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zwei Flächen aneinander, dann überträgt sich die makro- skopische Energie des Gesamtsystems auf seine zahlreichen Freiheitsgrade in Form mikroskopischer Energiemengen. Diese Energiedissipation ist ein irreversibler, dynamischer Vorgang. Viele solcher Prozesse sind letztlich für die ma- kroskopische Energiedissipation verantwortlich,die sich als Reibkraft der Bewegung entgegensetzt. Erst das Isolieren dieser Prozesse und ihre systematische Untersuchung er- laubt es uns, diese einzelnen Beiträge auch zu verstehen. Jede Oberfläche hat eine gewisse Rauheit, selbst atomar flache Ebenen eines Kristalls weisen mindestens eine ato- mare Unebenheit auf (Abbildung 1, S. 144). Damit ein Atom über diese Oberfläche gleiten kann, muss es also erst eine Barriere mit einer bestimmten Steigung überwinden. Die da- bei aufgewendete Energie gewinnt es beim Gleiten ins nächste Tal wieder vollständig zurück,so will es die Energie- erhaltung. Dieser Effekt führt zum Beispiel dazu, dass zwei absolut saubere Oberflächen, die als „inkommensurate“ Oberflächen eine unterschiedliche atomare Struktur haben, theoretisch unter bestimmten Bedingungen sogar ohne Rei- bung aneinander vorbei gleiten können [1]. Aber woher kommt dann die allgegenwärtige Reibkraft? Unser anschauliches Reibungsmodell ist offensichtlich nicht vollständig. Es kann zwar das Phänomen der stati- schen Reibung aus dem Stillstand heraus erklären, aber nicht die kinetische Reibung während der kontinuierlichen Be- wegung. Um die kinetische Reibung erklären zu können, müssen wir Nichtgleichgewichtsprozesse wie das Auf- springen von atomaren Verbindungen oder die Anregung von atomaren Schwingungen im Kristall, von Phononen, berücksichtigen. Die Untersuchung solcher Phononen in Reibungsexperimenten ist sehr anspruchsvoll. Schon eine atomar saubere Oberfläche ist im Experiment nur mit sehr viel Aufwand realisierbar. In realen Systemen spielen näm- lich adsorbierte Fremdmoleküle, zum Beispiel die eines Schmiermittels,eine wichtige Rolle. Deswegen ist es grund- legend wichtig, zwischen geschmierten und ungeschmier- ten Reibkontakten zu unterscheiden. Betrachten wir den relevanteren Fall der Schmierung. Die durch das Gleiten induzierte Filmdicke eines Schmier- mittels definiert ganz verschiedene Bereiche der Gleit- schmierung, wie Abbildung 2 zeigt. Diese Stribeck-Kurve stellt die Reibung in Abhängigkeit von einem dimensions- losen Parameter dar, Viskosität Geschwindigkeit Belastung , × I m Alltag begegnet uns Reibung auf vielfältige Weise. Wir brauchen sie, um uns sicher zu bewegen, seit der Stein- zeit entfachen wir mit ihrer Hilfe Feuer. Heute stellt die Gleitreibung in Motoren oder etwa in mikromechanischen Geräten ein erstaunlich wichtiges ökonomisches und tech- nologisches Thema dar. In industrialisierten Ländern sum- mieren sich die durch mechanische Reibung verursachten Energieverluste, die vermeidbar sind, auf beachtliche runde 1,5 % der gesamten Wirtschaftsbilanz auf. Technologische Traumziele wie die ultrageringe Reibung oder die Super- schmierung sind dank jüngster Fortschritte in unserem mo- lekularen Verständnis des Phänomens Reibung in greifbare Nähe gerückt. Eine nahezu verschwindende Gleitreibung, deren Nachweis selbst für empfindliche Messmethoden zur Herausforderung wird, ist heute schon Laborrealität. Das faszinierende Phänomen der Superschmierung (Superlu- bricity) war 2005 sogar erstmals Thema eines Symposiums, das im Rahmen der Welt-Tribologie-Konferenz in Washing- ton, DC, stattfand. Möglich geworden ist diese spannende Entwicklung dank einer neuen Wissenschaft, der Nanotribologie. Sie un- tersucht Reibungsphänomene auf der Nanometerskala, auf der Atome und Mo- leküle die entschei- denden Spieler sind, mit hoch speziali- sierten Untersu- chungsmethoden. Diese erlauben es sogar schon, die molekularen Me- chanismen der Rei- bung gezielt zu be- einflussen. Statische Reibung und Schmierung Grundsätzlich versteht man heute unter Reibung eine Viel- zahl von Prozessen, die kinetische oder potentielle Ener- gieformen in Wärme umwandeln. Reiben sich zum Beispiel Nanotribologie Wie entsteht Reibung? MANFRED HEUBERGER Reibung ist ein wichtiges physikalisches Phänomen, war aber lange kaum verstanden. Die noch junge Nanotribologie erforscht ihre Ursachen mit neuen, hoch empfindlichen Methoden. Im Labor sind schon Systeme mit ultrageringer Reibung oder Superschmierung möglich. 142 | Phys. Unserer Zeit | 3/2007 (38) © 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI: 10.1002/piuz.200601114 INTERNET | Atomare Reibung www.nano-world.org/nano/Lab/demo/frictionmo- dule/textbook Oberflächen-Kraftmessgerät www.surface.mat.ethz.ch/research/surface_forces/ extended_SFA

