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1 von 24Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M. – Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?
Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?
Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M.
2 von 24Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M. – Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?
• Entscheidungen Landeskartellbehörde Hessen
- Entscheidung des OLG Frankfurt
- Entscheidung des BGH
= Vorboten schärferer Regulierung der Wasserwirtschaft
• Alternativen (sektorspezifische Regulierung; Ausschreibungs-, Durchleitungs-
und Stichleitungswettbewerb; Gebührenkontrolle)
• Frage: Welche Form der Regulierung für maximalen Konsumentennutzen?
• Vgl. 1 Abs. 1 Energiewirtschaftsgesetz: „möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche“ Versorgung
• Zahlreiche Untersuchungen zeigen extrem divergierende Wasserpreise
I. Einführung/Übersicht
3 von 24Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M. – Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?
I. Einführung/Übersicht
050
100150200250300350400450
Gesamtpreis in € pro Jahr
Steinbach (Taunus),Wasserversorgungs GmBH
Wiesbaden, Stadtwerke AG
Eschwege, Stadtwerke
Wetzlar, Enwag
Kassel Städt. Werke AG
Frankfurt a. Main, Mainova
Neu-Isenburg, StadtwerkeGmbH
Langen, Stadtwerke GmbH
Mühlheim/Main, StadtwerkeGmbH
Wasserpreise in Hessen, Stand Januar 2010, Quelle: Hessisches Wirtschaftsministerium
4 von 24Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M. – Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?
I. Einführung/Übersicht
II. Sinn und Zweck einer Regulierung in der Wasserwirtschaft
1. Notwendigkeit einer Regulierung
2. Formen und Möglichkeiten eines „echten Wettbewerbs“
3. Formen und Möglichkeiten eines „simulierten Wettbewerbs“
4. Grenzen einer öffentlich-rechtlichen Gebührenkontrolle
III. Rechtliche Ansätze
1. „Echter Wettbewerb“
2. „Simulierter“ Wettbewerb im Rahmen einer kartellrechtlichen Kontrolle
3. Abgabenrechtliche Kontrolle
IV. Fazit und Ausblick
I. Einführung/Übersicht
5 von 24Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M. – Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?
1. Notwendigkeit einer Regulierung
– Regulierung = „wirtschaftspolitisch motivierte Eingriffe des Staates zur
Beschränkung von Marktmechanismen oder zur Übernahme der
Marktfunktionen bei fehlendem Markt“
– Wettbewerb = Situation, in der sich mindestens zwei verschiedene
Wirtschaftssubjekte auf einem Markt antagonistisch verhalten
– Wasserversorgung auf Netzebene = natürliches Monopol
Gefahr des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung
Regulierung, nicht Privatisierung entscheidend
II. Sinn und Zweck einer Regulierung in der Wasserwirtschaft
6 von 24Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M. – Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?
2. Formen und Möglichkeiten eines „echten Wettbewerbs“
a) Wettbewerb um Endkunden durch unterschiedliche Wasserversorger
• vergleichbar Telekommunikations- und Energieordnungen
• Umsetzung: Durchleitungsrechte durch Versorgungsnetz des lokalen
Netzbetreibers
aber:
• technische Schwierigkeiten (unterschiedliche Wasserqualitäten etc.)
• Kostenanteil des Netzbetriebs so hoch, dass Transaktionskosten für
Schaffung von Durchleitungswettbewerb wohl unverhältnismäßig
ökonomisch nur sehr begrenzt sinnvoll
II. Sinn und Zweck einer Regulierung in der Wasserwirtschaft
7 von 24Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M. – Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?
b) Ausschreibungswettbewerb um den Betrieb eines Wasserversorgers
aber:
• erhebliche Transaktionskosten
• Preismissbrauchskontrolle weiter notwendig
nur flankierend; auch zur Schaffung von Informationen
c) Stichleitungswettbewerb (nur sehr begrenzt sinnvoll)
II. Sinn und Zweck einer Regulierung in der Wasserwirtschaft
8 von 24Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M. – Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?
3. Formen und Möglichkeiten eines „simulierten Wettbewerbs“
simulierter Wettbewerb
= virtueller Wettbewerb = wettbewerbsanaloges Ergebnis
v.a.: unter Wahrung bestimmter Qualitätsmaßstäbe wettbewerbsanalogen
Preis als Vergleichsmaßstab ermitteln
Differenzierung: Vorleistungs- und/oder Endkundenentgelte, freiwillig oder
rechtlich verbindlich, ex ante und/oder ex post, sektorspezifisch und/oder
allgemeines Kartellrecht, besondere Behörde und/oder allgemeines
Kartellamt, Landesbehörden und/oder Bundesbehörden
„simulierter Wettbewerb“ grundsätzlich sehr sinnvoll
II. Sinn und Zweck einer Regulierung in der Wasserwirtschaft
9 von 24Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M. – Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?
