis zu 100 Mrd. US-Dollar im Zeit-raum 2009 bis 2015 bedeuten. Dies schätzen die Strategieberatung Ca-melot Management Consultants, die ESB Business School und das SP Jain Institute of Management and Research in der Studie Drug Supply 2.0. Die großen Pharmakonzerne müssen danach die Zusammenar-beit mit Drittanbietern verstärken und als strategische Partnerschaf-ten ausrichten, die Kapital freiset-zen, um neue, schnell wachsende Märkte zu erschließen. Bis zu drei Viertel der Pharmazeutika könnten künftig externe Dienstleister her-stellen. Wichtigste Kriterien für die Wahl externer Partner waren für die befragten Unternehmen Quali-tät und Versorgungssicherheit (75 %) vor niedrigen Kosten (50 %).

Ethik für den Mittelstand

b Ein neues Onlineportal zu Nachhaltigkeit, Unternehmensver-antwortung und Wirtschaftsethik ist auf kleine und mittlere Unter-nehmen zugeschnitten. Die Web-seite erläutert Werkzeuge für die unternehmerische Gesellschafts-verantwortung (Corporate Social Responsibility, CSR) wie Lieferan-tenbewertung und Lebenszyklus-analyse. Außerdem gibt es einen Werte-Schnellcheck. Praxisbeispie-le sollen das Angebot im Lauf der Zeit komplettieren.www.csr-wissen-mittelstand.net

Evonik erhöht Buten-Kapazität

b Evonik Industries beabsichtigt, die Kapazität für 1-Buten in Marl bis zum Jahr 2015 um 75 000 auf 310 000 Jahrestonnen zu erweitern. Damit würde der Konzern zum größten 1-Buten-Produzenten auf-steigen. Der weltweite Bedarf an 1-Buten steigt jährlich um zirka 5 %. 1-Buten ist ein Additiv für Po-lyethylenprodukte.

Kurz notiert

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1111Chemiewirtschaft BBlickpunktV