Wie entsteht Reibung? Nanotribologie

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zwei Flächen aneinander, dann überträgt sich die makro-skopische Energie des Gesamtsystems auf seine zahlreichenFreiheitsgrade in Form mikroskopischer Energiemengen.Diese Energiedissipation ist ein irreversibler, dynamischerVorgang. Viele solcher Prozesse sind letztlich für die ma-kroskopische Energiedissipation verantwortlich,die sich alsReibkraft der Bewegung entgegensetzt. Erst das Isolierendieser Prozesse und ihre systematische Untersuchung er-laubt es uns, diese einzelnen Beiträge auch zu verstehen.

Jede Oberfläche hat eine gewisse Rauheit, selbst atomarflache Ebenen eines Kristalls weisen mindestens eine ato-mare Unebenheit auf (Abbildung 1,S. 144). Damit ein Atomüber diese Oberfläche gleiten kann, muss es also erst eineBarriere mit einer bestimmten Steigung überwinden. Die da-bei aufgewendete Energie gewinnt es beim Gleiten insnächste Tal wieder vollständig zurück,so will es die Energie-erhaltung. Dieser Effekt führt zum Beispiel dazu, dass zweiabsolut saubere Oberflächen, die als „inkommensurate“Oberflächen eine unterschiedliche atomare Struktur haben,theoretisch unter bestimmten Bedingungen sogar ohne Rei-bung aneinander vorbei gleiten können [1]. Aber woherkommt dann die allgegenwärtige Reibkraft?

Unser anschauliches Reibungsmodell ist offensichtlichnicht vollständig. Es kann zwar das Phänomen der stati-schen Reibung aus dem Stillstand heraus erklären,aber nichtdie kinetische Reibung während der kontinuierlichen Be-wegung. Um die kinetische Reibung erklären zu können,müssen wir Nichtgleichgewichtsprozesse wie das Auf-springen von atomaren Verbindungen oder die Anregungvon atomaren Schwingungen im Kristall, von Phononen,berücksichtigen. Die Untersuchung solcher Phononen inReibungsexperimenten ist sehr anspruchsvoll. Schon eineatomar saubere Oberfläche ist im Experiment nur mit sehrviel Aufwand realisierbar. In realen Systemen spielen näm-lich adsorbierte Fremdmoleküle, zum Beispiel die einesSchmiermittels,eine wichtige Rolle. Deswegen ist es grund-legend wichtig, zwischen geschmierten und ungeschmier-ten Reibkontakten zu unterscheiden.

Betrachten wir den relevanteren Fall der Schmierung.Die durch das Gleiten induzierte Filmdicke eines Schmier-mittels definiert ganz verschiedene Bereiche der Gleit-schmierung, wie Abbildung 2 zeigt. Diese Stribeck-Kurvestellt die Reibung in Abhängigkeit von einem dimensions-losen Parameter dar,

Viskosität GeschwindigkeitBelastung

Im Alltag begegnet uns Reibung auf vielfältige Weise. Wirbrauchen sie, um uns sicher zu bewegen, seit der Stein-

zeit entfachen wir mit ihrer Hilfe Feuer. Heute stellt dieGleitreibung in Motoren oder etwa in mikromechanischenGeräten ein erstaunlich wichtiges ökonomisches und tech-nologisches Thema dar. In industrialisierten Ländern sum-mieren sich die durch mechanische Reibung verursachtenEnergieverluste,die vermeidbar sind,auf beachtliche runde1,5 % der gesamten Wirtschaftsbilanz auf. TechnologischeTraumziele wie die ultrageringe Reibung oder die Super-schmierung sind dank jüngster Fortschritte in unserem mo-lekularen Verständnis des Phänomens Reibung in greifbareNähe gerückt. Eine nahezu verschwindende Gleitreibung,deren Nachweis selbst für empfindliche Messmethoden zurHerausforderung wird, ist heute schon Laborrealität. Dasfaszinierende Phänomen der Superschmierung (Superlu-bricity) war 2005 sogar erstmals Thema eines Symposiums,das im Rahmen der Welt-Tribologie-Konferenz in Washing-ton, DC, stattfand.

Möglich geworden ist diese spannende Entwicklungdank einer neuen Wissenschaft, der Nanotribologie. Sie un-tersucht Reibungsphänomene auf der Nanometerskala, auf

der Atome und Mo-leküle die entschei-denden Spieler sind,mit hoch speziali-sierten Untersu-chungsmethoden.Diese erlauben essogar schon, diemolekularen Me-chanismen der Rei-bung gezielt zu be-einflussen.