II. Sinn und Zweck einer Regulierung in der Wasserwirtschaft
+ + + + (-) + - (-) - +
+ + + + + + + + + +
+ (-) + + (-) + - (-) - +
- (+) (+) (+) - -(+) - --
Vorleis-tungs-preise
Endkun-den-preise
Ex ante
Ex post
allg.Kartell-recht
sektor-spezi-fisch
LKartA BKartA spezielle Landesbe-hörde
BNetzA
Wasserwirt-schaft
Eisenbahn
Energie
TK
10 von 24Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M. – Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?
4. Öffentlich-rechtliche Gebührenkontrolle
• Rechtsgrundlage: jeweiliges Landesrecht
• allgemein gültige Grundsätze (insb. Äquivalenzprinzip, Kostendeckungs-
grundsatz)
• nur sehr eingeschränkte Berücksichtigung von Effizienzgesichtspunkten
kein taugliches Regulierungsinstrument, sofern effizienzorientierte Preise
II. Sinn und Zweck einer Regulierung in der Wasserwirtschaft
11 von 24Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M. – Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?
1. „Echter Wettbewerb“
• nur sehr begrenzte rechtliche Ansätze
• mangels sektorspezifischer Regelungen nur allgemeine rechtliche Grundsätze
III. Rechtliche Ansätze
allgemeinekartellrechtliche
ZugangsansprücheEU-Grundfreiheiten
allgemeinesVergaberecht
12 von 24Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M. – Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?
a. Allgemeine kartellrechtliche Zugangsansprüche
• Art. 102 AEUV (ex-Artikel 82 EGV)
- mangels marktbeherrschender Stellungen auf wesentlichem Teil des
Gemeinsamen Marktes nicht anwendbar
• 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB
- Anwendbarkeit: + (so auch BGH, teilweise a.A. Lit., arg. 131 Abs. 6 GWB)
- zivilrechtliches Erstreiten eines Zugangsanspruchs bzw. kartellamtliche
Feststellung eines Missbrauchs in der Praxis oftmals nicht erfolgreich
arg: Zugangsverweigerungsgründe, insbesondere Verschlechterung der
Wasserqualität; Grundsatz der ortsnahen Versorgung
- Problem ungeklärter Haftungsfragen
- Wettbewerbsöffnungspotenzial: unklar aber tendenziell gering
III. Rechtliche Ansätze
13 von 24Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M. – Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?
b. EU-Grundfreiheiten und Bezugsmonopole/Stichleitungswettbwerb
Warenverkehrsfreiheit, Art. 34 AEUV (ex-Artikel 28 EGV)
• Wasser = Ware im Sinne des Art. 34 AEUV
• Sachliche Rechtfertigung bei Beschränkung erforderlich
– exemplarisch: Streit um Novellierung des sächsischen Wassergesetzes
– Beispiele für Rechtfertigungsgründe
• Prinzip der Ortsnähe
• Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Versorgungssystems
– aber: ausländische ortsnahe potentielle Lieferanten dürfen nicht pauschal ausgeschlossen werden!
• Wettbewerbsöffnungspotenzial: unklar aber tendenziell gering
III. Rechtliche Ansätze
14 von 24Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M. – Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?
c. Ausschreibungswettbewerb und vergaberechtliche Pflichten
• Keine Privatisierungs- und Ausschreibungspflichten, wenn öffentlich-rechtlich
• „In-house“-Privileg (keine Ausschreibungspflicht), vgl. EuGH, 18.11.1999, Slg.
1999 I-8121, Teckal
– Kontrolle wie über eigene Dienststellen
– Tätigkeit im Wesentlichen für öff. Auftraggeber
• Interkommunale Zusammenarbeit
III. Rechtliche Ansätze
Vertikale Kooperation Horizontale Kooperation
EuGH: Coditel Brabant EuGH: Stadtreinigung Hamburg
15 von 24Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M. – Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?
2. „Simulierter“ Wettbewerb im Rahmen der kartellrechtlichen Kontrolle
a) Regulierungsverfügung der Landeskartellbehörde Hessen vom 16. Mai 2007
gegen Enwag
– Rechtsgrundlage: 103 Abs. 5 S. 1 Nr. 1, S. 2 GWB a.F. i.V.m. 103 Abs. 6
Nr. 1 GWB a.F.; 131 Abs. 6 GWB; 32 Abs. 3 GWB
– Inhalt
• Untersagung von überhöhten Wasserpreisen
• Rückwirkende Feststellung der Missbräuchlichkeit entsprechender
Wasserpreise
III. Rechtliche Ansätze
16 von 24Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M. – Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?