Statische Reibung und SchmierungGrundsätzlich versteht man heute unter Reibung eine Viel-zahl von Prozessen, die kinetische oder potentielle Ener-gieformen in Wärme umwandeln. Reiben sich zum Beispiel

Nanotribologie

Wie entsteht Reibung?MANFRED HEUBERGER

Reibung ist ein wichtiges physikalisches Phänomen, war aber lange kaum verstanden. Die noch junge Nanotribologieerforscht ihre Ursachen mit neuen, hoch empfindlichen Methoden. Im Labor sind schon Systeme mit ultrageringer Reibung oder Superschmierung möglich.

142 | Phys. Unserer Zeit | 3/2007 (38) © 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

DOI: 10.1002/piuz.200601114

I N T E R N E T |Atomare Reibungwww.nano-world.org/nano/Lab/demo/frictionmo-dule/textbook

Oberflächen-Kraftmessgerätwww.surface.mat.ethz.ch/research/surface_forces/extended_SFA

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der Sommerfeld-Parameter heißt. Die Belastung ist als Ver-hältnis der Auflagekraft zur Breite des mechanischen Kon-takts definiert.

Mit dieser Darstellung lassen sich verschiedene Artender Schmierung einfach unterscheiden. Abbildung 2 zeigtqualitativ die klassische Voraussage für zwei aufeinandergleitende Flächen. Nach ihr treten die größten Reibungs-werte im Grenzflächenschmierbereich auf, wo auch dieSchmiermitteldicke kleiner als die Oberflächenrauigkeit ist.Nach einem Übergangsbereich der gemischten Schmierungerreicht man bei hohen Geschwindigkeiten das Regime derhydrodynamischen Schmierung. Dort berühren sich dieOberflächen nicht mehr, und die Reibwerte werden alleindurch die viskosen Eigenschaften des Schmiermittels be-stimmt (linearer Bereich).

Doch auch der Bereich der Grenzflächenschmierungkann sehr kleine Reibwerte aufweisen, weshalb er Gegen-stand neuster Forschungsaktivität ist. Wir wollen uns des-halb auf diesen Bereich und den Fall der Trockenreibungkonzentrieren, denn dort können wir sehr viel Grundsätz-liches über Reibung lernen. Entgegen der klassischen Mei-nung sind nämlich gerade in diesen Bereichen,wo kein odernur ein verschwindend kleiner Schmierfilm vorhanden ist,

sehr kleine Reibungswerte erreichbar. Wie das möglich ist,schauen wir uns im Folgenden im Detail an.

Ich habe schon erwähnt, dass die Energie an einer glei-tenden Grenzfläche über Nichtgleichgewichtsprozesse dis-sipiert wird. Diese Dissipationskanäle sind immer durchOberflächenstrukturen vorgegeben, die selbst eine charak-teristische Größe L aufweisen. Dazu zählen Atome, Mo-leküle oder größere Strukturen. Es gibt natürlich auch kol-lektive Phänomene auf der makroskopischen Skala, diewichtig werden können. Das passiert zum Beispiel, wenndie gesamte Grenzfläche beim Reiben von einem glasarti-gen in einen flüssigen Zustand übergeht und sich die Reib-kraft schlagartig ändert.

Dynamische ReibungFast wichtiger als die Längenskala von dissipativen Struk-turen ist die Tatsache, dass diese je nach Größe und Formeine charakteristische Zeit brauchen,um auf Anregungen zureagieren. Vereinfacht kann man sagen, dass diese Struktu-ren nur effizient Energie dissipieren können, wenn die Be-wegung sie im richtigen Rhythmus anregt. Zum Beispielkann sich ein Kettenmolekül auf einer Polymeroberflächenicht beliebig schnell bewegen, denn molekulare Relaxati-

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onszeiten können – je nach Molekulargewicht und freiemVolumen – um mehr als zehn Größenordnungen variieren.Dies stellt besondere Anforderungen an die Messtechnik,zum Beispiel wenn mehrere Größenordnungen der Reib-geschwindigkeit zuverlässig abgefahren werden sollen.

Gleiten zwei Oberflächen aneinander vorbei, so wirkenjeweils für kurze Zeit intermolekulare Kräfte zwischen denMolekülen beider Seiten. Diese Kräfte zeichnen sich durcheine sehr kurze Reichweite aus, können aber im Nanome-terbereich stärker sein als alle makroskopischen Kräfte, diewir kennen. Hervorgerufen werden diese Van-der-Waals-Kräfte durch elektromagnetische und quantenphysikalischeProzesse. Aus dem Verhältnis der charakteristischen Län-

genskala L der dissipativen Strukturen mit der Gleitge-schwindigkeit v, ergibt sich eine charakteristische Zeitkon-stante

T = L/v.

Sie gibt an, wie viel Zeit zwischen zwei molekularen Be-gegnungen an der gleitenden Grenzfläche verstreicht. T ent-spricht also der Wechselwirkungs- oder Anregungszeit, inder eine gegenseitige Kraftwirkung oder gar eine Bindungentstehen kann, die die Oberflächenatome entsprechendauslenkt.

Dissipative Prozesse kann man sich vereinfacht als an-geregte, gedämpfte mechanische Federpendel vorstellen:Diese weisen eine genau definierte Resonanzfrequenz auf,bei der sie am meisten Energie dissipieren. Ein einfachesmechanisches Modell eines solchen Prozesses ist in Abbil-dung 3 mit mechanischen Elementen skizziert. In diesemModell beschreibt die Federkonstante k die Stärke der in-termolekularen Wechselwirkung mit dem Substrat,die demGradienten des Wechselwirkungspotentials entspricht. Zu-sammen mit der effektiven Masse M des betroffenen Ober-flächenatoms oder -moleküls wird ein Oszillator mit Eigen-frequenz ω definiert. Das Dämpfungsglied D repräsentiertdie aktiven Dissipationskanäle der Struktur, durch die derFestkörper des Substrats die Energie abtransportiert. Diecharakteristische Zeitkonstante einer solchen Struktur istbei kleiner Dämpfung etwa durch √––––

M/k gegeben.Energie wird also nur dann effizient in Wärme umge-

wandelt (dissipiert),wenn der dissipative Kanal mit der pas-senden „Eigen“-Frequenz (1/T) angeregt wird [2]. Ist dieAnregung dagegen zu langsam, dann befindet sich das Sys-tem nahe dem thermodynamischen Gleichgewicht. In die-sem Fall reicht die thermische Zufallsbewegung dazu aus,dass die Struktur der Anregung ohne Energiezufuhr vonaußen folgen (relaxieren) kann. Ähnlich verhält es sich,wenn die Anregungszeit viel kürzer ist als die Relaxations-zeit τ des Systems. In diesem Fall hat es nämlich keine Zeitzu reagieren, und die Energie kann nur minimal dissipiertwerden.

Es ist daher sehr aufschlussreich, das Verhältnis zwi-schen der charakteristischen Zeitkonstante eines Dissipa-tionskanals und der charakteristischen Zeitkonstante derAnregung zu betrachten:

Δ = τ/T.

Dieses dimensionslose Verhältnis heißt auch Deborah-ZahlDe [3]. Man kann zeigen, dass die Deborah-Zahl eine ver-einfachte Form des Sommerfeld-Parameters darstellt. Hältman alle anderen Parameter konstant, dann entspricht einewachsende Deborah-Zahl also einer wachsenden Gleitge-schwindigkeit. Abbildung 4 zeigt den typischen Verlauf derdissipierten Energie in der Präsenz eines dominanten Dis-sipationskanals. Die Menge der dissipierten Energie, dienatürlich ein Maß für die messbare Reibung darstellt, ist ma-

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A B B . 1 | ATO M A R E S R E I B U N G S M O D E L L

Ein Atom gleitet über die atomare Rauheit einer anderen Oberfläche. Dabei ent-steht nur Reibung, wenn es Energie abgeben kann, zum Beispiel durch das Trennenvon atomaren Verbindungen oder durch Anregung von Schwingungen im Substratbeim lokalen Aufprall.

A B B . 2 | S T R I B EC K- KU RV E

Reibung zwischen zwei Flächen mit Schmiermittel in Abhän-gigkeit vom Sommerfeld-Parameter. Die Stribeck-Kurve zeigtdrei Bereiche der Schmierung. Sie hängen von der Gleitge-schwindigkeit ab, sofern der Viskositätswert des Schmiermit-tels und die Kraft zwischen beiden Flächen konstant bleiben.Nach der überholten klassischen Vorstellung weist die Grenz-flächenschmierung relativ hohe Reibungswerte auf.

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ximal bei einer Deborah-Zahl von 1. Reale Systeme könnenmehrere, unterschiedliche Deborah-Zahlen zugleich habenund somit auch mehrere dynamische Maxima und Minimader Energiedissipation.

Bei dieser Betrachtungsweise kommt der dynamischeAspekt des Phänomens der Reibung sehr gut zum Ausdruck:Gleiten die Oberflächen so,dass die dissipativen Strukturenmit einer Deborah-Zahl von 1 angeregt werden, so ist diegemessene Reibung über die betreffenden Kanäle maximal.Verlangsamt man das Gleiten, dann wird die Deborah-Zahlkleiner und somit auch die dissipierte Energie (Abbildung4). Bei sehr kleinen Deborah-Zahlen haben die dissipativenStrukturen genügend Zeit, der Anregung durch thermischeZufallsbewegungen zu folgen, somit wird keine zusätzlicheEnergie benötigt.