– Hauptstreitpunkte
• Welche Unternehmen sind vergleichbar?
Kriterium: Gleichartigkeit
• Rechtfertigungsprüfung
• Kann eine Feststellung der Missbräuchlichkeit auf 32 GWB gestützt
werden?
III. Rechtliche Ansätze
17 von 24Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M. – Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?
b) Beschluss des BGH vom 2. Februar 2010 (Az. KVR 66/08)
• Anwendbare Vorschriften
• Sowohl Freistellungsmissbrauch als auch Marktmachtmissbrauch durch das GWB untersagt; rechtliche und natürliche Monopole müssen gleich behandelt werden
• Rechtfertigung höherer Preise
• Baukostenzuschüsse
• (+) (anders OLG Frankfurt)
• Arg für Anerkennung: kann für Endabnehmer dennoch günstiger sein
• Aber: müssen vom Unternehmen dargelegt werden
• Konzessionsabgaben (?)
• Erhöhte Erneuerungs- und Instandhaltungsbedürftigkeit des Netzes (-)
III. Rechtliche Ansätze
18 von 24Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M. – Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?
• Strenge Anforderungen an Darlegungs- und Beweislast
• 32 Abs. 3 GWB ist nicht anwendbar
• 103 Abs. 5 GWB a.F. ist kein gesetzliches Verbot
• Aber i.V.m. 19 GWB
III. Rechtliche Ansätze
19 von 24Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M. – Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?
c) Bewertung und Ausblick
• Einleitung weiterer Kartellverfahren führte zu „freiwilligen“ Preissenkungen
• weitere Verfügungen
• hohe Anforderungen an Darlegung grds. zutreffend (Kostenrechung!)
• (ursprünglich) enge Anerkennung von Rechtfertigungsgründen (v.a. Baukosten) problematisch – aber Mischung aus Nichtanerkennung und Darlegungsinsuffizienz
• Signalwirkung für andere Bundesländer
• Abgestimmte Vorgehensweise der Landeskartellbehörden
III. Rechtliche Ansätze
20 von 24Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M. – Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?
3. Abgabenrechtliche Kontrolle
III. Rechtliche Ansätze
öffentlich-rechtlicheOrganisationsform
Wasserversorgungsunternehmen
privatrechtlicheOrganisationsform
öffentlich-rechtlichesBenutzungsverhältnis
privatrechtlichesBenutzungsverhältnis
privatrechtlichesBenutzungsverhältnis
• Gebühr u. Beitrag• abgabenrechtliche
Kontrolle
• Entgelt• Kartellrecht
• Entgelt• Kartellrecht
21 von 24Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M. – Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?
Grundsätze des Gebühren- und Beitragsrechts
• Erhebungsgrundlage: Satzung
• maßgeblich – jeweiliges Landesrecht – allgemeingültige Grundsätze
– Äquivalenzprinzip
– Kostendeckungsgrundsatz
– Grundsatz des Vorteilsausgleichs
III. Rechtliche Ansätze
22 von 24Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M. – Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?
Fazit abgabenrechtliche Kontrolle
• Äquivalenzprinzip belässt weiten Spielraum
• Kommune kann im Rahmen des Kostendeckungsprinzips selbst entscheiden,
welche Positionen sie auf der Ausgabenseite einstellt
• nur tatsächliche Kosten
keine Effizienzkontrolle
kein taugliches Regulierungsinstrument
III. Rechtliche Ansätze
23 von 24Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M. – Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?
• Kartellrechtliche Ex-post-Kontrolle zunächst grundsätzlich ausreichend –
konsequent anwenden
• Option auf gebührenrechtliche Kontrolle abschaffen
• Sektorspezifische Regulierung lediglich als subsidiäre Option (gegebenenfalls
entsprechend Test im TKG - Insuffizienz des allgemeinen Wettbewerbsrechts)
• Grundsätzlich kein Zwang zu Durchleitungs- und Ausschreibungswettbewerb
• Konsequenzen für strategische Ausrichtung: Effizienzsteigerung + Verbesserung
der Rechnungslegung
• Konsequentes und abgestimmtes Vorgehen der Landeskartellbehörden
IV. Fazit und Ausblick
24 von 24Prof. Dr. Jürgen Kühling, LL.M. – Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!Vgl.: Kühling, Wettbewerb und Regulierung jetzt auch in der Wasserwirtschaft?,
in: DVBl. 2010, S. 205 - 214
Lehrstuhl für Öffentliches Recht und ImmobilienrechtProf. Dr. iur. Jürgen Kühling, LL.M.
Universität RegensburgUniversitätsstraße 3193053 Regensburg
Telefon: 0941-943-6061 (Sekr.) / -6060 (direkt)Fax: 0941-943-6062
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