Ein besonders interessantes und wichtiges Phänomentritt bei De > 1 auf. In diesem Bereich nimmt die Reibungmit steigender Gleitgeschwindigkeit ab, was in vielen Fäl-len zu einer mechanischen Instabilität führt. Diese kannman sich so vorstellen: Zu Beginn dominiert die statischeReibung und die Oberflächen gleiten nicht. Die angelegteKraft in Gleitrichtung wächst nun, bis eine kritische Scher-spannung erreicht ist und die Oberflächen anfangen zu glei-ten. Je schneller sie werden, desto kleiner wird wiederumdie bremsende Reibkraft (Abbildung 4), was zusätzlich zurBeschleunigung beiträgt. Ab einem bestimmten Zeitpunktwird die gleitende Oberfläche so schnell, dass sie der anre-genden Kraft vorauseilt. Nun wird sie wieder gebremst undsteht schließlich still.

Diese dynamische Abfolge von Haften und Gleiten(Stick-Slip) kann sich beliebig oft und erstaunlich regel-mäßig fortsetzen. Die Tonerzeugung einer Geige beim Strei-chen der Saite mit dem Bogen ist ein Beispiel für diesen in-termittierenden Gleitzustand,ebenso das Knarren einer un-genügend geschmierten Türe. In realen Systemen ist dasintermittierende Gleiten häufig eine der Hauptursachen fürAbrieb und Verschleiß. Intermittierendes Gleiten kannmeist durch höhere Gleitgeschwindigkeiten verhindert wer-den [4], weil dort die Deborah-Kurve wieder flacher wird(Abbildung 4). Dessen kann man sich leicht anhand einerknarrenden Tür vergewissern.

DissipationskanäleWill man konkret untersuchen, welche Dissipationskanälezur Reibung beitragen, muss man sehr systematisch vorge-hen und überaus empfindliche Messmethoden benutzen.Ein besonders elegantes Experiment hat Jacqueline Krim ander North Carolina State University entwickelt [5].

Diese Schwingquarz-Methode,die im Englischen QuartzCrystal Microbalance (QCM) heißt, benutzt eine kleine ke-ramische Scheibe, die piezoelektrische Eigenschaften auf-weist (siehe auch „Die Schwingquarz-Methode“, rechts).Durch Anlegen einer Wechselspannung passend zur me-chanischen Resonanzfrequenz entsteht eine laterale Ober-flächenschwingung. Ihre Amplitude liegt typischerweise imBereich von einem Nanometer. Bringt man diesen Schwing-

quarz bei tiefen Temperaturen ins Vakuum,so kann man dieReibung zwischen adsorbierten Edelgasatomen und derOberfläche als mechanische Dämpfung messen. Das Ver-fahren ist so empfindlich, dass man damit die Rutschbewe-gung eines Bruchteils einer Atomlage genau vermessenkann. Mit QCM gelang bei tiefen Temperaturen der Nach-weis, dass neben den oft dominierenden Phononen auch

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A B B . 3 | D I SS I PAT I O N

Einfaches mechanisches Modell einer dissipativen Struktur(hier ein Oberflächenatom), die beim Gleiten angeregt wird.M ist die Masse der Struktur, k die Federkonstante, welche dieStärke der Wechselwirkung mit dem Substrat beschreibt undD beschreibt als Dämpfungsglied die Energiedissipation.

D I E S C H W I N G Q UA R Z- M E T H O D E |Mit der Schwingquarz-Methode (QuarzCrystal Microbalance, QCM) misst mandie Reibung von einzelnen adsorbiertenAtomen (zum Beispiel von Edelgasen)oder Molekülen auf einer definiertenEinkristalloberfläche. Damit die Edel-gasatome auf der Oberfläche haftenbleiben und nicht gleich verdampfen,arbeitet man bei sehr tiefen Temperatu-ren im Vakuum.

Unter der Oberfläche befindet sichein Schwingquarz, den eine elektrischeWechselspannung in mechanischeResonanzschwingung versetzt. DieGrundfrequenz liegt typischerweise bei5 MHz, gemessen werden bis zu neunObertöne (45 MHz). Der Hauptschwin-gungsmodus liegt parallel zur Ober-fläche. Die adsorbierten Atome werdenalso sehr schnell hin und her bewegt.Bei genügender Beschleunigung lösensie sich und gleiten über die Oberfläche.Die dabei entstehende Reibung dämpftdie Schwingung des Quarzes undverschiebt so seine Frequenz messbar.

Mit der Schwingquarzmethodelassen sich die Dissipationskanäleuntersuchen, die zu Reibung führen. Zu den wichtigsten Dissipationskanälenzählt die Anregung von Phononen, dierelativ schnell thermalisiert, also inzufällige Bewegungen umgewandelt,werden. Bei leitenden Oberflächenbeobachtet man zusätzlich eine elektro-nische Reibung. Diese ist relativ kleinund verschwindet im Falle eines Supra-leiter-Übergang ganz.

Die Scheibe des Schwingquarzes mitihren Kontakten. Sie ist 10 mm großund 300 μμm dick.

Gold-Elektrodemessseitig

Quarz

Gold-Elektroderückseitig

Schwingung

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Elektronen angeregt werden können. Auf elektrisch leiten-den Oberflächen können Elektronen also ebenfalls als Dis-sipationskanal einen kleinen, aber messbaren Beitrag zurReibung beitragen [6].

Im Gegensatz zur QCM-Methode, bei der die Edelgas-atome sich einzeln und frei auf der Oberfläche bewegenkönnen,verwendet man auch eine zweite Methode,bei derdie Probenatome an einer feinen Messfeder befestigt sind.Dies hat zwei wesentliche Vorteile. Einerseits kann man dieBewegung gezielt steuern und andererseits die auftretendenKräfte direkt messen. Dazu verwendet man ein Raster-kraftmikroskop (Atomic Force Microscope, AFM) mit eineratomaren Spitze (siehe auch Physik in unserer Zeit 2002,33(4),178). Bei ihm gleitet das äußerste Atom der Spitze soüber die Oberfläche, dass es atomare Unebenheiten als Po-tentialerhebungen spürt. Überall dort, wo zwischen denOberflächenatomen Vertiefungen sind, sitzen auch die Or-te geringer Energie. Die Spitze wird sich folglich bevorzugtentlang solcher Orte bewegen und nötigenfalls auch leichtseitlich auslenken. Dabei hilft manchmal die thermische Zu-fallsbewegung der Oberflächenatome beim Weiterkommen.

Umgekehrt regt das bewegte Atom der Spitze gele-gentlich eine Gitterschwingung an und wird gebremst. Sol-che Phononen sind kleine akustische Wellen im Festkörper,die Energie vom Ort des Geschehens abtransportieren kön-nen. Wir haben hier also einen atomaren, mechanischenKanal der Energiedissipation. Das Wechselspiel der Ener-giedissipation mit Gitterschwingungen an einer Oberflächehat bereits 1929 G. A. Tomlinson theoretisch beschrieben,fand aber viele Jahrzehnte keine Beachtung. Heute gibt esmehrere Forschergruppen,die sich intensiv mit diesem The-ma beschäftigen. Aufgrund von solchen Modellen konnteman zum Beispiel experimentelle Resultate erklären, die ei-ne typisch logarithmische Abhängigkeit der atomaren Rei-bung von der Geschwindigkeit aufgezeigt haben.

Kann man das Wissen um die mikroskopischen Mecha-nismen nun auch nutzen, um gezielt Systeme mit ultratie-fer Reibung zu entwickeln? Eine frühe Idee zählt inzwi-schen zu den Rückschlägen der Nanotribologie. Als guteKandidaten für geringe Reibung galten die Oberflächen vonQuasikristallen. Die Theorie sagte voraus,dass Quasikristallewegen ihrer fehlenden langreichweitigen Ordnung im ato-maren „Gitter“ auch keine Gitterschwingungen langerReichweite unterstützen. Folglich sollten sie auch nur sehrwenig Energie dissipieren [7]. Erste Experimente schienendies auch zu bestätigen. Leider stellte sich dann heraus,dassdie Ursache für die reduzierte Reibung eine dünne Oxid-schicht war, die sich auf den chemisch äußerst reaktivenQuasikristall-Legierungen bildet [8]. Saubere Quasikristall-Oberflächen zeigen dagegen eine nur geringfügig kleinereReibung als vergleichbare Metalloberflächen, was auf einerasche Thermalisierung von Reibungsphononen hindeutet.

Einen weiteren theoretischen Ansatz schlug eine japa-nische Forschergruppe aus Ishikawa vor [9]. Die Japanerwollen die Geschwindigkeitsabhängigkeit der Reibung ge-zielt beeinflussen, indem sie die Gitterschwingungen be-wusst modifizieren. Erzeugt man nämlich nahe der Gleit-fläche geschichtete Strukturen mit bestimmten Eigenschaf-ten in Dicke,Dichte und Steifheit,dann kann man damit dasPhononen-Spektrum formen. Theoretisch könnte man da-mit tatsächlich die Geschwindigkeitsabhängigkeit der Rei-bung systematisch verändern, wie die japanischen Moleku-lardynamik-Simulationen zeigen.

Eingeschlossene FlüssigkeitenSehr saubere Oberflächen sind also wichtig in der Nano-tribologie. Einige der Experimente werden deshalb unterHochvakuum-Bedingungen durchgeführt, denn die Präsenzvon Dritt- oder Fremdatomen zwischen gleitenden Ober-flächen kann die Energiedissipation empfindlich beeinflus-sen.

Andererseits kann es interessant sein, absichtlich Dritt-moleküle als Grenzflächen-Schmiermittel einzuführen undderen Einfluss auf die Reibung zu untersuchen. Der Raumzwischen den gleitenden Oberflächen ist dabei nur weni-ge Durchmesser dieser Moleküle breit. Es erstaunt nicht,dass sich das dynamische Verhalten und die molekulare Ord-nung solch „eingeschlossener Flüssigkeiten“ erheblich ver-ändern kann [10]. Systematische Experimente mit einge-schlossenen Flüssigkeiten brauchen ausgedehnte Ober-flächen, die absolut flach sind. Die dafür geeignete Mess-apparatur heißt Oberflächen-Kraftmessgerät (Surface For-ces Apparatus,SFA,siehe „Das Oberflächen-Kraftmessgerät“,S. 147).

Das SFA besticht durch die außerordentlich hohe Auf-lösung in der Bestimmung der Dicke von eingeschlossenenFilmen. Es kann noch Änderungen der Filmdicke zuverläs-sig messen, die einem Bruchteil eines Moleküldurchmes-sers entsprechen. Durch die gleichzeitige Messung von Film-dicke, Flüssigkeitsdichte und Kraft kann man zeigen, dasseingeschlossene Flüssigkeiten zwischen parallelen Ober-

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A B B . 4 | D E B O R A H - Z A H L

Typische „Glockenkurve“ der tribologischen Energiedissipati-on als Funktion der dimensionslosen Deborah-Zahl De. Die Reibung ist maximal im Bereich De = 1 und minimal für De >> 1 oder De << 1.

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flächen eine erhöhte Dichte aufweisen. Ihre Viskositätwächst, was einer effektiven Verlangsamung der molekula-ren Zufallsbewegung gleichkommt (Abbildung 4). Die ge-genseitige Ordnung und Orientierung der Moleküle kanndabei derart stark zunehmen, dass sich ein festkörperähnli-cher Zustand einstellt und die statische Reibung sehr hochwird. Die Flüssigkeit „gefriert“ dynamisch, ähnlich einemGlaszustand hoher Ordnung. Dies ist aber kein thermody-namisches Gefrieren im üblichen Sinne, sondern eher einemolekulare Ordnungsrelaxation [11], die für molekulareZeitskalen erstaunlich langsam erfolgen kann.

SuperschmierungDieses dynamische „Gefrieren“ der eingeschlossenen Mo-leküle bietet einen möglichen Ansatz, um mit sehr dünnenSchmierfilmen eine sehr kleine Reibung zu realisieren. Da-zu muss man das Gefrieren nämlich verhindern. Man kanndas zum Beispiel erreichen, indem man mechanischeSchwingungen mit einer Subnanometer-Amplitude einkop-pelt. Damit stört man die molekulare Relaxation und zwingtden Schmierfilm, im „flüssigen“ Zustand zu bleiben [12]. Mitdieser Methode konnten schon ultratiefe Reibwerte erreichtwerden, die auch das empfindliche SFA nicht mehr nach-weisen kann.

Erzeugen lassen sich diese winzigen Störschwingungenzum Beispiel durch Anregung mit einem Piezokristall, derin der Nähe der gleitenden Oberflächen sitzt (Abbildung 5links). Dabei nimmt die Dicke des Schmierfilmes um einenBruchteil eines Moleküldurchmessers zu. Diesen Effektnennt man molekulare Dilatation. Diese kleine Ausdehnungerlaubt es den Molekülen, im Zwischenraum den entschei-denden Platz für Ihre Zufallsbewegung zu erhalten. Mole-kulardynamische Simulationen mit Großrechnern haben dasPhänomen des verhinderten „Gefrierens“ ebenfalls bestätigtund als frustrierten dynamischen Zustand der Moleküle er-klären können [13]. Diese Art der Superschmierung ist inerster Linie für atomar flache Oberflächen geeignet und so-mit auf rauen Oberflächen nur lokal anwendbar.

Etwas dickere Schmierfilme von einigen zehn Nano-metern sind realisierbar mit geeigneten Polymerketten, dieauf einer Oberfläche einseitig chemisch verankert werden.Eine solche Oberfläche stellt man sich am besten als eineArt molekularen Teppich vor, in dem die einzelnen Molekülewie Fasern dicht gedrängt eine thermische Zufallsbewe-gung ausführen (Abbildung 5 rechts). Bei der Annäherungzweier solcher Oberflächen entsteht eine thermodynami-sche Abstoßung. Diese kann stärker als die filmbildendeKraft sein, die normalerweise bei der hydrodynamischenSchmierung genutzt wird. Polymerketten in dieser Anord-nung nennt man auch „Besen“ (polymer brush).

Benutzt man für die Ausbildung des molekularen Tep-pichs wasserlösliche Polymerketten wie Polyethylenglykol,dann kann man damit eine wasserbasierte Superschmie-rung erzielen. In solchen molekularen Schichten wurdenReibwerte gemessen, die tausendfach unterhalb des typi-schen Wertes für Grenzflächenschmierung liegen [14]. Sie

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DA S O B E R F L Ä C H E N - K R A F T M E S S G E R Ä T |Ein Oberflächen-Kraftmessgerät(Surface Forces Apparatus, SFA) kanndie molekularen Kräfte an einer Grenz-fläche quantitativ messen, obwohl dieMoleküle zwischen zwei ausgedehntenOberflächen eingeschlossen und somitnicht direkt zugänglich sind. Dieser„Einschluss“ kann die Dynamik derMoleküle entscheidend verändern.

Der SFA besteht im Prinzip aus zweiatomar flachen, gekrümmten Ober-flächen, die sich in der Anordnung vonzwei gekreuzten Zylindern gegenüber-stehen. Eine ausgeklügelte Mechanikerlaubt es, den Abstand zwischen denOberflächen mit einer Präzision imSubnanometerbereich zu steuern.Gleichzeitig wird der Abstand zwischenden Oberflächen interferometrisch miteiner Auflösung von wenigen Tausends-tel Nanometern vermessen. Eine derOberflächen befindet sich auf einerelastischen Feder, deren Federkonstan-te genau bekannt ist.

Die Oberflächenkräfte lassen genauberechnen. Dazu muss man die Diffe-renz zwischen der Bewegung derMechanik einerseits und die gemesseneDistanz zwischen den Oberflächen

andererseits aufzeichnen. Diese Diffe-renz entspricht der Federauslenkung.Die Kraftmessung basiert hier also aufeiner äußerst genauen Distanzmes-sung. Siehe auch „Internet“, S. 142.

Prinzip des Oberflächen-Kraftmess-geräts SFA. Zwischen den Messober-flächen bildet sich eine Fabry-Perot-Interferenz (roter Pfeil). Rechts: Nano-meter-Präzisionsantrieb (Doppelpfeil).

Messoberflächen

Messfeder

Spektrometer

Lichtquelle (weiß)

A B B . 5 | S U PE R S C H M I E R U N G

Zwei Beispiele der Superschmierung. Links: Die frustrierteDynamik einer eingeschlossenen Flüssigkeit, die durchSubnanometer-Schwingungen am „Gefrieren“ hindern.Rechts: Wenn Lösungsmittelmoleküle zum Beispiel in einemfest verankerten Polymerteppich gebunden sind, bleiben sietrotzdem beweglich und bilden einen molekularen Schmier-film.

sind kaum mehr messbar. Gerade die wasserbasierte Su-perschmierung bietet für die Zukunft sehr interessante Per-spektiven, da sie im Gegensatz zu herkömmlichen Mine-ralölen sehr umweltfreundlich ist.

Auch die Natur scheint diese Art der Schmierung in denGelenken höher entwickelter Lebewesen zu nutzen. Diemolekulare Struktur des Gleitknorpels ist sehr gut wasser-

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löslich und weist auch eine komplexe Besenstruktur auf.Die Wechselwirkung des Lösungsmittels Wasser mit derOberfläche scheint dabei eine zentrale Rolle zu spielen.Weiterführende Untersuchungen mit dem SFA belegentatsächlich, dass gebundene Wassermoleküle sehr effizien-te Schmiereigenschaften haben: Selbst eine einzige LageWassermoleküle reicht aus,um eine Superschmierung zu er-zielen. Interessanterweise scheint das Prinzip der Super-schmierung durch „gelöste“ Oberflächen nicht auf Wasserbeschränkt zu sein; auch mit anderen Molekülen und an-deren Lösungsmitteln wurden vergleichbare Resultate er-zielt [15].

Die Entdeckungen der Nanotribologie könnten uns ei-nes Tages ermöglichen, Superschmierung im technischenMaßstab breit einzusetzen.

ZusammenfassungBei der Reibung zwischen gleitenden Oberflächen fließt die kinetische Energie des Gesamtsystems irreversibel in viele atomare und molekulare Kanäle. Die Mechanismen dieservielfältigen Dissipationskanäle sind also nur auf der Nano-meterskala zu verstehen. Dabei hängt das Verhalten der un-tersuchten Systeme von einer Vielzahl von Ereignissen ab, diesich über viele Größenordnungen auf der Längen- und Zeit-skala ausdehnen. Das macht Reibung als Phänomen so schwerfassbar. Das junge Gebiet der Nanotribologie eröffnet dankhoch empfindlicher Messmethoden faszinierende Einblicke indie Energiedissipation auf der Nanometerskala. Seine Er-kenntnisse führen zu Strategien, mit denen eines Tages eine„Superschmierung“ technisch möglich wird.

StichworteNanotribologie, Reibung, statische Reibung, kinetische Rei-bung, Energiedissipation, Dissipationskanäle, Sommerfeld-Parameter, Deborah-Zahl, ultratiefe Reibung, eingeschlosse-ne Flüssigkeit, Superschmierung.

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Der AutorManfred Heuberger, studierte Physik an derUniversität Fribourg (Schweiz) und promoviertedort. Danach war er Postdoc an der University ofSanta Barbara, Kalifornien, und Senior Scientist inOberflächenwissenschaften an der ETH Zürich. Seit2005 leitet er die Abteilung Advanced Fibers der ETH-Forschungsinstitution Empa in St. Gallen,Schweiz. Zu seinen Spezialgebieten gehörenOberflächen- und Grenzflächen-Phänomene.

AnschriftDr. Manfred Heuberger, Abteilungsleiter, Funktionale Fasern and Textilien, Empa – MaterialsScience & Technology, Lerchenfeldstrasse 5, CH-9014 St. Gallen. [email protected]

148 | Phys. Unserer Zeit | 3/2007 (38) www.phiuz.de © 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim